Content uploaded by Martin Ebner
Author content
All content in this area was uploaded by Martin Ebner on Mar 30, 2023
Content may be subject to copyright.
DOI: 10.3217/zfhe-18-01/01 9
Martin EBNER1 (Graz), Thomas STAUBITZ (Potsdam), Markus KOSCHUTNIG-
EBNER (Graz) & Sebastian SERTH (Potsdam)
Editorial: Massive Open Online Courses und
ihre Rolle in der digitalen (Hochschul-)Lehre
1 Zur Ausgabe
Massive Open Online Courses sind spätestens seit dem Online-Kurs von Sebastian
Thrun zur Künstlichen Intelligenz weltbekannt geworden (CARSON & SCHMIDT,
2012). Durch die Möglichkeit, Bildungsinhalte auf universitärem Niveau oen zu-
gänglich im Internet zur Verfügung zu stellen, stieg die Zahl der Lernenden sprung-
haft an und erreichte im angloamerikanischen Raum oft bis zu 100.000.
Diesen ersten Erfolgsgeschichten folgten sogleich wissenschaftliche Studien und
Begleitforschungen (Y UA N & BOW LE, 2013; GAEBEL, 2013). Es galt zu erfor-
schen, wie ein gemeinsames Lernen mit solchen Massen funktionieren kann oder
warum die Drop-out-Rate zu Beginn hoch war (KHALIL & EBNER, 2014). Im
Laufe der Zeit begannen immer mehr Hochschulen, solche Kurse zu produzieren,
und vereinzelt entstanden weitere Plattformen. Auch im deutschsprachigen Raum
wurden erste Kurse entwickelt, die ab 2014 einer breiten Öentlichkeit zugänglich
gemacht wurden. Das Forschungsgebiet im Bereich Educational Technology begann
sich zunehmend mit dem Phänomen zu beschäftigen – ob durch technische und
pädagogische Betrachtungen oder mit Analysen eigener praktischer Erfahrungen in
solchen Kursen. Wie der Markt zeigt, bietet heute der deutschsprachige MOOChub
(https://moochub.org) über 700 Online-Kurse an, die von Lernenden ohne weitere
Kosten besucht werden können.
Seit der COVID-19-Pandemie hat die digitale Lehre an Hochschulen zwar einen un-
gewollten, aber dafür um so deutlicheren Schwung aufgenommen (PAUSITS et al.,
2021). Über Nacht waren die Institutionen gezwungen, teilweise auf ausschließliche
1 E-Mail: martin.ebner@tugraz.at
Martin Ebner, Thomas Staubitz, Markus Koschutnig-Ebner & Sebastian Serth
10 www.zfhe.at
Online-Lehre umzustellen. Dies verhalf natürlich auch den MOOCs zu einem weite-
ren Aufschwung, waren es ja gerade diese Kurse, die bereits zur Verfügung standen,
und diese Plattformen, die bereits mit großen Massen an Lernenden umgehen konn-
ten. Auch sind es nun solche Plattformen, die nicht nur der hohen Nutzungsfrequenz
standhalten müssen, sondern auch zukünftige Entwicklungen vorantreiben können:
Entwicklungen wie die Schaung gemeinsamer Kursstandards über Landesgrenzen
hinaus; die Zurverfügungstellung digitaler Zertikate oder gemeinsamer Authen-
tizierungsverfahren sind nur einige wenige anstehende Herausforderungen. Die
aufkommende Debatte und Diskussion zu Microcredentials ist ebenfalls eng mit
MOOCs verknüpft, genauso wie die neuen innovativ-didaktischen Szenarien wie
Inverse-Blended-Learning und Flipped Classroom, welche sich in Zusammenhang
mit den vorherrschenden Lehr- und Lernvideos als Lernmaterial eignen (EBNER
et al., 2017).
2 Die inhaltlichen Fragen
In diesem Themenheft war das Ziel, das Thema Massive Open Online Courses ins-
besondere im deutschsprachigen Raum aus allen Perspektiven zu betrachten. Fol-
gende Fragen wurden als Anregungen gegeben, hatten aber natürlich keinesfalls
einen Vollständigkeitsanspruch:
– Welche Erfahrungen gibt es mit dem Einsatz von Massive Open Online Courses
in der Hochschullehre?
– Welche strategische Rolle spielen frei zugängliche Kurse in Zukunft im Hoch-
schulkontext?
– Welche technischen Entwicklungen in Zusammenhang mit MOOCs sind zu
erwarten?
– Wie ist das Thema MOOCs aus pädagogischer Sicht zu behandeln? Welche
medienpädagogischen Fragestellungen sind zu beantworten? Welche hoch-
schuldidaktischen Implikationen sind mit MOOCS verbunden?
– Wie beeinussen MOOCs den Bologna-Prozess oder auch den Weiterbildungs-
markt (u. a. Microcredentials)?
ZFHE Jg. 18 / Nr. 1 (März 2023) S. 9–15
11
– Welche Rolle spielen MOOCs in der Third Mission?
– Welche konkreten Inhalte lassen sich besonders durch MOOCs vermitteln?
Welche Erfahrungen und evidenzbasierten Untersuchungen gibt es hierzu?
– Welchen Einuss haben MOOCs auf Bildungsgerechtigkeit bzw. den Zugang
zur Hochschulbildung?
– Welche Implikationen haben MOOCS auf Funktion und Verständnis von
Hochschulen und Hochschulbildung?
Kurzum, der Aufruf sollte das Thema MOOCs und deren Rolle in der Hochschul-
lehre aus möglichst verschiedenen Perspektiven betrachten und damit deren Ein-
satz, Entwicklung und Rolle beleuchten.
3 Das Heft
Insgesamt wurden 15 Beiträge für dieses Heft eingereicht und nach einem Double-
Blind-Peer-Review-Verfahren konnten 9 Beiträge angenommen werden, die zeigen,
wie breit das Themenfeld MOOCs im deutschsprachigen Raum diskutiert wird und
zur Anwendung kommt. Nicht nur durch die COVID-19-Pandemie, aber selbstver-
ständlich davon auch unterstützt, sind freie Online-Kurse heute in der breiten Öf-
fentlichkeit, sowohl bei Lehrenden als auch bei Lernenden, angekommen.
So beschreibt der erste Beitrag Metastandard für den internationalen Austausch
von MOOCs wie der Zusammenschluss aller deutschsprachigen Plattformen erfolg-
te und zur gemeinsamen Plattform moochub.org führte. Beeindruckend ist hierbei
nicht nur die Anzahl an verfügbaren, kostenlosen und oen lizenzierten Kursen,
sondern auch die Breite an Themen, die schier endlos scheinen. Besonders interes-
sant dabei ist, dass man einen Quasi-Standard entwickeln musste, um aus mehreren
Plattformen die verfügbaren Kurse einzulesen und zentral vollkommen automati-
siert zur Verfügung zu stellen. Auch wird ein Ausblick auf mögliche weitere Schrit-
te gegeben.
Im nächsten Beitrag zu Evaluation und Maintenance von Online-Kursen beschreibt
das Autor:innenteam die Notwendigkeit, Kurse im laufenden Betrieb weiterzuent-
wickeln und die Probleme, die sich daraus für die unterschiedlichen Kursforma-
Martin Ebner, Thomas Staubitz, Markus Koschutnig-Ebner & Sebastian Serth
12 www.zfhe.at
te ergeben. Verschiedene Ansätze internationaler MOOC-Plattformen zur Lösung
dieser Aufgabe werden aufgezeigt. Das Team des KI-Campus (ki-campus.org) hat
darauf basierend eine systematische Vorgehensweise abgeleitet, um die Problematik
auf der eigenen Plattform anzugehen. Gerade in neuen, sich schnell entwickelnden
Themengebieten ist eine solche fortlaufende Qualitätskontrolle von größter Wich-
tigkeit. Der Beitrag beinhaltet einen ersten Entwurf für ein praktisch anwendbares
Maintenance-Kriterienraster, das zurzeit auf dieser Plattform pilotiert und iterativ
weiterentwickelt wird.
Ein weiterer Beitrag über Didaktische Gestaltung von MOOCs: Forschungsstand
und Empfehlungen beschäftigt sich mit der didaktischen Qualität von MOOCs sowie
den didaktischen Prinzipien und Maßnahmen, die erfolgreiches Lernen in MOOCs
fördern. Forschungserkenntnisse zeigt auf, dass in vielen MOOCs die didaktische
Qualität als nicht zufriedenstellend einzustufen ist. Im Beitrag werden die Hinter-
gründe beleuchtet und möglichen Maßnahmen zur Verbesserung vorgestellt. Es
zeigt sich, dass MOOCs das traditionelle Lernangebot an Hochschulen bereichern
können, wenn diese didaktisch gut gestaltet werden.
Der Beitrag Ein MOOC als Teil eines Curriculums: Das Instruktionsdesign ist ent-
scheidend zeigt exemplarisch die Einbindung eines MOOCs in das Bildungsangebot
der Fernfachhochschule Schweiz. Der sechswöchige Kurs wurde dabei sowohl in
das bestehende Lehrangebot eingebunden, als auch unabhängig davon für Interes-
sierte geönet. In diesem Spannungsfeld legt der Beitrag anschaulich dar, wie ein
MOOC erfolgreich in ein Curriculum integriert werden kann, und leitet daraus An-
forderungen an die Konzeption zukünftiger Kurse ab.
Ein weiterer Beitrag über Massive Open Online Courses als Ermöglicher für Ser-
vice Learning reektiert den Einsatz von MOOCs im Format des projektbasierten
Service-Learning und inwieweit dieser die Hochschulbildung unterstützen und ver-
ändern könnte. Vorteile und Herausforderungen, insbesonders die Auswirkungen
auf Studierende, das Lehrpersonal sowie die Institutionen, MOOC-Entwickler:in-
nen, Hochschullehre als auch Forschung, werden näher beleuchtet und diskutiert.
In dem Beitrag Erfahrungen bei Studienstart und Aktivitäten der Universitäten zu
MOOCs in Österreich wird die Verbreitung von MOOCs an österreichischen Hoch-
schulen analysiert. Dazu werden sowohl die Wahrnehmung von Studienanfänger:in-
nen seit 2013 berücksichtigt, als auch die geplanten Aktivitäten der Universitäten in
ZFHE Jg. 18 / Nr. 1 (März 2023) S. 9–15
13
den jeweiligen Leistungsvereinbarungen bis 2024 untersucht. Besonders spannend
ist, dass Online-Kurse insgesamt an Bedeutung gewinnen, die genaue Abgrenzung
von MOOCs zu anderen Online-Angeboten aber noch nicht klar genug ist. Mit einer
weiteren Zunahme von MOOCs im Hochschulkontext und einer Analyse der damit
einhergehenden Eekte fordert der Beitrag daher auch eine Schärfung des Begris.
Ein weiterer Beitrag über Der Digitale Campus – Unterstützung internationaler
Studieninteressierter und Studierender neu gedacht zeigt, wie Studieninteressierte
in der Orientierungs-, Bewerbungs- und Vorbereitungsphase besser unterstützt wer-
den können. Dazu wurde ein digitales Portal aufgebaut, um bestehende Plattform-
services wie z. B. Online-Kursangebote von verschiedenen Bildungseinrichtungen
und Hochschulen miteinander zu verknüpfen. Die möglichen Vorteile dieser Ver-
knüpfungen für internationale Studieninteressierte werden im Beitrag beleuchtet.
Ein weiterer Beitrag über MOOCs und Microcredentials: Internationale und öster-
reichische Entwicklungen geht der Frage nach, inwieweit MOOCs bei der Imple-
mentierung von Microcredentials an Hochschulen eine Rolle spielen können. Die
Europäische Kommission deniert Microcredentials als „eine Qualikation, mit der
Lernergebnisse nachgewiesen werden, die in einem kurzen, transparent bewerteten
Kurs oder Modul erworben wurden“. Der Beitrag listet die internationalen, europäi-
schen und österreichischen Entwicklungen mithilfe von Literatur und Policy-Doku-
menten und präsentiert die Ergebnisse, wie solche Microcredentials mit MOOCs an
der TU Graz seit Herbst 2022 implementiert wurden.
Der abschließende Beitrag befasst sich mit MOOCs in der Hochschullehre – Mo-
tive und Erwartungen von Lehrenden und Studierenden. Das Autor:innenteam der
Universität Kiel wertet hier eine Fragebogenstudie mit 445 Lehrenden und 1644
Studierenden aus Schleswig-Holstein aus, in der Motivationsstrukturen und Ein-
stellungen zu digitalen Bildungsangeboten von Lehrenden und Studierenden unter-
sucht werden, um eine reibungsarme, breite Verankerung von MOOCs in der Lehre
zu gewährleisten.
Wir wünschen Ihnen, liebe Leser:innen, viel Freude bei der Lektüre dieser interes-
santen Ausgabe und wollen uns gleichzeitig bei unseren Kolleg:innen bedanken, die
im Peer-Review-Prozess mitgeholfen haben, diese Ausgabe zu gestalten.
Martin Ebner, Thomas Staubitz, Markus Koschutnig-Ebner & Sebastian Serth
14 www.zfhe.at
4 Literaturverzeichnis
Carson, S. & Schmidt, J. (2012). The Massive Open Online Professor Academ-
ic Matter. Journal of higher education. http://www.academicmatters.ca/2012/05/
the-massive-open-online-professor/
Ebner, M., Khalil, M., Schön, S., Gütl, C., Aschemann, B., Frei, W. & Röthler,
D. (2017) How Inverse Blended Learning Can Turn Up Learning with MOOCs? In
Proceedings of the International Conference MOOC-MAKER 2017. Antigua Guate-
mala, Guatemala, November 16–17. (S. 21–30).
Ebner M., Schön S. & Braun C. (2020). More Than a MOOC – Seven Learning
and Teaching Scenarios to Use MOOCs in Higher Education and Beyond. In S. Yu,
M. Ally & A. Tsinakos (Hrsg.), Emerging Technologies and Pedagogies in the Cur-
riculum. Bridging Human and Machine: Future Education with Intelligence (S. 75 –
87) Singapore: Springer. https://doi.org/10.1007/978-981-15-0618-5_5
Gaebel, M. (2013). MOOCs – Massive Open Online Courses, European University
Association. https://eric.ed.gov/?id=ED571140, Stand Juli 2021.
Khalil, H. & Ebner, M. (2014). MOOCs Completion Rates and Possible Methods
to Improve Retention – A Literature Review. In Proceedings of World Conference
on Educational Multimedia, Hypermedia and Telecommunications 2014 (S. 1236 –
1244). Chesapeake, VA: AACE.
Pausits, A., Oppl, S., Schön, S., Fellner, M., Campbell, F. J. & Dobiasch, M.
(2021). Distance Learning an österreichischen Universitäten und Hochschulen im
Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/21. https://www.bmbwf.gv.at/
dam/jcr:3db65e-68f7-43d0-a31f-0e667d258d69/210701_WF048_21%20-Dis-
tance%20Learning%20an%20Unis%20und%20HS%20im%20SS20%20und%20
WS20_21_bf_FINALE_VERSION.pdf
Yuan, L. & Bowel, S. (2013). MOOCs and Open Education: Implications for Higher
Education. https://e-space.mmu.ac.uk/619735/1/MOOCs-and-Open-Education.pdf
ZFHE Jg. 18 / Nr. 1 (März 2023) S. 9–15
15
Autoren
Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. techn. Martin EBNER || Technische
Universität Graz, Lehr- und Lerntechnologien ||
Münzgrabenstraße 36/I, A-8010 Graz
https://martinebner.at
https://elearningblog.tugraz.at
https://elearning.tugraz.at
martin.ebner@tugraz.at
Dr. rer. nat. Thomas STAUBITZ || Hasso-Plattner-Institut ||
Prof.-Dr.-Helmert-Str. 2–3, D-14482 Potsdam
https://open.hpi.de
thomas.staubitz@hpi.de
Dipl.-Ing. Markus KOSCHUTNIG-EBNER || Technische Univer-
sität Graz, Lehr- und Lerntechnologien || Münzgrabenstraße 36/I,
A-8010 Graz
http://elearning.tugraz.at
markus.ebner@tugraz.at
Sebastian SERTH, MSc || Hasso-Plattner-Institut ||
Prof.-Dr.-Helmert-Str. 2–3, D-14482 Potsdam
https://open.hpi.de
sebastian.serth@hpi.de