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Die Wracklandschaft vom Süderoogsand

Authors:
  • State Archaeology Department of Schleswig-Holstein

Abstract

In den letzten Jahren rückte der Süderoogsand in den Fokus der Schiffsarchäologie, denn infolge von Stürmen und Erosion wurden hier drei historische Holzwracks freigespült. Dieser Vorbericht spiegelt den aktuellen Stand der Forschung auf dem Süderoogsand kurz wider. Special feature: https://archaeologische-nachrichten.de/suederoogsand/
Archäologische Nachrichten 2022
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Archäologische Nachrichten
Schleswig-Holstein
2
|Archäologische Nachrichten 2022 | Inhalt
Fahrdorf
Bohnert
Albersdorf
Tating
Nehmten
Seedorf
Archsum
Borgstedt
Flintbeck
Nebel
Taarstedt
Norderbrarup
Henstedt-Ulzburg
Süderoogsand
Haithabu
UNESCO Welterbe
Haithabu und Danewerk
Oldenburg (Starigard)
2
Inhalt
|
3
|Archäologische Nachrichten 2022 | Inhalt
Fahrdorf
Bohnert
Albersdorf
Tating
Nehmten
Seedorf
Itzehoe
Archsum
Borgstedt
Flintbeck
Nebel
Taarstedt
Norderbrarup
Henstedt-Ulzburg
Süderoogsand
Haithabu
UNESCO Welterbe
Haithabu und Danewerk
Oldenburg (Starigard)
3
|
4 Vorwort
6 Ulf Ickerodt
Energiewende als Herausforderung
für die Landesarchäologie
Denkmalschutz, Denkmalpflege,
Landschaftsumbau und Teilhabe
20 Hauke Dibbern
»[…] derselbe Wall vom Großen Plöner See
bis zur Tensfelderau […]«
Nichtmegalithische Langbetten an der
Grenze der Kreise Plön und Segeberg
24 Stefanie Klooß
Mechtild Freudenberg
Jan Fischer
Die Entdeckung eines Bronzehortes
an der inneren Schlei
Fahrdorf LA 105, Kreis Schleswig-Flensburg
30 Dominik Forler
Lohn der Beharrlichkeit
Fund eines bronzezeitlichen Schwerts
in Bohnert, Gemeinde Kosel,
Kreis Rendsburg-Eckernförde
36 Martin Segschneider
Tholendorfer Tontiere
Spielfiguren der Bronzezeit auf
der Halbinsel Eiderstedt
40 Erika Drews
Der Gürtel vom Galgenberg in Itzehoe
44 Andreas Selent
Vom bronzezeitlichen Grabhügel zum
wikingerzeitlichen Grubenhaus
52 Ringo Klooß
Kurzbericht über die Ausgrabung des
früheisenzeitlichen Bestattungsplatzes
Borgstedt LA 72, Kreis Rendsburg-Eckernförde
56 Eric Müller
Siedlungsplätze der frühen
Völkerwanderungszeit
Flintbek LA 186 und 187,
Kreis Rendsburg-Eckernförde
66 Stefanie Klooß
Christoph Unglaub
Jan Fischer
Ruth Blankenfeldt
Sand, Steine, Scherben
Ein eisenzeitlicher Hofplatz mit erhaltener alter Lauf-
oberfläche in einem Dünental auf der Insel Amrum
72 Ringo Klo
Die völkerwanderungszeitliche
Siedlung Taarstedt
78 Andreas Selent
Eine kleine jüngerwikingerzeitliche
Siedlung im Ortskern von Norderbrarup
Kreis Schleswig-Flensburg
84 Markus C. Blaich
Haithabu/Heddeby, Starigard
und Werla
Zu Pektoralkreuzen des 10./11. Jahrhunderts
und ihrer Herstellung
92 Volker Hilberg
Eicke Sieglo
Klein, aber fein ...
Ein neuer Silberschatzfund des Frühmittelalters
in Holstein
98 Daniel Zwick
Die Wracklandschaft vom Süderoogsand
108 Rüdiger Kelm
Birte Meller
Das Steinzeithaus von Pennigbüttel
Vom Befund zum neolithischen Musterhaus
bis zur musealen Installation
114 Christian Weltecke
Matthias Maluck
Bauprogramm Welterbe
Potenziale für die Regionalentwicklung
und den Schutz von Haithabu und Danewerk
120 Nachruf auf Dr. habil. Michael Gebühr
122 Autorinnen und Autoren
123 AGSH
4
|Archäologische Nachrichten 2022 | Impressum
Herausgeber des 28. Heftes
© Archäologisches Landesamt Schleswig-
Holstein (ALSH), Schleswig
www.schleswig-holstein.de/archaeologie
Archäologische Gesellschaft Schleswig-
Holstein e. V. (AGSH)
www.agsh.de
Redaktion
Birte Anspach
Layout
Science Communication Lab (SciComLab)
Titelbild
Science Communication Lab (SciComLab)
Abbildungen
Alle Karten basieren auf den Kartengrund-
lagen des LVermGeoSH. Farben und Verände-
rungen an Karten, Plänen und Schaubildern
sind von SciComLab angepasst. Alle nicht ge-
kennzeichneten Abbildungen sind ebenfalls
von SciComLab angefertigt.
Herstellung
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Hamburg (Printed in Europe)
ISSN 0942-9107
ISBN 978-3-529-01444-4
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist
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sig. Das gilt insbesondere für die Vervielfäl-
tigung, Übersetzungen, Mikroverfilmungen
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Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
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Hamburg 2022
www.wachholtz-verlag.de
Impressum
Liebe Leserinnen und Leser der Archäologischen Nachrichten aus
Schleswig-Holstein,
nach den letzten Corona-Jahren und den damit einhergehenden
Lockerungen hofften wir, zunehmend wieder in den normalen
Vor-Corona-Betrieb überzugehen. Dann ereignete sich am 24. Feb-
ruar 2022 etwas, das uns völlig überraschend traf: der Einmarsch
der Russen in die Ukraine. Dies trat eine Ereigniskette los, die alle
betrifft. Auch die Landesarchäologie. Im Rahmen der Möglichkeiten
versuchten wir zu helfen und unsere Solidarität auszudrücken. In
der Zwischenzeit haben Jan Schuster und Ulf Ickerodt das Tagebuch
des ukrainischen Archäologen Maxim Levada unter dem Titel „Sie-
ben Monate Krieg herausgegeben. Ein Tagebuch des Unbegreiflichen“
in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung.
Der Spezialist für Römische Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit in
Osteuropa hatte in einer losen Reihe von Facebook-Einträgen persön-
liche Eindrücke wiedergegeben.
Levadas Reflexionen betreffen aber nicht nur den Krieg, sondern auch
seine Arbeit als Archäologe. Während jenes Zeitraumes arbeitete
Levada mit Magda Mączyńska an einem Artikel über Klaus Raddatz
und dessen Arbeit im Museum in Winnica während des Zweiten
Weltkriegs. Hier schließt sich der Kreis. – Vor gut 80 Jahren waren
es schleswig-holsteinische Archäologen, wie auch der Kieler Absol-
vent Klaus Raddatz, die neben Fachgrößen wie Herbert Jankuhn, Karl
Kersten oder Alfred Rust 1943 im Umfeld des Sonderkommandos
Jankuhn bzw. „Schatten“ zweier SS-Panzerkorps z. B. die Ausgrabun-
gen auf dem Gräberfeld bei Nikolskoje durchführten.
Neben dieser indirekten Betroffenheit verspüren wir alle die Folgen
dieses Angriffs. Die nötige Energiewende befindet sich in einem enor-
men Schub. Dies betrifft die Landesarchäologie direkt und enthält
zwei Botschaften als Facetten einer Medaille. Die gute Botschaft ist
mit der Landesforschung verbunden. Es werden immer mehr Siedlun-
gen der unterschiedlichen Zeiten erschlossen. Hierdurch erhält die
Forschung im Land eine neue, bisher noch nicht gekannte Material-
und Datengrundlage. Und viele neue großflächige Grabungen kom-
men hinzu. Dieses bietet der Bürger- und Berufsforschung viele neue
Themen und Inhalte. Diese Chance birgt aber auch viele Herausforde-
rungen, von denen im ersten Beitrag berichtet wird. Dieses führt uns
zum dritten zentralen Beschäftigungsfeld der Landesarchäologie und
ist unter dem Thema Digitalisierung zusammenzufassen. Das thema-
tische Spektrum reicht von der Erstellung digitaler Dokumentationen
bis hin zu Anwendungen, die auf Ihrem Smartphone funktionieren.
Vieles geschieht künftig einfach und schneller. Das Archäologische
Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH) verfolgt eine open source- und
Vorwort
5
|Archäologische Nachrichten 2022 | Impressum
open data-Politik. Bis das aber alles läuft bzw. wir gemeinschaftlich
diese Möglichkeiten nutzen können, wird noch einiges an Arbeit zu
stemmen sein. Vor diesem Hintergrund gilt unser Dank allen Kolle-
ginnen und Kollegen für ihr unermüdliches Engagement.
Trotz all dieser Herausforderungen schafften wir es, Ihnen für das
Jahr 2022 ein Heft zusammenzustellen, das wie gewohnt vielfältig
ist. Wir sind auch dieses Jahr wieder stolz, Ihnen über die Archäo-
logischen Nachrichten aus Schleswig-Holstein einen interessanten
Einblick über die aktuellen Themen der Landesarchäologie zu geben.
Neben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ALSH wenden
sich Forscherinnen und Forscher des Institutes für Ur- und Frühge-
schichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, des Museums
für Archäologie, Schloss Gottorf, des Niedersächsischen Institutes für
historische Küstenforschung, des Niedersächsischen Landesamtes
für Denkmalpflege, des Institutes für Vor- und Frühgeschichtliche Ar-
chäologie der Universität Hamburg und des Archäologisch-Ökologi-
schen Zentrums Albersdorf mit ihren Beiträgen an Sie und berichten
von ihren Projekte.
In den letzten Jahren erfolgte am ALSH eine systematische Revision
der Landesaufnahme auf Grundlage von Fernerkundungsdaten, in
erster Linie sog. LIDAR-Scans mit hoher Auflösung. Hauptziel war
dabei die Bewertung bekannter Fundstellen in Hinblick auf ihre
Schutzwürdigkeit. Es ging darüber hinaus aber auch um die Kon-
trolle ihrer Lagerichtigkeit sowie um die Identifizierung neuer bzw.
bisher nicht erfasster Denkmale. Digitale Geländemodelle und ge-
oreferenzierte Orthofotografien bildeten in diesem Zusammenhang
hervorragend geeignete Grundlagen. Am Beispiel einer Kleinregion
südwestlich des Plöner Sees verdeutlicht Hauke Dibbern das Poten-
zial dieser Methode. Sie führte zur Entdeckung einer größeren An-
zahl von Anomalien, die bisher nicht bekannte nichtmegalithische
Langbetten aufwiesen.
Selbstverständlich gab es auch herausragende Funde von unseren eh-
renamtlich zertifizierten Detektorgängerinnen und Detektorgängern,
die die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zogen. Mechtild Freu-
denberg und Stefanie Klooß berichten vom wunderbar erhaltenen
Hortfund von Fahrdorf und Dominik Forler erzählt vom bronzezeitli-
che Schwert aus der Gemeinde Kosel.
Gespielt wurde zu allen Zeiten, auch in der Bronzezeit. Über die klei-
nen Tonfiguren aus Tholendorf, die wohl als Kinderspielzeug dienten,
weiß Martin Segschneider zu informieren und Erika Drews wagt den
Versuch, einen Gürtel nach Vorbild eines bronzezeitlichen Grabfun-
des herzustellen.
Die nordfriesischen Inseln gelten als archäologisch vielfältig. In
diesem Heft sind die Inseln Amrum und Sylt mit außerordentlich
bemerkenswerten Befunden vertreten – Christoph Unglaub und Ste-
fanie Klooß sowie Andreas Selent legen hier zwei ganz unterschiedli-
che Projekte vor.
Ringo Klooß und Eric Müller berichten über die Ergebnisse der ar-
chäologischen Untersuchungen im Bereich dreier geplanter Bauge-
biete. Die Ausgrabungen ergaben wichtige Erkenntnisse über die
Besiedlung von der Vorrömischen Eisenzeit bis zur Völkerwande-
rungszeit.
Untersuchungen im Vorfeld eines Bauvorhabens in der Nähe der Kir-
che von Norderbrarup erbrachten mitten im Wohngebiet eine wikin-
gerzeitliche Siedlung, die auf ein enormes Interesse der Bevölkerung
sowohl der Medien stieß.
Markus C. Blaich berichtet von drei Kruzifixen, über die Einblicke
in die Geisteswelt des 10./11. Jh. gewonnen werden können und die
Einsichten in die frühmittelalterliche Handwerkskunst geben. Um
einen weiteren, um 990/991 versteckten Hortfund geht es bei Volker
Hilberg und Eicke Siegloff.
In den letzten Jahren rückte der Süderoogsand in den Fokus der
Schiffsarchäologie, da Stürme und Erosion hier drei historische
Holzwracks freispülten. Der Vorbericht von Daniel Zwick spiegelt den
aktuellen Stand der Forschung vor Süderoogsand wider.
Der Steinzeitpark Dithmarschen in Albersdorf ist ein archäologisches
Freilichtmuseum, das auf einem Gelände von ca. 40 Hektar Größe
die Landschaft der (Jung-)Steinzeit und die Lebens- und Alltagsbe-
dingungen der Menschen in der Steinzeit mithilfe originalmaßstabs-
getreuer Modelle auf Grundlage archäologischer Befunde darstellt.
Dazu gehört auch das als Modell erbaute „Steinzeithaus von Pennig-
büttel B“. Birte Meller und Rüdiger Kelm berichten von der Sanierung
des 2003 errichteten Pennigbüttel-Hauses und der durch Befunde
und Versuche zu optimierenden Inneneinrichtung solcher steinzeit-
lichen Häuser.
Seit 2018 gehören Haithabu und Danewerk zum UNESCO-Weltkultur-
erbe. Doch was passierte eigentlich alles in den letzten vier Jahren?
Matthias Maluck und Christian Weltecke geben einen Überblick über
die baulichen Veränderungen an unserem Welterbe.
Ihnen allen, die sich der Landesarchäologie nahe fühlen oder, was
noch besser ist, sich als Mitglied der Archäologischen Gesellschaft
Schleswig-Holstein e. V., als Detektorgänger oder Sammler einbrin-
gen bzw. als Chronisten von ihr berichten, sei für Ihr Interesse und
Engagement mit diesem Heft gedankt. Selbstverständlich gilt ein
besonderer Dank dem Team der Firma SciComLab (Kiel), das wieder-
um ein harmonisches Layout hervorbrachte. Viel Freude beim Lesen
dieser Ausgabe!
Ulf Ickerodt, Ingo Lütjens und Birte Anspach
grabungszeitraum grabungsorte
März 2020
März 2022
Nordseegebiete
1516 (LA 3, 6, 10–12)
und 1517 (LA 10)
98
|Archäologische Nachrichten 2022 | Die Wracklandschaft vom Süderoogsand
Neuzeit
1700 n. Chr.
bis Gegenwart
zeitl. einordnung funde
Keramik/Gefäße
Hausbestandteile
Kleidung
Knochen
Münzen
Nahrung
Schmuck
Waffen
Werkzeuge
Andere
struktur
Detektor/
Einzelfund
Grab
Hafen
Hort
Siedlung
Weg
Wehranlage
Wrack
Baken
(Seezeichen)
autor
Daniel Zwick
Die Wracklandschaft vom
Süderoogsand
In den letzten Jahren rückte der Süderoog-
sand in den Fokus der Schiffsarchäologie,
denn infolge von Stürmen und Erosion
wurden hier drei historische Holzwracks
freigespült. Dieser Vorbericht spiegelt den
aktuellen Stand der Forschung auf dem
Süderoogsand kurz wider.
Im März 2020 meldete der Pächter von
der Hallig Süderoog, Holger Spreer-Wree,
dem Archäologischen Landesamt Schles-
wig-Holstein (ALSH) ein Wrackteil östlich
des Süderoogsands im Blaubachpriel
(Süderoogsand 1 Wrack). Als Ranger des
Nationalparks Schleswig-Holsteinisches
Wattenmeer für den Süderoogsand zustän-
dig, ist er praktisch der einzige Mensch,
der diesen regelmäßig aufsucht bzw. über-
haupt die Berechtigung besitzt, diesen zu
betreten: Der Sand ist als wichtiges Vogel-
schutzgebiet ausgewiesen und daher als
Schutzzone 1 des Nationalparks eingestuft.
Aufgrund der erlassenen Covid 19-Bestim-
mungen zur Pandemiebekämpfung war es
zunächst nicht möglich, einen Archäologen
zur Fundaufnahme zum Süderoogsand zu
schicken. H. Spreer-Wree erklärte sich bereit,
zusammen mit seinem Praktikanten Paul
Rusch die in situ-Dokumentation und Pro-
benentnahme durchzuführen. Die beiden
setzten die Instruktionen vorbildlich um und
erwiesen dem ALSH einen sehr wertvollen
[ 1 ] Das Süderoogsand 2 Wrack am
frühen Morgen. Im Hintergrund ist
das Wrack der ULPIANO zu erkennen.
fotografie Martin Hain
grabungszeitraum
99
|Archäologische Nachrichten 2022 | Die Wracklandschaft vom Süderoogsand
Dienst, denn sowohl die Fotodokumentati-
on, Messungen als auch die Entnahme von
Holzproben sind dank der gewissenhaften
Umsetzung gut auswertbar. Zwei Jahre
später meldete H. Spreer-Wree kurz nach
einem Sturm im Februar 2022 zwei weite-
re, fast komplett freigespülte Holzwracks.
Obwohl beide Wracks schon bekannt waren,
ragten zuvor nur einzelne Spanten aus dem
Sediment. Es handelt sich hierbei um ein
noch undatiertes Wrack (Süderoogsand 2) in
unmittelbarer Nähe zum Wrack der ULPIA-
NO von 1870 und weiter nördlich liegende
Wrackteile (Süderoogsand 3), die am 6. März
vom Autoren mit tatkräftiger Unterstützung
H. Spreer-Wrees und dem Fotografen Martin
Hain im Auftrag des ALSH untersucht wurden.
Erste Erkenntnisse zu den Wrackfunden
Das Süderoogsand 1 Wrack (LA 10, Nord-
seegebiet 1517) besteht aus einer rund 18 m
langen Bordwand eines kraweel-beplank-
ten Schiffes, welches im Blaubachpriel am
östlichen Ausläufer des Süderoogsands steck-
te. Die dendrochronologische Bestimmung
der Holzproben vom Süderoogsand 1 Wrack
erfolgte durch Aoife Daly (Kopenhagen),
wobei das Fälldatum im Zeitraum zwischen
1733 und 1736 liegt. Wie beim Hörnum Odde
Wrack (um/nach 1690) stellt auch dieses
Wrack ein sog. ‚doppeltes niederländisches
Kraweel‘ dar, bei dem der Rumpf mit einer
doppelten Eichenbeplankung in Schalenbau-
weise entstand. Ein weiteres Indiz hierfür
bilden sog. Spijkerpennen, mit dem bloßen
Auge kaum zu erkennen. Es sind kleine – im
Querschnitt rechteckige – Holzpropfen, die
Nagellöcher wieder verschlossen. Diese
Nagellöcher stammen von temporär auf-
genagelten Konstruktionsleisten, welche in
der Schalenbauweise die auf Stoß sitzenden
Planken provisorisch zusammenzuhielten,
bevor die Spanten eingesetzt wurden. Diese
– aus heutiger Sicht – umständliche Methode
gilt als typisch für den damaligen niederlän-
dischen Schiffbau und ist seit 1590 archäo-
logisch nachgewiesen, wurde aber bis vor
kurzem als Kurzzeitphänomen des späten
16. und frühen 17. Jh. angesehen. Sowohl das
Hörnum Odde wie auch das Süderoogsand
1 Wrack belegen, dass diese Sonderform
weitaus länger fortbestand als zunächst
angenommen, also für einen Zeitraum von
mindestens 150 Jahren. Wenn auch noch
https://archaeologische-
nachrichten.de/
suederoogsand
3D Scan und weitere
Informationen zum
Fund unter:
100
|Archäologische Nachrichten 2022 | Die Wracklandschaft vom Süderoogsand
101
|Archäologische Nachrichten 2022 | Die Wracklandschaft vom Süderoogsand
[ 2 ] Das Süderoogsand 3 Wrack am
späten Nachmittag des 6. März
2022 kurz vor dessen Überflutung
mit auflaufender Tide.
fotografie Martin Hain
102
|Archäologische Nachrichten 2022 | Die Wracklandschaft vom Süderoogsand
keine Identifikation für dieses Wrackteil
gelungen ist, handelt es sich nicht nur auf-
grund dessen schierer Größe, sondern auch
dessen besonderer Konstruktion zweifelsfrei
um einen sehr interessanten Fund, denn dop-
pelte niederländische Kraweele werden mit
Fernhandelsschiffen der Niederländischen
Ostindien-Kompanie (Vereenigde Oostindi-
sche Compagnie) und Walfangschiffen der
Nordischen Kompanie (Noordsche Compag-
nie) assoziiert.
Die beiden rezent freigespülten Wracks
wurden am 6. März 2022 untersucht. Am
Vortag fand die Anreise zur Hallig statt und
die Pläne wurden bei einem Abendessen
besprochen. Da beide Wracks nur bei Ebbe
zugänglich sind und Spreer-Wrees Arbeits-
boot nur bei Hochwasser ablegen kann, um
noch genügend Wasser unter dem Kiel zu
haben, legten wir in völliger Dunkelheit um
3 Uhr morgens ab. Im Licht des Scheinwerfers
durchfuhr die Crew den mit Pricken markier-
ten Priel und erreichte den Heverstrom. Auf
der elektronischen Seekarte kam schon der
Süderoogsand in Sicht, an dessen südwestli-
chen Ufer das Arbeitsboot verankert wurde.
Nun wurde das Beiboot ausgesetzt, das voll-
beladen mit einem Freibord von knapp über
20 cm den abenteuerlichen Charakter dieser
besonderen Mission unterstrich. Um das
erste der beiden neuen Wracks zu erreichen,
musste ein Wasser befahren werden, das wie
eine Lagune bei Ebbe vom Meer fast kom-
plett abgeschnitten ist, dessen Eingang aber
auch vor Niedrigwasser eine flache Schwelle
bildete, in der zudem noch die Holzstubben
des Fundaments der 1986 abgebrannten
Süderoogsand-Bake ein Hindernis bildeten.
Dennoch gelang H. Spreer-Wree auf Anhieb
ohne Grundberührung und bei völliger
Dunkelheit die Einfahrt.
Als das Wasser abgelaufen war, begann
die Dokumentation des rund 25 m langen
Süderoogsand 2 Wracks (LA 11, Nordseege-
biet 1516). Eine ausgiebige Fotodokumenta-
tion sowohl von Land als auch aus der Luft
begleitete die Unternehmung, auf deren
Grundlage auch eine 3D-Fotogrammetrie er-
stellt werden kann. Die Drohnenaufnahmen
bedurften einer Sondergenehmigung des
Amtes des Nationalparks Schleswig-Holstei-
nisches Wattenmeer.
Auch einige Detailbeobachtungen waren
möglich, wie z. B. die Sponung, in welche
die Planken fast rechtwinklig in den Ste-
ven einliefen; ein Indiz für ein rundgattiges
Fahrzeug. Rundgatts traten in Kombination
mit plattbödigen Seeschiffen wie Smakken,
Kuffen und Galioten auf. Typisch für das
Wattenmeer, konnten sie sich doch bei Ebbe
leicht trockenfallen lassen. Auch zwei Jung-
fer-Blöcke mit Püttingsbeschlag wurden ent-
deckt. Diese verstärkten den Eindruck, dass
das Süderoogsand 2 Wrack ein Segelfahrzeug
gewesen sein muss. Jungfer-Blöcke waren
Teil des Taljereeps, um vor allem Wanten
dichtzusetzen, die zum stehenden Gut eines
Schiffes gehörten und die Masten stützten.
[ 3, 4 ] Das Süderoogsand 1 Wrack
im Mai 2020 (links) und Febru-
ar 2021 (rechts) aus südöstlicher
Richtung. Der mäandrierende Priel
veränderte seine Lage, wodurch
das Wrackteil Anfang 2020 frei-
gespült wurde und ein Jahr später
wiederum einsedimentierte. Gut
zu erkennen ist die doppelte Au-
ßenbeplankung, die abgebroche-
nen Spanten und die Wegerungs-
planken, mit denen der Laderaum
ausgekleidet war.
fotografie Holger Spreer-Wree
[ 5 ] Ein Jung-
fer-Block mit
Püttingsbe-
schlag vom
Süderoogsand 2
Wrack.
fotografie
Daniel Zwick,
© ALSH
103
|Archäologische Nachrichten 2022 | Die Wracklandschaft vom Süderoogsand
Zu guter Letzt wurden noch genau doku-
mentierte Holzproben aus unterschiedlichen
Bauteilen entnommen: Spanten, Planken
und Wegerung. Diese Proben dienen der
dendrochronologischen Bestimmung, um
das Datum der Holzfällung und die Herkunft
zu ermitteln. Daher basiert die vorläufige Da-
tierung auf einer Schätzung, wobei das späte
18.Jh. am wahrscheinlichsten erscheint.
Die Dokumentation dieses Wracks nahm fast
den kompletten Arbeitstag in Anspruch. Die
Gewalt der Natur wurde durch das Tempo
des auflaufenden Wassers eindrucksvoll
vergegenwärtigt, denn binnen einer halben
Stunde verschwand das Wrack wieder in den
Fluten, während wir eilig unser Equipment
und die Proben einsammelten und im Bei-
boot verstauten. Nun war es schon Nachmit-
tag und wir setzten uns das ambitionierte
Ziel dem anderen Wrack - Süderoogsand 3
Wrack (LA 10, Nordseegebiet 1516) – ebenfalls
einen Besuch abzustatten, obwohl schon die
Müdigkeit einsetzte und gar nicht klar war,
ob wir dieses Wrack noch rechtzeitig errei-
chen würden. Aber wir hatten Glück. Wir
ankerten vor der Küste und setzten erneut
das Beiboot aus und kamen noch rechtzeitig.
süderoogsand
heverstrom
hallig
süderoog
Süderoogsand 3
Wrack um/
nach 1904
Holzkonstruktion
Bake 1871-1891 Bake seit 2018
Bake 1950-1970,1987
Bake 1941-1944
Süderoogsand 2 Wrack
Süderoogsand 1 Wrack
um/nach 1733
Wrack der ULPIANO
gestrandet am 24.12.1870
Wrack der HENDRICKA
gestrandet am 27.09.1899
Bake 1891-1940
Bake 1986-2018
Bake 1973-1986
[ 6 ] Brandspuren
an den Spanten und
Planken des Süder-
oogsand 3 Wracks.
fotografie
Daniel Zwick, © ALSH
[ 7 ] Luftbild vom Süderoogsand
mit den bislang bekannten Wrack-
fundstellen und historischen
Standorten der Süderoogsand-Ba-
ke, die ab dem späten 19. Jh. einen
Rettungsraum für Schiffbrüchige
beherbergte.
grafik Daniel Zwick, verändert
kartengrundlage WMS Dienst
LVermGeo SH 2018, Baken-Positio-
nen: baken-net.de
2500 m
N
104
|Archäologische Nachrichten 2022 | Die Wracklandschaft vom Süderoogsand
Eine richtige Dokumentation war nicht mehr
möglich, da nur 10 Minuten nach Erreichen
der Wrackfundstelle bereits die ersten Flut-
wellen diese umspülten. Die Fundstelle ist
besonders ungewöhnlich, denn sie scheint
aus mindestens zwei nicht zusammenhän-
genden Wrackteilen zu bestehen, die jeweils
den Übergang vom Steven in den Kiel mar-
kieren. Die beiden Steven bestehen aus meh-
reren Teilen (Außen- und Binnensteven und
evtl. einem Stevenknie). Deutlich erkenn-
bar sind noch die Sponungen für die Plan-
kenenden. Möglicherweise handelt es sich
jeweils um den Vor- und Achtersteven eines
Schiffes. Beide Wrackteile liegen allerdings
sehr nah beieinander. Nicht zu übersehen
ist der durchtrennte Kiel, dessen abgesägte
Enden fast exakt in einer Flucht liegen. Dies
erzeugt den kuriosen Eindruck eines extrem
gestauchten Rumpfes mit einer maximalen
Länge von ca. 7–8 m. Aufgrund der Dimensio-
nierung der Bauteile ist aber ein solch kurzer
Rumpf auszuschließen. Einige Spant-Enden
weisen deutliche Brandspuren auf und ande-
re Spanten und Plankenenden klare gerade
Schnitte, die wohl von einer Säge herrühren,
vermutlich Abwrackspuren. Eine Holzprobe
war von H. Spreer-Wree bereits vor rund zwei
Jahren im Auftrag des ALSH entnommen
worden, als an diesem Fundplatz nur einzel-
ne erodierte Spantköpfe aus dem Sediment
ragten. Die Holzprobe datiert um/nach 1904.
Auch für dieses Wrack liegt noch keine siche-
re Identifizierung vor. Möglicherweise war
dies der am 18.5.1911 vor Süderoog in Brand
geratene Motorschoner IDA aus Flensburg,
dessen Besatzung ein Helgoländer Fischkut-
ter aufnahm. Ein Bericht zu dieser Havarie
liegt im Archiv des Kreises Nordfriesland
(Abt. 4 Nr. 1) und es bedarf weiterführender
Archivrecherche, um Wracks wie diesem mit
einer größeren Bestimmtheit einem Schiffs-
namen und einer Havarie zuzuordnen.
Strandungswracks in der Tidenzone: eine
Langzeitsicht
Neben den hier beschriebenen Wracks gab es
im Bereich des Nordfriesischen Wattenmeers
einen merklichen Anstieg von Wrackmel-
dungen: Im Oktober 2016 wurde das Hörnum
Odde Wrack (um/nach 1690) auf Sylt gemel-
det, im Februar 2017 ein Wrackfragment beim
Japsand und im Mai des gleichen Jahres ein
weiteres Wrackfragment in unmittelbarer
Nähe, welches zu ersterem gehört (um/nach
1609). Im Angesicht des merklichen Anstiegs
von Wrackmeldungen stellt sich die Frage, in-
wieweit diese Einzelbeobachtungen indika-
tiv für größere Veränderungsprozesse in der
Küstenlandschaft sind. Stehen die Funde im
Zusammenhang mit einer intensiveren Küs-
tenerosion im Zuge des Klimawandels oder
einem gewachsenen öffentlichen Interesse
und dem Bewusstsein, dass auch neuzeitli-
che Wrackfunde meldepflichtige Zeugnisse
der materiellen Vergangenheit darstellen?
Vermutlich spielen beide Faktoren eine Rolle.
Für den gesamten Bereich des Nordfrie-
sischen Wattenmeers liegen für den Zeit-
raum vom 17. bis ins frühe 20. Jh. knapp 900
Strandungsberichte vor, wobei sich diese
im Bereich der nordfriesischen Außensände
konzentrieren, also dem Japsand, Norderoog-
sand und Süderoogsand. Dieser Umstand ist
nicht verwunderlich, denn im Zeitalter der
Segelschifffahrt bildete die Nordseeküste bei
auflandigen Winden eine gefährliche Leger-
wall-Situation, d. h. Schiffe, die nicht effektiv
gegen den Wind ankreuzen konnten, wurden
auf die Küste gedrückt. Das Nichtvorhan-
densein natürlicher Häfen wie wind- und
wellengeschützte Ankerbuchten verschlim-
mert diese Ausgangslage, denn die Ausbrin-
gung von Ankern vor der offenen Küste in
der Brandungszone war ein riskantes und
oftmals unmögliches Unterfangen. Eine
Ausnahme bildete der Königshafen bei List
auf Sylt. In dessen unmittelbarer Nähe zeugt
noch das Toponym „Ostindienfahrerhuk“ des
hier 1751 havarierten Schiffes AMSTELLAND
der Niederländischen Ostindienkompagnie,
welches vermutlich, jedoch vergeblich Zu-
flucht in dieser Ankerbucht suchte. Aufgrund
der für die Navigation ungünstigen Küsten-
topografie mieden Fernhandelsschiffe gene-
rell die nordfriesische Küste, dies konnte aber
im Zeitalter der Segelschifffahrt nicht immer
eingehalten werden. Insbesondere bei star-
ken Westwinden gerieten die nordfriesischen
Außensände, wie der Süderoogsand, zu einer
verhängnisvollen Falle. Strandungswracks
waren so häufig, dass sich die Bergung von
Strandgut und die Rettung Schiffbrüchiger
zu einem eigenständigen Wirtschaftszweig
entwickelte.
Es war also keine Frage ob, sondern nur
wann und wie viele Schiffe im Jahr strande-
ten. Und so musste der Deichgraf in dieser
unwirtlichen Wracklandschaft die Bergung
im Auftrag des Herzogs durchführen. Detlev
von Liliencron erwähnte einen Deichgrafen
in seiner 1886 veröffentlichten Novelle „Die
Könige von Norderoog und Süderoog“: „Auf
Süderoog lebt der alte Paulsen, ein reicher
Mann, der mit keinem Herzogshute seine
Sturmmütze vertauschen möchte. Es bringt
ihm jede Flut etwas auf die Hallig, und wenn
er und seine Knechte den Strand bei Ebbe
befahren, sie führen manches auf ihren
Wagen auf die Werft zurück. Ein Kranz von
alten Wracks ragt, wie Kamelgerippe in der
Wüste von weitem sichtbar, aus den Wassern
um Süderoog hervor.“ In jüngeren Jahren
barg eben jener „alte Paulsen“ Schiffbrüchige
von der spanischen Bark ULPIANO, die auf
dem Süderoogsand Heiligabend 1870 hava-
rierte. Vermutlich führte auch der Umstand
zur Strandung, dass die Süderoogsand-Bake
zu dieser Zeit aufgrund des Deutsch-Fran-
sischen Krieges nicht in Betrieb war. Wegen
sich auftürmender Eisschollen war eine Ret-
tung der Mannschaft unter Kapitän Soforino
Prieto erst zwei Tage nach der Havarie von
der Bark möglich und die Besatzung ver-
brachte 10 weitere Wochen auf der Hallig, da
das Festland in dieser Zeit nicht erreicht wer-
den konnte. Der Bergelohn betrug 240 und
das Kostgeld 1250 Reichsmark.
Die Erzählung um den Schiffbruch der UL-
PIANO geriet zu einem prägenden Ereignis
in der Lokalgeschichte, denn obgleich das
Wrack zur Wende des 19./20. Jh. vollständig
einsedimentierte und seitdem wie von der
Wattfläche verschluckt war, erinnerte die
geborgene Heckzier mit dem Schiffsnamen,
die seitdem über dem Eingang des Hallig-
hauses prangte, noch lange an das Unglück.
Im Januar 2013 gab das Wattenmeer nach
einem Sturm das Wrack plötzlich wieder frei,
welches – wie eine Zeitkapsel – hier über ein
Jahrhundert seiner erneuten Entdeckung
harrte. Den aus dem Auskolkungstrichter
imposant aufragenden Rumpf untersuchte
Hans Joachim Kühn, Pionier der Schiffsar-
chäologie im Nordfriesischen Wattenmeer
und ehemaliger Gebietsdezernent des ALSH.
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|Archäologische Nachrichten 2022 | Die Wracklandschaft vom Süderoogsand
[ 8 ] oben Der schwedische Schoner
SJÖFAGELN unter Kapitän J. P. Nyberg
aus Limhamn strandete am 14.12.1922
nördlich der Süderoogsand-Bake.
[ 9 ] unten Fotografie von dem Süderooger
Deichgrafen Martin Paulsen und der Süderoog-
sand-Bake um die Wende des 19./20. Jh.
Beide: Sammlung Heinz Clausen, Pellworm
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|Archäologische Nachrichten 2022 | Die Wracklandschaft vom Süderoogsand
Ausblick
Obwohl rezent durch Erosion und Stürme
freigespülte Wracks in der Sache einer ret-
tungsarchäologischen Maßnahme bedürfen,
da sie in ihrer exponierten Lage einem gra-
duierlichen Zerstörungsprozess unterliegen,
können de facto keine Maßnahmen durch
das Verursacherprinzip erfolgen, da nicht
der Mensch der Verursacher ist, sondern die
Naturgewalten. Mittel zur Dokumentation
und Erforschung bedrohter Fundplätze des
maritimen Kulturerbes sind bislang nicht
vorgesehen. Daher fanden die hier beschrie-
ben Voruntersuchungen in höchst improvi-
siertem Rahmen statt. Die zugrundliegende
Problematik wurde u. a. im SPIEGEL-Arti-
kel „Zeitreise im Watt“ (Ausgabe Nr. 15 vom
9.4.2022, 106–107) thematisiert.
Das Forschungspotenzial ist indes sehr
hoch, da auch in der Vergangenheit kur-
sorisch aufgenommene Fundstellen kon-
textual aufgearbeitet werden müssen. Aus
diesem Grund reichte der Autor für das
ALSH in Zusammenarbeit mit der Abtei-
lung für Regionalgeschichte an der Christi-
an-Albrechts-Universität zu Kiel und dem
Forschungs- und Technologiezentrum West-
küste einen gemeinsamen Forschungspro-
jektantrag ein, um die Wrackfunde einerseits
in den Kontext historisch dokumentierter
Strandungen zu stellen, welche zur Klärung
der Identität der Schiffe und den Schicksa-
len seiner Besatzungen Aufschluss geben
sollen. Andererseits sollen die geomorpho-
logischen Veränderungen in Bezug zu den
Wrackfundstellen gesetzt werden, um für die
Navigation besonders gefährliche Gebiete zu
identifizieren, in denen auch zukünftig mit
einer erhöhten Zahl neuer Wrackfunde zu
rechnen ist. Durch diesen interdisziplinären
Ansatz wäre ein Instrument geschaffen, um
künftig pro-aktiv Wrackfunde zu sichern
und zu erforschen, noch bevor diese unmit-
telbar von der Küstenerosion betroffen sind.
Jedes einzelne Wrack stellt ein einmaliges
Zeugnis der Vergangenheit dar, welches bei
einer Zerstörung – ohne zuvor für die Nach-
welt dokumentiert worden zu sein – als Ge-
schichtsquelle unwiderruflich versiegt.
[ 10 ] H. J. Kühn vor dem Wrack der
ULPIANO kurz nach dessen Wiede-
rentdeckung Anfang 2013.
fotografie Hendrik Brunckhorst, ©
LKN.SH
[ 11 ] Das Wrack der ULPIANO im
März 2022. Die Zeit hinterließ am
Wrack deutliche Spuren. Die Mitt-
schiffssektion ist kollabiert und der
Rumpf in zwei Teile zerbrochen, die
leicht versetzt zueinander immer
tiefer in die Auskolkung sinken
fotografie Daniel Zwick
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|Archäologische Nachrichten 2022 | Die Wracklandschaft vom Süderoogsand
literatur
G. Kleinhubbert, Zeitreise im Watt. In: SPIEGEL
Nr. 15, 2022, 106–107.
H. J. Kühn, Gestrandet bei Uelvesbüll – Wrack-
archäologie in Nordfriesland (Husum 1999).
D. Meier, Die Nordseeküste Schleswig-Holsteins
– Ein historischer Atlas (Heide 2022).
D. Zwick, Neues Wrack aus dem 17. Jahrhundert
beim Süderoogsand untersucht. Archäologie in
Deutschland 6/2020, 64.
D. Zwick, Archäologie in der Tidenzone – Die
neuen Wrackfunde aus dem Nordfriesischen
Wattenmeer. In: F. Huber (Hrsg.), Zeitreisen
unter Wasser. Spektakuläre Entdeckungen zwi-
schen Ostsee und Bodensee (Darmstadt 2021)
130–143.
D. Zwick, A late 17th-century ›Double Dutch‹
construction in the North Frisian Wadden Sea:
The case of the Hörnum Odde wreck on the
Island of Sylt, Germany. In: G. Boetto, P. Pomey
und P. Poveda (Hrsg.), Open Sea … Closed Sea.
Local and inter-regional traditions in shipbuil-
ding (= Archaeonautica 21/Proceedings of the
15th International Symposium on Boat & Ship
Archaeology, 22–27 October 2018 in Marseille)
203–209.
https://journals.openedition.org/
archaeonautica/3367
D. Zwick, Scheepswrakken in de Duitse Wad-
denzee. De jongste dubbele planken. In: Tijd-
schrift van de Rijksdienst voor het Cultureel
Erfgoed 4, 2021, 32–33.
D. Zwick und A. Daly, The Süderoogsand 1
wreck: Interim report on an 18th-century
Dutch-built ship fragment from the North Frisi-
an Wadden Sea, Germany (in Vorbereitung).
D. Zwick, J. Fischer, S. Klooß und H. Menzel, Das
Wrack am Strand von Hörnum Odde, Sylt. ANSH
23, 2018, 140–147.
D. Zwick, J. Fischer und S. Klooß, Archäologie
an der Waterkant – Die Wrackteile vom Japsand
bei Hallig Hooge. ANSH 25, 2019, 152–163.
webseite
MASS: Stepping Stones of Maritime History
(öffentliche Datenbank der niederländischen
Kulturerbebehörde, in der auch die nordfriesi-
schen Wrackfunde kartiert sind):
https://mass.cultureelerfgoed.nl/
[ 12 ] Holger Spreer-Wree an der
Pinne seines Beiboots auf der
Rückfahrt. Im Hintergrund ist die
Süderoogsand 3 Wrackfundstelle
zu erkennen, die gerade von der
Flut überschwemmt wird.
fotografie Martin Hain
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