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The Science is Clear: Climate Action Now! Versuch einer Neubeurteilung des Verhältnisses von Natur und Kultur in der Klimakrise

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Abstract

(Salzburger Jahrbuch für Philosophie, 67/2022) In the discourse on climate change, a notion of science can be identified that is most poignantly expressed in slogans such as "The Science Is Clear: Climate Action Now!": Due to their imag-ined unambiguity, scientific findings are expected to also unambiguously guide socio-political decisions. Such expectations also include a notion of the relationship between nature and culture, in which the climate crisis is primarily represented as an environmental problem and falls under the responsibility of the sciences. It is necessary to critically reflect on this conception. In the first part, the limits of a discourse dominated by science and technology are explored. They are characterised in particular by a paradigm of control and a view of the climate crisis as a purely scientific issue defined by power relations and epistemic disengagement. The second part out-lines a transformative and integrative extension of this Matter of Fact representation, which is developed along the concepts of Matters of Concern (Latour) and Matters of Care (Puig de la Bellac-asa). Representing the problem complex climate crisis as a matter of concern and care allows the inclusion and consideration of diverse and multifaceted dimensions in the mode of engagement on the one hand and on the other hand offers a bridge to reassess the relationship between na-ture and culture in the climate crisis.
The Science is Clear: Climate Action Now!
Versuch einer Neubeurteilung des Verhältnisses von Natur
und Kultur in der Klimakrise
Martin Böhnert
Facts are robust in their existence and opaque in their meaning.“
1
Selbst wenn wir heute in einer „Krisengesellschaft“
2
leben mögen, sind Krisen kein
neues Phänomen. Individuelle und kollektive Krisenerfahrungen finden sich von jeher
in vielen Lebensbereichen. Wir machen dieses deutlich, wenn wir von politischen, kul-
turellen, religiösen, ökologischen, wirtschaftlichen oder Identitätskrisen sprechen. Kri-
sen seien zur „Struktursignatur der Moderne“
3
geworden, stellte Reinhart Koselleck
bereits 1982 fest, während von anderen betont wird, dass es in der Geschichte bisher
keine Gesellschaft als so dringlich empfunden hat, Krisen zu erkennen, über sie zu
sprechen, sich auf diese vorzubereiten und sie zu bewältigen, als die heutigen soge-
nannten hochentwickelten Gesellschaften.
4
Entsprechend werden auch im Diskurs
über die Klimakrise immer wieder Krisensemantiken aufgerufen und damit eine ge-
sellschaftliche Unsicherheit und Ungewissheit im Erkennen, Sprechen, Vorbereiten
und Bewältigen der Klimakrise zum Ausdruck gebracht. Bedenkt man, dass sich Wis-
sen „in den letzten fünfzig Jahren zu einer der zentralen Hochwert- und Leitvokabeln
der westlichen Gesellschaften entwickelt hat“ und „vor allem der persönliche Erwerb
Dieser Artikel ist erschienen in: Böhnert, Martin (2022): The Science is Clear: Climate Action Now!
Versuch einer Neubeurteilung des Verhältnisses von Natur und Kultur in der Klimakrise, in: Salzbur-
ger Jahrbuch für Philosophie 67, S. 27-50.
1
Daston, Environmental Marvelous Facts and Miraculous Evidence, 243.
2
Frandsen/Johansen, Crisis Communication, 17.
3
Koselleck, Krise, 627.
4
Frandsen/Johansen, Crisis Communication, 17.
und der gesellschaftliche Ausbau von Wissen […] als Garant für die gedeihliche Ent-
wicklung von Mensch, Gesellschaft und Kultur“
5
gilt, dann bringen solche Unsicher-
heiten und Ungewissheiten die inneren Ordnungs- und Orientierungsstrukturen, ins-
besondere von sich als Wissensgesellschaften begreifenden Kulturen, grundlegend ins
Wanken. Wissen in und von der Krise lässt sich dabei in zwei verschiedenen, mitei-
nander verwobenen Dimensionen begreifen:
6
Einerseits im Sinne von Krisenwissen: Ein
solches Krisenwissen umfasst den Inhalt desjenigen Wissens, welches innerhalb des
als krisenhaft wahrgenommenen Zustands hervorgebracht, diskutiert und angewendet
wird. Krisenwissen stellt damit ein Potenzial in Aussicht, Sicherheit in der Krise zu-
rückzuerlangen, indem es zur erfolgreichen Vorbereitung auf und zur Bewältigung von
Krisenzuständen beitragen kann. Andererseits im Sinne von Wissenskrisen: Die Rede
von einer Wissenskrise bezieht sich auf den Status, die Rolle und die Funktion von
Wissen und Wissensansprüchen, deren Gewissheiten u.a. in unserem Sprechen über
und Erkennen von Krisen verhandelt werden.
Es ist eben diese zweite Dimension von Wissen in der Krise, die einerseits gesellschaft-
liche Debatten über die Deutungs- und Definitionshoheit von Wissen befördert und
andererseits selbst durch eben diese Debatten befördert wird. Der fortwährende Dis-
kurs um alternative Fakten, Fake News und Fakten-Checks kann dabei selbst als ein Indiz
für dasjenige gedeutet werden, was in diesem Beitrag als Wissenskrise verstanden wird.
7
Betrachtet man die mediale Repräsentation des Klimawandeldiskurses, so lässt sich in
den letzten Jahren eine öffentliche Vorstellung von und Erwartung an Wissenschaft
ausmachen, die vielleicht am pointiertesten in den Slogans der Wissenschafts- und Kli-
maproteste zum Ausdruck kommt: „Zu Fakten gibt es keine Alternativen!“, „The Sci-
ence Is Clear: Climate Action Now!“ oder „Unite Behind the Science!“ seien hier als
drei Beispiele angeführt.
8
Besonders auffällig hieran ist die in diesen Slogans durch-
5
Konerding, Sprache und Wissen, 57.
6
Vgl. hierzu auch den Titel der vierten Tagung des Interdisciplinary Network for Studies Investigating
Science and Technology (INSIST): Wissenskrisen Krisenwissen: Zum Umgang mit Krisenzuständen in und
durch Wissenschaft und Technik, https://insist-network.com/insist-tagung-2020 (26.05.2022).
7
Rödder, Differenzierungstheorie, 17f.
8
Abbildungen dieser drei häufig wiederkehrenden Slogans finden sich zahlreich im Internet. Vgl. „Zu
Fakten gibt es keine Alternativen!“ (https://www.flickr.com/pho-
tos/153940640@N03/33814155620/ (26.05.2022)); „The Science Is Clear: Climate Action Now!“
(https://www.flickr.com/photos/153940640@N03/34203323735/ (26.05.2022)); „Unite Behind the
schimmernde performative Erwartung an Wissenschaft, „belastbares Wissen zu erzeu-
gen, das mit einer Sicherheit ausgestattet wird, Faktizität oder faktische Sachverhalte
eindeutig bezeichnen zu können, um daraus etwa Entscheidungsgründe oder Orien-
tierung oder Bestätigung beziehungsweise Widerlegung von Thesen generieren zu
können.“
9
Dieses Potenzial von Wissenschaft scheint einen doppelten Befreiungs-
schlag in Aussicht zu stellen, der einerseits die zunehmenden Destabilisierungsversu-
che einer populistisch vorgetragenen Wissenschaftskritik überkommen soll „Zu Fak-
ten gibt es keine Alternativen!“ und andererseits einen Ausweg aus der globalen Krise
verspricht: „The Science Is Clear: Climate Action Now!“ Der dadurch genährte, letzt-
lich jedoch angesichts der komplexen Dimensionen der Klimakrise enttäuschte
„Glaube an Erlösung“
10
durch die Wissenschaft, überträgt dieser ein Kompetenzmo-
nopol in Fragen der globalen Erwärmung. Eine solche Auffassung erachtet die Wis-
senschaft zudem als entscheidende Legitimationsquelle für gesellschaftspolitische Be-
lange, ausgedrückt im Credo „Unite Behind the Science!“ Eine derart überhöhte Er-
wartungshaltung gegenüber der häufig im Singular adressierten Wissenschaft ge-
meint sind hier in den allermeisten Fällen fraglos die Naturwissenschaften , dass wis-
senschaftlich generierte Erkenntnisse zum Klimawandel qua ihrer vorgestellten Ein-
deutigkeit eben auch gesellschaftspolitische Entscheidungen in eindeutiger Weise vor-
geben könnten, wird im Zweifel durch jene Teile der Wissenschaften selbst bekräftigt,
die an den genannten Formulierungen mitschreiben und sich damit „selbst als Mono-
polisten der Fakten begreifen, sich also in Essentialisierungswettbewerbe […] ziehen
lassen“.
11
Damit bedienen sie einerseits die Vorstellung letztgültiger, in-sich-abge-
schlossener und ahistorischer Tatsachen und begeben sich andererseits in eine De-
batte, die nicht mehr allein den Spielregeln und Gepflogenheiten einer wissenschaftli-
chen Auseinandersetzung unterliegt.
12
Im schlechtesten Fall spielt dies jenen Kräften
in die Hände, die sich ohnehin schon öffentlich über „Versuche der Bevormundung,
Science!“ (https://www.flickr.com/photos/rasande/51822228988/(26.05.2022)). Zu einer linguisti-
schen Analyse von Protestplakaten der Klimabewegung aus multimodaler Perspektive siehe auch Ro-
ether/Wieders-Lohéac, Protestplakaten der Fridays for Future.
9
Nassehi, Klima, Viren, Kurven, 146.
10
Sörlin, Environmental Humanities, 788.
11
Hornuff, Wissenschaft im postfaktischen Zeitalter, 68. Der Slogan „Zu Fakten gibt es keine Alternativen!“
entstammt dem Banner des ersten maßgeblich von Wissenschaftler*innen organisierten March for Sci-
ence in Deutschland (2017).
12
Vgl. Böhnert/Reszke, Wissen der anderen.
der Meinungsmache […] [oder der Einführung] eine[r] ökologische[n] Gesinnungsdik-
tatur“
13
empören. Werden die unrealistischen Vorstellungen von und Erwartungen an
Wissenschaften enttäuscht, kann dies wiederum zu einem Vertrauensverlust in Wis-
senschaften und wissenschaftliches Wissen führen.
14
Ein solcher Vertrauensverlust
kann dann seinerseits weiteren Zündstoff für die gesellschaftlichen Debatten über die
Kompetenz der Wissenschaften im allgemeinen Streit um Deutungs- und Definitions-
hoheit von Wissen liefern.
Entlang der drei oben exemplarisch angeführten Slogans lässt sich eine landläufige
Überzeugung skizzieren, deren Grundhaltung auch angesichts der Klimakrise eine
allzu schematische Vorstellung über die Verhältnisse von Natur und Kultur respektive
von Naturwissenschaften und Kulturwissenschaften fortschreibt. Deren Konfliktpo-
tenzial kommt in konfrontativ angelegten Schlagworten wie „Science Wars“, „Defini-
tionskriege“ oder „Zwei-Kulturen-Streit“ zum Ausdruck und wurde spätestens seit
dem 19. Jahrhundert zum „Kernthema in den politischen Tagesauseinandersetzun-
gen“.
15
Diese Schematisierung geht im Fall der Klimakrise davon aus, dass die Verän-
derung des Klimas als ein Umweltproblem ausschließlich in den exploratorischen und
explanatorischen Zuständigkeitsbereich der Naturwissenschaften fällt: Diese bestim-
men den Gegenstandsbereich, erforschen die Probleme und schlagen üblicherweise
technische Lösungen vor, die dann zur legitimen Grundlage politischer Entschei-
dungen werden sollen.
16
Während meteorologische Messdaten, klimageografische Sta-
tistiken und technologische Innovationen als Teil der naturwissenschaftlich entwickel-
ten (Er-)Lösung betrachtet werden, wird Geistes- und Kulturwissenschaften, wenn sie
sich nicht auf das Fabulieren „eleganten Unsinns“
17
beschränken, unterstellt, den Lö-
sungen hinderlich im Weg zu stehen, da sich deren Beiträge durch große Nutzlosig-
keit
18
oder Selbstüberschätzung
19
in Angelegenheiten der Klimakrise auszeichnen. Im
schlimmsten Fall liefern sie, so der Vorwurf, gar jenen das theoretisch-argumentative
13
Müller-Salo, Klima, Sprache und Moral, 7.
14
Vgl. hierzu etwa Post/Bienzeisler/Lohöfener, Authoritative Science.
15
Lepenies, Die drei Kulturen, 195.
16
Vgl. hierzu auch die Überlegungen im Vorwort von Elliott/Damodaran/Cullis, Climate Change and
the Humanities sowie Mutschler, Naturphilosophie, 8.
17
Der Ausdruck „eleganter Unsinn“ ist dem deutschsprachigen Titel des Buches Impostures Intellectuelles
von Alan Sokal und Jean Bricmont entnommen. Vgl. Sokal/Bricmont, Eleganter Unsinn.
18
Castree, Anthropocene, 235.
19
Fish, Will the Humanities Save Us?
Rüstzeug, die wissenschaftliche Erkenntnisse relativieren und den menschengemach-
ten Klimawandel zu leugnen versuchen, da Geistes- und Kulturwissenschaftler*innen
jahrzehntelang Fakten dekonstruiert, Wissen als situiert beschrieben und die Existenz
von Objektivität geleugnet haben.
20
Ich werde im Folgenden zunächst 1. einige weiterführende Überlegungen zu der idea-
lisierten „performativen Erwartung an Wissenschaft“
21
ausführen. Dabei geht es mir
insbesondere darum, zumindest schlaglichthaft aufzuzeigen, worin die Grenzen einer
von naturwissenschaftlich-technischen Diskursen dominierten Auseinandersetzung
mit dem Problemkontext Klimakrise bestehen. Diese Grenzen zu bemerken, zu reflek-
tieren, zu kritisieren und zu transformieren (in dieser Reihenfolge) setzt sich in 2. fort.
Dort wird eine veränderte Perspektivierung des Problemkontextes entwickelt und da-
mit auch ein Brückenschlag angeboten, das Verhältnis von Natur und Kultur in der
Klimakrise dem diesjährigen Titel des Salzburger Jahrbuchs für Philosophie Natur und
Kultur - ein Verhältnis in der Krise? also in zweierlei Hinsicht entsprechend neu
beurteilen zu können. Schließlich soll 3. knapp angedeutet werden, welchen Beitrag die
Geistes- und Kulturwissenschaften vor dem Hintergrund dieser Neubeurteilung der
Debatte um die Klimakrise liefern können.
1. Die Grenzen der Klimakrise als eine Angelegenheit des Faktischen
Bereits 1897 stellte der Chemiker und Physiker Svante Arrhenius in seiner Untersu-
chung On the Influence of Carbonic Acid in the Air Upon the Temperature of the Earth das
Problem fest, dass eine fortgesetzte Nutzung fossiler Brennstoffe zu einer dauerhaften
Erhöhung der Erdtemperatur führt.
22
An dieser Grunddiagnose hat sich seither wenig
geändert. Mehr noch, heute liegt der besondere Fall vor, dass selten größere Einigkeit
innerhalb der wissenschaftlichen Community über ein zeitgenössisches Forschungs-
thema besteht, als eben darüber, dass die zunehmende Erwärmung der Atmosphäre
und das sich ändernde Klima menschengemachten Ursprungs sind. Wobei wissen-
schaftlicher Konsens einerseits kein wissenschaftsinternes Kriterium der Wahrheits-
findung ist, sondern vielmehr in der öffentlichen Wahrnehmung und Akzeptanz von
20
Hansson, Climate Science Denial, 2.
21
Nassehi, Klima, Viren, Kurven, 146.
22
Vgl. Arrhenius, Carbonic Acid.
Wissenschaften eine zentrale Rolle spielt
23
und genau deshalb immer wieder je nach
dargelegter Überzeugung betont oder infrage gestellt wird.
24
Andererseits lässt sich
auch die überwältigende Einigkeit über den menschengemachten Ursprung des Kli-
mawandels als spätes Resultat eines langen Verhandlungs- und Institutionalisierungs-
prozesses
25
begreifen, dem wissenschaftshistorisch weniger bemerkenswert eine
fundierte und kritische Debatte vorausging.
26
Trotz aller Einigkeit über die Sachlage
scheinen es dann Lebensgewohnheiten zu sein, die unser Handeln prägen, und Denk-
gewohnheiten, die unseren Blick in Bezug auf den Problemkomplex Klimakrise offen-
sichtlich in einer Weise lenken, die uns als Gesellschaft bisher unfähig machte, ent-
sprechend auf das Problem zu reagieren. Wenn aber die Fakten, oder doch zumindest
die grundlegende Diagnose, seit rund 125 Jahren bekannt sind, dann ist die Frustration
wenig verwunderlich, die in den obigen Protestslogans artikuliert wird. Sie schwingt
auch in der gemeinsamen Pressemitteilung von vier mathematisch-naturwissenschaft-
lichen Fachgesellschaften mit, die unter dem Titel Hört auf die Wissenschaft!, „nachdrück-
lich [befürworten], dass diese Fakten zur Grundlage […] nachhaltiger Handlungsstra-
tegien gemacht werden“.
27
Mit anderen Worten: „The Science is Clear: Climate Action
Now!“
Doch bereits die gegenstandsbezogene Zuweisung Natur Naturwissenschaften hat
zur Folge, dass die Klimakrise vor allem in einer naturwissenschaftlichen Sprache phy-
sikalischer Kausalitäten und entsprechend der disziplinenbezogenen Ideale und epis-
temischen Tugenden als abstraktes, biophysisches, entkontextualisiertes und de-politi-
siertes Ereignis erfahren wird.
28
Es sollte dabei allerdings nicht überraschen, dass frei
nach Edmund Husserl bloße Tatsachenwissenschaften bloße Tatsachenphänomene
imaginieren.
29
Ein auf diese Weise gefasster Begriff der Klimakrise noch einmal frei
23
Lewandowsky/Gignac/Vaughn, Scientific Consensus.
24
Den wissenschaftlichen Konsens als politisch relevanten Faktor zu inszenieren, betonte bereits
Frank Luntz, der politische Berater der republikanischen Partei im US-Wahlkampfjahr 2002: „Voters
believe that there is no consensus about global warming within the scientific community. Should the
public come to believe that the scientific issues are settled, their views about global warming will
change accordingly. Therefore, you need to continue to make the lack of scientific certainty a primary
issue in the debate.“ (Burkeman, New Green Strategy).
25
Latour, Hoffnung der Pandora, 381. Mit dieser Beschreibung definiert Latour eine wissenschaftliche
Tatsache.
26
Vgl. zur hierzu sehr ausführlich Røyrvik, Consensus and Controversy.
27
Dachverband der Geowissenschaften u.a. (2020), Hört auf die Wissenschaft.
28
Bravo, Voices From the Sea Ice, 259.
29
Bei Husserl lautet es: „Bloße Tatsachenwissenschaften machen bloße Tatsachenmenschen.“
Husserl, Krisis, 6.
nach Husserl ist dann jedoch bloß noch ein „Restbegriff“,
30
der nicht berücksichtigen
kann, dass die Wissenschaften selbst und auch die von ihnen erforschten Phänomene
in komplexen gesellschaftlichen, kulturellen, politischen, ökologischen, technischen,
ideengeschichtlichen etc. Zusammenhängen eingebunden sind und sich die dadurch
ergebenden Herausforderungen nicht allein als wissenschaftlicher Sachverhalt lösen
lassen: „Sobald das wissenschaftliche Ergebnis gesellschaftlich relevant sein muss und
will, wird das Problem mehrdimensional, differenziert sich in unterschiedliche Logiken
aus, wird der Struktur der Gesellschaft selbst gewahr, in der sie [die Wissenschaft] wir-
ken soll.“
31
Eine naturwissenschaftlich-technisch dominierte Erfassung und Repräsentation der
Klimakrise im Sinne der The Science is Clear-Annahme impliziert im Zweifel aber auch
eine daraus abgeleitete technisch-technologische Bewältigungsstrategie, bei der etwa
soziokulturelle und gesellschaftspolitische Aspekte „hinter mess-, quantifizier- und
prognostizierbaren globalen Folgen des Klimawandels“ verschwinden. Die „Gefahr
einer solchen konzeptionellen Missachtung der komplexen sozialen, politischen und
ökonomischen Verhältnisse“ liegt darin, „bestehende soziale Ungleichheiten mittels
Anpassungspolitik zu perpetuieren.“
32
Bereits in Francis Bacons mittels Inquisitions-,
Macht- und Gewaltmetaphern beschriebenen Methoden der Naturerkenntnis deutet
sich das Paradigma von Information, Kontrolle und Steuerung einer sich maßgeblich
durch naturwissenschaftlich-technische Vorstellungen und Wirklichkeitsbeschreibun-
gen auszeichnenden „Kontrollkultur an, wie sie Erich Hörl von der fortgeschrittenen
Industrialisierung des späten 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart rekonstruiert.
33
Als
Schlüsselproblem betrachte die auf „neokybernetischen Tatsachen“ fußende Kontroll-
kultur „die Erfassung und die Kontrolle, das Management, die Modulation des Ver-
haltens, der Affekte, der Beziehungen, von Intensitäten und Kräften durch umweltli-
che (Medien-)Technologien, die letztlich bis in Kosmische ausgreift.“
34
Mittels solcher
kontrollkulturellen Beschreibungskriterien lassen sich auch verschiedene zentrale The-
menfelder des Klimawandeldiskurses begreifen. Das zeigt exemplarisch die Debatte
um die Beziehung zwischen Klimakrise und Migration, die spätestens ab dem Jahr
30
Husserl, Krisis, S. 9.
31
Nassehi, Klima, Viren, Kurven, 154.
32
Dietz/Brunnengräber, Klimaanpassung, 128.
33
Vgl. Hörl, Ökologisierung des Denkens, 41f.
34
Hörl, Ökologisierung des Denkens, 42.
1990 mit einem Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ein-
setzt.
35
Insbesondere bis in die späten 1990er Jahre ist diese Debatte von Natur- und
Ingenieurswissenschaften dominiert worden, die eine duale Wahrnehmung von Natur
und Gesellschaft mit den Merkmalen der Störung und des Kontrollverlustes als Be-
zugspunkte voraussetzten und sich maßgeblich auf eine monokausale, biophysikali-
sche Problemdeutung und -lösung klimatischer Folgen beschränkten.
36
Gegenwärtig
sind monokausale Erklärungen in der Debatte um Klimamigration von den drei mit-
einander verwobenen Konzepten der Adaption, Vulnerabilität und Resilienz abgelöst
worden. Doch ob nun die umweltbezogenen Veränderungen als Störung stabiler ge-
sellschaftlicher Prozesse,
37
oder aber die menschliche Einflussnahme als Störung stabi-
ler biochemischer und ökologischer Prozesse repräsentiert werden,
38
die in dieser Stö-
rungsrelation vorausgesetzte Trennung zwischen Natur und Gesellschaft als sich zwar
wechselseitig bedingende, aber separate Systeme oder Domänen wird bis in die Ge-
genwart fortgeschrieben, etwa in den Sachstandsberichten des IPCC.
39
Dabei verläuft
die Debatte anhand der Schlagworte Adaption, Vulnerabilität und Resilienz nicht we-
niger schwierig, wie Silja Klepp betont: The concepts of vulnerability and resilience
frame the social and cultural effects of climate change using a vocabulary of ecological
risks and within an eco-systemic perspective which fails to reflect the complexity of
human societies.“
40
In der sehr konkreten Frage nach möglichen Adaptionsstrategien
überlagern sich verschiedene Problemdeutungen, die nicht zuletzt auf eine kontrollbe-
zogene Relation von Natur und Kultur zurückzuführen sind, und die an dieser Stelle
nur angedeutet werden können.
So operiert die Risikoforschung häufig mit einem Beschreibungsrepertoire, welches
Resilienz und Vulnerabilität als be- und verrechenbare Faktoren einer häufig techno-
logisch imaginierten Kontrolle über geophysikalische Einflussfaktoren repräsentiert.
41
Vulnerabilität und Resilienz werden dabei zwar terminologisch uneinheitlich,
42
grund-
35
Vgl. Lonergan, Population Displacement, 5.
36
Vgl. Dietz, Vulnerabilität und Anpassung, 10.
37
Vgl. Taylor, Climate Change Adaptation , xiii.
38
Vgl. Dietz, Vulnerabilität und Anpassung, 10.
39
Vgl. IPCC 2014; IPCC 2022.
40
Klepp, Climate Change Adaption, 152.
41
Vgl. Hewitt, Regions of Risk, 58; Klepp/Chavez-Rodriguez, Governing Climate Change, 15f.
42
Vgl. Füssel, Vulnerability in Climate Change Research.
legend aber naturdeterministisch verstanden und durch ein externes Ereignis und des-
sen Unkontrollierbarkeit bestimmt: „adverse or disturbing event“, „abnormality or an
aberration“, „risk or disturbance […] affecting human and natural systems“.
43
Politi-
sche Strukturen, Verteilungs- und Machtasymmetrien, Handlungs- und Partizipations-
spielräume von Personen, Personengruppen oder Gesellschaften und weitere nicht-
klimatische gesellschaftspolitische und soziokulturelle Einflussfaktoren auf Vulnerabi-
lität und Resilienz werden nur zögerlich in die Debatte einbezogen. Doch trotz der
Betrachtung von internen und externen Einflussfaktoren“, herrsche in Expert*innen-
gremien „ein Vulnerabilitätsverständnis, das nach den Auswirkungen des Klimawan-
dels in einem determinierten Bezugssystem fragt. Die Frage danach, warum bestimmte
soziale Gruppen oder bestimmte Regionen einen hohen Vulnerabilitätsgrad gegenüber
Klimawandel oder Klimavariabilitäten haben, wird […] nicht prioritär gestellt.“
44
Die Repräsentation des Problemkomplexes Klimakrise vorrangig als ein Umweltprob-
lem wird zudem maßgeblich durch die den Klimadiskurs dominierende westliche bzw.
nördliche (natur-)wissenschaftliche Perspektive festgeschrieben. Einer solchen Wirk-
lichkeitsbeschreibung der Klimakrise aus der Sicht des globalen Nordens, die durch
die Beeinträchtigung, Verschmutzung oder Zerstörung der Umwelt geprägt ist, und
deren Folgen sich auf das Wohlergehen, den Wohlstand und die Lebensgewohnheiten
der Menschen auswirken, steht die Wirklichkeitsbeschreibung des globalen Südens
entgegen. Die Gegensätzlichkeit dieser beiden Standpunkte wird von Benito Müller als
„Great Divide“ beschrieben:
The reality in the South is quite different: climate change has primarily come
to be seen as a human welfare problem […]. The harm is against humans, it is
largely other-inflicted, and it is not life-style-, but life-threatening. […] [I]t is not
a problem of sustainable development in the technical sense of ‚learning to
live within one’s ecological means‘ – it is a problem of unsustainable develop-
ment, in the nontechnical sense of failing to survive.“
45
Der Beschreibung der Klimakrise des globalen Nordens als Umweltproblem und da-
mit im Rahmen einer Mensch-Natur-Relation steht somit das Konzept der Klimakrise
43
Frerks/Warner/Weijs, Politics of Vulnerability and Resilience, 108, 112f.
44
Dietz, Vulnerabilität und Anpassung, 20.
45
Müller, The Great Divide, 2.
des globalen Südens als Wohlstands- und Ungleichheitsproblem entgegen, welchem
eine Mensch-Mensch-Relation zugrunde liegt: the paramount inequity is one between
human victims and human culprits.“
46
Die den Klimadiskurs bestimmende west-
lich/nördliche Sichtweise legt aufgrund ihrer diskursbeherrschenden Stellung jedoch
nicht nur fest, dass die Klimakrise als Umweltproblem aufgefasst wird, sondern auch,
was in Angelegenheit der Klimakrise als wahr/falsch bzw. legitim/illegitim zu gelten
hat. Entsprechend produzieren auch maßgeblich im globalen Norden angesiedelte In-
stitutionen jenes Wissen, welches als (Beurteilungs-)Grundlage bestimmter Verhal-
tensvorhersage- und Verhaltenssteuerungsmechanismen dient: „one that fits into in-
ternational aid schemes and is often connected to or directly sells Western technical
knowledge and products.“
47
Die Klimakrise hingegen im Kontext nicht-klimatischer
gesellschaftspolitischer und soziokultureller Fragen nach Armut, Grundsicherung, Un-
gleichheit und Gerechtigkeit zu begreifen, oblag lange Zeit im Wesentlichen den
Sprachorganen indigener Bevölkerungsgruppen und Nichtregierungsorganisationen
sowie teilweise den RegierungsvertreterInnen aus Ländern des Südens.“
48
Vor diesem
Hintergrund erlangt auch die Rede von Vulnerabilität und Resilienz eine weitere Di-
mension, die nämlich die Verantwortung für eine erfolgreiche Adaption auf die Perso-
nen, Personengruppen und Gesellschaften des globalen Südens überträgt und dabei
Erfolg etwa an der Möglichkeit bemisst, von ausländischen Arbeitsmärkten absorbiert
zu werden.
49
Dass ethisch-moralische Fragen entlang globaler und intergenerationaler
Problembeschreibungen, die im Herzen des „Perfect Moral Storm“
50
liegen, nicht im
Fokus einer sich an biophysischen Vorannahmen orientierenden Forschung liegen
können, ist wenig überraschend. Ebenso wenig überrascht es aber, dass eine auf als
Umweltproblem fokussierte Erforschung der „quantifizierbaren Auswirkungen be-
stimmter Treibhausgasemissionen, basierend auf Modellen und Szenarien“
51
jene Kon-
trollkultur fort- und festschreibt, die die Klimakrise entlang der „Reduzierung auf kal-
kulierbare[], kalkülisierbare[] und verwertbare[] Relationen“
52
erfasst.
46
Müller, The Great Divide, 2.
47
Klepp/Chavez-Rodriguez, Governing Climate Change, 19.
48
Dietz, Vulnerabilität und Anpassung, 42.
49
Klepp/Chavez-Rodriguez, Governing Climate Change, 18.
50
Vgl. Gardiner, Perfect Moral Storm.
51
Dietz, Vulnerabilität und Anpassung, 11.
52
Vgl. Hörl, Ökologisierung des Denkens, 40.
Der Problemkomplex Klimakrise ist ein „umkämpftes und konfliktreiches Terrain po-
litischer und sozialer Aushandlungsprozesse“.
53
Einen nicht zu unterschätzender Teil-
bereich dieser Aushandlungsprozesses bilden die Befunde und Ergebnisse der Natur-
wissenschaften, doch sollte bis hierher klar geworden sein, dass es im Diskurs um die
Klimakrise nicht ausschließlich um Fragen der Messung des Temperaturanstiegs oder
um die Feststellung von Meeresspiegelanstieg, Gletscherschmelze oder Veränderun-
gen von Vegetationsformen geht. Eine Analyse unter naturwissenschaftlichen Voran-
nahmen allein berücksichtigt nicht, dass die (Natur-)Wissenschaften selbst als kultu-
relle Praxen und auch die von ihnen erforschten Phänomene in komplexe soziokultu-
relle und gesellschaftspolitische Zusammenhänge eingebunden sind. Gerade deshalb
ist es wichtig, dass die Vorannahmen dieser Forschung und die durch Bezugnahme auf
diese festgeschriebenen Wirklichkeitsbeschreibungen nicht ungeprüft übernommen
werden. Dies würde letztlich bedeuten, die wissenschaftliche Problembeschreibung,
die Methodenkataloge und Verfahrenstechniken der jeweiligen Forschung mit dem
Gegenstand selbst zu verwechseln, also Phänomene wie Klima und Umwelt auf ihre
biophysische Messbarkeit hin zu reduzieren, und nicht auch in ihrer sprachlichen Be-
schaffenheit oder ihrer kulturellen Bedingtheit zu reflektieren.
Damit sollte sich auch die Schwierigkeit der Formulierung des Protestschilds nachvoll-
ziehen lassen, die einen direkten Schluss von The Science is Clear zu Climate Action Now!
zieht: Dem zweiten Teil des Slogans ist selbst unter Berücksichtigung aller textsorten-
geschuldeten Vagheit durchaus zuzustimmen, solange die geforderte „Klima-Hand-
lung“ die komplexen Zusammenhänge der Klimakrise und die mit ihnen einhergehen-
den Besorgnisse immer wieder reflektiert und respektiert. Doch lässt sich diese Forde-
rung eben gerade nicht unmittelbar aus dem ersten Teil ableiten, da eine wie auch im-
mer geartete Klarheit der naturwissenschaftlichen Sachlage eben keinesfalls schon
eine Klarheit jeder anderen relevanten Dimension mitmeinen kann. Mehr noch, die
Konsequenz einer Ableitung der Forderung „Climate Action Now!“ allein aus dem
proklamierten Sachstand „The Science is Clear“ fordert im Zweifel eben genau jene
biophysische Reduktion der Klimakrise, deren problematischen Auswirkungen ich
eben skizziert habe. Damit soll jedoch der hohe Wert wissenschaftlicher Fakten im
53
Dietz, Vulnerabilität und Anpassung, 12.
Diskurs um die Klimakrise in keiner Weise diskreditiert oder die Existenz und Rele-
vanz einer Bezugnahme auf solche Fakten in Abrede gestellt werden. Wissenschaftli-
che Fakten sind in dieser Angelegenheit zweifellos notwendig, aber sie sind nicht auch
hinreichend, denn es bedarf zudem einer Einbettung dieser Fakten in die komplexen
Zusammenhänge unserer kommunikativen Realität.
54
In dieser Weise sollte man auch
den Appell verstehen: climate change cannot be left to natural sciences“.
55
In der
ausschließlichen Bezugnahme auf biophysikalische Problembeschreibungen bestehen
so gesehen die Grenzen der Repräsentation von Klimakrise als Angelegenheit des Fak-
tischen im wörtlichen Sinne des englischen Matters of Fact: Diese Grenzen offenbaren
sich in der Restbegriff-bedingten Vernachlässigung der komplexen politischen und so-
zialen Aushandlungsprozesse:
„[I]n a world where cultural values, political and religious ideas, and deep-
seated human behaviors still rule the way people lead their lives, produce, and
consume, the idea of environmentally relevant knowledge must change. We
cannot dream of sustainability unless we start to pay more attention to the
human agents of the planetary pressure that environmental experts are masters
at measuring but that they seem unable to prevent.“
56
Der nächste Abschnitt entwirft auf dieser Basis eine transformative Erweiterung, wel-
che die Klimakrise nicht allein als eine Angelegenheit des Faktischen begreift.
2. Die Möglichkeiten der Klimakrise als eine Angelegenheit der Sorge, Be-
sorgnis und Fürsorge
Tim Ingold stellt in seinen Überlegungen zur Relation von Kultur und Umwelt die
klassische Bestimmung Ernst Cassirers, nach der der Mensch ein animal symbolicum ist,
auf den Kopf, wenn er betont, dass Menschen zwar bedeutungsschaffende oder sinn-
stiftende Tiere (meaning-making animals) sind, damit aber auch deren Fähigkeit einher-
gehe, die Umwelt als bedeutungslos oder sinnfrei zu repräsentieren (meaningless environ-
ment). „‚Nature‘, as an environment of neutral objects, is not a pre-existent given, but
a product of the interpretative stance, which requires subjects to disengage themselves
54
Vgl Böhnert/Reszke, Which Facts to Trust.
55
Klepp/Chavez-Rodriguez, Governing Climate Change, 23.
56
Sörlin, Environmental Humanities, 788.
from the task at hand.“
57
Ingolds Überlegung ist für den hier zu entfaltenden Kontext
in zweierlei Hinsicht bedeutsam: Erstens sieht er im Disengagement eine epistemologi-
sche Voraussetzung für ein erkennendes Subjekt, das die Natur als eine Konstellation
neutraler Objekte an anderer Stelle spricht er von rohem Material (raw material)
58
wahrzunehmen oder zu beschreiben sucht. Zweitens drückt sich im Verb disengage eine
Handlung aus, die sich im Kontrast zum passiven Status des Nicht-Handelns qua
Nicht-Involviert-Seins durch aktives Verweigern, Entbinden oder Zurückziehen von
einer vorausgegangener Verbindung, Verflechtung oder Verstrickung (Engagement) re-
alisiert.
59
Die epistemische Bedingung des Disengagements als eine Voraussetzung für
die Erforschung der Natur und natürlicher Phänomene wie Temperaturanstieg, Mee-
resspiegelanstieg, Gletscherschmelze etc., stellt dabei jedoch Engagement als erkennt-
nistheoretischen Urzustand heraus, der erst durch moralische, methodische oder
sprachliche Anstrengung überwunden werden muss. Diese epistemische Katharsis im
Dienste neutraler Distanznahme setzt entsprechende Handlungen der „Reinigung“
voraus, etwa durch Einübung einer aperspektivischen Haltung, durch Entwicklung
mechanisch-objektiver Verfahrensweisen oder durch Konzeption bestimmter rhetori-
scher Techniken.
60
An der Schnittstelle von methodologisch-epistemischer Beschrei-
bung und ontologisch-begrifflicher Zuschreibung
61
zeichnen sich „rohe Tatsachen“,
wie in der Sozialontologie vorgeschlagen,
62
dann eben nicht mehr durch ihre Beobach-
tungsunabhängigkeit aus, sondern geraten als epistemisches Produkt gerade dadurch
in den Blick, dass eine bestimmte interpretative Beobachtungsrelation vorausgesetzt
wird. Es gelte eben nicht die einfache Gleichung, so Ingold, dass man durch die Sub-
traktion des erkennenden Subjekts aus der Rechnung eine Ansammlung neutraler Ob-
jekte im Sinne „der Natur“ erhalte.
63
Ist der naturwissenschaftliche Zugang zur Klima-
57
Ingold, Culture and Environment, 53, Hervorhebung M. B.
58
Ingold, Culture and Environment, 43.
59
Das Oxford English Dictionary bestimmt die Verwendungsdimension des Verbs disengage entspre-
chend als „to free from engagement“, „to detach from that which entangles“ und „to loosen a bond“
(OED, [Lemma] disengage, v.).
60
Siehe auch Daston, Objectivity sowie Efstathiou, Im Angesicht der Gesichter. In der feministischen Wis-
senschafts- und Erkenntnistheorie wird der Gedanke des Engagements als Primat der Erkenntnis seit
Jahren unter Konzepten wie Local Epistemology (Longino, Local Epistemology) oder Standpoint-Theory
(Code, Sex of the Knower; Harding, Whose Science?) verhandelt.
61
Vgl. Bachelard, Wissenschaftlicher Geist, 48.
62
Vgl. etwa Searle, Mind, Language And Society, 111-134.
63
Vgl. Ingold, Culture and Environment, 42.
krise in diesem Sinne einer neutralen Beobachtungshaltung durch Disengagement cha-
rakterisiert, dann erlaubt und erzwingt auch diese besondere Haltung eine bestimmte
Gegenstandsbeschreibung, nämlich die mittels biophysischer Ereignisse und quantifi-
zierbarer Auswirkungen. Dabei gilt es jedoch zu bedenken: „The neutrality of nature
is given only in disengagement […], however, […] life is given in engagement, not in
disengagement.“
64
Unter Rücksicht auf den Akt des Disengagements wird noch klarer,
was zuvor mit dem Bezug auf den Restbegriff einer auf faktische Angelegenheiten
reduzierten Klimakrise umrissen wurde, indem Disengagement darauf verweist, dass
uns ein vom Engagement befreiter Begriff der Klimakrise, angelehnt an einen Gedan-
ken von Vinciane Despret, keinesfalls eine „objektivere Welt“ bietet, sondern schlicht
„eine Welt ohne uns“.
65
Die nicht berücksichtigte Kluft zwischen den Perspektiven des Disengagements und
Engagements, die selbst in dem genannten Kurzschluss The Science is Clear Climate
Action Now! unüberbrückt bleibt, erklärt möglicherweise auch einen Teil der Frustrati-
onen, mit der diese Forderung geäußert wird und die im Zweifel, wie weiter oben be-
reits angedeutet, in einer Spirale des Vertrauensverlusts in Wissenschaften mündet. Je-
der Verweis auf die rein faktische Dimension der Klimakrise verhandelt diese schließ-
lich im Modus des thing-knowledge und vernachlässigt dabei die korrespondierende Di-
mension von people-knowledge: „What we know of comets, icebergs, and neutrinos, so
Steven Shapin, irreducibly contains what we know of those people who speak for and
about these things, just as what we know about the virtues of people is informed by
their speech about things that exist in the world.“
66
Zwar ist sowohl im Alltag als auch
in der populären Wissenschaft die Vorstellung weit verbreitet, dass Wissen und seine
Vermittlung nicht an Personen gebunden ist, denn gerade diese Kontextbefreiung gilt
als Garant dafür, dass Tatsachen nicht nur für die lokalen Produzent*innen des Wis-
sens gelten, sondern für alle und überall.
67
Diese Auffassung drückt sich letztlich auch
64
Ingold, Culture and Environment, 44, Hervorhebung im Original. Diese Haltung und die mit ihr ver-
bundene neutrale Bestandsaufnahme bedingt zwar ein Disengangement, dieses ist jedoch nur eine
neue Form eines abstrakteren und formaleren Engagements, das seinerseits auf dem grundlegenden
Engangement allen Lebens basiert und sich aus diesem speist.
65
Vgl. Despret, The Body We Care For, 131. Dass auch eine an Objektivität und Neutralität ausgerich-
tete Forschung stets richtungsweisende Vorentscheidungen trifft, die über „wissenschaftsinterne“ As-
pekte hinausgreifen, hat u.a. in den letzten Jahr(zehnt)en die feministisch geprägte Wissenschafts- und
Erkenntnistheorie aufgezeigt.
66
Shapin, History of Truth, xxvi.
67
An dieser transzendentalen Voraussetzung übt u.a. Val Plumwood Kritik. Vgl. Plumwood, Nature,
Self, and Gender, 7.
in der bereits angesprochenen Adressierung von Wissenschaft im Singular aus „Unite
Behind the Science!oder „Hört auf die Wissenschaft!“ Doch stellt Shapin in seiner
wissenschaftshistorischen Analyse das notwendige Zusammenspiel beider Bereiche
heraus und betont, dass ein Streit über Dinge Temperaturanstieg, Meeresspiegelan-
stieg, Gletscherschmelze etc. gleichzeitig und im gleichen Sinne auch ein Streit über
Menschen, deren Tugenden und deren erkenntnistheoretisches Geschick ist.
68
Mehr
noch, Shapin beschreibt gerade die Schnittstelle von thing-knowledge und people-knowledge
mit dem Begriff des Vertrauens,
69
jenem sozialen Akt also, dessen Verlust in der öf-
fentlichen Debatte immer wieder Thema ist, und bietet hiermit vielleicht auch eine
Überbrückungsmöglichkeit der oben beschriebenen Kluft zwischen Engagement und
Disengagement: Vertrauen entsteht und wird erst dann erkenntnistheoretisch relevant,
wenn ein im Modus des Disengagement gewonnenes Wissen über die Dinge zurück
an das Engagement der dieses Wissen hervorbringenden Personen und ihrer lebens-
weltlichen Kontexte gebunden wird als Mensch, als Forscher*in, als Mann*Frau, als
Träger*in bestimmter Vorstellungen, Werte und Überzeugungen, als Zugehörige*r ei-
ner bestimmten Disziplin, aber auch einer bestimmten Region, Religion, Kultur, Eth-
nie, Sprachgemeinschaft, usw. Auf dieses Weise erfährt thing-knowledge eine Erdung,
welche die Debattenbeiträge und Diskurse auf das Terrain politischer und sozialer
Aushandlungsprozesse zurückführt. Oder wie es Val Plumwood formuliert: Special
relationship with, care of, or empathy with particular aspects of nature as experiences
rather than with nature as abstraction are essential to provide a depth and type of
concern that is not otherwise possible.“
70
Im Modus des Disengagements und im Fokus auf thing-knowledge, aber auch in der For-
mulierung „The Science is Clear: Climate Action Now!“ schwingt letztlich die Vorstel-
lung des Problemkomplexes Klimakrise als eine Art (bedrohlicher) Kulisse mit: Jegliche
Interkation und somit auch jegliches Weiterleben vor dem Hintergrund dieser Kulisse
und damit auch immer grundsätzlich getrennt von ihr, hängt in diesem Bild von der
präzisen Ausmessung und Bestimmung der Kulisse ab. Um die Klimakrise jedoch als
68
Shapin, History of Truth, 287. Der Primat des thing-knowledge unserer Gegenwartsdiskurse muss dabei
in seiner Historizität und teilbedingt durch den Aufstieg der Naturwissenschaften begriffen werden, da
noch im 16. Jahrhundert der Primat des people-knowledge galt, die Beurteilung von Wissen also wesent-
lich von den Personen abhing, die dieses vortrugen (vgl. Hacking, Probability, 33).
69
Shapin, History of Truth, xxv.
70
Plumwood, Nature, Self, and Gender, 7.
ein Geschehen diskursiver Aushandlung und damit auch nicht weiter als getrennt von
der menschlichen Lebenswelt in den Blick zu bekommen, scheint diesbezüglich ein
Metaphernwechsel geboten. Möglicherweise ist es hilfreicher die Klimakrise als eine
Art (bedrohlicher) Skulptur in Mitten unserer Gemeinschaft vorzustellen, deren For-
mung unter Beteiligung vieler Hände stattfindet engaged, nicht disengaged und
deren Ausgestaltung im fortwährenden Prozess bleibt und nicht oder niemals ab-
geschlossen ist.
71
Vor dem Hintergrund einer solchen Vorstellung stellt sich dann die
Frage nach den Handlungsspielräumen und -praktiken im Sinne von „Climate Action“
nicht mehr als getrennt von und nachrangig zu dem (naturwissenschaftlichen) Er-
kenntnisprozess, sondern jedes Handeln, auch das naturwissenschaftliche Erforschen
von Sachverhalten, ist immer schon impliziter oder expliziter Teil einer solchen von
vielen Händen gestalteten Aushandlung. Um die Bezugnahme auf den naturwissen-
schaftlichen Restbegriff der Klimakrise zu Gunsten der Berücksichtigung ihrer vielsei-
tigen, vielschichtigen und vielgestalten Dimensionen zu erweitern, bietet sich der von
Bruno Latour entwickelte Begriff der Matters of Concern
72
und dessen unter feministi-
schen Vorannahmen überarbeitete Lesart als Matters of Care
73
durch María Puig de la
Bellacasa an. Beide Begriffe sollen im Kontrast zur Repräsentation der Klimakrise
als einer faktischen Angelegenheit illustrieren, inwiefern sich unser Blick durch eine
Konzeptionierung der Klimakrise als Angelegenheit der Sorge, Besorgnis und Für-
sorge verschiebt.
74
Um sein Konzept zu entfalten, bedient sich Latour zunächst eines weiteren hilfreichen
Begriffes, nämlich dem des Dings. Hierzu verweist er auf die von Martin Heidegger
angestellten Überlegungen zur wortgeschichtlichen Herkunft ohne dessen philoso-
phischen Ausführungen weiter zu folgen , um auf zwei Bedeutungsebenen hinzuwei-
sen. Das althochdeutsche thing verweist einerseits auf einen Gegenstand oder eine Sa-
che, also auf etwas Greif- oder Sichtbares in der Welt. Andererseits verweist er aber
auch auf eine Volks- oder Gerichtsversammlung, eine Zusammenkunft, Verhandlung
71
Die sprachlichen Bilder von Kulisse und Skulptur stammen von Ingold, der damit sein Konzept
von Umwelt umschreibt. Vgl. Ingold, Culture and Environment, 50.
72
Vgl. Latour, Matters of Fact to Matters of Concern.
73
Vgl. Puig de la Bellacasa, Matters of Care.
74
Ich verwende diese drei Begriffe als Überblendung der verschiedenen Bedeutungsebenen vom Eng-
lischen concern und care, auch wenn vor einigen Jahren Latours Ausdruck „Matters of Concern“ als
„Dinge von Belang“ ins Deutsche übersetzt wurde (vgl. Latour, Elend der Kritik).
oder Angelegenheit.
75
Beide Verwendungsweisen von thing als zwei miteinander eng
verstrickte Perspektiven berücksichtigend, will auch Latour Matters of Fact und Matters
of Concern nicht als gegensätzliche und gegeneinander auszuspielende Konzepte ver-
standen wissen: Als Matters of Fact perspektiviert, richten wir unseren Blick auf things
als einzelne oder doch zumindest vereinzelbare und erfahrbare Objekte in der Welt,
während wir things im Sinne von Matter of Concern verstanden, in ihrer Zusammenkunft
und als Verhandlung von Phänomenen, Ideen, Mächten, Akteur*innen, Praktiken, Be-
dürfnissen, Konzeptionen, Schauplätzen etc. begreifen.
76
Sind Matters of Fact über-
schau-, berechen- und mehr oder weniger kontrollierbar, so ufern Matters of Concern
aus, werden vielschichtig, mehrdimensional und komplex.
Puig de la Bellacasa betont, dass vor allem drei Aspekte unseres Verständnisses von
things durch die Betrachtung als Matters of Concern eine entscheidende Veränderung und
Neubeurteilung erfahren, nämlich deren Repräsentation, Wahrnehmung und Verletzlich-
keit.
77
Ein durchgehendes Thema von Latours Arbeiten im Feld der Wissenschaftsfor-
schung, der Science and Technology Studies und insbesondere im Kontext der Idee
einer Actor-Network-Theorie, ist die De-Objektifizierung wissenschaftlicher Matters of
Fact: Dies soll einerseits die Rolle nicht-menschlicher Aktanten im Kontext der Genese
wissenschaftlicher Tatsachen berücksichtigen und andererseits diese wissenschaftli-
chen Befunde als Resultat sozialer und anderer traditionell als wissenschaftsextern ver-
standener Prozesse charakterisieren.
78
Diese de-objektifizierte Repräsentation von
things versteht Puig de la Bellacasa als ein re-staging of things as lively,
79
welches nicht
allein im Modus der Kontrolle und Macht, sondern immer schon im Modus der sorg-
samen und fürsorglichen Fabrikation
80
geschehe: „‚concern‘ alters the affective charge
of the thinking and presentation of things with connotations of trouble, worry and
75
Vgl. Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache, [Lemma] Ding, das; Latour Matters of Fact to Mat-
ters of Concern, 233; Heidegger, Frage nach dem Ding, 3f.
76
Vgl. Latour, Matters of Fact to Matters of Concern, 231237.
77
Vgl. Puig de la Bellacasa, Matters of Care, 87.
78
Vgl. etwa Latour, Hoffnung der Pandora; Latour, Berliner Schlüssel.
79
Puig de la Bellacasa, Matters of Care, 87.
80
Ich denke in diesem Zusammenhang etwa an die sorgsame und fürsorgliche Präsentation ihrer
Doppelhelixstruktur der DNA durch James Watson und Francis Crick anhand eines Modells, welches
zunächst Grund für Besorgnis war: „It seemed almost unbelievable that the DNA structure was
solved, that the answer was incredibly exciting, and that our names would be associated with the dou-
ble helix […]. […] That night, however, we could not firmly establish the double helix. Until the metal
bases were on hand, any model building would be too sloppy to be convincing.” (Watson, The Double
Helix, 198f). Zum Begriff der Fabrikation vgl. Knorr Cetina, Fabrikation von Wissen; Knorr Cetina, Fab-
rikation von Erkenntnis.
care.“
81
Dieser Repräsentationsmodus beeinflusse wiederum unsere Wahrnehmung
von things in dem Sinne, dass die Klimakrise repräsentiert als Angelegenheit der Sorge,
Besorgnis und Fürsorge nicht mehr ausschließlich entlang der Merkmale von Störung
und Kontrollverlust wahrgenommen werden muss. Stattdessen erlaube diese Reprä-
sentation im besten Falle die alternative Wahrnehmung eines kollaborativ gedachten,
wechselseitigen Miteinanders, welches als „building a common world“, wie Puig de la
Bellacasa schreibt, „our ability to respect each other’s issues“ als wesentlich betont.
82
Mit diesem Standpunktwechsel, der den Blick auf die soziale, historische oder kultu-
relle Bedingtheit von things und die für ihr Bestehen und Werden notwendigen, teils
fragilen, menschlichen und nicht-menschlichen Netzwerke lenkt, gehe auch die Kon-
statierung einer neuen Verletzlichkeit einher.
83
Diese Verletzlichkeit gilt es sich spätes-
tens dann bewusst zu machen, wenn man bedenkt, dass things zwei sehr unterschiedli-
chen machtrelationalen Repräsentations- und Wahrnehmungsdebatten ausgesetzt
sind: Einerseits im Rahmen einer häufig mit wissenschaftssoziologischen und -philo-
sophischen Denkfiguren verbundenen, ideologiekritisch
84
oder sozialkonstruktivis-
tisch verfahrenden Position, die durch die Überbetonung der Zusammengesetztheit
von things, alles Faktische als illusionär-fetischistisch entlarven will.
85
Andererseits je-
doch von einer maßgeblich populistisch geprägten Position,
86
die die Kompliziertheit
von things zwar wahrnimmt, dann jedoch simplizistisch in einem essentialistisch ge-
prägten Begriff von Wissen aufgehen lässt und vor dem Hintergrund einer wahr-
falsch-Dichotomie das Ausbleiben unumstößlicher Fakten als Beleg dafür inszeniert,
dass im Grunde gar keine sicheren Aussagen getroffen werden können, womit alle
Wissenschaftlichkeit zu einer Glaubensfrage wird. Beide Seiten stellen things durch die
Betonung der inhärenten Konstruktion von Fakten in ein durch (All-)Macht und Kon-
trolle dominiertes Verhältnis. Unter der Voraussetzung eines solchen Machtgefüges
mag als einziger Modus der Interaktion mit etwas Zusammengesetztem dessen Zerle-
gung erscheinen, doch gilt es gerade deshalb Macht und Kontrolle durch Sorge, Be-
sorgnis und Fürsorge zu ersetzen: The purpose of showing how things are assembled
is not to dismantle things, nor undermine the reality of matters of fact with critical
81
Puig de la Bellacasa, Matters of Care, 87.
82
Puig de la Bellacasa, Matters of Care, 88.
83
Puig de la Bellacasa, Matters of Care, 88.
84
Vgl. Lakatos, Geschichte der Wissenschaft, 133, 116.
85
Latour, Matters of Fact to Matters of Concern, 238f.
86
Vgl. etwa Beyer, Postfaktizität und Geltung; Suiter, Post-Truth Politics.
suspicion about the powerful (human) interests they might reflect and convey. Instead,
to exhibit the concerns that attach and hold together matters of fact is to enrich and
affirm their reality by adding further articulations.“
87
In diesem Sinne erlaubt die Her-
ausstellung der Entstehungs- und Entwicklungsprozesse und damit das Ausweisen der
genetischen Zusammensetzung von things, diesen mehr Realität zuzugestehen, wie
auch Latour betont.
88
Denn, dass things auch sprachlich und sozial geprägt und folglich
durch Sprache und soziale Interaktion mitgestaltet sind, „ist kein Vorwurf, sondern
eine erkenntnistheoretische Konsequenz.“
89
Puig de la Bellacasa weist gerade im Anschluss an die Verletzlichkeit von things mit
ihrer Überlegung zu Matters of Care über das Konzept von Latours Matters of Concern
insofern hinaus, als sie die im Verb care eingeschriebene Handlung, Praxis und Arbeit
betont wissen will:
The notion of ‚matter of care‘ aims to add something to matters of fact/con-
cern with the intention of not only respecting, but of engaging with their becom-
ing. […] One can make oneself concerned, but ‚to care‘ more strongly directs
us to a notion of material doing. Understanding caring as something we do
extends a vision of care as an ethically and politically charged practice, one that
has been at the forefront of feminist concern with devalued labours.“
90
Meine hier vorgenommene Überblendung von Matters of Concern und Matters of Care als
Angelegenheit der Sorge, Besorgnis und Fürsorge ist als eine Integration beider sich
ohnehin nicht ausschließender, sondern stets ergänzender Fokussierungen angelegt
Sorge haben im Sinne von besorgt sein ist stets zugleich auch ein sich (um etwas) sor-
gen und sich fürsorglich (um etwas) kümmern. Dabei ist die durch Puig de la Bellacasas
feministische Lesart herausgestellte und kritisch zu reflektierende Konstellation von
Sorge und Arbeit notwendiger Bestandteil des hier betonten Verständnisses. Spätes-
87
Puig de la Bellacasa, Matters of Care, 100, 89.
88
Vgl. Latour, Hoffnung der Pandora, 9.
89
Hornuff, Wissenschaft im postfaktischen Zeitalter, 68. Über den Einfluss unserer sprachlichen Wirklich-
keitsgestaltung sind sich nicht nur die Vertreter*innen der Fridays For Future-Bewegung bewusst, die
seit 2021 einheitlich nicht mehr den Begriff Klimawandel sondern Klimakrise verwenden. Bereits
2002 hat Frank Luntz, der damalige politische Berater von George W. Bush, dazu geraten, in Wahl-
kampfreden anstelle des zuvor verwendeten Begriffs „Global Warming“ den weniger bedrohlichen
Begriff „Climate Change“ zu verwenden (vgl. Powell, Inquisition of Climate Science, 175).
90
Puig de la Bellacasa, Matters of Care, 100, 90, Hervorhebung M. B.
tens bei einer kritischen Auseinandersetzung mit den von den Vereinten Nationen for-
mulierten globalen Sustainable Development Goals (SDGs) wird vor diesem neuen Hinter-
grund deutlich, dass auch in den SDGs zumindest teilweise Konzepte von Sorge, Be-
sorgnis und Fürsorge eingehen, aber entlang von asymmetrischen und hierarchischen
Dichotomien (produktiv/reproduktiv, nutzen/schützen, sichtbar/unsichtbar, be-
zahlt/unbezahlt, männlich/weiblich) eingehegt werden und zwar meist dann, wenn
Gender nicht dezidiert verhandelt wird.
91
Die Klimakrise als eine Angelegenheit der
Sorge, Besorgnis und Fürsorge zu repräsentieren und wahrzunehmen ist für Puig de la
Bellacasa weder ein „romantic endeavour“ noch eine „affair of motherly love“, son-
dern „a matter of earthly survival“, bei der sich die Notwendigkeit des Gemeinsamen
aus dem Versammlungs-, Zusammenkunfts- und Verhandlungscharakter des things
Klimakrise unmittelbar einstelle und nicht erst in eine zukünftige utopische Welt pro-
jiziert werden dürfe.
92
Den Gedanken der im Care-Begriff immanenten Gemeinsamkeit
artikuliert noch deutlicher Donna Haraway mit ihrem Schlüsselkonzept der Sympoiesis
als „becoming-with“, „making-with“, „thinking-with“ und „worlding-with“: Sym-
poiesis is a word proper to complex, dynamic, responsive, situated, historical systems.
It is a word for worlding-with, in company.“
93
Entsprechend erweisen sich vor dem
Hintergrund eines Becoming-, Making-, Thinking- oder Worlding-with nicht nur neue
und andere Fragen als relevant im Kontext der Klimakrise, sondern sie geraten unter
Umständen überhaupt erst in den Blick, wenn Kontrolle und Macht als Repräsentati-
onsmodi zugunsten von Sorge, Besorgnis und Fürsorge beiseite gelegt sind: Wer oder
was wird von unserer Sorge, Besorgnis und Fürsorge berücksichtigt und wer oder was
wird vernachlässigt? Wer oder was sollte zusätzlich eine Berücksichtigung erfahren und
wer oder was sollte nicht (weiter) berücksichtigt werden? Wer übernimmt die Sorge-
und Fürsorgearbeit und wie können wir Asymmetrien der Sorge und Besorgnis ver-
hindern? Wie können wir eine sorgsame ein weiterer Begriff des Wortfeldes der
Sorge Wissensproduktion gewährleisten und damit die Sorge um epistemische Ge-
walt etwa im oben erwähnten Great Divide ernst nehmen? Wie können wir die Sorgen
„der anderen“ respektieren? Was geschieht mit den things, wenn wir uns nicht mehr
(um sie) sorgen?
91
Vgl. Mölders, Rethinking Gender; Hofmeister/Mölders/Onnen, Doing Gender.
92
Puig de la Bellacasa, Matters of Care, 95.
93
Haraway, Staying with Trouble, 58.
Die Klimakrise zu einer Angelegenheit der Sorge, Besorgnis und Fürsorge zu machen,
adressiert letztlich viele der problembesetzten Aspekte des mit den drei Protestslogans
skizzierten und gerahmten öffentlichen Diskurses: Das Zusammenspiel von thing-
knowledge und people-knowledge etwa wird auf diese Weise immer schon als gegeben vo-
rausgesetzt oder es wird in der Doppelperspektivität des thing-Begriffs gar noch um
relevante nicht-menschliche Dimensionen erweitert. Ebenso tritt auch der Modus des
Engagements als relationaler und erkenntnistheoretischer Primat in den Vordergrund,
bei dem um in der Metapher des obigen Bildes zu bleiben die vielen beteiligten
Hände im Becoming-, Making-, Thinking- und Worlding-with der gemeinschaftlichen
Aus- und Verhandlungsprozesse im Fokus bleiben. Zudem wird auch eine andere Les-
art der The Science is Clear-Forderung möglich: So muss die oben beschriebene Frustra-
tion überhaupt erst deshalb artikuliert werden, weil die Klimakrise als faktische Ange-
legenheit begriffen und das dadurch verlorengegangene Engagement der Wissen-
schaftler*innen von diesen über den (Um-)Weg der Wissenschaftsmärsche wieder ein-
geholt werden muss. Schließlich und das ist an dieser Stelle wichtig zu betonen
bietet diese Neubeurteilung auch einen Ausweg aus der ganz zu Beginn kritisierten
dichotomen und konfrontativ angelegten Verhältnissetzung von Natur und Kultur res-
pektive Naturwissenschaften und Kulturwissenschaften im Kontext der Klimakrise an.
Als Angelegenheit der Sorge, Besorgnis und Fürsorge verstanden, eröffnen sich viel-
seitige, vielschichtige und vielgestaltete Interaktions-, Interventions- und Integrations-
spielräume und erfordern dabei gleichzeitig eine deutliche Erweiterung der (disziplinä-
ren) Beteiligungen. Selbstverständlich wäre es ein Anzeichen völliger Selbstüberschät-
zung anzunehmen, dass die Einführung eines neuen begrifflichen Konzepts die
Schwierigkeiten des Problemkontextes Klimakrise auf einen Schlag lösen könnte wo-
bei vor dem Hintergrund des Dargelegten unklar bliebe, was überhaupt unter „lösen“
zu verstehen wäre. Stattdessen ermöglicht und veranlasst die Transformierung des
Verständnisses von Klimakrise von einer bloß faktischen Angelegenheit hin zu einer
Angelegenheit der Sorge, Besorgnis und Fürsorge auch eine Transformation von
Denk- und Lebensgewohnheiten und zwar unter Umständen eben solcher, die uns als
Gesellschaft seit rund 125 Jahren unfähig machen, der sich entwickelnden Klimakrise
angemessen zu begegnen. Vielleicht verhallen bisher auch gerade deshalb „allzu naive
normative Forderungen nach der Änderung des Umweltverhaltens“,
94
weil unter Vor-
zeichen einer faktischen Angelegenheit, Sinnfragen und Belange der Identitätsstiftung
keine Berücksichtigung erfahren können, die mit Denk- und Lebensgewohnheiten ein-
hergehenden Praktiken jedoch als „sinnvoll geordnete Bündel […] Ausdruck von
Identität“
95
sind. Aspekte dieser neuen Ausrichtung fordern explizit die Geistes- und
Kulturwissenschaften zur Beteiligung auf, indem sie komplementär zu den naturwis-
senschaftlich-technisch geprägten Forschungstraditionen, zentral verhandelte Phäno-
mene wie Klima und Umwelt in ihrer sprachlichen Beschaffenheit und kulturellen Be-
dingtheit begreifen und analysieren. Als Angelegenheit der Sorge, Besorgnis und Für-
sorge verstanden, geraten die komplexen soziokulturellen und gesellschaftspolitischen
Verflechtungen in das Blickfeld und eben jene Verflechtungen, in denen über den
Problemkomplex Klimakrise gesprochen, von ihm erzählt und über ihn nachgedacht
wird, lassen sich als Gebiete dezidiert geistes- und kulturwissenschaftlicher Zuständig-
keit begreifen.
96
Ist beispielsweise die Frage nach dem Bau einer Windkraftanlage als eine faktische
Angelegenheit überschau-, berechen- und mehr oder weniger kontrollierbar, so ufert
dieselbe Frage als eine Angelegenheit der Sorge, Besorgnis und Fürsorge aus: Sie wird
vielschichtig, mehrdimensional und komplex, da eine Vielzahl und Vielfalt an Phäno-
menen, Ideen, Mächten, Akteur*innen, Praktiken, Bedürfnissen, Konzeptionen oder
Schauplätzen in ganz unterschiedlichen Relationen der Sorge, Besorgnis und Fürsorge
in den Aushandlungsprozess involviert sind. Mit den Mitteln und Kompetenzen der
Geistes- und Kulturwissenschaften lassen sich dann insbesondere jene sprachlich-kul-
turellen Dimensionen von Handlungsspielräumen und sozialen Praktiken, Wissensfor-
men und Vorannahmen, Orientierungserzählungen und Vision begreifen und analy-
sieren, in denen über sie gesprochen, von ihnen erzählt und über sich nachgedacht
wird. Etwa wenn gefragt wird, wer auf welchen Kanälen mit wem, zu welchem Zweck
und in welcher Weise über Windkraftanlagen spricht oder darüber schweigt. Dabei
wird selbstverständlich nicht nur in Pressetexten und Social Media gesprochen und
geschwiegen, sondern beispielsweise auch in Dokumentarfilmen oder in der Kunst:
94
Schützenmeister, Hybrid oder autofrei?, 272.
95
Schützenmeister, Hybrid oder autofrei?, 274.
96
Vgl. hierzu den Ansatz des Forschungsprojekts Climate Thinking an der Universität Kassel (Vgl.
Böhm/Böhnert/Reszke, Climate Thinking).
„Das Sprechen über den Klimawandel ist ein hochgradig komplexes gesellschaftliches
Phänomen, dessen Analyse Einblicke in die gegenwärtige politische Kommunikations-
kultur, Meinungsbildung und die Formierung politischer Gruppen ermöglicht.“
97
Es
lohnt sich zudem zu beleuchten, welche Alltagserzählungen über Gesundheitsschäden
und Landschaftszerstörung den Ausbau oder Abbau von Windkraftanlagen begleiten
und bestimmen und auch, wie utopische und dystopische Literatur Welten erzählen,
in denen die Folgen der Klimakrise deutlich zutage treten. In all diesen Zusammen-
hängen lässt sich aber zugleich auch darüber nachdenken, welche Vorstellungen von
und Erwartungen an wirtschaftliche und technologische Innovation den Diskurs um
die „Energiewende“ bestimmen, inwiefern Windkraftanlagen als eine Antwort auf die
Sorge um unsere Lebensgewohnheiten repräsentiert oder wahrgenommen werden,
wenn der Problemkomplex Klimakrise „gekennzeichnet [ist,] von einem modernisie-
rungstheoretischen Entwicklungsparadigma, dessen Fortschrittsideal und Technolo-
gieoptimismus aus der Frühzeit der Industrialisierung stammen.“
98
3. The Science is Clear: What Now?
„Our belief that science alone could deliver us
from the planetary quagmire is long dead.“
99
In diesem nüchternen Befund zum planetarischen Schlamassel kritisiert Sverker Sörlin
nicht die Naturwissenschaften im Plural, sondern vielmehr unsere allgemeinen und
überzogenen Erwartungen an und Vorstellungen von Wissenschaft und die ihr zuge-
wiesene Rolle im Zuge der Bewältigung der Klimakrise. Naturwissenschaften nicht
mehr als alleinige Instanz der Erlösung zu imaginieren dies ist der springende Punkt
des Satzes ist die Voraussetzung für eine Transformation der bisherigen Ausrichtung
auf bloße Fakten hin zu einer neuen Ausrichtung auf Angelegenheiten der Sorge, Be-
sorgnis und Fürsorge. Weder die überzeichnete Vorstellung einer einzelnen, externen
und monolithisch verfassten Instanz, noch die an kontrollkulturelle Logiken und Prak-
tiken geknüpfte Heilserwartung können als Fluchtpunkte einer utopischen Zukunft
dienen. An ihre Stelle müssen Engagement und becoming-with, Zusammenkunft und
Verhandlung, Sorge, Besorgnis und Fürsorge treten. Mit Puig de la Bellacasa lässt sich
97
Böhm/Reszke, Über Klimawandel sprechen.
98
Bauriedl, Einleitung, 18.
99
Sörlin, Environmental Humanities, 788.
sagen, dass die Idee einer Angelegenheit der Sorge, Besorgnis und Fürsorge ein Vor-
schlag zum gemeinsamen denken-mit ist. Sie ist weder eine konkrete Methode noch
ist sie eine kohärente Theorie, deren Versprechen es wäre, wir müssten uns ab einem
bestimmten Punkt in der Zukunft nicht mehr um die Klimakrise sorgen. Sie ist viel-
mehr die Forderung nach einem Blickwechsel, nach einem Wandel unserer Haltung,
der es erlaubt, das thing Klimakrise auf eine neue Weise zu behandeln, die mehr sor-
gende, sorgsame und fürsorgliche Relationen erzeugt.
100
Diesem Gedanken folgend,
lohnt es sich, die Forderung des titelgebenden Protestschildes neu zu formulieren: The
Concerns are Clear: Climate Care Now!
100
Puig de la Bellacasa, Matters of Care, 100. Zur Rolle der Haltung im Kontext einer (ökofeministi-
schen) Umweltlehre, vgl. auch Warren, Power and Promise, 135ff.
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Article
Full-text available
Der vorliegenden Artikel begreift BNE nicht als blossen politisch-administrativen Aktionsplan, sondern fragt danach, welchen besonderen Beitrag das Fach Deutsch dazu beitragen kann. Den Ausgangspunkt hierzu bilden die drei Zugänge des Projekts Climate Thinking (Universität Kassel): Über Klimawandel sprechen, Vom Klimawandel erzählen, Über Klimawandel nachdenken. Diese ermöglichen es, das komplexe Phänomen Klimawandel als Matters of Fact (Latour 2004) und dadurch als relevanten Gegenstand des Fachs zu erfassen. Auf dieser Basis entwickelt der Beitrag drei Perspektiven auf und für einen Deutschunterricht für nachhaltige Bildung an der Schnittfläche sprachlicher, literarisch-ästhetischer, politischer und ethischer Bildung. Die drei Perspektiven werden an der Graphic Novel Eva. Klima in der Krise (2022) von Arild Midthun und Bjørn H. Samset, dem Rap-Track Schäm dich (2020) von Conny sowie dem Brettspiel Gigawatt. A game about the energy transition (2021) exemplarisch veranschaulicht. Schlüsselwörter: Deutschdidaktik, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Klimawandel, Rap, Graphic Novel. Quelle: Leseforum.ch 2/2023; DOI: 10.58098/lffl/2023/02/788.
Dictionary bestimmt die Verwendungsdimension des Verbs disengage entsprechend als "to free from engagement
  • English Das Oxford
Das Oxford English Dictionary bestimmt die Verwendungsdimension des Verbs disengage entsprechend als "to free from engagement", "to detach from that which entangles" und "to loosen a bond" (OED, [Lemma] disengage, v.).
Im Angesicht der Gesichter. In der feministischen Wissenschafts-und Erkenntnistheorie wird der Gedanke des Engagements als Primat der Erkenntnis seit Jahren unter Konzepten wie Local Epistemology (Longino, Local Epistemology) oder Standpoint-Theory (Code, Sex of the Knower
  • Daston Siehe Auch
Siehe auch Daston, Objectivity sowie Efstathiou, Im Angesicht der Gesichter. In der feministischen Wissenschafts-und Erkenntnistheorie wird der Gedanke des Engagements als Primat der Erkenntnis seit Jahren unter Konzepten wie Local Epistemology (Longino, Local Epistemology) oder Standpoint-Theory (Code, Sex of the Knower; Harding, Whose Science?) verhandelt.