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Professionell beraten im Videoformat. Ein praxisorientierter Leitfaden

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Abstract

Der vorliegende Leitfaden besteht aus zwei Teilen: Teil I vermittelt zunächst eine allgemeine fachwissenschaftliche Einordnung, es geht um zentrale Begriffe und Gesichtspunkte, die im Zusammenhang mit der videogestützten Beratung diskutiert werden. Darauf aufbauend beschreibt Teil II konkrete Ansatzpunkte für die professionelle Gestaltung von Beratungsgesprächen im Videoformat. Es geht um Fragen wie Vorbereitung und Troubleshooting, Beziehung und Kommunikation, Tools und Gestaltungsmöglichkeiten, Methoden und Techniken.
Professionell beraten im Videoformat –
Ein praxisorientierter Leitfaden
Prof. Dr. Matthias Rübner
Andrea Pintschka-Vögeli
Stand: 01.08.2022
Professionell beraten im Videoformat –
Ein praxisorientierter Leitfaden
Prof. Dr. Matthias Rübner
Andrea Pintschka-Vögeli
Stand: 01.08.2022
Professionell beraten im Videoformat –
Ein praxisorientierter Leitfaden
Prof. Dr. Matthias Rübner
Andrea Pintschka-Vögeli
4
Inhalt
Einführung in den Leitfaden 6
Teil I: Fachwissenschaftliche Einordnung 8
1. Formen der Onlineberatung 9
2. Gesichtspunkte von Beratung per Video 13
2.1 Mediale Reichhaltigkeit 13
2.2 Ortsunabhängige Erreichbarkeit 15
2.3 Technische Voraussetzungen 15
2.4 Digitales Know-how 15
2.5 Organisatorische Anforderungen 15
2.6 Interaktion mit audiovisuellen Geräten 16
2.7 Räumliches Setting 16
2.8 Integrierte Tools 17
2.9 Variable Gesprächsformate 17
Teil II: Ansatzpunkte für die professionelle Umsetzung 18
3. Gut vorbereitet in die Videokommunikation starten 19
3.1 Grundvoraussetzungen für die Teilnahme klären 19
3.2 Das Gesprächssetting vorbereiten 21
3.3 Sicherheit gewinnen 22
4. Beziehung und Kommunikation 25
4.1 Beziehungsebene und Vertrauensverhältnis 25
4.2 Verbale und nonverbale Kommunikation 28
4.3 Gesprächseinstieg und Gesprächsabschluss 30
5. Tools und Gestaltungsmöglichkeiten 32
5.1 Bildschirmfreigabe 32
5.2 Videokonferenz 35
5.3 Chatfunktion 36
5.4 Visualisierung 36
5.5 Häusliche Umgebung 37
6. Methoden und Techniken 39
6.1 Brainstorming 40
6.2 Skalierungstechnik 42
6.3 Pro-Contra-Abwägung 44
6.4 Entscheidungsmatrix 46
6.5 Standortbestimmung im Berufswahlprozess 48
6.6 Vorbereitung auf Online-Vorstellungsgespräche 51
Literatur 52
5
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Formen der Onlineberatung 10
Abbildung 2: Gesichtspunkte der Videoberatung 14
Abbildung 3: Prozessmodell der Beratung nach BeKo 30
Abbildung 4: Offene Bewertungsskala 43
Abbildung 5: Skala zum aktuellen Berufswahlstand 43
Abbildung 6: Pro-Contra-Liste 45
Abbildung 7: Arbeitsbogen Entscheidungsndung 45
Abbildung 8: Entscheidungsmatrix 47
Abbildung 9: Meine Berufswahlsituation: Wo stehe ich aktuell? 49
Abbildung 10: Mein Stand im Berufswahlprozess 50
6
Einführung in den Leitfaden
Die Beratung mithilfe des Mediums „Video“ stellt ein neues,
rechtskreisübergreifendes Interaktionsformat in der Bun-
desagentur für Arbeit dar. Neben technischen und organi-
satorischen Anforderungen ergeben sich damit auch Frage-
stellungen im Hinblick auf die Umsetzung in der Beratung:
Wie kann im Rahmen der Videokommunikation professionell
beraten werden? Wie kann die Videokommunikation für die
Kund*innen gewinnbringend gestaltet und weiterentwickelt
werden? Inwieweit können die vorhandenen Beratungskom-
petenzen im Videoformat eingesetzt werden? Welche guten
Praxiserfahrungen liegen vor und können für die eigene Be-
ratungsarbeit genutzt werden? Dies sind die Fragen, um die
es in diesem Leitfaden gehen soll. Er möchte dazu beitragen,
Sicherheit im Gesprächssetting der Videokommunikation zu
gewinnen,
einen Überblick über Gestaltungsmöglichkeiten und Tools
zu erhalten und
diese aktiv einzusetzen und das eigene Beratungsrepertoire
zu erweitern.
Ausgehend von diesen Zielen war es von Anfang an klar, dass
neben der Analyse der einschlägigen Fachliteratur ein Einblick
in die Praxis der Beratung per Video erforderlich ist. So ha-
ben wir über mehrere Wochen hinweg an sechs verschiedenen
Standorten an Videogesprächen beobachtend teilgenommen.
Auf diese Weise haben wir vielfältige Einblicke in die Umset-
zung der videogestützten Beratung in Jobcentern, in der Be-
rufsberatung, im Reha-Bereich und im Rahmen der Online-
Arbeitsuchendmeldung gewonnen und in diesem Leitfaden
verarbeitet. Auch die Ergebnisse der begleitenden Evaluation
und ZKM-Befragungen zur Einführung der Videokommunika-
tion in den Jobcentern und Agenturen für Arbeit sind hier ein-
geossen.
Eine zusammenfassende Erkenntnis aus diesen Praxiserfah-
rungen kann bereits an dieser Stelle hervorgehoben werden:
Alle befragten Fach- und Führungskräfte sahen für die drei
Kommunikationsformen Präsenz, Video, Telefon eine Zu-
kunft. Je nach Kundin bzw. Kunde und Anlass gelte es, jeweils
die geeignetste Kommunikationsform auszuwählen (Kaps et
al., 2022, S. 48). Es geht also um ein „Sowohl-als-auch“ und
das gleich auf mehreren Ebenen: Sowohl die Organisation als
auch die einzelne Fachkraft ist aufgefordert, die Möglichkeiten
und Vorteile der jeweiligen Formate aktiv zu nutzen und be-
darfsgerecht zu kombinieren (Hörmann et al., 2019; Wentzel
et al., 2016). Daher steht hier auch die Frage im Mittelpunkt,
wie eine Beratung im Videosetting möglichst profes sionell
und für die Kund*innen gewinnbringend gestaltet werden
kann, und nicht die Frage, was im Vergleich zur Präsenz- oder
Telefonberatung gegebenenfalls nicht so gut funktioniert. Die
Praxiserfahrung hat gezeigt, dass dies Übung und Freiräume
braucht; ebenso sind Austausch und Anregungen wichtig.
Der vorliegende Leitfaden besteht aus zwei Teilen: Teil I ver-
mittelt zunächst eine allgemeine fachwissenschaftliche Ein-
ordnung, es geht um zentrale Begriffe und Gesichtspunkte,
die im Zusammenhang mit der videogestützten Beratung dis-
kutiert werden. Hier sei klarstellend darauf hingewiesen, dass
nicht alle im wissenschaftlichen Kontext diskutierten Aspekte
und Beratungsformate für eine Anwendung in der BA infrage
kommen. So ist z. B. eine Forenberatung für die BA aus daten-
schutzrechtlichen Gründen unzulässig und in der Kundenkom-
munikation ist in der BA aktuell die Nutzung eines Messenger-
dienstes nicht vorgesehen. Für die Beratung in der BA sowie
den gemein samen Einrichtungen sind die veröffentlichten Re-
gelungen verbindlich zu beachten.
Darauf aufbauend beschreibt Teil II konkrete Ansatzpunkte
für die professionelle Gestaltung von Beratungsgesprä-
chen im Videoformat. Es geht um Fragen wie Vorbereitung
und Troubleshooting, Beziehung und Kommunikation, Tools
und Gestaltungsmöglichkeiten, Methoden und Techniken. Fra-
gen zur technischen Umsetzung, zum Datenschutz und zur
organisatorischen Verankerung der Videokommunikation wer-
den in diesem Leitfaden nur am Rande behandelt, da diese in
separaten Dokumenten bereitgestellt und laufend aktualisiert
werden. Hierbei sind insbesondere die Weisungen und Leit-
7
linien für die Videokommunikation der verschiedenen Anwen-
dungsbereiche relevant, welche u. a. datenschutzrechtliche
Aspekte erläutern und regeln:
Weisung und Leitlinien für die Videokommunikation in den
Teams Berufsberatung sowie Beruiche Rehabilitation und
Teilhabe
Weisung und Fachliche Leitlinien zum Prozess „Online-
Arbeitsuchendmeldung nach § 38 SGB III (neu) und Einsatz
von Videokommunikation inkl. Online-Terminvergabe“
Weisung und Leitlinien Videokommunikation SGB II
Zum Verhalten im Homeofce wurde mit Weisung eine neue
Dienstvereinbarung zur Mobilarbeit in der BA eingeführt. Auf
die Dienstvereinbarung über die Nutzung von Einrichtungen
der Informations- und Kommunikationstechnik und zu den Fol-
gen von Digitalisierung und Automatisierung in der Bundes
-
agentur für Arbeit (DV IKT) und die darin geregelten Rechte
und Pichten wird insbesondere hingewiesen.
Der Leitfaden versteht sich als ein Detailkonzept zur Bera-
tungskonzeption der BA (BeKo), d. h., die dort verankerten
Merkmale professioneller Beratung beanspruchen auch im
Videoformat Geltung und werden hier vorausgesetzt (z. B. die
Handlungsprinzipien einer respektvollen und wertschätzen-
den, ressourcen- und lösungsorientierten sowie transparenten
Beratung; vgl. Rübner & Weber, 2021).
Der Leitfaden richtet sich grundsätzlich an alle mit Beratungs-
aufgaben betrauten Fachkräfte der BA und der gemeinsa-
men Einrichtungen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer betreuen bzw. junge Menschen und Erwachsene beraten,
die am Erwerbsleben teilnehmen oder teilnehmen wollen. Die
Adressaten der Beratung werden je nach Schwerpunkt des
Kapitels als „Ratsuchende“, „Kund*innen“ oder „Leistungs-
berechtigte“ bezeichnet. Viele der hier dargestellten Inhalte
sind auch auf die Beratung von Arbeitgebern und die Bera
-
tung in der Leistungsabteilung übertragbar. Auf fachspezi-
Bitte
beachten Sie
In allen geschilderten Abläufen sind immer auch die
datenschutzrechtlichen Vorgaben (auch in Bezug auf
den Mitarbeiterdatenschutz) einzuhalten. Diese können
über die in diesem Leitfaden geschilderten Abläufe hin-
aus noch zusätzliche Einschränkungen mit sich bringen.
Nähere Informationen nden Sie auf der Website der
Stabsstelle Datenschutz.
sche Schwer punkte wurde in diesem einführenden Leitfaden
aber weitgehend verzichtet. Vor allem die in den Kapitel 5 und
6 vorgestellten Tools, Methoden und Techniken sind als Ein-
ladungen zum Ausprobieren und zum Weiterdenken für den
eigenen Praxisalltag gedacht. Aus unseren Praxiskontakten
heraus wissen wir, dass in einigen Teams und Regionaldirek-
tionen ein reger Austausch über Erfahrungen und Materialien
besteht, und hoffen, dass unser Leitfaden diese Diskussion
unterstützt. Für eine weitere Verbesserung dieses Leitfadens
sind Rückmeldungen jederzeit willkommen.
Im fachwissenschaftlichen Diskurs wird überwiegend der Begriff
der „Videoberatung“ verwendet. Diesem Sprachgebrauch fol-
gend wird von Videoberatung immer dann gesprochen, wenn
fachwissenschaftliche Bezüge hergestellt werden. Ansonsten
orientieren wir uns weitgehend an den in der Bundesagentur
für Arbeit eingeführten Bezeichnungen wie Beratung per Video
oder Videokommunikation als Interaktionsformat.
8
Teil I:
Fachwissenschaftliche
Einordnung
9
Hinweis: Die nachfolgenden Ausführungen zu verschiede-
nen Formen der Onlineberatung dienen einer allgemeinen
fachwissenschaft lichen Einordnung. Zu den Nutzungsmög-
lichkeiten in den BA-Prozessen wird auf die jeweils gültige
Rechts- und Weisungslage verwiesen.
Neben der Präsenz- und Telefonberatung hat sich die Online-
beratung als „dritte Kraft“ in der Beratungslandschaft eta-
bliert (Reindl, 2018, S. 23). Gemeinsames Kennzeichen der
verschiedenen Arten der Onlineberatung ist, dass der Kommu-
nikationsprozess durch den Einsatz digitaler Medien gestaltet
wird (Engelhardt, 2019, S. 162).
Wichtig zu betonen ist, dass in diesem Verständnis von Online-
beratung nur das Kommunikationsmedium technischer Natur
ist, nicht aber die Akteure. Onlineberatung beruht – wie auch
die Präsenz- und Telefonberatung – auf einer wechselseitigen
Kommunikation zwischen Menschen, zwischen Beratenden
und Ratsuchenden. Davon abzugrenzen sind rein internetba-
sierte Angebote wie Informationsplattformen, die in zuneh-
mendem Maße auch automatisierte Elemente wie Chatbots
oder andere durch künstliche Intelligenz gesteuerte Elemente
integrieren (Hirschi, 2018). Diese Angebote können für sich
stehen, z. B. wenn Ratsuchende sich eigenständig informieren
wollen, sie können zu einem Beratungsangebot hinführen oder
auch in der Beratung selbst genutzt werden.
„Online-Beratung präsentiert sich Ratsuchenden als alterna-
tiver und erweiterter Zugang zu Beratungsleistungen, ver-
bunden mit einem Medienwechsel: von der unmittelbaren
Interaktion zu einer tele-medial vermittelten Kommunikation
zwischen räumlich Abwesenden. Überbrückt wird die räum-
liche Distanz durch den Einsatz digitaler Kommunikations-
medien“ (DGOB, 2020, S. 3).
DenitionvonOnlineberatung
1.
Formen der
Onlineberatung
10
Die Entwicklung und Verbreitung der Onlineberatung hängt
mit der zunehmenden Mediatisierung des Alltags zusammen.
Grundlage hierfür ist die Digitalisierung von Medien, „die zu
einem universellen Netz zusammenwachsen, an dem unter-
schiedliche Endgeräte hängen, über die Menschen Zugang
zu den Inhalten haben. Es entsteht so neben den alltäglichen
interpersonellen Beziehungen, aus denen sich das wesentlich
auf Face-to-Face-Kommunikation gründende primäre Be-
ziehungsnetz zusammensetzt, ein zweites kommunikatives
Netz, das auch andere Begegnungsarten zulässt. Mit dem
zweiten, weitgehend digital vermittelten Kommunikationsnetz
werden neue Formen von Kommunikation ermöglicht, die
(virtuelle) Erlebnisräume der Menschen öffnen und vertiefen“
(Reindl, 2018, S. 22). Die (regelmäßige) Internetnutzung von
Personen zwischen 10 und 64 Jahren liegt in Deutschland bei
nahe 100 Prozent (Statistisches Bundesamt, 2021b, S. 13).
Je nach Einsatz der digitalen Kommunikationsmedien fächert
sich die Onlineberatung in verschiedene Angebotsformen auf.
Zu den bekanntesten zählen die Mailberatung, die Chatbera-
tung, die Forenberatung und die Videoberatung (die Bera-
tung per Messenger ist aktuell noch nicht so verbreitet). Diese
Spielarten der Onlineberatung eröffnen unterschiedliche Prä-
sentationsformen (schriftlich, auditiv, visuell) und zeitlich ver-
setzte bzw. gleichzeitig stattndende Interaktionsmöglichkeiten
(asynchron, synchron). In Anlehnung an Kühne (2021, S. 80)
lassen sich die vier Formen der Onlineberatung nach diesen
beiden Unterscheidungskriterien anordnen (vgl. Abbildung 1).
In einem kleinen Exkurs werden zusätzliche Merkmale der hier
nicht im Mittelpunkt stehenden Mail-, Chat-, Foren- und Mes-
sengerberatung
1
erläutert (vgl. Infobox sowie den Überblick bei
Stanik & Maier-Gutheil, 2020 und Engelhardt, 2021).
In der tabellarischen Zusammenstellung fällt auf, dass die
schriftliche Präsentationsform in drei der vier Formate
dominiert. Und tatsächlich wurde die Onlineberatung in der
1 Hinweis zu Messengerdiensten: In der BA wird in der Kundenkommunikation aktuell kein Messengerdienst genutzt. Der BfDI hat den Einsatz von WhatsApp für alle
Bundesbehörden untersagt.
Mediatisierung des Alltags
Abbildung 1: Formen der Onlineberatung
Quelle: Kühne, 2021, S. 80
11
Mailberatung
Mailberatung ndet ausschließlich durch den Austausch von
E-Mails zwischen Ratsuchenden und Beratenden statt. Somit
ist hier von einer schriftbasierten und asynchronen Beratung
zu sprechen. Diese Form der Beratung wird mittlerweile aus
datenschutzrechtlichen Gründen webbasiert und SSL-ver-
schlüsselt durchgeführt und ndet nicht mehr – wie früher üb-
lich – über einen Mail-Client wie beispielsweise Outlook statt
(Eichenberg & Kühne, 2014, S. 88).2 Das Besondere an der
Beratungsform ist die zeitliche „Zerdehnung“ der Interaktion,
also die Asynchronität der Kommunikation, die sowohl Bera-
tenden als auch Ratsuchenden die Möglichkeit gibt, ihren Text
beliebig oft zu überarbeiten, bevor dieser abgeschickt wird. Im
Verlauf des Beratungsprozesses entsteht eine exakte Doku-
mentation der Kommunikation, was sehr hilfreich sein kann.
Grundsätzlich ist die Mailberatung eine One-to-one-Kommuni-
kation zwischen Ratsuchendem und Beratendem. Allerdings
kann in dieser Form der Beratung nicht synchron auf akute
Fragestellungen mit sofortigem Handlungsbedarf eingegan-
gen werden (Engelhardt, 2021, S. 63 ff). Weiterhin ist zu be-
tonen, dass es oftmals erweiterter Qualikationen bedarf, die
vertiefte Kenntnisse der textbasierten Beratung vermitteln
und ermöglichen, die bisher an mündlicher Kommunikation
orientierten Interventionen in den Schriftraum zu übertragen.
Die aktuell vorhandenen Weiterbildungen zur Onlineberatung
fokussieren daher insbesondere auf die Vermittlung von Lese-
und Schreibkompetenz mit entsprechenden Methoden zur
Sprach- und Textanalyse.
Chatberatung3
In der Chatberatung dienen Chats als Beratungsraum. Wie
auch in der Mailberatung sind die Beteiligten auf Schrift und
Zeichen als Kommunikationsmedium beschränkt. Im Gegen-
satz zur Mailberatung müssen sich die Beteiligten in der Chat-
beratung auf einen gemeinsamen Termin und Zeitrahmen
festlegen. Somit ndet eine Chatberatung „quasi-synchron“
statt. „Quasi-synchron“ deshalb, weil rein technisch betrachtet
die einzelnen Wortbeiträge sequenziell hintereinander über-
mittelt werden. Der Empfänger muss den empfangenen Text
vor seiner Antwort lesen, was zu minimaler Zeitverzögerung
führt. Da dieser Zeitversatz minimal ist, wird die Chatbera-
tung in Bezug auf Onlineberatung trotzdem als synchron ein-
gestuft. Zahlreiche Beratungsstellen bieten datenschutzge-
sicherte Plattformen für eine Chatberatung an. Anders als bei
der Mailberatung besteht in der Chatberatung zusätzlich zu
den One-to-one-Gesprächen im Einzelchat die Möglichkeit,
dass mehr als zwei Personen teilnehmen können. Beispiels-
weise kann eine Beratungsfachkraft mit einer Gruppe von
Ratsuchenden chatten, zusätzlich zur Kommunikation mit der
Beratungsfachkraft können die am Chat Teilnehmenden auch
noch untereinander kommunizieren und sich gegebenenfalls
gegenseitig beraten (Peer-Beratung).4 In diesen Fällen kann
sich die Rolle der Beratungsfachkraft stärker in Richtung Mo-
deration verschieben, was eine ausreichende Rollenklärung
erfordert (Engelhardt, 2021, S. 66 ff.).
2 In der BA darf die E-Mail-Kommunikation, die personenbezogene Daten enthält, ausschließlich über eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung erfolgen. Die BA verwen-
det dazu S-MIME. Es gibt eine Arbeitshilfe, wie Externe, insbesondere Kundinnen und Kunden, verschlüsselte E-Mails an die BA senden bzw. von dort empfangen
können. Die BA verfolgt eine Strategie weg von der E-Mail-Kommunikation, hin zu Portallösungen.
3 In der Videokommunikation der BA wird die Chatfunktion vorrangig zur Weitergabe von Informationen (z. B. Links, Benennung von Ansprechpartnerinnen bzw.
Ansprechpartnern) oder zum Stellen von Fragen, insbesondere bei mehr als zwei Teilnehmenden, genutzt.
4 Hinweis: Ein solches Vorgehen wäre in der BA nur zulässig, wenn Einwilligungserklärungen der Betroffenen vorliegen und die BA als Verantwortliche in der Lage
ist, diese nachzuweisen.
Merkmale der Mail- und Chatberatung (inkl. Hinweise auf Nutzungsmöglichkeiten in der BA)
psychosozialen Beratungslandschaft lange als primär textba-
sierte Form der Beratung verstanden (Engelhardt & Gerner,
2017, S. 18), die in Ergänzung zu den verbalen Formaten der
Präsenz- und Telefonberatung ihr eigenes Prol ausbildete
(Reindl, 2018).
Demgegenüber stand die Videoberatung lange Zeit im Schat-
ten der Aufmerksamkeit. Sie passte nicht so recht in den eta-
blierten Dreiklang von Präsenz-, Telefon- und schriftbasierter
Onlineberatung. Spätestens seit der Coronapandemie hat sich
das geändert. Aktuelle Befragungen zeigen, dass die Videobe
-
ratung in vielen Bereichen – u. a. in Medizin, Psychotherapie,
psycho-sozialer Beratung, Beschäftigungsförderung, Lauf-
bahnberatung – an Bedeutung gewonnen hat und aus ihrem
Nischendasein getreten ist (CEDEFOP, 2020; nfb, 2021; BPtK,
2020; Buschle & Meyer, 2020). Ausgehend von den bisherigen
Erfahrungen ist davon auszugehen, dass sich die Beratung per
Video auch nach der Coronapandemie als ergänzende Ange-
botsform in der Beratungslandschaft etablieren wird.
12
Forenberatung5
Im Gegensatz zu den vorgenannten Varianten ist die Foren-
beratung weitestgehend öffentlich. „In den meisten Fällen
ndet […] die Auseinandersetzung über Probleme, Themen,
Fragen, Anliegen und Erfahrungen vor den Augen einer un-
bekannten Zahl von Teilnehmer*innen statt“ (Brunner, Engel-
hardt & Heider, 2009, S. 83). Es nden sich also in einem öf-
fentlichen, virtuellen Raum Unbekannte zusammen, um sich
zu einem bestimmten Thema auszutauschen oder auch nur
still mitzulesen. Häug stehen Selbsthilfeaspekte im Zentrum
des Geschehens, wobei der Beratungsfachkraft meist eine
moderierende Funktion zukommt. „Durch das Teilen persön-
licher Leidenswege wurde eine gemeinsame Gesprächsbasis
geschaffen, welche den Ratsuchenden häug Hemmungen
nahm, da sie sich in ihrem Schicksal nicht weiterhin als ein-
sam und alleine betrachteten“ (Ziegler & Hünninger, 2014,
S. 49). Dies betont den Aspekt der gegenseitigen Unterstüt-
zung, der entsteht, wenn die Ratsuchenden zuvor den Mut
aufbringen konnten, die Schwelle hin zur Öffentlichkeit zu
überwinden. Zusätzlich kann eine „Art Multiplikationseffekt
von individuellen Beratungsantworten für weitere Betroffene
erreicht werden“ (Brunner, Engelhardt & Heider, 2009, S. 83),
wenn beispielsweise neben der Beratungsfachkraft auch an-
dere Forenteilnehmerinnen und -teilnehmer Antworten schrei-
ben und Beratung damit zu einer Koproduktion wird. Häug
entsteht über den thematischen Austausch hinaus ein sozia-
les Gefüge, die sogenannte Community, die gerade für junge
Menschen von essenzieller Bedeutung ist. Hinzu kommt der
Aspekt der permanenten Verfügbarkeit von Foren, was als
Alleinstellungsmerkmal dieser Beratungsform zu nennen ist.
Die Foren sind jederzeit (24/7) erreichbar, was für die Rat-
suchenden grundsätzlich hilfreich sein kann. Für die Bera-
tungsfachkräfte erschwert dies allerdings die Planbarkeit von
Interventionen, da in deren Abwesenheit die Gruppe eine
eigene Dynamik entwickeln kann, die nur bedingt durch die
Beratungsfachkraft zu steuern ist. Auch das Nachlesen der
Forenbeiträge seitens der Beratungsfachkraft kann einen
nicht unerheblichen Zeitaufwand darstellen, der aber nötig
ist, um auf den aktuellen Stand der Diskussion zu kommen
(Mattern & Kühne, 2003, S. 76).
Messengerberatung6
Eine weitere Form der Onlineberatung ist die Beratung per
Messenger. Über einen Messenger können verschiedene
Kommunikationsmöglichkeiten in einer Anwendung gebün-
delt werden. Neben Text- und Sprachnachrichten können
Dateien aller Art (Fotos, Videos, GIFs, Emojis, Dokumente)
versendet und zusätzlich Sprach- oder Videoanrufe getätigt
werden. Mithilfe eines Messengers kann sowohl synchron als
auch asynchron kommuniziert werden. Die Beiträge werden in
ihrem Verlauf protokolliert, sodass eine Art „Beratungsstream“
entsteht, der jederzeit noch einmal betrachtet und ergänzt
werden kann (Engelhardt & Piekorz, 2022). Aktuell ist die Be-
ratung per Messenger noch nicht so verbreitet, dürfte aber in
Zukunft an Bedeutung gewinnen. Vor Einführung sind dabei
u. a. Fragen des Datenschutzes und Zeiten der Verfügbarkeit
(Antwortzeiten, Erreichbarkeit) zu klären. Für Beratungsfach-
kräfte ist darüber hinaus eine entsprechende Qualizierung,
inkl. der Auseinandersetzung mit der Software, angezeigt. In
der BA wird in der Kundenkommunikation aktuell kein Mes-
sengerdienst genutzt.
5 Hinweis: Eine Forenberatung ist in allen denkbaren Variationen, die für die BA in Betracht kommen, datenschutzrechtlich unzulässig. Individuelle Problemlagen
sind niemals im Rahmen von öffentlichen Gruppenveranstaltungen zu bearbeiten. Dies wäre eine Offenbarung von Sozialdaten, möglicherweise auch Gesundheits-
daten, und müsste an den BfDI gemeldet werden.
6 Siehe Fußnote 1
Merkmale der Foren- und Messengerberatung (inkl. Hinweise auf Nutzungsmöglichkeiten in der BA)
Auf den Punkt
gebracht
Mit der Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelt hat
sich die Onlineberatung zunehmend in der Beratungs-
landschaft etabliert. Zu den bekanntesten Ausprägungen
zählen die Mail-, Chat-, Foren- und Videoberatung.
Gemeinsames Merkmal der verschiedenen Arten der
Onlineberatung ist, dass der Kommunikationsprozess
durch den Einsatz digitaler Medien gestaltet wird. Hier-
von abzugrenzen sind rein internetbasierte Angebote, in
denen durch künstliche Intelligenz gesteuerte Chatbots die
Kommunikation übernehmen.
13
2.
Gesichtspunkte von
Beratung per Video
Worin liegen die charakteristischen Merkmale einer Beratung,
die über Video stattndet? Während die Unterschiede zur Tele-
fonberatung und zu den schriftbasierten Formen der Online-
beratung durch den zusätzlichen visuellen Kanal auf der Hand
liegen, fällt die Abgrenzung zur Präsenzberatung etwas schwe-
rer. Wird im Videoformat nicht das gleiche Gespräch geführt
wie in der Präsenzberatung, nur eben durch ein digitales Kom-
munikationsmedium vermittelt? Ausgehend von der folgenden
Denition werden neun Gesichtspunkte beschrieben, anhand
derer Voraussetzungen, Spezika und Möglichkeiten der Bera-
tung per Video verdeutlicht werden sollen (vgl. Abbildung 2).
2.1 Mediale Reichhaltigkeit
Ein wichtiges Merkmal der Videoberatung liegt in ihrer media-
len Reichhaltigkeit. Die Reichhaltigkeit eines Mediums (media
richness) kann anhand von vier Kriterien bestimmt werden
(Daft, Lengel & Trevino, 1987): 1. der Rückmeldegeschwindig-
keit (feedback), 2. der Anzahl der übertragenen Signale (mul-
tiple cues), 3. der Vielfalt der vermittelten Sprache (language
variety) und 4. der Möglichkeit, als echte Person wahrgenom-
men zu werden, der sozialen Präsenz (personal focus).
Werden diese Kriterien auf die Videoberatung übertragen, lässt
sich sagen, dass
1. durch die nahezu synchrone Signalübertragung ein unmit-
telbares Reagieren aufeinander, ein direktes Feedback im
Kommunikationsprozess möglich ist;
Videoberatung beschreibt eine Form der Onlineberatung, bei
der die Kommunikation von räumlich getrennten Akteuren
im Rahmen eines personenbezogenen Beratungsprozesses
synchron über ein Videoübertragungssystem stattndet und
durch eine Palette unterschiedlicher Tools (Bildschirmfreiga-
be, Whiteboard, Chat) unterstützt werden kann (zusammen-
gefasst nach Engelhardt & Gerner, 2017, S. 20 ff.).
„Wenn davon ausgegangen wird, dass Beratung ein kom-
plexer Kommunikationsprozess ist, bei dem es wichtig ist,
Ambiguität zu reduzieren und zu einer gemeinsamen Deutung
einer Situation zu gelangen, dann müsste anzunehmen sein,
dass dieser Prozess am effektivsten durch ein synchrones,
reichhaltiges Medium wie dem Videokanal, unterstützt würde.
Bei der Videoberatung werden viele Kontext-Informationen
automatisch mitübertragen, ohne dass diese explizit formu-
liert werden müssen (wie es dagegen beispielsweise bei der
Mailberatung der Fall ist). Dadurch können die Vorteile der
verbalen und nonverbalen Kommunikation (Zeitersparnis,
Spontaneität, schnelles Nachfragen, etc.), welche auch oft-
mals gewohnter und vertrauter ist, genutzt werden“ (Engel-
hardt & Gerner, 2017, S. 25). Um das Potenzial der Videobe-
ratung genauer erfassen und einschätzen zu können, sind
noch weitere Praxiserfahrung und Forschung erforderlich.
DenitionvonVideoberatung
Potenzial der Videoberatung
2.
sowohl auditive als auch visuelle Signale übertragen werden
(Videokommunikation als Hybridmedium);
3. neben den gesprochenen Worten auch nonverbale Signale
(Mimik, Gestik) und Pausen in der Kommunikation wahrge-
nommen werden können;
4.
die telepräsenten Personen in einem sozialen Kontext
(Büro, Zuhause) erlebbar sind.
Mithilfe des Videoübertragungssystems werden also Kommuni-
kationsbedingungen geschaffen, die denen in der Präsenzbe-
ratung in vielen Punkten sehr ähnlich sind – gerade darin
besteht ein wichtiges Charakteristikum der videogestützten
Beratung. Damit verbunden ist die Annahme, dass sich die
im Präsenzkontakt erworbenen Beratungskompetenzen gut
auf das Kommunikationssetting der Videoberatung übertragen
lassen. „Ich sehe und höre den Ratsuchenden, ich kann also
auf die Erfahrung der Interaktion mit Menschen zurückgreifen“
(Knatz & Dodier, 2021, S. 91). Eine Gleichsetzung von Prä-
senz- und Videoberatung ist damit allerdings nicht gemeint.
14
Abbildung 2: Gesichtspunkte der Videoberatung
Quelle: Eigene Darstellung
15
2.2 Ortsunabhängige Erreichbarkeit
In der videogestützten Beratung entfällt – in der Regel für die
Ratsuchenden – der Anreiseweg, ohne dass auf eine persön-
liche Beratung via Bild und Ton verzichtet werden müsste.
Das Beratungsangebot der jeweiligen Einrichtung wird damit
ortsunabhängiger und für Menschen in unterschiedlichen
Lebenslagen besser oder überhaupt erst erreichbar. Typische
Beispiele für solche Lebenslagen sind häusliche Betreuungs-
pichten, bestehende Arbeitsverhältnisse, lange Anfahrtswe-
ge und gesundheitliche Einschränkungen (vgl. Abschnitt 3.1).
Darüber hinaus können Ausfallzeiten reduziert und die Konti-
nuität des Beratungs- und Betreuungsprozesses auch unter
veränderten Lebensbedingungen (Stichwort Coronapandemie)
aufrechterhalten werden. Flächendeckend angeboten, können
damit die Möglichkeiten der Teilhabe an Beratungsdienstleis-
tungen weiter erhöht werden.
2.3 Technische Voraussetzungen
Zu den elementaren Voraussetzungen für eine Beratung im
Videoformat gehören eine adäquate technische Ausstattung
und Infrastruktur, u. a. internetfähige Endgeräte, aktualisierte
Browser und eine gute Internetverbindung. Aufseiten des
Beratungsanbieters kommen als weitere Komponenten der
Einsatz eines möglichst browser- und geräteunabhängigen
Videokonferenzsystems sowie eine datenschutzkonforme Ver-
schlüsselungstechnologie hinzu. Viele Beratungseinrichtungen
müssen hier erst nachrüsten, weil das für die Videoberatung
erforderliche Equipment (noch) nicht mit der gleichen Selbst-
verständlichkeit zur Grundausstattung von Beratungsfach-
kräften gehört wie Büro, Telefon und PC. Demgegenüber ist
in Deutschland die technische Ausstattung für die Teilnahme
an einer Videoberatung in den Privathaushalten überwie-
gend vorhanden. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes
(2021a) verfügen 92 Prozent aller Haushalte über einen Inter-
netzugang, 88 Prozent über einen Computer und 86 Prozent
über ein Smartphone.
2.4 Digitales Know-how
Über das technische Equipment hinaus müssen sowohl Bera-
tende als auch Ratsuchende in der Lage sein, auch die für
die Videokommunikation benötigten Geräte zu bedienen, die
erforderlichen Prozessschritte einzuleiten und auf technische
Störungen adäquat zu reagieren. Wird Ratsuchenden eine Be-
ratung im Videoformat angeboten, ist darüber hinaus zu fragen,
ob diese sich das technische Handling und die Umsetzung der
erforderlichen Schritte auch zutrauen. Während die regelmä-
ßige pri vate Nutzung des Internets von Personen zwischen 10
und 64 Jahren bei nahezu 100 Prozent liegt (99 Prozent bei
Erwerbstätigen; 94 Prozent bei Arbeitslosen; Statistisches Bun-
desamt, 2021b), können einschlägige Erfahrungen mit der Vi-
deotelefonie keineswegs so selbstverständlich vorausgesetzt
werden, auch wenn die Coronapandemie hier sicherlich einen
deutlichen Schub gebracht hat. Insoweit sind Supportstruk-
turen wichtig (z. B. Erklärvideos, Begleittexte in verständlicher
Sprache, Trainingsmöglichkeiten), damit das Angebot einer
Videoberatung nicht nur durch technikafne Personen (early
adopters), sondern durch einen möglichst breiten Adressaten-
kreis wahrgenommen werden kann.
2.5 Organisatorische Anforderungen
Mit den technischen Voraussetzungen eng verknüpft sind or-
ganisatorische Anforderungen, etwa wenn es um Anschaf-
fungskosten, Qualizierungsbedarf der Mitarbeiter*innen, die
Eröffnung von Experimentierräumen, internes und externes
Marketing sowie die Integration des Videoformats in ein kohä-
rentes Angebotskonzept (Blended Counseling) geht: Welchen
Stellenwert soll die Beratung per Video im Verhältnis zu den
anderen Beratungsangeboten der Einrichtung einnehmen?
Soll sie auf bestimmte Anliegen oder Zielgruppen beschränkt
werden? Wie können Beratende und Ratsuchende gleicher-
maßen mitgenommen werden? Mit Blick auf Einrichtungen im
Gesundheitssektor stellen Greenhalgh, Wherton, Shaw und
Morrison (2020, S. 1) fest: „Organisatorische Fallstudien haben
gezeigt, dass die Einführung der Videoberatung eine komplexe
Veränderung darstellt, die lang etablierte Prozesse und Routi-
nen unterbricht. […] Wir müssen uns darüber im Klaren sein,
Mit der zunehmenden Digitalisierung von Arbeit und Leben
wird die digitale Kompetenz zu einer unverzichtbaren Schlüs-
selqualikation. Die videogestützte Beratung kann hier einen
zusätzlichen Beitrag leisten, da sie digitale Kompetenzen ver-
mittelt, ohne dass explizite Lernarrangements genutzt werden
müssen. Sie kann einen Beitrag zur Reduzierung der digitalen
Kluft (digital gap) und zur Förderung von digitaler Teilhabe
leisten (Karlin-Hohler, 2020, S. 32; Kaps et al., 2022, S. 77). In
diese Richtung weist auch die Erfahrung einer Beratungsfach-
kraft, die berichtet, dass bei ihr vermehrt Ratsuchende ab 60
Jahren eine Beratung per Video nachfragen, die ihre digitalen
Kompetenzen verbessern und „am Ball bleiben“ wollen.
Digitale Teilhabe
16
dass es bei der Veränderung nicht nur um die Installation oder
Nutzung einer neuen Technologie geht, sondern um die Einfüh-
rung und Aufrechterhaltung größerer Veränderungen in einem
komplexen System“ (Übersetzung durch Verf.). Vor diesem
Hintergrund stellt die Verschränkung von Online- und Präsenz-
angeboten eine anspruchsvolle Daueraufgabe für Organisa-
tionen dar.
2.6 Interaktion mit audiovisuellen
Geräten
Die mediale Reichhaltigkeit des Videoformats wird durch den
Einsatz audiovisueller Ein- und Ausgabegeräte ermöglicht, d. h.
durch Kamera und Mikrofon (= Eingabegeräte) sowie Moni-
tor und Lautsprecher bzw. Kopfhörer (= Ausgabegeräte). Hin-
zu kommen – mindestens für die Beratenden – weitere Be-
dienelemente wie Tastatur und Maus. Diese Geräte müssen
miteinander verbunden und korrekt eingestellt werden (tech-
nisches Know-how). Zugleich aber schaffen die Geräte Kom-
munikationsbedingungen, auf die sich die Beteiligten in der
Beratung einstellen müssen. So ndet die videogestützte Be-
ratung durchgängig am und vor dem Computer statt. Sitzhal-
tung, Blickrichtung, Bewegungsradius, Gestik und Mimik sind
mit den technischen Aus- und Eingabegeräten, vor allem mit
Kamera und Display, abzustimmen. Das eigene Handeln n-
det für beide Seiten gewissermaßen als Liveübertragung vor
laufender Kamera statt und ist durch das eigene Videobild be-
obachtbar. Diese Art der digital vermittelten Kommunikation ist
zunächst ungewohnt, hier gilt es, Sicherheit zu gewinnen – für
Beratende und Ratsuchende gleichermaßen. Während Erstere
einen professionellen Zugang dazu gewinnen müssen, geht es
für Letztere immer auch darum, sich vor Kamera und Monitor
als betroffene Person möglichst authentisch äußern und prä-
sentieren zu können und zu wollen.
2.7 Räumliches Setting
Ein weiteres Kennzeichen einer Beratung per Video ist, dass
sich die Teilnehmenden in unterschiedlichen Räumen benden,
zugleich aber einen Einblick in das räumliche Setting der an-
deren Person erhalten. An die Stelle des „körperlichen Raum-
Erlebens“ (Jawor-Jussen & Meier, 2021, S. 476) tritt die digi-
tale Kopräsenz zwischen räumlich Abwesenden. Während
sich die Beratungsfachkräfte zumeist in ihrem Büro aufhalten,
benden sich die Ratsuchenden in ihrer häuslichen Umgebung
oder an anderen Orten ihrer Lebenswelt wie beispielweise in
der Mittagspause am Arbeitsplatz. Damit fällt die „Raumhoheit“
der Beratungseinrichtung weg, in öffentlichen Einrichtungen
auch das gesamte behördliche Umfeld (Gebäude, Kunden-
leitsystem, Wartebereich). Ratsuchende müssen nicht erst
Gebäude betreten, Flure durchschreiten und im Büro der Be-
ratungsfachkraft auf einem ihnen zugewiesenen Stuhl Platz
nehmen, während sich die Fachkraft wie selbstverständlich in
ihrer vertrauten Arbeitswelt bendet und auf ihre Arbeitsmittel
17
Auf den Punkt
gebracht
Die videogestützte Beratung beschreibt eine Form der
Onlineberatung, bei der die Kommunikation von räum-
lich getrennten Akteuren im Rahmen eines personenbe-
zogenen Beratungsprozesses synchron über ein Video-
übertragungssystem stattndet und durch eine Palette
unterschiedlicher Tools (Bildschirmfreigabe, Whiteboard,
Chat) unterstützt werden kann.
Sie ermöglicht eine medial reichhaltige Form der Kom-
munikation, wie wir sie sonst nur aus der Präsenzbera-
tung kennen. Der direkte audiovisuelle Austausch macht
es möglich, unmittelbar mit der anderen Person in Kon-
takt zu treten und auf vorhandene Beratungskompeten-
zen zurückzugreifen.
Mit der videogestützten Beratung verbinden sich ver-
schiedene Möglichkeiten der Online-Zusammenarbeit, wie
die ortsunabhängige Erreichbarkeit, die Einbeziehung
mehrerer Gesprächsteilnehmender und die gemeinsame
Recherche im Internet. Gleichzeitig gilt es, in dem neuen
Gesprächssetting Sicherheit und Routine zu gewinnen.
MitdemächendeckendenAngebotvonBeratungsge-
sprächen per Video kann ein Beitrag zur Verbesserung
der digitalen Teilhabe und Kompetenzerweiterung von
Erwerbspersonen geleistet werden.
(PC, Drucker, Telefon, Dokumente) zurückgreifen kann. In der
Videoberatung können sich Ratsuchende in ihren vertrauten
„vier Wänden“ bewegen, selbst entscheiden, wo sie sitzen wol-
len, was sie um sich herum brauchen (Getränke, Tisch etc.)
und welchen Ausschnitt ihrer Privatsphäre sie den Fachkräften
präsentieren. Auch die gewählte Kleidung kann legerer, beque-
mer, lockerer ausfallen. Zudem sitzen beide Parteien vor ihren
eigenen digitalen Endgeräten. In der Literatur werden diese
Bedingungen als durchaus förderlich für eine Kommunikation
auf Augenhöhe und offene Gesprächsatmosphäre beschrieben
(Hartmann-Strauss, 2020; Kaps et al., 2022).
2.8 Integrierte Tools
Jedes Videokonferenzsystem beinhaltet eine Reihe von Tools,
die in der Beratung eingesetzt werden können. Zum Standard
gehören die Möglichkeit, den eigenen Bildschirm zu teilen
(Screen-Sharing), die Chatfunktion zum Austausch von Infor-
mationen und der Einsatz von Visualisierungstools (z. B. White-
board). Die Tools eröffnen je nach Anlass und Schwerpunkt
der Beratung eine Vielzahl an Möglichkeiten. Beispiele sind
die gezielte Erläuterung und gemeinsame Nutzung von In-
formationsportalen und Datenbanken, die Besprechung und
Bearbeitung von Unterlagen sowie der visualisierte Einsatz
von Beratungsmethoden (siehe dazu ausführlich Kap. 5 und
6). Auch Kombinationen mit anderen Onlinemedien (E-Mail,
Apps) sind möglich.
2.9 Variable Gesprächsformate
Im Rahmen der Videokommunikation besteht die Möglichkeit,
auf einfache Weise weitere Personen in die Beratung einzu-
beziehen, d. h., das klassische 1:1-Format zu verlassen und
in einen Videokonferenzmodus umzuschalten. Gemeinsame
Beratungen mit Netzwerkpartnerinnen bzw. Netzwerkpartnern,
multiprofessionelle Beratungssettings und Netzwerkkonferen-
zen sind so einfacher umsetzbar, der Zeitaufwand für alle Be-
teiligten ist geringer und lässt sich besser kalkulieren. Zudem
können Familienangehörige oder andere Begleitpersonen, die
sich an unterschiedlichen Orten benden, mit Einverständnis
der Ratsuchenden für einen gemeinsamen Beratungstermin
zugeschaltet werden. Alle externen Teilnehmenden erhalten
dabei jeweils eine eigene Einwilligungserklärung und können
dem Videogespräch nur beitreten, sofern sie der Einwilligungs-
erklärung zustimmen. Im Videokonferenzmodus übernimmt die
einladende Fachkraft dabei zusätzliche moderierende Funk-
tionen und Aufgaben (vgl. Abschnitt 5.4).
18
Teil II:
Ansatzpunkte für
die professionelle
Umsetzung
19
Worum geht es? Voraussetzungen für Teilnahme klären –
Überprüfung Gesprächssetting – Sicherheit gewinnen –
Trouble shooting
3.1 Grundvoraussetzungen für die
Teilnahme klären
Vor dem ersten Videotermin ist zu klären, ob bei den Kund*innen
die Voraussetzungen vorliegen, um an einem Beratungsge-
spräch per Video teilnehmen zu können. Ebenso ist eine wirk-
same Einwilligung der Kund*innen erforderlich. Die Klärung der
individuellen Voraussetzungen selbst kann auf unterschiedli-
che Weise erfolgen, teils kommen hierbei auch automatisierte
Prozesse zum Einsatz (z. B. Geräteüberprüfung). Folgende
Fragestellungen sind für den Klärungsprozess relevant:
Sind die Ratsuchenden für das Format der Videokom-
munikation offen? Für Ratsuchende ist die Teilnahme an
der Videokommunikation freiwillig und sie sollten für sich die
damit verbundenen Vorteile erkennen. Eine Offenheit gegen-
über neuen digitalen Kommunikationskanälen ist hierbei för-
derlich. Ein entscheidender Vorteil der Videokommunikation
ist, dass sich die Gesprächsteilnehmenden sehen können,
d. h., es setzt eine grundsätzliche Bereitschaft voraus, sich
am Bildschirm zu zeigen. Einige Fachkräfte berichteten, dass
es vor allem bei Jugendlichen vorkommen kann, dass diese
(zunächst) Hemmungen haben, sich im Videobild zu zeigen
(ähnlich Silfverberg, 2021, S. 20 für Erfahrungen aus der
Schweiz). Wenn Ratsuchende im Vorfeld angeben, sich nicht
am Bildschirm zeigen zu wollen, ist aufgrund der Freiwillig-
keit stattdessen ein Präsenztermin zu vereinbaren oder ein
Telefonat zu führen.
3.
Gut vorbereitet
in die Videokom-
munikation starten
Ergänzend zu diesem Leitfaden wird auf die Weisungen und
Leitlinien für die Videokommunikation der verschiedenen An-
wendungsbereiche hingewiesen, welche u. a. datenschutz-
rechtliche Aspekte erläutern und regeln.7
7 Weisungen und Leitlinien der verschiedenen Anwendungsbereiche zur Videokommunikation:
Weisung und Leitlinien für die Videokommunikation in den Teams Berufsberatung sowie Beruiche Rehabilitation und Teilhabe
Weisung und Fachliche Leitlinien zum Prozess „Online-Arbeitsuchendmeldung nach § 38 SGB III (neu) und Einsatz von Videokommunikation
inkl. Online-Terminvergabe“
Weisung und Leitlinien Videokommunikation SGB II
20
Sind die erforderlichen technischen Voraussetzungen
gegeben? Hierzu gehören vor allem eine aktuelle E-Mail-
Adresse, deren Nutzung für die Videokommunikation die
Ratsuchenden zugestimmt haben, eine schnelle und sta-
bile Internetverbindung, ein ausreichendes Datenvolumen
und ein videofähiges Endgerät (PC, Tablet, Smartphone).
Sofern möglich sollte eine Verbindung über WLAN oder ein
lokales Netzwerk genutzt werden. Auch ist die Einwahl über
PC oder Tablet aufgrund des größeren Bildschirmes in der
Regel vorzuziehen, um das ganze Potenzial der gemeinsa-
men Bildschirmarbeit ausschöpfen zu können.
Ist ein ausreichendes digitales Grundverständnis vor-
handen? Um an einer Videokommunikation teilnehmen zu
können, sind digitale Grundkenntnisse erforderlich, sprich
eine gewisse Vertrautheit im Umgang mit digitalen Endge-
räten, E-Mail-Kommunikation und Internet. Hierbei kann es
sinnvoll sein, ein gestuftes Supportkonzept aufzubauen, um
auch Personen an digitale Kommunikationsmöglichkeiten
heranzuführen (digitale Teilhabe), die noch nicht über aus-
reichende Kompetenzen und das erforderliche Zutrauen ver-
fügen. Beispiele sind Step-by-step-Anleitungen, eine Einwei
-
sung in die Nutzung der Geräte/Anwendungen im Rahmen
einer Präsenzberatung und Übungen im Rahmen von (In-
house-)Maßnahmen.
Haben die Ratsuchenden die Möglichkeit, Privatsphäre
herzustellen? Dieser Aspekt hat sowohl für Ratsuchende
als auch für Beratungsfachkräfte eine hohe Bedeutung. Nicht
nur aus Gründen des Datenschutzes, sondern auch für die
Möglichkeit des freien ungestörten Sprechens ist es wichtig,
dass die Beratung in einem geschützten Raum stattnden
und kein Dritter die Gespräche mithören oder stören kann.
Sofern während der Beratung hierzu Zweifel auftreten, ist
der Punkt nochmals zu klären.
Lebenslagen, in denen Kund*innen von einer Videokommunikation besonders
protierenkönnen
Wohnort in ländlich geprägten Regionen: Ratsuchende
mit langen Anfahrtswegen bzw. schlechter Anbindung an
den öffentlichen Nahverkehr können durch einen Video-
termin Zeit und Fahrtkosten sparen. Andererseits kann die
Netzanbindung in ländlichen Regionen problematisch sein.
Eine stabile Netzverbindung sollte deshalb vorher bei den
Kund*innen erfragt werden. Jobcenter und Arbeitsagentu-
ren mit einem ländlich geprägten Einzugsgebiet können
hier einen deutlichen Mehrwert für ihre Kund*innen schaf-
fen, wie das in einigen Modellregionen bereits zu beobach-
ten gewesen ist.
Betreuung von Kindern oder Angehörigen: Wenn kleine
Kinder oder pegebedürftige Angehörige betreut werden
müssen, kann die Wahrnehmung eines Vor-Ort-Termins mit
größerem organisatorischen Aufwand verbunden sein und
ein Videotermin eine Erleichterung darstellen. Auch Termin-
absagen können vermieden werden (z. B. bei Erkrankung
eines Kindes).
Erwerbstätige Personen: Für erwerbstätige Personen
kann eine Beratung per Video einen deutlichen Flexibilitäts-
und Zeitgewinn bedeuten, beispielsweise im Zusammen-
hang mit einer Weiterbildungsberatung, einer frühzeitigen
Arbeitsuchendmeldung oder einer Beratung von erwerbstä-
tigen SGB-II-Leistungsbeziehenden.
Auslandsaufenthalt: Junge Menschen und Erwachsene,
die sich vorübergehend im Ausland aufhalten, z. B. im Rah-
men eines freiwilligen Europäischen Jahres, Auslandsprak-
tikums, Auslandsstudiums oder einer Beschäftigung, kön-
nen ohne größeren Aufwand das Beratungsangebot der BA
in Anspruch nehmen.
Gesundheitliche Einschränkungen: Wenn der Weg zum
Beratungstermin aufgrund von Behinderungen oder kör-
perlichen Einschränkungen (vorübergehend) nicht oder nur
sehr beschwerlich angetreten werden kann, stellt die Bera-
tung per Video eine gute Alternative dar. Auch für Menschen
mit psychischen Beeinträchtigungen kann die Wahrneh-
mung eines Vor-Ort-Termins zu einer großen Herausforde-
rung werden und das alternative Angebot einer Beratung
per Video entlastend wirken. Schließlich kann auch bei
einer häuslichen Quarantäne ein Beratungstermin wahrge-
nommen werden.
Aufenthalt in stationären Einrichtungen: Personen, die
sich vorübergehend in stationären Einrichtungen wie Reha-
kliniken oder Strafvollzugseinrichtungen aufhalten und vor
der Wiedereingliederung stehen, haben nicht immer die
Möglichkeit, ein Beratungsangebot vor Ort wahrzunehmen,
hier kann das über die Telefonberatung hinaus gehende
Angebot einer Beratung per Video für die betroffenen Per-
sonen einen Mehrwert bedeuten.
21
In der Begleitforschung in den gemeinsamen Einrichtungen
gaben die Fachkräfte hinsichtlich des künftigen Einsatzes der
Videokommunikationen im Regelbetrieb an, „dass Videobera-
tung grundsätzlich für (fast) alle Kund*innen geeignet sei,
die die technischen Voraussetzungen mitbringen, der Technik
offen gegenüberstehen und eine E-Mailanschrift hinterlegt
haben bzw. eine E-Mailadresse besitzen und ihre E-Mails auch
halbwegs regelmäßig abrufen – so wie sie ihren Briefkasten
leeren“ (Kaps et al., 2022, S. 65 – eigene Hervorhebung). Allein
aus dem digitalen Format lässt sich nicht begründen, dass be-
stimmte Themen oder Probleme nicht in der Videokommuni-
kation bzw. nur im Präsenzkontakt behandelt werden könnten.
Grundsätzlich wendet sich das Angebot der Videokommunika-
tion der BA an alle jungen Menschen und Erwachsenen. Darü-
ber hinaus gibt es bestimmte Lebenslagen, in denen Menschen
von den Vorteilen einer Videokommunikation besonders
protieren können. Die Aufzählung auf Seite 20 ist nicht ab-
schließend zu verstehen, kann aber dabei helfen, den Adres-
satenkreis für die Videokommunikation weiter auszubauen.
3.2 Das Gesprächssetting vorbereiten
a) Büro und Arbeitsplatz
Der im Videobild sichtbare Büroausschnitt sollte neutral, auf-
geräumt und ruhig gestaltet sein. Ein Bild oder eine Pan-
ze im Hintergrund können eine ansprechende Atmosphäre
schaffen, ohne dass die Aufmerksamkeit abgelenkt wird.
Um Verdunkelungseffekte zu vermeiden, ist darauf zu ach-
ten, dass es nicht zu einer starken Lichteinstrahlung von
hinten in Richtung Kamera kommt. Auch eine einseitige
Gesichtsbeleuchtung durch eine Schreibtischlampe ist zu
vermeiden. Am günstigsten sind Lichtquellen von oben und
vorne.
Telefon und Handy sollten stumm geschaltet sein, ein Tür-
schild „Videoberatung – bitte nicht stören” kann Unterbre-
chungen und Störungen vermeiden, externe Lärmquellen
sollten – soweit möglich – vermieden werden (z. B. Fenster
schließen).
Alle nicht benötigten Programme (insbesondere Outlook)
müssen geschlossen werden, um Ablenkungen durch ein-
gehende Nachrichten zu vermeiden, aber auch beim ver-
sehentlichen Teilen des Desktops ein ungewolltes Mitlesen
auszuschließen.
Teilweise wurde beobachtet, dass während der Beratung
per Video laute Tippgeräusche zu hören waren. Hier kann
eine gedämpfte Tastatur oder ein weicherer Anschlag Ab-
hilfe schaffen.
Neben dem Raumsetting ist es empfehlenswert, auf eine an-
gemessene (Business-)Kleidung zu achten, gerade wenn
im Homeofce gearbeitet wird. Grelle Farben sind eher zu
vermeiden, sie können – insbesondere bei schlechten Über-
tragungsraten – die Bildqualität beeinträchtigen. Kleinkarierte
Muster auf Hemden, Blusen oder Krawatten können zum Flim-
mern des entsprechenden Bildausschnitts führen (sogenannter
Moiré-Effekt).
b) Sitzposition und Kameraeinstellung
Es empehlt sich, den Bildschirmausschnitt so zu wählen,
dass Kopf und Oberkörper gut sichtbar sind, das Gesicht
gleichmäßig ausgeleuchtet ist und oberhalb des Kopfes noch
etwas Abstand zur Bildschirmbegrenzung bleibt (= Porträt-
ausschnitt). Eine offene, der Kamera zugewandte Körperpo-
sition vermittelt Interesse und Offenheit. In einer experimen-
tellen Studie (Nguyen & Canny, 2009) zeigte sich, dass über
den Porträtausschnitt eine höhere personale Kopräsenz ver-
mittelt wird, als wenn überwiegend nur Kopf und Schultern
zu sehen sind.
Die Kamera sollte mit den Augen eine möglichst horizon-
tale Linie bilden. Auf diese Weise wird eine Kommunikation
„auf Augenhöhe“ begünstigt und der Eindruck des „Von-
oben-herab-Schauens“ bzw. „Von-unten-hinauf-Schauens“
In einem Videogespräch war der sichtbare Teil des Büros
durch eine Grünpanze und Bilder mit Naturmotiven ge-
säumt. Auf Nachfrage sagte die Beraterin, dass sie darauf
achte, ihr Büro sowohl für ihre Kundinnen und Kunden als
auch sich selbst ansprechend und einladend zu gestalten.
Demgegenüber lenkte ein im Hintergrund sichtbares Plakat
mit einem groß aufgedruckten und nur zum Teil lesbaren
Slogan die Aufmerksamkeit immer wieder ab.
Beispiele
aus der Praxis
22
vermieden (sogenannter gaze error). Wird eine im Laptop
verbaute Kamera genutzt, empehlt es sich, den Computer
etwas erhöht aufzustellen.
Bei Verwendung einer externen Kamera ist auf eine stabile
Befestigung am Monitor zu achten, um zu verhindern, dass
das übertragene Bild anfängt zu wackeln, sobald die Hände
auf den Schreibtisch gelegt werden oder mit der Maus ge-
arbeitet wird.
Kommt ein Headset zum Einsatz, ist auf die genaue Aus-
richtung und Position des Mikrofons zu achten, damit eine
konstant gute Tonqualität erreicht werden kann.
Während die Fachkräfte in ihrer professionellen Rolle auf eine
optimale Gestaltung des eigenen Bildschirmausschnitts achten
sollten, kann dies von Ratsuchenden nicht im gleichen Maße
verlangt werden, es sei denn, es wird ein videogestütztes Vor-
stellungsgespräch simuliert (vgl. Abschnitt 6.5). In bestimmten
Situationen kann es sich aber empfehlen, als Fachkraft korri-
gierend einzugreifen, z. B. wenn Ratsuchende so nah an der
Kamera sind, dass nur Teile des Gesichtes im Großformat zu
sehen sind, das Bild aufgrund von einstrahlenden Lichteffek-
ten stark verdunkelt oder der Ton zu leise ist. Ein freundlicher
Hinweis an die Ratsuchenden kann hier zumeist helfen.
3.3 Sicherheit gewinnen
Die meisten Beratungsfachkräfte sind unter dem Primat der
Präsenzberatung sozialisiert worden und beziehen daraus ihre
Berufserfahrungen und Kompetenzen. Insoweit kann es zu Be-
ginn ungewohnt sein, vor einer Kamera bzw. einem Bildschirm
zu sprechen und nicht direkt zu einer im gleichen Raum be-
ndlichen Person. Ein weiteres Element ist die Sichtbarkeit des
eigenen Videobilds und die Sogwirkung der Selbstbeobach-
tung. Viele erleben durch dieses Videosetting zunächst eine
gewisse Hemmschwelle und verhalten sich im Hinblick auf ihre
kommunikativen Möglichkeiten eher zurückhaltend. Entspre-
chend hoch ist der Bedarf, die eigene tele-mediale Kopräsenz
zu erproben und zu professionalisieren. Dabei gilt es, nicht nur
die eigene Perspektive als Fachkraft, sondern auch die Per-
spektive der Kund*innen einzunehmen und den Prozess aus
deren Perspektive zu durchlaufen (Engelhardt & Engels, 2021,
S. 15). Die entscheidenden Schlüssel, um mehr Sicherheit
zu gewinnen, sind: eigenes Ausprobieren, kollegialer Aus-
tausch und Weiterbildung.
Es braucht Übung, bis Beratende sich auch im Videosetting
ungezwungen bewegen können, den Blick nicht durchgängig
auf Monitor oder Kamera richten, die Sitzhaltung lockern und
verändern, Gestik und Mimik freier zum Ausdruck bringen. Wie
in der Begleitforschung festgestellt, nehmen dabei auch ge-
meinsame Praxisübungen und der kollegiale Austausch
einen hohen Stellenwert ein. „Grundsätzlich wurde an fast
allen Standorten der hohe Nutzen des praktischen Auspro-
bierens der Videokommunikation in Zusammenarbeit mit den
Kolleg*innen hervorgehoben. Eine ebenfalls hohe Bedeutung
nahmen regelmäßige Austauschtreffen zur Videokommunika-
tion ein. Einzelne Standorte verwiesen auch darauf, dass zen-
trale Dokumente zur Umsetzung der Videokommunikation in
einem internen Ordner abgelegt werden, worauf die Mitarbei-
tenden Zugriff haben und sich informieren können“ (Kaps et
al., 2022, S. 13). Dazu kann auch eine Übersicht über Selbst-
lernmodule, Arbeitshilfen und Erklärvideos für die Weiterbil-
dung gehören.
Troubleshooting: „Was tun, wenn …“
Da die Videokommunikation auf eine funktionierende Technik
angewiesen ist, stellt sich für Fachkräfte gerade in der Einge-
wöhnungsphase der Videonutzung die Frage, was zu tun ist,
wenn technische Störungen auftreten: Was tun, wenn Ratsu-
chende sich nicht in den Videokanalmanager einwählen kön-
nen, wenn die Leitung zusammenbricht, wenn kein Ton zu hö-
Fachkräfte laden sich gegenseitig zu einem Videotermin
ein, um aus Kundensicht die verschiedenen Schritte bis zur
Einwahl nachvollziehen und bei Problemen gezielt reagie-
ren zu können.
Fachkräfte erproben die Videokommunikation an verschie-
denen Endgeräten, insbesondere auch am Smartphone.
Fachkräfte geben sich zu ausgewählten Aspekten der Bild-
schirmpräsenz Rückmeldung (Bildausschnitt, Sitzhaltung,
Hintergrund, Tonqualität).
In einem Regionaldirektionsbezirk wurde eine Gruppe ins
Leben gerufen, in der Materialien für die Beratung per Video
erarbeitet und weiterentwickelt werden. Beispielsweise wur-
den Vorlagen für Skalierungsfragen und Netzwerkkarten
entwickelt und den Teilnehmenden zur Verfügung gestellt.
Anregungen daraus sind auch in diesen Leitfaden einge-
ossen (vgl. Kap. 6).
Good-Practice-
Beispiele
23
Eine Kundin war auf dem Monitor nicht zu sehen und ganz
aufgebracht, ob die Beratung nun überhaupt stattnden
könne. Die Fachkraft blieb ruhig und fragte, mit welchem
Endgerät sie eingewählt sei. Die Kundin erklärte, dass sie
mit einem Handy zuschaue und nur die Optionen „Mikro-
fon“ und „Anruf beenden“ angezeigt bekomme. In diesem
Fall half, dass sich die Kundin noch einmal neu einwählte.
Ein fehlendes Kamerabild kann auch – wie in einem Fall
zu beobachten – durch eine abgeklebte Kamera verursacht
sein. Wenn die Ursache für das fehlende Bild nicht behoben
werden kann, ist es auch möglich, die Beratung ohne das
Videobild der ratsuchenden Person durchzuführen.
In einem anderen Fall war der Kunde nicht zu hören. Der
Mikrofon-Button war aktiviert und er konnte die Fachkraft
gut verstehen. Auf Nachfrage gab der Kunde an, ein im PC
integriertes Mikrofon zu verwenden. In diesem Fall half der
Vorschlag, ein Headset bzw. eine Freisprecheinrichtung für
das Handy zu benutzen. Nachdem das Headset eingesteckt
war, funktionierte die Tonübertragung einwandfrei und die
Beratung konnte starten. Ein anderer Lösungsweg für die
gleiche Problemlage war, parallel zur Videoübertragung zu
telefonieren, was ohne weitere Probleme funktionierte.
In einem weiteren Fall lag die schlechte Tonqualität an einer
hochgeklappten Mikrofonantenne des verwendeten Head-
sets, was durch das Videobild des Gesprächspartners ent-
deckt werden konnte.
Beispiele
aus der Praxis
ren ist oder das Videobild immer wieder einfriert? Tatsächlich
wird in allen Machbarkeitsstudien zur Videoberatung darauf
hingewiesen, dass technische Störungen vorgekommen sind
(BPtK, 2020; Donaghy et al., 2019; Jung, 2016; Kaps et al.,
2022; Silfverberg, 2021). Gleichzeitig wird in keiner Studie
berichtet, dass ein daraus folgender nachhaltiger negativer
Einussaufden Beratungsprozess zu beobachten gewe-
sen ist. Ein solcher Befund kann zunächst einmal grundsätz-
lich entlastend sein, wenn tatsächlich einmal technische Stö-
rungen auftreten.
Viele technische Störungen, die vor oder während einer Video-
kommunikation entstehen, sind wiederkehrend und bekannt.
Fachkräfte können sich hierfür eine Sammlung von Szena-
rien mit entsprechenden Lösungen anlegen und diese im kol-
legialen Austausch ergänzen. Somit können alle vom Wissen
untereinander protieren und den Kund*innen kompetent mit
Lösungsvorschlägen zur Seite stehen. Im Folgenden werden
ausgewählte Beispiele und Lösungsoptionen aus der Praxis
dargestellt.
Ratsuchende sind nicht im Wartebereich: Die ratsuchen-
de Person ist zum verabredeten Termin nicht im Wartebe-
reich. Anders als bei Präsenzterminen üblich, haben die
Fachkräfte in diesen Fällen versucht, bei den Kund*innen
anzurufen. In einigen Fällen dachten diese, sie würden auch
bei einem vereinbarten Videotermin auf ihrem Handy an-
gerufen (hier wurden die Einladungsmails entweder nicht
richtig gelesen oder aufgrund von Sprachschwierigkeiten
nicht vollständig verstanden). Zuweilen kann die Einladungs-
mail auch im Spam-Ordner landen. Sollte es an technischen
Schwierigkeiten bei der Einwahl liegen, ist es möglich, per
Telefon Hilfestellungen zu geben. Hierfür ist es allerdings
erforderlich, dass die Fachkraft den Einwahlprozess aus der
Perspektive der Kund*innen und damit zusammenhängende
Fallstricke kennt.
Videoverbindung bricht zusammen: Der selten beobach-
tete Fall eines Verbindungsabbruchs ist im Handyzeitalter
durchaus vertraut. Entsprechend routiniert erfolgt in aller
Regel ein erneuter Kontaktversuch. Bricht die Verbindung
beim Ratsuchenden ab und erscheint dieser nicht wieder
im Wartebereich, bietet sich ein Telefonanruf an. Bricht die
Verbindung mehr als einmal ab, ist ein Medienwechsel an-
gezeigt, z. B. sollte dann auf eine Telefonberatung umge-
stellt werden.
Ratsuchende sind entweder nicht zu sehen oder nicht zu
hören: Dieses Problem konnte immer wieder einmal beob-
achtet werden. Ein entscheidender Erfolgsfaktor war dabei,
dass die Fachkräfte selbst ruhig blieben und verschiedene
Lösungsoptionen anboten (siehe „Beispiele aus der Praxis“).
Störende Halleffekte oder Rückkopplung: Treten solche
Effekte bei der einen oder anderen Person auf, haben sich
in der Praxis folgende Lösungsmöglichkeiten bewährt: Nut-
zung eines Headsets, Stummschaltung des Mikrofons beim
Zuhören, Neueinwahl mit einem anderen Gerät. Probleme
dieser Art sollten gleich zu Beginn angesprochen und ge-
löst werden. In der Regel ist das durch einen der genannten
Wege auch gelungen.
Wackelndes Videobild: Wenn das Videobild der Ge-
sprächspartnerin bzw. des Gesprächspartners anfängt zu
vibrieren oder zu wackeln, wird schnell an technische Über-
tragungsprobleme gedacht, so auch in dem folgenden Bei-
spiel: Nachdem verschiedene Lösungsversuche ohne Er-
folg blieben (u. a. Neueinwahl), wurde der Fehler gefunden:
24
eine auf dem Monitor nicht festsitzende externe Kamera. Die
Klammerbefestigung hatte sich mit der Zeit etwas gelöst,
was auf den ersten Blick nicht ersichtlich war.
Eingefrorenes Videobild: Friert der Bildschirm während
der Beratung immer wieder ein (frozen screen), kann das
an generell oder temporär eingeschränkten Verbindungsge-
schwindigkeiten bei einer oder beiden am Gespräch teilneh-
menden Personen liegen. In der Praxis haben sich folgende
Wege als zielführend erwiesen: erneute Einwahl, bei mobilen
Endgeräten veränderter Standort oder bei weiterhin beste-
henden Problemen Ausschalten des Videosignals (bei einer/
einem oder beiden Gesprächsteilnehmenden).
Es wurde bereits erwähnt, dass es bislang keine Hinweise
darauf gibt, dass technische Störungen zu einer nachhaltigen
Störung des Beratungsprozesses führen, insbesondere dann
nicht, wenn sie als solche angesprochen und gelöst werden
können. Eine Beratung kann beispielsweise auch fortgeführt
werden, wenn die Kamera während der Beratung ausfällt und
nur noch das Mikrofon funktioniert. In diesem Zusammenhang
erscheint auch die Erfahrung einer Beratungsfachkraft instruk-
tiv, die berichtete, dass sich durch das gemeinsame „Problem
lösen“ und „miteinander über die Technik lachen“ eine grö-
ßere Nähe einstellte und das gegenseitige Vertrauen gestärkt
wurde.
Auf den Punkt
gebracht
Im Vorfeld ist sicherzustellen, dass die Kund*innen
über die erforderlichen technischen Voraussetzungen
und Grundkompetenzen verfügen, um an einem Bera-
tungsgespräch per Videotelefonie teilnehmen zu können.
Liegen diese Voraussetzungen vor, kann das Videoformat
sowohl in Erst- als auch in Folgegesprächen eingesetzt
werden.
Zu den Lebenslagen, in denen Kund*innen von einer
BeratungperVideobesondersprotierenkönnen,gehö-
ren: Wohnort in ländlich geprägten Regionen, Betreuung
von Kindern oder Angehörigen, Erwerbstätigkeit, Aus-
landsaufenthalt, gesundheitliche Einschränkungen, Auf-
enthalt in stationären Einrichtungen.
Im Vorfeld eines Gesprächstermins per Video sind
einige kurze Vorbereitungen zu treffen. Dazu zählen: für
eine ungestörte Gesprächssituation sorgen, Kamera und
Mikro fon richtig einstellen, sich gut sichtbar präsentie-
ren, benötigte Anwendungen aufrufen und Unterlagen
bereithalten.
Grundsätzlich gilt: Um im Videoformat ausreichend Si-
cherheit und Souveränität zu gewinnen, sind drei Punkte
zentral: ausprobieren, kollegialer Austausch und Weiter-
bildung.
25
Worum geht es? Beziehungsqualität im Videosetting – Facet-
ten der Kommunikation – Beratungsprozess
4.1 Beziehungsebene und
Vertrauensverhältnis
Das Format der Videokommunikation ist noch nicht so stark in
den Beratungssettings der Jobcenter und Arbeitsagenturen ver-
ankert wie die seit Jahrzehnten praktizierte Präsenzberatung.
4.
Beziehung und
Kommunikation
In Teil I des Leitfadens wurde festgestellt, dass ein Charakte-
ristikum der Videoberatung darin besteht, dass sie in vielen
Aspekten der Präsenzberatung sehr nahekommt (Stichwort
mediale Reichhaltigkeit). Gleichwohl sind auch deutliche
Unterschiede festzustellen. Dazu gehören:
Die andere Person wird nicht in einem dreidimensionalen
Raum erlebt („körperliches Raum-Erleben“; Raum- und
Kontaktverhalten).
Es wird nur ein Ausschnitt der anderen Person gesehen,
zumeist ein Porträtausschnitt, und damit ist nur ein Teil der
Körpersprache wahrnehmbar.
Ein direkter Blickkontakt ist erschwert („eye contact dilem-
ma“) bzw. muss durch einen bewussten Blick in die Kamera
hergestellt werden.
Durch den Geruchssinn gewonnene Eindrücke sind nicht
möglich.
Die Übertragung nonverbal und parasprachlicher Informa-
tionen (vgl. Kapitel 4.2.) ist von technischen Bedingungen
wie Qualität der Hardware, Belichtungsverhältnissen, Daten-
übertragungsraten abhängig.
Hier stellt sich nun die Frage, inwieweit damit bestimmte Kon-
sequenzen oder Nachteile für den personenbezogenen Bera-
tungsprozess verbunden sind.
Wie wir aus anderen Lebensbereichen wissen, bedeutet eine
Kanalreduktion nicht automatisch einen Qualitätsverlust,
sie kann auch zu einer erhöhten Fokussierung, Aufmerksam-
keit und Sensitivität führen, z. B. im Hinblick darauf, ob eine
Person angespannt oder nervös ist, auch wenn der „wip-
pende Fuß“ und die sich unruhig „knetenden Hände“ nicht
zu sehen sind. Zudem sind psychomotorische Hinweise häu-
g redundant, d. h., sie zeigen sich auch auf anderen Wegen
(durch Stimme, dem Blick, der Körperhaltung). Auch können
bestimmte Sinneseindrücke den Beratungsprozess durchaus
stören, „gerade beim unangenehmen Körpergeruch ist die
Wahrscheinlichkeit hierfür nicht gering“, so Hartmann-Strauss
(2020, S. 7). Eine Beraterin aus dem Reha-Bereich merkte
an, dass sie die fehlenden „3-D-Eindrücke“ hervorragend mit
ihren langjährigen Berufserfahrungen kompensieren könne
und die fehlenden 3-D-Eindrücke auch gar nicht so sehr ins
Gewicht fallen würden wie zu Beginn gedacht. Studien zur
Telefonseelsorge (Hauschildt & Blömeke, 2016) und Mailbe-
ratung (Eichenberg, 2007) zeigen, dass mit der Kanalreduk-
tion auch Hemmschwellen abgebaut werden können, sich an
eine Beratungsstelle zu wenden und über persönliche Sorgen
und Probleme zu sprechen.
Was sagt die Forschung zur Beziehungsqualität in der Videoberatung?
Wir sind es daher gewohnt, den Aufbau einer guten Gesprächs-
atmosphäre und eines tragfähigen Vertrauensverhältnisses mit
einer persönlichen Begegnung unter physisch Anwesen-
den gleichzusetzen, in der Literatur wird in diesem Zusam-
menhang auch von einem (fraglos angenommenen) „Primat der
Kopräsenz“ (Thiery & Kreller, 2021) gesprochen. Vor diesem
Hintergrund stellt sich die grundsätzliche Frage, wie es um die
Beziehungsqualität im Videosetting bestellt ist: Bleibt die Be-
gegnung im Vergleich zur Präsenzberatung eher oberächlich,
üchtig und virtuell? Was sagt die Forschung zur Beziehungs-
qualität und Gesprächsatmosphäre in der Videoberatung?
26
Vergleichsstudien zur Präsenz- und Videoberatung liegen
derzeit vor allem für den Bereich der Psychotherapie vor (für
eine deutschsprachige Übersicht Hartmann-Strauss, 2020;
Haun et al., 2020). Charakteristisch für psychotherapeutische
Behandlungen sind komplexe psychische Problemlagen wie
auch die hohe Bedeutung der Beziehungsebene. Insoweit
können Vergleichsstudien in diesem Bereich zumindest das
grundsätzliche Potenzial des Videoformats für die Gestaltung
anspruchsvoller personenbezogener Beratungsprozesse
ausloten. Im Hinblick auf den Behandlungserfolg konnten
zwischen Videokonsultation und konventioneller Präsenzbe-
handlung keine Unterschiede festgestellt werden (Berryhill et
al., 2019; Backhaus et al., 2012). Auch die Beziehungsqua-
lität (therapeutic alliance) wird von den befragten Klientinnen
und Klienten zumeist als hoch eingeschätzt und es wird von
einem „Gefühl von Präsenz“ berichtet (Haun et al., 2020;
Simpson & Reid, 2014; Germain et al., 2010). Hier dürfte die
mediale Reichhaltigkeit der Videoberatung eine entscheidende
Rolle spielen. In einigen Studien fallen die Einschätzungen
der befragten Therapeutinnen und Therapeuten etwas kriti-
scher aus (Norwood et al, 2018). In einer neueren Mach-
barkeitsstudie wird deutlich, dass sich diese Einschätzungen
über die Zeit ändern können: So waren trotz „anfänglicher
Bedenken, insbesondere hinsichtlich der Etablierung einer
tragfähigen therapeutischen Beziehung, […] alle Therapeuten
nach einem Gewöhnungsprozess von der Machbarkeit der
Videokonsultationen überzeugt“, auch wenn sie diese durch-
weg als „anstrengender“ bewerten (Haun et al., 2020, S. 4).
Im Rahmen der Erprobung bzw. sukzessiven Einführung
der Videokommunikation in der BA zeigten sich die befragten
Kund*innen überwiegend zufrieden mit dem neuen Angebot.
Im Erfahrungsbericht zur Pilotierung der Videokommu-
nikation bei der frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung wird
festgestellt: „Kundinnen und Kunden, die einmal ein Video-
gespräch geführt haben, würden es zu über 90 % weiter-
empfehlen und sind sehr zufrieden. Insbesondere die Spie-
gelfunktion des Bildschirms wird immer wieder konkret als
Vorteil genannt, da so ein bildlicheres Erklären und eine
bessere Zusammenarbeit möglich ist. Außerdem fühlen
sich viele Kundinnen und Kunden wohler, wenn sie ihr Ge-
genüber sehen, was ein großer Vorteil gegenüber der rei-
nen Telefonie ist“ (BA, 2021, S. 13). Die Verbindlichkeit des
Gesprächstermins wird auf Kundenseite als mindestens
ebenbürtig zum persönlichen oder Telefontermin benannt
(ebenda, S. 13).
Die Befragungsergebnisse vom ZKM zur Beratung von
Neu-, Bestands- und abgemeldeten Kund*innen zum ers-
ten Halbjahr 2021 zeigen „durchweg eine positive Tendenz
in der Bewertung, mit einem überwiegend homogenen Mei-
nungsbild“ (ZKM, 2021, S. 9), u. a. bei der Einschätzung der
Gesprächsatmosphäre. „Daher“, so die Schlussfolgerung
in dem Bericht (ebenda, S. 9), „sollte überlegt werden, wie
Kund*innen grundsätzlich von den Vorteilen einer Beratung
per Videotelefonie überzeugt werden können“ – dies vor
allem vor dem Hintergrund der noch vergleichsweise gerin-
gen Nutzung zum Erhebungszeitpunkt.
Die Begleitstudie in den gemeinsamen Einrichtungen
kommt zu ähnlichen Ergebnissen: „Einige der befragten
Kund*innen hatten ihre Fachkraft noch nie in einem Prä-
senzgespräch gesehen und empfanden die Videoberatung
als viel persönlicher im Vergleich zur telefonischen Bera-
tung. Einzelne Kund*innen fanden die Videoberatung so-
gar persönlicher als die Präsenzberatung, entweder weil
sie in ihrer gewohnten Umgebung bleiben konnten und die
‚manchmal kalte Behördenatmosphäre‘ wegfalle oder weil
die Ablenkung im Jobcenter größer sei […]. Während ein
Teil der befragten Kund*innen keinen wesentlichen Unter-
schied zwischen einer Präsenzberatung und einer Videobe-
ratung erkennen konnte (‚Beraterisch ist das kein Unter-
schied‘), wertet der andere Teil die persönliche Beratung
als durchaus ‚persönlicher‘ und ‚intensiver‘ […]. Alle befrag-
ten Leistungsberechtigten würden die Videokommunikation
grundsätzlich weiterempfehlen“ (Kaps et al., 2022, S. 40).
Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Wegfall des körper-
lichen Raumerlebens nicht zu einem nachweisbaren Quali-
tätsverlust führt oder – positiv ausgedrückt – dass auch im
Videosetting eine tragfähige, vertrauensbasierte Arbeits-
beziehung aufgebaut werden kann und gute Ergebnisse
erzielt werden können. Vor diesem Hintergrund kann auch
einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung begegnet werden,
bei der die Beteiligten sich gleich zu Beginn der Videobera-
tung darauf einigen, dass das Gespräch „ja nicht so gut sein
kann wie in echt“ und beide ihre Erwartungen an den Bera-
tungstermin reduzieren und nun versuchen, „gute Miene zum
bösen Spiel“ zu machen (Hartmann-Strauss, 2020, S. 63).
Ungeachtet dessen besteht im Zusammenhang mit der
Videoberatung weiterer Forschungsbedarf, insbesondere für
die Bereiche der beschäftigungsorientierten und psychoso-
zialen Beratung.
27
Vertrauen und eine gute Arbeitsbeziehung sind in der Be-
ratung von hoher Bedeutung. Grundsätzlich – so haben die
zahlreichen Gesprächshospitationen gezeigt – stehen den Be-
ratungsfachkräften im Videoformat die gleichen Möglichkeiten
wie in einer Präsenzberatung zur Verfügung, um eine gute
Beziehung und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Dazu
gehören eine offene, zugewandte und respektvolle Haltung
gegenüber Ratsuchenden, Transparenz im Hinblick auf das
eigene Handeln, das Bemühen um Kongruenz, die Ermuti-
gung zur Thematisierung der für die Ratsuchenden relevan-
ten Anliegen und Themen, eine dialogische Gesprächsfüh-
rung, Lob und Anerkennung (vgl. die Handlungsprinzipien
der Beratungskonzeption der BA, Rübner & Weber, 2021,
S. 33 ff.). Für den Aufbau einer guten Arbeitsbeziehung im
Videoformat sind die gleichen interpersonellen Kompeten-
zen erforderlich wie in der Präsenzberatung.
Die Bedeutung der Arbeitsbeziehung zwischen den Gesprächs-
teilnehmenden hängt u. a. von den im Mittelpunkt stehenden
Gesprächsinhalten ab. Je mehr die Themen persönlich be-
deutsame Bereiche tangieren und je weniger sie von einer
reinen Informationsweitergabe geprägt sind, desto bedeutender
wird die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Auf diese Weise ist
es für die Ratsuchenden einfacher, sich zu öffnen. Die Eig-
nung des Videoformats auch für komplexe, persönlich
schwierige und sensible Themen konnte in den Hospitatio-
nen immer wieder beobachtet werden. Angesprochen wurden
u. a. Fragen der psychischen Gesundheit, der gesundheit-
lichen Situation von Angehörigen, der Kinderbetreuung, der
geschlechtlichen Identität, aber auch Fragen des Umgangs
mit Ablehnungsbescheiden der Leistungsabteilung (vgl. Kaps
et al., 2021, S. 10 f.). „Insofern ist wohl nicht eine allgemeine
Sensibilität eines Themas für die Frage ausschlaggebend, ob
zu diesem auch per VK [Videokommunikation] beraten wer-
den kann, sondern der Grad des Vertrauens, der zwischen
Kundin bzw. Kunde und Fachkraft besteht – und in manchen
Fällen auch der Leidensdruck oder eine akute Krisensitua-
tion, aus der die Person keinen Ausweg sieht“ (Kaps et al.,
2022, S. 50).
Eine Besonderheit von Beratungsgesprächen per Videotele-
fonie ist ihr spezisches räumliches Setting, Ratsuchende
bewegen sich in der ihnen vertrauten privaten Lebenswelt und
öffnen ein (kleines) Fenster ihrer Privatsphäre. Nach Erfahrun-
gen von Fachkräften im Rechtskreis SGB II führt die heimische
Umgebung häug dazu, „dass sich die Kund*innen wohler füh-
len als im Büro der Fachkraft, dadurch ‚entspannter‘, ‚lockerer‘
und ‚offener‘ seien. Einzelne Fachkräfte merkten an, dass es
in solch einer Atmosphäre einfacher als im Büro der Fachkraft
sei, auch schwierige, persönlichere Themen anzusprechen,
während andere Fachkräfte […] solche Themen bewusst nicht
im Rahmen der Videoberatung thematisieren“ (Kaps et al.,
2022, S. 37).
Zum Thema Vertrauensverhältnis gehört es auch, dass auf
Kundenseite keine weiteren Personen mithören, die nicht
eingeladen wurden oder deren Teilnahme nicht abgesprochen
wurde. So ist es bei der Beratung von jungen Menschen durch-
aus üblich, dass ein Elternteil dabei ist, oder bei Erwachsenen
die Partnerin oder der Partner. Entscheidend ist, dass dies
– wie in der Präsenzberatung – offen und einvernehmlich er-
folgt. Mit der Teilnahme an der Videokommunikation haben
die Kund*innen per Einwilligungserklärung zugestimmt, dass
keine anderen Personen als sie selbst das Videogespräch mit-
verfolgen können und das Mithören und Mitsehen durch an-
dere Personen der vorherigen Einwilligung bedarf. Wie die
Praxiserfahrung zeigt, gehört es zu den absoluten Ausnahmen,
In einer über Video stattndenden Beratung im Rechtskreis
SGB II wollte die Integrationsfachkraft eigentlich das The-
ma Qualikation behandeln. Bei der Eingangsfrage zum
aktuellen Stand berichtete die alleinerziehende Kundin al-
lerdings über ihre aktuellen Probleme mit der 14-jährigen
Tochter, die sie sehr belasten würden (Auseinanderset-
zung in der Schule). Das weitere Gespräch konzentrier-
te sich auf das Thema Familie (inkl. der zweiten Tochter,
möglicher Unterstützungsange bote usw.). Im Anschluss an
das Gespräch sagte die Fachkraft, dass sie den Eindruck
habe, dass persönlich sensible Themen sogar häuger im
Videoformat angesprochen werden, wenn der dafür nötige
Erzählraum eröffnet werde und ein Vertrauensverhältnis
vorhanden ist.
Ein anderes Beispiel, das zeigt, dass auch im Videoformat
offen über persönliche Themen gesprochen werden kann,
stammt aus dem Rehabereich. Hier sah sich ein junger
Mann aufgrund des entgegengebrachten Respektes und
der Wertschätzung der Beratungsfachkraft ermutigt, offen
über seine – wie er sagte – „Fehler“ aus der Vergangenheit
zu sprechen, und erkannte in der gemeinsam erarbeiteten
Planung eine große Chance, „sein Leben auf die Reihe zu
bekommen und am Ende nicht auf der Straße zu landen”.
Beispiele
aus der Praxis
28
dass diese Themen explizit zur Sprache kommen. Beobach-
tet werden konnten eher zufällige Begebenheiten, etwa wenn
eine andere Person im Hintergrund kurz durch das Bild läuft
oder ein Kind auf dem eigenen Monitor erscheint. Sollte bei
der Fachkraft der Eindruck entstehen, dass Dritte mithören,
ist dies anzusprechen und je nach Reaktion darüber zu ent-
scheiden, ob und inwieweit das Gespräch fortgesetzt werden
kann oder im Zweifel beendet wird. Gleiches gilt für das Auf-
zeichnen der Beratung. Auch hier wurden die Kund*innen im
Rahmen der Einverständniserklärung darüber aufgeklärt, dass
das Mitschneiden des Gesprächs sowie die missbräuchliche
Nutzung oder Veröffentlichung des Videotermins untersagt ist.
Bei offensichtlichem Zuwiderhandeln ist grundsätzlich ähnlich
zu verfahren wie im Präsenzkontakt.
4.2 Verbale und nonverbale
Kommunikation
Körperhaltung
Eine aufrechte, der Kamera zugewandte und offene Körper-
haltung vermittelt die für eine Beratung erforderliche Offen-
heit und Gesprächsbereitschaft. Kopf und Oberkörper soll-
ten dabei im Bildausschnitt gut sichtbar sein (vgl. Abschnitt
3.2). Um den Kamerafokus nicht zu beeinträchtigen, sollte
das Sichtfeld zwischen Kamera und Kopf bzw. Oberkörper
möglichst frei bleiben (z. B. Hände nicht vor das Gesicht hal-
ten). So konnte beispielsweise beobachtet werden, wie die
Videokamera ihren Fokus wechselte, als ein Berater seine
Ellenbogen auf den Schreibtisch stützte und einen Kugel-
schreiber in beiden Händen hielt – der Kugelschreiber wur-
de fokussiert und der Berater trat in den Hintergrund. Was in
einer Präsenzberatung meist kein Problem darstellt, kann in
der Videokommunikation störend wirken, weil die Sichtbar-
keit der anderen Person eingeschränkt wird.
Es empehlt sich, nicht zu starr und steif vor der Kamera
zu sitzen (gerade bei Neueinsteigerinnen und Neueinstei-
gern immer wieder zu beobachten), sondern Haltung und
Sitzposition während des Gesprächs bewusst zu variie-
ren. Durch Vor- und Zurücklehnen des Oberkörpers können
beispielsweise Interesse, Aufmerksamkeit und Zustimmung
ausgedrückt, durch eine leichte Drehung mit dem Bürostuhl
kann zwischen Frontal- und Prolansicht gewechselt wer-
den. Auch eine Synchronisation mit Sitzhaltung und Aus-
druck der anderen Person kann im Videosetting hergestellt
werden: „Verstehen wir uns gut, beginnen wir unsere Gestik
und vor allem unsere Haltung aufeinander abzustimmen und
zu spiegeln. Gestik, Haltung und Distanz, ebenso wie deren
Bezogenheit aufeinander, sind dementsprechend wichtig für
ein Gespräch“ (Hartmann-Strauß, 2020, S. 27).
Blickkontakt
Der Blickkontakt ist ein zentrales Element menschlicher
Kommunikation. Mit einem Blick in die Augen kann Ge-
sprächsbereitschaft und aktives Zuhören signalisiert werden.
Am Blick der anderen Person kann – meist im Zusammen-
spiel mit weiteren Hinweissignalen (Mimik, Gestik) – auch die
Reaktion auf das von mir Gesagte abgelesen werden, z. B.
Zustimmung oder Unverständnis.
Im Videosetting vermittelt sich der Blickkontakt etwas anders
als im Präsenzformat. Um einen direkten Blickkontakt her-
stellen zu können, ist es erforderlich, bewusst in die Kame-
ra zu schauen. Allerdings ist es nicht möglich, der anderen
Person dabei gleichzeitig in die Augen zu sehen (sogenann-
tes „eye contact dilemma“). Ist damit eine relevante Ein-
schränkung für die Kontaktaufnahme und Beziehungsqua-
lität im Videoformat verbunden? Bislang konnten hierzu
keine Hinweise gefunden werden. Die Beziehungsqualität
wird von Ratsuchenden – wie im Exkurs „Was sagt die For-
schung …“ beschrieben – nicht schlechter als im Präsenz-
kontakt bewertet und die Sichtbarkeit der Gesprächspartne-
rin bzw. des Gesprächspartners als ein zentraler Mehrwert
zur Telefonberatung eingestuft. Offenbar stören sich die Ge-
sprächsteilnehmenden nicht daran, dass der Blickkontakt
hier etwas anders und indirekter hergestellt wird.
Empfehlenswert ist eine etwa auf Augenhöhe positionierte
Kamera. Auf diese Weise ist es möglich, die andere Person
über das Videobild zu sehen und ihr gleichzeitig Aufmerk-
samkeit und Kontaktbereitschaft zu vermitteln. Mit der Video-
kommunikation vertraute Fachkräfte haben es sich zudem
angewöhnt, die Blickrichtung immer wieder zwischen Ka-
mera und Bildschirm zu wechseln. Demgegenüber kann
ein permanenter Blick in die Kamera irritierend, artiziell
oder sogar einschüchternd wirken, auch im Präsenzkontakt
schauen wir unserer Gesprächspartnerin bzw. unserem
Gesprächspartner nicht ununterbrochen in die Augen.
Eine Beratungsfachkraft erzählte, dass sie sich in den ersten
Monaten einen Zettel neben die Kamera geklebt hat, um sich
daran zu erinnern, immer wieder in die Kamera zu blicken.
Diesen wechselte sie regelmäßig durch andersfarbige Varian-
ten aus, um einem Gewöhnungseffekt entgegenzuwirken. Eine
gute Idee.
Beispiel
aus der Praxis
29
Mimik und Gestik
Neben dem Blickkontakt gehören Mimik und Gestik zu den ele-
mentaren Bestandteilen nonverbaler Kommunikation. Sie
haben einen bedeutenden Anteil daran, wie das Gegenüber
wahrgenommen und gesprochene Worte interpretiert werden.
Für die Videoberatung können hierzu einige Empfehlungen
ausgesprochen werden (Hartmann-Strauss, 2020, S. 52 f.):
Eine sprachliche Bestätigung durch ein deutliches und gege-
benenfalls etwas längeres Nicken mit dem Kopf unterstützen.
Ein „kurzes Lächeln“ etwas länger halten, damit es wirklich
wahrgenommen werden kann.
Wichtigen Aussagen durch unterstützende Gesten mehr
Ausdruck verleihen; ein speziell für das Videosetting typi
-
sches Beispiel ist das bestätigende Zeichen „Daumen hoch“.
Mimik und Gestik über das eigene Videobild prüfen und ge-
gebenenfalls ausdrucksstärker anpassen.
Feedback über gegenseitiges Ausprobieren im Kollegenkreis
einholen, auch um die richtige Dosis des Einsatzes nonver-
baler Elemente für sich zu nden.
Stimme
Variationen der Lautstärke, Tonlage, Sprechgeschwindigkeit
und der Bestimmtheit im Ausdruck stellen wichtige, bewusst
einsetzbare Gestaltungsmittel der Kommunikation dar. Im
Kontext der Videoberatung wird empfohlen, darauf zu ach-
ten, eindeutig und gegebenenfalls auch etwas langsamer zu
sprechen, wichtige Aussagen zu betonen und Fragen durch
Heben der Stimmer klar zu akzentuieren (Engelhardt & En-
gels, 2021, S. 13; Hartmann-Strauss 2020, S. 53). Ein auf-
rechtes Sitzen mit ruhigem Atmen kann unterstützend helfen,
die Stimme facettenreich einzusetzen. Die Gesprächsbeob-
achtungen haben gezeigt, dass es die Fachkräfte gewohnt
sind, ausreichend deutlich und in angemessener Lautstärke
und Geschwindigkeit zu sprechen.
Die Stimme ist aber nicht nur ein Gestaltungselement, das
bewusst eingesetzt werden kann, um verbale Botschaften
zu akzentuieren, sondern vermittelt auch Hinweise auf die
Stimmungslage der eigenen bzw. der anderen Person
(Sendlmeier, 2012). Durch die nahezu synchrone Signal-
übertragung im Videoformat kann die Beratungsfachkraft
bei Bedarf auf wahrnehmbare Veränderungen der Stimme
unmittelbar reagieren – Gleiches gilt natürlich auch für Gestik
und Mimik (Feedback).
30
Im Übrigen können natürlich auch kurze Sprechpausen ge-
macht und als bewusstes Gestaltungsmittel genutzt werden,
um Ratsuchenden Gelegenheit zu geben, eine Frage oder
Anregung auf sich wirken zu lassen – auch im Videoformat
muss nicht durchgängig gesprochen werden.
Sprachliche Begleitung
Die aus der Präsenzberatung vertraute Form der (para-)
sprachlichen Begleitung des Gesagten („mhm“, „ja“) ndet
auch in der Videokommunikation breite Anwendung. Sie ist
elementarer Ausdruck aktiven Zuhörens. Daneben zeigt sich,
dass bestimmte Aktivitäten im Videoformat mehr sprachliche
Begleitung erfordern, vor allem deswegen, weil Ratsuchende
nicht sehen können, was die Beratungsfachkraft am Schreib-
tisch bzw. Computer macht. Begleitende und erklärende Wor-
te schaffen Transparenz und können auftretende Wartezeiten
überbrücken. Gut beobachtet werden konnte das, wenn die
Fachkraft im Begriff war, ihren Bildschirm zu teilen (über die
Funktion „Programm präsentieren“) oder eine Internetseite auf-
zurufen. Auch die Nachfrage, ob der geteilte Bildschirm inzwi-
schen sichtbar sei, kann sich anbieten. Viele Fachkräfte haben
zudem ihre Ratsuchenden darauf hingewiesen, dass sie sich
Abbildung 3: Prozessmodell der Beratung nach BeKo
Quelle: Rübner & Weber, 2020, S. 41
während des Gesprächs Notizen machen und deshalb ab und
an nach unten schauen würden.
4.3 Gesprächseinstieg und
Gesprächsabschluss
Beratungsgespräche werden durch Einstiegs- und Abschluss-
aktivitäten gerahmt. Auf diese Weise wird die persönliche Be-
gegnung zwischen Gesprächsteilnehmenden angebahnt und
abgeschlossen. In der Beratungskonzeption (BeKo) werden
die Funktionen des Gesprächseinstiegs wie folgt beschrie-
ben (Rübner & Sprengard, 2010, S. 86):
Ankommen der Ratsuchenden in der Beratungssituation er-
möglichen
Begrüßung und Kontakt herstellen
Grundlage für eine konstruktive Zusammenarbeit (Arbeits-
beziehung) legen
Erstgespräche
Ergebnisse
Anlass von
Beratung
Folgegespräche
Handlungsaufgabe
Problemstellung
Entwicklungschance
Zielfindung
Situations-
analyse
Lösungs-
strategie
Prozess-
begleitung
31
Diese Aspekte gelten auch für die Beratung im Videoformat.
Das Ankommen und die Begrüßung erfolgen dabei unter den
Rahmenbedingungen digitaler Kopräsenz. Hierzu eignen sich
Gesprächsimpulse und Fragen, die das spezische Videoset-
ting mit einbeziehen:
Ankommen: „Hat alles gut mit der Einwahl geklappt?“
Positive Verstärkung: „Schön, dass Sie da sind und es mit
der Einwahl geklappt hat“ „Freut mich dass Sie sich für die
Videoberatung entschieden haben.“
Überprüfung Verbindung/Geräte: „Können Sie mich gut
sehen und hören?“ „Sind Sie mit einem Handy oder Com-
puter eingewählt?“
Privatsphäre: „Können Sie ungestört sprechen?“ „Sind noch
weitere Personen im Raum?“
Im Hinblick auf den weiteren Beratungsprozess und die ein-
zelnen Phasen der Beratung konnten keine bedeutsamen
Unterschiede zur Präsenzberatung festgestellt werden. In der
Regel wurde das Gespräch mit einer Klärung von Beratungs-
anlass und -anliegen und einer anschließenden Situationsana-
lyse fortgesetzt. Zu den weiteren Gesprächsphasen gehörten
u. a. die Besprechung von Lösungsansätzen sowie die Planung
und Vereinbarung nächster Schritte (ähnlich Silfverberg, 2021
für videogestützte Beratungsgespräche im Bereich der Berufs-
und Laufbahnberatung in der Schweiz). Das Prozessmodell
der Beratungskonzeption kann daher auch im Videosetting
Anwendung nden (vgl. Abbildung 3). Zu den technischen und
methodischen Ausgestaltungsmöglichkeiten des Beratungs-
prozesses im Videosetting geben die beiden nachfolgenden
Kapitel zahlreiche Anregungen.
Mit Blick auf den Gesprächsabschluss, bei dem es um die
Beendigung der Beratung auf der Sach- und Beziehungsebe-
ne geht (Rübner & Sprengard, 2010, S. 253), sind die Beson-
derheiten im Videoformat vor allem darin zu sehen, dass die
Beratung mit einem „Klick und weg” beendet werden kann.
Damit dieser Übergang nicht zu abrupt ausfällt, kann mithilfe
einer kurzen Metakommunikation über die Beratung per Video-
telefonie ein wertschätzender Ausstieg aus der Beratung und
Übergang in den Alltag erfolgen. Gerade wenn eine Beratung
per Video erstmals stattgefunden hat, ist dies zu empfehlen.
Bildschirmfreigabe beenden: Wurde im Gespräch zuletzt
mit der Bildschirmfreigabe gearbeitet, ist darauf zu achten,
diese zunächst zu beenden, damit sich die Gesprächsteil-
nehmenden wieder gegenseitig sehen können und der Ab-
schluss insoweit persönlicher ausfallen kann.
Auf den Punkt
gebracht
Eine tragfähige Beziehungsebene und ein gutes Ver-
trauensverhältnis sind auch im Videosetting wichtig und
möglich. Zentraler Bezugspunkt sind die aus der Prä-
senzberatung bekannten Gestaltungselemente wie eine
offene, zugewandte und respektvolle Haltung gegenüber
Kund*innen. Auf dieser Basis können auch komplexe und
sensible Themen in der Beratung per Video besprochen
werden.
Die eigene Präsenz im Videosetting kann durch die
eigene Körperhaltung, Blickkontakt, Mimik und Gestik,
Stimme und nonverbale Signale professionell gestaltet
werden. Viele Elemente sind aus dem Präsenzkontakt
vertraut, allerdings sind auch einige Besonderheiten zu
berücksichtigen (Blickkontakt, sprachliche Begleitung).
Der Beratungsprozess und die einzelnen Phasen sind
in der Präsenz- und Videoberatung die gleichen. Häug
wird zu Beginn und am Ende des Gesprächs ein Bezug
zum Videosetting hergestellt, zum Beispiel über Rückfra-
gen, Lob oder Feedback.
Dank und Anerkennung: Die Fachkraft kann sich für die
Bereitschaft zur Teilnahme bedanken und dies mit einer posi-
tiven Rückmeldung verknüpfen: Immerhin dokumentiert die
Bereitschaft zur Nutzung der Videokommunikation, dass sich
die Kund*innen mit digitalen Kommunikationskanälen in
den Bereichen von Bildung, Beruf und Beschäftigung aus-
einandersetzen und für sich nutzen wollen.
Feedback: Rückfragen an die Kund*innen, wie sie die Be-
ratung per Video empfunden haben, zeigen Interesse und
können die Bereitschaft ausloten, ob weitere Termine im Vi-
deoformat gewünscht sind.
Verabschiedung: Vor dem nalen Klick auf den „Verlassen“-
Button kann zum Abschied kurz in die Kamera gewunken
werden – sozusagen als Pendant zum Handschlag.
32
Worum geht es? Tools kreativ nutzen – Bildschirmfreigabe &
Chat – Videokonferenz & Visualisierung – räumliches Setting
Im Videoformat kann der Bildschirm auf vielfältige Weise ein-
gesetzt werden, d. h., er dient nicht nur als Projektionsäche für
die Übertragung des eigenen Videobildes, sondern auch als ak-
tives Gestaltungsmedium in der Beratung. Neben der Bild-
schirmfreigabe werden als weitere Tools und Möglichkeiten die
Chatfunktion, der Konferenzmodus, die Visualisierung und das
erweiterte räumliche Setting beleuchtet. Mit ihnen verbinden
sich zahlreiche Vorteile, die so vor allem in der Videokommuni-
kation genutzt werden können. Mit zunehmender Erfahrung und
Routine im Umgang mit dem Videoformat nimmt – wie unsere
Feldbeobachtungen gezeigt haben – auch die Nutzung dieser
Tools und Gestaltungsoptionen zu.
5.1 Bildschirmfreigabe
Informationen und Dokumente werden in zunehmendem Maße
digital aufbereitet, erschlossen und erstellt – von institutionellen
Anbietern und privaten Nutzern, in der persönlichen Lebenswelt
und im Berufsleben. Im Videoformat können diese mithilfe der
Bildschirmfreigabe (auch Screen-Sharing oder Desktop-Sharing
genannt) für alle Gesprächsteilnehmenden digital zugänglich
gemacht und bearbeitet werden. Die Bildschirmfreigabe selbst
kann sowohl durch die Fachkraft als auch die Ratsuchenden
erfolgen. Für die gemeinsame Arbeit am Bildschirm sollen zu-
nächst einige allgemeine Hinweise gegeben werden:
Einige Fachkräfte nannten als Grund für die zu Beginn eher
zurückhaltende Nutzung die Sorge, versehentlich „falsche“
Dokumente auf dem Bildschirm für die Ratsuchenden sicht-
bar zu machen. Beim Teilen digitaler Inhalte durch die Fach-
kraft ist zwingend sicherzustellen, dass keine Daten Dritter
sichtbar werden. Dies kann vermieden werden, wenn nicht
der Desktop freigegeben, sondern die Funktion „Program-
me präsentieren“ genutzt wird (Kaps et al., 2022, S. 30).
In der Praxis hat es sich als hilfreich erwiesen, häugeinge-
setzte Internetseiten oder Anwendungen bereits im Vor-
feld der Beratung aufzurufen, um darauf bei Bedarf schnell
zugreifen zu können.
5.
Tools und Gestaltungs-
möglichkeiten
Nicht selten wählen sich Ratsuchende per Smartphone ein.
In diesem Fall sollte sichergestellt werden, dass die geteilten
Seiten für die Ratsuchenden gut sichtbar sind; gegebenenfalls
ist die Bildschirmfreigabe auch abzukürzen bzw. die Auswahl
der gezeigten Seiten und Anwendungen zu begrenzen. In ei-
nigen Fällen haben Ratsuchende ihr Handydisplay mit einem
größeren Bildschirm gekoppelt (z. B. einem internetfähigen
Fernseher) oder das Smartphone für eine größere Bildschirm-
anzeige quer gehalten. Häug standen die Fachkräfte aber
auch schon im Vorfeld mit den Ratsuchenden in Kontakt, so-
dass die Möglichkeit bestand, darauf hinzuweisen, dass für
eine gemeinsame Arbeit am Bildschirm am besten ein PC
oder Tablet zur Einwahl genutzt wird.
Stolperfalle „lange Monologe“: Teilweise war zu beobach-
ten, dass Fachkräfte, nachdem sie eine Internetseite geteilt
hatten, selbst in eine Art „Präsentationsmodus“ übergegan-
gen sind, der durch längere Monologe und entsprechend
hohe Redeanteile geprägt war. Werden Webseiten zu aus-
führlich und zu lange erklärt oder Ratsuchende nicht in den
Recherche- und Erarbeitungsprozess einbezogen, besteht
die Gefahr, dass die Aufmerksamkeit „auf der anderen Seite“
verloren geht und eine bloß passive „Fernsehzuschauer-
perspektive” (Jung, 2016, S. 63) eingenommen wird. In Be-
ratungsansätzen wie der „Motivierenden Gesprächsführung“
(Miller & Rollnick, 2015) wird deshalb empfohlen, Informa-
tionendurchFragenzuankieren, um zum Mitdenken
anzuregen bzw. um die Relevanz und Anschlussfähigkeit
für die Gesprächspartnerin bzw. den Gesprächspartner ab-
zusichern.
Damit im Zusammenhang steht auch, dass bei der Bild-
schirmfreigabe das Videobild der anderen Person unter
Umständen ausgeblendet wird und die Möglichkeit des
visuellen Feedbacks verloren geht. Umso wichtiger ist es,
darauf zu achten, dass der Ratsuchende den eigenen Aus-
führungen folgen kann und durch (Rück-)Fragen aktiv ein-
bezogen wird. Im Zweifelsfall kann die Bildschirmfreigabe
kurz beendet werden, um den Ratsuchenden wieder ins Bild
zu holen und mögliche Unklarheiten oder Probleme zu klären.
33
Überblick über die Online-Angebote der BA: Ratsuchen-
de kennen häug nicht das breite Spektrum an digitalen An-
geboten und Dienstleistungen der BA. Eine kurze Einfüh-
rung in die Kachelsystematik des Internetauftritts sowie ein
exemplarischer Aufruf einer für die Ratsuchenden relevan-
ten Kachel (Lebenslage) hat sich in der Praxis immer wie-
der als gewinnbringend erwiesen. Auch Informationsportale
wie planet-beruf.de oder abi.de wurden im Überblick bzw.
themenzentriert (z. B. Tipps zur Bewerbung) vorgestellt.
Ratsuchende sollten dabei ermutigt und bestärkt werden,
einzelne Optionen selbst auszuprobieren, zu entdecken
und für sich zu nutzen. Eine bis in die letzte Verzweigung
gehende Erläuterung ist in der Regel nicht erforderlich.
Nutzung von Datenbanken und Jobbörsen: In der Pra-
xis konnte immer wieder beobachtet werden, dass einzelne
Anwendungen wie BERUFENET, KURSNET oder die Job-
börse ausführlicher erläutert und genutzt wurden. Anhand
von ausgewählten Berufsbereichen wurden Aufbau, Verlin-
kungen, Filterfunktionen und Suchergebnisse besprochen
und eingeordnet. Als wichtig hat sich in diesen Beispielen
erwiesen, dass die Fachkräfte nicht in lange und ermüden-
de Monologe verfallen, sondern die Ratsuchenden aktiv
einbeziehen. Noch einen Schritt weiter gehen Fachkräfte,
wenn sie sich nicht auf Erläuterungen zum Aufbau und zur
Funktionsweise von Informationsportalen und Jobbörsen
beschränken, sondern diese für die weitere inhaltliche Ar-
beit nutzen, z. B. indem sie dazu anregen, Interessenpro-
le für Ausbildungsberufe, die in BERUFENET dargestellt
werden, mit den Interessen der Ratsuchenden zu verglei-
chen, oder die Ergebnisse einer Stellensuche gemeinsam
sichten, einordnen und weiter verfeinern. Bei ausreichen-
der Zeit können auch die Kund*innen selbst aufgefordert
werden, ihren Bildschirm zu teilen und einzelne Recherche-
schritte gemeinsam mit der Fachkraft durchzuspielen.
Erschließung von externen Serviceangeboten: Auch
über das Internetangebot der BA hinaus wurden über die
Bildschirmfreigabe Wege und Möglichkeiten der Internet-
recherche aufgezeigt. Teilweise wurden Fragen, die nicht
unmittelbar beantwortet werden konnten, durch das Auf-
rufen der entsprechenden Seite recherchiert, etwa wenn
es um Ansprechpersonen oder Serviceangebote externer
Beratungsstellen, die Familienkasse oder Freiwilligendiens-
te ging. Darüber hinaus wurden Internetangebote auch
unmittelbar für die Beratungsarbeit eingesetzt, z. B. die
Homepage einer Hochschule, um Unterschiede zwischen
Studiengängen zu erläutern. Es hat sich gezeigt, dass das
spezialisierte Wissen der Fachkräfte über relevante und
verlässliche Internetquellen einen wichtigen Beitrag für Rat-
suchende darstellen kann, sei es mit Blick auf die Berufsori-
entierung, die beruiche Entwicklung oder die Stellensuche.
Beispiele
aus der Praxis
Die Möglichkeiten der gemeinsamen Arbeit mit dem geteilten
Bildschirm sind vielfältig, weshalb hier nur einige Beispiele zur
Anregung für die eigene Beratungspraxis vorgestellt werden.
Es können zwei typische Anwendungsfelder unterschieden
werden, die auch kombinierbar sind:
a) Erschließung von Recherchemöglichkeiten und
Informationen im Internet
Die Bildschirmfreigabe wird in der Praxis häug dazu einge-
setzt, um Ratsuchenden im Internet verfügbare Informationen
und Recherchemöglichkeiten zugänglich zu machen und diese
für die weitere Beratung zu nutzen. Von Vorteil ist, dass diese
Informationen und Angebote direkt auf dem Bildschirm der Rat
-
suchenden sichtbar sind und genutzt werden können. In vielen
Fällen greifen die Fachkräfte auf Internetangebote zurück, die
von der BA bereitgestellt werden, aber auch externe Angebote
werden genutzt, wie die folgenden Beispiele zeigen.
34
b) Gemeinsames Bearbeiten von Dokumenten,
VorlagenundProlen
Neben den über das Internet verfügbaren Informationen und
Recherchemöglichkeiten liegen auch Dokumente und Formu-
lare immer häuger in digitaler Form vor bzw. werden digital
erstellt und können weiter bearbeitet werden. In der beschäfti-
gungsorientierten Beratung der BA werden häug Dokumente
und Formulare gesichtet, vorbereitet und erstellt, z. B. Zeug-
nisse, Bewerberprole, Eingliederungsvereinbarungen und An-
tragsformulare. Hier bietet das Videoformat über das Teilen des
Bildschirms zahlreiche Möglichkeiten, von denen im Folgenden
einige Beispiele aus der Praxis dargestellt werden.
Die Bildschirmfreigabe stellt ein breit nutzbares Gestaltungs-
element dar. Neben dem inhaltlichen Informationsgewinn kann
hierbei auch die digitale Kompetenz der Ratsuchenden ver-
bessert werden, etwa durch Ermutigung zur aktiven Nutzung
von Onlineangeboten oder durch das praktische Ausprobieren
in der Beratung selbst. Insofern erscheint es sinnvoll, Ideen
und Beispiele aus der eigenen Praxis zu sammeln und kolle-
gial auszutauschen, wie Ratsuchende in ihren digitalen Kom-
petenzen weiter gestärkt werden können. Insgesamt konnte
gut beobachtet werden, dass diejenigen Fachkräfte, die sich
mit dem Videoformat ausreichend vertraut gemacht hatten,
verstärkt von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht haben.
Besprechung und Bearbeitung von Bewerbungsunter-
lagen und anderen Dokumenten: Häug bieten Fach-
kräfte ihren Ratsuchenden im Rahmen der integrationsbe-
gleitenden Beratung einen Bewerbungsunterlagencheck an.
Kund*innen können die entsprechenden Unterlagen über
die Bildschirmfreigabe präsentieren, sodass diese direkt
besprochen und angepasst werden können. Neben Bewer-
bungsunterlagen können natürlich auch zahlreiche andere
Dokumente sowohl von Ratsuchenden als auch von Fach-
kräften geteilt und besprochen werden (z. B. Schul- und
Arbeitszeugnisse, Bescheide, Antragsformulare und Info-
yer). Je nach Beratungs- und Unterstützungsbedarf können
direkt Fragen zum geteilten Dokument gestellt, Sachver-
halte erklärt, Formulierungshilfen beim Ausfüllen von For-
mularen gegeben oder sogar ein Brief oder eine E-Mail für
den Ratsuchenden vorbereitet werden (so etwa beobachtet
bei einer Berufsberaterin, die einer unsicheren Ratsuchen-
den dabei geholfen hat, eine E-Mail-Nachfrage gegenüber
einer FSJ-Stelle zu formulieren).
Anlegen und Vervollständigen eines Bewerber-/Stär-
kenprols: Häuger genutzt wurde auch die Möglichkeit
der gemeinsamen Erstellung eines Bewerber- bzw. Stär-
kenprols. Der Prozess erfolgte in einer für die Ratsu-
chenden zumeist transparenten und dialogischen Form,
zudem konnten unklare Bezeichnungen erläutert oder bei
Unsicherheiten mit einer Einstufung geholfen werden, z. B.
indem nach beruichen Tätigkeiten und Verantwortungsbe-
reichen gefragt wurde. In der begleitenden Evaluation im
Rahmen der Pilotierung der Videokommunikation in den
gemeinsamen Einrichtungen äußerte sich eine Fachkraft
wie folgt: „Die Neukunden nden das cool. Ich zeige die
Eintragungen in VerBIS und die Jobbörse über Teilen des
Bildschirms. Das schafft Transparenz und Vertrauen. Ich
habe das vor Corona im Büro zwar auch gemacht, aber
das war nochmal anders. Da saß man anders am Tisch, da
war eine Art von Distanz. Auf diese Weise jetzt sehen das
die Kunden mal richtig. Ich mache das in jedem Gespräch,
wenn es sich ergibt, das ist Teil der Beratungssituation. So
wird der Rechner ein gemeinsames Werkzeug, wir arbeiten
gemeinsam daran. Klar mit dem Smartphone ist es kleiner,
aber auch da kann man etwas sehen“ (Kaps et al., 2022,
S. 19). Auch hier können die Bildschirmfreigabe und Eintra-
gungen durch die Ratsuchenden selbst erfolgen.
Erstellung und Aktualisierung einer Eingliederungsver-
einbarung / eines Kooperationsplans: Werden Vereinba-
rungen am geteilten Bildschirm erstellt oder aktualisiert,
können Ratsuchende sich direkter in den Prozess einbrin-
gen und Fragen stellen. Die Fachkraft ihrerseits kann wich-
tige Passagen in der Vereinbarung aufzeigen und erläutern.
So wurde etwa eine Aktualisierung der Eingliederungs-
vereinbarung aufgrund einer gemeinsam abgestimmten
Arbeitsgelegenheit erforderlich. Die Fachkraft ging die Ein-
gliederungsvereinbarung Punkt für Punkt am Bildschirm
durch und wies auf die entsprechenden Änderungen hin.
Die Kundin konnte gezielt Rückfragen stellen und hatte einen
guten Überblick, was an welcher Stelle verändert wurde.
Anschließend konnte die Eingliederungsvereinbarung ver-
schickt und unterschrieben werden.
Beispiele
aus der Praxis
35
5.2 Videokonferenz
Im Videoformat ist es auf einfache Weise möglich, mit Zustim-
mung der Kundin bzw. des Kunden weitere Gesprächsteilneh-
mende einzubeziehen. Alle externen Teilnehmenden erhalten
dabei jeweils eine eigene Einwilligungserklärung und können
dem Videogespräch nur beitreten, sofern sie der Einwilligungs-
erklärung zustimmen (zu Hinweisen zur Technik und zur Durch-
führung vgl. die aktuellen Leitlinien der Videokommunikation).
Es können sowohl Bezugspersonen der Ratsuchenden
(Eltern, Betreuende etc.) als auch Fachleute aus dem eigenen
Haus oder anderen Institutionen beteiligt werden (z. B. Dolmet-
In der Berufsberatung sind häug Eltern von minderjährigen
Ratsuchenden involviert. Die Familienmitglieder halten sich
tagsüber aber nicht selten an verschiedenen Orten auf. Um
eine gemeinsame Beratung ohne viel Aufwand anbieten
zu können oder überhaupt erst möglich werden zu lassen,
kann sich eine Videokonferenzschaltung anbieten. In einem
Fall wurde sogar ein im Ausland bendlicher Elternteil zu-
geschaltet.
Wenn die Einbeziehung externer Fach- oder Begleitper-
sonen sinnvoll oder erforderlich ist – z. B. im Zusammen-
hang mit rechtskreisübergreifenden, gesundheitlichen und
sozialen Fragen, einer rechtlichen Betreuung oder Sprach-
mittlung, kann der Videokonferenzmodus von Vorteil sein.
Gute Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich in Jugendbe-
rufsagenturen, die nicht in einem Haus untergebracht sind.
Auch hybride Settings sind denkbar, etwa wenn eine wei-
tere Person per Video temporär in eine Präsenzberatung
zugeschaltet wird.
Bei der Betreuung von Menschen mit komplexen Lebens-
lagen, bei der mehrere professionelle Fachkräfte involviert
sind, können Fallkonferenzen dazu beitragen, die Hilfen
besser zu koordinieren und zu steuern, insbesondere bei
auftretenden Problemen (Göckler & Rübner, 2019, S. 164 ff.).
Mit der Videotelefonie steht eine zeit- und kostensparende
Möglichkeit zur Verfügung, Fallkonferenzen durchzuführen
und damit ganzheitliche Betreuungsansätze verstärkt zu
nutzen.
Auch die Netzwerkarbeit im Sinne der Entwicklung und
Pege von lokalen Versorgungsstrukturen kann mithilfe von
Onlinemeetings per Video unterstützt und ausgebaut wer-
den. Gemeinsame Treffen vor Ort werden so durch Videokon-
ferenzen ergänzt, persönliche Kontakte und Austauschrun-
den sind in variablen Settings regelmäßiger umsetzbar, da
für alle Beteiligten zeitsparender. Auch Gäste sowie Refe-
rentinnen und Referenten können – unabhängig von ihrem
Arbeitsort – temporär zugeschaltet werden.
Für beratende Fachkräfte sind Reexion und Weiterbildung
wichtige Faktoren, um sich selbst und die eigene Bera-
tungsqualität weiterzuentwickeln. Im Rahmen von kollegi-
alen Beratungen, Supervisionen und Weiterbildungsveran-
staltungen können Videokonferenzen eine gute Ergänzung
zu Präsenzveranstaltungen darstellen. Blended-Learning-
Formate können die jeweiligen Vorteile von Präsenz- und
Distanzveranstaltungen nutzen und lassen sich teilweise
besser in den Arbeitsalltag integrieren
Beispiele
aus der Praxis
scherinnen und Dolmetscher). Die Anlässe, Gestaltungsmög-
lichkeiten und Konstellationen sind vielfältig. Die einla dende
Fachkraft übernimmt dabei zusätzlich eine moderierende
Rolle und vereinbart gegebenenfalls bestimmte Kommunika-
tionsregeln (Wortmeldung über Chat, Stummschaltung Mikro,
Rede zeiten etc.). Bei anwesenden Eltern kann zusätzlich mit
systemischen Fragestellungen und Interventionen gearbei-
tet werden (vgl. Hintergrundmaterialien BeKo „Systemisches
Fragen“).
36
5.3 Chatfunktion
Die in die Videosoftware integrierte Chatfunktion lässt sich
im Beratungskontext gut dafür einsetzen, um Internetlinks,
Bezeichnungen von Institutionen und (korrekte) Schreib-
weisen zu übermitteln. Für Menschen mit eingeschränkten
Kenntnissen der deutschen Sprache kann dies den zusätzli-
chen Mehrwert haben, dass wichtige Informationen nicht ver-
loren gehen bzw. richtig geschrieben werden. Sind mehrere
Gesprächsteilnehmende zugeschaltet – z. B. Angehörige, Be-
treuende oder externe Fachpersonen – kann der Chat zum
Anmelden eines Wortbeitrags, zur kurzen Kommentierung oder
Stellungnahme (verbal oder mittels Emojis) genutzt werden.
Die moderierende Fachkraft sollte hierbei mit den übrigen Ge-
sprächspartnerinnen und Gesprächspartnern eine kurze Ver-
abredung über die Nutzung des Chats treffen, auch sollte
der Chat von allen Beteiligten eingeblendet werden, um mit-
lesen und gegebenenfalls reagieren zu können.
5.4 Visualisierung
In vielen Videokonferenzsystemen ist ein Whiteboard inte-
griert, auf dem Ideen, Themen und Konzepte wie auf einem
Notizblatt oder Flipchart visualisiert werden können. Innerhalb
der Boards gibt es thematische Vorlagen wie Mindmaps und
Gestaltungselemente und Werkzeuge wie Freihandzeichnen,
Stifte, Textboxen sowie grasche Objekte, Notizen, Bilder oder
Raster. Für kollaboratives Arbeiten können die Whiteboards
auch für andere Gesprächspartnerinnen und Gesprächspart-
ner freigegeben werden. Die Ergebnisse können als Bilddatei
abgespeichert und zur Verfügung gestellt werden. Alternativ
zum Einsatz eines Whiteboards können gängige Programme
(z. B. Powerpoint, Word) mittels Bildschirmfreigabe geteilt
werden und von der teilenden Person verwendet werden.
Die freie und spontane Visualisierung ist in einer Beratung
per Video nicht ganz so einfach möglich wie im Präsenzkon-
takt, das berichten auch Praktikerinnen und Praktiker (Silfver-
berg, 2021, S. 21). So verlangt beispielsweise der souveräne
Einsatz des Whiteboards im Vorfeld einiges an Übung. Will
man während der Beratung auf Papier angefertigte Übersich-
ten und Schaubilder zeigen bzw. Ratsuchende am Prozess
der Erstellung teilhaben lassen, ist ein etwas exiblerer Ein-
satz der eigenen Kamera gefragt, um auch den Schreibtisch
temporär einblenden zu können (für weitere Ideen: Eybisch-
Klimpel, 2022).
Demgegenüber ist der Einsatz digital verfügbarer Vorlagen,
Karten und Schaubilder deutlich einfacher. Beispielsweise
kann eine Pro-und-Contra-Liste eingeblendet werden, die ge-
37
Künstlerisches Interesse: In einer über Video stattnden-
den Berufsberatung ging es um die Frage, worin die Ratsu-
chende ihre größten beruichen Interessen sehen würde.
Anknüpfend an die Interessendimensionen von Holland
(die Beraterin hatte hier das RIASEC-Modell von Holland
eingeblendet – siehe BeKo-Hintergrundmaterialien „Arbeit
mit Berufstypen“) wählte die Ratsuchende den Bereich
„künstlerisch-kreativ“ als sehr wichtig für sich aus. Die Be-
raterin fragte, was sie mit diesem Interessenschwerpunkt
verbinden würde. Die Ratsuchende bat die Beraterin, einen
Moment zu warten, sie müsse etwas holen, und zeigte an-
schließend verschiedene selbst erstellte Exponate (Skulp-
turen) von allen Seiten in die Kamera, die teilweise über ei-
nen Meter maßen und zugleich die intensive Beschäftigung
mit der Materie dokumentierten.
Schuldenberg: In einem Videogespräch mit einem männli-
chen Leistungsberechtigten mit akademischen Hintergrund
bemerkte die Beraterin, dass ihr Gesprächspartner zuneh-
mend abgelenkter wirkte (der Blick schien ins Leere zu ge-
hen, Fragen wurden immer einsilbiger beantwortet). Darauf
angesprochen, sagte der Kunde mit einigem Zögern, dass
er die ganze Zeit auf den vor ihm liegenden Stapel mit unge-
öffneter Post starren würde, alles Mahnungen und Rech-
nungen. Die Fachkraft bot daraufhin an, über dieses Thema
zu sprechen. Der Kunde zeigte die Briefe in die Kamera
und sagte, dass er sich für seine Verschuldung schämen,
es aber nicht schaffen würde, die Briefe zu öffnen. Man kam
überein, hier und jetzt die Briefe zu öffnen und nach Dring-
lichkeit zu sortieren. Zudem wurden weitere Schritte und
Beratungsangebote besprochen. Für den Kunden war dies
ein wichtiger erster Schritt.
Psychische Verfassung: In einer am späteren Vormittag
stattndenden Folgeberatung per Video erschien die Kun-
din in einem abgetragenen T-Shirt, weitgehend ungekämmt
und mit müdem Gesichtsausdruck. In der Präsenzberatung,
die drei Monate zuvor stattgefunden hatte, war die Kundin
korrekt angezogen und gut vorbereitet gewesen. Auf diese
Diskrepanz angesprochen, gab die Kundin an, dass die Ar-
beitslosigkeit sie schon längere Zeit emotional belasten und
ihr zunehmend der Antrieb fehlen würde, sich noch „in Form
zu bringen“. Die Beraterin ermutigte die Kundin, etwas aus-
führlicher darüber zu sprechen. Gemeinsam wurde über-
legt, wer und was ihr helfen könne, emotional wieder etwas
stabiler und zuversichtlicher zu werden, auch ein zeitnaher
Termin wurde vereinbart. Die Kundin fühlte sich erkennbar
verstanden und bestärkt.
Beispiele
aus der Praxis
meinsam ausgefüllt wird, oder ein Schaubild zum Berufswahl-
prozess, um eine Einschätzung zum aktuellen Stand, relevante
Einussgrößen und mögliche Themenschwerpunkte zu be-
sprechen (vgl. Kap. 6). Im Intranet nden sich unter Beratungs-
konzeption > Hintergrundmaterialien eine Reihe von Vorlagen
und Anregungen. Auch im kollegialen Austausch können wei-
tere Ideen und Vorlagen entwickelt werden (in einem Team der
Berufsberatung werden beispielsweise eigene Übersichten zu
verschiedenen Berufsbereichen arbeitsteilig erstellt).
5.5 Häusliche Umgebung
Eine Besonderheit der Beratung per Video liegt darin, dass sich
die Ratsuchenden während des Gesprächs in der Regel in
ihrem häuslichen Umfeld aufhalten. Dadurch können sich Situa-
tionen, Gelegenheiten und Gestaltungsoptionen ergeben,
die im Präsenzkontakt nicht oder nicht auf diese Weise mög-
lich sind. Es können bei Bedarf Dokumente oder Gegenstän-
de herbeigeholt und gezeigt werden, Verhaltensunterschiede
zwischen der Präsenz- und Videobegegnung beobachtet oder
Themen behandelt werden, die in den ofziellen Büroräumen
so nicht zur Sprache gekommen wären.
38
Auf den Punkt
gebracht
Über die Bildschirmfreigabe erschließen sich viele
Möglichkeiten der Zusammenarbeit, beispielsweise die
Bereitstellung von Informationen, gemeinsame Recher-
chen und die Bearbeitung von digitalen Dokumenten,
VorlagenundProlen.
Im Videoformat ist es auf einfache Weise möglich, ver-
schiedene Gesprächsformate zu organisieren, z. B. mit
Begleitpersonen, Eltern und Fachdiensten.
Die häusliche Umgebung, in der sich die Kund*innen
während der videogestützten Beratung benden, kann
dazu beitragen, dass diese für den Beratungs- und In-
tegrationsprozess relevante Themen von sich aus leich-
ter ansprechen. Dabei ist seitens der Fachkräfte auf die
besonders geschützte Privatsphäre der Kund*innen zu
achten.
An diesen und anderen Beispielen (Kinder, Partnerin bzw. Part-
ner oder Haustiere kommen ins Bild, Einblicke in die häusliche
Umgebung) wird deutlich, dass sich die Videokommunikation
an der Nahtstelle zur besonders geschützten Privatsphäre
der Kund*innen bewegt. Hartmann-Strauss (2020, S. 74) weist
in diesem Zusammenhang auf zwei relevante Aspekte hin: „Die
Arbeit mit Kontextinformationen setzt eine Beschäftigung mit
Grenzen und möglichen Grenzverletzungen voraus, die auftre-
ten können, wenn in die Privatsphäre des Gesprächspartners
eingedrungen wird […]. Besteht eine Bewusstheit über diese
Aspekte, kann gerade deren gezielter Einbezug in die Behand-
lung entscheidend sein, um Informationen zu erhalten, die im
Gespräch vor Ort nicht generiert werden könnten. Zum einen
kann dies daran liegen, dass Fragen, z. B. aus Scham, nicht
beantwortet werden. Oft liegt es jedoch schlicht daran, dass
sich eine Frage nicht stellt, weil sie außerhalb des erkannten
(Problem-)Kontextes liegt.“ Dabei ist zu beachten, dass der
gewollt oder ungewollt gewährte Einblick in die Lebenswelt der
anderen Person auch zu Fehlschlüssen verleiten kann. Ein an
der Wand hängendes Poster mit einem abgebildeten Ferrari
kann beispielsweise vieles bedeuten, wie Kühne (2021, S. 86)
anmerkt. Auch hat ein privates Interesse hinter der professio-
nellen Haltung zurückzustehen.
Des Weiteren ist zu beachten, dass der Einsatz der Video-
kommunikation zur Beurteilung der Wohnsituation oder zur
Überprüfung des aktuellen Aufenthaltsortes nicht zulässig ist,
da das Format nicht für Anwendungsfälle genutzt werden darf,
aus denen sich rechtlich nachteilige Folgen für die Kundin bzw.
den Kunden ergeben können, bzw. für Beratungsinhalte und
-situationen, welche für die Kundin bzw. den Kunden zum Zeit-
punkt der Einwilligung nicht bekannt bzw. absehbar waren.
Nicht alle Ratsuchenden können in ihrer häuslichen Umgebung
ungezwungen und ungestört kommunizieren und in einigen
Fällen ermöglicht erst das Beratungszimmer den notwendigen
Grad der Vertraulichkeit und Offenheit. Lässt sich beispielswei-
se für beide Seiten keine ungestörte Gesprächsatmosphäre
aufbauen, ist über alternative Möglichkeiten nachzudenken
(z. B. Präsenztermin oder Telefonat). Auch kann das Verlassen
der eigenen vier Wände und das Aufsuchen der Beratungsstel-
le mit allen damit verbundenen Vorbereitungen ein wichtiges
Aktivierungselement im Alltag darstellen. Umgekehrt gibt es
aber auch verschiedene Lebenslagen, in denen die ortsunab-
hängige Erreichbarkeit per Videotelefonie einen entscheiden-
den Vorteil darstellt (vgl. Abschnitt 3.1). Niedrigschwelligkeit
ergibt sich hier aus einem an unterschiedliche Lebenslagen
angepassten Beratungsangebot.
39
Worum geht es? Eigenes Beratungsrepertoire nutzen – An-
regung & Ermutigung – ausgewählte explorative Methoden
In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass die im Prä-
senzkontakt erworbenen Beratungskompetenzen auch im
Kommunikationssetting der Videoberatung genutzt werden
können (Knatz & Dodier, 2021). Für die Videotherapie, in der
im Vergleich zur beschäftigungsorientierten Beratung weitaus
komplexere Methoden und Techniken zum Einsatz kommen,
formuliert Hartmann-Strauss (2020, S. 80 f.) dies so: „Nahezu
alle Techniken, die vor Ort durchgeführt werden können, lassen
sich auch in der Videotherapie einsetzen. Die Hemmung, das
zu tun, liegt meist am unvertrauten Format und nicht an Limi-
tationen der Interventionen selbst. Die Nutzung der vertrauten
Vorgehensweisen hat zudem einen haltgebenden Effekt, da
die Fremdheit, die potenziell durch das neue Medium entsteht,
nicht durch ungewohnte Umgangsweisen mit den eingebrach-
ten Themen vergrößert wird.“ In der videogestützten Beratung
kann also – mit zunehmender Sicherheit und Übung – auf das
eigene Beratungsrepertoire zurückgegriffen werden. So
konnten im Rahmen der Hospitationen alle gängigen Bera-
tungstechniken wie Erzählaufforderung, offene und zirkuläre
Fragen, Zusammenfassungen, Lob und aktives Zuhören be-
obachtet werden. Die befragten Fachkräfte gaben an, dass sie
hierin keinen Unterschied zum Präsenzkontakt sehen würden.
Bei den etwas aufwendigeren und mit Visualisierungen verbun-
denen Techniken zeigte sich eine größere Zurückhaltung, teils
wurde auf die noch fehlende Sicherheit mit dem neuen Medi-
um der Videokommunikation verwiesen, teils auch der Wunsch
nach methodischen Anregungen geäußert, sei es durch Schu-
lungen, kollegialen Austausch oder einen Praxisleitfaden.
Im Folgenden werden deshalb einige Methoden und Techniken
vorgestellt, die in unterschiedlichen Beratungssettings der BA
seit vielen Jahren im Einsatz sind und sich auch auf das
Videoformat übertragen lassen. Die Darstellung erfolgt in Form
von kurzen Steckbriefen, ergänzt um Visualisierungsbeispiele
und kurze Kommentare. Es geht an dieser Stelle vor allem um
Anregung und Ermutigung, das eigene Methodenreper-
toire auch im Videoformat selbstbewusst zu entfalten. So
bietet ein neues Gesprächsformat auch die Chance, über Be-
ratungsmethoden nachzudenken und Neues auszuprobieren.
Alle hier vorgestellten Methoden sind explorativ angelegt, d. h.,
es geht weniger um ein Abfragen von spezischen Informatio-
nen, sondern mehr um ein gemeinsames Sondieren, Reek-
tieren, Klären, Konkretisieren.
6.
Methoden und
Techniken
In den meisten Beispielen wird mit einer begleitenden und
unterstützenden Visualisierung gearbeitet, insoweit also
auch die Bildschirmfreigabe (über die Funktion „Programm
präsentieren“) genutzt. Eine visuelle Unterstützung hat viele
Vorteile: Sie schließt an den für die meisten Menschen wichti-
gen visu ellen Wahrnehmungskanal an, sie eignet sich zudem
zum Sammeln, Sortieren, Verbinden und Veranschaulichen
von Gedanken und Gefühlen und sie kann schließlich neue
Ideen und Einsichten zutage fördern (vgl. Hintergrundmateri-
alien zur BeKo „Visualisierung in der beruichen Beratung“).
Wenn häuger mit Visualisierungsvorlagen gearbeitet wird,
ist es empfehlenswert, sich einen Ordner mit entsprechenden
Dateien anzulegen, auf den während der Beratung schnell zu-
gegriffen werden kann. Manche der hier vorgestellten Metho-
den sind zeitlich etwas umfassender und prozessual angelegt,
d. h. die begonnene Beschäftigung mit einem Thema kann im
Anschluss an die Beratung weitergeführt werden, zudem ist
die Bereitschaft der Ratsuchenden erforderlich, sich auf diese
einzulassen. In den einzelnen Steckbriefen wurden deshalb
auch ungefähre Zeitangaben zur Orientierung gemacht. Vertie-
fungsmöglichkeiten zu den einzelnen Methoden nden sich im
Intranet unter Beratungskonzeption > Hintergrundmaterialien.
Es ist geplant, diesen Methodenpool schrittweise auszubauen.
40
Geeignet für Einstieg in ein Thema
Ideen entwickeln
Lösungsoptionen nden
Kreativität freisetzen
Spontaneität entwickeln und nutzen
Ermutigung und Aktivierung der Ratsuchenden
Besonderheiten im Videoformat Bedingt für Einwahl mit Handy geeignet
Bildschirmfreigabe/Ausfüllen durch Fachkraft
Voraussetzung & Zeit Variabel, je nach Thema und wie intensiv die einzelnen Schritte durchgearbeitet wer-
den: mind. 10 Min.
Ablauf & Methodisches Vorbereitung: Fachkraft macht den Vorschlag, die Methode des Brainstormings ein-
zusetzen
Ideenndung: Fachkraft unterstützt Ratsuchende, z. B. durch Impulsfragen und Visu-
alisierung der spontan geäußerten Ideen (Whiteboard oder PowerPoint)
Zusammenfassung/Strukturierung: Ergebnisse werden gesichtet, zusammengefasst,
strukturiert und bei Bedarf vertieft
Bewertung: Einschätzung Erkenntnisgewinn, praktische Schlussfolgerungen
Weiterführende BeKo-Materialien
im Intranet
Ausführliche Beschreibung > „Brainstorming“
Steckbrief
„Brainstorming“
6.1 Brainstorming
Das Brainstorming ist eine exibel und einfach einsetzbare
Methode, um in einem möglichst offenen Rahmen zu einem
bestimmten Thema Ideen, Erfahrungen und Gesichtspunkte
zu sammeln und zu visualisieren. Grundprinzip des Brainstor-
mings ist die Trennung von Ideen-Produktion und Ideen-Be-
wertung. Die Rolle der Beratungsfachkraft besteht zunächst
darin, die Ratsuchenden zu ermutigen, Bewertungen und Be-
denken zurückzustellen und möglichst frei zu assoziieren. Bei
der Ideen- Bewertung geht es dann um ein gemeinsames Zu-
sammenfassen und Strukturieren. Die Visualisierung kann mit
-
hilfe des Whiteboards oder einer PowerPoint-Folie erfolgen –
die Stichworte aus dem Brainstorming werden durch Textfelder
dokumentiert und können anschließend beliebig verschoben
werden.
41
42
Für die Visualisierung stehen grundsätzlich zwei Arten von
Skalen zur Verfügung:
Thematisch offene Skalen: Solche Skalen beinhalten ledig
-
lich den Zahlenstrahl, häug wird hierbei eine Spanne von
Geeignet für Eigene Einstufung auf Grundlage von Rangstufen (Skala)
Konkretisierung von unklaren oder abstrakten Aussagen
Darstellung und Erkennen von (minimalen) Entwicklungen
Ableiten von Unterschieden bei Vergleich von zwei und mehr Skalen
Einsetzbar in allen Beratungsphasen
Besonderheiten im Videoformat Für Einwahl mit Handy geeignet
Bildschirmfreigabe/Ausfüllen durch Fachkraft
Voraussetzung & Zeit Variabel, je nachdem, ob mit vertiefenden Fragen weitergearbeitet wird: 5–10 Min.
Ablauf & Methodisches Ratsuchende werden gebeten, einen sie betreffenden Sachverhalt auf einer Skala
einzuschätzen
Im Anschluss kann mit (systemischen) Vertiefungsfragen weitergearbeitet werden
Weiterführende BeKo-Materialien
im Intranet
Ausführliche Beschreibung
> „Skalierungstechnik“
> „Systemische Fragen“
Visualisierungsvorlagen:
> Skala von 0 bis 10 und 0 bis 100
> Arbeitsbogen „Stand im Entscheidungsprozess“
Für ein Anwendungsbeispiel: Rübner & Höft (2019b)
Steckbrief
„Skalierungstechnik“
6.2 Skalierungstechnik
Mithilfe von Skalen kann sowohl eine Standortbestimmung
als auch eine Entwicklung oder Veränderung visualisiert
werden. In der lösungsorientierten Beratung wird die Skalie-
rungstechnik häug mit dem Ziel eingesetzt, verfestigte Denk-
muster aufzubrechen und einen Blick für (kleine) Unterschiede
und Veränderungen zu fördern. Hierzu können Fragen zu einer
hypothetischen Veränderung (z. B. „Was müsste passieren,
damit Sie auf der Skala um eine Stufe nach vorne rücken?“)
oder auch zirkuläre Fragen gestellt werden, um eine alternative
Perspektive (z. B. die von Peers, Eltern, Partnerin bzw. Partner,
Kolleginnen und Kollegen) einzubeziehen.
0 bis 10 oder 0 bis 100 verwendet (vgl. Abbildung 4). Die
eigentliche Fragestellung wird während des Beratungsge
-
spräches entwickelt, die Visualisierung dient der unterstüt-
zenden Darstellung. Eine Visualisierung mithilfe des ge-
teilten Bildschirms bietet sich an, wenn das angesprochene
Thema weiter vertieft werden soll. Auf diese Weise kann die
Skala als gut sichtbare Referenz stehen bleiben und mögli-
che Veränderungen, z. B. mit Punkten in verschiedenen Far-
ben, können entsprechend abgebildet werden.
Beschriftete Skalen: Hier sind die Fragen bereits vorge-
geben und der Ratsuchende wird aufgefordert, eine Ein-
schätzung vorzunehmen. Werden mehrere, thematisch zu-
sammenhängende Skalen verwendet, ist es möglich, die
verschiedenen Ausprägungen zu vergleichen (vgl. Abbil-
dung 5). Zudem kann die Beratungsfachkraft ein Feedback
zur Selbsteinschätzung geben. Je nach Bedarf können dann
einzelne Themenkomplexe weiter vertieft werden.
43
Abbildung 4: Offene Bewertungsskala
Abbildung 5: Skala zum aktuellen Berufswahlstand
Quelle: eigene Darstellung
Quelle: BeKo-Hintergrundmaterialien
Offene Bewertungsskala
12345678910
Einsctzung zu folgender
Fragestellung:___________________________________________________________________________
Trifft nicht zu Trifft völlig zu
Ich kann mich und meine beruflichen Interessen,
Fertigkeiten und Begabungen sehr gut einschätzen.
44
Eine einfache Pro-Contra-Liste könnte beispielsweise wie in
Abbildung 6 dargestellt aussehen.
Eine mehrere Faktoren und Personen einbeziehende Abwä-
gung könnte mehrere Teilaspekte umfassen. Denkbar wäre,
dass dieser mehrdimensionale Abwägungsprozess in der Be-
ratung vorgestellt und mit einer ersten Sammlung begonnen
wird, die dann vom Ratsuchenden selbstständig weitergeführt
und bei Bedarf in einem Folgetermin gemeinsam ausgewertet
wird (vgl. Abbildung 7).
Geeignet für Klären von Vor- und Nachteilen von Optionen
Entscheidungsndung anstoßen und unterstützen
Kann als Grundlage für Entscheidungsmatrix dienen
Besonderheiten im Videoformat Nicht für Einwahl mit Handy geeignet
Bildschirmfreigabe/Ausfüllen durch Fachkraft oder Ratsuchende
Voraussetzung & Zeit Klare Option(en), die es zu bewerten gilt
10–20 Min.
Ablauf & Methodisches Die Beratungsfachkraft übernimmt eine moderierende Funktion (Anleitung Ablauf,
Nachfragen, Zusammenfassungen etc.)
Die mögliche Option wird als Frage formuliert und als Überschrift auf der Liste
eingetragen
In der „Pro-Spalte“ werden alle Vorteile und Chancen aufgeschrieben (möglichst
positiv formuliert)
In der „Contra-Spalte“ werden alle Nachteile und Risiken eingetragen
Abschließend ndet eine (erste) Bewertung statt
Prozess kann in der Beratung begonnen und bei einem Folgetermin fortgesetzt
werden
Weiterführende BeKo-Materialien
im Intranet
Visualisierungsvorlage „Pro-Contra-Liste“
Zur Vertiefung und Erweiterung: „Arbeitsbogen zur Vor-und-Nachteilsprüfung“ – hier-
mit können mögliche Folgen einer Entscheidung systemisch überprüft werden (Einbe-
ziehung soziales Umfeld)
Zur Vor-und-Nachteils-Abwägung von zwei Optionen oder Verhaltensweisen kann
eine „Entscheidungswaage“ bzw. eine aus vier Zellen bestehende Tabelle genutzt
werden (Rosengren, 2012, sowie Arbeitsblätter im Internet)
Steckbrief
„Pro-Contra-Abwägung“
6.3 Pro-Contra-Abwägung
Eine Pro-Contra-Abwägung ist eine einfache, aber effektive
Methode, Argumente für und gegen eine oder auch zwei
Optionen zu sammeln und zu gewichten. Hierzu kann eine ein-
fache Gegenüberstellung genutzt werden, in der Literatur wer-
den aber auch etwas komplexere Darstellungen beschrieben
(z. B. die Entscheidungswaage zur Vor-und-Nachteils- Prüfung
von zwei möglichen Verhaltensweisen). Zumeist folgt auf die
erste Sammlung eine Phase, in der einzelne Punkte gesondert
besprochen und gewichtet werden.
45
Abbildung 6: Pro-Contra-Liste
Abbildung7:ArbeitsbogenEntscheidungsndung
Quelle: eigene Darstellung
Quelle: BeKo-Hintergrundmaterialien
46
Geeignet für Entscheidungsndung
Herausarbeiten von Werten und eigenen Präferenzen, die entscheidungsrelevant
sind
Vergleich und Bewertung mehrerer Optionen
Bilden einer Rangfolge der Optionen
Besonderheiten im Videoformat Nicht für Einwahl mit Handy geeignet
Bildschirmfreigabe/Ausfüllen durch Fachkraft oder Ratsuchende
Voraussetzung & Zeit 10–20 Min.
Bereits vorliegende Optionen sind hilfreich
Ablauf & Methodisches Die Beratungsfachkraft übernimmt eine moderierende Funktion (Anleitung Ablauf,
Nachfragen, Zusammenfassungen etc.)
Im ersten Schritt werden die vorhandenen Optionen in die Entscheidungsmatrix
eingetragen
Im Anschluss werden die Kriterien, die für die Entscheidung wichtig sind, erarbeitet
und in die Matrix übernommen
Daran anschließend kann eine Gewichtung der einzelnen Kriterien vorgenommen
und ebenfalls in der Matrix vermerkt werden
Die einzelnen Kriterien werden nun hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit oder
Realisierbarkeit bewertet
Erfolgt die Bewertung mithilfe von Zahlen, ist es möglich, die einzelnen Werte zu
multiplizieren und die Summenwerte für die einzelnen Optionen zu vergleichen
Weiterführende BeKo-Materialien
im Intranet
Ausführliche Beschreibung
> „Entscheidungsmatrix“
> „Entscheidungsndung mit Bodenankern“ (ergänzend, alternativ)
Steckbrief
„Entscheidungsmatrix“
6.4 Entscheidungsmatrix
Soll es im Rahmen der Entscheidungsndung um eine kriteri-
engeleitete Abwägung zwischen zwei oder mehr Optionen
gehen, kann eine Entscheidungsmatrix eingesetzt werden, mit
der die einzelnen Optionen bewertet und gewichtet werden.
Um den Überblick zu behalten, wird in der Regel mit einer tabel-
larischen Darstellung gearbeitet, in der die einzelnen Optionen
und Kriterien eingetragen werden. Wie die Forschung gezeigt
hat, kommt es dabei am Ende nicht auf eine möglichst exak-
te Berechnung der verschiedenen Alternativen an, sondern
mehr um den klärenden Prozess (Rübner & Höft, 2019a). Für
eine ergänzende oder alternative Methode, in der noch stärker
die intuitiveSeitederEntscheidungsndung Berücksich-
tigung ndet, kann sich für experimentierfreudige Beratende
– auch im Videoformat – die Arbeit mit Bodenankern anbie-
ten (vgl. BeKo-Hintergrundmaterialien): Hierzu werden Optio-
nen gesammelt, auf Karten geschrieben und auf dem Boden
oder Schreibtisch ausgebreitet, um dann ausgehend von einer
bestimmten Alternative möglichst frei zu assoziieren und laut
nachzudenken.
47
Im vorliegenden Beispiel (s. Abbildung 8) könnte eine Ratsu-
chende bei ihrer Berufs- und Studienwahl zwischen Journa-
listin und Englischlehrerin schwanken. Zusammen mit ihrem
Berufsberater überlegt sie, was ihr bei der Berufswahl beson-
Abbildung 8: Entscheidungsmatrix
Quelle: eigene Darstellung
ders wichtig bzw. weniger wichtig ist, und anschließend, wie
gut sich diese Kriterien in den einzelnen Optionen realisieren
lassen. Anstatt mit Zahlen kann auch mit Symbolen wie Plus-
und Minuszeichen gearbeitet werden.
48
Geeignet für Visualisierung des Berufswahlprozesses
Unterstützung der Selbsteinschätzung zum aktuellen Stand
Veranschaulichung von wichtigen Einussgrößen
Absprache von Gesprächsschwerpunkten
Einsetzbar in den Phasen der Situationsanalyse und Zielndung
Besonderheiten im Videoformat Für Einwahl mit Handy geeignet
Bildschirmfreigabe/Ausfüllen durch Fachkraft
Voraussetzung & Zeit Orientierungs- und Entscheidungsberatung
Variabel: 5–15 Min.
Ablauf & Methodisches Das Schaubild zum Berufswahlstand wird als visuelle Grundlage hinzugezogen und
der fachliche Hintergrund erläutert
Ratsuchende können sich selbst verorten und die für sie relevanten Bezugsperso-
nen/Einussgrößen benennen
Anhand des Schaubildes lassen sich Gesprächsthemen und/oder -ziele festlegen
Das Schaubild kann während des Gespräches immer wieder als Bezugspunkt
herangezogen werden
Weiterführende BeKo-Materialien
im Intranet
Visualisierungsvorlagen
> Stand im Berufswahl-/Entscheidungsprozess
> Arbeit mit Berufstypen (alternativ, ergänzend für eine inhaltliche Positionierung
nach RIASEC)
Online-Self-Assessment zum Stand im Berufswahlprozess
> www.meine-berufswahl.org
> www.meine-studienwahl.org
Für Anwendungsbeispiele: Rübner & Höft (2021) und Rübner (2021)
Steckbrief
„Standortbestimmung im Berufswahlprozess“
6.5 Standortbestimmung im Berufswahlprozess
Die hier beschriebene Methode zur Standortbestimmung im
Berufswahlprozess steht exemplarisch für den Einsatz von
Übersichtsschaubildern. In Beratungsgesprächen werden häu-
g Übersichten eingesetzt, um Angebote, Entwicklungen und
Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Hierbei kann auf tabel-
larische Darstellungen, Graken und Schaubilder einschlägi-
ger Informationsportale und Datenbanken (z. B. BERUFENET,
planet-beruf.de) und auf Hintergrundmaterialien zur Beratungs-
konzeption zurückgegriffen werden.
Auch die grascheAufbereitung von Ergebnissen eines
Online-Self-Assessments (OSA) kann als Bezugspunkt für
die Beratung dienen (Ratsuchender teilt seinen Bildschirm
oder übermittelt Beratungsfachkraft das Ergebnis per E-Mail).
Als Beispiele seien hier zwei Online-Self-Assessments zum
Stand im Berufs- und Studienwahlprozess genannt, die auf
den Dimensionen der Orientierungs- und Entscheidungsbera-
tung der Beratungskonzeption der BA aufbauen (www.meine-
berufswahl.org und www.meine-studienwahl.org; vgl. Rübner,
2021).
49
Visualisierungsvorlage zum Stand im Berufswahlprozess:
Abbildung 9: Meine Berufswahlsituation: Wo stehe ich aktuell?
Quelle: BeKo-Hintergrundmaterialien
50
Ein Beispiel für eine Rückmeldung auf dem Online-Verfahren
„Mein Stand im Berufswahlprozess“ ndet sich in Abbildung 10.
Abbildung 10: Mein Stand im Berufswahlprozess
Quelle: www.meine-berufswahl.org
51
6.6 Vorbereitung auf Online-Vorstellungsgespräche
Es ist davon auszugehen, dass Online-Vorstellungsgespräche
im Zuge der digitalen Transformation weiter zunehmen und
im Rekrutierungsprozess immer selbstverständlicher werden.
Das Videoformat bietet hier die ideale Grundlage, um Ratsu-
chende auf Online-Vorstellungsgespräche vorzubereiten – von
Geeignet für Ratsuchende, die in Branchen arbeiten bzw. arbeiten wollen, in denen
Online-Interviews eingesetzt werden
Ratsuchende, die zu einem Online-Interview eingeladen worden sind
Besonderheiten im Videoformat Nicht für Einwahl mit Handy geeignet
Voraussetzung & Zeit Fachkraft hat sich mit Online-Vorstellungsgesprächen vertraut gemacht
Bei Rollenspiel: im Vorfeld Absprache mit Ratsuchenden über Setting, Zeit,
Anforderungsprol der Stelle / des Unternehmens; für die Umsetzung mind. 20 Min. Zeit
einplanen
Ablauf & Methodisches Im Rollenspiel übernimmt die Fachkraft die Position der Unternehmensvertretung
Wichtige Stationen eines Vorstellungsgespräches sollten durchlaufen werden
Feedback zu inhaltlichen Aspekten und Präsentation im Videosetting
Weiterführende BeKo-Materialien
im Intranet
„Simulationen in der Beratung“
„Entscheidungsndung mit Bodenankern“
Steckbrief
„Vorbereitung auf Online-Vorstellungsgespräche“
Auf den Punkt
gebracht
Im Videoformat können alle gängigen Gesprächstech-
niken eingesetzt werde, die aus der Präsenzberatung
vertraut sind. Mit etwas Übung können auch komplexere
Methoden genutzt werden, bei denen Visualisierungen
und digitale Vorlagen zum Einsatz kommen.
Das Videoformat bietet hier die Chance, Neues auszu-
probieren und das eigene beraterische Methodenreper-
toire zu erweitern. Zu empfehlen ist ein reger fachlicher
Austausch vor Ort, in überregionalen Arbeitskreisen und
inForenderBA.ImIntranetndetsichunterBeratungs-
konzeption eine breite Sammlung an bewährten Metho-
den, Techniken und Visualisierungsvorlagen.
der Weitergabe von Tipps zur Vorbereitung bis zum Üben
eines konkreten Vorstellungsgesprächs im Videosetting.
Zur Umsetzung und Weiterentwicklung dieser Methode kann
sich neben dem kollegialen Austausch auch die Zusammenar-
beit mit dem berufspsychologischen Service anbieten.
52
Literatur
53
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58
Platz für Ihre Notizen
Herausgeberin
Bundesagentur für Arbeit,
90327 Nürnberg
Zentrale AM33
September 2022
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Druck: Bonifatius GmbH
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Article
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Zusammenfassung Die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist einer der größten Anbieter von Beratungen in Bildung, Beruf und Beschäftigung. Neben der Beratung von arbeitslosen Personen adressiert das Beratungsangebot auch Personen, die sich beruflich orientieren oder (weiter-)entwickeln wollen. Seit der Corona-Pandemie kann das Beratungsangebot der BA auch im Format der Videoberatung in Anspruch genommen werden. Auch wenn diese Beratungen eine große Nähe zu Face-to-Face-Beratungen aufweisen, sind sie digital vermittelt. Der Beitrag untersucht mit Hilfe von quantitativen und qualitativen Befragungen von Beratungsfachkräften der BA, welche Erfahrungen mit Videoberatung gemacht wurden, welche professionelle Anforderungen und Herausforderungen die Beratenden dabei wahrnehmen und wie sie hierfür ihre Kompetenzen einschätzen. Die Ergebnisse zeigen ein relativ hohes Kompetenzempfinden, und es konnte einer Typologie von Videoberatenden der BA exploriert werden.
Chapter
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Das Konzept der Berufswahlbereitschaft stellt einen für Forschung und Beratungspraxis gleichermaßen wichtigen Zugang zum beruflichen Orientierungs-und Ent-scheidungsprozess von jungen Menschen dar. Vorgestellt wird ein Beratungs-und Evaluationstool (BET), mit dem die Berufswahlbereitschaft von jungen Menschen aus unterschiedlichen Perspektiven erfasst und für die Beratung fruchtbar gemacht werden kann. Auf Grundlage von Studienergebnissen werden hierzu zunächst Fragen zur Selbst- und Fremdeinschätzung der Berufswahlbereitschaft behandelt und deren Bedeutung für Beratungsprozess und-wirkung untersucht. Im Anschluss daran werden zwei praxisorientierte Anwendungsfelder des BET vorgestellt: ein Online-Self-Assessment, bei dem junge Menschen ihren aktuellen Stand im Berufswahlprozess beurteilen können, und ein Beratungstool, das Ratsuchende und Beratende bei der Reflexion und Handlungsplanung unterstützen kann. Abstract Career choice readiness is introduced in this contribution as a concept for the vocational orientation and decision-making process of young people that is equally important for research and counselling practice. A Counselling and Evaluation Tool (BET) is presented, which can be used to examine young people's readiness to choose a career from different perspectives and in different settings. On the basis of studies, questions concerning the self-and external assessment of the readiness to choose a career and its significance for the process and the effect of counselling will be discussed. Subsequently , two practice-oriented fields of application of BET will be presented: an online self-assessment in which young people can assess their status in the career choice process, and a counselling tool that can support clients and counsellors in reflection and action planning.
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Aufgabe der Beratungskonzeption ist es, ein fachlich fundiertes und differenziertes Verständnis von Beratung in der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Deutschland zu entwickeln. Seit ihrer Einführung haben sich die Rahmenbedingungen und die Bedeutung von Beratung dynamisch weiterentwickelt. Vor diesem Hintergrund wird die Beratungskonzeption der BA rechtkreisübergreifend aktualisiert. Das Grundlagenpapier steckt hierzu den gemeinsamen, rechtskreisübergreifenden Rahmen für die arbeitnehmerorientierte Beratung (neu) ab.
Article
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Zusammenfassung Die Corona-Pandemie verändert aktuell zahlreiche Lebens- und Arbeitsbereiche in Deutschland. Im vorliegenden Beitrag werden erste Trends aus einer bundesweiten Online-Befragung mit 1867 Beschäftigten der Sozialen Arbeit zu den Auswirkungen der Einschränkungen auf die Beschäftigungssituation in der Sozialen Arbeit vorgestellt. Deutlich wird bereits jetzt: Neben Arbeitsverdichtungen nehmen die Beschäftigten veränderte Arbeitsbündnisse mit den Adressat*innen ebenso wie sich wandelnde professionelle Standards wahr – bei gleichzeitig mangelnder gesellschaftlicher Anerkennung. Die Folgen der Corona-Pandemie für die Soziale Arbeit sind zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht absehbar, münden für die Mehrheit der Befragten aber in größeren Anforderungen an das eigene Handlungsfeld.
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Zusammenfassung: Angesichts der COVID-19-Pandemie und den resultierenden Beeinträchtigen persönlicher (d. h. Angesicht-zu-Angesicht stattfindender) Behandlung haben Videokonsultationen in der Erbringung von Gesundheitsleistungen in letzter Zeit massiv an Bedeutung zugenommen. Die meisten Psychotherapeuten haben bis dato wenig praktische Erfahrung in der Durchführung von Videokonsultationen gemacht, nicht zuletzt auch aufgrund bisher eingeschränkter Möglichkeiten zur Abrechnung mit den Kostenträgern. Dieser Artikel stellt daher (1) eine Übersicht über die Wirksamkeit per Videokonsultation durchgeführter psychotherapeutischer Interventionen bei depressiven und Angststörungen, (2) Empfehlungen zur spezifischen Gestaltung des Behandlungsrahmens und (3) erste Erfahrungen von Patienten und Psychotherapeuten aus einer deutschen Machbarkeitsstudie sowie mit dem Routineangebot im Krankenhaus während der COVID-19-Pandemie vor. Abstract: Given the SARS-CoV2 crisis and the resulting constraints for face-to-face treatment, video consultations recently gained a major role in the delivery of health care services. Until now, most psychotherapists have gained little experience with conducting video consultations, not least because of poor possibilities for reimbursement from statutory health insurance. This article provides (1) an overview of the effectiveness of psychotherapy interventions delivered via video consultations, (2) guidance for setting up and conducting these consultations and (3) first experiences from a feasibility trial and from the provision in routine care in a hospital during the SARS-CoV2 crisis.
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Background: People increasingly communicate online, using visual communication mediums such as Skype and FaceTime. Growing demands on primary care services mean that new ways of providing patient care are being considered. Video consultation (VC) over the internet is one such mode. Aim: To explore patients' and clinicians' experiences of VC. Design and setting: Semi-structured interviews in UK primary care. Method: Primary care clinicians were provided with VC equipment. They invited patients requiring a follow-up consultation to an online VC using the Attend Anywhere web-based platform. Participating patients required a smartphone, tablet, or video-enabled computer. Following VCs, semi-structured interviews were conducted with patients (n = 21) and primary care clinicians (n = 13), followed by a thematic analysis. Results: Participants reported positive experiences of VC, and stated that VC was particularly helpful for them as working people and people with mobility or mental health problems. VCs were considered superior to telephone consultations in providing visual cues and reassurance, building rapport, and improving communication. Technical problems, however, were common. Clinicians felt, for routine use, VCs must be more reliable and seamlessly integrated with appointment systems, which would require upgrading of current NHS IT systems. Conclusion: The visual component of VCs offers distinct advantages over telephone consultations. When integrated with current systems VCs can provide a time-saving alternative to face-to-face consultations when formal physical examination is not required, especially for people who work. Demand for VC services in primary care is likely to rise, but improved technical infrastructure is required to allow VC to become routine. However, for complex or sensitive problems face-to-face consultations remain preferable.
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Zu den Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit gehört die Beratung und Unterstützung von jungen Menschen in Fragen der Berufs- und Studienwahl. Eine herausgehobene Rolle spielt dabei das persönliche Beratungsgespräch. Grundlage hierfür ist die Beratungskonzeption BeKo, die für Beratungspersonen der Bundesagentur für Arbeit einen gemeinsamen Orientierungsrahmen, Methoden und Qualitätsstandards zur Verfügung stellt. Im vorliegenden Beitrag werden zunächst wichtige Eckpunkte der Beratungskonzeption umrissen. Im Zentrum steht dann ein Fallbeispiel einer studieninteressierten Ratsuchenden, an dem der Beratungsprozess und die Beratungsaktivitäten einer Studienberatung nach BeKo beschrieben und erläutert werden. Die Darstellung ist so angelegt, dass daraus Anhaltspunkte für die Studienberatung auch außerhalb der Institution der Bundesagentur für Arbeit gewonnen werden können. Abschließend werden die wesentlichen Aspekte und Leitlinien einer Studienberatung nach BeKo fallübergreifend zusammengefasst. Die angegebene Literatur ermöglicht eine weitere Vertiefung der angesprochenen Themen.
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Dieses Manual für Psychotherapeuten und Supervisoren zeigt, wie Sprechstunde und Supervision per Video gelingen – einem Medium, dem in der Beratungsbeziehung oft das Etikett der zweiten Wahl anhaftet. Richtig genutzt bietet die Videotherapie jedoch Möglichkeiten, die über die Face-to-Face-Interaktion hinausgehen. Exposition, Rollenspiel und Entspannung – das alles funktioniert online. Die Videobehandlung erleichtert die Umsetzung von Interventionen, stärkt die professionelle Interaktion und fördert so therapeutische Effekte. Hierfür muss eine hohe Vertrautheit mit dem Medium und der Kommunikation innerhalb des Mediums vorhanden sein sowie eine Sensibilität für die Grenzen des Einsatzes. Neben rechtlichen und technischen Grundlagen vermittelt das Praxishandbuch daher Gesprächsstrategien und Adaptionen der wesentlichen therapeutischen und supervisorischen Vorgehensweisen. Aus dem Inhalt Technische und rechtliche Grundlagen – Vorbehalte – Sitzungsorganisation – Struktur und Ablauf – Interventionen – Dos and Don'ts. Geschrieben für Psychotherapeuten und Supervisoren und zudem alle Berater, die Video nutzen, um mit ihren Klienten zu kommunizieren. Über die Autorin Susanna Hartmann-Strauss ist Diplompsychologin, Psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin. Sie arbeitet kassenzugelassen in eigener Praxis, ist seit mehr als 15 Jahren in der Weiterbildung tätig und begeisterte Onlinetherapeutin.
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Nach einer Begriffsbestimmung zur Berufswahl als lebenslang bedeutsame Lern- und Entscheidungsaufgabe bei der Neuwahl und dem Wechsel von beruflichen Tätigkeiten werden vier grundlegende theoretische Ansätze zur adäquaten Beschreibung der relevanten Einflüsse und Prozesse dargestellt. Dieses sind: zuordnungsorientierte, entwicklungs-/laufbahnorientierte, entscheidungstheoretische sowie lerntheoretische/sozialkognitive Ansätze. Anhand eines angedeuteten Fallbeispiels werden mögliche Handlungskonsequenzen für die Gestaltung der beruflichen Beratung basierend auf den unterschiedlichen Ansätzen skizziert.