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Zusammenfassung:
Neue Satellitenmissionen und verbesserte Analyseverfahren haben in den letzten 5–10 Jahren
zu signifikanten Fortschritten im Bereich der satellitenbasierten Radarinterferometrie (SB-
InSAR) geführt und ermöglichen mittlerweile die großflächige Identifikation von Boden-
bewegungen im Millimeterbereich. SB-InSAR stellt damit ein wertvolles Analysetool im
Naturgefahrenbereich dar und ist im Zusammenhang mit der erwarteten klimawandel-
bedingten Zunahme von alpinen Naturgefahren von zentraler Bedeutung. Durch die
hohe räumliche Präzision und das hohe zeitliche Auflösungsvermögen ist SB-InSAR
in der Lage, die Kinematik langsamer Kriech- und Rutschbewegungen exakt zu
charakterisieren. Dies ermöglicht die Früherkennung potenziell gefährlicher Be-
schleunigungstrends und die rechtzeitige Ergreifung von Adaptionsmaßnahmen.
Abstract:
Over the last 5–10 years new satellite missions and improved analytical
procedures led to significant progress in satellite-based radar
interferometry (SB-InSAR) and have enabled the identification of
ground movements at millimetre accuracy over large surface areas.
SB-InSAR thus represents a valuable tool for natural hazard
analysis and is of central importance regarding the expected
climate change-related increase in alpine natural hazards. Due
to its high spatial precision and high temporal resolution, SB-
InSAR is capable of accurately characterizing the kinematics
of slow creep and slide movements. This enables early
detection of potentially dangerous acceleration trends
and timely adoption of adaptation measures.
MARKUS KEUSCHNIG, MARKUS DÖRFLER, INGO HARTMEYER
Satellitenbasierte Detektion von Bodenbewegungen
für die Überwachung von Wildbacheinzugsgebieten und Schutzbauwerken
Satellite-based detection of ground motion
for monitoring torrent catchments and protective structures.
Stichwörter:
SB-InSAR,
Radarinterferometrie,
Klimawandel,
Naturgefahren,
Massenbewegungen
Keywords:
SB-InSAR, radar interferometry,
climate change, natural hazards,
mass movements
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noch nicht adäquat in Wert gesetzt. Der vorlie-
gende Artikel adressiert diese Lücke und skizziert
das faszinierende Potenzial von SB-InSAR für die
Überwachung von Wildbacheinzugsgebieten und
Schutzbauwerken.
Klimawandel erhöht das Potential
für Bodenbewegungen
Der österreichische Alpenraum ist – wie viele
Gebirgsregionen weltweit – vom Klimawandel
besonders stark betroffen. Allein seit 1850 stieg
die Temperatur hier (+2 °C) in etwa doppelt so
stark wie im globalen Durchschnitt (+1 °C) (Böhm
2012, Auer et al. 2014). Bis zum Ende des 21.
Jahrhunderts ist mit einer weiteren Erwärmung
von mehreren Grad Celsius zu rechnen (IPCC
2022, Kotlarski et al. 2022).
Als direkte Konsequenz der klimatischen
Veränderungen kommt es zu einer Steigerung
des flüssigen Niederschlagsanteils, zu einem
Anstieg kurzfristiger Starkregenereignisse, zu
einer Zunahme stationärer Wetterlagen (z.B. Dau-
erregen), zu einem Ausschmelzen von Permafrost
sowie zu einem rapiden Rückgang der Gletscher
(APCC 2014). Die Auswirkungen der modifizierten
Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse auf die
Untergrundstabilität in Wildbacheinzugsgebieten
sind hochkomplex und erfordern raum-zeitlich
differenzierte Analysen. Zahlreiche Studien rech-
nen dennoch künftig mit einer generell erhöhten
Verfügbarkeit bzw. Mobilisierung von Sediment
und gehen von einer deutlichen, klimawandelbe-
dingten Zunahme von Muren, Rutschungen und
Felsstürzen aus (Hartmeyer et al. 2020, Schlögl
et al. 2021, Stoffel et al. 2014). Gemeinsam mit
der immer intensiveren wirtschaftlichen Nutzung
des Alpenraums stellen diese Naturgefahren somit
einen erheblichen Risiko faktor dar, der in Zukunft
signifikant an Bedeutung gewinnen wird.
Hintergrund
Auf Grund ihrer Berührungslosigkeit und ihrer
gleichzeitigen Fähigkeit große Flächen zu erfas-
sen, sind Fernerkundungsverfahren in der Ana-
lyse alpiner Naturgefahren von großer Relevanz.
Besonders Beobachtungen in steilen, entlegenen
Gebieten, welche durch Ortsbegehungen bzw.
direkte Messungen in der Regel gefährlich oder
undurchführbar sind, werden ermöglicht (Kääb et
al. 2000). Passive Fernerkundungssysteme mes-
sen die natürlich vorhandene elektromagnetische
Strahlung (reflektierte Sonnenstrahlung, von der
Erdoberfläche ausgehende Wärmestrahlung). Bei-
spiele für passive Systeme sind Multispektralscan-
ner oder Wärmebildkameras. Im Gegensatz dazu
stehen aktive Verfahren, welche selbst Strahlung
aussenden und deren reflektierte Anteile messen.
Beispiele für aktive Systeme sind Laserscanner im
optischen Wellenlängenbereich oder Radarver-
fahren im Mikrowellenbereich – so wie die in die-
sem Artikel vorgestellte SAR-Interferometrie.
Seit dem Einsatz der ersten zivilen Erd-
beobachtungssatelliten Anfang der 1970er hat
sich im Bereich der Fernerkundung eine sehr
dynamische Entwicklung vollzogen. Der rasante
technologische Fortschritt der letzten Jahrzehnte
ermöglichte die ständige Erschließung neuer
Anwendungsbereiche. Ein Fernerkundungsbe-
reich, der durch technologische Fortschritte in den
letzten 5–10 Jahren besonders stark an Bedeutung
gewonnen hat, ist die satellitenbasierte SAR-
Interferometrie (SB-InSAR). Weiterentwicklungen
der SAR-Satellitenmissionen und der Analysever-
fahren ermöglichen mittlerweile die großflächige
Identifikation von Bodenbewegungen im Milli-
meterbereich über kurze (Tage) und lange Zeitin-
tervalle (Jahre). Die resultierenden Anwendungs-
potenziale von SB-InSAR sind aktuell noch nicht
im Mainstream angekommen und werden daher
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Markus Keuschnig et al.: Satellitenbasierte Detektion von Bodenbewegungen
Satelliten anhand von zwei Parametern regist-
riert: Amplitude und Phase. Die Amplitude ist die
Stärke des reflektierten Signals, die von den phy-
sikalischen Oberflächeneigenschaften beeinflusst
wird. Änderungen der Entfernung zwischen den
beiden Radarbildern werden als Phasendifferenz
angezeigt (Abb. 1). Die Kombination dieser bei-
den Bilder wird als "Interferenz" bezeichnet, da
sich die beiden Wellen durch die Kombination
entweder gegenseitig verstärken oder auslöschen.
Anders als sichtbares oder infrarotes Licht durch-
dringen Radarwellen die meisten Wetterwolken
und sind auch bei Dunkelheit wirksam.
Bereits 1992 wurde der erste Radar-
Satellit ERS-1 durch die Europäische Weltraum-
organisation (ESA) in Betrieb genommen. Zu den
limitierenden Faktoren zählten die geringe Auflö-
sung (30*30 m) und die lange Wiederkehrzeit von
35 Tagen (die Zeit, die ein Satellit benötigt, um
dasselbe Gebiet erneut zu überfliegen). Im Rah-
men des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus
Die Anforderungen an das alpine Naturgefahren-
management werden aus diesem Grund weiter
zunehmen und die Risikoanalyse insbesondere
im Bereich der Früherkennung schadenbrin-
gender Ereignisse vor neue Herausforderungen
stellen. Satellitenbasierte InSAR-Anwendungen
haben in diesem Kontext immenses Potenzial, da
sie auf Grund ihres hohen Auflösungsvermögens
und ihrer hohen Präzision grundsätzlich in der
Lage sind Naturgefahren frühzeitig zu identifizie-
ren und somit potenziell die Basis bilden für eine
rechtzeitige und daher kostengünstige Initiierung
technischer bzw. organisatorischer Adaptions-
maßnahmen.
SB-InSAR: Methodische Grundlagen
und aktueller Stand der Technik
Zur Erstellung einer Bodenbewegungskarte wer-
den Radarimpulse von einem Satelliten ausge-
strahlt, von der Erdoberfläche reflektiert und vom
Abbildung 1: Radarwellen werden kontinuierlich vom Satelliten ausgesendet und deren Reflektionen analysiert. Dabei wird die
Phasenverschiebung gemessen, die Wellenlänge ist abhängig vom gewählten Satelliten (verändert nach TRE, 2022).
Figure 1: Radar waves are continuously transmitted from the satellite and their reflections are analysed. The phase shift is measured,
the wavelength depends on the selected satellite (modified from TRE, 2022).
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für die Überwachung von Wildbacheinzugsgebieten und Schutzbauwerken
(EU, ESA) stehen seit 2014 die Daten der Sentinel-
Satelliten beinahe weltweit und kostenlos zur Ver-
fügung. Die Sentinel-1 Satelliten mit einer Wel-
lenlänge von 5,66 cm (C-Band, Abb. 1) erreichen
dabei eine Auflösung von 20*5 Meter (IW-Modus)
und eine Wiederkehrzeit 6 Tagen (Abb. 2).
Aktuell existiert knapp ein Dutzend SAR-
Satelliten mit unterschiedlichen Wiederkehrzeiten
und Wellenlängen. Alle SAR-Satelliten umkreisen
die Erde auf einer nahezu polaren Umlaufbahn
in einer Höhe von 500-800 km. Die Satelliten
bewegen sich auf der Hälfte ihrer Flugbahn vom
Nord- zum Südpol (absteigende Umlaufbahn,
descending mode) und auf der anderen Hälfte
vom Süd- zum Nordpol (aufsteigende Umlauf-
bahn, ascending mode). Folglich wird dasselbe
Gebiet entlang der beiden Umlaufbahnen mit auf-
und absteigenden Bildern überflogen (Abb. 3a).
Die Radarsignale werden dabei kontinuierlich in
einem Winkel von ca. 20–50°, in der sogenannten
„Line of Sight“ (LOS), zur Seite hin ausgesendet
(Abb. 3b). Da sich die reale Bewegung von der
auf die LOS projizierten Bewegung unterscheiden
kann, können Daten aus der auf- und absteigen-
den Umlaufbahn kombiniert werden, um hori-
zontale und vertikale Bewegungen zu errechnen.
Aufgrund der Umlaufbahnen und der Abstrah-
lungsrichtung können horizontale Bewegungen
nur in O-W Richtung detektiert werden.
Abbildung 2: Auswahl an SAR-Satelliten, ihre Wiederkehrzeiten und Wellenlängen (Bänder) (verändert nach TRE, 2022).
Figure 2: Selection of SAR satellites, their revisiting times and wavelengths (bands) (modified from TRE 2022).
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Markus Keuschnig et al.: Satellitenbasierte Detektion von Bodenbewegungen
kürzeren Wiederholungszeiten und größerer
Datendichte. In Verbindung mit stark gestiegenen
Rechen leistungen und modernen Algorithmen
können mittlerweile ganze Aufnahmepakete voll-
Seit dem Start der ersten Missionen in den
1990ern umkreist eine wachsende Anzahl von
SAR-Satelliten die Erde und liefert immer umfang-
reichere Datenreihen mit höherer Auflösung,
Abbildung 3: Umlaufbahnen (a) und Abstrahlungswinkel (Line of Sight, LOS) (b) (verändert nach TRE, 2022).
Figure 3: Orbits (a) and line-of-sight (LOS, b) (modified from TRE, 2022).
Abbildung 4: Typische Sentinel 1-basierte InSAR-Zeitreihe von einem Gebäude (Stadt Salzburg) analysiert mittels SqueeSAR®
Algorithmus. Blaue Punkte markieren Satellitenaufnahmen über die Zeit (x-Achse). Auf der y-Achse ist die Verschiebung in mm
aufgetragen. Die vertikale Standardabweichung (V_STDEV) für diese Datenreihe liegt bei 0,1 mm/Jahr.
Figure 4: Typical Sentinel 1-based InSAR time series of a building (city of Salzburg) analyzed with SqueeSAR® algorithm. Blue dots
mark satellite images over time (x-axis). Displacement in mm is plotted on the y-axis. The vertical standard deviation (V_STDEV) for
this data series is 0.1 mm/year.
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für die Überwachung von Wildbacheinzugsgebieten und Schutzbauwerken
automatisch untereinander verrechnet werden. So
integriert der auf multitemporale Analysen ausge-
legte SqueeSAR®-Algorithmus Pakete von zumin-
dest 30 SAR-Aufnahmen und ermöglicht mittels
aufwändigen statistischen Analysen die Identifi-
kation von Oberflächenänderungen im Millime-
terbereich (Ferretti et al. 2011). Für längere Zeit-
reihen (n > 30) liegt die Standardabweichung in
stabilen Oberflächenbereichen typischerweise
bei < 1 mm/Jahr (Abb. 4). Werden lediglich zwei
Aufnahmen miteinander verglichen (statt eines
ganzen Aufnahmepakets), liegt die Genauigkeit
häufig im Bereich von ± 5 mm.
Potentiale für die Überwachung von Wildbachein-
zugsgebieten und Schutzbauwerken am Beispiel des
Muhrtals (Lungau, Salzburg)
Im Rahmen des Projekts SedInOut (Interreg V-A
Italien-Österreich, 2019–2022) wurden Bodenbe-
wegungen im alpinen Raum auf einer Fläche von
über 15.000 km² detektiert und analysiert (Salz-
burg, Kärnten, Südtirol). Hauptziel des Projektes
ist die Entwicklung von Standards zur Abschät-
zung des Sedimenttransports durch Massenbe-
wegungen (SEDINOUT, 2022). Für die Detektion
von Massenbewegungen im Bundesland Salzburg
(7.159 km²) wurden dabei 494 Sentinel-1 Auf-
nahmen prozessiert (SqueeSAR®). Das Ergebnis
umfasst mehr als 1,1 Millionen Messpunkte mit
einer resultierenden Messpunktdichte von rund
160 Punkten/km². Die mittlere Standardabwei-
chung über die gesamte Aufnahmeperiode (2014–
2020) beträgt ± 0,23 mm/Jahr.
Langanhaltende saisonale Schnee-
bedeckung, eine heterogene Topographie mit
vielen nord- bzw. südexponierten Steilflanken
(= ungünstige Aufnahmegeometrie) und teilweise
intensiver Bewuchs machen das Hochgebirge
generell zu einem schwierigen Terrain für SB-
InSAR-Analysen. Die im Rahmen des Projekts
SedInOut durchgeführten InSAR-Auswertungen
demonstrieren dennoch das großflächige InSAR-
Anwendungspotenzial in Gebirgsregionen. Exem-
plarisch wird an dieser Stelle ein Ausschnitt aus
dem Muhrtal (Lungau, Salzburg) dargestellt,
der hinsichtlich Verfügbarkeit und Qualität der
InSAR-Daten eine für den Alpenraum typische
Dreiteilung zeigt: (i) entlang des besiedelten und
mit unterschiedlichen Infrastrukturen (Straßen,
Stromleitungen etc.) erschlossenen Talbodens ist
die Datendichte hoch, was in erster Linie auf das
hervorragende Radar-Reflektionsvermögen künst-
licher Bauten zurückzuführen ist (Abb. 5a: blaue
Zone); (ii) an den bewaldeten Talflanken zeigt sich
erwartungsgemäß eine äußerst geringe Daten-
verfügbarkeit, InSAR-Reflektoren treten nur sehr
sporadisch auf (Abb. 5a: grüne Zone); (iii) in den
über der Waldgrenze gelegenen Regionen zeigt
sich hingegen wieder eine hohe Punktdichte wel-
che auf das günstige Reflektionsverhalten raum-
zeitlich persistenter Fels- und Schuttformationen
zurückgeführt werden kann (Abb. 5a: rote Zone).
Rasche bzw. abrupte Veränderungen der
Geländeoberfläche stellen im Rahmen von InSAR-
Auswertungen ein signifikantes Hindernis dar und
führen in der Regel zur Dekorrelation. Zurückzu-
führen ist dies auf den Umstand, dass zwischen
zwei Radar-Aufnahmen nur Bodenveränderun-
gen in der Größe von maximal einem Viertel
der Wellenlänge (Sentinel-1: 25 % von 5,66 cm)
eindeutig gemessen werden können (Kauther &
Schulze 2015). Sind die Verschiebungsdifferen-
zen innerhalb der Wiederkehrzeit größer, kann
die zugehörige Verschiebungsgröße nicht mehr
eindeutig berechnet werden. Die Wiederkehrzeit
ist aus diesem Grund ein wichtiges Kriterium für
die Auswahl geeigneter SAR-Satelliten (Abb. 2).
InSAR-Analysen sind daher generell kein proba-
tes Mittel um intensive Erosion in und entlang
von Gerinnen (z.B. starker Geschiebetransport) zu
quantifizieren, bei der es zu einer vollständigen
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Markus Keuschnig et al.: Satellitenbasierte Detektion von Bodenbewegungen
Hervorragend geeignet sind InSAR-Auswertungen
hingegen für die Detektion langsamer Kriech-,
Fließ-, Senk- und Hebungsbewegungen. Im
Fallbeispiel Muhr zeigen sich nordöstlich der
Harrerspitze (siehe I in Abb. 5b), nördlich des
Modifikation des Terrains kommt. Dementspre-
chend gering ist im ausgewählten Fallbeispiel die
Datendichte entlang der sichtbaren Gerinnestruk-
turen sowohl am Talboden (Muhr), als auch über
der Waldgrenze (Wildbäche).
Abbildung 5: Fallbeispiel Gemeinde Muhr (Lungau, Salzburg): Hohe InSAR-Datendichte in den Talböden (Gebäude und Infrastrukturen)
und in Regionen über der Waldgrenze (Fels und Schutt).
Figure 5: Case Study Muhr Municipality (Lungau, Salzburg): High InSAR point density along valley floors (buildings and infrastructures)
and above the tree line (bedrock and debris).
c) d)
b)
a)
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für die Überwachung von Wildbacheinzugsgebieten und Schutzbauwerken
Oblitzen (siehe II in Abb. 5b) und nördlich des
Ochsenkopfs (siehe III in Abb. 5b) deutliche Ober-
flächenbewegungen. Exemplarisch ist in Abb. 5c
die Detailanalyse der Massenbewegung unterhalb
der Harrerspitze dargestellt, die für den Zeitraum
2016–2020 eine lineare Bewegung und einen
Gesamtversatz von rund 100 mm demonstriert.
Darstellungen wie die abgebildete Verschiebungs-
kurve sind hervorragend geeignet um die Kinema-
tik großer Massenbewegungen darzustellen und
zeigen wie InSAR-Auswertungen dazu beitragen
können potenziell gefährliche Beschleunigungen
von Hangbewegungen bzw. bevorstehende Sedi-
menteinträge in Wildbachsysteme in einem sehr
frühen Stadium zu erkennen (automatische Iden-
tifizierung nicht-linearer Verschiebungen).
Ähnlich wie langsame Massenbewegun-
gen sind auch Schutzbauwerke potenziell gut
für die InSAR-basierte Überwachung geeignet.
Die Abwesenheit dichter Vegetation (Kronen-
schluss) vorausgesetzt, stellen größere Schutz-
bauwerke auf Grund ihrer persistenten Geome-
trie adäquate Radar-Reflektoren dar und können
dementsprechend über die Zeit überwacht wer-
den. Beispielhaft ist in Abbildung 5b und 5d der
Fall einer Wildbachsperre in unmittelbarer Nähe
der Ortschaft Vordermuhr abgebildet. Über den
vierjährigen Beobachtungszeitraum (2016–2020)
wurden keine signifikanten Bewegungen regist-
riert, lediglich in den Wintermonaten kommt es
schneedeckenbedingt sporadisch zu kleineren
Abweichungen.
Zusammenfassung und Ausblick
SB-InSAR ist ein erprobtes Fernerkundungsver-
fahren, das bereits seit den frühen 1990er-Jahren
im Einsatz ist. In den letzten 5-10 Jahren konnten
durch neue SAR-Satellitenmissionen (Sentinel 1)
sowie durch Fortschritte in der Datenanalyse (z.B.
SqueeSAR©-Algorithmus) signifikante Verbesse-
rungen der Messgenauigkeit, Bodenauflösung und
der Zeitintervalle erzielt werden. Unter geeigne-
ten physischen Voraussetzungen (u.a. Topografie,
Oberflächenbedingungen) ermöglicht SB-InSAR
aktuell die großflächige Erkennung von Bodenbe-
wegungen im Millimeterbereich über kurze (Tage)
bzw. lange (Jahre) Untersuchungszeiträume. SB-
InSAR ist damit auch im Naturgefahrenbereich
von größter Relevanz und ermöglicht potenziell
(i) die Ersterkennung (Identifizierung) bis dato
unbekannter Naturgefahren, (ii) die Beobach-
tung (Langzeit-Monitoring) bereits bekannter
Naturgefahren, sowie (iii) die Überwachung und
Zustandsbeurteilung von Schutzbauwerken. Die
hohe zeitliche Auflösung der Datenreihen erlaubt
dabei eine exakte Charakterisierung der Kine-
matik und eine Identifizierung potenziell gefähr-
licher Beschleunigungstrends. Anhand eines
repräsentativen Fallbeispiels (Muhrtal, Salzburg)
wurde die Eignung von SB-InSAR zur Identifizie-
rung langsamer Massenbewegungen oberhalb
der Waldgrenze und zur Überwachung größerer
Schutzbauwerke exemplarisch demonstriert.
Auch in Zukunft nimmt die Anzahl von
SAR-Satelliten, Rechenleistung und Genauigkeit
der Algorithmen rasant zu. Zum Beispiel wer-
den im ARGE ALP Projekt RockSAR (2022–2024,
RSAR, 2022) neuste – durch KI unterstützte
Algorithmen – für die Überwachung schnellerer
Massenbewegungen (Rate im m-Bereich) unter
Feldbedingungen erprobt. Mit dem Start neuer
Satelliten-Generationen (L-Band Satelliten wie
ALOS-4, NISAR oder Tandem-L) können in den
nächsten Jahren auch Waldbereiche mit kurzen
Wiederkehrzeiten überwacht werden.
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Markus Keuschnig et al.
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Anschrift der Verfasser/Authors’ addresses:
Dr. Markus Keuschnig
GEORESEARCH Forschungsgesellschaft mbH
Wissenspark Salzburg Urstein
Urstein Süd 13
markus.keuschnig@georesearch.ac.at
Dr. Ingo Hartmeyer
GEORESEARCH Forschungsgesellschaft mbH
Wissenspark Salzburg Urstein
Urstein Süd 13
ingo.hartmeyer@georesearch.ac.at
Markus Dörfler, MSc
GEORESEARCH Forschungsgesellschaft mbH
Wissenspark Salzburg Urstein
Urstein Süd 13
markus.doerfler@georesearch.ac.at
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