ArticlePDF Available

Beitrag zum Recycling und Aufbau einer Kreislaufwirtschaft von Verbundkunststoffen am Beispiel der Sportgeräteindustrie

Authors:
  • KVB Institut für Konstruktion und Verbundbauweisen gGmbH
1
Beitrag zum Recycling und Aufbau einer Kreislaufwirtschaft von
Verbundkunststoffen am Beispiel der Sportgeräteindustrie
- M.Sc. Martin Zießler -
Die Anwendungsbereiche und damit verbunden auch der Bedarf von Carbonfasern sind aufgrund
ihrer herausragenden spezifischen Eigenschaften, der Langlebigkeit und der Gestaltungsfreiheit in
den vergangenen Jahren stetig zwischen 7 10 % gestiegen [Quelle: Marktbericht Composites
United e.V.]. Jedoch durchlaufen die Fasern in ihrer Herstellung einen energieaufwendigen
Fertigungsprozess, der den CO2-Fußabdruck der später entstehenden Bauteile auch bei langem
Lebenszyklus negativ beeinflusst. Darüber hinaus kommt es bei der Komponentenherstellung zu
Verschnittresten von bis zu 40 % des Grundmaterials, die einen weiteren nachteiligen Einfluss auf die
Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung mit sich bringen. Zur Steigerung der Ökobilanz von
Faserwerkstoffen ist ein Recycling und allumfassender Aufbau einer Kreislaufwirtschaft unabdingbar.
Viele Bauteile aus Faserverstärkten Kunststoffen stehen noch am Anfang ihres Lebenszyklus und
werden voraussichtlich noch einige Jahre im Einsatz sein, doch es müssen schon jetzt innovative
Lösungen entwickelt werden, um die zukünftig entstehenden Abfälle zu neuem Leben zu erwecken.
Eine derzeitig skalierbare Technologie zur Aufbereitung der Fasern stellt die Pyrolyse dar, in der die
Verstärkungsfasern unter thermischen Einfluss von der Matrix und den Nähfäden getrennt werden.
Die dazu aufgewendete Energie liegt dabei deutlich unterhalb der Herstellung der Endlosfasern, da
nach dem einstellen eines stabilen Pyrolyseprozess keine zusätzliche Energie, durch die dabei
entstehenden Gase und deren Verbrennung, zugeführt werden muss. Diese freigelegten Fasern
können beispielsweise in einem Nachfolgeprozess zu einem Vlies weiterverarbeitet werden.
Abbildung 1: Umwandlung von Faserresten zu einem Vlieswerkstoff
Insbesondere dort, wo Aktivitäten im Freien ausgeübt werden, besteht eine besondere Verbindung
zwischen Natur und Mensch und daraus resultierend auch das Verlangen der Kunden nach
nachhaltigen Produkten zum Schutz der Umwelt. Darauf aufbauend beschäftigten sich die
Wissenschaftler des Instituts für Konstruktion und Verbundbauweisen (KVB) in Zusammenarbeit mit
einem Partner aus der Industrie in zwei von der AiF geförderten Forschungsvorhaben im Rahmen des
Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) mit der Entwicklung von Board-Sportgeräten aus
recycelten Kohlenstofffasern und Kunststoffen. Hierbei standen neben exzellenten
Performanceeigenschaften bei gleichzeitig minimalem Gewicht, eine gute Recyclingfähigkeit des
Endprodukts und die Anwendung ressourcenschonender und nachhaltiger Herstellungsverfahren im
Vordergrund der Untersuchungen.
Das erste Forschungsprojekt befasste sich mit der Entwicklung eines Sportgeräts aus recycelten
Vlieswerkstoffen ohne Nutzung von weiteren Fremdmaterialen wie beispielsweise ein Holzkern,
metallische Lasteileitungselemente oder eine Kunststoffkante. Die Vliesherstellung soll dabei
2
vornehmlich aus den bei der Herstellung von Board-Sportgeräten anfallenden und aufbereiteten
Resten zu einem rCF-Vlies erzeugt werden. Grundlagenuntersuchungen von Vlieswerkstoffen
verschiedener Hersteller ergaben einen ähnlichen Elastizitätsmodul im Vergleich zur Glasfaser bei
gleichzeitiger Isotropie in allen Raumrichtungen und geringerer Zugfestigkeit. Bei der Entwicklung
von Board-Sportgeräten handelt es sich allerdings eher um ein Steifigkeits- und weniger um ein
Festigkeitsproblem, wodurch die niedrigere Festigkeit für den vorliegenden Anwendungsfall
vernachlässigt werden kann. Eine besondere Herausforderung bestand in der Realisierung der
Lasteinleitungspunkte, da ein in den Verbund geschnittenes Gewinde stets Ausbrüche der
Gewindeflanken mit sich bringt und somit die Langlebigkeit und maximalen Auszugskräfte deutlich
herabsetzt. Darüber hinaus entstehen beim maschinellen Einbringen des Gewindegangs hohe
Temperaturen, die die umliegende Matrix schädigen und somit das Tragverhalten weiter reduzieren.
Der innovative Ansatz bestand darin, den Gewindegang bereits während der Boardherstellung in den
Verbund zu integrieren. Mikroskopische Untersuchungen hergestellter Anbindungspunkte ergaben
eine sehr gute Ausformung des Gewindegangs mit Faservolumengehalten von bis zu 25 % in den
Flanken.
Abbildung 2: makroskopische und mikroskopische Aufnahmen eines geschnittenen (li.) und abgeformten (re.)
Gewindegangs
Abschließende Auszugsversuche zeigten Performanceeigenschaften der in das Recyclingvlies
eingebrachten Gewindegänge auf bzw. sogar über dem Niveau von klassischen, metallischen
Lasteinleitungselementen, die im Board-Sportbereich ihren Einsatz finden. Zum Erreichen der
Gewichtsanforderungen wurde ein Aufbau aus rCF Decklagen an Ober- und Unterseite und rCF
Skelettkern mit integrierten Lasteinleitungspunkten entwickelt. Dabei liegt die Gestaltung des
Skelettkerns einem topologischen Optimierungsansatz zu Grunde.
Abbildung 3: schematischer Boardaufbau und skaliertes Boardmuster
Die Herstellung des Board-Sportgeräts erfolgt in einem zweistufigen Verfahren in dem zum einen die
einzelnen Decklagen und zum anderen der Skelettkern im Near-Net-Shape Verfahren gefertigt und
3
in einem Nachfolgeprozess miteinander verklebt werden. Das Near-Net-Shape Verfahren zur
Herstellung des Skelettkerns bietet die Möglichkeit jegliche Faserreste, die bei der Fertigung
entstehen, mit zu verarbeiten. Daraus resultierend bildet lediglich der Randbeschnitt des Sportgeräts
zur Realisierung unterschiedlicher Boardlängen und breiten den Abfall während des gesamten
Herstellungsprozesses.
Im Rahmen des zweiten Forschungsprojekts erforschten die Mitarbeiter des KVB die Herstellung von
Boardkernen aus recycelten Polypropylen (PP) Waben im Thermoformverfahren. Moderne
Boardkerne sind geprägt durch eine komplexe Geometriegebung, die mitunter bis zu 45 % der
Herstellungszeit des Sportgeräts in Anspruch nimmt. Mit dem durchgeführten Vorhaben wurde die
Möglichkeit untersucht, den Kern in einem Fertigungsschritt ohne aufwendige und kostenintensive
Verfahren herzustellen. In verschiedenen Versuchsreihen zum Verhalten thermogeformter Waben
konnte unter Berücksichtigung der optimalen Fertigungsparameter eine große Gestaltungsfreiheit
des Kerns ohne signifikante Reduktion der mechanischen Eigenschaften nachgewiesen werden.
Abbildung 4: Ergebnisse der Thermoformversuche mit unterschiedlichen Verformungsradien und Flankenwinkeln
Eine direkte Integration von Gewindegängen in den Wabenkern ist nicht möglich. Daher bestehen die
Abbindungspunkte von beispielsweise Bindung, Finnen oder Tragegriff in diesem Fall aus
metallischen Inserts oder länglichen Einlegern längs zur Boardachse, die gleichzeitig die
Biegesteifigkeit des eher weichen Kernmaterials zusätzlich erhöhen. Die Herstellung der dafür
notwendigen Ausformungen im Wabenkern erfolgt bereits im Thermoformprozess. Damit
einhergehend wird eine hohe und reproduzierbare Positioniergenauigkeit der
Lasteinleitungselemente sichergestellt und der Ausschuss reduziert. Die dünnen Decklagen des
Thermoplastkerns aus Polyethylenterephthalat (PET) Vlies machen die Herstellung im klassischen
Handlaminat-Pressverfahren möglich, ohne die einzelnen Waben mit Harz zu füllen. Im
Laminierprozess des Sportgeräts werden die vorgefertigten Inserts eingesetzt und mit den Faserlagen
verklebt. Durch die nur einseitige Öffnung des Wabenkerns ist der Materialfluss des Laminierharzes
sehr gut kontrollierbar. Des Weiteren konnte in den Untersuchungen gezeigt werden, dass ein
zusätzliches Aufbringen von Primer auf die polyolefine Polymerstruktur des Grundmaterials der
Wabe vor der Verklebung der Inserts nicht notwendig ist.
4
Abbildung 5: Ausformung zur Insertintegration und integrierte Lasteinleitungselemente
Zum Schutz der offenen Wabenkanten vor dem Eindringen von Wasser oder mechanischer
Beschädigung des Kerns findet eine klassisch eingesetzte Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) Kante
Anwendung. In Abhängigkeit des einzustellenden Eigenschaftsprofils wird der Lagenaufbau an die
Zielstellung angepasst. Dabei stellt der Einsatz von rCF Vlieswerkstoffen als Deckalgen einen
vielversprechenden Ansatz zur Gewährleistung eines möglichst hohen Grads an nachhaltigen
Materialien dar, ohne ein Gewicht von 3 kg zu überschreiten.
Neben den Laboruntersuchungen der unterschiedlichen Demonstratorboards, wussten für beide
Forschungsvorhaben auch die durchgeführten Feldtests durchaus zu überzeugen. An dieser Stelle
gab es weder Einschränkungen in der Langlebigkeit noch in den Fahreigenschaften im Vergleich zu
konventionell hergestellten Board-Sportgeräten.
Abbildung 6: Feldtests der entwickelten Board-Sportgeräte
Die vorgestellten Forschungsprojekte leisten einen innovativen Beitrag zum Aufbau einer
Kreislaufwirtschaft durch den Einsatz rezyklierter Werkstoffe im Strukturbereich und erweitern somit
das Anwendungsfeld solcher Materialien. Der verantwortungsvolle Umgang mit endlichen
Ressourcen ist eine unaufschiebbare Voraussetzung zum Erhalt des Planeten und Eindämmung des
fortschreitenden Klimawandels. In vielen Natursportarten ist das Umweltbewusstsein zum Teil seit
Jahrzehnten tief in der DNA verwurzelt, da sie ohne den Schutz des Ökosystems nicht mehr in vollem
Umfang ausgeübt werden können. Diese Denkweise überträgt sich in ähnlicher Form mehr und mehr
auf den kompletten Lebensraum und führt zu einer Steigerung des Wunschs nach
ressourcenschonenden und nachhaltigen Produkten in nahezu allen Konsumentenbereichen. Daher
kann davon ausgegangen werden, dass die Nachfrage solcher Fabrikate in den kommenden Jahren
exponentiell ansteigt. Darüber hinaus wächst zunehmend der Druck der Politik durch beispielsweise
die Vorgabe von jährlich zunehmenden Recyclingquoten auf die Industrieunternehmen zur
Entwicklung neuartiger Komponenten aus recycelten Werkstoffen. Für eine gesamtheitliche,
allumfassende Kreislaufwirtschaft werden weitere innovative Lösungen in den verschiedensten
Anwendungsbereichen notwendig sein, um zukünftig allen Bauteilen aus Faserverbundwerkstoffen
und Kunststoffen nach dem Ende ihres Lebenszyklus neues Leben einzuhauchen.
ResearchGate has not been able to resolve any citations for this publication.
ResearchGate has not been able to resolve any references for this publication.