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Zur Bedeutung von Emotionen im Journalismus
Margreth Lünenborg/Débora Medeiros
Emotionen in hybriden Mediensystemen: Momentaufnahmen
März 2022: (1) „Feel the news – Was Deutschland bewegt“, so betitelten
Jule und Sascha Lobo (2022) ihren neu platzierten wöchentlichen Podcast,
der „diese eine, größte emotionale Debatte des Landes“ in den Blick
nimmt. Sie adressierten damit ganz explizit Emotionen als relevante Di
mension von Journalismus: Einerseits benennen sie Emotionen als inhalt
liche Dimension, die dazu beiträgt, dass Nachrichten Resonanz erzeugen,
dass ‚Deutschland bewegt‘ wird. Anderseits verweist der Titel auf eine spe
zifische Rezeptionsweise: Nachrichten werden hier nicht als Informations
angebot angepriesen, das nüchtern und besonnen genutzt werden sollte.
„Feel the news“ benennt vielmehr pointiert jene affektive Adressierung des
Publikums, die in hybriden Mediensystemen zunehmend an Bedeutung
gewinnt. Die Einladung an Zuhörer*innen, durch eigene Sprachnachrich
ten zum Podcast beizutragen, greift diese affektive Adressierung auf und
bindet sie in das Produkt ein. Die Lobos haben, so lässt sich bilanzieren,
ein gutes Gefühl für den Bedeutungsgewinn von Emotionen in öffentli
cher Kommunikation und wissen, dies strategisch in ihre Vermarktung
einzubinden.
(2) Die Berichterstattung über den Krieg Russlands in der Ukraine, der
Ende Februar 2022 von Moskau initiiert wurde, greift in hohem Maße
auf das Narrativ David gegen Goliath zurück. Die Heldenstilisierung des
unerschrockenen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kontras
tiert scharf mit dem ins Pathologische überzeichneten Bild des russischen
Schurken Wladimir Putin (zur Kritik daran vgl. beispielhaft Rennefanz
2022). Das emotionsgeladene Begriffsinventar zur Bezeichnung der Täter
wächst ebenso schnell wie die Vielfalt an Opfer-Bildern, die Entsetzen
und Empathie bei den Zuschauenden auslösen. So verbreitet und verstärkt
Journalismus emotional die Kriegslogik von antagonistischer Feindschaft.
(3) Als „peinlich“ (Utz et al. 2022) und „Tiefpunkt seiner bisherigen
Kanzlerschaft“ (Ismar 2022) wurde die fehlende empathische Reaktion
von Bundeskanzler Olaf Scholz auf die Ansprache des ukrainischen Präsi
denten Selenskyj im März 2022 im Deutschen Bundestag in der Presse
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kritisiert. Es war weniger die politische Entscheidung selbst (Deutschland
greift nicht aktiv in das Kriegsgeschehen ein), denn vielmehr die fehlende
öffentliche Hervorbringung angemessener Emotionen (Mitgefühl, Solida
rität, Empörung), die zum Gegenstand medienöffentlicher Aushandlung
wurde. Und wo journalistische Beiträge die Bedeutung mangelnder emo
tionaler Performanz des Kanzlers wortreich beklagten, sorgten Memes und
Kommentare in sozialen Netzwerken unverhohlen für Hohn und Verach
tung. Emotionen selbst sind somit Gegenstand der Bewertung politischen
Handelns geworden.
(4) Das Lachen des Kanzlerkandidaten und CDU-Vorsitzenden Armin
Laschet im Ahrtal nach den dramatischen Überschwemmungen im Som
mer 2021, dokumentiert in einer Videoaufzeichnung und als Endlosschlei
fe im Wahlkampf wiederholt, war ausgiebig Gegenstand öffentlicher
Debatten um das (Un-)Vermögen angemessener Emotionsausdrücke po
litischer Akteur*innen. Nicht falsche Entscheidungen, sondern ‚falsche
Gefühle‘, medial dokumentiert und ins Zentrum gerückt, dürften dem
Kandidaten entscheidende Wähler*innenstimmen gekostet haben.
Diese Beispiele zeigen, dass Emotionen im Journalismus und in der po
litischen Kommunikation omnipräsent sind. Ist das tatsächlich ein neues
Phänomen? Oder hat sich die Art der Beobachtung verändert? Diese Fra
gen will der vorliegende Beitrag beantworten und betrachtet dabei die Rol
le von Emotionen im Journalismus sowie in der Journalismusforschung.
Forschungsstand
Die Bedeutung von Emotionen im Journalismus war in der Journalismus
forschung lange Zeit ein blinder Fleck. Das normative Ideal des Jour
nalismus, rationale, faktenbasierte und damit beobachterunabhängige Be
schreibungen von Wirklichkeit zu liefern, hat damit – trotz gegenteiliger
Beobachtungen – in weiten Teilen strukturierende Kraft auch für die For
schung über Journalismus entwickelt. Das Ideal des Objective Reporting
als dominantes Paradigma des globalen Nachrichtenjournalismus (vgl. Ha
nitzsch et al. 2019) beruht grundlegend auf dem Vermögen rationaler
Faktenreduktion, die im Spiegel-Slogan „Sagen, was ist“ beispielhaft ihren
Ausdruck gefunden hat. Kontrastiv zu diesem Ideal des Qualitätsjourna
lismus erscheint Boulevardjournalismus als jener Modus journalistischer
Kommunikation, in dem Emotionen allgegenwärtig und unverzichtbar
sind (vgl. Lünenborg 2017). Indem das Erzeugen und Ausstellen von Emo
tionen im Boulevardjournalismus zum „Anderen“ des Objective Reporting
gemacht wird, verstärkt er zugleich die Wirkmächtigkeit der Objektivitäts
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norm. Dass eine solche Dichotomisierung zu kurz greift, ist vielfältig
beschrieben und diskutiert worden (vgl. Klaus 2008; Lünenborg 2017:
321-324). Verloren gehen dabei einerseits die Orientierung und Verstän
digung erzielenden Leistungen von unterhaltungsorientierten Angeboten
des populären Journalismus. Andererseits – und dem soll im Weiteren
besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden – bleibt die Bedeutung von
Emotionen im Nachrichtenjournalismus unterbelichtet. Werden in der
neueren sozialtheoretischen Forschung Emotionen als zentraler Baustein
von Sozialität schlechthin verstanden (vgl. von Scheve 2009), so wird die
Dringlichkeit, diese Perspektive auch systematisch in der Forschung von
Journalismus zu berücksichtigen, unübersehbar.
Mit dem „emotional turn in journalism studies” (Wahl-Jorgensen
2020) lässt sich eine solche Öffnung und Weitung des internationalen
Forschungsfeldes beobachten. Systematisch werden nun Emotionen als
konstitutiver Bestandteil journalistischer Öffentlichkeit in den Blick ge
nommen. In „hybrid media systems“ (Chadwick 2013) ist es deutlich, dass
Journalismus im Zusammenspiel mit öffentlicher Kommunikation in digi
talen Netzwerken von deren Affektdynamiken beeinflusst wird und diese
zugleich selbst nutzt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Emotionen wer
den damit nicht länger allein als störendes Element betrachtet, sondern die
Forschung fragt danach, wie sie in der Arbeit von Journalist*innen ebenso
wie in journalistischen Produkten und schließlich den Modi der Rezep
tion und Nutzung journalistischer Angebote bedeutsam werden. Damit
schließt die Journalismusforschung an jenes ausdifferenzierte Feld der sozi
al- und kulturwissenschaftlichen Emotions- und Affektforschung an, das
seit den 2000er-Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen hat (vgl. Ahmed
2004; Gregg/Seigworth 2010) und auf frühe Arbeiten Hochschilds (1979)
zu Emotionsarbeit (Emotional Labor) und Gefühlsregeln (Feeling Rules)
als strukturierende Kräfte sozialer Ordnungen aufbaut. Diese Forschung
basiert auf einem Verständnis von Affekten und Emotionen als relationa
le Phänomene, die sich gegenseitig bedingen. Affekte sind dynamische,
körperliche Wahrnehmungen, die oft sozio-kulturelle Kategorien sprengen
und dadurch noch nicht sprachlich gefasst werden können. Emotionen
wiederum umfassen distinkte, sozio-kulturell geformte Wahrnehmungen
und Ausdrucksweisen, die zumeist eindeutig bezeichnet werden – z. B. als
Wut, Angst oder Freude. Dieser Akt der Benennung kann wiederum zuvor
unspezifische Affekte intensivieren oder ändern (vgl. von Scheve/Slaby
2019: 44-46).
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Emotionen in der journalistischen Kommunikation
Journalismus wird normativ insbesondere mit dem Objektivitätsideal ver
bunden. Diesem Modus der Berichterstattung wird die Erzeugung neutra
ler, rationaler und unbeteiligter Vermittlung von Wirklichkeit zugeschrie
ben. Mit Bourdieu (2005) lässt sich dies als illusio des Feldes fassen,
als jene Regeln im sozialen Feld des Journalismus, die den Beteiligten
selbstverständlich erscheinen und dabei Wesentliches verbergen. Zahlrei
che Studien befassen sich mit journalistischen Praktiken, die von dem
Objektivitätsstandard beeinflusst werden, wie z. B. die Auswahl von Inter
viewpartner*innen und die Etablierung von Nachrichtenwerten (vgl. u. a.
Tuchman 1978; O’Neill/Harcup 2009). Sie zeigen auch die Mängel auf, die
entstehen, wenn vor allem mächtige Akteur*innen einer Gesellschaft als
Quellen zu Wort kommen und ihre Sicht auf die Ereignisse mit wenig Kri
tik reproduzieren (vgl. Gans 1979; Bennett 2010). Diesen Forschungsansät
zen ist gemein, dass sie den Fokus entweder auf gesellschaftliche Auseinan
dersetzungen und Machtverhältnisse oder auf interne bzw. redaktionelle
Dynamiken setzen. Die Rolle von Emotionen bleibt dabei unberücksich
tigt. Weder im journalistischen Selbstverständnis und Handeln noch in
der daraus resultierenden Berichterstattung wurden Emotionen bis in die
2000er-Jahre von der Journalismusforschung systematisch betrachtet.
Dabei bedeutet das Streben nach Objektivität auch den Versuch, Emo
tionen möglichst aus der journalistischen Arbeit auszuschließen, wie eine
Untersuchung mehrerer journalistischer Lehrbücher ergab: „Those in
other professions may be urged to employ their feelings while working
with others. Journalists, however, may be largely unable to do so for the
sake of remaining emotionally detached and unbiased.“ (Hopper/Huxford
2017: 94) Stattdessen wird traditionell die Übermittlung von Emotionen
und damit verbundener Unterhaltung mit dem Schlagwort der Boule
vardisierung vorwiegend kommerziellen Medien, insbesondere dem Bou
levardjournalismus, zugeschrieben (vgl. Donsbach/Büttner 2005). Doch
auch jenseits des Boulevardjournalismus sind Emotionen und Affekte als
wichtige Faktoren bei der Selektion, Präsentation und Distribution journa
listischer Inhalte erkennbar (vgl. Peters 2011; Glück 2016; Wahl-Jorgensen
2019). Emotionen werden damit zu einem konstitutiven Bestandteil jour
nalistischen Handelns und journalistischer Angebote, der erst in den ver
gangenen Jahren Aufmerksamkeit in der Forschung erlangt hat. In den fol
genden Unterkapiteln gehen wir auf zentrale Aspekte dieses Forschungs
stands detaillierter ein. Wir unterscheiden dabei die Bedeutung von Emoti
onsarbeit in der Medienproduktion auf der Ebene der Akteur*innen im
journalistischen Alltag (vgl. Abschnitt 3.1), Emotionen als Element des
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Storytelling auf der Ebene journalistischer Angebote (vgl. Abschnitt 3.2),
Emotionen als Bestandteil des Rezeptionsprozesses (vgl. Abschnitt 3.3)
sowie auf institutioneller Ebene Emotionen als Dimension der journalisti
schen Interpretationsleistung (vgl. Abschnitt 3.4).
Emotionsarbeit im journalistischen Alltag
Das Konzept der Emotionsarbeit beschreibt die Absicht, aktiv durch ko
gnitive, körperliche und diskursive Mittel die eigenen Emotionen so zu
steuern, dass sie dadurch den sozialen Erwartungen gegenüber Emotions
ausdrücken in konkreten Situationen entsprechen (vgl. Hochschild 1979:
561-562). Hochschild (1979) beschreibt es als wesentliche soziale und pro
fessionelle Kompetenz, das situativ angemessene Erleben von Gefühlen
performativ zum Ausdruck zu bringen. Studien, die Emotionsarbeit als
Teil der journalistischen Tätigkeit betrachten, ermöglichen wertvolle Ein
blicke in die Strategien von Journalist*innen im Umgang mit dem Wider
spruch zwischen ihren eigenen Emotionen und den normativen Erwartun
gen ihres Feldes. Während Journalist*innen objektiv und distanziert zu
sein haben, sollten sie die Emotionen ihrer Quellen vermitteln können
– ohne dabei den eigenen Emotionen Raum in der Berichterstattung zu
geben (vgl. Pantti/Wahl-Jorgensen 2021: 1568).
Journalistische Emotionsarbeit wird bedeutsam in Praktiken wie dem
Interviewen, das Empathie und die Herstellung von Vertrautheit zwischen
beiden Seiten erfordert, ohne dabei professionelle Standards zu verletzten.
Das ist besonders herausfordernd, wenn die Interviewten Opfer von Ge
walt oder Überlebende einer Katastrophe sind, was erhöhtes Mitgefühl der
Interviewenden hervorruft bei gleichzeitigen Erwartungen professioneller
Distanz auf Seiten der Journalist*innen (vgl. Glück 2016; Richards/Rees
2011). Pantti (2010: 173) zeigt auf, dass Mitgefühl im Umgang mit trauma
tisierten Quellen mittlerweile zu einer ethischen Anforderung geworden
ist und damit das Navigieren zwischen Empathie und Professionalität ver
ändert hat.
Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich in der professionellen Diskussion
um Reportagen und Feature Stories. Die Emotionsarbeit von Journalist*in
nen sowohl im Umgang mit ihren Quellen als auch mit den Erfahrungen
vor Ort wurde zunehmend als wesentlicher Teil guter Reportagen verstan
den. Als Gegensatz zum distanzierten Stil z. B. von Breaking News führte
dies einerseits zu einem kritischeren Umgang mit Elementen der Objek
tivitätsnorm wie Neutralität und Distanziertheit, andererseits wurden Ele
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mente eines objektiven Journalismus wie Faktizität und Fairness verstärkt
(vgl. Schmidt 2021: 1186).
Der Umgang mit eigenen Traumata, die während der Berichterstattung,
insbesondere in Krisen und Kriegen, erlitten wurden, stellt einen weite
ren wichtigen Forschungsbereich dar. In den Redaktionen wird weniger
über die Emotionen und die Traumatisierung der Journalist*innen selbst
gesprochen als über jene der Interviewten (vgl. Richards/Rees 2011: 859).
Die Unterstützung von Journalist*innen durch Medienunternehmen nach
einem traumatischen Arbeitseinsatz ist oft mangelhaft (vgl. Muller 2010:
10). Daher entwickeln Betroffene häufig eigene Strategien, um Traumata
zu bewältigen. Buchanan und Keats (2011) beschreiben Techniken der
Verdrängung, der Kompensation (z. B. Sporttreiben) oder das Fokussieren
auf technische Aspekte der Berichterstattung als Formen der indirekten
Emotionsarbeit, mit der traumatisierte Journalist*innen versuchen, im
Job zu bleiben. Entgegen solcher Tabuisierung im Redaktionsalltag sieht
Rentschler (2009: 176) Traumata als eine strukturelle Nebenwirkung von
journalistischer Arbeit, die nicht die Ausnahme, sondern die Regel in
einem Kontext zunehmender Kommerzialisierung der Krisenberichterstat
tung darstellt.
Durch seine ethnographische Arbeit bietet Stupart wichtige Einblicke
in die Emotionsarbeit von Krisenreporter*innen vor Ort und hebt Emoti
onsarbeit als Teil der Lösung moralischer Dilemmata (vgl. Stupart 2021a)
sowie im Umgang mit physischer und mentaler Erschöpfung hervor (vgl.
Stupart 2021b), die Journalist*innen in Krisen spüren. Wie Rentschler
(2009) mit Bezug auf Traumata, so sieht er Erschöpfung als integralen
Teil der journalistischen Arbeit in der Krisenberichterstattung, nicht als
Nebeneffekt.
Die Covid-19-Pandemie hat den kollektiven und informellen Charakter
vieler Coping-Strategien von Journalist*innen in belastenden Situationen
beleuchtet, wie Šimunjaks (2022) qualitative Interviews mit britischen
Journalist*innen während der Pandemie zeigen. Insbesondere die Wich
tigkeit der Redaktion als physischer Ort, der informellen Austausch und
gegenseitige Unterstützung unter Kolleg*innen ermöglicht, wurde von
den Interviewten hervorgehoben. Sie mussten neue Formen von Emoti
onsarbeit im Homeoffice entwickeln, um mit den Herausforderungen
der Pandemie-Berichterstattung umzugehen (vgl. Šimunjak 2022: 333).
Ein ähnlicher Mangel an Verbundenheit und emotionaler Unterstützung
wird auch von Fotojournalist*innen erwähnt, die überwiegend freiberuf
lich und dadurch ohne Einbindung in Redaktionsstrukturen arbeiten (vgl.
Thomson 2021: 970).
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Die Redaktion ist nicht nur der Ort, an dem Journalist*innen Unterstüt
zung bei ihrer Emotionsarbeit erfahren, sondern stellt auch selbst Heraus
forderungen dar. Das beginnt auf der organisationalen Ebene, auf der
Journalist*innen mit einer wachsenden Prekarisierung ihrer Arbeitsbedin
gungen einerseits (vgl. Waschková Císařová 2021) und mit betrieblichen
Anforderungen für verstärkte emotionale Bindung an die Arbeit (vgl.
Lindén et al. 2021) andererseits konfrontiert werden. Auch in interperso
nellen Beziehungen innerhalb der Redaktion spielt Emotionsarbeit eine
Rolle. Informelle Hierarchien, z. B. zwischen unterschiedlichen Ressorts,
werden auch emotional aufrechterhalten und Journalist*innen müssen mit
Emotionen wie Neid oder Bewunderung untereinander umgehen (vgl. Lü
nenborg/Medeiros 2021b: 1734). In Ländern wie Deutschland, wo Redak
tionen noch recht homogen sind (vgl. Pöttker/Kiesewetter/Lofink 2016;
Neue deutsche Medienmacher*innen 2020), sind die Biographien von
Journalist*innen auch Teil von Aushandlungsprozessen in Redaktionen.
Dies erfordert Emotionsarbeit sowohl von Journalist*innen, die z. B. qua
sozialer oder ethnischer Herkunft in der Minderheit sind, als auch von
Journalist*innen aus der Mehrheitsgesellschaft (vgl. Lünenborg/Medeiros
2021a). Solche Aushandlungsprozesse werden teilweise als „unausweich
lich“ von einigen leitenden Redakteur*innen gesehen, die die Bereitschaft
für diese „Reibungen“ von allen Beteiligten als eine Voraussetzung für
die Diversifizierung von Redaktionen sehen (vgl. Neue deutsche Medien
macher*innen 2016; Ulrich 2016: 30).
Von besonderem Interesse ist die Emotionsarbeit, die Journalist*innen
ihrem Publikum gegenüber leisten. Peters (2011: 306-307) nutzt, in Anleh
nung an Anderson (1993), den Begriff Imagined Audience, um jene Emotio
nen zu erfassen, die Teil der Vorstellung sind, die Medienschaffende von
der Beziehung zu ihrem eigenen Publikum haben. Dies wird insbesondere
relevant, wenn Emotionen mit Bezug auf nationale bzw. kollektive Iden
tität und die Erzeugung von Erinnerungen durch Medien im Zentrum
stehen. In ihrer Analyse der Berichterstattung über den neuseeländischen
Anzac Day als nationalen Erinnerungstag machen McConville et al. (2017)
affektiv-diskursive Praktiken sichtbar, die Neuseeland als eine homogene
Nation erzeugen und damit kritische Positionen der Māori-Bevölkerung
zu Neuseelands kolonialer Vergangenheit von der Berichterstattung aus
klammern oder überwiegend negativ bewerten. Solche homogenisieren
den Vorstellungen eines (zumeist nationalen) Publikums werden in zahl
reichen Analysen journalistischer Berichterstattung sichtbar. Forderungen
nach mehr Diversität im Journalismus – personell und inhaltlich – sind
in Reaktion darauf entstanden. An die Stelle einer homogenen Nation als
Imagined Community (vgl. Anderson 1993) tritt dann die Vorstellung und
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Adressierung eines Publikums, das der kulturellen und sozialen Vielfalt in
Migrationsgesellschaften entspricht (vgl. Lünenborg/Medeiros 2021a).
In hybriden Mediensystemen (vgl. Chadwick 2013) sind die Möglichkei
ten für direkte Interaktion zwischen Medienschaffenden und Rezipieren
den immens gestiegen. Die neu entstandenen direkten Kanäle bringen
jedoch erhebliche Herausforderungen zur Regulation von Emotionen mit
sich. Insbesondere Formen des Online-Harassment, Beschimpfungen, Ver
leumdungen oder auch Drohungen gegenüber Journalist*innen sind Ge
genstand neuerer Forschung. Diese verbalen Angriffe können punktuell
auf einzelne Artikel bezogen oder kontinuierlich und fokussiert auf indi
viduelle Journalist*innen sein (vgl. Kantola/Harju 2021). Journalistinnen
werden in besonders hohem Maße zum Ziel verbaler Attacken (vgl. Repor
ters Without Borders 2018: 8). Sowohl auf individueller Ebene als auch im
Rahmen redaktioneller Moderation von Social-Media-Kommentaren wird
Emotionsarbeit zu einer unverzichtbaren journalistischen Praktik (vgl. Lü
nenborg 2021: 8-11).
Insbesondere auf Social-Media-Plattformen, auf denen sich Journa
list*innen häufig in einer Mischung aus beruflichen und privaten Facetten
präsentieren (vgl. Brems et al. 2016; Hedman 2020), müssen sie Strategi
en finden, um mit hasserfüllten Posts umzugehen. In ihrer qualitativen
Studie zu US-amerikanischen und australischen Journalist*innen zeigen
Bossio und Holton (2019: 2), dass unterschiedliche Praktiken von Discon
nection eine zentrale Rolle für Medienschaffende spielen, um mit der emo
tionalen Belastung durch Online-Angriffe umzugehen. Dies reicht von
einer Reduzierung persönlicher Nachrichten und der Interaktionen mit
unbekannten Nutzer*innen bis zu einer Verringerung der verbrachten
Zeit auf Social-Media-Plattformen. Kantola und Harju (2021: 12) verwei
sen auf die Bedeutung kollektiver Praktiken im Umgang mit Online-Ha
rassment. So erhalten Betroffene aktive Unterstützung von Kolleg*innen
und Vorgesetzten oder öffentliche Solidarität. Dadurch wird das Problem
entindividualisiert und als Teil der Herausforderungen sichtbar, denen
Journalist*innen als Community durch geteilte Praktiken begegnen kön
nen (vgl. Kantola/Harju 2021: 14). Wie andere Studien in diesem Unterka
pitel, so zeigen auch diese Untersuchungen, dass Emotionsarbeit oft mit
konkreten professionellen Strategien verbunden ist.
Emotionen als Mittel des Storytellings
Trotz des normativen Objektivitätsdiskurses betrachten – vor allem jünge
re – Journalist*innen Emotionen als Teil der Wirklichkeit, die von ihrer
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Berichterstattung aufgegriffen wird, doch der Umgang mit ihnen ist un
terschiedlich: Für viele Journalist*innen gelten Emotionen als wünschens
wert, wenn sie das Publikum erfolgreich in die Berichterstattung miteinbe
ziehen und komplexe Themen greifbarer und verständlicher machen (vgl.
Pantti 2010; Rosas 2018; Glück 2021). Die Affordanzen eines Mediums
fließen dabei mit in die Überlegungen von Redaktionsmitgliedern zu
Emotionen in der Berichterstattung ein: Einige Fernsehjournalist*innen
sind der Meinung, dass Bilder Emotionen besser transportieren können
als Texte (vgl. Pantti 2010: 172). Andere betrachten Emotionen als ein
Mittel, um mehr Zuschauende zu erreichen (vgl. Glück 2021: 1683). Inter
views, insbesondere mit Online-Journalist*innen, zeigen, dass diese sich
gezielt Gedanken darüber machen, wie Emotionen in ihrem multimedia
len Material zum Ausdruck kommen können (vgl. Rosas 2018: 2125). Nur
wenige Journalist*innen gaben dabei offen zu, dass sie Emotionen strate
gisch einsetzen, um eine höhere Klickzahl für ihre Beiträge zu erzielen
(vgl. Rosas 2018: 2122). Das kann ein Indikator für die Bedeutung von
Emotionen in hybriden Mediensystemen sein – bei gleichzeitiger Tabuisie
rung solch ökonomischer Überlegungen in der journalistischen Arbeit.
Journalist*innen zeigen sich der Gefahr von Sensationalismus-Vorwürfen
bewusst, indem sie versuchen, einen exzessiven Einsatz von Emotionen als
Storytelling-Mittel zu vermeiden, da sie zu einem Glaubwürdigkeitsverlust
führen können (vgl. Pantti 2010; Richards/Rees 2011; Hopper/Huxford
2017; Rosas 2018).
Während viele der zitierten Studien methodisch auf Interviews und Be
obachtungen in Redaktionen setzen, gibt es auch eine lange Tradition der
Untersuchung von Medientexten mit Blick auf die Rolle von Emotionen.
Saxer und Märki-Koepp (1992) haben diese mit der Analyse von Schweizer
Publikumszeitschriften in den 1980er-Jahren etabliert. Ihre quantitative
Inhaltsanalyse diente als empirische Basis für das Konzept der Medien-Ge
fühlskultur, das beschreibt, wie „der Einsatz von Gefühlswerten bzw. emo
tionaler Tönung […] ein wichtiges, vielfach zentrales Strukturierungs- und
auch Dynamisierungselement des jeweiligen Medien-Gesamtangebots bil
det“ (Saxer/Märki-Koepp 1992: 243). Wie Emotionen dargestellt werden,
hängt demzufolge von Elementen wie den unterschiedlichen redaktionel
len Linien der Medienunternehmen, dem Publikumssegment, das ange
sprochen werden soll, und der sozialen Bewertung bestimmter Emotionen
ab (vgl. Saxer/Märki-Koepp 1992: 259).
Anhand einer Inhaltsanalyse von preisgekrönten journalistischen Tex
ten, die zwischen 1995 und 2011 erschienen sind, kommt Wahl-Jorgen
sen (2013) zu dem Schluss, dass Emotionen als Teil eines „strategischen
Rituals“ eingesetzt werden: Einerseits sind sie ein zentraler Bestandteil
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insbesondere von Reportagen und dienen dazu, dem Publikum komplexe
Themen auch emotional näherzubringen. Andererseits werden Emotionen
mit Praktiken kombiniert, die Journalist*innen dabei helfen, Objektivitäts
standards weiterhin zu erfüllen. Durch den Einsatz von narrativen Mitteln,
die unerwartete Ereignisse hervorheben und ein höheres emotionales En
gagement des Publikums fördern, oder das Auslagern von emotionalen
Äußerungen auf die interviewten Protagonist*innen haben Journalist*in
nen Muster entwickelt, mit denen sie zugleich die Benennung ihrer eige
nen Emotionen vermeiden können (vgl. Wahl-Jorgensen 2013: 141-142).
Inhaltsanalysen von journalistischen Beiträgen in Bereichen wie Wirt
schafts- (vgl. Capelos et al. 2018) oder Kulturjournalismus (vgl. Kristensen
2021) zeigen, dass Emotionen zentrale Elemente auch in diesen Formen
der Berichterstattung sind. Im Kulturjournalismus, insbesondere im Be
reich der Rezensionen, setzten Journalist*innen ihre eigenen Emotionen
als strategisches Mittel ein, um sowohl ihr individuelles Branding zu ver
stärken als auch ihr Publikum zu vergrößern (vgl. Kristensen 2021: 1604).
Digital-Native-Medienunternehmen, die erst in diesen hybriden Medi
ensystemen entstanden sind, können Emotionen auf besonders innovative
Weise in ihre Berichterstattung integrieren, wie Dennis und Sampaio-Dias
(2021) in ihrer qualitativen Textanalyse der Wahlberichterstattung 2017 in
Großbritannien durch zwei neu gegründete Redaktionen zeigen. Die Jour
nalist*innen, die oft zu derselben Altersgruppe wie ihr junges Publikum
gehören, kombinieren typische Elemente von Online-Kommunikation wie
Memes mit humorvollen, sarkastischen und persönlichen Schreibstilen,
ähnlich wie auf Social-Media-Plattformen. Dadurch verknüpfen sie erfolg
reich Information und Unterhaltung als innovative Form der Adressierung
eines jüngeren Publikums (vgl. Dennis/Sampaio-Dias 2021: 1623–1624).
Die Autor*innen beschreiben diese Entwicklung als „Informalisierung“
des Journalismus, d. h. einer wachsenden Hybridisierung journalistischer
Angebote, die in Abschnitt 4 noch in den Blick genommen werden.
Emotionen in der Rezeption
Zahlreiche Studien, die die Reaktionen von Rezipierenden auf Emotio
nen in journalistischen Angeboten analysieren, werden von einem expe
rimentellen Fokus auf kognitive Aspekte der Rezeption geprägt (vgl. u.
a. Arpan/Nabi 2011; Choi/Lee/Ji 2020; Waddell 2020). Auch experimen
telle Designs, die die emotionalen Reaktionen auf bestimmte diskursive
Frames untersuchen, werden häufig verwendet (vgl. Lecheler/Bos/Vliegen
thart 2015; Kleemans/Schlindwein/Dohmen 2017). Soziokulturelle Aspek
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te rund um Emotionen bei der Rezeption journalistischer Beiträge waren
lange eher ein Randthema in der Journalismusforschung, die sich primär
auf die journalistische Arbeit und auf journalistische Inhalte fokussierte.
Jetzt werden Stimmen lauter, die einen interdisziplinären „audience turn“
in der Forschung über Emotionen im Journalismus fordern (vgl. Dias/Jor
ge 2016; Lecheler 2020). Sie zeigen die Möglichkeiten eines produktiven
Austauschs zwischen psychologisch orientierter, experimenteller Medien
wirkungsforschung und einem sozialwissenschaftlichen Blick, um den kol
lektiven, relationalen Charakter von Emotionen in Rezeptionsprozessen
stärker hervorzuheben (vgl. Lecheler 2020: 289).
Seit Mitte der 2010er-Jahre erlebt die Forschung zur Polarisierung auf
Social-Media-Plattformen einen Aufschwung, ausgelöst durch politische
Ereignisse wie das Brexit-Referendum und die Wahlsiege rechtspopulis
tischer Politiker*innen in zahlreichen Ländern. Relevant werden hier
die Emotionen von Nutzer*innen, wenn sie journalistische Inhalte über
rechtspopulistische Parteien und Politiker*innen auf solchen Plattformen
rezipieren und zirkulieren. Sie werden z. B. in quantitativen Befragun
gen (vgl. Hasell/Weeks 2016), quantitativen Inhaltsanalysen (vgl. Sturm
Wilkerson/Riedl/Whipple 2021) und qualitativen Befragungen (vgl. Wag
ner/Boczkowski 2019) untersucht. Dabei werden Emotionen wie Wut und
Angst sichtbar, die Nutzer*innen mit politischem Journalismus in polari
sierten Kontexten verbinden. Forschende interessieren sich auch für Stra
tegien der Nutzer*innen, mit der Belastung umzugehen, die diese Emo
tionen bei ihrem Nachrichtenkonsum auf Social Media darstellen. Diese
reichen von einer positiven Umdeutung des Medienkonsums als Erfüllung
einer bürgerlichen Pflicht bis hin zur Vermeidung von Nachrichten (vgl.
Wagner/Boczkowski 2019: 11).
Die spezifischen Affordanzen von Social-Media-Plattformen rücken ins
Zentrum von Forschungsdesigns, die die Emotionen von Nutzer*innen
mit Bezug auf journalistische Inhalte untersuchen (vgl. Kilgo/Lough/Riedl
2020; Sturm Wilkerson/Riedl/Whipple 2021). Das Konzept „affektiver Me
dienpraktiken“ (vgl. Lünenborg et al. 2021) bietet einen analytischen Rah
men, um Likes, Kommentare und das Teilen von Inhalten auf Social Me
dia, in verstärkter Form aber auch Trolling oder Flaming, als affektive Re
aktionsweisen von Nutzer*innen zu verstehen. So werden einige Features
wie Facebooks Reactions-Emojis von Sturm Wilkerson et al. (2021: 1054)
als „affective affordances“ beschrieben, die explizit eine relationale Perfor
manz von Emotionen durch Funktionen der Plattformen ermöglichen
und diese auch regulieren, d. h., Nutzer*innen bekommen eine einfache
Möglichkeit, eine spezifische Auswahl von Emotionen auszudrücken.
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Auch in der Rezeptionsforschung erbringt der Fokus auf jüngere Rezi
pierende interessante Einsichten zum Verhältnis von Journalismus, Unter
haltung und Emotionen. Lehaff (2022) nutzt das Konzept von Gefühls
regeln (vgl. Hochschild 1979) in ihrer qualitativen Befragung junger
Menschen zwischen 18 und 24 Jahren in Dänemark, um deren Umgang
mit unterschiedlichen Informationsangeboten zu untersuchen. Dabei wird
Journalismus mit Gefühlsregeln rund um bürgerliche Pflichten (Civic
Norms) verbunden (vgl. Lehaff 2022: 4), z. B. die Pflicht, sich über po
litische Diskussionen und Ereignisse zu informieren. Bei Angeboten des
Boulevardjournalismus oder Social-Media-Posts von Influencer*innen, die
Nutzer*innen als nicht vordergründig informativ betrachten, weiten diese
ein solch enges Verständnis der Aufgabe von Journalismus einerseits aus,
da es sonst zu einem Abbruch der Rezeption kommen würde. Andererseits
bestrafen die Teilnehmenden fehlende Ernsthaftigkeit bei Nachrichtenan
geboten, die auf ein junges Publikum zielen, mit Abbruch des Konsums,
da sich die Interviewten dadurch in ihren Informationserwartungen nicht
ernst genommen fühlten (vgl. Lehaff 2022: 13). Die Studie zeigt die vielen
Nuancen, die es vonseiten der Rezipierenden im täglichen Umgang mit
Journalismus in unterschiedlichen Formaten gibt.
Emotionen als Teil der journalistischen Interpretationsleistung
Die vorherigen Abschnitte unterstreichen die Zentralität von Emotionen
im Journalismus auf den Ebenen der Produktion, Rezeption und des Me
dientextes selbst. Ein weiterer Forschungsstrang fokussiert auf die Rolle
von Emotionen als Teil der sozialen Funktion von Journalismus als inter
pretative und vermittelnde Instanz in Öffentlichkeiten. Konzeptualisierun
gen von Journalismus als „affektive Institution“ (vgl. Lünenborg/Medeiros
2021b) machen explizit, dass Journalismus nicht nur dafür zuständig ist,
Informationen in Öffentlichkeiten zu zirkulieren, sondern auch emotio
nale Interpretationen leistet. Durch die in den vorherigen Abschnitten
beschriebenen Prozesse trägt der Journalismus „eigenständig zur Legiti
mierung und Tabuisierung bestimmter Emotionen und Affekte bei“ (Lü
nenborg/Medeiros 2021a: 100).
Empirische Forschung zu Journalismus und seiner Rolle in der Etablie
rung bestimmter Emotional Regimes (vgl. Reddy 2001), d. h. der Legitimie
rung und Anerkennung jener Emotionen, die in öffentlichen Diskursen
als relevant und akzeptabel gelten, hat an Bedeutung gewonnen. Pantti
und Wahl-Jorgensen (2011: 108) beobachten, dass Medien als eine Art Brü
cke zwischen privaten und öffentlichen Emotionen dienen: Private Emo
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tionen werden öffentlich gemacht und öffentliche Emotionen können in
private Empfindungen integriert werden. In ihrer empirischen Analyse der
Berichterstattung über mehrere menschengemachte Katastrophen in Groß
britannien zwischen 1952 und 1999 können die Autorinnen die Verschie
bung von Patriotismus und Zurückhaltung als öffentlich zirkulierende
Emotionen hin zu individuellen Emotionsausdrücken von Wut nachzeich
nen. Durch die Beschreibung von „public moods“ benennen Journalist*in
nen zirkulierende Affekte, die dadurch als Emotionen im öffentlichen
Diskurs wahrgenommen werden.
Die stärkere Sichtbarkeit von Wut als öffentliche Emotion in der Be
richterstattung über politische Ereignisse markiert – spätestens seit Donald
Trumps Präsidentschaft in den USA – eine Verschiebung des Emotional
Regime. Konträr zu Konzeptionen der Öffentlichkeit als rational-delibera
tivem Raum, wie ihn Habermas (1962) idealtypisch entworfen hat, gilt
Wut dann als legitimes Motiv für politisches Handeln (vgl. Wahl-Jorgen
sen 2017: 84). Allerdings ist diese Legitimation von Wut nur unter be
stimmten Bedingungen gegeben. Eine Untersuchung der Berichterstattung
über diverse Protestbewegungen zeigt, dass kollektive Wut als berechtigt
und berichtenswert erscheint, wenn sie von einer oder mehreren gesell
schaftlichen Gruppen getragen wird und als Katalysator für sozialen Wan
deln gilt. Individuelle Wut dagegen wird negativ markiert, da ihr keine
gesellschaftliche Relevanz beigemessen wird (vgl. Wahl-Jorgensen 2018:
2075).
Obwohl der Journalismus eine zentrale Rolle bei der Vermittlung von
Emotionen in Öffentlichkeiten spielt, bleibt diese soziale Funktion kein
Monopol in Zeiten hybrider Mediensysteme. Journalistische Angebote
zirkulieren in vernetzten Öffentlichkeiten zusammen mit einer Vielfalt
anderer Inhalte, die oft auch die Bedürfnisse nach Informationen und
emotionalen Interpretationen des Publikums erfüllen können. Im nächs
ten Abschnitt widmen wir uns diesen Angeboten.
Hybride Formate im Journalismus und jenseits davon
Obwohl Unterhaltung stets ein Bestandteil von Journalismus ist (vgl. Klaus
2008), machen hybride Angebote diesen Zusammenhang aktuell noch
deutlicher. Wie wir schon mit Blick auf die Diskussion um Boulevardisie
rung festgestellt haben (vgl. Lünenborg 2017), lassen sich immer mehr
Formate identifizieren, in denen popkulturelle Präsentationsstrategien mit
journalistischen Mitteln in neuen Darstellungsformen kombiniert werden.
Politische Talkrunden oder satirische Sendungen stellen solche populär
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journalistischen Formen der diskursiven Vermittlung politischer Informa
tionen dar (vgl. Dörner 2001).
Sendungen wie heute show oder ZDF Magazin Royale in Deutschland
greifen Themen auf, die sie durch eine Mischung aus Hintergrundinforma
tionen, Satire und Persiflage vermitteln. Dazu gehört auch die kritische In
terpretation von montierten Bild- und Tonausschnitten, die vorher in jour
nalistischen Sendungen (zumeist unkommentiert) ausgestrahlt wurden.
Die US-amerikanische The Daily Show zeigte z. B. einen Videoausschnitt
des damaligen US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld stotternd bei
einer Pressekonferenz, in der er relativierende Aussagen zu Foltervorwür
fen gegen US-amerikanische Soldat*innen in dem irakischen Gefängnis
Abu Ghraib bestätigte. Moderator John Stewart widersprach diesen Wor
ten aktiv, indem er satirisch Rumsfelds leugnendes Verhalten anprangerte
(vgl. Baym 2005: 267). Statt das Video für sich sprechen zu lassen, wie es
Journalist*innen machen würden, nahm Stewart eine spöttische Haltung
gegenüber dem Politiker ein und machte sich dabei über dessen Körper
sprache lustig. Das ist möglich, weil sich satirische Sendungen wie The
Daily Show nicht als journalistisch bezeichnen, obwohl sie auch journalisti
sche Inhalte in ihren Diskurs miteinbeziehen (vgl. Baym 2005: 273). „In
diesem Kontext nimmt vor allem die politische Satire eine wichtige Stel
lung ein, da in dieser gesellschaftliche und politische Missstände in über
spitzter Weise aufgegriffen und mit Mitteln der Komik öffentlich kritisiert
werden“, stellt Porzelt (2020: 111) fest. Allerdings sieht er in der spötti
schen Fokussierung auf individuelle Politiker*innen das Risiko, dass Satire
die Politikverdrossenheit erhöht. Außerdem können zugespitzte Aussagen
von Politiker*innen aus diesen Sendungen, die aus dem inhaltlichen Kon
text gerissen sind, digital weiter zirkulieren (vgl. Porzelt 2020: 115-19).
Satirische Formate sind in zahlreichen Ländern verbreitet. Obwohl sie
ähnliche Komponenten aufweisen wie die Mischung von journalistischen
Inhalten und sarkastischen Kommentaren als auch dynamische Interviews
mit prominenten Akteur*innen beinhalten sie auch spezifische lokale Ele
mente (vgl. Baym/Jones 2012: 8). Da Satire „nicht mehr nur vorwiegend
(wenn auch weiterhin) massenmedial vorkommt, sondern auch in spezi
fischen Teilöffentlichkeiten und auf Social-Media-Plattformen in medien
vermittelter Form zirkulieren“ (Wagner 2021: 111), wird sie zunehmend
transnational, und zwar sowohl durch die Zusammenarbeit zwischen Me
dienschaffenden aus unterschiedlichen Ländern als auch durch Interaktio
nen zwischen Nutzer*innen und Inhalten über nationale Grenzen hinweg.
Dadurch bieten satirische Sendungen die Möglichkeit, die Interaktion
zwischen transnationalen hybriden Formaten und lokalen Emotionsreper
toires (vgl. von Poser et al. 2019) zu erforschen.
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Ein weiteres Beispiel hybrider Formate sind politische Talkshows
wie Anne Will oder maybrit illner in Deutschland, die mehrere Gäste
unterschiedlicher Meinungen versammeln, um ein (oft kontroverses und
aktuelles) Thema zu diskutieren. Diese Gäste kommen häufig aus der Po
litik, aus den Medien und aus der Wissenschaft. Dadurch versuchen Talk
shows, zwei Ansprüchen gerecht zu werden: das Publikum sowohl über
unterschiedliche Perspektiven auf ein Thema zu informieren, als es auch
durch die Konflikte zwischen den Gästen zu unterhalten. Letzteres erfolgt
auch über die Anwendung dramaturgischer Mittel wie Konfrontation und
Polarisierung, die Emotionen in den Vordergrund stellen. Die Bildregie
rückt die Mimik der Beteiligten in den Mittelpunkt. Close-Up-Einstellun
gen der Antagonist*innen beim zugespitzten Statement des Gegenübers
lenken und regulieren die Affekte für die Zuschauenden als fortdauernden
Spannungsbogen. Schicha (2002: 216-217) kritisiert dies als „Begleitphäno
mene“ und bewertet dabei Emotionen als reine Unterhaltung, die den
informativen Wert solcher Sendungen senke. Er folgt damit einem eher
traditionellen Verständnis von Emotionen als Gegensatz zur und Störfak
tor in der Informationsvermittlung.
Dagegen nehmen Studien wie Goebels‘ (2017: 259-294) kritische Dis
kursanalyse der Thematisierung von Flucht und Migration in deutschen
politischen Talkformaten die Rolle von gezeigten und geäußerten Emo
tionen explizit in den Blick. Seine Untersuchung zeigt, dass Emotionen
wie Sorge, Hass und Angst zentral in der diskursiven Markierung von
Geflüchteten und Deutschen als jeweils homogene Gruppen, die sich un
verbunden gegenüberstehen, in Polittalks der letzten Jahre waren. Wenn
Forschende Emotionen als integralen Bestandteil solcher Formate betrach
ten, können sie ihren Blick auch auf die Interaktionen des Publikums
mit Polittalks richten z. B. auf ihre affektiven Medienpraktiken bei der
Rezeption von Talkshows. So hat Michel (2015) Twitter-Korpora zu zwei
deutschen Talkshow-Sendungen als wichtige Form der Anschlusskommu
nikation untersucht. Oftmals parallel zur Rezeption der Sendung twittern
Zuschauende über Äußerungen, Aussehen und Körpersprache der Gäste
und kommentieren dies oft ironisch. Auch die Zirkulation von Talkshow-
Ausschnitten auf YouTube, die durch veränderte Kontextualisierung als
Re-Mediation (vgl. Bolter/Grusin 2000) verstanden werden kann, stellt ein
interessantes Forschungsobjekt mit Blick auf Digitalisierungsprozesse dar.
Durch (oft transnationale) online Re-Mediation sind sowohl politische
Satire als auch Talkshows nicht aus hybriden Mediensystemen (vgl. Chad
wick 2013) wegzudenken. Während diese Formate aber bereits vor der
Etablierung digitaler Mediensysteme existierten, gibt es neuartige Angebo
te, die durch diese Prozesse überhaupt erst entstehen konnten. Digital
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vernetzte Öffentlichkeiten sind nicht nur durch hybride Formate gekenn
zeichnet, die ursprünglich für andere Medien produziert wurden, sondern
hier rücken Medienangebote in den Fokus, die keiner komplexen Medien
organisation und keiner professionellen Journalist*innen bedürfen, gleich
wohl aber für ihre Nutzer*innen aktuelle und relevante Informationen
liefern. Auf Social-Media-Kanälen stellen Digital-Native-Formate wie Pod
casts, TikTok- und YouTube-Videos sowie Gesprächsrunden auf Twitter oder
Instagram, die von Content Creators produziert werden, „funktionale Äqui
valente“ (Neuberger/Quandt 2010: 70) zum Journalismus dar. Umfragen
unter insbesondere jüngeren Rezipierenden zeigen, dass sie solchen Ange
boten ähnliche Funktionen zuschreiben, die der Journalismus vormals
exklusiv für sich reklamierte: das Aufbereiten und Verbreiten von Infor
mationen und Interpretationen zu aktuellen Ereignissen (vgl. Andı 2021;
Hölig/Hasebrink/Behre 2021).
Um den hybriden Charakter dieser Medienproduktion hervorzuheben,
bezeichnen wir diese Content Creators, die vom Publikum als Quellen
für Informationen und emotional grundierte Interpretationen betrachtet
werden, als parajournalistische Akteur*innen (vgl. Lünenborg/Medeiros, im
Druck). Charakteristisch für diese Angebote ist es, dass sie sich in der emo
tionalen Grundierung ihrer Interpretationen sowie der affektiven Adressie
rung ihres Publikums deutlich von journalistischen Angeboten unterschei
den. Da sie sich nicht als Journalist*innen betrachten und sich folglich den
Regeln des Feldes nicht verpflichtet fühlen, kontrastieren sie oftmals das
Ideal nüchterner, distanzierter und neutraler Berichterstattung durch ex
plizite subjektive Positionierung, sprachliche Informalität und emotionale
Expressivität. Die performative Erzeugung von Nähe und Verbundenheit
mit den Nutzer*innen wird als affektive Adressierung ihres Publikums
sichtbar, die von einem Streben nach Authentizität gekennzeichnet ist
(vgl. Tolson 2010; Raun 2018) und auf kommunikative Interaktion durch
affektive Medienpraktiken (vgl. Lünenborg/Maier 2019) wie Liken, Sharen
und Kommentieren abzielt. Vor allem jüngere Nutzer*innen begründen
ihre Präferenz für parajournalistische Akteur*innen als Interpreten aktuel
ler Ereignisse mit deren expliziter individueller Positioniertheit und Un
mittelbarkeit (vgl. Andı 2021: 54). Dadurch werden die Emotionen von
parajournalistischen Akteur*innen nicht durch „strategische Rituale“ (vgl.
Wahl-Jorgensen 2013) wie im Journalismus heruntergespielt, sondern of
fensiv sichtbar gemacht und ausgestellt.
Journalistische Organisationen reagieren vermehrt auf den Erfolg para
journalistischer Akteure, insbesondere beim jüngeren Publikum, indem
sie Content Creators als Teil ihres Teams für sich gewinnen (vgl. Newman
et al. 2017: 68) oder formalisierte Strukturen für solche Online-Angebote
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innerhalb ihres redaktionellen Spektrums etablieren. Funk, das Netzwerk
für digitale Inhalte, das von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
ARD und ZDF gemeinsam betrieben wird, zeigt exemplarisch, wie hybri
de Formen jenseits des Journalismus schließlich in journalistische Struktu
ren integriert werden und damit Veränderungen initiieren (vgl. Lichten
stein/Herbers/Bause 2021).
Fazit und Ausblick
Im Journalismus wie auch in der Journalismusforschung galten Emotio
nen mit dem Paradigma der Objektivität und Neutralität lange Zeit als
Störfaktor und Beeinträchtigung bei der Übermittlung von Informatio
nen. Dies hat sich grundlegend verändert. Nicht nur auf der Seite journa
listischer Angebote und Praktiken, sondern auch in der Forschung hat
ein „emotional turn in journalism studies“ (vgl. Wahl-Jorgensen 2020) viel
fältige neue Einsichten erlaubt, allzu schematische Gegensätze aufgelöst
und stattdessen komplexe und zuweilen widersprüchliche Zusammenhän
ge sichtbar gemacht. So konnten in der Soziologie und Anthropologie
differenziert entwickelte Konzepte der Emotionsarbeit (Emotional Labor),
des Emotionsmangements, der Affektregulation sowie affektiver Praktiken
auch für eine systematische Analyse der Bedeutung von Emotionen im
Journalismus fruchtbar gemacht werden. Sichtbar werden damit vielfältige
Formen der Emotionsarbeit von Journalist*innen im Umgang mit ihren
Quellen ebenso wie innerhalb redaktioneller Strukturen, im Umgang
mit und Durchleben von Krisen- und Kriegssituationen. Ein verstärktes
Augenmerk der Forschung auf diese Dimensionen journalistischen Han
delns kann die Grundlage dafür schaffen, Prozesse der selbstreflexiven
Beobachtung und Kontrolle professionellen Handelns weiterzuentwickeln
und hier spezifische Erwartungen, Möglichkeiten, aber auch Grenzen ver
antwortlichen journalistischen Handelns zu bestimmen.
Auf der Ebene der journalistischen Medienangebote ist sichtbar gewor
den, dass mit der Ausdifferenzierung und Hybridisierung von Formen und
Formaten auch das Spektrum der (Un-)Sichtbarkeit von Emotionen als
Teil journalistischer Kommunikation erweitert wurde. Zugleich erweist
sich die reflexive Auseinandersetzung um Formen des Fühlens als Teil
der journalistischen Weltbeobachtung als hochgradig ambivalentes Phä
nomen. Als radikal subjektive Wahrnehmung, die jedoch zugleich stets
sozial strukturiert ist, tut sich Journalismus bis heute schwer damit, dafür
angemessene Formen und Ausdrucksweisen zu finden. Ihre Abwertung als
Teil (allein) des Boulevardjournalismus fand lange auch in der Forschung
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ein stetes Echo, wird jedoch der Komplexität kaum gerecht. Nicht zuletzt
die Vielzahl digitaler Angebote, die in sozialen Medien verfügbar ist, hat
ein weites Spektrum emotional grundierter para-journalistischer Formen
entstehen lassen, die wiederum auf journalistische Angebote zurückwir
ken. Mit einer auf unmittelbare Involvierung und Interaktion abzielenden
affektiven Adressierung des Publikums entstehen veränderte Erwartungen
von Nutzer*innen, die mit vornehmlich auf passive Rezeption abzielende
Nachrichtenangebote vermutlich nicht dauerhaft erfüllt werden können.
In der Rezeptionsforschung sind die Emotionen von Nutzer*innen seit
jeher ein bedeutsames Feld, das in seiner medienpsychologischen, experi
mentell fokussierten Perspektive lange Zeit kaum Anschlüsse für die Jour
nalismusforschung geboten hat. Neuere Arbeiten, die gezielt die Verbin
dung zu kultur- und sozialwissenschaftlichen Forschungsansätze suchen,
erscheinen hier vielversprechend.
Unübersehbar ist, dass eine simple Dichotomisierung von Information
und Unterhaltung, von Fakten und Emotionen weder sozialtheoretisch
überzeugend ist noch analytisch ertragreich erscheint, um den dynami
schen Wandel des Journalismus in hybriden Mediensystemen beschreiben
und verstehen zu können. In dem Maße, in dem die Distribution journa
listischer Angebote online weniger entlang der Selektions- und Präsentati
onslogik der journalistischen Organisationen selbst verläuft, sondern über
Social-Media-Kanäle entlang der Präferenzen von Nutzer*innen, werden
affektive Dynamiken – jenseits der Kontrolle journalistischer Organisatio
nen – umso wirkmächtiger. Es bleibt Aufgabe der Journalismusforschung,
dieses Wechselverhältnis als affektive Relationalität in den kommenden
Jahren analytisch zu erfassen und dabei die sich wandelnden Konturen
von Journalismus in seinen digitalen Umgebungen nachzuzeichnen.
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