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NachrBl. bayer. Ent. 70 (3/4), 2021 101
Gallmücken in Bayern: DNA Barcoding vermittelt neue Einblicke in die
Mega-Vielfalt bislang (zu oft) ignorierter Mikrodipteren
(Diptera, Cecidomyiidae)
Caroline CHIMENO, Dieter DOCZKAL, Gerhard HASZPRUNAR, Axel HAUSMANN,
Mathias JASCHHOF, Marion KOTRBA, Kate PEREZ, Michael RAUPACH & Stefan SCHMIDT
Abstract
531 genetic clusters (BINs) of gall midges were retrieved in a single Malaise trap that was set up in
2017 within the inner-city premises of the Bavarian State Collection of Zoology in Munich, Germany.
Although the sample obtained from this trap is very limited in time and space, the number of detected
BINs correspond to 63,5% of the number of Cecidomyiidae species known in Germany up to date.
Based on data collected from our utterly limited sample, and taking the variety of yet unexplored
habitats into account, we conclude that Germany’s fauna of gall midges must comprise considerably
more species than previously expected.
Einleitung
„Wie viele Tierarten gibt es?“ ist eine Frage, die Biologen schon immer beschäftigt hat und gleichzeitig
eine, die stets nur mit mehr oder weniger vagen Schätzungen beantwortet wurde. Obwohl es immer
wieder neue Abschätzungen gab und gibt, haben diese bislang wenig Gewissheiten gebracht. Das liegt
unter anderem daran, dass vor allem taxonomisch gut bearbeitete Gruppen untersucht wurden, während
weniger bekannte, oftmals kryptisch-vielfältige Gruppen unberücksichtigt blieben (z. B. ÖDEGAARD
2000, MORA et al. 2011, CICCONARDI et al. 2013, CALEY et al. 2014, WUEHRL et al., 2021). Aktuellere
Studien, welche die Artenzahl anhand von Sequenzvariationen in der COI-DNA Barcode Region des
mitochondrialen Genoms erfassen, sind vom taxonomischen Bearbeitungsstand weitgehend unabhängig.
Dabei fasst ein Algorithmus ähnliche Sequenzen zu sogenannten „molecular Operational Taxonomic
Units“ (mOTUs) zusammen. Diesen werden im internationalen Barcode of Life Data System (BOLD)
sogenannte „Barcode Index Numbers“ (BINs) zugeordnet, welche biologische Arten verhältnismäßig
gut abbilden können (RATNASINGHAM & HEBERT, 2013, SCHMIDT et al. 2015, HAUSMANN et al. 2013).
Eine entsprechende Studie von HEBERT et al. (2016) kommt für die Insektenfauna zu dem Schluss, dass
es global weit über 10 Millionen Insektenarten geben könnte. Diese Zahl überschreitet die kurz zuvor
veröffentlichte, auf einer Extrapolation aus Käfer-Pflanzen-Interaktionen beruhenden Schätzung von 5,5
Millionen Arten bei weitem (STORK et al. 2015). Frühere Schätzungen lagen bei 5–10 Millionen (MORA
et al. 2011) bis hin zu 30 Millionen Arten (ERWIN 1982).
Innerhalb der Insekten gehören die Zweiflügler (Diptera; Fliegen und Mücken) und Hautflügler
(Hymenoptera; Ameisen, Bienen und Wespen) zu den vier artenreichsten Ordnungen, zusammen mit
den Coleoptera und Lepidoptera. Beide Ordnungen enthalten Familien, die trotz eines vermuteten ex-
trem hohen Artenreichtums in der taxonomischen Forschungslandschaft bislang nicht gebührend
berücksichtigt wurden. Es ist heute offenkundig, dass die weltweiten Schätzungen von Artenzahlen vor
allem deshalb so ungenau und widersprüchlich ausfallen, weil man über das unüberschaubare Heer
kleiner Fliegen und Wespen bislang nur sehr vage Vorstellungen hat. Einige der in diesem Sinne ver-
nachlässigten Familien ‒ auch bekannt als „Dark Taxa“ ‒ stehen jetzt im Mittelpunkt des neuen
Großprojekts “German Barcode of Life III: Dark Taxa” (GBOL III), das im Juli 2020 begann. Ziel
dieses Projekts ist es, das taxonomische und molekulare Wissen für diese Gruppen mittels eines integra-
tiv-taxonomischen Ansatzes erheblich zu erweitern, um die erfassten Arten weiterführender Forschung
(z.B. Nutzpflanzenschutz) zugänglich zu machen. Eine der Zielgruppen von GBOL III sind die
Gallmücken (Cecidomyiidae), nach Meinung vieler Dipterologen das „dunkle Taxon“ schlechthin. Die
Vertreter dieser Familie gehören mit einer Körperlänge von etwa 1,5‒2,5 mm zu den kleinsten Dipteren
(„Mikrodipteren“). Die Imagines vieler Arten sind sogar kleiner als 1 mm. HEBERT et al. (2016) kamen
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zu dem Schluss, dass allein in Kanada von etwa 16.000 Gallmücken-Arten auszugehen ist, was eine
Verzehnfachung bisheriger Erwartungen bedeutet und nahelegt, dass es weltweit 1,8 Millionen Gall-
mücken-Spezies geben könnte. Somit wäre diese Gruppe die mit Abstand artenreichste Familie im
Tierreich (HEBERT et al. 2016). Für Deutschland wurden bisher ca. 840 Arten der Familie Cecidomyi-
idae identifiziert (MEYER & JASCHHOF 1999). Eine von MORINIÈRE et al. (2019) publizierte DNA
Barcode Sammlung ‒ ein Ergebnis von GBOL I und II ‒ umfasst 927 BINs, von denen nur 44 ein Art-
name zugeordnet werden konnte.
Als Teil von GBOL III hat die Zoologische Staatssammlung München (SNSB-ZSM) den Projekt-
teil „Gallmücken“ übernommen. Schon im Vorfeld der Studie war im Rahmen des internationalen
„Global Malaise Trap Program“ ein Jahr lang (2017) eine Malaisefalle auf dem Gelände des Instituts im
Münchener Stadtgebiet betrieben worden.
Materialien und Methoden
Die Feldarbeit
Im Jahr 2017 wurde eine Malaisefalle auf dem Gelände der Zoologischen Staatssammlung aufgestellt
(48.165° N, 11.485° O; 519 m ü.N.N.). Der im Münchener Stadtgebiet gelegene Fallenstandort liegt in
einem Wohnviertel mit kleinräumigen Gartenanlagen, während das Gelände der ZSM auf ca. 25.000 qm
Fläche von Wiesen und einigen Gehölzen bedeckt ist. Auf dem Gelände wurden vom Bund Naturschutz
in Bayern e.V. seit mehreren Jahren Pflegemaßnahmen zur Erhöhung der Biodiversität durchgeführt.
Die Malaisefalle wurde von April bis Dezember betrieben und die Fangflasche zweiwöchentlich ausge-
wechselt.
Jede zweite Sammelprobe wurde zur nachfolgenden Bearbeitung ausgewählt, mit den folgenden
Leerungsterminen: 10. April, 08. Mai, 05. Juni, 03. Juli, 31. Juli, 28. August, 25. September, 23. Okto-
ber, 20. November und 29. Dezember 2017.
Probenbearbeitung
Alle Proben wurden zur Bearbeitung an das Centre for Biodiversity Genomics (CBG) in Guelph,
Kanada, geschickt. Dort wurden nach morphologischen Kriterien insgesamt 32.592 Arthropoden einzeln
aus den Sammelproben selektiert. Da die Arthropoden im Ganzen für die Sequenzierung verwendet
wurden, wurden nicht-invasive Voucher-Recovery-Protokolle für die DNA-Extraktion verwendet, d.h.
die äußere Insektenhülle blieb intakt für morphologische Untersuchungen. Die Belegexemplare wurden
im Nachhinein zur anschließenden Dokumentation und Archivierung an die ZSM zurückgeschickt. Das
CBG verarbeitete die Proben unter Verwendung standardisierter Protokolle zur DNA-Extraktion, PCR-
Amplifikation und Sanger-Sequenzierung (http://ccdb.ca/resources/). Alle Sequenzdaten und Trace-
Dateien (Sequenz-Chromatogramme) sind in der Barcode of Life Database (BOLD; http://www.boldsys
tems.org) im Container-Projekt GMTBZ in den Einzel-Projekten GMGMO bis GMGMX hinterlegt. Die
in dieser Arbeit analysierten Daten der Familie Cecidomyiidae sind im Datensatz DS-CECIDZSM (doi:
dx.doi.org/10.5883/DS-CECIDZSM) öffentlich zugänglich. Zurückgesendete Proben wurden für neue
BINs z. T. fotografiert und dokumentiert.
Datenanalyse
Zur Analyse der Daten wurden die in BOLD verfügbaren Analyse-Tools verwendet. Die mittlere und
maximale intraspezifische Variation und die minimale genetische Distanz zur nächsten Art wurden
unter Verwendung des Kimura-2-Parameter-Modells berechnet (KIMURA 1980, PUILLANDRE et al. 2012).
Anhand der Distanzen wurden für die Sequenzen mittels RESL-Algorithmus mOTUs ermittelt und
BINs zugewiesen (RATNASINGHAM & HEBERT 2013).
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Resultate
Von 32.593 Sequenzen wurden 26.534 (81,4%) der Sequenzen BINs zugeteilt, die insgesamt 3.870
BIN-Clustern zuzuordnen sind. Voraussetzung für die Zuordnung einer Sequenz zu einer bereits
existierenden BIN ist eine Mindestlänge von 300 bp. Für die Generierung einer neuen BIN ist eine
Sequenzlänge von mindestens 500 bp erforderlich. Die 26.534 Sequenzen erstrecken sich über drei
Arthropoden-Klassen und decken 21 Ordnungen ab, von denen Diptera (14.850 Exemplare) und Hyme-
noptera (7.859 Exemplare) bei weitem den Großteil ausmachen. Von den insgesamt 2.643 Sequenzen
von Vertretern der Familie Cecidomyiidae konnten 325 Sequenzen (12,3%) insgesamt 30 bekannten
Arten zugeordnet werden, da diese in BOLD bereits erfasst waren. Die restlichen 2.318 Sequenzen
konnten bisher keiner bekannten Art zugeordnet werden (Tab. 1). Dabei ließen sich 2.157 Sequenzen
nur bis zur Familie, und 161 nur bis zur Gattung bestimmen. Den 2.643 Cecidomyiidae-Sequenzen
wurden insgesamt 531 BINs zugewiesen. In vier Fällen ist eine bislang vermeintlich gute „Art“ jeweils
durch zwei BINs repräsentiert: Dasineura spadicea RÜBSAAMEN, 1917; Campylomyza flavipes MEIGEN,
1818; Lestodiplosis juniperina FELT, 1907; Peromyia caricis KIEFFER 1901. 175 der insgesamt 531
BINs (33%) haben durch dieses Projekt erstmalig Eingang in BOLD gefunden; diesen neuen BINs
wurden insgesamt 453 Individuen zugeordnet.
Tabelle 1: Übersicht der 2.643 Sequenzen im Cecidomyiidae-Datensatz: Anzahl der Sequenzen für die entspre-
chende Gattung sowie Anzahl der Sequenzen mit Artname und prozentualem Anteil (in Klammer) und Auflistung
der beschriebenen Arten.
Gattung/Art Anzahlen:
Sequenzen
Sequenzen mit Artname (%)
BINs
Arten
Asphondylia
11
0 (0%)
1
0
Asteromyia
62
0 (0%)
2
0
Campylomyza
Campylomyza dilatata
(FELT, 1907)
Campylomyza flavipes
(MEIGEN, 1818)
220
220 (100%)
3
2
CecidIntGen*
24
0 (0%)
2
0
Clinodiplosis
Clinodiplosis cilicrus
(KIEFFER, 1889)
4
4 (100%)
1
1
Contarinia
Contarinia asclepiadis
(GIRAUD, 1863)
6
2 (33,3%)
3
1
Dasineura
Dasineura leguminicola
(LINTNER, 1879)
Dasineura spadicea
(RÜBSAAMEN, 1917)
15
11 (73.3%)
6
2
Feltiella
7
0 (0%)
2
0
Leptosyna
Leptosyna nervosa
(WINNERTZ, 1852)
2
2 (100%)
1
1
Lestodiplosis
Lestodiplosis juniperina
(FELT, 1907)
6
6 (100%)
2
1
Micromya
Micromya lucorum
(RONDANI, 1840)
2
1 (50%)
2
1
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Gattung/Art Anzahlen:
Sequenzen
Sequenzen mit Artname (%)
BINs
Arten
Mikiola
3
0 (0%)
1
0
Monardia
Monardia toxicodendri
(FELT, 1907)
3
3 (100%)
1
1
Monobremia
Monobremia subterranea
(KIEFFER, 1898)
2
2 (100%)
1
1
Nikandria
Nikandria brevitarsis
(MAMAEV, 1964)
1
1 (100%)
1
1
Obolodiplosis
Obolodiplosis robiniae
(HALDEMAN, 1847)
1
1 (100%)
1
1
Ozirhincus
Ozirhincus millefolli
(WACHTL, 1884)
22
1 (4,5%)
3
1
Peromyia
Peromyia aeratipennis
(SKUSE, 1888)
Peromyia borealis
(HACKMAN, 1970)
Peromyia boreophila
(JASCHHOF, 2001)
Peromyia caricis
(KIEFFER, 1901)
Peromyia cornuta
(EDWARDS, 1938)
Peromyia fungicola
(KIEFFER, 1901)
Peromyia impexa
(SKUSE, 1888)
Peromyia monilis
(MAMAEV, 1965)
Peromyia ovalis
(EDWARDS, 1938)
Peromyia perpusilla
(WINNERTZ, 1870)
Peromyia ramose
(EDWARD, 1938)
Peromyia scutellata
(MAMAEV, 1990)
Peromyia upupoides
(JASCHHOF, 1997)
46
44 (95,7%)
16
13
Porricondyla
Porricondyla colpodioides
(MAMAEV, 1963)
25
25 (100%)
1
1
Resseliella
Resseliella theobaldi
(BARNES, 1927)
1
1 (100%)
1
1
Rhopalomyia
14
0 (0%)
5
0
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Gattung/Art Anzahlen:
Sequenzen
Sequenzen mit Artname (%)
BINs
Arten
Scizomyia
6
0 (0%)
5
0
Sitodiplosis
2
0 (0%)
1
0
Winnertzia
Winnertzia tridens
(PANELIUS, 1965)
1
1 (100%)
1
1
nicht identifiziert
2.157
0 (0%)
472
0
Summe
2.643
325 (12,3%)
535**
30
* Temporär-Name
** Vier Sequenzen wurden zwar jeweils einer BIN zugeordnet, blieben jedoch unbestimmt. Diese BINs
erscheinen doppelt in der Tabelle: einmal unter der dazugehörige Art, und nochmal unter „nicht identifizierte
Sequenzen“. Aus diesem Grund sind in der Summe 535 BINs aufgelistet, obwohl es sich um 531 eindeutige
BINs handelt.
Die 531 BINs aus dieser Studie entsprechen 63,5% der Anzahl der aktuell für ganz Deutschland
bekannten Arten und 57,3% der von MORINIÈRE et al. (2019) gefundenen Anzahl von BINs, wobei nur
153 BINs dieser Studie auch von MORINIÈRE et al. (l.c.) nachgewiesen wurden. Abbildung 1 stellt die
Häufigkeitsverteilung der Sequenzzahlen pro BIN im Datensatz dar. Einige wenige BINs waren in sehr
großen Individuenzahlen vertreten, während einem Großteil der BINs sehr wenige Individuen zuzu-
ordnen waren. 251 BINs, fast die Hälfte aller BINs, wurden durch ein einziges Individuum repräsentiert
(Abb. 1).
Abb. 1: Anzahl der BINs pro Häufigkeitsklasse (abhängig von der Individuenzahl pro BIN). Fast zwei Drittel aller
BINs sind nur durch ein (251) oder zwei (93) Individuen vertreten.
Diskussion
Mit einer einzigen Falle im Stadtgebiet von München konnte auf dem Gelände der Zoologischen Staats-
sammlung München eine Diversität von 531 Gallmücken-BINs nachgewiesen werden. Auch wenn
BINS nicht Arten gleichzusetzen sind, so besteht doch eine hohe Übereinstimmung zwischen Anzahl
BINs und Anzahl Arten (HAUSMANN et al. 2013, PENTINSAARI et al. 2014, SCHMIDT et al. 2015,
RATNASINGHAM & HEBERT 2013), so dass mit einer Artenzahl von über 500 Arten von Gallmücken zu
rechnen ist. Diese hohe Artenvielfalt an Gallmücken ist auch deshalb bemerkenswert, weil mit hoher
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Wahrscheinlichkeit bei weitem nicht alle am Standort vorkommenden Arten erfasst wurden. Zum einen
beschränkt sich die bisherige Auswertung auf lediglich 10 Wochen. Zum anderen ist die Erfassung des
Artenspektrums eines Standortes von zahlreichen Faktoren abhängig. Im bisher ausgewerteten Material
sind fast zwei Drittel aller BINs nur durch ein oder zwei Individuen vertreten, also als selten einzu-
stufen. Es ist davon auszugehen, dass es noch viel mehr seltene Arten im Untersuchungsgebiet gibt,
deren Erfassung noch aussteht. Hinzu kommt die Erfahrung, dass bei der Vorauswahl von Morpho-
spezies am Stereomikroskop für das nachfolgende Sequenzieren 20% oder sogar deutlich mehr der
Arten nicht erkannt werden. Die tatsächliche Diversität dürfte also deutlich höher liegen, so dass es
prinzipiell denkbar ist, dass allein an dem von uns untersuchten Standort mehr Arten vorkommen, als
bisher in ganz Deutschland nachgewiesen wurden. Die tatsächliche Diversität der Gallmücken in
Deutschland dürfte alle bisherigen Schätzungen weit übersteigen.
Von den bislang ermittelten 531 BINs konnten nur 30 (<6%) per Sequenzvergleich einer bereits
beschriebenen und in BOLD identifizierten Art zugeordnet werden. Die übrigen 501 BINs blieben un-
bestimmt. Zudem waren 175 Sequenzen neu für die internationale Barcode of Life-Datenbank (BOLD),
d.h. sie wurden bisher ausschließlich auf dem Gelände der ZSM nachgewiesen. Diese Befunde verdeut-
lichen zweierlei: in BOLD ist der Anteil bestimmter Arten bei taxonomisch vernachlässigten „Dark
Taxa“ nach wie vor sehr gering, und es ist mit der Entdeckung einer großen Anzahl neuer Arten zu
rechnen, und das selbst im Stadtgebiet von München.
Ausblick
Mit der Erforschung der Gallmücken im Rahmen des Projektes „GBOL III - Dark Taxa“ verfolgt die
Zoologische Staatssammlung München das Ziel, die Diversität der deutschen Gallmückenfauna mit
einem integrativ-taxonomischen Ansatz in einer Weise zu erfassen, dass (1) die Gesamtartenzahl realis-
tischer als bisher abgeschätzt werden kann, (2) das Verhältnis von beschriebenen zu unbeschriebenen
Arten deutlich wird und (3) für eine möglichst große Zahl von Arten ein deutscher Nachweis per DNA-
Barcode erbracht wird. Zudem erwarten wir, dass die Taxonomie der Gallmücken um eine Reihe von
Art-Neubeschreibungen aus Deutschland bereichert werden kann. Im Rahmen von „GBOL III: Dark
Taxa“ werden an der SNSB-ZSM in den Jahren 2020 bis 2023 weitere wenig bekannte Insektengruppen
bearbeitet: die Chironomidae (Diptera), Microgastrinae (Hymenoptera, Braconidae), Diapriidae (Hy-
menoptera) und einige weitere Gruppen. Die SNSB-ZSM reiht sich damit in das internationale Netz-
werk von Forschern ein, die in den Jahren 2019–2026 die ehrgeizigen Ziele des globalen BIOSCAN
Programms (https://ibol.org/programs/bioscan/) zu verwirklichen suchen.
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Anschriften der Verfasser:
M.Sc. Caroline CHIMENO Dieter DOCZKAL Prof. Dr. Gerhard HASZPRUNAR
Münchhausenstraße 21 Münchhausenstraße 2 Münchhausenstraße 21
81247 München, Deutschland 81247 München, Deutschland 81247 München, Deutschland
E-Mail: chimeno@snsb.de E-Mail: doczkal@snsb.de E-Mail: haszprunar@snsb.de
Dr. Axel HAUSMANN Dr. Mathias JASCHHOF Dr. Marion KOTRBA
Münchhausenstraße 21 Ölands Skogsby 161 Münchhausenstraße 21
81247 München, Deutschland 38693 Färjestaden, Schweden 81247 München, Deutschland
E-Mail: hausmann.a@snsb.de E-Mail: mjaschhof@yahoo.de E-Mail: kotrba@snsb.de
Kate PEREZ Dr. habil. Michael RAUPACH Dr. Stefan SCHMIDT
50 Stone Road East Münchhausenstraße 21 Münchhausenstraße 21
Guelph, Ontario, N1G2W1, 81247 München, Deutschland 81247 München, Deutschland
Kanada E-Mail: raupach@snsb.de E-Mail: schmidt.s@snsb.de
E-Mail: kperez@uoguelph.ca