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Bewegungsfreude verspielt? Verunsicherung im Sportunterricht

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Abstract

Sowohl der Grundschulsport als auch das organisierte und informelle Sporttreiben im Kindesalter sind in den letzten zwei Jahrzehnten mit neuartigen Herausforderungen konfrontiert und von Wandlungsprozessen erfasst worden. Neben der Berücksichtigung heterogener Lernvoraussetzungen der Schüler*innen im Fach Sport hat nicht zuletzt die Etablierung des Ganztagsunterrichts in der Grundschule eine massive Ausweitung der Kooperationen mit Sportvereinen sowie Trägern der offenen Kinder- und Jugendarbeit begünstigt. Die Beiträger*innen diskutieren zentrale Entwicklungslinien und Zukunftsaufgaben des Grundschulsports sowie des organisierten und informellen Kindersports.
Bewegungsfreude verspielt?
Verunsicherung im Sportunterricht
Ina Hunger, Benjamin Zander, Babette Kirchner, Darren Meineke,
Sarah Metz & Martin ttger
EINLEITUNG
Sportunterricht ist in Deutschland in allen Schulformen und allen Schulstufen
ein durchgängiges Pflichtfach für Kinder und Jugendliche. Im Kontext des schu-
lischen Fächerkanons leistet er einen den anderen Fächern formal gleichgestell-
ten Bildungsbeitrag; gleichwohl hat der Sportunterricht mit seiner Ausrichtung
auf Bewegungsaktivitäten und der damit verbundenen hohen Bedeutung von
Körperlichkeit eine spezifische Sonderstellung, insofern ihm wie keinem ande-
ren Schulfach besondere Potenziale im Hinblick auf Wohlbefinden, Gesund-
heit und Entwicklungsförderung unterstellt werden. „Das pädagogische Anlie-
gen“, so wird curricular festgehalten, „ist es, den Schülerinnen und Schülern die
Freude an der Bewegung sowie die Bedeutung sportlicher Aktivitäten für die ei-
gene Gesundheit zu vermitteln“ (KMK, 2017, S. 3). Empirische Einblicke in den
Sportunterrichtalltag (u.a. Hunger & Böhlke, 2017; Wiesche & Klinge, 2017)
zeigen jedoch, dass die Teilnahme am Sportunterricht keineswegs nur mit positi-
ven Effekten für die einzelnen Schüler*innen einhergeht. Viele erleben im
Sportunterricht regelmäßig Situationen der Angst, sozialen Ausgrenzung,
Scham, Hilflosigkeit, Überforderung etc. Sei es, dass Schüler*innen Angst und
Panik entwickeln, weil sie aufgrund ihres sportiven Könnens, ihrer Körperlich-
keit etc. im Sportunterricht immer wieder abfälligen Kommentaren ausgesetzt
sind oder weil sie ihre religiös-kulturelle Herkunft im Widerspruch zu ausge-
wählten sportunterrichtlichen Anforderungen sehen (z. B. in Bezug auf körper-
nahe Interaktionen mit dem anderen Geschlecht, auf Kleidungsregeln im
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Erscheint OPEN ACESS in:
Schwier, J. & Seyda, M. (Hrsg.) (2022). Bewegung, Spiel und Sport im Kindesalter. Neue Ent-
wicklungen und Herausforderungen in der Sportpädagogik. transcript. Zugriff unter:
https://www.transcript-verlag.de/media/pdf/b4/b9/e0/oa9783839458464pMKX6AO0dsCk9.pdf
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& MARTIN RÖTTGER
Schwimmbad etc.). Sei es, dass sie Körperkontrolle und Souveränität verlieren,
weil sie sich den bewegungsbezogenen Herausforderungen körperlich und psy-
chisch nicht gewachsen sehen und entsprechend an der Aufgabe scheitern. Bei
solchen und ähnlichen Situationen kann stets von einer Gefahr der doppelten,
nämlich physischen und psychischen Verunsicherung ausgegangen werden. Ins-
besondere im Kindesalter stehen dabei nicht nur die Bewegungsfreude und das
Wohlbefinden auf dem Spiel. Denn kindliche Bewegungsaktivitäten bergen gro-
ßes Potenzial für die körperliche, motorische, kognitive oder emotionale Ent-
wicklung. Im Unterschied zu anderen Sportangeboten ist der Sportunterricht das
einzige Setting, das alle Kinder und Jugendlichen (auch unabhängig von z. B. ih-
rer sozio-kulturellen Herkunft) in Deutschland erreicht, eine Teilhabe an gesell-
schaftlicher Sport- und Bewegungskultur eröffnet sowie die Möglichkeit einer
gezielten Bewegungsförderung bietet. Vor diesem Hintergrund gilt es, gerade im
Sportunterricht, frühzeitig nicht nur die positiven, sondern auch negative Erfah-
rungen von Schüler*innen in den Blick zu nehmen und dabei nicht nur ihre mo-
torischen, sondern auch psychosoziale Erfahrungsdimensionen zu berücksichti-
gen. r eine sportpädagogisch orientierte und sozialwissenschaftlich fundierte
Erforschung des Sportunterrichts ist damit die Frage verbunden, wie sich Verun-
sicherung erforschen lässt.
Im folgenden Beitrag möchten wir unser laufendes empirisches Forschungspro-
jekt
1
vorstellen. Im Anschluss an eine Skizzierung des aktuellen Stands der For-
schung zu Verunsicherung im Sportunterricht werden unsere Zielstellungen dar-
gelegt, bevor wir den Aufbau des Projekts erläutern. Im Hauptteil des Beitrags
werden die Umsetzung und das Erkenntnispotenzial entlang der drei Teilstudien
beschrieben. Abschließend geben wir einen Ausblick auf die wissenschaftliche,
anwendungsbezogene und gesellschaftliche Relevanz unseres Projekts.
ZIELSTELLUNGEN UND AUFBAU DES
FORSCHUNGSPROJEKTS
Einschlägige Studien, die sich im Kontext des Sportunterrichts mit Erlebnissen
der Angst (Ahrens-Eipper & Pötschke, 2017; Burrmann & Mutz, 2016), Scham
und Beschämung (Wiesche & Klinge, 2017), sozialer Ausgrenzung und Miss-
achtung (Grimminger, 2012) sowie körperlicher, sexueller und verbaler Grenz-
überschreitung (Hofmann et al., 2018; Hunger & Böhlke, 2017) befassen, zei-
1
Das Forschungsprojekt „Verunsicherung im Sportunterricht“ wird von den Unfall-
kassen Berlin, Brandenburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen gefördert (Laufzeit:
11/202012/2023) und unter der Leitung von Prof. Dr. Ina Hunger und Dr. Benjamin
Zander an der Georg-August-Universität Göttingen umgesetzt.
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VERUNSI CHERUNG IM SPORTUNTE RRICHT | 3
gen, dass Schüler*innen im Sportunterricht vielfältige Formen psychosozialer
Verunsicherung erfahren. Wissenschaftler*innen stellen situativ negatives Erle-
ben nicht nur in einen Zusammenhang mit der späteren Vermeidung oder Reduk-
tion sportiv-körperlicher Aktivität, sondern auch mit der physischen Gesundheit
in der Lebensphase Erwachsenheit (u. a. Cardinal et al., 2013). Aktuelle Studien
rücken zudem aufgrund einer zunehmenden Diversität der Schüler*innenschaft
die Erforschung von Erlebnissen in den Vordergrund, in denen u.a. die religiös-
kulturelle Herkunft von Schüler*innen im Widerspruch zu sportunterrichtlichen
Ansprüchen (wie Koedukation, Körperkontakt, Kleidungsordnung) steht (Özalp,
2017). Ebenso kann der spezifische Fokus auf Körperlichkeit verunsichern, z. B.
wenn Schüler*innen nicht den dominanten sportiven, schlanken oder juvenilen
Körperleitbildern entsprechen (Hunger, 2020).
Die hier exemplarisch angeführten Studien verdeutlichen die Vielfalt an Formen
und die Brisanz von Verunsicherungen, bieten aber aufgrund ihrer unterschiedli-
chen thematischen Schwerpunktsetzungen (noch) keine differenzierten Erkennt-
nisse über Verunsicherungen im Schulsport. Das im Folgenden vorgestellte For-
schungsprojekt setzt an diesem Desiderat an. Ausgehend von der grundlegenden
Annahme, dass psychosoziale Verunsicherungen im Schulsport gesundheitsein-
schränkende Wirkungen für (manche) Betroffene nach sich ziehen, zielt das
Vorhaben darauf ab, eben jene Phänomene der Verunsicherung, ihre ursächli-
chen und begünstigenden sportunterrichtlichen Bedingungen sowie die gesund-
heitlichen (Spät-)Folgen differenziert zu beschreiben. Dabei sollen sowohl schul-
form- und schulstufenspezifizierte Aussagen getroffen werden als auch tenden-
ziell vulnerable, marginalisierte oder besonders betroffene Gruppen im Hinblick
auf Alter, Geschlecht, soziokulturellen Hintergrund, körperlich-leibliche Konsti-
tution, ggf. Behinderung etc. erfasst werden. Nach dem Registrieren und Rekon-
struieren von Verunsicherung ist es ebenso unser Ziel, in einer zweiten Pro-
jektphase präventive, am Handlungsfeld Schule ansetzende Maßnahmen zu ent-
wickeln. Dafür wurde ein qualitativ-explorativer und gleichzeitig multimethodi-
scher Forschungszugang (mit einem Datenkorpus bestehend aus Kurznarratio-
nen, interaktiven Webseiten und Leitfadeninterviews) gewählt.
Im Rahmen von drei aufeinander bezogenen Teilstudien soll aus der Perspektive
von (ehemals) Betroffenen herausgefunden werden, welche Situationen als psy-
chosozial verunsichernd erlebt werden/wurden, welche Umgangsweisen mit
Verunsicherung im Sinne von z. B. Lösungsansätzen verfolgt werden und wel-
che Wirkmacht das Erlebte im Alltag oder in der Biografie entfaltet. Geleitet
durch ein theoretisches Sampling (Breuer, 2010; Glaser & Strauss, 2010) suchen
wir daher gezielt nach Personen, die im Sportunterricht tendenziell häufiger Si-
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tuationen der Verunsicherung (in ihren vielfältigen Ausprägungen) erfahren ha-
ben bzw. eher von deren Wirkmacht und Umgangsweisen berichten.
Den Fokus auf die Perspektive der Betroffenen zu legen, ist sowohl wegen der
individuell verschiedenen, subjektiven Wahrnehmungs-, Deutungs- und Hand-
lungsebenen als auch für die inhaltliche Bestimmung des Phänomens von zentra-
ler Bedeutung. Denn gesellschaftlich ist die Thematik der Verunsicherung im
Sportunterricht weitestgehend tabuisiert. Der Fokus liegt vielmehr auf dem Po-
tenzial der Gesundheits- und Entwicklungsförderung, ohne dabei jedoch zu re-
gistrieren, dass Sportunterricht auch negative Auswirkungen für einzelne Schü-
ler*innen haben kann. Auch Sportlehrkräfte sind z. B. angesichts ihrer meist
positiv konnotierten eigenen Sportsozialisation wenig für die Problematik sen-
sibilisiert, sodass es uns wichtig erscheint, die Perspektive von (ehemaligen)
Schüler*innen einzuholen. Dies ist zugleich methodisch anspruchsvoll, da wir
davon ausgehen, dass die erlebten Verunsicherungen r die Schüler*innen äu-
ßerst sensibel sind und zudem von diversen gesellschaftlich etablierten Ex-
pert*innen (wie Lehrkräften, Ärzt*innen, Therapeut*innen) kaum in ihrer jewei-
ligen Tragweite berücksichtigt werden.
Den Terminus ‚Verunsicherung‘ fassen wir zunächst eher alltagssprachlich, um
die empirische Forschung nicht ex ante auf einzelne Facetten zu verengen. Er
dient uns erst einmal als Arbeitsbegriff, um die vielfältigen Phäno-
menausprägungen (wie Angst, Scham, Überforderung, Mobbing, Übergriffigkeit
etc.) erfassen zu können, ohne dass wir sie augenblicklich durch eine Definition
engführen müssen. Die zahlreichen und oftmals auch divergierenden Bezeich-
nungen für Verunsicherungserfahrungen (z. B. als Irritation, Belastung, Qual,
Erleiden) erfassen wir zunächst im Sinne von In-Vivo-Codes. Mit einem weitge-
fassten begrifflichen ‚Dach‘ (wie eben dem Begriff der ‚Verunsicherung‘) blei-
ben wir außerdem dafür offen, ob, wie und inwiefern situative Verunsicherung
auch transsituative Wirkung entfaltet und welche Wirkungen (oder Effekte) dies
sind (wie Verlust von Freude an Bewegung, zunehmendes Fernbleiben vom
Sportunterricht, Entwicklung eines defizitären Körperkonzepts). Die Mehrdi-
mensionalität des Verunsicherungsbegriffs drückt sich weiterhin darin aus, dass
wir sowohl individuell psychische (d. h. das eigene Selbst betreffende) als auch
soziale (d. h. auf andere bezogene) Verunsicherung und deren Wechselverhältnis
als ‚psychosoziale‘ Verunsicherung betrachten. In der Logik verbleibend be-
zeichnen wir als ‚Verunsicherte‘ oder ‚Betroffene‘ diejenigen Individuen, die
laut eigener Angaben Verunsicherung erlebt haben.
BEWEGUN GSFREUDE VERSPIELT?
VERUNSI CHERUNG IM SPORTUNTE RRICHT | 5
KURZNARRATIONEN: SITUATIONEN DER
VERUNSICHERUNG
Im Rahmen dieser Teilstudie werden schriftliche Kurznarrationen von (ehemali-
gen) Schüler*innen, d. h. von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, einge-
holt. Mittels einer erzählgenerierenden Schreibaufforderung werden die Befrag-
ten gebeten, eine konkrete, zurückliegende verunsichernde Situation aus dem
Sportunterricht zu schildern. Dieses Erlebnis wird dann von ihnen in einem
zeitlich begrenzten Rahmen fokussiert so geschildert, dass es im Kern und der
jeweiligen Relevanzsetzung für andere nachvollziehbar wird. In dieser Situati-
onsschilderung berichten sie von spezifischen sozialen oder didaktischen Set-
tings und nehmen oftmals selbst eine Art Bilanzierung vor, inwiefern die Verun-
sicherung sozusagen transsituative Wirkung hat oder hatte.
Die Methode der schriftlichen Kurznarrationen (Hunger & Böhlke, 2017) zielt
auf eine dezidierte Reduzierung auf das subjektiv Wesentliche ab. Erkenntnis-
theoretisch ist bei schriftlichen Kurznarrationen davon auszugehen, dass indivi-
duell eindrückliche Situationen im Gedächtnis quasi episodisch gespeichert wer-
den und im Hinblick auf subjektiv bedeutsame Rahmenbedingungen, Ak-
teur*innen und situative Empfindungen von den Betroffenen mehr oder weniger
‚abrufbar‘ sind (Schiek, 2014; Wagner, 1994). Die Methodik eignet sich beson-
ders für die Erhebung sensibler Themen, die z. B. Kinder und Jugendliche (oder
‚verunsicherte‘ Menschen im Allgemeinen) in einer Face-to-Face-Situation nicht
ohne weiteres kommunizieren können bzw. möchten. Zudem ermöglicht sie eine
für qualitative Forschung untypisch hohe Fallzahl, wodurch ein möglichst um-
fassender Überblick über die Bandbreite von Verunsicherungssituationen gene-
riert werden kann.
Die Auswertung der Daten orientiert sich an sequenzanalytischen Verfahren im
Sinne der wissenssoziologischen Hermeneutik (Soeffner & Hitzler, 1994). Im
Anschluss an die sequenzanalytische Auswertung der Einzelfälle (d. h. Kurznar-
rationen) werden diese fallübergreifend nach Phänomenbezügen untersucht und
im Hinblick auf relevante Situationen mit ihren jeweiligen Bedingungen der
Verunsicherung interpretativ ausgewertet. Dabei liegt das Potenzial dieser Teil-
studie vor allem darin, die große Bandbreite von verunsichernden Situationen
einzuholen, deren spezifische Situationslogik zu rekonstruieren und fallübergrei-
fende Zusammenhänge systematisch herauszuarbeiten. Letztendlich soll eine
empirisch gesättigte Typologie von typischen Situationen, in denen verschiedene
Formen von psychosozialer Verunsicherung ausgelöst werden, inklusive affek-
tueller Dimensionen, kurz- und langfristigen Folgen sowie beteiligter Ak-
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teur*innen und typischen vulnerablen Schüler*innen(-gruppen) rekonstruiert
werden.
Erste empirische Einblicke lassen bereits die Bandbreite an psychosozialen Ver-
unsicherungen, ihren verursachenden bzw. fördernden Bedingungen und kurz-
bis langfristigen Auswirkungen erkennen. So erstrecken sich verunsichernde
Momente im Sportunterricht von unangenehmer körperlicher Nähe und Scham
beim gemeinsamen Umziehen, über Gewalterfahrungen, Auslachen und Drang-
salierungen sowohl durch Mitschüler*innen als auch durch Lehrkräfte, (sexuali-
sierte) Grenzüberschreitungen (z. B. „sexuelle Gesten“, „Hose runterziehen“) bis
hin zu öffentlichen Bloßstellungen und Diskriminierungen aufgrund von Körper-
form, Behinderung, sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität. Bei
der Analyse der verursachenden und fördernden Bedingungen gerät unter ande-
rem das didaktische Setting in den Blick, etwa durch einen vornehmlich an Leis-
tung orientierten Unterricht, der eng normiert und auf wenige Sportarten bezo-
gen ist, sowie Bühnensituationen, in denen einzelne Schüler*innen in den Fokus
der Aufmerksamkeit rücken („Vorgeführt-Werden“), spezifische Aufgabenstel-
lungen, die Schüler*innen mental und/oder körperlich überfordern oder die be-
stimmte Interaktionen mit Mitschüler*innen verlangen, welche als verunsichernd
erlebt werden. Weiterhin können Handlungsweisen der Lehrkraft psychosoziale
Verunsicherung hervorrufen oder fördern. Die bisherigen empirischen Beispiele
reichen hierbei vom Ignorieren/Nicht-Einschreiten in kritischen Momenten über
die Zuschreibung von Unsportlichkeit/mangelnder Begabung („Ich wusste
gleich, dass du es nicht schaffst“) oder auch zu hohe Erwartungen an Sportasse
(„das hätte ich jetzt bei deinen Leistungen besser erwartet“), bis hin zu Ein-
schüchterungen und perfiden Machtdemonstrationen, etwa durch unverhältnis-
mäßige Sanktionierungen („Zur Strafe mussten wir im Winter mit kurzen Sachen
draußen rennen“). Darüber hinaus können auch Gruppendynamiken (z. B. ge-
genseitiges „Wetteifern“ und „Überbieten“) und die Rollenverteilung innerhalb
der Schulklasse (Außenseiter*innen-Positionen oder drohender sozialer Status-
verlust) zur situativen Verunsicherung beitragen. Beispiele für Auswirkungen
dieser Situationen finden sich kurz- und mittelfristig im unmittelbaren Erleben
von emotionalem Leid („ich zitterte und konnte nur schwer meine Tränen zu-
rückhalten“), dem Rückzug aus dem Unterrichtsgeschehen sowie dem Nachlas-
sen von Motivation und Freude, wobei mitunter das Fach Sport zum „Hassfach“
erklärt wird und die Sporthalle zum Ort einer „wöchentlichen Tortur“. Darüber
hinaus können die erlebten Situationen auch quälende Langzeitwirkungen für
das Selbstbild und die psychische Gesundheit der Betroffenen entfalten („das hat
mich nachhaltig verletzt“) und zu einer dauerhaften Abwendung vom Sport oder
gar zu Panikattacken im sportlichen Kontext“ führen. In weiteren Auswertun-
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VERUNSI CHERUNG IM SPORTUNTE RRICHT | 7
gen gilt es nun die vielfältig ausgeprägten Verunsicherungssituationen zu syste-
matisieren, von bestimmten Situationen besonders betroffene Gruppen zu identi-
fizieren und situationsübergreifende Zusammenhänge (etwa hinsichtlich zugrun-
deliegender Bedingungen) zu erschließen.
INTERAKTIVE WEBSEITEN: UMGANG MIT
VERUNSICHERUNG
Diese Teilstudie setzt bei sogenannten interaktiven Webseiten an, wie z. B. Fo-
rumsdiskussionen, aber auch Kommentarbereichen unter Blogs, Kolumnen oder
journalistischen Artikeln. Uns interessieren dabei weniger die (journalistischen)
Darstellungen der Autor*innen, die Themen oder Diskussionsstränge eröffnen,
als vielmehr die vielfältigen Bezugnahmen von User*innen und die dadurch ge-
wonnenen Einblicke in die Umgangsweisen seien es Deutungen, spezifische
Thematisierungen, Formulierungen oder anderweitige Handlungen mit verun-
sichernden Akteuren, Situationen und ihren Folgen. In den bisher erhobenen Da-
ten zeigt sich, dass derartige Plattformen auch deswegen spannend sind, weil
aufgrund des potentiell hohen Anonymisierungsgrades des Internets sowohl ver-
unsicherte Schüler*innen als auch besorgte Eltern sowie sich dezidiert als er-
wachsen und reflektiert inszenierende User*innen teilnehmen und über Verunsi-
cherung sprechen, dazu beraten oder auch kontrovers diskutieren. Darüber kön-
nen verschiedene Subjektpositionen identifiziert und letztendlich soziale Nor-
mierungen des Umgangs mit Verunsicherung rekonstruiert werden, z. B. wenn
Differenzierungen vorgenommen werden zwischen legitimen und illegitimen
Lösungsansätzen oder zwischen legitimen und illegitimen Sprecherpositionen.
Als methodischen Zugang für die Erhebung und Auswertung digitaler Daten ha-
ben wir die Wissenssoziologische Diskursanalyse gewählt (Keller, 2011), um ei-
nen Überblick über die Bandbreite verschiedener und die Dominanz einzelner
Ausprägungen der psychosozialen Verunsicherung und dessen Verhandlungen
zu erschließen. Wir interessieren uns für Zusammenhänge, Regeln oder Struktu-
ren der Diskussionen über Verunsicherung, woraus wir wiederum thematische
Diskurse rekonstruieren, z. B. zur Tabuisierung von Angst im Sportunterricht, zu
Mobbing an Schulen oder juvenilen Körpernormen.
Die Erhebung der Daten erfolgt mittels gängiger Suchmaschinen. In der Empirie
zeigt sich, dass nach Eingabe von Schlagworten (Suchmaschine Google) wie
‚Angst‘, ‚Mobbing‘ oder ‚abschaffen‘ in Kombination mit ‚Schulsport‘ / ‚Sport-
unterricht‘ eine Vielzahl von Trefferseiten angezeigt wird. Dabei zeichnet sich
bereits ab, dass über sehr unterschiedliche Ausprägungen und zudem auf sehr
verschiedenen Plattformen das Phänomen Verunsicherung zum Thema gemacht
wird. Von den vorgeschlagenen Trefferseiten nehmen wir solche in den Daten-
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& MARTIN RÖTTGER
korpus auf, bei denen (a) Verunsicherung speziell im Sportunterricht themati-
siert und (b) diese in welcher konkreten Form auch immer diskutiert wird.
Die Auswertung der Daten erfolgt zum einen interpretativ (nach wissenssoziolo-
gischer Hermeneutik), um individuelle Sinnzuschreibungen und soziale Deu-
tungsmuster zu rekonstruieren. Zum anderen erfolgt sie bei eintretender theoreti-
scher Sättigung eher deskriptiv, um die etwaige Dominanz von Diskurssträngen
und dazugehörigen Deutungsmustern einzuschätzen. In der Analyse der natürli-
chen digitalen Daten setzen wir zwar bei einzelnen Äußerungen und Praktiken
an, abstrahieren diese jedoch zu überindividuellen Aussagen und übersituativen
Diskursen.
Über Erfahrungen der Verunsicherung im Sportunterricht berichten häufig Eltern
(mit Titeln wie »Turnhallen-Trauma«), die sich um ihre Kinder sorgen, dass
Letztere in Anbetracht zu hoher und zu verallgemeinernder Leistungsanforde-
rungen die Freude an körperlicher Bewegung und sportiven Aktivitäten verlieren
könnten. Der von Eltern beschriebene Motivationsverlust ihrer Kinder geht zum
Teil auch mit Angst vor manchen Sportgeräten einher. Mit normierten Leis-
tungsanforderungen (wie die Höhe der Latte beim Hochsprung oder die Anzahl
der Liegestütze) werde zusätzlich Druck aufgebaut, Versagensangst geschürt o-
der sportives Engagement gemindert. Unter Bezugnahme auf derartige Darstel-
lungen diskutieren User*innen oftmals kontrovers und zuweilen über mehrere
hundert bis zu 1.000 Kommentare hinweg. Die individuellen und stark situati-
onsbezogenen Äußerungen lassen (zum jetzigen Zeitpunkt) mindestens zwei di-
vergierende Deutungsweisen erkennen. In der Dramatisierung von Verunsiche-
rung stellen besorgte Eltern einen Zusammenhang zu demotivierenden Auswir-
kungen des Sportunterrichts auf die kindliche Bewegungsfreude bis hin zum ge-
samten weiteren Leben ihrer Kinder her. Hingegen bei entdramatisierenden Deu-
tungen werden die elterlichen Sorgen banalisiert, das kindliche ‚Unvermögen‘
problematisiert und zuweilen wird auch Mutterschaft (niemals jedoch Vater-
schaft) als zu fürsorglich kritisiert.
Auffällig ist, dass in Diskussionsforen oftmals Dramatisierungen und Entdrama-
tisierungen aufeinandertreffen. So stellen sich manche User*innen als besorgte
Eltern dar, denen wiederum andere User*innen Banalisierungen und Ironisierun-
gen entgegnen und sich dabei selbst als besonders reflektiert, die Besorgten hin-
gegen als realitätsfremd darstellen. Im Fortgang der Forschung wollen wir ge-
fundene Deutungsmuster weiter zu Diskurssträngen abstrahieren und initiale
Diskursereignisse rekonstruieren, mit denen der Verunsicherungsdiskurs verfes-
tigt, entkräftet oder modifiziert wird.
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INTERVIEWS: WIRKMACHT DER VERUNSICHERUNG
Im Rahmen der dritten Teilstudie werden leitfadenorientierte Interviews erho-
ben. Während die in schriftlichen Kurznarrationen und interaktiven Webseiten
eingelassenen Beschreibungen oder Argumentationen stark pointiert ausfallen
und kaum Erkenntnisse über die subjektiven Hintergründe individuell agierender
Personen transportieren, kann in den mündlichen Einzelinterviews gezielt zu
Themen nachgefragt werden, wodurch auch längere Narrationspassagen zu indi-
viduellen Deutungen von Akteurspositionen, Handlungsoptionen, -normierungen
oder -restriktionen stimuliert werden können. Die dritte Teilstudie versucht da-
mit die subjektive Erlebensdimension sowie Sinn- und Bedeutungszuschreibung
von Betroffenen zu rekonstruieren.
In Bezug auf die Forschungsfrage stehen hier die subjektive Be- und Verarbei-
tung von psychosozialer Verunsicherung im Vordergrund. Weiterführend soll
zudem erfasst werden, welche Wirkmacht diese Erlebnisse u. a. in Bezug auf
Gesundheit und Wohlbefinden im Alltag, aber auch in der Biografie der Be-
troffenen entfaltet haben. Dafür setzen wir mittels Einzelinterviews an den sub-
jektiven Perspektiven von (ehemaligen) Schüler*innen an. Durch die Orientie-
rung an einem Leitfaden geben wir zwar thematische Impulse (a) zum Erleben
von Schule und Sportunterricht im Allgemeinen, (b) was innerhalb des Sportun-
terrichts als subjektiv verunsichernd erlebt wurde, (c) inwiefern die Befragten
einen Zusammenhang herstellen zu ihren (späteren) Handlungs- und Deutungs-
mustern, ihrem (veränderten) Selbstverständnis und etwaigen Effekten auf ihr
subjektiv empfundenes Wohlbefinden sowie (d) welche Wünsche sie zur Ver-
besserung des Schulsports äußern. Im Rahmen dieser groben thematischen
Strukturierung schränken wir die Deutungs- und Artikulationsspielräume der Be-
fragten so wenig wie möglich ein (Kruse, 2015, S. 209225). Die Datenauswer-
tung erfolgt ebenfalls nach wissenssoziologischer Hermeneutik. Die fallübergrei-
fende Analyse hat sodann das Ziel, homologe Strukturen der Be- und Verarbei-
tung von Verunsicherung sowie diesbezügliche Muster der Wirkmacht heraus-
zuarbeiten.
Erste Auswertungen des Datenmaterials zeigen bereits, welche nachhaltige
Wirkmacht die als Kind im Sportunterricht erlebten Erfahrungen in späteren Le-
bensphasen entfalten können. So berichten manche Befragte noch als Erwachse-
ne sehr detailliert und teils emotional von Erlebnissen aus dem Schulsport der
Primarstufe, wie der Fall Lena
2
zeigt:
2
Die 27-jährige Lena (anonymisiert) berichtet im Interview über mehrfache Verunsi-
cherungen im Sportunterricht bereits ab der Primar- bis hin zur Oberstufe.
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»Also, in der ersten und in der zweiten Klasse hatte ich auch nen Lehrer, der mich ge-
mobbt hat. Ähm also, der hat mir also, der hat immer so im Stillen dann also, wenn die
anderen Schüler*innen das nicht mitgekriegt haben, halt zu mir gesagt, dass ich seine
schlechteste Schülerin sei, die schwächste aus der Klasse, dass ich laufe, wie ein nasser
Sack, dass ich springe, wie ein Sandsack.«
Nicht nur werden die abfälligen bildhaften Vergleiche der früheren Lehrkraft er-
innert, sondern auch die Konstellationen, in denen die damalige Schülerin so-
wohl räumlich als auch verbal von der Klasse getrennt („im Stillen dann“) sym-
bolische Degradierungen erfahren hat. Die erlebte Verunsicherung ist insofern
besonders brisant, da die Beleidigungen erstens von den Mitschüler*innen un-
bemerkt bleiben, also keinerlei Unterstützung durch Peers erwartet werden kann.
Zweitens erscheint die Lage ausweglos, denn Lena wird der Sportlehrkraft ge-
zwungenermaßen immer wieder begegnen. Eine Vermeidungsstrategie ist nicht
möglich. Ebenso ist eine Beschwerde bei einer höheren Instanz insofern ausge-
schlossen, da die Degradierung von Niemandem bemerkt wird und die Lehrkraft
qua Professionalisierung mehr Deutungshoheit und Glaubwürdigkeit genießt.
Aus der Degradierung bezüglich sportiver Fähigkeiten zieht die verunsicherte
Lena sogar Schlüsse auf ihr Selbstverständnis und Körperkonzept:
»Gerade das halt, was ich in der ersten und zweiten Klasse erlebt habe. Ähm ich hab
schon ja, einfach was mein, mein Körperbild angeht, hat das sehr ähm ja verschlechtert.
Und hab mich dann nie wohlgefühlt und ich hatte dann auch nie Spaß am Sport.«
Die im Vergleich zu anderen Fächern im Sportunterricht besonders und regel-
mäßig im Vordergrund stehende Körperlichkeit evoziert in diesem Fallbeispiel
nicht nur situative, sondern auch transsituative Verunsicherung. In der Retro-
spektive bilanziert sie zudem im Interview sehr ausführlich, dass ihr aufgrund
eben jener Erfahrungen nicht nur das Vergnügen an sportiven Handlungen, son-
dern auch daraus resultierendes subjektives Wohlbefinden nachhaltig verunmög-
licht wurden. Unter anderem letztere Erkenntnis verdeutlicht die vielfältigen
Möglichkeiten von Interviews hinsichtlich der Erforschung psychosozialer
Wirkmacht von Verunsicherung im Sportunterricht. Diese als wirkmächtig ein-
geordneten psychosozial verunsichernden Erfahrungen sowie die vielfältigen
Einflüsse auf den (sportiven) Alltag, die Biografie und das Wohlbefinden wer-
den im Fortgang der Studie über den Vergleich mehrerer Interviews systema-
tisch in ihren Mustern erschlossen.
BEWEGUN GSFREUDE VERSPIELT?
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FAZIT UND AUSBLICK
Mit dem vorliegenden Beitrag haben wir aufgezeigt, dass Schüler*innen den
Sportunterricht keineswegs ausschließlich positiv deuten und wiederum die Deu-
tung als negative Verunsicherung nicht zwingend auf etwaige defizitäre körper-
lich-motorische Fähigkeiten und Entwicklungen zurückgeführt werden kann.
Stattdessen ist Verunsicherung im Sportunterricht ein komplexes Phänomen,
dessen Dimensionen, Akteurskonstellationen und Wirkmechanismen es zu erfor-
schen gilt. Deutlich wird ebenfalls, dass die dem Sportunterricht zugeschriebe-
nen, eingangs erwähnten Potenziale sich auch in ihr Gegenteil verkehren kön-
nen. Der von uns veranschlagte multimethodische Zugang ermöglicht es, die
große Bandbreite und Vielschichtigkeit des Phänomens der Verunsicherung zu
registrieren und die (mitunter weitreichende) Bedeutung für Betroffene zu re-
konstruieren. Indem die Studie aufzeigen wird, welche sportunterrichtlichen Si-
tuationen mit welchen psychosozialen Belastungen für welche (Gruppen von)
Schüler*innen einhergehen, welche Umgangsweisen, Vermeidungsstrategien
oder Lösungsansätze gesucht werden und welche (gesundheitsbeeinträchtigen-
den) Folgen daraus resultieren können, möchten wir dazu beitragen, Verunsiche-
rung im Sportunterricht zu verstehen und in den jeweiligen Ursachen und Wirk-
mechanismen zu rekonstruieren.
In unserer bisherigen Forschung zeigt sich, dass Verunsicherung eben kein ‚ex-
klusives‘ Phänomen von ängstlichen, vermeintlich unsportlichen, unmotivierten
o. ä. Schüler*innen ist. Per se kann jede*r Schüler*in von Verunsicherung be-
troffen sein. Zudem können sportunterrichtliche Situationen zuweilen von den
beteiligten Akteur*innen unterschiedlich gedeutet werden. Was als Verunsiche-
rung und was oder wer als ‚Auslöser‘ verstanden wird, inwiefern (ehemals) Be-
troffene auch von transsituativen negativen Effekten auf ihr Wohlbefinden be-
richten oder welche lösungsorientierten Handlungen und Deutungen sie (versu-
chen zu) entwickeln, variiert sehr stark. So ist das Phänomen nicht nur in Anbe-
tracht der weitgehenden Forschungslücke wissenschaftlich spannend, sondern
auch mit Blick auf eine Theoriegenese von Verunsicherung. Zudem erkennen
wir in der sportpädagogischen Praxis bislang einen blinden Fleck, und im gesell-
schaftlichen Diskurs eine weitreichende Tabuisierung bis hin zur Ironisierung
sowohl von Verunsicherung als auch von Betroffenen. Zur Schließung dieser
Lücken, zur Beseitigung dieser blinden Flecken und zur Enttabuisierung möch-
ten wir mit unserer Forschung ein Stück weit beitragen.
12 | INA HUNGER, BENJA MIN ZANDER, BAB ETTE KIRCHNER, DARREN MEINEKE, SARAH METZ
& MARTIN RÖTTGER
LITERATUR
Ahrens-Eipper, S., & Pötschke, M. (2017). Leistungsangst im Sportunterricht
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... In order to approach the phenomenon of students' unsettling PE experiences, a qualitative study among current and former students (N = 677) was conducted from May 2021 to September 2022 by collecting written short narratives (Hunger et al. 2022). This method is based on work by Nygren and Blom (2001) and Hunger and Böhlke (2017), who developed alternative research approaches to evoke brief reflective narratives about situations that people experienced as problematic. ...
... 1. The research project, consisting of three interconnected sub-studies (Hunger et al. 2022), was conducted at the University of Göttingen. It builds on the results of preliminary work by Hunger and Böhlke (2017). ...
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Background: The state of research on unsettling experiences of students in physical education can be characterized as fragmented. The available studies focus on select emotions (e.g. fear), specific forms of discrimination (e.g. ableism), or different types of social interactions (e.g. bullying). In this way, the state of research reveals different aspects of students’ suffering in physical education (PE) in a puzzle-like manner, while systematic investigations of the overall picture of PE as a complex meaningfully structured phenomenon remain open. Purpose: The study presented in this paper aims to systematically capture the breadth of unsettling PE experiences by taking different perspectives of students into account, while also doing justice to PE in its situational logic. Based on a social constructivist approach, the following research questions will be addressed: (1) What kind of experiences are interpreted as unsettling by students in PE? (2) Which situational conditions are associated with students’ unsettling PE experiences? Methods: A qualitative research approach based on written short narratives was employed to answer the research questions. Current and former secondary school students (N = 677) from Germany participated. Grounded theory coding methods and sequential analysis were used for the data analysis. Results: Our data indicates a wide range of students’ unsettling PE experiences (e.g. public humiliation, social exclusion, and forms of violence). On a supra-individual level, two major categories of unsettling PE experiences were identified: (1) The vulnerability of the students perceived through revealed inadequacies and (2) the social oppression of the supposedly ‘lazy, weak and unfit’. Students’ experience of vulnerability can be traced back to situations of physical exposure and performance failure while their experience of social oppression draws back to suppressive actions by teachers and fellow students. For each of these categories, we identify typical ways in which students deal with their unsettling experience. On a structural level, a hierarchizing culture of PE that fosters unsettling experiences is revealed. Discussion: As a central strength, our study can provide condensed explanations for the emergence and consequences of unsettling PE experiences from the students’ perspective. Our findings relate to and enrich existing discourses regarding the situational emergence of vulnerability, overarching mechanisms of marginalization, and the hierarchizing culture of PE as a basis for social oppression. It is particularly tragic that affected students feel left alone and can hardly escape harmful situations, which perpetuates their suffering. Thus, pedagogical concepts that emphasize students’ diversity and the dismantling of hierarchies are needed and should be advanced further.
... ehrtheit ihrer Schüler*innen. Doch gerade eine potenzielle Verstrickung der Lehrperson in schulische Gewalt galt im öffentlichen Diskurs lange Zeit als Tabuthema (Fuchs et al. 2009, S. 46f.) und wurde auch im Schulsport bislang nicht systematisch erforscht. Der geplante Vortrag, welcher aus einem drittmittelgeförderten Forschungsprojekt hervorgeht (Hunger et. al., 2022), nimmt dies zum Anlass, um sportunterrichtliche Gewalterlebnisse aus Schüler*innenperspektive gezielt in den Blick zu nehmen. Die konkrete Zielstellung besteht darin, aufzuzeigen, inwiefern betroffene Schüler*innen ihren Lehrkräften Verantwortlichkeit für interpersonale Gewalt im Sportunterricht zuschreiben. Des Weiteren werden typische ...
Article
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People's feelings toward physical activity are often influenced by memories of their childhood experiences in physical education and sport. Unfortunately, many adults remember negative experiences, which may affect their desire to maintain a physically active lifestyle. A survey that asked 293 students about recollections from their childhood or youth physical education and sport experiences revealed that participants who had been picked or chosen last for a team had a significant reduction in physical activity later in life. Long recognized as an “inappropriate” instructional practice by NASPE, “captains picking teams” still occurs in some physical education and sport settings. With the increase in sedentary lifestyles and related health problems, teachers and coaches must consider the long-term effects of their use of potentially negative practices with children and youths in physical education and sport settings.
Book
Wir geben eine gründliche Anleitung für die Arbeit unter diesem qualitativ-sozialwissenschaftlichen Forschungsstil – eine Fortentwicklung der von Anselm Strauss und Barney Glaser begründeten Methodologie. Das Buch basiert auf ca. 30-jähriger Erfahrung mit dem Ansatz. Wir stellen die Geschichte, die erkenntnistheoretischen Grundlagen, die Denkweise und die zirkuläre Schritte-Abfolge des Forschungsprozesses vor. Die Idee der datenbegründeten Theoriebildung bekommt eine neue Akzentuierung: Wir heben die begleitende reflexive Selbst-Aufmerksamkeit der Forschenden als Leitlinie und Erkenntnisheuristik hervor. Gütekriterien und ethische Fragen des Forschungsstils werden besprochen. Beispiele der Arbeit mit dem Ansatz, der Anwendung seines Instrumentariums sowie seiner Aneignung im Studium runden die Darstellung ab. Aus einer Buchbesprechung zur 3. Auflage „ […] ein aneignungs- und lesefreundliches Werk […], verständlich für EinsteigerInnen und inspirierend für Fortgeschrittene – nicht nur ein Lehrbuch, sondern auch über die Methodologie der Reflexiven Grounded Theory hinaus ein Sammelwerk für die Feinheiten und (selbst-) reflexiven Aspekte qualitativer Forschung.“ Marion Linska, Forum Qualitative Sozialforschung 19(2), 2018 Die Zielgruppen • Studierende aller sozial- und kulturwissenschaftlichen Fachrichtungen, die eine erfahrungsgesättigte Einführung in die Grounded Theory suchen. • Forschende dieser Fächer, die eine praktisch umsetzbare Anleitung für den Forschungsstil benötigen. • Lehrende aller Fachrichtungen, die qualitative Forschungsmethoden unterrichten. Die Autoren Dr. Franz Breuer ist Professor i.R. am Institut für Psychologie der Universität Münster. Dr. Petra Muckel arbeitet selbständig als Psychologin in eigener Praxis in Oldenburg. Dr. Barbara Dieris arbeitet als Psychologin und systemische Therapeutin an einer Kinderklinik.
Article
Das Hauptziel der vorliegenden explorativen und deskriptiven Studie ist die Erfassung und Analyse der fachspezifischen Leistungsangst von Schülern und Schülerinnen im Sportunterricht sowie möglicher Strategien zu deren Reduktion. Zum Vergleich wurde die fachspezifische Leitungsangst im Fach Mathematik erhoben. Untersucht wurde eine Stichprobe von 63 Schülern und Schülerinnen der 6. und 8. Klasse eines Spezialgymnasiums. Zusätzlich zum Ausmaß der Angst wurde die Lehrer-Schüler-Übereinstimmung erfasst. Die Ergebnisse zeigen eine Besorgnis erregend hohe Anzahl von Kindern mit klinisch relevanten Leistungsängsten (PHOKI, 26 von 63 Befragten). Besonders eindrücklich sind die Befürchtungen der Kinder, bei Leistungskontrollen im Sportunterricht ausgelacht, abgewertet oder mit dem Handy aufgenommen zu werden. Bzgl. der Leistungsstärke zeigte sich eine hohe Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdurteil (Mathematik: r: .52, Sport: r: .63), während die Übereinstimmung bei der Einschätzung der Aufgeregtheit zwischen Selbst- und Fremdurteil deutlich niedriger ausfiel (Mathematik: r: .26, Sport: r: .29). Es wurden positive Korrelationskoeffizienten zwischen der Variablen „Leistungsangst“ und verschiedenen Dimensionen der „Leistungsmotivation“ gefunden. Zur anwendungsbezogenen und schlussfolgernden Einordnung und Diskussion der Ergebnisse wird das Modell von Clark und Wells (2005) herangezogen und Implikationen für die Praxis aufgezeigt.
Book
Das Buch gibt im ersten Teil einen interdisziplinären Überblick über den aktuellen Stand der Diskursforschung und erläutert die wichtigsten diskurstheoretischen Grundlagen. Im zweiten Teil wird das forschungspraktische Vorgehen bei sozialwissenschaftlichen Diskursanalysen - von der Entwicklung der Fragestellung über die Auswahl von Daten, deren Analyse bis hin zur Interpretation und Präsentation der Ergebnisse - detailliert beschrieben. Mit seiner didaktisch aufbereiteten Darstellung wendet sich das Buch an Studierende und Lehrende der Soziologie, der Politik- und Geschichtswissenschaften und angrenzender Disziplinen, die sich im Rahmen der Methodenausbildung, von Studienprojekten und Abschlussarbeiten mit Diskurskonzepten auseinandersetzen wollen sowie allgemein an SozialwissenschaftlerInnen, die bezüglich der Konzeption und Durchführung eigener Forschungsvorhaben an Grundlagen und Umsetzungsmöglichkeiten der Diskursforschung interessiert sind.
Selbstberichtete Angst im Sportunterricht: Eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung des Geschlechts und der ethnischen Herkunft
  • U Burrmann
  • M Mutz
Burrmann, U., & Mutz, M. (2016). Selbstberichtete Angst im Sportunterricht: Eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung des Geschlechts und der ethnischen Herkunft. Leipziger sportwissenschaftliche Beiträge, 57(1), 95-119.
Anerkennungs-und Missachtungsprozesse im Sportunterricht
  • E Grimminger
Grimminger, E. (2012). Anerkennungs-und Missachtungsprozesse im Sportunterricht. Sportwissenschaft, 42(2), 105-114.
Wo ist die Grenze? Der Umgang von Grundschullehrer*innen mit potentiell grenzverletzenden Situationen im Sportunterricht
  • A R Hofmann
  • J Fronius
  • K Schicklinski
Hofmann, A. R., Fronius, J., & Schicklinski, K. (2018). Wo ist die Grenze? Der Umgang von Grundschullehrer*innen mit potentiell grenzverletzenden Situationen im Sportunterricht. Sportunterricht, 67(3), 110-115.
  • I Hunger
  • B Zander
Hunger, I., & Zander, B. (2020). Sportunterricht. Ansprüche, Legitimierungen, Realisierungsformen und Erfahrungen. INDES 9(1), 121-133.
Über die Grenzen von Scham. Eine qualitative Studie zu (scham-) grenzüberschreitenden Situationen im Sportunterricht aus der Perspektive von Schüler/innen
  • I Hunger
  • N Böhlke
Hunger, I., & Böhlke, N. (2017). Über die Grenzen von Scham. Eine qualitative Studie zu (scham-) grenzüberschreitenden Situationen im Sportunterricht aus der Perspektive von Schüler/innen. Forum Qualitative Sozialforschung 18(2), Artikel 2, 60 Absätze. Abruf unter https://www.qualitativeresearch.net/index.php/fqs/article/view/2623/0
Schamerleben muslimischer Mädchen im Sportunterricht
  • Ö Özalp
Özalp, Ö. (2017) Schamerleben muslimischer Mädchen im Sportunterricht. In D. Wiesche & A. Klinge (Hrsg.), Scham und Beschämung im Schulsport: Facetten eines unbeachteten Phänomens (S. 93-111). Meyer & Meyer.