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EN T O MO H E LVE T IC A 14: 59 – 65, 2021
1 Naturhistorisches Museum Basel, Augustinergasse 2, CH-4051 Basel; christoph.germann@bs.ch
2 info fauna – CSCF, Avenue Bellevaux 51, CH-2000 Neuchâtel; andreas.sanchez@unine.ch
Abstract: First records of Rhyncolus sculpturatus Waltl, 1839 from Switzerland (Coleoptera,
Curculionidae). − Rhyncolus sculpturatus
were collected in central Valais and in Grisons. The habitus and genitalia are shown and compared with
the two morphologically most similar species, R. elongatus (Gyllenhal, 1827) and R. strangulatus Perris , 1852 .
The synonymy of R. nitidipennis Thomson, 1868 with R. sculpturatus
Zusammenfassung: Erstmals konnte Rhyncolus sculpturatus Waltl, 1839 aus der Schweiz nachgewiesen
werden. Fünf Exemplare wurden im zentralen Wallis und im Graubünden gesammelt. Habitus und
Genitalstrukturen werden abgebildet und mit den mor phologisch ähnlichsten Arten R. elongatus
(Gyllenhal, 1827) und R. strangulatus Perris, 1852 verglichen. Die Synonymie von R. nitidipennis
Thomson, 1868 wird kurz diskutiert und korrigiert.
Résumé: Premières mentions de Rhyncolus sculpturatus Waltl, 1839 en Suisse (Coleoptera,
Curculionidae). Rhyncolus sculpturatus est mentionné pour la première fois en Suisse, cinq spécimens
ayant été collectés en Valais central et aux Grisons. L’habitus et les pièces génitales sont illustrés et
comparés aux deux espèces morphologiquement proches R. elongatus (Gyllenhal, 1827) et R. strangulatus
Perris, 1852. La synonymie avec R. nitidipennis Thomson, 1868 est brièvement discutée et corrigée.
Keywords: Cossoninae, new record, faunistics, Swiss fauna, morphology
EINLEITUNG
Die Rüsselkäfer-Fauna der Schweiz wurde durch Germann (2010, 2011, 2013, 2019)
ausführlich dokumentiert mit über 1080 Taxa. Kürzlich erschien eine neue Checkliste
der Scolytinae (Sanchez et al. 2020) gefolgt von der Meldung einer weiteren Art, Ips
duplicatus (Sahlberg, 1836) durch Wermelinger et al. (2020). Die ebenfalls xylobiont
lebenden Cossoninae – wenn auch meist in Holz, welches sich in einem sehr viel wei-
Euophryum
conne (Broun, 1881), einer weiteren Adventivart, ergänzt (Germann et al. 2015). Hier
folgt nun mit Rhyncolus sculpturatus nochmals eine Art dieser Unterfamilie, welche
aus den Nachbarländern bereits gemeldet war, aber bisher nur von wenigen Funden bekannt
wurde. So beispielsweise in Deutschland aus dem Schwarzwald in Baden-Württemberg
und ein Einzelfund von der Schwäbischen Alb (Rheinheimer & Hassler 2010).
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Erstnachweise von Rhyncolus sculpturatus Waltl, 1839 aus der
Schweiz (Coleoptera, Curculionidae)
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CHR ISTOPH GER MANN & ANDREAS SANCHEZ
Die Gattung Rhyncolus Germar, 1817 war bisher in der Schweiz mit vier Arten
vertreten, wobei R. reexus Boheman, 1838 nur von wenigen und alten Belegen aus
bekannt ist. R. elongatus und R. punctatulus Boheman, 1838 sind aus acht bzw. neun
gefunden. Rhyncolus ater (Linné, 1758) ist die bei uns am weitesten verbreitete und
der Schweiz Nachweise vor. Alle Arten der Gattung leben als Larve und Imago in
morschem Totholz mit unterschiedlichen Präferenzen hinsichtlich der Baumart.
Im Folgenden stellen wir erste Funde von R. sculpturatus aus der Schweiz im
zentralen Wallis und im Graubünden vor und zeigen die entscheidenden Merkmale
von R. sculpturatus und den beiden morphologisch ähnlichsten Arten R. elongatus
und R. strangulatus auf, um zukünftig eine verlässliche Bestimmungshilfe zur Unter-
scheidung dieser nicht einfach zu bestimmenden Arten zu bieten.
MATERIAL & METHODEN
Die Habitus-Fotos von R. elongatus und R. sculpturatus wurden mit einer Canon EOS 6D
erstellt und mit Helicon Focus Version 5.3 gestackt. Diejenigen von R. strangulatus und
aller Genitalstrukturen wurden mit einem VHX-6000 Photosystem von Keyence am NMB
erstellt. Folgende Kürzel für Sammlungen werden verwendet: cAS – Sammlung Andreas
Sanchez; cYC – Sammlung Yannick Chittaro; NMB – Naturhistorisches Museum Basel.
Das Vergleichstier von R. strangulatus stammt aus der coll. G. Frey (NMB) und trägt
die Angabe «Landes» [Département Les Landes, Frankreich; Typenlokalität der Art].
RESULTATE UND DISKUSSION
Überblick
Der hier erstmals für die Schweiz gemeldete R. sculpturatus gleicht morphologisch
R. elongatus, dies wurde in der Vergangenheit mehrfach hervorgestrichen und führ-
te immer wieder zu Fehlbestimmungen in Sammlungen. Dazu kommt die unter-
schiedliche Deutung der Merkmale und Verwechslungen mit einer dritten ähnlichen
Art mit rätselhafter, da sehr lückenhafter Verbreitung nach Alonso-Zarazaga et al.
(2017 ): R. strangulatus Perris, 1852, welche aus Österreich, Frankreich (Typuslokalität
in den «Landes» im Südwesten), Deutschland, Kroatien und Schweden gemeldet ist,
wobei bisher gar keine bestätigten Funde aus Deutschland (schriftl. Mitt. L. Behne,
P. Sprick 2020) und schon länger Nachweise aus Italien (Colonnelli 2003) und Spanien
(Alonso-Zarazaga 2002) vorliegen. Palm (1953) zeigte bestehende Unterschiede
zweier Rhyncolus-Arten im Süden Schwedens anhand präziser Strichzeichnungen.
Es handelte sich um R. elongatus (Gyllenhal, 1827) und R. nitidipennis Thomson,
1868. R. nitidipennis, beschrieben aus Südschweden (Skåne) (Thomson 1868), wurde
eigentlich als Synonym von R. sculpturatus – beschrieben aus Passau – geführt,
nach der Interpretation der Beschreibung von Waltl (1839) durch Folwaczny (1964)
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ERST NACHWEISE VON RHYNCOLUS SCULPTUR ATUS AUS DER SCH WEIZ
und auch nach der Überprüfung des Typus etwas später durch denselben Autor
(Folwaczny 1973).
Im aktuellsten Katalog der Curculionoidea der Paläarktis (Alonso-Zarazaga et
al. 2017) und auch bereits im vorangehenden Katalog innerhalb der Cossoninae
R. nitidipennis jedoch überraschend synonym zu
R. strangulatus geführt. Eine Referenz zu dieser Umdeutung ist uns weder bekannt
weist unseres Erachtens auf einen schlichten Fehler hin, sodass die Synonymie im
Sinn von Folwaczny (1964, 1973) und auch die Verbreitung im Katalog (Alonso-Zarazaga
et al. 2017) wie folgt angepasst werden muss:
Rhyncolus sculpturatus Waltl, 1839
= nitidipennis C. G. Thomson, 1868; AU, BH, CR, CZ, DE, FI, FR, GE, GR, HU,
LA, LT, ME, NR, NR, PL, SP, ST (Caucasus), SV, SZ, RO, TR
Rhyncolus strangulatus Perris, 1852
= dalmatinus Desbrochers des Loges, 1892; CR, FR, IT, SP
-
lich durch die Aufnahme von Verbreitungsdaten von R. nitidipennis bedingt war.
Abb. 1. Fundpunkte von Rhyncolus elongatus (blau) und R. sculpturatus (rot) in der Schweiz
(info fauna – CSCF).
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CHR ISTOPH GER MANN & ANDREAS SANCHEZ
b
ac
Abb. 2. a) Habitus der Männchen von Rhyncolus elongatus (Solothurner Jura, Rämel), b) R. sculpturatus
(Valais, Anniviers, Les Pontis) und c) R. strangulatus (France, Landes).
Rhyncolus strangulatus ist im Vergleich zu R. sculpturatus weniger weit verbreitet,
R. strangulatus noch als französisch-korsische Exklusivität
auf, was jedoch nach Funden aus Dalmatien (das Synonym dalmatinus), Italien und
Spanien relativiert werden konnte.
Fokus Schweiz
Das bisher überprüfte Sammlungsmaterial aus der Schweiz im Vorfeld der Check-
liste im 2010 und danach (Daten info species) ergab die oben kurz erwähnten Häu-
Neue Rhyncolus-Funde aus dem zentralen Wallis und dem Graubünden (Abb. 1)
konnten nun erstmals R. sculpturatus
(Anniviers) (VS), 610031/123137, 1114 m ü. M., 18.06.2013, sous écorce souche
Pinus sylvestris
(VS), 649985 / 136190, 858 m ü. M., 25.05.2018 (27), piège d’interception, leg.
Finges (Leuk) (VS), 614960 / 128040, 700 m ü. M., 19.05.2020, sous écorce chandelle
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ERST NACHWEISE VON RHYNCOLUS SCULPTUR ATUS AUS DER SCH WEIZ
Pinus sylvestris
976 m ü. M., 15.06.2020 (18), piège interc. [Piège interception, siehe dazu Sanchez &
Chittaro (2015)], leg. Y. Chittaro (cYC). 1 ex.: Helv., Aue Cauma (Schluein) (GR),
2737098/1182998, 16.06.2020, Polytrap, leg. B. Huber, det. B. Büche (cBB).
Aufgrund der Gesamtverbreitung von R. sculpturatus durfte ein Vorkommen in
der Schweiz vermutet werden. Da die Art jedoch auch in benachbarten Ländern selten
gefunden wird und Cossoninae nicht gezielt gesucht wurden, fehlten bisher Nachweise.
Zur sicheren Unterscheidung von R. sculpturatus und R. elongatus kann auf
Tab. 1 zusammengefasst sind: Bei R. sculpturatus ist der Penis kürzer und breiter,
vor der Quaste weniger breit, das Halsschild ist breiter und weniger lang, die Punk-
tierung meist etwas schwächer und vielfach ist in der Mitte eine punktfreie Mittel-
linie zu erkennen, die Punktierung der Flügeldecken-Zwischenräume ist feiner, der
Habitus weniger gestreckt, die Körpergrösse insgesamt etwas kleiner (Abb. 2 a/b).
R. strangulatus kann mit praktisch derselben Kombination von Merkmalen von
R. elongatus unterschieden werden (Abb. 2, a/c), zudem unterscheidet sich R. strangulatus
von R. sculpturatus nach Folwaczny (1973) und aufgrund der Beschreibung von Perris
(1852) durch den kleineren und schmaleren Körper, den stärker zylindrischen Habitus,
den stark eingeschnürten Vorderrand des Halsschilds (Abb. 2, b/c) und den kielförmig
erhabenen Zwischenräumen der Elytren, dies insbesondere an den Seiten der Elytren
und von dort in Richtung des Apex der Elytren.
Hinsichtlich des Penis zeigen beide, R. sculpturatus und R. strangulatus, einen
breiteren und kürzeren Medianlobus im Vergleich zu R. elongatus, bei welchem der
Medianlobus länger ist (Abb. 3, a–f).
Habitus Augen Fühler Pronotum Elytren Penis
R. elongatus
Abb. 2, 5–7
langge-
streckt,
gross
deutlich,
fast halb-
kugelig
gewölbt
kräftig,
Geissel-
glieder breit,
Quaste etwa
gleich breit
langgestreckt,
grob punktiert;
am Vorderrand
schwach ein-
geschnürt
Zwischenräume
breiter, stärker
punktiert, ge-
rundet (nicht kiel-
förmig oder eckig
erhaben)
schlank,
basal
schmaler
zugespitzt
R. sculpturatus
Abb. 3, 8–10
weniger
langge-
streckt,
wirkt
breiter,
kleiner
schwächer
gewölbt
graziler,
Geisselglie-
der weniger
breit, Quaste
breiter
als letzte
Glieder
kürzer, feiner
punktiert,
vielfach mit
punktfreier Mit-
tellinie; stärker
und deutlicher
eingeschnürt
Zwischenräume
schmaler, feiner
punktiert, in Rich-
tung Apex meist
eckig erhaben
breiter
und kür-
zer, basal
breiter
zugespitzt
R. strangulatus
Abb. 4, 11
schmal,
zylin-
drisch,
klein
schwach
gewölbt
grazil, Glie-
der weniger
breit, Quaste
etwa gleich
breit
kurz und breit,
meist mit
punktfreier
Mittellinie, stark
eingeschnürt
Zwischenräume
schmal, fein punk-
tiert, in Richtung
Apex kielförmig
erhaben
breit und
kurz,
basal
schmaler
zugespitzt
Tab.1. Unterscheidungsmerkmale der drei Rhyncolus-Arten R. elongatus, R. sculpturatus und R. strangulatus.
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CHR ISTOPH GER MANN & ANDREAS SANCHEZ
Abb. 3. a) Penis, dorsale Sicht von Rhyncolus elongatus (Solothurner Jura, Rämel), b) R. elongatus
(Graubünden), c) R. elongatus schematische Zeichnung aus Palm (1953), d) R. sculpturatus (Deutschland,
Niederbayern), e) R. sculpturatus (Valais, Anniviers, Les Pontis), f) R. sculpturatus schematische
Zeichnung aus Palm (1953) und g) R. strangulatus (France, Landes).
g
c f
b
ad e
Danksagung
Yannick Chittaro (Essertines-sur-Yverdon) und Barbara Huber (Thusis) danken wir für die Verwendung
R. nitidipennis
im Kapitel Cossoninae im Palaäarktischen Katalog von 2013 und 2017. Lutz Behne (Müncheberg) und
Peter Sprick (Hannover) danken wir für ihre Auskunft zur Verbreitung der Rhyncolus-Arten in
Deutschland. Michel Sartori (Musée de Zoologie de Lausanne) sei für die Möglichkeit der Verwendung
des Fotosystems gedankt. Den Gutachtern und den Redaktoren danken wir für ihre hilfreiche Kritik.
Literatur
Alonso-Zarazaga M. A. 2002. Lista preliminar de los Coleoptera Curculionoidea del área Ibero-Balear, con
descripción de Melicius gen. nov. y nuevas citas. Boletin de la Sociedad Ent omológica Aragonesa 31: 9–33.
bis Schluss. Beilage zum Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubündens 36: 170–213.
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ERST NACHWEISE VON RHYNCOLUS SCULPTUR ATUS AUS DER SCH WEIZ
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la Châtaigneraie de Fully (VS). Bulletin de la Murithienne 133: 13–27.
Folwaczny B. 1964. Beitrag zur Kenntnis des Rhyncolus sculpturatus Waltl. Entomologische Blätter 60 (1): 68–70.
Folwaczny B. 1973. Bestimmungstabelle der paläarktischen Cossoninae (Coleoptera, Curculionidae)
ohne die nur in China und Japan vorkommenden Gattungen, nebst Angaben zur Verbreitung.
Entomologische Blätter 69 (2): 65–180.
Germann C. 2010. Die Rüsselkäfer der Schweiz – Checkliste (Coleoptera, Curculionoidea) mit Verbreitungs-
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Germann C. 2011. Supplement zur Checkliste der Rüsselkäfer der Schweiz (Coleoptera, Curculionoidea).
Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft 84: 155–169.
Germann C. 2013. Erster Nachtrag zur Checkliste der Rüsselkäfer der Schweiz (Coleoptera, Curculionoidea).
Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft 86: 151–164.
Germann C. 2019. Dritter Nachtrag zur Rüsselkäfer-Fauna der Schweiz (Coleoptera, Curculionoidea).
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Germann C., Frey D., Zanetta A. & Moretti M. 2015. First record of Euophryum conne (Broun, 1881)
(Coleoptera, Curculionidae: Cossoninae) in Switzerland. Mitteilungen der Schweizerischen
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Paris, 2ième partie: 488–1208.
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bark beetle (Ips duplicatus
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