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jlb no. 2/2022 hps://doi.org/10.35468/jlb-02-2022-07
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Stefanie Schnebel,
Markus Janssen,
Thomas Wiedenhorn und
Manuela Keller-Schneider
Beratungsbezogenes Handeln
in der Lernunterstützung
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Beratungsbezogenes Handeln in der Lernunterstützung
jlb no. 2/2022 hps://doi.org/10.35468/jlb-02-2022-07
Lernende in ihren Lernhandlungen zu unterstützen, stellt eine zentra-
le Aufgabe von Lehrpersonen dar. Dabei geht es um den Erwerb fach-
bezogener sowie auch selbstbezogener Kompetenzen, wie Problem-
lösefähigkeiten, Selbststeuerung und Durchhaltevermögen (Schnebel
2013, siehe auch Beer, Hagen & Herrmann in dieser Ausgabe). Ler-
nende sollen befähigt werden, Aufgaben und Problemstellungen ei-
genständig zu meistern, Entscheidungen zu treen und damit auch
eine Opmierung zukünigen Lernens anzustreben (Corno, 2008).
Dazu sind vielfälge Beratungstägkeiten der Lehrperson erforderlich
(Schnebel, 2019b).
Lernunterstützung als pädagogisch-didaksche Maßnahme kann sich
auf unterstützende Intervenonen ausrichten, in welchen sich die
Lehrperson aufgrund klarer Vorgaben und Abläufe mehr und mehr
überüssig machen kann (Scaolding) (Rodgers, 2004), oder auf be-
ratende Prozessbegleitungen in Problemlöseaufgaben, in welchen die
Lehrperson über lerngegenstandsbezogene Impulse sowie über die
Movaon, die Selbststeuerung und Eigenverantwortung unterstüt-
zende Aussagen die Schüler*innen berät (Schnebel, 2019a).
Folgt man der Systemasierung von Lernunterstützung als Handlun-
gen auf kogniver, sozial-emoonaler und movaonaler Ebene (Sei-
del, 2014), so lassen sich Handlungen ausdierenzieren, die, einer
beratungstheoreschen Anbindung entsprechend, Merkmale eines
Problemlösenden Vorgehens sowie einer Ressourcenorienerung in
non-direkver Grundhaltung aufweisen.
Auf der kogniven Ebene zielt Lernunterstützung darauf ab, Lernen-
de in der Bewälgung einer Aufgabe bzw. eines Problems zu beraten
und dabei die Fähigkeit zu fördern, zukünig ähnliche Aufgaben zu
bewälgen. Dies erfordert von der Lehrperson diagnossche Kompe-
tenz, um Mikroprozesse zu erkennen und sich in die Perspekve der/
des Lernenden zu versetzten, um aus dieser Perspekve beratend ein-
zuwirken und eine schülerorienerte Unterstützung zu geben (Corno,
2008). Zielsetzungen benennen und Lösungsideen entwickeln, sind
Handlungselemente, die beratungstheoresch als problemlösendes
Vorgehen bezeichnet werden können. Dem Prinzip der minimalen Hil-
fe folgend (Rodgers, 2004) unterstützt die Lehrperson Schüler*innen
in der Entwicklung von Lösungen und bietet dazu Impulse an.
Auf der sozial-emoonalen Ebene unterstützen beratende und movie-
rende Akvitäten, dass Lernende Vertrauen in ihre Fähigkeiten und zu-
nehmend auch Selbstverantwortung auauen. Insbesondere die in der
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Beratung zentralen Elemente einer posiven, zugewandten Beziehungs-
gestaltung, wie Wertschätzung und Empathie (Mutzeck, 2014), schaen
auch in unterstützenden Mikroprozessen ein lernförderliches Lernklima
(Knierim, Raufelder & Westein, 2016). Das Moment der personalen
Zuwendung stärkt die Lernenden und ermöglicht eine Zuwendung zum
Lerngegenstand (Thies, 2017). Um sozial-emoonal zu unterstützen,
wird eine personenzentrierte gegenüber einer lerngegenstandsbezoge-
nen Perspekve der Lehrperson bedeutsam (Schnebel, 2019b).
Movaonale Prozesse fokussieren im beratenden Zugang zur Lernun-
terstützung ein ressourcenorienertes Vorgehen. Dieses fördert das
Selbstwirksamkeitserleben der Schüler*innen sowie ihre internale At-
tribuierung (Pekrun, 2011) und kann durch posives inhalts- oder pro-
zessbezogenes Feedback unterstützt werden. Die konsequente Adres-
sierung der individuellen Ressourcen und der Eigenverantwortung, wie
sie in beratendem Handeln angelegt ist, fördert durch das Zutrauen
von Autonomie die Lernmovaon der Schüler*innen.
Die genannten Elemente beratender Akvitäten in Lernunterstützungs-
sequenzen (Tab. 1) können als Gesprächshandlungen der Lehrperso-
nen konkret in Interakonen mit den Lernenden idenziert werden.
Tab. 1 Ebenen beratender Tägkeiten der Lehrperson
Ebene des Lernprozesses (EL) Beratungsbezogene Elemente
kogniv (kEL)
Problemlösend: Orienerung, Diagnose Stand im
Lern-/Denkprozess, Zielorienerung/-benennung,
anregende Hilfen, direkte minimale Hilfen,
Unterstützung der Umsetzung.
Hilfe beim Verstehen: Strukturierung, Hinweis auf
Ist-Soll Diskrepanz
sozial-emoonal (s-eEL)
Non-direkve Wertschätzung und Empathie:
Signalisieren von Verständnis, Anbieten von Hilfe,
Hinweis auf Ressourcen
movaonal (mEL)
Ressourcenorienerung, posives Feedback,
Anbieten von Alternaven oder eigenständigen
Entscheidungsmöglichkeiten
Inwieweit sich auf der Mikroebene beratende Akvitäten in Lernun-
terstützungssequenzen zeigen, wird im Folgenden an einer Sequenz
untersucht.
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Kontext und methodisches Vorgehen
Ausgangspunkt der Untersuchung ist das Projekt Studierende machen
Schule! (SMS) an der Pädagogischen Hochschule Weingarten, in dem
Studierende während des Praxissemesters für eine Woche den Unter-
richt einer Grundschule übernehmen. Die Lehrpersonen nutzen diese
Woche für eine Fortbildung außerhalb der Schule (Janssen & Wieden-
horn, 2019). Miels Kamerabrillen und Go-Pro-Kameras wurden Un-
terrichtstunden videographiert, die die Studierenden ohne Aufsicht
durch Lehrpersonen gehalten haben (Janssen & Wiedenhorn, 2020).
Die Aufzeichnungen wurden wörtlich transkribiert und um Handlungs-
beschreibungen und Raumangaben (z. B. vor der Tafel) ergänzt.
Für den Gegenstand der Lernunterstützung erfolgte die Datenana-
lyse in drei Schrien: (1) unterrichtliche Arbeitsformen (Einzelarbeit,
Partnerarbeit usw.) wurden nach Kobarg und Seidel (2003) qualitav-
inhaltsanalysch codiert (Kuckartz, 2018) und (2) diejenigen codierten
Einzelarbeitsphasen ausgewählt, in denen eine Lehrer*in-Schüler*in-
Interakon, die mehrere Turns umfasst und eine lernhandlungs-
bezogene Unterstützung erkennen lässt (Schnebel, 2019b). (3) Im
Anschluss an Ophardt und Thiel (2016) erfolgte eine sequenell-funk-
onale Analyse; hier der Interakon der Studierenden und der Ler-
nenden unter den funkonalen Aspekten von Beratung (vgl. Tab. 2).
Für diesen Beitrag wurde eine Lehrer*in-Schüler*in-Interakon (Dau-
er: 3:14 Minuten) aus einer Mathemakstunde zur Übung von Sub-
trakon und Addion im Zahlenraum bis 100 ausgewählt.
Sequenelle Beschreibung und
funkonale Analyse
Zur Kontextualisierung: Die Studenn (L) geht durch das Klassenzim-
mer. Die Schüler*innen sitzen an ihren Plätzen und bearbeiten ein
Arbeitsbla (AB). Schüler F (F) bearbeitet eine Teilaufgabe, in der an-
hand eines Bildes (Blumen und Blumenbläer) eine Vielzahl von Ad-
dionsaufgaben gebildet werden sollen. Den Interakonsverlauf mit
Detailbeschreibung und der funkonalen Analyse stellen wir tabella-
risch vor (Tab. 2):
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Tab. 2 Analyse der Sequenz
Transkriptauszug Detailbeschreibung funkonale Analyse
F: Ich nde keine Aufgabe
mehr…
L geht zu F und kniet sich
vor seinem Platz hin.
F äußert ein aufgaben-
bezogenes Problem, dass
er die Aufgabe nicht been-
den kann, währenddessen
sich L ihm körperlich-
räumlich zuwendet und
signalisiert, dass sie ihn
gehört hat.
s-eEL
L: Du ndest keine Auf-
gabe mehr? Soll ich mal
schauen? Schau mal bei
der Ente hier.
Siehst du da [L zeigt auf
Fs Bla] noch eine Plus-
aufgabe?
L wiederholt die Problem-
anzeige; stellt F Entschei-
dungsfrage, ob sie ihm
helfen solle und schließt
direkt ihre Auorderung
„Schau mal bei der Ente
hier.“ verbunden mit einer
geschlossenen Frage an
Mit ihrem Zeigen bietet
sie sich und F eine
Fokussierung auf dem
Aufgabenbla und ihm
eine Ermugung zum
Weiterdenken an.
kEL + mEL
L ermugt und unterstützt
F weiterzuarbeiten.
kEL:
Die allgemein-strategische
Hilfe „Schau mal bei der
Ente!“
orienert F und fokussiert
aufgabenbezogen auf
die Ente. So gibt L in Ver-
bindung mit dem Zeigen
auf die Bildstelle einen
konkreten Impuls zum
Weiterdenken.
F: Hmhm (traurig)
L: Nicht? Hier? Sagst du,
dass das ferg ist?
Handlung: L nimmt einen
S in die Hand und zeigt
auf ein Bild auf Fs Bla.
F beantwortet die Frage
nicht, bleibt entmugt.
L beantwortet fragend
ihre vorher selbst gestellte
Frage; L zeigt erneut auf
die entsprechende Stelle
auf dem AB und fragt
F direkt („Sagst du…“)
evaluav, ob er Aufgabe
abgeschlossen hat.
kEL: L gibt zweite allge-
mein-strategische Hilfe
und fordert F auf, Rück-
meldung zu Bearbeitungs-
stand und Zielerreichung
der Aufgabe zu geben; L
bleibt zurückhaltend und
geduldig und bewertet
weder den Arbeitsstand
noch Fs Entmugung.
F: Nee. Nein da sind ja
noch welche da, aber ich
sehe keine mehr.
F antwortet, dass weitere
Aufgaben zu nden sein
müssten, er diese aber
nicht sehe; er wiederholt
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Transkriptauszug Detailbeschreibung funkonale Analyse
L: Du siehst keine mehr?
F: Ja. (traurig).
[andere SuS sprechen L
an; L antwortet kurz und
wendet sich wieder F zu.
L: Schau mal, wo, was ist
denn übrig? Wo hast du
noch nichts eingekreist?
Wo könnte denn noch
eine Plusaufgabe sein?
[andere SuS sprechen L
an; L antwortet kurz und
wendet sich wieder F zu.
damit sein eingangs ge-
äußertes Wahrnehmungs-
problem, aus einer bildlich
dargestellten Situaon
kogniv eine mathema-
sche Aufgabe zu bilden;
L fragt zurück, F bestägt
L fokussiert und ermugt
„Schau mal …“ und gibt
zwei weitere allgemein-
strategische Hilfen und
schließt mit einer Wdh.
der Aufgabenstellung
ohne diese anstelle des S
zu beantworten; Impuls
von L reicht nicht aus,
damit F weiterarbeitet.
s-eEL + mEL:
L bleibt zurückhaltend
und geduldig
kEL:
L gibt drie allgemein-
strategische Hilfe „Was ist
übrig? Wo ist noch nichts
eingekreist?“; damit
erkennt sie implizit die
bereits erledigten Teil-
leistungen an
L: Möchtest du was, äh
weitermachen, wenn
du sagst du bist ferg,
oder…?
Schau mal, fällt dir bei
den Blumen vielleicht was
auf?
F: Hmhm.
L fragt F, ob er an anderer
Aufgabe arbeiten möchte,
weil sie meint, er häe
gesagt, er sei ferg – was
er nicht gesagt hat. Ohne
Antwort von F abzuwarten
fordert L F verbal auf, auf
eine besmmte Stelle „bei
den Blumen“ auf dem AB
zu schauen; F verneint.
L erönet F eine Entschei-
dungsmöglichkeit auf der
movaonalen Ebene,
indem sie ihm anbietet
zu entscheiden, ob er zu
einer anderen Aufgabe
wechselt oder nicht.
L gibt eine vierte allge-
mein strategische Hilfe
L: Nicht? Soll ich dir mal
sagen, was mir da auällt?
F: Mhm.
L: Guck mal. Vier dunkle
Blumen und vier weiße
Blumen.
F: Oh!
L stellt F eine Entschei-
dungsfrage, ob sie ihm
helfen solle; F bejaht;
L überführt für F die bild-
liche Darstellung in eine
beschreibende, nicht-
mathemasche Sprache,
indem L „und“ sta „plus“
sagt. Sie gibt damit die
Lösung nicht vor. F äußert
mEL:
Mit ihrer Entscheidungs-
frage, überlässt L F die
Wahl der Unterstützung
kEL:
L gibt eine inhaltsorien-
erte strategische mini-
male Hilfe
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Transkriptauszug Detailbeschreibung funkonale Analyse
sein Erkennen in einem
freudigen, erleichterten
„Oh!“, das anzeigt, dass er
diese Hilfe als eine
anregende Hilfe erlebt.
L: Was ist das denn für
eine Aufgabe?
F: Das ähm (…) Das sind
verschiedene Blumen
aneinander.
Handlung: F hält mit einer
Hand den Tischrand fest
und mit der anderen
einen S.
L: Mhm. Genau! Und was
kannst du dazu für eine
Aufgabe machen?
L fordert F auf, aus ihrer
Formulierung Rückschlüs-
se zu ziehen und zu ver-
balisieren, um welche Art
einer mathemaschen
Aufgabe es sich handelt;
F beginnt zu antworten,
bricht ab und beschreibt
die Abbildung auf dem
AB, ohne die Frage von L
zu beantworten;
L quiert die Beschrei-
bung als richg, ohne die
unpassende Antwort auf
die gestellte Frage zu pro-
blemasieren. Stadessen
formuliert L ihre Frage
um, zu einer operaven
Frage, welche Art von Auf-
gabe F „dazu“ zu diesem
Bild bilden könne.
kEL:
Miels Frage gibt L eine
kogniv inhaltsorienert
strategische Hilfe
s-eEL, mEL + kEL:
L bleibt wertschätzend
und movierend und
verstärkt dann ihr Anlie-
gen durch eine alternav
formulierte Frage, die die
inhaltlich-kognive Ebene
adressiert
F: Ähm, ich ich ich
weiße Blumen, vier weiße
Blumen wachsen auf (…)
der Wiese, vier schwarze
Blumen wachsen auf der
(…)
L legt den S auf den
Tisch und steht wieder
auf. Sie stützt sich mit den
Händen auf ihre Knie ab.
[…]
L: Mhm. Und was macht
das für eine Plusaufgabe?
Gut, das war die Rechen-
geschichte, genau.
F überlegt und beginnt,
beginnt eine Erzählung
um die Abbildung zu
spinnen „wachsen“;
L quiert („Mhm“), un-
terstützt bzw. lenkt dann
durch ihre Frage nach der
Plusaufgabe F kogniv
und wendet sich dann
s-eEL, mEL + kEL:
L signalisiert Verständnis;
konkresiert und verstärkt
anschließend ihre kogni-
ve Unterstützung
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Transkriptauszug Detailbeschreibung funkonale Analyse
erneut der Erzählung von
F zu, und gibt F Rück -
meldung, dass dies eine
Rechengeschichte sei.
F: Vier weiße Blumen (…)
und die schwarzen
L: Mhm. Und was
schreibst du dann auf?
Handlung: L zeigt auf
Fs AB.
F: Vier weiße (…) auf der
Wiese gleich acht.
Handlung: L richtet sich
auf.
L: Mhm. Genau.
F nennt die richge
Rechenaufgabe;
L leitet den Schüler durch
ihre Frage „Und was
schreibst du dann auf?“
weiter an. Durch Aufzei-
gen auf dem AB erfragt sie
die richge Lösung und
gibt F abschließend eine
posive Rückmeldung.
kEL + mEL:
L bestägt die richge
Lösung „Mhm“, nalisiert
den Arbeitsprozess und
gibt F ein posives Feed-
back „Mhm. Genau“ zur
richg benannten Auf-
gabe.
Die Intervenon erfolgt im gewählten Fallbeispiel durch eine Lernbe-
ratung in Form der „Bewälgung konkreter inhaltsbezogener Prob-
lemstellungen im Unterricht“ (Schnebel, 2013, S. 285).
In der funkonalen Analyse lassen sich alle drei Ebenen der beratungs-
bezogenen Tägkeiten der Lehrperson (vgl. Tab. 1) idenzieren. Die
Intervenon erfolgt kleinschrig und schülerorienert, wobei es zu
keiner Bewertung der Aufgabe und der Aussagen des Schülers kommt.
Immer wieder erönet die angehende Lehrperson dem Schüler Ent-
scheidungsspielräume, die sein Autonomieerleben und seine Mo-
vaon stärken. Sie bleibt geduldig und zurückhaltend und verwickelt
den Schüler über oene Fragen und gezielte Impulse in eine kon-
nuierliche Aufgabenbearbeitung. Darin werden Momente der Wert-
schätzung und Empathie als Grundlagen einer non-direkven Grund-
haltung deutlich. Es gelingt der Lehrperson, die Aufmerksamkeit des
Schülers in der inhaltlichen Bearbeitung der Rechenaufgabe bis zur
Finalisierung zu erhalten. Durch die verstärkte Nutzung minimaler
strategischer ansta inhaltlicher Hilfen können beim Schüler immer
wieder eigenständige nächste Lösungsschrie angeregt werden. Der
Anteil der Lehrperson an der gemeinsamen, aber in komplementären
Rollen sich zeigende Verantwortung liegt primär auf der movaona-
len und sozial-emoonalen Ebene, nicht auf der inhaltlichen. Das Lö-
sen der Aufgabe wird über weiterführende Impulse und nicht durch
Anweisungen und Erklärungen gegeben, so dass der Schüler in seiner
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Suche nach Lösungen unterstützt wird. In den Äußerungen der Lehr-
person lassen sich beratungsbezogene Impulse auf der kogniven, der
sozial-emoonalen und der movaonalen Ebene erkennen.
Diskussion und Ausblick
Die analysierte Sequenz zeigt auf, welche beratenden Momente in
einer kurzen L-S-Interakon idenzierbar sind und wie diese zu ei-
nem Abschluss eines Denk- und Arbeitsprozesses führen. Darin spie-
gelt sich, wie sich die Studenn über beratende Intervenonen auf
unterschiedlichen Ebenen mit der Entwicklungsaufgabe der adressa-
tenbezogenen Vermilung (Keller-Schneider, 2020) auseinandersetzt,
welche durch den Adressatenbezug eine begleitende und beratende
Komponente beinhaltet. Es darf allerdings nicht übersehen werden,
dass die Lernsituaon „Bewälgung konkreter inhaltsbezogener Pro-
blemstellungen“ (Schnebel, 2013, S. 285) strukturelle Momente ent-
hält, die einer rein beratenden Intervenon entgegenstehen (Schne-
bel, 2019a). So ist die Bearbeitung der Situaon aus der Perspekve
der Lehrperson nicht ergebnisoen. Dies löst die Lehrperson, indem
sie dem Schüler die Wahl lässt, weiter an der Problemlösung zu ar-
beiten. Nachdem sich der Schüler dafür entschieden hat, ist das Ziel
vorgegeben und die Oenheit der Lösungsmöglichkeiten durch die
Aufgabenstellung begrenzt. Der inhaltlichen Eindeugkeit, die einer
lösungsoenen beratenden Interakon entgegenstehen, wird da-
durch begegnet, dass die Lehrperson stärker mit strategischen und
strukturierenden Intervenonen agiert, die dem Schüler Spielräume
für eigene kognive Schrie ermöglichen.
Oen bleibt dabei, wie o sich solche lernfördernden Sequenzen zei-
gen und inwiefern von subjekven Sichtweisen und unbewussten,
lernbegleitungsbezogene Überzeugungen geprägte Unterschiede zwi-
schen den (angehenden) Lehrpersonen bestehen, welche als implizi-
tes Wissen auf die Handlungen einwirken (Keller-Schneider, Janssen &
Wiedenhorn, 2022 i. V.). Diese Frage wird in einem nächsten Schri
untersucht.
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Stefanie Schnebel et al.
jlb no. 2/2022 hps://doi.org/10.35468/jlb-02-2022-07
Stefanie Schnebel, Dr., Professorin
an der Pädagogischen Hochschule Weingarten.
Arbeitsschwerpunkte:
Unterrichts- und Lehrerbildungsforschung,
Beratung in Schule
schnebel@ph-weingarten.de
Markus Janssen, akademischer Mitarbeiter
an der Pädagogischen Hochschule Weingarten.
Arbeitsschwerpunkte:
Schulprakka in der Lehrerbildungsforschung,
qualitave Forschungsmethoden
janssen@ph-weingarten.de
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Beratungsbezogenes Handeln in der Lernunterstützung
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Thomas Wiedenhorn, Dr., Akademischer Rat
an der Pädagogischen Hochschule Weingarten.
Arbeitsschwerpunkte:
Porolioarbeit,
historische Bildungsforschung,
Unterrichts- und Lehrerbildungsforschung
wiedenhorn@ph-weingarten.de
Manuela Keller-Schneider, Dr., Professorin
an der Pädagogischen Hochschule Zürich.
Arbeitsschwerpunkte:
Professions- und Lehrerbildungsforschung;
Beratung von Lehrpersonen
m.keller-schneider@phzh.ch
Beratung im schulischen Kontext
journal für lehrerInnenbildung no. 2/2022 22. Jahrgang
Beratung im schulischen Kontext
journal für lehrerInnenbildung
no. 2/2022
EDITORIAL
BEITRÄGE
01
Lehrer*innenemotionen und deren Regulation in der Elternberatung
02
Wo sehen Lehrkräfte Bedarf hinsichtlich ihrer Professionalisierung?
Spannungsfelder in der Elternberatung
03
Förderung von motivierenden Gesprächsstrategien im Elterngespräch.
Workshop für Lehrkräfte und Studierende
04
Beratungskompetenzen für Inklusion iterativ entwickeln.
Spiralcurriculum konkret!
05
Elterngespräche im Kontext von Mehrsprachigkeit
aus Sicht von Berufseinsteiger*innen
06
Beratungskompetenz von Lehrkräften bei hoher Begabung.
Operationalisierung und Struktur
07
Beratungsbezogenes Handeln in der Lernunterstützung
08
Lernberatung in Lernentwicklungsgesprächen.
Wie werden Schüler*innen eingebunden?
STICHWORT
09
Sprachlernberatung im schulischen Kontext.
Förderung der Kompetenzen im Lehramt
REZENSION
AGENDA
CALL FOR ABSTRACTS
journal für lehrerInnenbildung no. 2/2022 Beratung im schulischen Kontext
ISSN 1681-7028