DataPDF Available

Abstractband Rural Studies #3.pdf

Authors:

Abstract

Dieser Band dokumentiert die Beiträge des Promovierendenkolloquiums Rural Studies #3, das am 27. und 28.10.2022 an der Fachhochschule Erfurt stattfand und freundlich vom CSS Hamburg gefördert wurde.
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
1
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
2
Rural Studies #3
Mediale und wissenschaftliche Beschreibungen von ländlichen Räumen bewegen sich oft zwi-
schen den Polen Idealisierung und Problematisierung. Dabei sind ländliche Alltags-, Lebens-
und Sorgewelten, sozialökologische Transformationserfahrungen und das Rurale als Politi-
sches so vielfältig wie die Perspektiven auf ländliche Räume selbst. Ziel des Kolloquiums ist
es, eben solche aktuellen Forschungsperspektiven zu ländlichen Räumen interdisziplinär zu-
sammenzubringen, um über Land und Ländlichkeiten zu diskutieren, sich gegenseitig im For-
schungsprozess zu unterstützen und längerfristige Arbeitszusammenhänge aufzubauen.
Herzlich dazu eingeladen sind Promovierende, die sich qualitativ mit ländlichen Räumen aus-
einandersetzen und an einem fächerübergreifenden Austausch interessiert sind. Wir freuen
uns über Beiträge aus folgenden (und angrenzenden) Fächern: Anthropologie, Geografie, So-
ziale Arbeit, Soziologie, Kultur-, Politik- und Planungswissenschaften.
Das Kolloquium wird zum dritten Mal in Folge von Promovierenden für Promovierende organi-
siert und wird in diesem Jahr vom Center for Sustainable Society Research (Universität Ham-
burg) unterstützt.
Kontaktiert uns gern bei Fragen. Wir freuen uns auf euch und das Treffen!
Susann Bischof (Thünen-Institut, Braunschweig)
Hauke Feddersen (Universität Hamburg)
Hannah Jestädt (Universität Siegen)
Leona Sandmann (Fachhochschule Erfurt)
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
3
Programm
Donnerstag, 27.10.2022
Zeit
Format
Thema
Beitragende
Ab 13:00 Uhr
Come Together
Ankommen
14:00 Uhr
Begrüßung
14:15 Uhr
Postersession
Der Boden als polarisierende
Materialität: Zur Aushandlung
von Zukunftsfähigkeit ländli-
cher Räume
Holli Gruber
Home-Office auf dem Dorf
Nora Hartmann
Gedanken zum Zusammen-
spiel von Reflexivität, kultu-
reller
Bildung und lokaler Identität
in ländlichen Gemeinden
Vincent Keldenich
Generationenbeziehungen in
landwirtschaftlichen Familien
Kim Marei Kusserow
Rural mediatization in Ger-
man villages: Stabilizing soci-
ality through a village com-
munication app
Nicole Zerrer
15:00 Uhr
Pause
15:05 Uhr
Vortrag
Ältere Dorfbewohner_innen
und ihre lokale Beteiligung
vor dem Hintergrund von er-
zählten Wohnbiographien
Franziska Lengerer
15:45 Uhr
Kaffeepause
16:25 Uhr
Vortrag
Bürgermeister:innen in der
Corona-Pandemie
Jonas Rädel
17:05 Uhr
Pause
17:10 Uhr
Materialbespre-
chungen
„Gefühle des Abgehängt-
seins“ in ländlichen Räumen?
Larissa Deppisch
Mäusecountry? Ländliche
Peripherie als Nische
Susann Bischof
18:05 Uhr
Pause
18:20 Uhr
Vortrag
Sozial-ökologische Transfor-
mationsfigurationen
Hauke Feddersen
19:00 Uhr
Abendessen
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
4
Freitag, 28.10.2022
Zeit
Format
Thema
Beitragende
8:45
Come together
Ankommen und Begrüßung
9:05 Uhr
Exposé-Bespre-
chungen
Konfliktverhalten in kleinstäd-
tischen Gesellschaften
Astrid Heck
Wem gehört die Peripherie?
Leona Sandmann
10:00 Uhr
Kaffeepause
10:30 Uhr
Vortrag
Qualitative Armutsforschung
auf dem Land: Über holprige
Pfade und steinige Zugänge
Laura Boemke
11:05
Pause
11:10 Uhr
Vortrag
Wie funktioniert digitaler
Wandel in überschaubaren
gesellschaftlichen Räumen
am Beispiel von Digitale Dör-
fer-Projekten und welche
Rolle spielen dabei Driving
Actors?
Eva Rahe
11:50 Uhr
Pause
12:05 Uhr
Diskussion
Zur Macht des (ländlichen)
Raums reflexive Überle-
gungen zu Raum und Ort der
Datenerhebung
Hannah Jestädt
13:00 Uhr
Abschluss
13:15 Uhr
Mittagessen
Ab 14:00 Uhr
Abreise
(oder After-Kolloquium-Aus-
klang)
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
5
Inhalt
Holli Gruber: Der Boden als polarisierende Materialität: Zur Aushandlung von
Zukunftsfähigkeit ländlicher Räume (Posterpräsentation) ................................................. 6
Nora Hartmann: Homeoffice auf dem Dorf (Posterpräsentation) ........................................10
Vincent Keldenich: Gedanken zum Zusammenspiel von Reflexivität, kultureller Bildung
und lokaler Identität in ländlichen Gemeinden (Posterpräsentation) ................................12
Kim Marei Kusserow: Generationenbeziehungen in landwirtschaftlichen Familien
(Posterpräsentation) .............................................................................................................14
Nicole Zerrer: Rural mediatization in German villages: Stabilizing sociality through a
village com- munication app (Posterpräsentation) ............................................................17
Franziska Lengerer: Ältere Dorfbewohner:innen und ihre lokale Beteiligung vor dem
Hintergrund von erzählten Wohnbiographien (Vortrag) ...................................................18
Jonas Rädel: Bürgermeister:innen in der Corona-Pandemie (Vortrag) ............................20
Larissa Deppisch: „Gefühle des Abgehängtseins“ in ländlichen Räumen?
(Materialbesprechung) ..........................................................................................................22
Susann Bischof: Mäusecountry? Ländliche Peripherie als Nische (Materialbesprechung)
.............................................................................................................................................23
Hauke Feddersen: Sozial-ökologische Transformationsfigurationen unter dem Einfluss
landwirtschaftlicher Wandlungsprozesse (Vortrag) .........................................................24
Astrid Heck: Konfliktverhalten in kleinstädtischen Gesellschaften (Exposé-Besprechung)
.............................................................................................................................................26
Leona Sandmann: Peripherien als umkämpfte Räume? (Exposé-Besprechung) ..............27
Laura Boemke: Qualitative Armutsforschung auf dem Land: Über holprige Pfade und
steinige Zugänge (Vortrag) .................................................................................................28
Eva Rahe: Wie funktioniert digitaler Wandel in überschaubaren gesellschaftlichen
Räumen am Beispiel von Digitale Dörfer-Projekten und welche Rolle spielen dabei
Driving Actors? (Vortrag) ...................................................................................................29
Hannah Jestädt: Zur Macht des (ländlichen) Raums reflexive Überlegungen zu Raum
und Ort der Datenerhebung (Diskussion) ..........................................................................35
Anfahrt, Räumlichkeiten und Lageplan ............................................................................37
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
6
Holli Gruber: Der Boden als polarisierende Materiali-
tät: Zur Aushandlung von Zukunftsfähigkeit ländli-
cher Räume (Posterpräsentation)
‚Zukunftsfähigkeit‘ gilt für ländliche Räume als allgemeines, weithin anerkanntes Ziel, wobei
Interpretationen und Umsetzungen durchaus vielfältig, teilweise widersprüchlich und oft um-
stritten sind Wo die einen den Erhalt von fruchtbarem Ackerland für unumgänglich sehen, er-
klären andere großangelegte Infrastrukturprojekte, den Ausbau grüner Energien oder neue
Wohn- und Gewerbeausweisungen zu unentbehrlichen Maßnahmen für die Zukunftsfähigkeit
der Region (Barlösius & Neu, 2007; Böcher, 2009, 2016; Lütkemeier, 2001; Weber et al.,
2016). Dabei zeigt sich am Beispiel von Boden- und Flächennutzungsfragen wohl am präg-
nantesten, wie einerseits unterschiedliche Vorstellungen von Zukunftsfähigkeit Zugriffe auf
Materialität beeinflussen und andererseits Praktiken der Entwicklung ländlicher Räume (bzw.
Nutzungs- und Bearbeitungsweisen von landwirtschaftlich genutzten Böden) auf Vorstellun-
gen von Zukunftsfähigkeit ländlicher Räume zurück wirken. Das Streben nach Zukunftsfähig-
keit kann dabei als komplexer Aushandlungsprozess beschrieben werden, in dem Macht- und
Abhängigkeitsverhältnisse der Akteure Entwicklungsprozesse vor Ort wesentlich beeinflussen.
Der Boden, als Schauplatz, Grundlage und Kristallisationspunkt des Aushandlungsprozesses
um Zukunftsfähigkeit wird vonseiten der Soziologie hinsichtlich seiner Bedeutung als Materia-
lität und einflussreicher Aktant jedoch kaum untersucht. Zwar beleuchten zahlreiche For-
schungsarbeiten prägende Leitbilder, Imaginationen und Entwicklungsparadigmen ländlicher
Räume (Mackenzie, 2004), insbesondere im Rahmen zunehmender Ökonomisierungs- und
Kommodifizierungsprozesse (Maschke et al., 2020; Mooney, 2011; Nell & Weiland, 2021;
Neunherz & Mühlböck, 2008; Perkins, 2006). Die Bedeutung von Materialitäten in regionalen
Transformationsprozessen, insbesondere hinsichtlich veränderten Landschafts- und Raum-
wahrnehmungen und der Verräumlichung sozialer Ungleichheiten, wird bislang eher vonseiten
der Humangeografie, politischen Ökologie und angewandter Raum- und Regionalplanung be-
rücksichtigt (Kühne et al., 2016; Kühne & Weber, 2015; Münster & Poerting, 2016; Sippel &
Visser, 2021). Trotz des ‚material turns‘ in den Soziologie und der daraufhin umfassenden
Thematisierung und Einbeziehung von Materialität für die Untersuchung sozialer Prozesse
(Henkel & Lindemann, 2017; Latour, 1993, 2022[1999]) beschränkt sich die Berücksichtigung
von Materialität jedoch überwiegend auf die Wirkungen der ‚vom Menschen geschaffenen‘,
gebauten Umwelt, wie vor allem Infrastrukturen (Flitner et al., 2016; Star, 1999), während eine
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
7
Materialität des Bodens mit ihren Eigenheiten und beschränkenden Wirkungen in soziologi-
schen Arbeiten marginalisiert bleibt.
Um Widersprüche und Polarisierungen im Aushandlungsprozess um Zukunftsfähigkeit sinnvoll
bearbeiten zu können, muss die Dimension der Materialität des Bodens daher miteinbezogen
werden. Es stellt sich daher die leitende Forschungsfrage, inwiefern sich Vorstellungen von
Zukunftsfähigkeit und die Materialität Bodens in der ländlichen Entwicklung wechselseitig be-
einflussen und konstituieren. Im angestrebten Dissertationsprojekt wird die Rolle von Boden
als Materialität und Aktant in seiner mindestens widersprüchlichen, wenn nicht dilemmatischen
Bedeutung im Aushandlungsprozesses der Zukunftsfähigkeit im Rahmen einer qualitativen,
ethnografisch orientierten Feldstudie einer ausgewählten Region untersucht.
Literatur
Barlösius, E. & Neu, C. (2007). „Gleichwertigkeit – Ade?“. PROKLA. Zeitschrift für kritische
Sozialwissenschaft, 37(146), 7792. https://doi.org/10.32387/prokla.v37i146.527
Böcher, M. (2009). Faktoren für den Erfolg einer nachhaltigen und integrierten ländlichen Re-
gionalentwicklung (Nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume). VS Verlag für Sozialwissen-
schaften.
Böcher, M. (2016). Regional Governance und ländliche Räume. In M. Herbst, F. Dünkel & B.
Stahl (Hrsg.), Daseinsvorsorge und Gemeinwesen im ländlichen Raum (S. 6180). Springer
Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11769-6_4
Flitner, M., Lossau, J. & Müller, A.-L. (Hrsg.). (2016). SpringerLink Bücher. Infrastrukturen
der Stadt. Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10424-5
Henkel, A. & Lindemann, G. (2017). Struktur Institution Regelmäßigkeit: Welche Konse-
quenzen hat eine Einbeziehung von Materialität für die Untersuchung „des Sozialen“? Sozi-
ale Welt, 68(2-3), 131138. https://doi.org/10.5771/0038-6073-2017-2-3-131
Kühne, O., Megerle, H. & Weber, F. (Hrsg.). (2016). RaumFragen. Landschaftsästhetik und
Landschaftswandel. Springer Fachmedien Wiesbaden.
Kühne, O. & Weber, F. (Hrsg.). (2015). Bausteine der Regionalentwicklung. Springer Fach-
medien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02881-7
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
8
Latour, B. (1993). We Have Never Been Modern: Latour, B. 1993. We Have Never Been
Modern. London: Harvester/Wheatsheaf.
Latour, B. (1999). Pandora’s hope: Essays on the reality of science studies.
Latour, B. (2022). Die Hoffnung der Pandora: Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissen-
schaft (G. Roßler, Übers.) (7. Aufl.). Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft: Bd. 1595. Suhr-
kamp.
Lütkemeier, H. (2001). Zukunftsfähige ländliche Gemeinden. Vorab-Onlinepublikation.
https://doi.org/10.15150/LT.2001.1707 (4849 Seiten / LANDTECHNIK, Bd. 56 Nr. 1 (2001).
Mackenzie, A.F.D. (2004). Re-imagining the land, North Sutherland, Scotland. Journal of Ru-
ral Studies, 20(3), 273287. https://doi.org/10.1016/j.jrurstud.2003.11.001
Maschke, L., Mießner, M. & Naumann, M. (2020). Kritische Landforschung. transcript Verlag.
https://doi.org/10.14361/9783839454879
Mooney, N. (Hrsg.). (2011). Rural Nostalgias and Transnational Dreams. University of To-
ronto Press. https://doi.org/10.3138/9781442694934
Nell, W. & Weiland, M. (Hrsg.). (2021). Gutes Leben auf dem Land? transcript Verlag.
https://doi.org/10.14361/9783839454251
Neunherz, A. & Mühlböck, A. (2008). Die Zukunft der Gemeinden im ländlichen Raum. In C.
Dirninger (Hrsg.), Salzburger Regionenforum: Der demografische Wandel im ländlichen
Raum Salzburgs. LIT Verlag.
Perkins, H. C. (2006). Commodification: Re-Resourcing Rural Areas. In The Handbook of
Rural Studies (S. 243257). SAGE Publications Ltd.
https://doi.org/10.4135/9781848608016.n17
Sippel, S. R. & Visser, O. (2021). Introduction to symposium ‘Reimagining land: materiality,
affect and the uneven trajectories of land transformation’. Agriculture and Human Values,
38(1), 271282. https://doi.org/10.1007/s10460-020-10152-3
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
9
Star, S. L. (1999). The Ethnography of Infrastructure. American Behavioral Scientist, 43(3),
377391. https://doi.org/10.1177/00027649921955326
Weber, F., Roßmeier, A., Jenal, C. & Kühne, O. (2016). Landschaftswandel als Konflikt. In O.
Kühne, H. Megerle & F. Weber (Hrsg.), RaumFragen. Landschaftsästhetik und Landschafts-
wandel (S. 215244). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-
15848-4_13
Kontakt:
Holli Gruber, Universität Passau, Lehrstuhl für Soziologie mit Schwerpunkt Techniksoziologie
und nachhaltige Entwicklung, E-Mail: holle.gruber@uni-passau.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
10
Nora Hartmann: Homeoffice auf dem Dorf (Poster-
präsentation)
In meiner Arbeit im Rahmen des Promotionsprogramms „Digitale Lebenswelten in Dörfern“
beschäftige ich mich mit der (digitalisierten) Rückverlagerung von Arbeit auf die Dörfer. Dabei
habe ich meinen Schwerpunkt auf den Begriff „Homeoffice“ gelegt. In der Arbeit möchte ich
untersuchen, ob und wie sich das Leben der remote arbeitenden Dorfbewohner*innen durch
die berufliche Tätigkeit von Zuhause verändert (hat) und ob sich die Rückverlagerung von
Arbeitsplätzen auf die Dörfer sich auf deren Zukunftsfähigkeit auswirkt.
Mit dem Verlust von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft sind auch die Arbeitsplätze in ländli-
chen Räumen verschwunden. Die meisten Arbeitsplätze finden sich seit der Industrialisierung
in Städten oder Agglomerationsräumen, getrennt von privaten Räumen (Kocka 2005, S. 194
197). Durch die Digitalisierung von Arbeit, insbesondere durch neue Informations- und Tele-
kommunikationstechnologien, spielt der Arbeitsort für viele Berufe eine immer kleinere Rolle.
Auch die Internetverfügbarkeit hat sich in den letzten Jahren, selbst in vielen abgelegenen
Regionen, zunehmend verbessert (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
(BMVI) 2020, S. 9). Durch den zunehmenden Fachkräftemangel sind die Unternehmen zudem
zunehmend darauf angewiesen, attraktive Angebote für ihre Arbeitnehmenden zu unterbreiten
(Ewinger et al. 2016, S. 16). Spätestens seit Corona sind Begriffe wie Homeoffice, Telearbeit
und remote work in aller Munde und für zahlreiche Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen
zu ihrem Alltag geworden (Busold und Husten 2020, S. 16).
Was bedeutet das für die Ländlichen Räume und Dörfer? Wer arbeitet dort von Zuhause und
unterscheiden sich die Motivationen der Dorfbewohner*innen von den Menschen der Städte?
Und hat es einen Einfluss auf die Dörfer, dass die Menschen jetzt nicht mehr nur zum Schlafen
(„Schlafdörfer“), sondern auch einen beträchtlichen Teil ihres Tages – ihre Arbeitszeit (wie-
der) dort verbringen?
Diesen und anderen Fragen möchte ich in meiner Arbeit nachgehen. Dafür beschäftige ich
mich mit dem Begriff der (Erwerbs)arbeit und dessen Wandel. Ich überlege, was heute ein
Dorf überhaupt noch von der Stadt unterscheidet, wo doch durch das Internet die ganze Welt
von überall zu erreichen ist. Dabei frage ich mich, wie urban ein Dorf heute wohl so ist und ob
die „Landlust“ im Dorf überhaupt zu stillen ist. Dabei möchte ich mich besonders auf jüngere
Dorfbewohner*innen und deren Bedürfnisse konzentrieren um eine Idee davon zu bekommen,
wie es wohl in Zukunft weitergehen wird.
Für den praktischen Teil meiner Arbeit habe ich drei verschiedene Dörfer in drei unterschied-
lichen Landkreisen ausgewählt, die ich genauer betrachten möchte. Dabei nutze ich die
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
11
Kategorisierungen des Landatlas vom Thüneninstitut zu Hilfe genommen und Landkreise und
Kommunen aufgrund ihrer unterschiedlichen Einordnungen im Hinblick auf Ländlichkeit und
sozioökonomischer Lage ausgewählt (Thünen-Institut für Ländliche Räume 2021). Die drei
Dörfer unterscheiden sich in ihrer Entfernung zum nächsten Ober- bzw. Mittelzentrum und der
damit verbundenen Erreichbarkeit von Infrastrukturen und Arbeitgeber*innen.
In den drei Orten führe ich qualitative Interviews mit aus dem Homeoffice aus arbeitenden
Dorfbewohner*innen und werde diese anhand der qualitativen Inhaltsanalyse auswerten. Da-
bei interessieren mich die persönlichen Motivationen und Umstände der Befragten aber auch
deren Einstellungen und Einschätzungen zu ihrem jeweiligen Wohnort.
Am Ende sollen die Erkenntnisse in einer Monografie festgehalten werden.
Literatur:
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (2020): AktuelleBreitbandver-
fügbarkeit in Deutschland (Stand Ende 2020): atene KOM. Online verfügbar unter
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/DG/breitband-verfuegbarkeit-ende-
2020.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt geprüft am 19.07.2021.
Busold, Matthias; Husten, Marc (2020): Work-Life-Integration: die neue Arbeitsweise und ihre
Implikationen für die Wirtschaft und Gesellschaft. Wiesbaden [Heidelberg]: Springer Gabler
(essentials).
Ewinger, Dunja; Ternès, Anabel; Koerbel, Juliane; Towers, Ian (2016): Arbeitswelt im Zeitalter
der Individualisierung. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.
Kocka, Jürgen (2005): Mehr Last als Lust. Arbeit und Arbeitsgesellschaft in der europäischen
Geschichte. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook 46 (2), S.
185206. DOI: 10.1524/jbwg.2005.46.2.185.
Thünen-Institut für Ländliche Räume (2021): Landatlas. Braunschweig. Online verfügbar unter
https://karten.landatlas.de/app/landatlas/, zuletzt geprüft am 24.07.2021.
Kontakt:
Nora Hartmann, Universität Vechta und HAWK Göttingen, E-Mail: nora.hartmann@hawk.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
12
Vincent Keldenich: Gedanken zum Zusammenspiel
von Reflexivität, kultureller Bildung und lokaler
Identität in ländlichen Gemeinden (Posterpräsenta-
tion)
Im Posterbeitrag wird ein ‚Work in Progress‘ mit Bezug auf mein Dissertationsprojekt präsen-
tiert. Mich interessiert, inwiefern lokale Identitäten durch kulturelle Bildung gestaltet werden
können, um für ländliche Entwicklung als Werkzeug nutzbar zu werden.
Lokale Identitäten spielen in Entwicklungskontexten inzwischen eine große Rolle (PAASI
2013; TERLOUW 2018). Eine wichtige Wirkung lokaler Identitäten wird in der Motivation ge-
sehen, sich für den eigenen Ort zu engagieren und diesen selbst aktiv zu gestalten (POHL
1993; WEICHHART et al. 2006). Dies ist gerade mit Blick auf den Bedeutungszuwachs von
gesellschaftlichem Engagement für Entwicklungsprozesse besonders wichtig.
Identitäten ziehen eine Grenze zwischen dem Eigenem und Fremden (PAASI 2003), wobei
sie Gefahr laufen, das Eigene zu sehr zu betonen und starr an lokalen Besonderheiten festzu-
halten, was gerade im Kontext des Wandels ländlicher Räume problematisch sein kann. Aller-
dings steht mit diesem Festhalten auch Stolz und Wertschätzung für das selbst Hervorge-
brachte und den eigenen Ort in Verbindung, was zu mehr Motivation für die Gestaltung des
eigenen Ortes führt (TERLOUW 2016).
Lokale Identitäten haben das Potenzial ein Problem und Werkzeug im Umgang mit dem Wan-
del ländlicher Räume zu sein. Wie kann eine Identität gestaltet werden, um als Werkzeug
einsetzbar zu sein? Meine These ist, dass solche lokalen Identitäten reflexiv sein müssen, um
neuen Rahmenbedingungen und Irritationen von außen begegnen zu können. Hiermit wird
eine Gratwanderung zwischen Festhalten und Loslassen beschrieben: Es geht um den Pro-
zess des Reflektierens der eigenen Identitätsinhalte und die Übersetzung dieser auf heutige
Rahmenbedingungen.
Lokale Identitätsinhalte sind immer kulturelle Inhalte und diese kulturellen Inhalte gilt es zu
gestalten. An dieser Stelle wird kulturelle Bildung interessant. Im Poster möchte ich die Frge
aufwerfen, welche Aufgaben und Rollen kulturelle Bildung mit Blick auf die reflexivere Gestal-
tung lokaler Identitäten übernehmen kann. In diesem Kontext möchte ich meinen bisher vor-
läufigen Erkenntnisstand vorstellen. Dies geschieht mit Blick auf erste empirische Erkennt-
nisse aus zwei peripheren ländlichen Gemeinden Oberfrankens.
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
13
Da diese Gedanken zur kulturellen Bildung noch nicht ausgereift sind, würde mich hier eine
gemeinsame Diskussion besonders interessieren.
Literatur:
PAASI, A. (2003): Region and place: regional identity in question. In: Progress in Human Ge-
ography 27 (4): 475485.
PAASI, A. (2013): Regional Planning and the Mobilization of ‘Regional Identity’: From Bounded
Spaces to Relational Complexity. In: Regional Studies 47 (8): 12061219.
POHL, J. (1993): Regionalbewußtsein als Thema der Sozialgeographie - Theoretische Über-
legungen und empirische Untersuchungen am Beispiel Friaul. Münchener geographische
Hefte 70. Kallmünz über Regensburg: Laßleben.
TERLOUW, K. (2016): Territorial changes and changing identities: how spatial identities are
used in the up-scaling of local government in the Netherlands. In: Local Government Studies
42 (6): 938957.
TERLOUW, K. (2018): Transforming identity discourses to promote local interests during mu-
nicipal amalgamations. In: GeoJournal 83 (3): 525543.
WEICHHART, P./WEISKE, C./WERLEN, B. (2006): Place Identity und Images - Das Beispiel
von Eisenhüttenstadt. Abhandlung zur Geographie und Regionalforschung 9. Wien: Institut für
Geographie und Regionalforschung der Universität Wien.
Kontakt:
Vincent Keldenich, Universität Bamberg, E-Mail: vincent.keldenich@uni-bamberg.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
14
Kim Marei Kusserow: Generationenbeziehungen in
landwirtschaftlichen Familien (Posterpräsentation)
Zusammenfassung:
Traditionen, familiäre Verpflichtungen, eine enge Verknüpfung von (Erwerbs-)Biographien ih-
rer Mitglieder sowie ein ausgeprägtes Ineinandergreifen von Berufs- und Privatleben sind in
Familien, die einen landwirtschaftlichen Betrieb führen und dort leben, seit jeher zentrale As-
pekte des alltäglichen Lebens, die im Zuge des landwirtschaftlichen Strukturwandels und der
gesellschaftlichen Entwicklungen zunehmend mit Modernisierungstrends konfrontiert werden.
Ziel des Projektes ist die Untersuchung der Auswirkungen dieses Wandels auf die einzelnen
Mitglieder und die Generationenbeziehungen sowie die Analyse der damit einhergehenden
Herausforderungen und Chancen.
Hintergrund:
Der Großteil landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland sind Familienunternehmen (vgl. Sta-
tistisches Bundesamt 2020) und i.d.R. ist der Hof gleichzeitig Wohn- und Lebensort der Fami-
lie, wobei das Mehrgenerationenhaus nach wie vor charakteristisch für das Bild der landwirt-
schaftlichen Familie ist (vgl. Hildenbrand 2011). All diese Aspekte führen dazu, dass eine Tren-
nung von Berufs- und Familienleben für Landwirt*innen und ihre Angehörigen kaum bis gar
nicht möglich und das Ineinandergreifen von (Erwerbs-)Biographien hier besonders stark aus-
geprägt ist (vgl. Elder 1995, Kusserow 2022). Neben der Verbundenheit durch die Arbeit bzw.
Mithilfe im Familienbetrieb, den gemeinsamen Wohnort und das Alltagsleben, spielen in Fa-
milien mit einem landwirtschaftlichen Betrieb auch vertragliche Regeln eine entscheidende
Rolle im Gefüge der Generationenbeziehungen. So sind z.B. finanzielle Abhängigkeiten und
weitere Versorgungsaspekte oftmals ein fester Bestandteil in Übergabeverträgen zwischen
Vorgänger*in und Nachfolger*in (z.B. finanzielle Unterstützung der Altenteiler, lebenslanges
Wohnrecht auf dem Hof, Pflegeklausel etc.) (vgl. Landwirtschaftskammer Niedersachsen
2022). Weiterhin ist das bäuerliche Leben mit weiteren traditionellen Regelungen und Bräu-
chen verbunden wie bspw. regionalspezifische Erbfolgen oder die Übernahme von sozial-ge-
sellschaftlichen Aufgaben in der Region (Mithilfe beim Osterfeuer, Pflege von Wirtschaftswe-
gen etc.) (vgl. Kusserow 2022).
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
15
Der fortschreitende Strukturwandel in der Landwirtschaft u.a. geprägt von technischen Ent-
wicklungen, wachsenden Betrieben bedingt jedoch eine Veränderung des Berufsbildes
„Landwirt*in“ (vgl. ebd.). Weiterhin ist davon auszugehen, dass auch das Leben und die Zu-
sammenarbeit in bäuerlichen Familien(betrieben) davon nicht unberührt bleiben. Hinzu kom-
men demographische Entwicklungen (z.B. Alterung der Gesellschaft, niedrige Geburtenrate),
die familiäre Generationenbeziehungen zunehmend verändern und vor neue Herausforderun-
gen stellen (vgl. Bujard 2012; Hochgürtel 2017).
Diese Entwicklungen werfen Fragen auf, die in dem hier vorgestellten Forschungsvorhaben
untersucht werden sollen: Z.B. Welche Auswirkungen haben der Strukturwandel in der Land-
wirtschaft und die gesellschaftlichen Entwicklungen auf bäuerliche Familien und Traditionen?
Welchen Einfluss nehmen familiäre Verpflichtungen und Traditionen auf Familienmitglieder,
ihre (Erwerbs-)Biographien und die Generationenbeziehungen in landwirtschaftlichen Fami-
lien? Welche Formen der Generationensolidarität (vgl. Künemund & Szydlik 2009) spielen hier
eine entscheidende Rolle und verändern sich diese? Sind (gesellschaftliche) Modernisierungs-
tendenzen mit familiären Verpflichtungen und Traditionen in der Landwirtschaft vereinbar?
Methode:
Für die Umsetzung dieses Vorhabens sind folgende methodische Schritte vorgesehen: 1.)
systematische Recherche der (inter-)nationalen themenspezifischen Literatur, 2.) Sekundär-
analyse statistischer Daten, 3.) Einzelinterviews mit Personen unterschiedlicher Generationen,
deren Familien einen landwirtschaftlichen Betrieb führen und 4.) ggf. Fokusgruppe mit Bera-
ter*innen aus landwirtschaftlichen Institutionen (z.B. Landvolk, Landwirtschaftskammer).
Quellen:
Bujard, Martin (2012). Talsohle bei Akademikerinnen durchschritten? Kinderzahl und Kinder
losigkeit in Deutschland nach Bildungs- und Berufsgruppen. In: Bundesinstitut für Bevölke-
rungsforschung (Hrsg.). BiB Working Paper 04/12. Wiesbaden.
Elder, Glen (1995). The Life Course Paradigm: Social Change and Individual Development.
In: Examining lives in context: perspectives on the ecology of human development. American
Psychological Association, Washington DC. S.101-139.
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
16
Hildenbrand, Bruno (2011). Familienbetriebe als „Familie eigener Art“. In: Simon, Fritz B.
(Hrsg.). Die Familie des Familienunternehmens: Ein System zwischen Gefühl und Geschäft.
3. Auflage. Auer Verlag, Heidelberg. S.115-144.
Hochgürtel, Tim (2017). Familiengründung und -erweiterung im Kohortenvergleich. In: Statis-
tisches Bundesamt (Hrsg.). WISTA Wirtschaft und Statistik, Ausgabe 6/2017. Wiesbaden.
S. 60-73.
Kusserow, Kim Marei (2022). Altern in der Landwirtschaft als gesellschaftliche Herausforde-
rung. Eine Analyse von Erwerbsbiographien selbstständiger Landwirte. Springer VS Wiesba-
den.
Landwirtschaftskammer Niedersachsen (2022). Hofübergabe: Auf die Leistungsklauseln ach-
ten. Online verfügbar unter: https://www.lwk-niedersach-
sen.de/lwk/news/30282_Hof%C3%BCbergabe_Auf_die_Leistungsklauseln_achten
[16.09.2022]
Statistisches Bundesamt (2021). Rechtsformen und Erwerbscharakter Landwirtschaftszäh-
lung 2020.
Szydlik, Marc & Harald Künemund (2009). Generationen aus Sicht der Soziologie. In: Kü-
nemund, Harald & Marc Szydlik (Hrsg.). Generationen. Multidisziplinäre Perspektiven. Sprin-
ger VS Wiesbaden. S.7 -21.
Kontakt:
Dr. Kim Marei Kusserow, TU Dortmund, E-Mail: kim-marei.kusserow@tu-dortmund.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
17
Nicole Zerrer: Rural mediatization in German vil-
lages: Stabilizing sociality through a village com-
munication app (Posterpräsentation)
Digitalization is mostly discussed in the urban context and research mostly focusses on smart
cities and urban communities. But digitalization does not stop at the cities’ boarder, digital
development and related projects and tools are widely spread in rural areas. Village inhabitants
themselves are discussing and developing digital tools to face typical rural challenges as the
shrinking of population and the loss of infrastructure (Zerrer/ Sept 2020; Sept 2021). The in-
troduction of a village specific communication app is an illustrative example for this type of
bottom-up rural digital development. With introducing a new way of communication this trans-
formation is especially interesting from a mediatization research perspective: communicating
digitally through the system of the VillageTalk app causes a dynamic transformation of the
media ensemble and the communicative practices constituting the village community as a
communicative figuration.
The aim of this research is to analyse the transformations perceived by village inhabitants
focused on the introduction of the VillageTalk app. Therefore also theoretical framework to
conduct research on mediatization of rural areas is discussed and developed and adds a new
perspective to the discourse. For now rural areas are highly underrepresented in media and
communication research in general and also in mediatization research in specific (Berg 2021;
Janson/Andersson 2012). With conducting qualitative interviews, participatory observations
and document analysis in three villages in rural Germany, the study shows that the main focus
of perceived transformations based on the usage of the VillageTalk app are centred on a di-
verse set of dynamic phenomenon supporting a sense of community. Village specific digital
communication apps can therefore support the stabilization of sociality by addressing the prob-
lem of declining community infrastructure and representing a place with the possibility of daily
social interaction in rural communities.
Kontakt:
Nicole Zerrer, IRS Leibnitz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung, E-Mail: Nicole.Zer-
rer@leibniz-irs.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
18
Franziska Lengerer: Ältere Dorfbewohner:innen und
ihre lokale Beteiligung vor dem Hintergrund von er-
zählten Wohnbiographien (Vortrag)
Die Forschung zu freiwilligem Engagement und Ehrenamt in ländlichen Räumen hat sich be-
reits aus verschiedenen Blickwinkeln mit der Frage beschäftigt, auf welche Weise und weshalb
Menschen frei-willig in ihrem lokalen Umfeld tätig sind. Dabei werden unter anderem die Wohn-
dauer am aktuellen Wohnort und das vorherige Wohnumfeld als relevante Einflüsse diskutiert
(Gieling et al. 2018, S. 185; Schmidt 2011). Passagen aus von mir geführten Interviews für
das Projekt STAYin(g)Rural („Bleiben in ländlichen Räumen“) deuten ebenfalls auf einen Zu-
sammenhang hin:
„[I]ch persönlich, ich wäre vielleicht auch irgendwann weggegangen […]. Aber ich bin
dann eben hier in der Region geblieben und habe gesagt: ‚Also, wenn du hier bleibst,
musst du mitgestalten, sonst hast du auch keinen Grund irgendwo nur rumzumeckern‘.“
(Hans Zimmermann, Mitte 70, Pos. 9)
Diese Zusammenhänge zwischen individuellem Engagement und Wohnbiographie möchte ich
mithilfe von Interviews mit biographisch-narrativem Einstieg besser verstehen. Meine Analyse
folgt dafür zwei Strängen: einerseits einer induktiven Analyse der Erzählungen des Engage-
ments vor Ort und dessen subjektiven Bedeutungen und andererseits einer deduktiven, theo-
riegeleiteten Analyse der erzählten Wohnbiographie. Für die deduktive Analyse beziehe ich
mich auf Gunter Weidenhaus (2015) und die von ihm gebildeten Kategorien zur Analyse von
sozialer Raumzeit in erzählten Biographien, wofür ich „[d]ie biografischen Raumkonstitutionen
[…] als Antworten auf die Herausforderungen der Lebensführung“ (Weidenhaus und Norkus
2021, S. 162) lese. Basierend auf einem relationalen Raumverständnis (Lefebvre 1991; Löw
2019) analysiert Weidenhaus die Raumkonstitutionen seiner Interviewpartner:in-nen anhand
der als relevant gerahmten räumlichen Ebenen und erzählten Raumaneignungsstrategien. Zu-
dem beschäftigt er sich mit der Art und Weise der Erzählung der Zeit, indem er die hergestell-
ten Zusammenhänge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und den jeweils indi-
viduellen Um-gang mit der Unsicherheit der Zukunft in den Blick nimmt. Wie auch Weidenhaus
weise ich den analysierten Fällen letztlich den passendsten von drei idealen Raumzeit-Typen
zu. Die so identifizierten Typen verbinde ich anschließend mit den Ergebnissen der induktiven
Analyse der Erzählungen von lokaler Beteiligung und suche nach Regelmäßigkeiten und Mus-
tern in dem Zusammenhang. Im Rahmen des Kolloquiums möchte ich erste Analyse-Ergeb-
nisse vorstellen und meine Interpretationen mit der Gruppe diskutieren.
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
19
Literatur:
Gieling, Joost; Haartsen, Tialda; Vermeij, Lotte; Strijker, Dirk (2018): Out of love for the village?
How general and selective forms of attachment to the village explain volunteering in Dutch
community life. In: Journal of Rural Studies 71, S. 181188.
Lefebvre, Henri (1991): The production of space. Oxford: Blackwell.
Löw, Martina (2019): Raumsoziologie. 10. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Schmidt, Tobias (2011): Einheimische und Zugereiste. Partizipation und soziale Modernisie-
rung im ländlichen Raum. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Weidenhaus, Gunter (2015): Soziale Raumzeit. Berlin: Suhrkamp.
Weidenhaus, Gunter; Norkus, Maria (2021): Biografisch-narrative Interviews. In: Anna Juliane
Heinrich, Séverine Marguin, Angela Million und Jörg Stollmann (Hg.): Handbuch qualitative
und visuelle Methoden der Raumforschung. Bielefeld: Transcript, S. 153164.
Kontakt:
Franziska Lengerer, Thünen-Institut für Lebensverhältnisse im ländlichen Raum, Braun-
schweig, E-Mail: franziska.lengerer@thuenen.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
20
Jonas Rädel: Bürgermeister:innen in der Corona-
Pandemie (Vortrag)
Ziel meines Promotionsprojektes ist es, die Perspektive von Bürgermeister:innen auf das po-
litische System abzubilden. Die Sichtweise der Bürgermeister:innen ist interessant, da diese
an der Basis des politischen Systems und damit an der Schnittstelle zwischen Bürger:innen
und der Landes- bzw. Bundespolitik agieren.
1
Besonders relevant sind dabei kleine Kommu-
nen in ländlichen strukturschwachen Regionen.
2
Das Projekt ist von zwei Forschungsfragen geleitet: Erstens, wie wird die Corona-Pandemie
verstanden als „Stresstest für die Demokratie“
3
von Bürgermeister:innen erlebt, wahrgenom-
men und eingeordnet? Zweitens, welche Sichtweisen auf die Demokratie und das politische
System lassen sich aus den geschilderten Perspektiven der Bürgermeister:innen rekonstruie-
ren?
Das Promotionsprojekt ist grundsätzlich ergebnisoffen und prozessual angelegt. Um die Per-
spektiven der Bürgermeister:innen rekonstruieren zu können, wird qualitativ im Sinne der
Grounded Theory Methodologie vorgegangen.
4
In zwei Erhebungsschritten wurden im Dezem-
ber 2020 und im Zeitraum Mai bis Juli 2021 gesamt 19 offene Interviews geführt. Ausgewählt
wurden Bürgermeister:innen in Kommunen mit bis zu 5000 Einwohner:innen im sächsischen
Bundestags-Wahlkreis Vogtlandkreis (Nr. 166) und im bayerischen Bundestags-Wahlkreis Hof
1
Wehling, Hans-Georg (1989): „Rechtsstellung, Rolle und Sozialprofil der Bürgermeister.“ Egner, Björn
(2007): „Einstellungen deutscher Bürgermeister. Lokale Eliten zwischen Institutionen und Kontext.“
Gehne, David (2012): „Bürgermeister. Führungskraft zwischen Bürgerschaft, Rat und Verwaltung.“
Heinelt, Hubert (2018): „Demokratieverständnis und Handlungsorientierungen von deutschen Bürger-
meistern.“
2
Küpper, Patrick (2016): „Abgrenzung und Typisierung ländlicher Räume.“ Förtner, Maximilian/Belina,
Bernd/Naumann, Matthias (2020): „The revenge of the village? The geography of right-wing populist
electoral success, anti-politics, and austerity in Germany.” Reuber, Paul (2020): „Politischer Alltag in
ländlichen Räumen.“ Klärner, Andreas/Osigus, Torsten (2021): „Ergebnisse der Bundestagswahl 2021:
ländliche Räume im Fokus.“
3
Florack, Martin/Korte, Karl-Rudolf/Schwanholz, Julia (Hrsg.) (2021): „Coronakratie. Demokratisches
Regieren in Ausnahmezeiten.“ S. 12.
4
Glaser, Barney/Strauss, Anselm: (1967/2010) „The Discovery of Grounded Theory: Strategies for
Qualitative Research.” Corbin, Juliet/Strauss, Anselm (2015): „Basics of Qualitative Research. Tech-
niques and Procedures for Developing Grounded Theory.”
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
21
(Nr. 239). Die Interviews wurden transkribiert, die Transkripte offen codiert und die Codes
durch Axiales Codieren in Beziehung gesetzt.
Im qualitativ gewonnenen Material ist besonders auffällig, dass sich alle Bürgermeister:innen
mehr oder weniger deutlich von den übergeordneten Ebenen der Landes- und Bundespolitik
abgrenzen, die als „große Politik“ (Int. 2, Pos. 2), „hohe Politik“ (Int. 7, Pos. 10) oder „Partei-
politik“ (Int. 18, Pos. 60) pejorativ besetzt werden. Als vorläufiges Zwischenergebnis können
fünf unterschiedliche Muster der Abgrenzung von Bürgermeister:innen gegenüber den höhe-
ren politischen Ebenen kontrastiv herausgearbeitet werden. Die Abgrenzung kann durch 1)
erfolgreiche Konkurrenz, 2) nachvollziehende Empathie, 3) ohnmächtige Radikalisierung, 4)
persönliche Erschöpfung und 5) neutrales Erklären gekennzeichnet sein. Das jeweils feststell-
bare Muster scheint dabei eng mit dem empfundenen Handlungsrahmen in der Kommune,
den individuellen Rollenverständnissen und den eingesetzten Strategien der Bürgermeister:in-
nen sowie den wahrgenommenen Konsequenzen verknüpft zu sein. In den nächsten Analy-
seschritten sollen diese Zusammenhänge präzise herausgearbeitet werden, um verschiedene
Idealtypen widerspruchsfrei darstellen zu können.
Kontakt:
Jonas Rädel, Universität Halle, E-Mail: jonas.raedel@politik.uni-halle.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
22
Larissa Deppisch: „Gefühle des Abgehängtseins“ in
ländlichen Räumen? (Materialbesprechung)
In der öffentlichen und politischen Debatte werden ländliche Räume stark unterschiedlich dar-
gestellt. Teils gelten sie als wirtschaftlich prosperierende Orte mit hoher Wohnqualität, teils als
„abgehängte“ Regionen mit hohem Rechtspopulismuszuspruch. Vor diesem Hintergrund wid-
met sich das Forschungsprojekt „Gefühle des Abgehängtseins“ in ländlichen Räumen? der
Frage, ob und inwiefern die Bevölkerung ländlicher Räume ihre Region oder individuelle Le-
benslage als „abgehängt“ empfindet und, daran anschließend, in welchem Verhältnis sie zur
Politik steht.
Hierfür zeichne ich mithilfe von Gruppendiskussionen kollektive Raumwahrnehmungen der
ländlichen Bevölkerung nach. Ich untersuche, wie die Lebensqualität und sozialen Teilhabe im
Kontext von Daseinsvorsorge wahrgenommen werden und ob sich die Bevölkerung ländlicher
Räume überhaupt „abgehängt“ fühlt. Auch die Aushandlung von Erwartungen an die Politik
und der Umgang mit rechtspopulistischen Positionen werden analysiert. Im Rahmen des
Rural-Studies-Kolloquiums werde ich Material aus jenen Gruppendiskussionen einbringen.
Ziel ist, gemeinsam zentrale Stellen zu interpretieren und zu diskutieren. Ich verspreche mir,
über den Austausch das Material mit verschiedenen Erfahrungshorizonten zu konfrontieren
und potenziell unterschiedliche Sichtweisen herauszufordern. Dies dient der Herstellung von
Intersubjektivität und trägt damit zur Qualität der qualitativen Arbeit bei.
Kontakt:
Larissa Deppisch, Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen (Braun-
schweig), E-Mail: larissa.deppisch@thuenen.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
23
Susann Bischof: Mäusecountry? Ländliche Peripherie
als Nische (Materialbesprechung)
Ich lade euch ein, ausgewählte Stellen aus problemzentrierten Interviews mit Akteur:innen aus
Politik, Verwaltung, Wirtschaft und sozialer Arbeit zu interpretieren, die im DFG-Projekt „Sozi-
ale Benachteiligung in ländlichen Peripherien in Ostdeutschland und Tschechien“ erhoben
wurden. Meine Interviewpartner:innen kamen dabei immer wieder auf ein gescheitertes Ge-
werbegebiet zu sprechen, auf dem nach EU-Recht geschützte Mäuse gefunden wurde. Eine
Interviewpartnerin brachte den daraus resultierenden Konflikt als „Abwägung von Artenschutz
und Menschenschutz“ auf den Punkt, die man im Kontext der Peripherisierung der Region
treffen müsse.
Die Tiere stehen lokal für etwas wofür? Können die Erzählungen rund um das Gewerbege-
biet/Habitat als Kristallisationspunkte dienen, um Spannungsverhältnissen wie Planbarkeit-
Ohnmacht, Tier-Mensch, Produktion-Konservation und Stadt-Land in der ländlichen peripheri-
sierten Region zu entdecken? Welche Agency wird den Mäusen zu- oder abgesprochen? Fun-
gieren Sie als „Schurken“ in der Entwicklungsgeschichte der Region? Welche Perspektiven
eröffnen sich hier im Hinblick auf aktuelle Konfliktlinien im Kontext konkurrierender Zukunfts-
entwürfe für ländliche Entwicklung? Wie verhält sich das Habitat/Gewerbegebiet zu anderen
realisierten oder imaginierten Gegenräumen, die sich als „Nischen“ oder „Sonderwirtschafts-
zonen“ im Material finden?
Von dieser gemeinsamen Interpretationsarbeit erhoffe ich mir, dass meine Sichtweise auf das
Material irritiert, erweitert oder plausibilisiert wird. Ich möchte die Gelegenheit auch nutzen, um
mit euch über Anonymisierungspraktiken zu sprechen. Wie geht ihr mit der Spannung zwi-
schen möglichst dichter Beschreibung in kleinräumigen sozialen Kontexten und dem zugesag-
ten Datenschutz praktisch um?
Kontakt:
Susann Bischof, Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen (Braun-
schweig), E-Mail: susann.bischof@thuenen.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
24
Hauke Feddersen: Sozial-ökologische Transformati-
onsfigurationen unter dem Einfluss landwirtschaftli-
cher Wandlungsprozesse (Vortrag)
In meiner Dissertation möchte ich untersuchen, inwiefern Entwicklungsprozesse in der Land-
wirtschaft einen Einfluss auf aktuelle sozial-ökologische Transformationsfigurationen haben.
Als eine Figuration wird in der Soziologie (nach Norbert Elias) eine wechselseitige Angewie-
senheit von Individuen beschrieben, welche stetig im Wandel ist. Menschen bilden (immer)
spezifische und sich stetig wandelnde Gemeinschaften, welche über bestimmte Normen,
Werte und Positionen miteinander verbunden sind. So entstehen auch spezifische Figuratio-
nen, wenn Menschen Energie- oder Agrarwendeprojekte anstoßen oder umsetzen wollen.
Diese entstehen und handeln jedoch nicht im luftleeren Raum vielmehr sind sie geprägt von
materiellen, kulturellen, historischen und politischen Gegebenheiten, also von historisch ge-
wachsenen sozialen Strukturen und Prozessen. Sozial-ökologische Transformationsprozesse
wie die Energie- oder auch Agrarwende finden primär in ländlichen Räumen statt. Diese sind
wiederum auf vielfältige Weise durch die Entwicklungen der Landwirtschaft geprägt, da sie auf
landwirtschaftlichen Flächen umgesetzt werden und auf landwirtschaftliche Akteuer:innen an-
gewiesen sind. Um somit potentielle Konflikte um die Errichtung einer Windkraftanlage oder
der Entstehung einer alternativen Landwirtschaftsform zu verstehen, müssen die Entwick-
lungsprozesse der Landwirtschaft vor Ort verstanden werden. Fragen danach, wem die poten-
tiellen Flächen gehören? Wie die Traditionen der lokalen Landschaftsgestaltungen aussehen?
Welche Eingriffe ins Landschaftsbild als legitim erscheinen? Wer von der Transformation pro-
fitiert und wer das Nachsehen hat? Sind elementar um den Wandel und die sozialen Span-
nungen der Transformationsfigurationen nachvollziehen zu können.
Um diesem Vorhaben nachzugehen werde ich auf zwei Ebenen vorgehen. Auf einer ersten
Ebene werde ich versuchen die zentralen historischen Prozesse der landwirtschaftlichen Ent-
wicklung in Deutschland nachzuzeichnen. Hier werde ich mich aus forschungspragmatischen
Gründen im Wesentlichen auf die Entwicklungen in der BRD nach 1945 beschränken.
Auf einer zweiten Ebene werde ich mir zwei konkrete sozial-ökologische Transformationspro-
jekte anschauen. Hierfür untersuche ich Projekte in den Landkreisen Nordfriesland in Schles-
wig-Holstein und Forchheim in Bayern. In diesen gegensätzlichen Kreisgebieten sind die Zu-
sammenhänge zwischen landwirtschaftlicher Entwicklung und den spezifischen Figurationen
sozial-ökologischer Transformationen gut nachzuzeichnen.
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
25
Über diesen Fallvergleich hoffe ich Einsichten über die Auswirkungen der landwirtschaftlichen
Entwicklungsprozesse auf aktuelle sozial-ökologische Transformationsfigurationen generieren
zu können.
Kontakt:
Hauke Feddersen, Universität Hamburg, E-Mail: hauke.feddersen@uni-hamburg.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
26
Astrid Heck: Konfliktverhalten in kleinstädtischen
Gesellschaften (Exposé-Besprechung)
Astrid Heck möchte gern die Gedanken zu ihrem angefangenen bzw. sich in Entwicklung be-
findenden Promotionsvorhaben mit euch diskutieren und ganz offen in den Austausch über die
Irritationen, Widersprüche, Theorien, Frage- und Zielstellungen kommen, die sie gerade be-
wegen.
Kontakt:
Astrid Heck, Fachhochschule Erfurt, Fachgebiet Stadt- und Raumsoziologie, E-Mail: ast-
rid.heck@fh-erfurt.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
27
Leona Sandmann: Peripherien als umkämpfte
Räume? (Exposé-Besprechung)
Leona Sandmann möchte gerne die Gedanken zu ihrem angefangenen bzw. sich in Entwick-
lung befindenden Promotionsvorhaben mit euch diskutieren und ganz offen in den Austausch
über die Irritationen, Widersprüche, Theorien, Frage- und Zielstellungen kommen, die sie ge-
rade bewegen.
Kontakt:
Leona Sandmann, FH Erfurt, E-Mail: leona.sandmann@fh-erfurt.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
28
Laura Boemke: Qualitative Armutsforschung auf
dem Land: Über holprige Pfade und steinige Zugänge
(Vortrag)
Die aktuelle Forschung zu ländlichen Räumen weist einen prägnanten blinden Fleck auf: Das
Phänomen der ländlichen Armut. Und obwohl Bewohner*innen ländlicher Gebiete im Durch-
schnitt sogar häufiger von Armut betroffen sind als städtische Bevölkerungsgruppen (vgl.
Maschke et al. 2020, S. 60) bleibt das Thema ländliche Armut ein „Tabu-Thema“ (Franke
2015).
Es wundert nicht das (ländliche) Armut als Forschungsgegenstand stiefmütterlich behandelt
wird, da sie, wie es Daniela Schieck zuspitzt, als „dirty work“ (2018, S. 44) innerhalb der Sozi-
alwissenschaften zählt. Deprivilegierte Milieus sind für die Forschung nicht nur hard to reach
(Gerull 2010), sondern können durchaus mit Berührungsängsten vonseiten einer forschenden
Mittelschicht in Verbindung gebracht werden (Lindner 1981). Und obwohl die Varianz des
Samplings über die Güte der Forschung maßgeblich mitentscheidet (vgl. Kelle/Kluge 2010:
52), gleicht die Frage how to reach (Niebauer 2015, 2017: 12) eben jene hard to reach-Grup-
pen der Suche nach der „Nadel im Heuhaufen“ (Koschmieder et al. 2021).
Der geplante Vortrag soll Licht in das Dunkle der Rekrutierungsstrategien und der damit ver-
bundenen Frage nach dem Sampling bringen, die sich im peripherisierten ländlichen Raum
als besonders herausfordernd darstellen. Dazu werden methodische Erkenntnisse bestehen-
der (Armuts-)Forschung mit Erfahrungen aus der eigenen Forschungspraxis in den Dialog ge-
bracht.
Der Vortrag soll einen Beitrag leisten die Black Box des Feldzugangs der qualitativ ausgerich-
teten Armutsforschung im ländlichen Raum ein Stück weit zu öffnen. Dazu sollen erstens all-
gemeine Stolpersteine der Feldzugänge zu marginalisierten Gruppen diskutiert werden, um
anschließend in einem zweiten Schritt die Spezifik der Rekrutierung im strukturschwachen
ländlichen Raum aufzuzeigen. In einem dritten Schritt werden verschiedene und teils sehr un-
konventionelle Feldzugänge vorgestellt, die Zugänge zu den sehr diversen Armutsgruppen
erst ermöglicht. Abschließend plädiere ich für den Einsatz multistrategischer Rekrutierungsan-
sätze, die die ausgetretenen Pfade verlässt, um sich Phänomenen wie der ländlichen Armut
explorativ zu nähern hierfür ist auch eine offene Wissenschaftskultur, die Zugänge und
Sampling offen darlegt und diskutiert ein notwendiger Bestandteil.
Kontakt:
Laura Boemke, Friedrich-Schiller-Universität Jena, E-Mail: laura.boemke@uni-jena.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
29
Eva Rahe: Wie funktioniert digitaler Wandel in über-
schaubaren gesellschaftlichen Räumen am Beispiel
von Digitale Dörfer-Projekten und welche Rolle
spielen dabei Driving Actors? (Vortrag)
1) Problemaufriss
Im Sommer 2018 war der offizielle Start des Projektes „Mühlenkreis 2.0./Digitale Dörfer“ mit
einer 2-jährigen Laufzeit. Ziel des Projektes war es, die Dörfer im Kreis Minden-Lübbecke di-
gital zu vernetzen, Möglichkeiten der digitalen Daseinsvorsorge zu schaffen und eine lokale
Plattform für Kommunikation und Information zu bieten. Projektträger war das „Bündnis länd-
licher Raum im Mühlenkreis e.V.“, angeschlossen an das Amt für Wirtschaftsförderung und
Kreisentwicklung im Kreis Minden-Lübbecke. Das Projekt wurde maßgeblich von einer Projekt-
Koordinatorin und zwei Vertreter*innen betreut. Die Forschende hat selbst mit der Dorfgemein-
schaft Hedem an diesem Projekt teilgenommen. Das Dorf Hedem wird von der Forschung
ausgeschlossen. Im Laufe des Projektes beschlossen die Teilnehmer*innen, die Digitale Dör-
fer Plattformen von Fraunhofer IESE zu nutzen. In Zusammenarbeit mit Fraunhofer IESE ent-
standen je Dorf eine Webseite und es wurde die App DorfFunk für die Dörfer installiert. Das
Projekt endete im Herbst 2020. Um weitere Fragen zu klären, die sich im Laufe der Befragung
ergeben, sollen ggf. auch Dörfer aus anderen Regionen, die an Digitalen Dörfer-Projekten von
Fraunhofer IESE teilgenommen haben, für die Forschung befragt werden.
Die Hauptfragestellungen, die an die oben genannte Fragestellung anknüpfen sind:
Wie funktioniert die Einbindung von digitalen Contents als Kommunikationsmittel, Netz-
werk und Möglichkeit der Daseinsvorsorge in den Lebensalltag von Dörfern. (Digitale
Transformationsprozesse in ländlichen Räumen)?
Welche Rolle spielen bei diesem Prozess Personen, die sich für das positive Gelingen
dieses Projektes einsetzen (Driving Actors, Dorferneuerer, Kümmer*innen usw.)?
• Wie funktioniert die Umsetzung einer Projektmaßnahme als Top-Down-Prozess, die sich
aber im Sinne eines bürgerschaftlichen Engagements als Bottum-Up-Prozess entwickeln
soll? (Machtfragen, Fragen des bürgerschaftlichen Engagements).
Eigene Teilnahme am Projekt (tieferes Wissen durch Teilnahme, Probleme der Offen-
heit/Nähe zum Projekt).
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
30
3) Fragestellungen
Was hat die Dörfer zur Teilnahme motiviert? Wie wurde das Projekt in den Dörfern angenom-
men und ggf. umgesetzt? Was haben sich die Dörfer durch die Möglichkeit der Nutzung digi-
taler Angebote versprochen? Welche Rolle spielen Driving Actors bei der Umsetzung digitaler
Angebote?
Welche Erfahrungen haben sie bei der Umsetzung gemacht, was hat gut funktioniert, was
nicht?
Wo gab es Hürden zu überwinden?
Was war die persönliche Motivation der Teilnehmer*innen?
Wie hat dieser Veränderungsprozess in den teilnehmenden Dörfern funktioniert?
Welche Strategien wurden eingesetzt, um digitale Contents einzubinden?
Wie war die Umsetzung einer Projektmaßnahme (Top-Down), die Bottum-Up funktionieren
soll?
Wie werden die digitalen Angebote genutzt?
Welche Rolle haben die digitalen Angebote während der Corona-Pandemie gespielt?
4) Theorieansatz: Kulturwissenschaften
Da ich von Haus aus Kulturwissenschaftlerin bin, lag es nahe, nach Verbindungen zwischen
Dorfforschung und den Kulturwissenschaften zu suchen. Zwar liegt der Fokus der
Kulturwissenschaften auf Medienprodukten und ihren Aneignungen, aber immer in dem Sinne,
dass diese eingebunden sind in soziale Prozesse. In der hier vorliegenden Arbeit soll der
kulturwissenschaftliche Ansatz als theoretische Basis verwendet werden, in dem Sinne, dass
hier sowohl kulturelle Praktiken als auch deren Produkte untersucht werden sollen. Die Pro-
dukte kultureller Praktiken, die hier im Fokus stehen, liegen im Bereich der digitalen Vernet-
zung und digitalen Medien.
Da sich die Cultural Studies von Haus aus mit Populärkultur und Medienproduktion beschäfti-
gen, erscheint mir eine Einordnung der Begriffe der digitalen Kultur (Digitalisierung, Digitalität
und Soziale Medien) fruchtbar. Die Cultural Studies bieten hier den Vorteil, dass sie den digi-
talen Wandel als Medienwandel seit den 1990er Jahren intensiv beforschen. Zudem trennen
sie nicht zwischen der besonderen Eigenart einer Gesellschaft und deren medialen Output.
Des weiteren wird Engagement-Forschung als Basis für das freiwillige ehrenamtliche Engage-
ment in Dörfern genommen. Governance-Theorie wird herangezogen, um Steuerungsformen
und Machtfragen zu klären. Für die Erforschung des gesellschaftlichen Wandels soll Transfor-
mationsforschung als Grundlage dienen. Da die Dorfforschung ursprünglich in der Geographie
angesiedelt ist, wird nach einer Verknüpfung zwischen geographischen und gesellschafts- und
kulturwissenschaftlichen Fragestellungen gesucht.
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
31
5) Methodik: Grounded Theory
Qualitativ Forschung mit teilstrukturierten, explorativen Interviews
Reflexive Grounded Theory:
Induktives Vorgehen im Sinne der Theoriebildung aus dem Material heraus. Teilschritte weden
aufeinander abgestimmt geplant.
Ziel ist es, zu erklären, wie soziales Handeln abläuft.
Wie digitale Contents im Dorf eingeführt wurden und wie sie angenommen und genutzt
werden.
Wie die Teilnahme am Projekt funktioniert hat und welche Folgen sich daraus ergeben.
Kontrolle durch eigene Reflexion und Forschungsgruppe
Ggf. Ansätze aus: Adele Clarke: Situationsanalyse
1.Interview am 28.03.2022
Zur Zeit in der Auswertung durch offenes Kodieren, um Kategorien zu bilden.
Literatur:
BLE - Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (2018): Ländliche Räume in Zeiten der
Digitalisierung, Bekanntmachung Nr. 11/18/32, https://www.ble.de/SharedDocs/Down-
loads/DE/Projektfoerderung/LaendlicheRaeume/BULEForschung_Bekanntmachung.pdf;jses-
sionid=1825056403852616816DED332DDD469A.2_cid325?__blob=publicationFile&v=5
BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Modellvorhaben „Smarte Land-
Regionen“, https://www.bmel.de/DE/Laendliche-Raeume/Digitales/SmarteLandregio-
nen/_texte/MuD_Smarte_LandRegionen.html, Stand: 03.01.2020
Born, Karl Martin (2017): Komplexe Steuerung in ländlichen Räumen, in Kürschner, Wilfried
(Hg.): Der ländliche Raum, Politik Wirtschaft Gesellschaft, Berlin
Bourdieu, Pierre (2012): Die feinen Unterschiede, Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, 22.
Aufl., Frankfurt am Main 1987,
Breuer, Franz; Muckel, Petra; Dieris, Barbara (2019): Reflexive Grounded Theory, Eine Ein-
führung in die Forschungspraxis, 4. Aufl., Wiesbaden
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
32
Chatalova, Lioudmilla, Wolz, Axel (2019): Globale Entwicklungen, regionale Förderprogramme
und zivilgesellschaftliches Engagement, in: Nell, Werner; Weiland, Marc (Hg.): Dorf, Ein inter-
disziplinäres Handbuch, Berlin
Clarke, Adele E. (2012): Situationsanalyse, Grounded Theory nach dem Postmodern Turn),
Wiesbaden
Danielzyk, Rainer; Lange, Linda; Steffenhagen, Pia (2016): Bürgerschaftliches Engagement
als Impuls der Dorf-entwicklung, in: Planerische Impulse für Bauten, Orte und Regionen, Bai-
ersbronn, https://rbl.iesl.kit.edu/downloads/12.5_Innovation_Land_Einzelseiten_k.pdf
Dünckmann, Florian (2019),: Das Dorf als politischer Ort, in: Nell, Werner; Weiland, Marc (Hg.):
Dorf, Ein interdisziplinäres Handbuch, Berlin
Göttlich, Udo 2009: Raymond Williams: Materialität und Kultur, in: Hepp, Andreas; Krotz, Fried-
rich; Thomas, Tanja (Hg.): Schlüsselwerke der Cultural Studies, Wiesbaden
Helfferich, Cornelia (2011): Die Qualität qualitativer Daten, Manuel für die Durchführung qua-
litativer Interviews, 4. Auflage, Wiesbaden
Hepp, Andreas; Krotz, Friedrich; Thomas, Tanja (Hg.) (2009): Schlüsselwerke der Cultural
Studies, Wiesbaden
Jetzkowitz, Jens: Soziologie, in: Nell, Werner; Weiland, Marc (Hg.) (2019): Dorf, Ein interdis-
ziplinäres Handbuch, Berlin
Kergel, David (2018): Kulturen des Digitalen, Postmoderne Medienbildung, subversive Diver-
sität und neoliberale Subjektivierung, Wiesbaden
Henkel, Gerhard (2020): Der ländliche Raum, Gegenwart und Wandlungsprozesse seit dem
19. Jahrhundert in Deutschland, 5. Aufl., Stuttgart 1993,
Henkel, Gerhard (2018): Rettet das Dorf! Was jetzt zu tun ist, 2. Aufl., München 2016,
Lobeck, Michael: Digitale Zukunft auf dem Lande, Wie ländliche Regionen durch die
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
33
Digitalisierung profitieren können, Bertelsmann Stiftung, 2017, https://www.bertelsmann-stif-
tung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/170620_Endfassung_Digi-
tale_Zukunft_korrigiert_2.pdf
Löw, Martina (2019): Raumsoziologie, 10. Aufl.,
Küpper, Patrick (2016): Abgrenzung und Typisierung ländlicher Räume, in: Johann Heinrich
von Thünen-Institut (Hg.): Thünen Working Paper 68, DOI:10.3220/WP1481532921000,
Braunschweig, Online: https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn057783.pdf, Zugriff:
08.02.2022
Nell, Werner; Weiland, Marc (Hg.)( 2019): Dorf, Ein interdisziplinäres Handbuch, Berlin
Renker, Clemens (2018): Das neue Dorf, Gestalten, um zu überleben vier Handlungsfelder
zum Erhalt dörflicher Gemeinschaften, Wiesbaden
Schmidt, Siegfried J. (2008): Der Medienkompaktbegriff, in Münker, Stefan und Roesler, Ale-
xander (Hg.): Was ist ein Medium? Frankfurt am Main, S. 144ff.
Schrape, Jan-Felix (2021): Digitale Transformation, Bielefeld Soboth, Andrea (2016): Gestal-
tete lokale Veränderungsprozesse (LVP) Change Management als neues
Instrument der Landentwicklung, Gießen
Troßbach, Werner (2019): Geschichtswissenschaft, in: Dorf, Ein interdisziplinäres Handbuch,
Berlin
Weingarten, Peter; Steinführer, Annett (2020): Daseinsvorsorge, Gleichwertige Lebensverhält-
nisse und ländliche Räume im 21. Jahrhundert, Zeitung für Politikwissenschaft 30, 30:653-
665, Online: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s41358-020-00246-z.pdf, Zugriff
24.01.2022
Weischer, Christoph (2014): Soziale Ungleichheiten 3.0, Soziale Differenzierungen in einer
transformierten Industriegesellschaft, [online] in: Archiv für Sozialgeschichte 54, (Zugriff am
18.01.2022, verfügbar unter: https://www.fes.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=46666&to-
ken=6edcffc7f39f5b8ee03a70bf7bcf56fea41595f9)
Weitkamp, Alexandra; Steffenhagen, Pia; Funke, Linda; Klein, Isabel: Key Actor, Organisator,
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
34
Führungspersönlichkeit: Wer ist die Person hinter dem dörflichen Engagement? In: zfv Zeit-
schrift für Geodäsie, Geoin-formation und Landmanagement, 140. Jg., 1/2015, https://geodae-
sie.info/zfv/heftbeitrag/4333
Werlen, Benno (1995): Sozialgeografie alltäglicher Regionalisierungen, Zur Ontologie von Ge-
sellschaft und Raum, Bd. 1, Stuttgart
Kontakt:
Eva Rahe, E-Mail: eva.rahe@t-online.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
35
Hannah Jestädt: Zur Macht des (ländlichen) Raums
reflexive Überlegungen zu Raum und Ort der Daten-
erhebung (Diskussion)
Alltagsweltliche Vorstellungen vom „Landleben“ entsprechen vor dem Hintergrund der Plurali-
tät ländlicher Räume und vielschichtiger Modernisierungsprozesse selten den heterogenen
Lebensverhältnissen von Menschen, die auf dem Land leben. Trotzdem kommt diesen „ruralen
Semantiken“ (Redepenning 2006) eine große Deutungsmacht in Diskursen zu. Auch die Sozi-
ale Arbeit reagiert auf die sog. „ländliche Prägung“ (Debiel 2012) ihrer Adressat*innen.
Ziel meines Dissertationsprojekts ist es, die Folgen solcher Ländlichkeitsvorstellungen inner-
halb sozialpädagogischer Hilfekontexte sichtbar zu machen. Hierfür werden Gruppendiskussi-
onen mit Familien, die Sozialpädagogische Familienhilfe (nach §31 SGB VIII) in Anspruch
nehmen, und der begleitenden sozialpädagogischen Fachkraft geführt, die anschließend mit-
tels Dokumentarischer Methode (Bohnsack 2021) ausgewertet werden.
Im Kontext meines Dissertationsthemas, das Raum und Räumlichkeit relevant macht, stellte
sich die Frage nach dem Ort der Datenerhebung: Wo finden die Gruppendiskussionen statt?
Daraus resultierten weitere Fragen zur Bedeutung von Räumlichkeiten und Ort bei der Daten-
erhebung:
Inwiefern beeinflusst die Wahl der Räumlichkeit und des Ortes die Datenerhebung?
Welche Machtverhältnisse werden durch Raum und Räumlichkeit während der Daten-
erhebung (re-)produziert?
Welche Konsequenzen hat die Wahl des Raums/ Ortes der Datenerhebung auf For-
schungsergebnisse?
Inwiefern spielen hierbei „ländliche Besonderheiten“ eine Rolle?
Im Rahmen des einstündigen Panels möchte ich meine theoretischen Überlegungen in Anleh-
nung an Bourdieus (o. J.; 2010; sowie Schoer 2006) Darlegungen zum Verhältnis von sozialem
und physischem Raum zur Diskussion stellen, um der Macht des Raums während der Daten-
erhebung auf die Spur zu kommen. Gemeinsam mit euch möchte ich verschiedene Varianten
von Settings während meiner Gruppendiskussionen auf mögliche Machtverhältnisse untersu-
chen. Ihr seid herzlich dazu eingeladen eure eigenen räumlichen Erfahrungen zu teilen und
weiterzudenken.
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
36
Literatur:
Bohnsack, R. (2021): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in Qualitative Methoden.
Opladen/Toronto: Verlag Barbara Budrich.
Bourdieu, Pierre (2010): Ortseffekte. In: Pierre Bourdieu et al. (Hg.): Das Elend der Welt. 2.
Aufl, gekürzte Studienausgabe. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft (UTB Soziologie, 8315),
S. 117126.
Bourdieu, Pierre (o. J.): Sozialer Raum, symbolischer Raum. In: Jörg Dünne und Stephan
Günzel (Hg.): Traumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften.
Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Debiel, S. (2012): Professionelles Handeln von SozialarbeiterInnen/ SozialpädagogInnen in
ländlichen Räumen. Ergebnisse einer explorativen Studie. In: S. Debiel et. al. (Hrsg.): Soziale
Arbeit in ländlichen Räumen. Wiesbaden: Springer, 53-77.
Redepenning, M. (2006): Wozu Raum? Systemtheorie, critical geopolitics und raumbezogene
Semantiken. Leipzig: Univ. Diss., 2004.
Schroer, Markus (2006): Raum, Macht und soziale Ungleichheit. In: Leviathan 34 (1), S. 105
123.
Kontakt:
Hannah Jestädt, Universität Siegen, E-Mail: hannah.jestaedt@uni-siegen.de
Rural Studies #3 Kolloquium, 27.-28. Oktober 2022, FH Erfurt
37
Anfahrt, Räumlichkeiten und Lageplan
Das Rural Studies Kolloquium findet auf dem Hauptcampus der FH Erfurt in der Altonaer Str.
25 statt. Wir treffen uns am Donnerstag ab 13 Uhr im Haus 7 Raum 2.15. Anbei findet ihr
einen Campusplan, der euch bei der Orientierung auf dem Campus helfen kann.
Vom Erfurter Hauptbahnhof nehmt ihr am besten den Bus Nr. 9 (Richtung Nordbahnhof), um
zur FH Erfurt zu gelangen. Der Bus fährt alle 10 Minuten in der Unterführung des Bahnhofs
ab, wo auch die Straßenbahnen halten. Ihr fahrt bis zur Haltestelle "Steinplatz" und lauft von
dort die Hamburger Str. Richtung Campus und durchquert den Innenhof zum Haus 7. Es gibt
zwei Hauseingänge von der Hofseite - beide bringen euch ins richtige Gebäude und stehen
immer offen. Unser Raum ist in der zweiten Etage (R 7.2.15).

File (1)

Content uploaded by Hannah Jestädt
Author content
ResearchGate has not been able to resolve any citations for this publication.
ResearchGate has not been able to resolve any references for this publication.