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Rassismustheorie und
Diskriminierungskritik
Floris Biskamp
Inhalt
1 Einleitung: Was Rassismustheorien leisten müssen ......................................... 2
2 Politische Ideengeschichte: Rassismus als Theorie .......................................... 3
3 Erstes Intermezzo: Biologie und Kultur ...................................................... 5
4 Race Relations: Rassismus als Verhältnis zwischen „Rassen“oder races .................. 7
5 Sozialpsychologie: Rassismus als Vorurteil ... . .............................................. 9
6 Zweites Intermezzo: Institutioneller und struktureller Rassismus ........................... 10
7 Ideologiekritik: Rassismus als gesellschaftlich bedingtes falsches Bewusstsein ............ 12
8 Macht-, Diskurs- und Hegemonietheorie: Rassismus als soziales Dominanzverhältnis oder
Struktur ........................................................................................ 15
9 Fazit: kritische Theorie und kritische Praxis .. . . ............................................. 19
Literatur ........................................................................................... 19
Zusammenfassung
Der Beitrag diskutiert die Frage, unter welchen Bedingungen und in welchen Fällen
von Rassismus oder rassistischer Diskriminierung gesprochen werden sollte. Dafür
unterscheidet er heuristisch fünf rassismustheoretische Ansätze, die diese Frage in
je anderer Weise beantworten. Dies sind: 1. ideengeschichtliche Ansätze, die
Rassismus als (pseudo-)wissenschaftliche Rassentheorie verstehen, 2. Ansätze,
die die Existenz von races oder „Rassen“voraussetzen und Rassismus als ein
Ungleichheitsverhältnis zwischen ihnen verstehen, 3. sozialpsychologische Ansät-
ze, die Rassismus als Vorurteil verstehen, 4. ideologiekritische Ansätze, die Ras-
sismus als gesellschaftlich bedingtes falsches Bewusstsein verstehen, sowie
5. macht-, diskurs- und hegemonietheoretische Ansätze, die Rassismus als soziales
Dominanzverhältnis verstehen.
Ich danke den Herausgeber:innen für Kritik und Hinweise.
F. Biskamp (*)
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Eichstätt, Deutschland
E-Mail: floris.biskamp@ku.de
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022
A. Scherr et al. (Hrsg.), Handbuch Diskriminierung, Springer Reference
Sozialwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-11119-9_47-1
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Rassismus · Rassismustheorie · Diskriminierung · Vorurteil · Ideologie
1 Einleitung: Was Rassismustheorien leisten mu
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Es ist heute weitestgehend unumstritten, dass Rassismus schlecht ist und bekämpft
werden sollte. Jedoch gibt es keinen Konsens darüber, was Rassismus eigentlich ist.
Entsprechend kommt es regelmäßig zu Unklarheit und Streit darüber, ob es ange-
messen ist, in Hinblick auf eine bestimmte Handlung, eine Aussage, einen Text oder
eine Institution von Rassismus oder rassistischer Diskriminierung zu sprechen. Um
in diesen Fragen eine begründete Entscheidung treffen zu können, braucht man
Theorie und insbesondere Rassismustheorie. Rassismustheorie sollte viererlei leis-
ten: Erstens sollte sie den Rassismusbegriff definieren. Das heißt, sie sollte gut
begründete Kriterien liefern, anhand derer man entscheiden kann, ob und inwiefern
ein bestimmter Gegenstand (eine Äußerung, eine Handlung, eine Institution etc.) als
rassistisch bzw. rassistisch diskriminierend einzustufen ist. Zweitens sollte sie Er-
klärungen dafür anbieten, wie Rassismus funktioniert, warum er entsteht und fort-
besteht. Drittens sollte die Theorie des Rassismus immer auch eine Theorie des
Antirassismus anbieten und Hinweise darauf geben, wie Rassismus geschwächt oder
überwunden werden kann. Viertens sollte sie Aussagen über die Wechselwirkung
zwischen Rassismus und anderen Phänomenen, wie z. B. Nationalstaat, Kapitalis-
mus oder Sexismus, treffen. Jedoch gibt es nicht eine Rassismustheorie, sondern
sehr unterschiedliche und teils gegensätzliche Rassismustheorien, die diese vier
Aufgaben mehr oder weniger befriedigend lösen. Daher steht im Kern dieses
Beitrages die Diskussion fünf rassismustheoretischer Ansätze mit ihren Stärken
und Schwächen: 1. politische Ideengeschichte, 2. Soziologie der race relations,
3. Vorurteilstheorie, 4. Ideologiekritik sowie 5. poststrukturalistische Macht-, Dis-
kurs- und Hegemonietheorie. Diese Einteilung von Rassismustheorien in fünf An-
sätze ist heuristisch und idealtypisierend angelegt und erhebt nicht den Anspruch,
die Vielfalt des Feldes in Gänze abzubilden.
Rassismus zählt ebenso wie Sexismus/Feminismus zu den Themenfeldern, in
denen soziale Kämpfe und wissenschaftliche Forschung in steter Wechselwirkung
stehen und sich oftmals dergestalt überlappen, dass zentrale Theoretiker:innen nicht
nur von Aktivist:innen lernen, sondern selbst welche sind. Entscheidende Impulse
gingen immer wieder von Autor:innen aus, die selbst von Rassismus (bzw. Antise-
mitismus) betroffen waren. Die folgende Darstellung legt den Schwerpunkt auf die
akademische Theoriebildung, versucht aber jeweils, den Beitrag politischer Aktivist:
innen sichtbar zu machen.
2 F. Biskamp
2 Politische Ideengeschichte: Rassismus als Theorie
Der erste theoretische Blick ist ideengeschichtlich. Die Ideengeschichte betrachtet
Rassismus als eine Theorie, deren Entwicklung man historisch nachvollziehen kann
(z. B. Poliakov 1974; Rieger 1995). Genauer wird Rassismus aus dieser Perspektive
zumeist verstanden als eine wissenschaftliche oder pseudowissenschaftliche Theo-
rie, der zufolge eine Hierarchie von als „Rassen“bezeichneten biologisch distinkten
Menschengruppen mit genetisch festgelegten Eigenschaften existiert. Dabei ist der
Blick auf den schriftlichen Elitendiskurs des neuzeitlichen Europas und seiner
Kolonien gerichtet, in dem sich diese Theorie herausbildete, die in Deutschland,
den USA und Südafrika zeitweise Teil der Staatsdoktrin wurde.
Eine zentrale ideengeschichtliche Frage ist die nach den Quellen des Rassismus.
Diese kann man in dreierlei Weise benennen. Im ersten und allgemeinsten Sinn wird
die Quelle des Rassismus in einer allgemeineren Tendenz vermutet, auf eine Suche
nach den Ursprüngen der eigenen Gruppe und den Ursachen von Differenz zu gehen
(Poliakov 1974,S.2–3). Die Rassenlehre wäre demnach das Ergebnis einer spezi-
fischen, in der europäischen bzw. westlichen Neuzeit entstandenen Weise, diese
Frage nach Ursprüngen und Differenz zu stellen und zu beantworten.
Sucht man nach den Gründen für das Entstehen dieser spezifischen Antwort,
muss man sich zunächst einer zweiten Art von Quellen zuwenden und auf den
ideellen Rahmen blicken, in dem die Rassenlehre sich herausbildete. Dieser bestand
im neuzeitlichen Europa insbesondere in der allmählich ihre Wirkungskraft verlie-
renden christlichen Lehre (Fredrickson 2015,S.17–53; Miles und Brown 2003,
S. 25–32; Poliakov 1974,S.131–154) sowie dem sich etablierenden aufklärerischen
und wissenschaftlich-naturalistischen Denken (Arndt 2017,S.38–41; Fredrickson
2015,S.56–95; Miles und Brown 2003,S.39–50; Poliakov 1974, S. 155–182,
215–304). Beide waren für die Herausbildung der Rassenlehre in je eigener, wider-
sprüchlicher Art prägend. Das aufklärerische und wissenschaftliche Denken zu den
geistigen Quellen des modernen Rassismus zu zählen, heißt nicht, es als an sich
rassistisch zu verwerfen. Der Rassismus ist keine notwendige Folge von Aufklärung
und Wissenschaft, sondern eine ideologische Verarbeitung der Widersprüche, die
sich ergeben, wenn aufklärerisches Denken mit einer von extremer Ungleichheit und
Unfreiheit geprägten sozialen Realität zusammentrifft. Gerade vor dem Hintergrund
der aufklärerischen Idee, dass alle Menschen frei und gleich sind, wurden extreme
Herrschaftsverhältnisse wie die zwischen Herr:in und Sklav:in besonders rechtfer-
tigungsbedürftig. Eine mögliche Rechtfertigung bestand in der Übertragung des zu
jener Zeit aufkommenden wissenschaftlich-naturalistischen Denkens auf die Men-
schen selbst: in der Konstruktion von Natur aus ungleicher Gruppen von Menschen.
Der Vorstellung nach waren einige von ihnen biologisch zur Freiheit bestimmt,
andere dazu nicht in der Lage, sodass die Beherrschung der letzteren durch die
ersteren legitim erschien (El-Mafaalani 2021,S.29–31; Guillaumin 1995,S.55–57,
67–87; Rieger 1995, S. 497). Jedoch ist das aufklärerische Denken keinesfalls auf
diese ideologische Rechtfertigung von Herrschaft festgelegt. Alternativ kann und
sollte es sich gerade der Kritik und Überwindung der Herrschaftsverhältnisse und
ihrer Rechtfertigungsideologien widmen und so zur notwendigen Bedingung der
Rassismustheorie und Diskriminierungskritik 3
„Freiheit in der Gesellschaft“(Horkheimer und Adorno 2006, S. 3) werden (Salz-
born 2020, S. 20, 192–193). Dieses widersprüchliche Verhältnis zwischen Aufklä-
rung und Rassismus lässt sich auch anhand der Haitianischen Revolution nachvoll-
ziehen. Dort beanspruchten schwarze Sklav:innen die kurz zuvor im Rahmen der
französischen Revolution formulierten Menschenrechte für sich selbst als Freie und
Gleiche. Damit nahmen sie den Diskurs der Aufklärung nicht nur auf, sondern
veränderten und prägten ihn auch mit –und weil die französische Kolonialmacht
nicht gewillt war, ihnen diese Rechte einzuräumen, zeigten sie zugleich die begrenz-
te Reichweite vorherrschender exklusiver Konzeptionen von Menschheit auf (James
1989; Buck-Morss 2009; Ehrmann 2015).
Damit ist angedeutet, dass es nötig ist, eine dritte Art von Quellen des Rassen-
denkens einzubeziehen, nämlich die materiellen, also sozioökonomischen und poli-
tischen Verhältnisse, in denen es sich entwickelte. Von Bedeutung sind: (1) Inner-
gesellschaftliche Gruppenkonflikte wie es sie zum Beispiel auf der iberischen
Halbinsel nach der Eroberung ehemals muslimisch beherrschter Regionen durch
christliche Königreiche am Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit oder in
Frankreich rund um den Niedergang des Adels im Absolutismus gab (Fredrickson
2015,S.31–35; Poliakov 1974,S.17–36, 327). (2) Die koloniale Herrschaft in auf
Sklavenarbeit und Sklavenhandel beruhenden Plantagenkolonien, in auf Vertreibung
der bisherigen Bevölkerung beruhenden Siedlungskolonien sowie in Herrschafts-
kolonien (Habermann 2013; Miles und Brown 2003,S.32–39, 150–157). (3) Die
Entstehung von Nationalstaaten, deren nationalistische Rechtfertigung auch rassis-
tisch aufgeladen sein kann (Miles und Brown 2003,S.142–168). (4) Die Heraus-
bildung von Kapitalismus und Moderne, bei der alte Bindungen und Ordnungen
aufbrachen und neue Unsicherheiten und Ungleichheitsverhältnisse geschaffen wur-
den, was zu einer Explosion rückwärtsgewandter, kollektivistischer und teils eben
rassistischer Lehren führte, wie z. B. die politische Romantik und die völkische
Bewegung in Deutschland (Poliakov 1974, S. 200–206).
Aus diesen Quellen bildete sich über die Jahrhunderte die Rassenideologie
hinaus, die im späten 19. Jahrhundert die Form einer (pseudo-)wissenschaftlichen
Doktrin annahm. Dabei ist zu betonen, dass es zu keinem Zeitpunkt eine weithin
anerkannte kohärente Lehrmeinung gab, wie sie in Naturwissenschaften üblich ist.
Stattdessen blieben fast alle Fragen zu fast allen Zeiten zwischen verschiedenen
Rassentheoretikern fundamental umstritten. Nicht zuletzt hieran wird deutlich, dass
die Rassenlehre ihrem naturwissenschaftlichen Anspruch nie gerecht werden konn-
te, auch wenn sie zumindest in der Grundannahme, dass es eine Ungleichheit von
„Menschenrassen“gibt, weithin als wissenschaftlich gesicherte Wahrheit anerkannt
war (Guillaumin 1995,S.80–87, 100–102; Poliakov 1974, S. 277).
Eine Verbindung zu sozialen Kämpfen und Aktivismus besteht insbesondere
insofern, dass einer der wichtigsten Autor:innen zur Ideengeschichte des Rassismus
der jüdische Historiker Léon Poliakov (1974) war, der zunächst in der französischen
Armee und später in der Résistance gegen den Nationalsozialismus kämpfte. Später
widmete er sich als Historiker dem Rassismus, dem Antisemitismus und der jüdi-
schen Geschichte. Die ideengeschichtliche Rekonstruktion der Rassenlehre als My-
thos zielte zugleich auf die Bekämpfung des Rassismus als politischem Projekt. Für
4 F. Biskamp
diese Kopplung steht Ashley Montagu (1997), der in den frühen 1940ern eine Kritik
der Rassenlehre vorlegt und später an der politisch wirkmächtigen Verurteilung des
Rassenkonzepts durch die UNESCO beteiligt war (Miles und Brown 2003,
S. 59–60).
Die ideengeschichtliche Perspektive ist sehr hilfreich, wenn man die historische
Genese des Rassendenkens nachvollziehen will. Weil Ideengeschichte jedoch darauf
fokussiert ist, im Elitendiskurs relativ kohärente Theorien zu rekonstruieren, ist ihr
Blick verengt. Die Ebene der gesellschaftlichen Praxis bleibt unterbelichtet; daher
bleiben all die weniger kohärenten, rohen, synkretistischen und bruchstückhaften
Formen rassistischer Ideologie im Alltagsbewusstsein außen vor (Guillaumin 1995,
S. 31–33; Miles und Brown 2003, S. 104–105).
3 Erstes Intermezzo: Biologie und Kultur
Verfolgt man die Ideengeschichte des Rassismus in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts weiter, fällt auf, dass die Rassenlehre im engsten Sinne aus dem
offiziellen Diskurs weitgehend verschwindet. Sowohl als politische Ideologie als
auch als wissenschaftliche Theorie verlor sie nach den Verbrechen und der Nieder-
lage des Nationalsozialismus, nach der (formalen) Dekolonisierung und nach den
Erfolgen der US-Bürgerrechtsbewegung weitestgehend ihre Legitimität –in Süd-
afrika dauerte es noch bis Ende des 20. Jahrhunderts. Nicht zuletzt dank der
genannten UNESCO-Erklärungen gilt die Vorstellung, es gebe biologisch distinkte
Menschenrassen, seit Mitte des 20. Jahrhunderts als Mythos. Hielte man am für die
ideengeschichtliche Perspektive lange typischem Verständnis fest, demzufolge Ras-
sismus und Rassentheorie dasselbe sind, läge der Schluss nahe, dass sich Rassismus
als Problem im Wesentlichen erledigt hat und nur noch an den rechtsextremen
Rändern und in fernen Ländern existiert. In Deutschland war dies tatsächlich lange
die vorherrschende Meinung. Die heute als Rassismus bezeichneten Phänomene
wurden dann vor allem als „Ausländerfeindlichkeit“oder „Fremdenfeindlichkeit“
verstanden –die Etablierung der gegenwärtigen Rassismusdebatte war nicht zuletzt
Ergebnis einer Kritik dieser Begriffe (Bojadžijev et al. 2018,S.62–65; Opratko
2021,S.44–51; Terkessidis 2004,S.13–90).
Jedoch vertraten kritische Beobachter:innen schon in den 1950ern die Ansicht,
dass sich der Rassismus nach der Delegitimation der Rassenlehre nicht einfach
aufgelöst, sondern eine neue Form angenommen habe. Die Differenzkonstruktion
im Namen der Kultur habe die im Namen der Rasse ersetzt, die Substanz sei jedoch
dieselbe geblieben (Adorno 1997, S. 276–277; Fanon 1967, S. 32).
1
In Anschluss an
1
Man sollte die Veränderung nicht überzeichnen: Es gab in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
eine Verschiebung von biologistischen hin zu kulturalistischen Konzeptionen. Jedoch handelt es
sich um keinen binären Gegensatz. Auf der einen Seite spielte Kultur im rassistischen Diskurs
schon immer eine Rolle. Häufig wurde kulturelle und biologische „Erblichkeit“von Eigenschaften
gar nicht so deutlich konzeptuell getrennt, wie man es sich heute vorstellen mag. Wenn es doch
geschah, wurde dennoch häufig ein Zusammenhang hergestellt, etwa dergestalt, dass einer der
Rassismustheorie und Diskriminierungskritik 5
Pierre-André Taguieff (2001), Martin Barker (1981) und Étienne Balibar (1990) hat
es sich eingebürgert, auch in diesen Fällen von Rassismus zu sprechen, genauer von
kulturalistischem Rassismus,kulturellem Rassismus,Kulturrassismus oder Rassis-
mus ohne „Rasse“. Wenn man nachweisen kann, dass eine kulturalistische Diffe-
renzkonstruktion in Funktions- und Wirkungsweise sehr starke Ähnlichkeiten zum
biologischen Rassismus aufweist und so als dessen Fortsetzung mit anderen Mitteln
gelten kann, ist diese Bezeichnung plausibel –allerdings muss man dies eben auch
darlegen können. Dafür ist zu zeigen, dass die entsprechenden Diskurse in will-
kürlicher Weise eine Differenz zwischen Gruppen konstruieren, diese Gruppen
homogenisierend betrachten, ihnen wesenhafte Eigenschaften zuschreiben und es
zu einer relevanten Diskriminierung entlang dieser Linien kommt.
2
In den letzten
Jahren wurde dies insbesondere in Hinblick auf Islamdiskurse als antimuslimischer
Rassismus diskutiert (Shooman 2014).
Oft in Verbindung mit dem kulturalistischem Rassismus tritt ein Rassismus auf,
dessen Ideolog:innen betonen, es gehe ihnen nicht darum, eine Ungleichheit zwi-
schen Gruppen zu behaupten, sondern lediglich darum, die Besonderheit, Differenz
und Vielfalt verschiedener Gruppen zu benennen und zu erhalten. Diese Argumen-
tation ist insofern irreführend, als die Erhaltung der Vielfalt dann im nationalen
Rahmen durch die Bevorzugung der „heimischen“Kultur erfolgen soll, was auf eine
Diskriminierung von „fremden“Minderheiten hinausläuft. Bei dieser Argumentati-
on spricht man, ebenfalls nach Taguieff (2001, S. 212), von differentialistischem
Rassismus. Wenn kulturalistischer Rassismus und differentialistischer Rassismus in
Verbindung auftreten, wird teils von Neorassismus gesprochen. Ein Beispiel für eine
solche Verbindung ist das „Ethnopluralismus“-Konzept der Neuen Rechten (Tagu-
ieff 2001,S.4–7).
Jedoch bleibt die Anwendung der Kategorie immer noch unklar, solange man
keine klarere Vorstellung davon hat, was Rassismus ist und wie er funktioniert. Um
dies zu beheben, muss man sich von der ideengeschichtlichen Perspektive ab- und
soziologischen Rassismustheorien zuwenden. Diese betrachten Rassismus weniger
als (Pseudo-)Theorie, die es historisch zu rekonstruieren gilt, sondern vielmehr als
gesellschaftliches Phänomen, das mithilfe sozialwissenschaftlicher Theorien ver-
standen und erklärt werden soll. Eben dies gilt für die folgenden vier Ansätze.
biologischen Unterschiede zwischen „Rassen“darin bestehe, dass manche „Rassen“nicht in der
Lage seien, „Hochkultur“hervorzubringen. Auf der anderen Seite ist auch der heutige kulturalis-
tische Rassismus in der Praxis selten ganz von „Biologie“getrennt: Ob z. B. jemand auf der Straße
als Muslim wahrgenommen und diskriminiert wird, entscheidet die rassifizierte Wahrnehmung
häufig immer noch anhand körperlicher Merkmale (Shooman 2014,S.55–82).
2
Die Schwierigkeiten der Aufgabe, bestimmte Formen des Sprechens über Kultur als rassistisch
auszuweisen, habe ich andernorts ausführlicher diskutiert (Biskamp 2016,2021a).
6 F. Biskamp
4 Race Relations: Rassismus als Verha
¨ltnis zwischen
„Rassen“oder races
Der zweite Ansatz basiert auf der Annahme, dass „Rassen“oder races auch unab-
hängig von Rassismus als unterscheidbare soziale Gruppen existieren und Rassis-
mus dann vorliegt, wenn es zwischen diesen Gruppen zu Ungleichbehandlung
kommt. Ein solches Problemverständnis ist im Alltagsdenken verbreitet, es ist
aber auch rechtlich und politisch relevant, weil die 1965 von der UN-Gene-
ralversammlung beschlossene und 1969 in Kraft getretene International Convention
on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination (ICERD) ihren Gegen-
stand als „any distinction, exclusion, restriction or preference based on race, colour,
descent, or national or ethnic origin“definiert (UN Generalversammlung 1965,
Art. 1). Diese Problembestimmung legt nahe, dass „Rassen“oder races als real
unterscheidbare Gruppen existieren und erst die Ungleichbehandlung basierend auf
„Rasse“oder race ein Problem darstellt. Ähnliches gilt auch für das deutsche
Grundgesetz, was zuletzt zu Kontroversen darum führte, ob man den Begriff „Ras-
se“braucht und/oder die Existenz von „Rassen“voraussetzen muss, um Rassismus
mit Antidiskriminierungsrecht zu begegnen (Liebscher 2021).
Dieses Problemverständnis hat eine Entsprechung in der Soziologie der race
relations, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA entstand (Park
1950) und Mitte des 20. Jahrhunderts im Vereinigten Königreich adaptiert wurde
(Banton 1967). Auch in dieser Forschung wurden –insbesondere in den früheren
Jahrzehnten –races als Gruppen verstanden, die unabhängig von Rassismus exis-
tieren und deren Beziehungen zueinander man untersuchen kann. Um diesen Ansatz
einzuordnen ist es wichtig, die Spezifik des Kontexts zu betrachten. Politisch ist in
den USA damals wie heute insbesondere das Ungleichheitsverhältnis zwischen der
weißen Mehrheitsbevölkerung und den Nachfahr:innen schwarzer Sklav:innen rele-
vant. Dieses ist nicht nur durch vergangene und gegenwärtige Gewalt, sondern bis in
die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts durch direkte rechtliche und bis heute durch
gesellschaftliche Diskriminierung geprägt. Es geht also um einen sozialen Konflikt,
der sich in seiner Vorgeschichte und Form deutlich von den in Kontinentaleuropa
prägenden unterscheidet. Hinzu kommt ein semantischer Unterschied: Die Verwen-
dung des englischen Begriffes race unterscheidet sich damals wie heute deutlich von
der Verwendung des deutschen Begriffes Rasse. Das deutsche Rasse ist fast immer
mit der Vorstellung biologisch distinkter Gruppen mit unterscheidbaren genetischen
Eigenschaften verbunden, wie sie in der Rassenlehre entworfen wurde. Zudem ist er
stark mit dem Nationalsozialismus assoziiert. Das englische race dagegen steht
insbesondere in den USA deutlich vager für soziale Gruppen, die durch äußere
Merkmale wie z. B. Hautfarbe unterschieden werden, ohne dass dabei notwendig
ein Bezug zu einer „Rassenbiologie“impliziert wäre (Tanner 2018). Daher ist es
beim notwendigen Lernen von Diskursen aus den USA und anderen Ländern immer
wichtig ist, die adaptierten Konzeptionen dem Kontext anzupassen. Beispielsweise
sollte eine Adaption des Konzepts „Whiteness“nicht dazu führen, dass die Spe-
zifitäten der hiesigen Konstruktion vom „Deutschsein“mit ihren spezifischen
Rassismustheorie und Diskriminierungskritik 7
Ausschlüssen gegenüber Slaw:innen
3
, Jüd:innen
4
sowie Sinti:zze und Rom:nja
5
aus
dem Blick geraten. Vor dem spezifischen politischen und sprachlichen Hintergrund
erschien es in den USA auch egalitären und antirassistischen Forscher:innen plau-
sibel, die Beziehungen zwischen den races soziologisch zu erforschen.
Die Entstehung von race relations als soziologisches Forschungsfeld steht in
einem direkten Zusammenhand zu verschiedenen Vorstellungen von Emanzipation
unter schwarzen Aktivist:innen. Der weiße Soziologe Robert Ezra Park, der zunächst
der prägende Autor auf dem Feld der race relations war, verstand seine Arbeit (trotz
einer eigenen Vergangenheit als aktivistischer Journalist) als politisch neutrales
wissenschaftliches Theoretisieren. Dabei stand er dem schwarzen Sozialreformer
und Pädagogen Booker T. Washington sehr nahe, dessen Vorstellungen von schwar-
zer Emanzipation nicht nur nach heutigen Maßstäben bescheiden wirken: Er plä-
dierte dafür, vorerst auf gleiche Rechte zu verzichten, um zumindest beschränkte
Verbesserungen durch Bildung zu erlangen. Gerade aufgrund der relativen be-
schränkten Forderungen war Washington in liberalen Teilen der weißen Gesellschaft
beliebt und leitete ein eigenes, relativ gut finanziertes Bildungsinstitut. Die von dem
Washington verbundenen Soziologen Park entwickelte Theorie des „race relations
cycle“war ihrerseits so angelegt, dass soziale Kämpfe nicht drängend erschienen.
Vielmehr sah diese Theorie eine zeitliche Abfolge vor, in der das Zusammentreffen
verschiedener races zunächst zu Konflikten, letztlich aber zur Assimilation führe
(Cox 1944; Steinberg 2007,S.5–34). Zu den schärfsten Kritiker:innen von
Washingtons Zurückhaltung zählte der schwarze Soziologe und Aktivist
W.E.B. Du Bois. Dieser war politisch nicht bereit, sich mit weniger als gleichen
Rechten zufriedenzugeben und war zu diesem Zwecke als Mitbegründer in der noch
heute bedeutenden NGO National Accociation vor the Advancement of Colored
People (NAACP) aktiv. Wissenschaftlich unternahm er nicht nur groß angelegte
empirische Studien über das Leben der schwarzen Bevölkerung, sondern entwarf
auch eine Theorie von race und Rassismus, die heute noch zeitgemäß scheint:
Einerseits bestritt er, dass race als biologische Größe aus sich selbst heraus soziale
Relevanz habe; andererseits betonte er, dass die soziale Realität in den USA und
insbesondere das Leben der schwarzen Bevölkerung dort durch die Wirkmächtigkeit
der sozialen Kategorie race geprägt sei (Du Bois 2007;Robinson2000,S.185–240).
Der Forschung auf dem Feld der race relations ist als Verdienst anzurechnen,
race und Rassismus überhaupt zum soziologischen Forschungsgegenstand gemacht
zu haben und empirische Erkenntnisse gesammelt zu haben. Sofern sie jedoch races
als fraglos gegeben Gruppen annimmt, deren Verhältnis und Beziehungen es zu
untersuchen gilt, hat sie nicht nur Grenzen, sondern läuft Gefahr, die rassistische
3
Problematisch ist es, wenn Ausschlüsse gegenüber Menschen polnischer oder russischer Abstam-
mung in Texten über Rassismus in Deutschland gar nicht (Aikins et al. 2015) oder nur als Problem
der Vergangenheit (El-Mafaalani 2021, S. 4) erwähnt werden.
4
Zum problematischen Verhältnis von Rassismuskritik und Antisemitismuskritik s. Biskamp
(2021b) sowie Mendel, Cheema und Arnold (2022).
5
Zum Thema Antiziganismus s. die Beiträge in Stender (2016).
8 F. Biskamp
Produktion von races oder „Rassen“zu verstärken –auch wenn man den Begriff im
weiteren US-amerikanischen Sinne verwendet. Die entsprechende Kritik hat zu in-
tensiven Debatten darüber geführt, ob die Verwendung des Begriffes race im All-
gemeinen und das Konzept der race relations im Besonderen sinnvoll ist (Banton
2015;Cox1944; Miles und Brown 2003,S.90–92; Solomos 2003,S.15–20, 2019;
Steinberg 2007;Rex1986). Die breite Mehrheit der beteiligten Forscher:innen hält
den Begriff race nur dann für sinnvoll, wenn man ihn zur Bezeichnung einer sozial
konstruierten Kategorie und nicht zur Bezeichnung einer naturgegebenen Gruppe
verwendet. Umstritten ist, ob es für die Wissenschaft sinnvoll ist, mit einem solchen
konstruktivistischen Verständnis von race weiterhin race relations zu erforschen, oder
ob man sich auf die Erforschung von Rassismus konzentrieren und race als dessen
Produkt betrachten sollte. In englischsprachigen Ländern gibt es durchaus stichhaltige
Argumente für ersteres, jedoch sind diese nur bedingt auf die kontinentaleuropäische
Situation zu übertragen, wo es keinen entsprechend alltäglichen Begriff von race gibt.
5 Sozialpsychologie: Rassismus als Vorurteil
Kurz nach den race relations und teils in direkter Verbindung zu ihnen entstand
ebenfalls in den USA ein sozialpsychologischer Forschungsansatz, der Rassismus
als Vorurteil versteht. Der klassischen Definition von Gordon Allport (1954,S.9)
zufolge bezeichnet der Begriff Vorurteil eine Antipathie gegenüber sozialen Gruppen
oder diesen Gruppen zugerechneten Personen, die auf einer starren und falschen
Verallgemeinerung beruht. Vorurteilige Einstellungen haben demnach drei Merkmale:
Sie sind erstens ablehnend, zweitens verallgemeinernd und drittens falsch bzw. ver-
zerrend. Wenn man Rassismus als eine bestimmte Form eines solchen Vorurteils
versteht, ist es nötig, ihn von anderen Vorurteilen zu unterscheiden. Man muss
darlegen, wann genau ablehnende, verallgemeinernde und verzerrende Einstellungen
als rassistisch zu bezeichnen sind –und nicht etwa als sexistisch, homophob, anti-
katholisch usw. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens könnte man wie im zweiten
Ansatz davon ausgehen, dass es races wirklich gibt. Von Rassismus wäre demnach zu
sprechen, wenn die Gruppe, auf die sich die Einstellungen beziehen, eine race ist.
Jedoch muss die Vorurteilsforschung die Existenz von races nicht als gegeben voraus-
setzen. Stattdessen kann sie zweitens von Rassismus auch dann sprechen, wenn
jemand vorurteilige Einstellungen gegen Personen hegt, und sich diese als race
vorstellt. Dann muss man weiter definieren, was sich als race vorstellen bedeutet.
Dies kann man z. B. so umsetzen, dass von rassistischen Vorurteilen zu sprechen ist,
wenn die anderen als geschlossene, biologisch distinkte Gruppe mit erblichen Eigen-
schaften imaginiert werden. In diesen beiden Weisen wird Rassismus auch heute noch
in der Vorurteilsforschung operationalisiert: Als rassistisch gelten dort Vorurteile,
wenn sie sich auf „Weiße“oder „Schwarze“als Gruppen beziehen und/oder biologi-
sche Eigenschaften zuschreiben (z. B. Heitmeyer 2005). Ausgehend von diesem
Begriffsverständnis untersucht die Vorurteilsforschung die Verbreitung solcher Ein-
stellungen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen und erforscht, unter welchen Be-
dingungen sich Vorurteile entwickeln und was dagegen unternommen werden kann.
Rassismustheorie und Diskriminierungskritik 9
Die frühe Vorurteilsforschung war wiederum durch Autor:innen geprägt, die von
Antisemitismus betroffen waren und politisch engagierte Sozialwissenschaft betrie-
ben –insbesondere von Angehörigen des Frankfurter Instituts für Sozialforschung,
die während des Nationalsozialismus im US-amerikanischen Exil tätig waren. In
Ermangelung staatlicher Förderung wurde die Forschung zeitweise intensiv durch
das American Jewish Committee unterstützt (Zick 1997,S.56–81). Betrachtet man
das Vorurteil als Problem individuellen Bewusstseins, zielen die am nächsten lie-
genden Gegenstrategien auf die Ebene des individuellen Bewusstseins: Bildung,
Aufklärung und Kritik.
Ähnlich wie die race relations hat auch die sozialpsychologische Vorurteilsfor-
schung einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung der Rassismusforschung und
-kritik geleistet –und sie tut es bis heute, indem sie erforscht, welche Arten von
rassistischen und sonstigen Vorurteilen in der Bevölkerung verbreitet sind. Gegenüber
der Ideengeschichte hat sie den Vorteil, nicht nur den Elitendiskurs, sondern auch das
alltägliche Bewusstsein in der Bevölkerung in Betracht zu nehmen. Gegenüber den
race relations hat sie den Vorteil, die Existenz von races als Gruppen nicht voraus-
setzen zu müssen. Damit könnte sie auch kulturalistische Rassismen erfassen. Jedoch
bleibt die Vorurteilsforschung regelmäßig scharfer Kritik ausgesetzt. Zum Problem
wird insbesondere der verbreitete methodische Individualismus: Vorurteile werden
zumeist als Einstellungen in den Köpfen von Individuen verstanden. Tut man dies,
geraten gesellschaftliche Machtasymmetrien und diskursive Dynamiken aus dem
Blick (Guillaumin 1995,S.87–94). Diese können jedoch erhebliche Auswirkungen
auf die Konsequenzen von Vorurteilen haben: Angenommen in einer Gesellschaft
gäbe es zwei Gruppen und beide hätten in ungefähr gleichem Maße Vorurteile gegen
die je andere. Wenn aber nun unter ersterer Gruppe überproportional viele Polizist:
innen, Lehrer:innen, Ärzt:innen, Vermieter:innen und Arbeitgeber:innen wären, wür-
den ihre Vorurteile dazu führen, dass die andere Gruppe schlechtere Chancen bei
Polizeikontrollen, in der Schule, in Gesundheitswesen sowie auf dem Arbeits- und
Wohnungsmarkt hätte. Die umgekehrten Vorurteile hätten keine solchen Effekte.
Derartige Probleme wurden innerhalb der Vorurteilsforschung schon früh thematisiert
(Blumer 1958) und in Anschluss an diese Kritik nehmen Teile dieser Forschungs-
richtung Machtverhältnisse und Gruppenbildungsprozesse deutlich ernster und haben
ein erhebliches Maß an gesellschaftstheoretischem Tiefgang erreicht (Zick 1997,
S. 98–215). Dennoch verweisen Kritiker:innen darauf, dass eine sozialpsychologische
Perspektive auf Rassismus verkürzt und individualisierend bleibt und einer Einbettung
in ein stärker gesellschaftstheoretisches Verständnis des Problems bedarf (Opratko
2021,S.51–53; Scherschel 2006,S.24–31; Terkessidis 2004,S.35–44).
6 Zweites Intermezzo: Institutioneller und struktureller
Rassismus
Als Gegenentwurf zum Individualismus der Vorurteilstheorie entstanden in den
1960er-Jahren –wiederum in der US-amerikanischen Soziologie, aber auch im
antirassistischen Aktivismus –Konzeptionen, die die Ursache rassistischer
10 F. Biskamp
Diskriminierung nicht auf individuell-psychischer, sondern auf institutioneller
Ebene verorten (Carmichael und Hamilton 1992). Diese wurden seit den 1990ern
auch in der deutschen Wissenschaft intensiv adaptiert, insbesondere in Bezug auf das
Bildungssystem (El-Mafaalani 2021,S.68–93; Fereidooni 2011; Gomolla 2017;
Gomolla und Radtke 2009; Hormel und Scherr 2004; Scherr 2017a). Der Begriff der
Institution bezeichnet dabei gesellschaftlich etablierte Regelsysteme und Routinen,
nach denen Individuen ihr Handeln ausrichten. Entsprechend wird in dieser For-
schung untersucht, ob diese Regeln und Routinen auch unabhängig von Vorurteilen
und Intention der handelnden Individuen rassistische Diskriminierung produzieren.
Dann ist von institutionellem Rassismus oder institutioneller Diskriminierung die
Rede. Besonders häufig verwendet wird er in Hinblick auf öffentliche Organisatio-
nen wie Schulen oder Sicherheitsbehörden. Von institutioneller Diskriminierung
kann gesprochen werden, wenn die institutionellen Regeln und Routinen in einer
willkürlichen, also in der Sache nicht begründeten Weise, Personen aufgrund einer
vermeintlichen oder realen Gruppenzugehörigkeit systematisch und dauerhaft be-
nachteiligen –und zwar auch dann, wenn die dort handelnden Personen keine
Vorurteile hegen. Schwieriger ist es zu entscheiden, wann genau solche Diskrimi-
nierung als institutioneller Rassismus bezeichnet werden sollte. Sicherlich könnte
man das, wenn sich die fragliche institutionelle Regel ausdrücklich auf race-Merk-
male bezieht. Oft findet die Diskriminierung jedoch faktisch statt, ohne dass die
Regeln explizit auf die entsprechende Gruppe zielen, dann ist von indirekter Dis-
kriminierung die Rede (Gomolla und Radtke 2009,S.48–51). In US-Kontexten
könnte man von institutionellem Rassismus sprechen, wenn eine institutionelle
Regel effektiv zum Nachteil von Personen einer marginalisierten race führt. Wenn
man aber nicht davon ausgeht, dass races existieren, braucht man zur Entscheidung
in dieser Frage einen gesellschaftstheoretischen Begriff von Rassismus und Ras-
sifizierung, wie er in den folgenden Abschnitten skizziert wird.
Betrachtet man Rassismus vor allem als Form der Diskriminierung, liegt das
Recht als Gegenmittel nahe. Dabei kann sich der juristische Kampf gegen Diskri-
minierung auf internationale Konventionen stützen, die die unterzeichnenden Län-
der verpflichten, Diskriminierung zu bekämpfen. Im Falle von Rassismus kann sich
Antidiskriminierungsarbeit auf die oben zitierten UN-Antirassismuskonvention
ICERD beziehen (Aikins et al. 2015).
Allgemeiner und oftmals unschärfer ist der Begriff des strukturellen Rassismus,
mit dem ebenfalls betont wird, dass individuelle rassistische Handlungen keine
Einzelfälle sind, sondern eine tieferliegende, allgemeinere Grundlage sowie eine
Entsprechung in der Sozialstruktur haben.
6
Dieser in den letzten Jahren insbesondere
in aktivistischen Debatten zunehmend verwendete Begriff wird teils synonym mit
dem Begriff des institutionellen Rassismus gebraucht, meist gilt er aber als noch
weiteres und umfassenderes Konzept. Neben institutionellen Strukturen wird er auch
6
Hormel und Scherr (2004,S.19–28) verwenden nicht den Begriff des strukturellen Rassismus,
aber den der strukturellen Diskriminierung, wobei sie Rassismus als eine Form von Diskriminie-
rung neben anderen verstehen.
Rassismustheorie und Diskriminierungskritik 11
auf die Sozialstruktur und somit auf soziale Ungleichheiten, auf normative Struktu-
ren, auf kulturell etablierte Deutungsmuster sowie in vager Weise auf die Gesell-
schaft als Ganze bezogen (Biskamp und Scherschel 2022; El-Mafaalani 2021,
S. 71–88; Rommelspacher 2009, S. 30). Aufgrund der relativen Unbestimmtheit
ist bei der Verwendung des Begriffs eine gewisse Vorsicht geboten. Im englisch-
sprachigen Diskurs ist zudem der Begriff des systemischen Rassismus gängig, der
sich im Deutschen aber bisher nicht etablierte.
7 Ideologiekritik: Rassismus als gesellschaftlich bedingtes
falsches Bewusstsein
Einen Versuch, Rassismuskritik auf eine breitere gesellschaftstheoretische Basis zu
stellen, unternehmen ideologiekritische Rassismustheorien, die zumeist an die mar-
xistische Tradition anschließen. Auch sie betrachten Rassismus als eine bestimmte
Form von Bewusstsein, jedoch verstehen sie dieses Bewusstsein in erster Linie nicht
psychologisch als individuelles Phänomen, sondern sozialtheoretisch als gesell-
schaftliches Phänomen. Ideologie wird dabei als falsches oder verzerrtes Bewusst-
sein betrachtet, das in Beziehung zu gesellschaftlichen Herrschafts- und Ausbeu-
tungsverhältnissen steht. Ideologisches Bewusstsein verhindere, dass Herrschaft und
Ausbeutung als solche erkannt würden, und trage so zu ihrem Fortbestand bei.
7
Entsprechend der Assoziation mit dem Marxismus ist ideologiekritische Rassis-
mustheorie der Arbeiter:innenbewegung verbunden, wobei es jedoch immer wieder zu
Konflikten um das Verhältnis von race und Klasse kam. Eine besonders eindringliche
Schilderung des Beitrages schwarzer Marxist:innen zur radikalen Gesellschaftskritik
legte Cedric J. Robinson (2000) vor, der mit Fokus auf afroamerikanische und
afrokaribische Autor:innen von einer „black radical tradition“spricht. Darüber hinaus
sind insbesondere unorthodox marxistische Strömungen wie die Cultural Studies im
Vereinigten Königreich und die kritische Theorie in Deutschland prägend. Ideologie-
kritik zielt immer auch auf eine Veränderung von Verhältnissen: Indem Bewusstseins-
formen kritisiert werden, die Herrschaft stabilisieren, soll ein Beitrag zur Sichtbarma-
chung und Überwindung von Herrschaft geleistet werden. Umstritten ist innerhalb
dieser Tradition, ob die Überwindung des Rassismus mit einer Überwindung des
Kapitalismus einhergehen und ob eines von beidem Priorität haben sollte –wiederum
ist Robinsons Darstellung für ein Verständnis dieser Spannungen hilfreich.
Sieht man von orthodox-marxistischen Ansätzen ab, die Rassismus auf einen
falschen Widerschein der wirklichen Klassenherrschaft oder einen Versuch zur
Spaltung der Arbeiterklasse reduzieren,
8
sind vor allem zwei Varianten der Ideo-
logiekritik von Belang. Die erste argumentiert in Anschluss an die kritische Theorie
7
Für eine ausführliche Diskussion des Ideologiekonzepts und seiner Geschichte s. Eagleton (1991).
8
Damit soll nicht bestritten werden, dass Rassismus im Klassenkampf spaltend wirken kann und
dies auch strategisch genutzt wird (Lüthje und Scherrer 2003), jedoch ist Rassismus insgesamt nicht
plausibel auf einen Plan der kapitalistischen Klasse rückführbar (Miles und Brown 2003, S. 118).
12 F. Biskamp
der Frankfurter Schule eher psychoanalytisch und versteht Rassismus (und Antise-
mitismus)
9
als eine spezifische Form der ideologischen Verarbeitung von Erfahrun-
gen, die Menschen in kapitalistischen Gesellschaften machen. Zum Beispiel seien
die Einzelnen unter kapitalistischen Bedingungen ständig gezwungen, sich selbst
Zwang anzutun: sie müssen zu festen Zeiten aufstehen und zur Lohnarbeit gehen,
dort unter Leitung anderer in entfremdeter Weise funktionieren usw. Rassismus sei
eine Form pathischer Projektion, mit der diese Zwänge verarbeitet werden: Das, was
die Menschen sich verbieten müssen (Trägheit, Triebhaftigkeit usw.), verleugneten
sie in ihrem Selbst; zugleich projizierten sie es in die anderen als deren natürliche
Eigenschaft, um es dann an ihnen zu hassen und strafen. Solche Projektion und
ähnliche Verarbeitungen des modernen Lebens produzierten rassistisch-ideolo-
gisches Bewusstsein (Claussen 1994, S. 19; Grigat 2007,S.306–316; Horkheimer
und Adorno 2006, S. 196–209).
10
In der Rassismusforschung einflussreicher sind ideologiekritische Konzeptionen,
die dem Rassismus eine größere Eigenständigkeit gegenüber dem Kapitalismus
zurechnen. Einschlägig sind insbesondere die Texte von Balibar (Balibar und
Wallerstein 1992), Robert Miles (Miles und Brown 2003) und Colette
Guillaumin (1995).
11
Die Rezeption in Deutschland erfolgte in einer Wechselwir-
kung zwischen Aktivismus und Forschung, deren Ergebnisse vor allem in Publika-
tionen aus dem Hamburger Argument-Verlag (z. B. Kalpaka und Räthzel 1992;
Räthzel 2000), dem Frankfurter Institut für Sozialforschung (Demirovic und Bojad-
žijev 2002) sowie dem Hamburger Institut für Sozialforschung (Bielefeld 1998)
dokumentiert sind. Dieser Theorie-Import, der mit eigenständigen Anpassungen an
den sozialen und theoretischen Kontext einherging, war entscheidend daran betei-
ligt, dass der Rassismusbegriff in der deutschen Debatte überhaupt wieder zur
Analyse gegenwärtiger Verhältnisse genutzt wird (Bojadžijev 2018,S.51–60; Bo-
jadžijev et al. 2018,S.62–65; Opratko 2021,S.47–51). Auch die Autor:innen in
dieser ideologiekritischen Linie verstehen Rassismus als ideologische Bewusstseins-
form, die in einer Beziehung zu gesellschaftlichen Dominanzverhältnissen steht,
auch sie betonen eine Beziehung zum Kapitalismus. Jedoch räumen sie dem Ras-
sismus eine größere Eigenständigkeit ein: Die dem Rassismus zugrundeliegenden
Herrschaftsverhältnisse seien älter als der Kapitalismus und setzten sich im Kapita-
lismus in veränderter Form fort. Somit seien kapitalistische Klassenherrschaft und
9
Rassismus und Antisemitismus werden dabei als Gegensätze oder komplementäre Gegenstücke
konzipiert: Im Rassismus würden rassifizierten Gruppen zumeist Eigenschaften wie Faulheit,
Dummheit und die Unfähigkeit zum selbstbestimmten Leben zugeschrieben; im Antisemitismus
würden den Jüd:innen dagegen eine spezifische Art von (hinterlistiger) Tatkraft, Klugheit und die
Fähigkeit zur Weltbeherrschung unterstellt (Grigat 2007, S. 310–316; Rommelspacher 2009,
S. 26–27).
10
Diese sozialpsychologische Argumentation steht den Vorurteilstheorien nahe. Weil sie jedoch
stark gesellschaftstheoretisch eingebettet ist und zudem in marxistischer Tradition steht, rechne ich
sie dem ideologiekritischen Ansatz zu.
11
Es gäbe Gründe, Stuart Hall hier einzugruppieren, weil er in Verbindung mit den anderen rezipiert
wurde. Jedoch steht er dem fünften Ansatz mindestens so nahe.
Rassismustheorie und Diskriminierungskritik 13
durch rassistische Ideologie strukturierte Dominanzverhältnisse miteinander artiku-
liert, ohne dass sich das eine auf das andere zurückführen ließe.
12
Es lohnt sich, diese Konzeption, die man als Prozess mit fünf Schritten darstellen
kann, genauer zu betrachten.
13
(1) Guillaumin (1995,S.63–64) betont, dass man
Rassismus (und auch Sexismus) nur dann richtig versteht, wenn man einsieht, dass
das Ungleichheitsverhältnis logisch (und mithin zeitlich) Vorrang gegenüber der ras-
sistischen Ideologie habe. Den Anfang bildet demnach ein Ausbeutungs- oder Herr-
schaftsverhältnis, das innerhalb der Gesellschaft erklärungs- und rechtfertigungsbedürf-
tig sei –gerade wenn ein universalistisches und meritokratisches Selbstverständnis
dominiert, demzufolge alle Menschen gleiche Chancen haben und privilegierte Posi-
tionen allein aufgrund von Verdienst verteilt werden sollen. (2) Die Konstruktion von
Menschenrasen bietet eine Möglichkeit, ein solches Verhältnis zu erklären und zu
rechtfertigen. Um diesen sozialen Prozess zu analysieren hat sich der zuerst von Frantz
Fanon benutzte und im heutigen Verständnis insbesondere von Miles (Miles und
Brown 2003,S.99–103) geprägte Begriff der Rassifizierung etabliert (im Original
racialisation, teils auch als Rassialisierung,Rassizierung oder Rassenkonstruktion
übersetzt). Damit wird der Prozess der ideologischen Konstruktion von Kategorien
oder Gruppen bezeichnet, denen jeweils natürliche, wesenhafte Eigenschaften zuge-
schrieben werden. Wenn eine bestimmte Gruppe als von Natur aus faul und dumm gilt,
erscheint es vielen logisch und legitim, wenn sie (ggf. unentlohnt) „niedere Arbeiten“
verrichtet. Diese Erklärung und Rechtfertigung von Herrschaft wird in der Ideologie-
theorie nicht als bewusste Lüge verstanden, sondern als eine bequeme und funktionale
Form von Bewusstsein. Die in der Ideengeschichte rekonstruierten wissenschaftlichen
Rassentheorien seien eine Systematisierung und (Schein-)Rechtfertigung dieser ideo-
logischen Schemata des Alltagsbewusstseins (Guillaumin 1995,S.32,54–57, 99–107).
(3) Damit die Rassifizierung in der gesellschaftlichen Praxis wirksam werden kann,
bedarf es einer Definition von stigmatisierenden Merkmalen, anhand derer Personen
einer dieser Gruppen zugewiesen werden (z. B. Haare, Pigmentierung der Haut, Name,
Kleidung) (Guillaumin 1995,S.138–144). Damit die Konstruktion ideologisch wirk-
sam werden kann, müssen diese Merkmale in einem Zusammenhang mit den zu
rechtfertigenden Dominanzverhältnissen stehen, also überwiegend bei Subjekten an-
zutreffen sein, die im fraglichen Verhältnis ausgebeutet und beherrscht sind. Jedoch ist
die Konstruktion nicht identisch mit dem zuvor bestehenden Verhältnis. Vereinfacht
gesagt: Auch wenn die rassifizierende Erfindung einer „schwarzen Rasse“u. a. eine
Legitimationsideologie für die Sklaverei war, betrifft sie anhand körperlicher Merkmale
als „schwarz“kategorisierte Personen auch dann, wenn sie selbst und ihre Vorfahr:
innen nie versklavt waren. (4) Entlang dieser durch den Rassifizierungsprozess neu
gezogenen Gruppengrenzen findet dann eine Praxis der Diskriminierung statt.
(5) DiesePraxis prägt wiederum die sozialen Verhältnisse, sodass das zugrundeliegende
12
Dies betont auch Hall (2021, S. 195–245, 295–328), der jedoch zwischen diesem und dem
nächsten Ansatz steht.
13
Schon bei Alfred Schütz findet sich in anderen Begriffen eine ähnliche soziologische Konzeption
dieser Prozesse (Scherr 2017a,S.8–10).
14 F. Biskamp
Dominanzverhältnis rassistisch transformiert wird (Guillaumin 1995,S.64–65). Somit
wird Rassismus hier definiert als eine Ideologie, die sowohl die Konstruktion von
„Rassen“, als auch die Definition bestimmter Merkmale zur Identifikation der „Ras-
senzugehörigkeit“als auch die Rechtfertigung von Ungleichheit und Ungleichbehand-
lung umfasst (Miles und Brown 2003,S.103–104).
Der ideologiekritische Ansatz in der letztgenannten Form hat erhebliche Vorteile
gegenüber den anderen bisher genannten: Er kann die im ideengeschichtlichen Teil
getroffenen Aussagen über den Zusammenhang von sozialen Verhältnissen und
rassistischer Ideologie theoretisch begründen und dabei neben dem Elitendiskurs
auch alltägliches Bewusstsein und alltägliche Praxis einbeziehen. Er kann, wie die
race relations, die Beziehungen zwischen sozialen Gruppen untersuchen, muss
deren Existenz als races aber nicht voraussetzen, sondern kann die Rassifizierungs-
prozesse, in denen sie produziert werden, nachvollziehen und als Teil des Rassismus
problematisieren. Er kann wie die Vorurteilstheorie sehen, dass Rassismus auch die
Form ablehnender, verallgemeinernder und verzerrender Einstellungen gegenüber
rassifizierten Gruppen annimmt. Jedoch reduziert er Rassismus nicht auf diese
Einstellungen in den Köpfen von Individuen, sondern versteht ihn als gesellschaft-
liches Phänomen.
Wendet man diesen Ansatz auf europäische Gegenwartsgesellschaften an, müs-
sen vor allem zwei miteinander wechselwirkende Ungleichheitsverhältnisse und ihre
ideologische Verarbeitung in den Blick genommen werden: Zum einen der National-
staat mit seiner Innen-Außen-Differenzierung, zum anderen die kapitalistische Klas-
senstruktur. Verknüpft sind beide über den nationalen Wohlfahrtsstaat, der die
Ungleichheitsverhältnisse im Innern abschwächt und ausdifferenziert und zugleich
die Ungleichheitsschwelle nach außen vergrößert (Bommes 1999). So entsteht im
Innern eine ausdifferenzierte Klassenstruktur und im Innen-Außen-Verhältnis eine
Abstufung verschiedener Grade der Inklusion und Exklusion (civic stratification)
(Morris 2003). Diese Ungleichheitsverhältnisse sind an sich nicht notwendig als
rassistisch zu betrachten, weil sie nicht notwendig auf eine rassifizierende Differenz-
konstruktion angewiesen sind –und im offiziellen Diskurs heute zumeist ohne sie
auskommen (Scherr 2017b). Jedoch können sie mit rassistischer Differenzprodukti-
on wechselwirken. Dann werden der Ausschluss von Nichtbürger:innen und die
Ungleichheit im Innern durch rassistische Zuschreibungen erklärt, gerechtfertigt,
stabilisiert und transformiert –in Anknüpfung an ältere rassistische Differenzpro-
duktion (Bhambra und Holmwood 2018; Biskamp und Scherschel 2022; Sharma
2006).
8 Macht-, Diskurs- und Hegemonietheorie: Rassismus als
soziales Dominanzverha
¨ltnis oder Struktur
Der fünfte und letzte hier diskutierte Ansatz geht den von der letztgenannten
ideologiekritischen Konzeption beschrittenen Weg noch etwas weiter und konzipiert
Rassismus nicht als eine Ideologie, die soziale Dominanzverhältnisse verarbeitet und
transformiert, sondern als ein eigenes soziales Dominanzverhältnis. Dieser Ansatz
Rassismustheorie und Diskriminierungskritik 15
steht weniger in der Tradition des Marxismus als in der von Poststrukturalismus und
Postkolonialismus. Den Ausgangspunkt bilden wiederum Debatten in anderen Län-
dern (Delgado und Stefancic 2017; Essed 1991; Fanon 2008; z. B. Gilroy 1987; Hall
2021; hooks 2014; Said 2003; Wodak und van Dijk 2000), jedoch handelt es sich bei
den konkreten Formulierungen stärker als bei den anderen Ansätzen um eine
Spezifität des deutschsprachigen Diskurses (Opratko 2021,S.53–55). In der
deutschsprachigen Rassismuskritik wird dieser Ansatz in den letzten Jahren zuneh-
mend dominant in Forschung, Aktivismus und Bildungsarbeit (z. B. Broden und
Mecheril 2014; Fereidooni und El 2017). In diesem Ansatz von Rassismuskritik ist
die Wechselbeziehung von Forschung mit Aktivismus aber auch Kultur und Poesie
besonders eng und geradezu programmatisch (z. B. Oguntoye et al. 1986).
In dieser Linie definieren Birgit Rommelspacher (2009, S. 29) und Wulf D. Hund
(2007, S. 33) Rassismus als ein gesellschaftliches bzw. soziales Verhältnis, in dem
durch willkürliche soziale Konstruktion geschaffene Gruppen als Ungleiche zuei-
nander stehen. Mark Terkessidis (2004,S.98–100) spricht von Rassismus als einem
gesellschaftlichen „Apparat“, der verschiedene Bevölkerungsgruppen als ungleiche
produziert. Dieser Apparat bestehe aus drei Komponenten: (1) die Rassifizierung
bzw. Rassenkonstruktion, verstanden als Prozess, in dem eine Unterscheidung ver-
schiedener Gruppen diskursiv konstruiert, mit Bedeutung aufgeladen und an be-
stimmten Merkmalen der Subjekte festgemacht wird; (2) die Ausgrenzungspraxis,
also die Akte der Diskriminierung, mit denen symbolische oder materielle Ressour-
cen ungleich verteilt werden; (3) die differenzierende Macht, womit Terkessidis
darauf verweist, dass das Funktionieren des rassistischen Apparats auf asymmetri-
sche Machtstrukturen angewiesen sei: eine marginalisierte Gruppe kann nur dann
diskursiv als rassifiziert produziert und diskriminiert werden, wenn ihre Möglich-
keiten zum Widerspruch und somit zur Selbstrepräsentation begrenzt sind.
14
In der Theoretisierung der Funktionsweise von Rassismus entspricht dieser An-
satz in den wesentlichen Punkten erkennbar dem ideologiekritischen von Miles und
Guillaumin. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sich Terkessidis intensiv auf diese
beiden bezieht. Jedoch finden einige relevante Verschiebungen statt. Zunächst geht
es um die semantische Frage, was Rassismus ist. Bei Miles und Guillaumin ist
Rassismus Ideologie, also eine bestimmte Form von Bewusstsein, die in Beziehung
zu einem Ungleichheitsverhältnis steht. Hier dagegen ist Rassismus ein soziales
Ungleichheitsverhältnis zwischen zwei Gruppen bzw. ein gesellschaftlicher Appa-
rat, der ein solches Verhältnis produziert.
14
Es gibt zahlreiche weitere Variationen, die teils hier, teils zwischen dem vierten und den fünften
Ansatz anzusiedeln wären. So definiert Hall (1989, S. 7) Rassismus als Praxis, Essed (1992, S. 375)
als Ideologie, Struktur und Praxis. Auch der Rassismusmonitor des Deutschen Zentrums für
Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM 2022,S.16–17) nutzt eine Definition, die mehrere
Ebenen umfasst. Andere schlagen vor, Rassismus mit Bourdieu (Scherschel 2006; Weiß 2013) oder
Habermas (Biskamp 2016) zu fassen, was den Fokus noch einmal verschiebt. Ebenfalls zwischen
dem vierten und fünften Ansatz stehen diskurstheoretische Rassismuskonzeptionen (Jäger 1994;
Wodak und van Dijk 2000).
16 F. Biskamp
Relevanter sind die mit dieser semantischen Veränderung einhergehenden Ver-
schiebungen des Fokus von Forschung und Kritik. Diese Verschiebungen führen zu
wichtigen Reflexionen, die für Verständnis und Kritik von Rassismus sehr erhellend
sein können. Jedoch gehen sie auch mit Gefahren einher, insbesondere mit der, dass
der Rassismusbegriff zu weit und zu vage wird. Im Einzelnen sind sechs Fokus-
verschiebungen mit korrespondierenden Gefahren zu nennen: (1) Dies ist zunächst
der Zusammenhang von Macht und Wissensproduktion: Damit wird die Frage
gestellt, wie in öffentlichen und alltäglichen Diskursen Unterschiede konstruiert
und Wertungen zugewiesen werden. Insbesondere wird gefragt, wer öffentlich als
Wahrheit geltendes Wissen über wen produzieren kann. Dies hat auch Konsequen-
zen für mögliche Gegenstrategien, die dann weniger im Aufklären von Rassist:innen
über ihre Vorurteile als vielmehr im Empowerment der von Rassismus Betroffenen
(oder in Privilegienkritik und Machtverzicht der anderen) bestehen.
15
Die Gefahren
dieser Fokussierung auf Macht liegen darin, dass der oftmals sehr vage verwendete
Machtbegriff schwer zu handhaben ist, was mithin zu einer relativ beliebigen und
totalisierenden Behauptung der Verteilung von Macht führt.
16
Zudem sollte ein
Fokus auf Machtkämpfe nicht verdrängen, dass es in öffentlichen Diskussionen
auch um Gründe und Argumente gehen sollte.
17
(2) Mit dem Fokus auf das gesell-
schaftliche Machtgefälle rückt auch die Positioniertheit der Einzelnen in den Fokus:
Alle Personen haben in dem gesellschaftlichen Dominanzverhältnis Rassismus eine
Position, sind mehr oder weniger rassifiziert und stigmatisiert; je nach Position hat
man unterschiedliche Lebenschancen, macht unterschiedliche Erfahrungen und wird
in unterschiedlichem Maße ernstgenommen. Die Gefahren dieses Fokus bestehen in
einer allzu starren Vorstellung von „Position“und „Identität“. Zu der kommt es,
wenn man positionale Kategorien wie „weiß“,„schwarz“und „POC“doch wieder
essenzialistisch deutet und unterschiedlich positionierten Gruppen homogenisierend
wesenhafte Eigenschaften zuschreibt (Scherr 2021); oder wenn man in Form eines
„positionalen Fundamentalismus“(Hark und Villa 2017, S. 32) die Geltung von
Äußerungen ausschließlich von der Positionalität abhängig macht; oder wenn man
sich die durch rassifizierte Positionalität geschaffenen Gruppen als einheitlich vor-
stellt, sodass andere Formen von Differenz und Ungleichheit wie Klasse, Geschlecht
und Staatsbürgerschaft vernachlässigt werden. (3) Aus der Reflexion von Positiona-
lität folgt, dass den Erfahrungen, dem Wissen und den Widerstandsformen rassifi-
zierter Gruppen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Wenn Rassismus un-
terschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Positionen produziert, die zu
15
S. die Beiträge zu Kapitel 5 in Fereidooni und El (2017, S. 749–815).
16
Verhältnisse von Macht und Hegemonie können sich je nach Kontext stark unterscheiden, sodass
man fragen muss, welcher Kontext gerade relevant ist. In einer Schulklasse kann eine Gruppe
hegemonial sein, in der ganzen Schule eine andere und wieder andere in einem bestimmten Milieu,
einem Stadtviertel, einer Stadt, einer nationalen Öffentlichkeit oder in globaler Perspektive, was
davon zählt jeweils?
17
Der Fokus auf Macht und der Fokus auf Argumente sollten nicht gegeneinander ausgespielt,
sondern ins Verhältnis gesetzt werden. Daher habe ich vorgeschlagen, Rassismus mit Habermas als
systematische Verzerrung von Kommunikation zu erfassen (Biskamp 2016).
Rassismustheorie und Diskriminierungskritik 17
unterschiedlichen Erfahrungen führen, und im hegemonialen Diskurs vor allem die
dominante Gruppe zu Wort kommt, muss kritische Forschung die Perspektiven und
Strategien der Marginalisierten sichtbar machen (DeZIM 2022,S.29–40; Du Bois
2007; Fanon 2008; Kilomba 2016; Terkessidis 2004). Die Gefahr besteht darin, eine
allzu homogenisierte Vorstellung zu entwickeln, in der z. B. allen schwarzen Per-
sonen eine Erfahrung zugeschrieben wird, obwohl die Wahrnehmungen in Wirk-
lichkeit sehr heterogen sind (El-Mafaalani et al. 2017). (4) Die vierte Fokusver-
schiebung rückt die alltäglichen Praktiken ins Zentrum, mit der rassistischer
Diskurs, Rassifizierung und rassistische Dominanz oftmals ohne böse Absicht
immer wieder neu hergestellt werden. Beispiele sind Aussagen wie „Du sprichst
aber gut Deutsch“gegenüber einer der Sprecher:in unbekannten in Deutschland
geborenen Person; auch wenn dies gut gemeint sein mag, markiert es die angespro-
chene Person doch als fremde, von der man eigentlich keine Deutschkenntnis
erwartet. Dies wird unter dem Stichwort Alltagsrassismus beforscht (Essed 1991;
Leiprecht 2001). Die Gefahr besteht darin, dass eine allzu starke Moralisierung von
Alltagshandlungen dazu führt, dass Rassismuskritik zu einer Frage von Etikette und
Tischmanieren wird, wodurch rassistische Machtstrukturen aus dem Blick geraten
und neue Ausschlüsse produziert werden können. (5) Rassismuskritik aus dieser
Perspektive fragt stärker nach Effekten als nach Ursachen. Wenn man eine Hand-
lung oder Institution untersucht, fragt man dann weniger danach, ob ihr rassistische
Ideologie zugrundeliegt, sondern eher danach, ob sie geeignet ist, das bestehende
Dominanzverhältnis zu reproduzieren und zu stärken, indem sie die Lebenschancen
rassifizierter Gruppen schmälert. Wenn z. B. rassifizierte Gruppen an Bahnhöfen
überdurchschnittlich häufig zum Objekt verdachtsunabhängiger Personenkontrollen
werden, fragt man aus dieser Perspektive in erster Linie nicht danach, ob die Polizist:
innen oder Gesetzgeber:innen rassistisch motiviert sind, sondern vielmehr danach,
welche Auswirkungen dies auf die Lebenschancen der betroffenen Gruppen hat
(Cremer 2017). Sinnvollerweise wird man eine Handlung oder Institution aber
auch mit diesem Ansatz nur insofern als rassistisch bezeichnen können, wie man
plausibel darlegen kann, dass ihr eine rassifizierende Differenzkonstruktion zugrun-
de liegt und eine willkürliche Ungleichverteilung von Ressourcen stattfindet. Die
Gefahr besteht in einer diese Einschränkung ignorierenden Entgrenzung des Begriffs
und einer Beliebigkeit der Behauptung von Effekten. (6) Schließlich spielen in
dieser Form der Rassismuskritik intersektionale Betrachtungen eine besonders
große Rolle, die Rassismus in seiner Wechselwirkung mit Sexismus und anderen
Dominanzverhältnissen analysieren (Crenshaw 1989). Die Gefahr besteht darin,
dass Kapitalismus und Antisemitismus nicht angemessen verstanden werden,
wenn man sie in allzu enger Analogie zu Rassismus als diskursiv konstruiertes
Differenz- und Dominanzverhältnis betrachtet (Stögner 2019).
Man kann all diese sechs Reflexionen vollziehen und die Gefahren dabei ver-
meiden. Tut man dies, überwiegen die Vorteile dieses Ansatzes. Er ermöglicht es,
alle Reflexionen der zuvor genannten Ansätze über Begriffsgeschichte, Gruppen-
konstruktion, Bewusstsein und Dominanzverhältnisse zu vollziehen, schärft aber
den Blick für Fragen, die in den anderen Ansätzen marginal bleiben.
18 F. Biskamp
9 Fazit: kritische Theorie und kritische Praxis
Die vorstehenden Ausführungen sollten einen Eindruck von der Vielfalt rassismus-
theoretischer Ansätze geben und es ermöglichen, ihre jeweiligen Stärken und
Schwächen einzuschätzen. Zugleich sollten sie einen Überblick geben über die
Phänomene, mit denen Rassismuskritik sich befassen und die Fragen, die sie dabei
stellen muss. Dies soll es ermöglichen zu entscheiden, wann sinnvollerweise von
Rassismus und rassistischer Diskriminierung zu sprechen ist und wann nicht. Eine
ausführlichere Darstellung müsste noch mehr leisten: Der Rassismusbegriff wäre
gerade in Hinblick auf seine Abgrenzung zu anderen Phänomenbereichen (z. B. Kas-
tendiskriminierung, ethnische Diskriminierung) noch weiter auszugestalten, natio-
nale Spezifitäten und ihre forschungspraktischen Folgen wären genauer zu beschrei-
ben und die hier nur angedeutete intersektionalen Verhältnisbestimmung zu
Nationalstaat, Kapitalismus, Klassenherrschaft, Heterosexismus und Antisemitis-
mus wäre auszugestalten.
Hier muss es aber bei einem abschließenden einschränkenden Hinweis für die
rassismuskritische Praxis bleiben: In der kritischen Theorie und wissenschaftlichen
Analyse kann es hilfreich sein, mit einem weiten Rassismusbegriff zu arbeiten. In
der diskriminierungskritischen Praxis ist der Rassismusbegriff dagegen aufgrund
seiner starken moralischen Aufladung und der sehr unterschiedlichen Definitionen
ambivalent. Einerseits drückt der Rassismusbegriff die Dringlichkeit eines Problems
deutlich aus. Dies kann bei der Skandalisierung von und Mobilisierung gegen
Missstände(n) sehr hilfreich sein –ein Beispiel ist die Mobilisierung gegen die
umfassenden Missstände in Sicherheitsbehörden und Medien rund um die
NSU-Morde (Dengler und Foroutan 2017). In anderen Fällen kann die moralische
Aufladung aber auch lediglich wilde Abwehrreaktionen provozieren, die sich dabei
auf ebenfalls verbreitete engere Rassismuskonzepte stützen können. Das führt mit-
hin dazu, dass anschließend nicht mehr über den fraglichen Missstand gesprochen
wird, sondern nur noch darüber, ob man in diesem Fall wirklich von Rassismus
sprechen sollte. Auch wenn man gute rassismustheoretische Gründe hat, eine be-
stimmte Aussage, Handlung oder Institution als rassistisch einzustufen, kann es in
vielen „minder schweren“Fällen praktisch hilfreicher sein, auf den Begriff zu
verzichten und stattdessen einfach die Angemessenheit der Äußerung oder die
Gerechtigkeit und Rechtmäßigkeit der Institution begründet infragezustellen. Ras-
sismuskritik muss in Theorie wie Praxis in der Lage sein, Rassismus von Nicht-
rassismus zu unterscheiden und innerhalb des Rassismus zu differenzieren.
Literatur
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