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Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld. Veränderungen der Beschreibung von bedeutsamen Erfahrungen und deren Analyse in Reflexionsprozessen. Lehrerbildung auf dem Prüfstand (Themenheft), 14(1), 59-81.

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Abstract

Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld-Veränderungen der Beschreibung von bedeutsamen Erfahrungen und deren Analyse in Reflexionsprozessen Reflexion als strukturbedingte Anforderung ist unabdingbar, um mit komplexen Anforderungen des kontingenten beruflichen Handelns von Lehrpersonen umzugehen. Daher wird bereits im Studium die Reflexionskompetenz angehender Lehrpersonen gefördert. Gestützt auf den berufsbiografischen Professionalisierungsansatz, in welchem die subjektive Wahrnehmung von Anforderungen für deren Bewältigung von Bedeutung ist, wird untersucht, welche Anforderungen für Studierende in Praxisphasen relevant sind, wie sie diese beschreiben und mittels eines Reflexionsinstruments analysieren und inwiefern Veränderungen in den subjektiv als relevant wahrgenommenen Anforderungen, in der Dichte ihrer Beschreibung und ihrer Analyse im Verlauf des Studiums sichtbar werden. In dieser qualitativen Studie wurden die zu drei Zeitpunkten bearbeiteten Reflexionsinstrumente von zehn Studierende der Eingangsstufe längsschnittlich unter-sucht. Ergebnisse zeigen, dass insbesondere die Situationen aufgegriffen werden, in welchen die Studieren-den in ihrer Führungskompetenz gefordert werden. Bei einigen werden die Situationsbeschreibungen zunehmend differenzierter, gehen über zusammenfassende, eher pauschale Deutungen hinaus und gliedern sich in beobachtbare Handlungs- und Interaktionseinheiten. Andere zeigen keine Veränderung. Über die Zeit von drei Jahren zeigt sich eine zunehmende Heterogenität der Reflexionskompetenz. Schlagwörter: Klassenführung-Lehrer*innenbildung-Praktikum-Reflexion-Erfahrungen Reflection on experiences in the school context. Changes in the description of meaningful experiences and their analysis in reflection processes Reflection as a structure related requirement is essential to deal with complex requirements and the contingency of teachers' professional actions. Therefore, teacher education aims on promoting reflection skills of prospective teachers. Based on the professional biographical professionalization approach, in which the subjective perception of requirements is important for coping with them, the article investigates which requirements are important for students during internship, how they describe and analyze them using a reflection instrument, and to what extent changes in the requirements relevance, in the density of their description and their analysis were identified. In this qualitative study, ten students at the entry level (teaching diploma for kindergarten, 1st and 2nd grade) were examined longitudinally in the use of a reflection instrument three times. The results show that the requirements of classroom management are brought up, in which the students are challenged to prove their leadership skills. The students describe the situations in an increasingly differentiated way; the descriptions change beyond summarizing, rather global interpretations
Lehrerbildung auf dem Prüfstand © Verlag Empirische Pädagogik
2022, 15. Jahrgang, Heft 1, S. 59-81
Originalarbeiten
Manuela Keller-Schneider
Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld -
Veränderungen der Beschreibung von bedeutsamen
Erfahrungen und deren Analyse in
Reflexionsprozessen
Reflexion als strukturbedingte Anforderung ist unabdingbar, um mit komplexen Anforderungen des kontin-
genten beruflichen Handelns von Lehrpersonen umzugehen. Daher wird bereits im Studium die Reflexions-
kompetenz angehender Lehrpersonen gefördert. Gestützt auf den berufsbiografischen Professionalisie-
rungsansatz, in welchem die subjektive Wahrnehmung von Anforderungen für deren Bewältigung von
Bedeutung ist, wird untersucht, welche Anforderungen für Studierende in Praxisphasen relevant sind, wie
sie diese beschreiben und mittels eines Reflexionsinstruments analysieren und inwiefern Veränderungen in
den subjektiv als relevant wahrgenommenen Anforderungen, in der Dichte ihrer Beschreibung und ihrer
Analyse im Verlauf des Studiums sichtbar werden. In dieser qualitativen Studie wurden die zu drei Zeitpunk-
ten bearbeiteten Reflexionsinstrumente von zehn Studierende der Eingangsstufe längsschnittlich unter-
sucht. Ergebnisse zeigen, dass insbesondere die Situationen aufgegriffen werden, in welchen die Studieren-
den in ihrer Führungskompetenz gefordert werden. Bei einigen werden die Situationsbeschreibungen
zunehmend differenzierter, gehen über zusammenfassende, eher pauschale Deutungen hinaus und gliedern
sich in beobachtbare Handlungs- und Interaktionseinheiten. Andere zeigen keine Veränderung. Über die
Zeit von drei Jahren zeigt sich eine zunehmende Heterogenität der Reflexionskompetenz.
Schlagwörter: KlassenführungLehrer*innenbildungPraktikumReflexionErfahrungen
Reflection on experiences in the school context.
Changes in the description of meaningful
experiences and their analysis in reflection processes
Reflection as a structure related requirement is essential to deal with complex requirements and the contin-
gency of teachers' professional actions. Therefore, teacher education aims on promoting reflection skills of
prospective teachers. Based on the professional biographical professionalization approach, in which the
subjective perception of requirements is important for coping with them, the article investigates which re-
quirements are important for students during internship, how they describe and analyze them using a re-
flection instrument, and to what extent changes in the requirements relevance, in the density of their de-
scription and their analysis were identified. In this qualitative study, ten students at the entry level (teaching
diploma for kindergarten, 1st and 2nd grade) were examined longitudinally in the use of a reflection instru-
ment three times. The results show that the requirements of classroom management are brought up, in
which the students are challenged to prove their leadership skills. The students describe the situations in an
increasingly differentiated way; the descriptions change beyond summarizing, rather global interpretations
80 Keller-Schneider
and show a description structured in observable units of action and interaction. Over the course of three
years, an increasing heterogeneity of reflective skills becomes apparent.
Keywords: classroom management – experiencesinternship – reflectionteacher education
1 Einleitung
Reflexion als kognitive Tätigkeit ist nicht nur eine Anforderung an Professionelle
(Combe & Kolbe, 2008), sondern erfolgt auch in der Bewältigung von Alltagssitua-
tionen. Insbesondere in der Auseinandersetzung mit komplexen Anforderungen in
sich verändernden Kontexten ist Reflexion erforderlich und vollzieht sich nicht nur
in unbewussten, sondern insbesondere auch in bewussten, der Steuerung unterstell-
ten Prozessen (Blömeke, Gustafsson & Shavelson, 2015). Reflexion ist eine struktur-
bedingte Anforderung an Akteur*innen, die eine reflexive Auseinandersetzung als
Tätigkeit erfordert. Reflexion beinhaltet somit auch den reflexiven Prozess, um kom-
plexen Anforderungen in professioneller Art und Weise gerecht zu werden. Dazu ist
berufsbezogene Reflexionskompetenz erforderlich, die über die in Alltagssituatio-
nen notwendige Reflexion hinausgeht und in der Lehrpersonenbildung gefördert
wird. Ergänzend zum Aufbau von berufsbezogenem Wissen (Shulman, 1986) sowie
zur Klärung und Ausdifferenzierung von Überzeugungen, Motiven und Werten
(Blömeke, Kaiser & Lehmann, 2008), wird Reflexionskompetenz als individuelle Res-
source im Rahmen des Studiums gefördert. Reflexionsfähigkeit als Potential und Re-
flexionsbereitschaft als individuelle motivationale Ressource stellen professionalisie-
rungsfördernde Voraussetzungen für die Auseinandersetzung mit herausfordern-
den Situationen dar.
Um Studierende auf die Komplexität der zu bewältigenden Berufsanforderungen
(Keller-Schneider, 2020) und die Kontingenz des beruflichen Handelns (Combe,
Paseka & Keller-Schneider, 2018) vorzubereiten, werden in mehreren Reflexionsan-
lässen Erfahrungen aus Praxissequenzen beleuchtet. In die berufspraktischen Tätig-
keiten begleitenden Lehrveranstaltungen werden Verbindungen zwischen allge-
meingültigem, theoretischem Wissen und schulfeldbezogenen, individuell
geprägten Erfahrungen angeregt (Keller-Schneider, 2018). Dabei wird erwartet, dass
sich die Studierenden in ihrer Reflexionskompetenz und in ihrer Reflexionsbereit-
schaft weiterentwickeln.
Welche in schriftlichen Reflexionen dargelegten Praxiserfahrungen für Studierende
von Bedeutung sind und wie sich ihre in den Beschreibungen und den Analysen
sichtbar gemachte Reflexionskompetenz als Fähigkeit und Bereitschaft zeigt und
über drei Jahre verändert, wird im folgenden Beitrag untersucht.
Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld 81
2 Theoretische Fundierung
Reflexion kann als Kernkompetenz von Lehrpersonen bezeichnet werden (Combe &
Kolbe, 2008). Sie ermöglicht, im von Ungewissheit geprägten Beruf von Lehrperso-
nen (Helsper, 2008) mit den sich stellenden (Hericks, Keller-Schneider & Bonnet,
2019) und subjektiv wahrgenommenen Anforderungen (Keller-Schneider, 2020)
umzugehen und dabei den an die Profession gestellten Erwartungen (LCH, 2008) zu
entsprechen. Reflexion (lat. reflectere, zurückbeugen) ermöglicht, sich in einer dis-
tanzierenden Betrachtung auf eine Begebenheit einzulassen. Über reflexionsbasierte
Analysen von Erfahrungen lassen sich Bezüge zu allgemeinem und wissenschaftli-
chem Wissen (Artmann, 2019; Berndt, Häcker & Leonhard, 2017) sowie zu sich selbst
und den subjektiven Wissensbeständen herstellen (Neuweg, 2014). Dabei können
individuelle (Keller-Schneider, 2020) sowie habituelle Prägungen (Helsper, 2018) er-
kannt werden, die als implizites Wissen (Keller-Schneider, Janssen & Wiedenhorn,
2022; Neuweg, 2004; Polany, 1969) Handlungen prägen. Über Reflexionsprozesse
und daraus hervorgehende Erkenntnisse wird angestrebt, den Referenzrahmen der
individuellen Betrachtung zu erweitern und darauf gestützte Lösungswege zu ent-
wickeln.
2.1 Reflexion im pädagogischen Kontext
Der Lehrberuf kann als eine, auf Erziehung und Bildung von entwicklungsfähigen
und entwicklungsbedürftigen Anderen (Hericks, 2006) ausgerichtete Aufgabe von
dafür befähigten und befugten Professionellen gefasst werden (Hericks et al., 2019).
Dieser findet in sozialen Kontexten statt und wird von kontextuellen Bedingungen
geprägt sowie von Akteur*innen und Akteursgruppen gestaltet. Im Zusammenwir-
ken eigenaktiver Individuen und Systemen vollziehen sich jedoch begrenzt vorher-
sehbare Dynamiken. Der Lehrberuf ist von Kontingenz geprägt (Combe, 2015), Lehr-
personen sind gefordert, mit daraus hervorgehenden Ungewissheiten von Lehr-
Lernprozessen umzugehen (Helsper, 2008; Paseka, Keller-Schneider & Combe,
2018). Pädagogische Situationen wirken strukturbedingt als Kontingenzbelastung
und Kontingenzzumutung. In der Bewältigung ist Kontingenzfreude erforderlich
(Combe et al., 2018), um berufliche Anforderungen als Herausforderungen anzu-
nehmen (Keller-Schneider, 2020). Im Wahrnehmen und Deuten von situativen Ge-
schehnissen sowie im Abgleich mit verfügbaren Ressourcen (Lazarus & Folkman,
1984) sind Handlungsentscheidungen erforderlich (Blömeke et al., 2015). In Distanz
nehmender, beurteilender Reflexion kann aufgrund der aktuellen Kompetenz
(Blömeke et al., 2015) und fluider Expertise (Tartwijk, Zwart & Wubbels, 2017) die
Angemessenheit des eigenen Handelns beleuchtet, begründet und/oder weiterent-
wickelt werden.
80 Keller-Schneider
Nguyen, Fernandez, Karsenti und Charlin (2014) bezeichnen Reflexion als Prozess
„of engaging the self in attentive, critical, exploratory and iterative interactions with
one’s thoughts and actions, and their underlying conceptual frame, with a view to
changing them and with a view on the change itself.“ (Nguyen et al., 2014, S. 1182).
In der Diskussion um Reflexion erscheint insbesondere kontrovers, inwiefern Refle-
xion eine Verbindung von Theorie und Praxis als wechselseitige Relationierung von
praxisbezogenem und wissenschaftsbezogenem Wissen beinhaltet (Berndt et al.,
2017) und inwiefern von den Akteurinnen und Akteuren wissenschaftliches Wissen
genutzt (Artmann, 2019; Stender, Vogelsang, Watson & Schaper, 2020) oder als zu
nutzend gefordert wird.
2.2 Reflexion im Kontext von Professionalisierungsprozessen
Wissen allein genügt nicht, um Professionalität zu erwerben, denn Wissen kann nicht
direkt in Handeln überführt werden (Gruber & Renkl, 2000). Theorie und Praxis ge-
hen nie nahtlos ineinander über (Herzog 1995). Transferleistungen erfordern Verar-
beitungsprozesse, die von subjektiven Ressourcen geprägt werden. ‘Beliefs and at-
titudes are the lenses through which teachers enact and interpret their daily work
and also the filters through which they use knowledge to construct practice.
(Cochran-Smith & Zeichner, 2005, S. 52).
Im Zusammenspiel von Wissen, Können und Handeln, gestützt auf emotional-moti-
vationale Ressourcen, übernimmt Reflexion als kognitive und intuitive Tätigkeit eine
zentrale Funktion. In Reflexionsprozessen können vielfältige Komponenten der
Handlung selbst sowie handlungsauslösende und handlungsleitende Faktoren in
den Blick genommen werden.
Im Umgang mit kontingenten Anforderungen, die den Lehrberuf prägen, sind Adap-
tionsprozesse erforderlich. Geplante Handlungen sind auf die sich verändernden
Gegebenheiten auszurichten. Damit erfolgt Reflexion in meist wenig bewussten,
handlungsbegleitenden und handlungssteuernden Prozessen. Schön (1983) be-
zeichnet diese als ‘reflection in action’, Mandl und Friedrich (2006) als metakognitive
Prozesse der Steuerung. Die Fähigkeit, das eigene Handeln unbewusst und bewusst
zu reflektieren und den Handlungsprozess laufend auszutarieren, stützt sich auf im-
plizite (Neuweg, 2014; Sternberg & Horvath, 1999), berufsbiografisch erworbene
(Wittek & Jacob, 2020) und habituell verankerte Wissensstrukturen (Helsper, 2018).
Diese latente Struktur verändert sich im Zuge der Professionalisierung zur Lehrper-
son (Berliner, 2001; Dreyfus & Dreyfus, 1986; Keller-Schneider, 2020). Dabei entste-
hen Synergien, die sich zu einer Metastruktur verdichten (Gruber & Degner, 2016)
und als adaptive Expertise (Tartwijk et al., 2017) eine Reduktion der Komplexität von
Situationen und damit ein schnelleres und angemesseneres Handeln ermöglichen.
Reflexive Auseinandersetzungsprozesse und daraus hervorgehende Erkenntnisse
Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld 81
können zur Verdichtung und Vernetzung beitragen. Dem Novizen-Expertenpara-
digma folgend vollzieht sich Professionalisierung in einem erfahrungsgestützten
Verdichtungs- und Vernetzungsprozess, der aus der Auseinandersetzung mit sub-
jektiv selektionierten und als relevant wahrgenommenen Situationen hervorgeht.
Dabei sind individuelle Ressourcen für die Wahrnehmung, Deutung und Bearbei-
tung von Bedeutung (Keller-Schneider, 2020).
Auf diese theoretische Grundlage gestützt, wurde ein Reflexionsinstrument entwi-
ckelt, mit welchem Studierende subjektiv relevante Erfahrungen im Schulfeld aus der
Perspektive unterschiedlicher Komponenten ihrer individuellen Ressourcen analy-
sieren (Abb. 1).
2.3 Reflexionsinstrument zur multiperspektivischen Analyse sub-
jektiv relevanter Erfahrungen
Reflexion ist auf Bewusstheit über das eigene Tun angewiesen (Berndt et al., 2017)
und erfordert eine genaue Betrachtung von als relevant wahrgenommenen Phäno-
menen (Rosenberger, 2017). Eine ins Bewusstsein gehobene Erfahrung und ihre Be-
schreibung ermöglichen eine distanzierende und analysierende Reflexion. Als me-
takognitive (Mandl & Friedrich, 2006) und didaktisch einsetzbare Tätigkeit (Kaiser,
Kaiser, Lambert & Hohenstein, 2018; Keller-Schneider, 2018; 2020) erfordert Refle-
xion eine engagierte Auseinandersetzung mit Wahrnehmungen und Sichtweisen.
Dem berufsbiografisch verankerten, wahrnehmungsorientierten sowie stress- und
ressourcentheoretisch begründeten Professionalisierungsansatz von Keller-
Schneider (2020) folgend, wirken mehrere Komponenten der individuellen Ressour-
cen auf die Wahrnehmung und Deutung von Anforderungen ein. In Lehrveranstal-
tungen vermitteltes erziehungswissenschaftliches, fachliches und fachdidaktisches
Wissen (Shulman, 1989) stellen Grundlagen r das berufliche Handeln dar. Über-
zeugungen rahmen als biografisch erworbene, subjektive und in ihrer Richtigkeit
nicht in Frage gestellte Sichtweisen die Wahrnehmungen von Situationen. Ziele und
Motive steuern als dynamische Komponenten Handlungen. Selbstregulative Fähig-
keiten fokussieren auf Möglichkeiten der Situationsbewältigung. Diese Komponen-
ten werden im Reflexionsinstrument als Zugänge der multiperspektivischen Analyse
genutzt, um eine subjektiv relevante, beschriebene Situation aus unterschiedlichen
Perspektiven zu betrachten. Leitfragen sollen eine vertiefte Reflexion ermöglichen.
Da Erkenntnisse aus irritationsbedingten Prozessen hervorgehen (Combe &
Gebhard, 2009), wird mit diesem Instrument eine facettenreiche über eingespielte
Vorgehensweisen hinausgehende Auseinandersetzung mit erlebten Situationen an-
geregt. Die zugangsspezifischen Leitfragen zielen auf eine Reflexionstiefe, die über
eine Beschreibung von Geschehnissen hinausgeht (Häcker, 2017; Hatton & Smith,
1995) und weiterführende Erkenntnisse ermöglicht.
80 Keller-Schneider
Ausgangspunkt für die Analyse einer subjektiv relevanten Situation ist deren Be-
schreibung (Rosenberger, 2017), die ins Zentrum des Reflexionsinstruments gesetzt
wird. Diese Situation wird anschließend aus der Perspektive unterschiedlicher indi-
vidueller Ressourcen als Zugänge zur Situation mittels der impulsgebenden Leitfra-
gen analysiert. Aus der Bearbeitung dieses Reflexionsinstruments geht ein Doku-
ment hervor, welches sich aus der Beschreibung einer Situation und ihrer Analyse
aus unterschiedlichen Zugängen zusammensetzt.
Abbildung 1: Reflexionsinstrument (Keller-Schneider, 2020)
3 Fragestellungen
Reflektieren erfordert nicht nur die Fähigkeit, Distanz zum Geschehen einzunehmen,
sondern auch die Bereitschaft dazu (Trempler & Hartmann, 2020). Inwiefern dieses
Instrument Studierende zu Beschreibungen und Analysen anregt und wie die Ana-
lyseansätze verstanden werden, wird in der folgenden Studie untersucht. Der be-
rufsbiografischen Perspektive auf Reflexion im institutionellen Kontext folgend stellt
sich die Frage, wie Reflexionsprozesse angeregt werden können und inwiefern sich
Veränderungen über die Zeitspanne des Bachelor-Studiums abzeichnen.
Folgende Fragestellungen werden untersucht:
-
t
-
- -
.
-
i
Überzeugungen
Wie l ernen Sch üler/inn en?
Was bra uch en sie daz u?
Was kan n e ine Le hrpe rso n
beitragen?
Was is t gu ter Un ter ric ht?
Was fun kti oni ert ?
...
Ziele und Motive
Was ist Ihnen wicht ig?
Was möchten Sie erreiche n?
Was möchten Sie sicher s tellen?
Was möchten Sie ermöglichen?. ..
Selbstregulation
Was möchten Sie tun, um d ies
zu erreichen?
Wievi el Engage ment erwar ten
Sie von sich?
Woran erkennen Sie, dass es
sich lohnt?
Was muss si ch zeigen, da mit
Sie dran bleiben?
...
Pädagogisch-
psychologisches
Wissen
Was wi ssen Si e a us e ine r
fachunabhängigen und
fachübergreifenden Perspektive
betrachtet?
Welches pädagogische,
psychologische und allgemein
didaktische Wissen können Sie
beiziehen? ...
Fachwissen
Was wi ssen Sie über die
Sache?
...
Fachdidaktisches
Wissen
Was wi ssen Sie aus
fachdidaktischer Perspektive?
Welche Hürden u nd Schwierig-
keiten gehen von der Sache aus?
Über welches Vorwissen könnten
die Schüler/innen verfügen?
Wie kann d ieses akt iviert und
modifiziert werden?
...
Situation
Beschreibung einer konkreten Begeb enheit
Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld 81
1) Welche Anforderungen liegen den von den Studierenden als subjektiv relevant
selektionierten Erfahrungen im Schulfeld zugrunde? Welche Veränderung zei-
gen sich im Verlaufe eines dreijährigen Studiums?
2) Wie werden Situationen beschrieben, und inwiefern verändern sich die Dichte
sowie die Art und Weise der Beschreibungen über die Zeit von drei Jahren?
3) In welchem Ausmaß werden durch die Leitfragen der Analysezugänge Gedan-
ken ausgelöst, und inwiefern verändert sich die Dichte ihrer Ausführungen?
4) Wie werden die Analysezugänge verstanden, und inwiefern verändert sich die-
ses Verständnis?
5) Inwiefern bestehen Zusammenhänge zwischen der Dichte der Situationsbe-
schreibung und der Dichte der daraus hervorgehenden Analysen, und inwiefern
verändert sich diese?
Die Studie setzt sich zum Ziel, die Entwicklung der in der Differenziertheit der Be-
schreibungen und Analysen von Erfahrungen sichtbar gemachten Reflexionskom-
petenz der Studierenden zu ermitteln sowie das subjektive Verständnis von Anfor-
derungen im Schulfeld nachzuzeichnen. Der Fokus liegt auf der Art und Weise, wie
Studierende über ihre Erfahrungen nachdenken. Die Frage nach der Verbindung von
Theorie und Praxis wird indirekt durch die im Reflexionsinstrument gewählten wis-
sensbezogenen Analysezugänge thematisiert. Es geht somit weniger um die Kom-
petenz zur Vernetzung von Theorie und Praxis als um die individuelle Wahrnehmung
und Deutung von Anforderungen aus der Perspektive unterschiedlicher Komponen-
ten der individuellen Ressourcen.
4 Methodisches Vorgehen
4.1 Kontext der Studie
Die Studie nutzt Dokumente, die in Reflexionsseminaren der Schulpraktischen Aus-
bildung entstanden sind. Die Mentorin, welche eine Gruppe von Studierenden wäh-
rend der Schulpraktischen Ausbildung begleitete, setzte dieses Instrument in Aus-
wertungssitzungen von Praxissequenzen ein. Über den Impuls ‘Welche Situation
beschäftigt Sie noch? Beschreiben Sie diese und analysieren Sie diese aus unter-
schiedlichen Perspektiven. Nutzen Sie dazu die Leitfragen als Impulse’ wurde die
Schreibsequenz eingeleitet. Die damit ausgelösten Gedanken dienten als Ausgangs-
punkt für Gespräche unter den Studierenden. Ziel der beurteilungsfreien Veranstal-
tung ist eine Be- und Verarbeitung von Praxiserfahrungen.
Im einphasigen Bachelor-Studium zur Lehrperson der Eingangsstufe (Kindergarten
sowie 1. und 2. Klasse) sowie der Primarstufe (1. bis 6. Klasse) an der Pädagogischen
Hochschule Zürich werden die Studierenden in mindestens sieben Fächern
ausgebildet, die sie als Lehrpersonen unterrichten werden. In der Schulpraktischen
80 Keller-Schneider
Ausbildung, welche rund ein Drittel der Studienzeit umfasst, werden die Studie-
renden in der Rolle als angehende Lehrperson mit zunehmend komplexer
werdenden Anforderungen im Schulfeld konfrontiert (Keller-Schneider, 2016), um
sich mit den berufsphasenspezifisch konkretisierten Entwicklungsaufgaben aus-
einanderzusetzen (Keller-Schneider, 2021).
Die Mentorin setzte das Reflexionsinstrument dreimal ein. Die erste Bearbeitung (t1)
erfolgte am Ende des ersten Studienjahres nach dem zweiten Praktikum, die zweite
(t2) nach dem Quartalspraktikum und die dritte (t3) nach dem Lernvikariat. Im ersten
Studienjahr sind die Studierenden in Tages- und Wochenpraktika in der Schule, wir-
ken am Unterricht mit und übernehmen einzelne Lektionen, die sie vorbereiten und
durchführen. An den Praxistagen werden Erfahrungen mit der Praktikumslehrperson
und der Mentoratsperson (falls anwesend) reflektiert. Das Quartalspraktikum um-
fasst sieben Wochen und wird von Vorbereitungs-, Zwischenauswertungs- und
Nachbereitungswochen gerahmt. Die Studierenden planen Unterricht in größeren
Sequenzen und führen diesen durch. In regelmäßigen Vor- und Nachbesprechun-
gen werden sie von der Praktikumslehrperson täglich und von der Mentoratsperson
gelegentlich begleitet. Im Lernvikariat übernehmen die Studierenden in Tandems
während drei Wochen den Unterricht in einer Klasse bei Abwesenheit der Lehrper-
son. Sie führen den Unterricht eigenverantwortlich und werden dabei von der Men-
toratsperson besucht.
4.2 Datenkorpus und Stichprobe
Als Datenkorpus dienen die aus Begleitseminaren hervorgehenden Dokumente, die
als natürliche Daten (Salheiser, 2014) anhand des im Seminar eingesetzten Re-
flexionsinstruments gewonnen und über Zugänge der qualitativen Inhaltsanalyse
(Kuckartz, 2018; Schreier, 2014) ausgewertet werden. Im Zentrum steht die Beschrei-
bung einer subjektiv relevanten Situation, die über sechs Zugänge analysiert wird.
Dokumente: Die Situationen wurden in einem Satz oder einem Fließtext dargestellt.
Die über die Leifragen eingeleiteten Analysen der Situation wurden in Satzfragmen-
ten, Sätzen oder in kurzen Texten festgehalten.
Die Stichprobe umfasst zehn Studentinnen (100 % Frauen, Angaben zum Alter feh-
len) des Studiengangs ‘Eingangsstufe’ der Pädagogischen Hochschule Zürich, die als
Mentoratsgruppe ihre schulpraktische Ausbildung durchlaufen. In der Zeitspanne
der drei Studienjahre (2019-2021) wurden sie von einer Hochschullehrerin in der
Rolle als Mentorin begleitet.
4.3 Auswertung
Die Daten werden mittels unterschiedlicher Methoden der qualitativen Inhaltsana-
lyse untersucht (Kuckartz, 2018; Mayring, 2015; Schreier, 2014). Als Textkorpus die-
Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld 81
nen die auf dem Reflexionsbogen festgehaltenen Texte der Studierenden; die an-
schließenden Gespräche wurden nicht erfasst. Die Forschungsfragen 1 und 2 werden
anhand der Situationsbeschreibung untersucht, die Forschungsfragen 3 und 4 an-
hand der Analyse, über welche in sechs Zugängen die beschriebene Situation reflek-
tiert wird. Zur Klärung von Forschungsfrage 5 dienen die in den Forschungsfragen 2
und 3 erarbeiteten Quantifizierungen der identifizierten Sinneinheiten.
Tabelle 1: Kategoriensystem zu den Inhalten der Situationen und der Art und
Weise der Einflussnahme
Kategorie
Beschreibung
Ankerbeispiele
Berufliche Entwicklungsaufgaben (deduktive Kategorienbildung)
Rolle als Lehrperson
Aussagen, aus welchen hervor-
geht, dass sich die Lehrperson
mit der Berufsrolle und ihrer Ge-
staltung auseinandersetzt.
keine
Vermittlung
Auf die Vermittlung von Sach-
und Fachinhalten ausgerichtete
Situationen
keine
Klassenführung
Führung und Lenkung der Schü-
ler*innen, ausgerichtet auf ein-
zelne, auf eine Gruppe oder auf
die ganze Klasse
‘Steht während der Kreissequenz
auf’ (P5_2)
‘die in den Kreis springenden Jun-
gen zu bändigen’ (P7_2)
‘Klasse weigert sich mitzumachen’
(P3_2)
Kooperation in der In-
stitution
Aussagen mit Bezügen zur
Schule als Ganzes und zu am Un-
terricht beteiligten Personen
‘auch auf die Klassenassistenz hö-
ren sie nicht’ (P2_3)
Art und Weise der Einflussnahme (induktive Kategorienbildung)
Lehrperson in Interak-
tion involviert
Die Studentin (als Lehrperson) ist
als Involvierte Teil der Situation.
‘Ich habe die Klangschale ertönen
lassen, die Schüler*innen haben
weitergesprochen’ (P5_3)
‘Als ich die Kinder zu mir rief,
merkte ich … Ich beschloss … Er
wollte …’ (P8_3)
Lehrperson als Be-
trachtende
Die Studentin ist nicht in die Si-
tuation involviert, der Fokus ist
auf das Kind, die Kinder oder die
Klasse gerichtet.
‘Er ist frustriert, dass das Puzzle
kaputt ist’ (P3_3)
‘Der Junge steht auf, sodass die
andern nichts sehen’(P4_3)
80 Keller-Schneider
4.3.1 Situationsbeschreibungen
Zu Forschungsfrage 1 (Tab. 1): Die in den Situationen angesprochenen beruflichen
Anforderungen werden über deduktiv aus den beruflichen Entwicklungsaufgaben
(Hericks, 2006; Hericks et al., 2019) abgeleitete Kategorien analysiert (Kuckartz, 2018)
(Tab. 1 oben). Diese beruflichen Entwicklungsaufgaben beschreiben strukturbe-
dingte Anforderungen des Lehrberufs und fokussieren auf die Rolle als Lehrperson,
die Vermittlung von Sach- und Fachinhalten, die Führung von entwicklungsfähigen
und entwicklungsbedürftigen Adressaten (Klassenführung), sowie die mitgestal-
tende Kooperation im institutionellen Kontext. Letztere geht bei den Studierenden
aus den Kontexten der Schule und Hochschule hervor und erfordert somit eine
doppelte Anschlussfähigkeit.
In einem zweiten Zugang wird über eine induktive Kategorienentwicklung (Kuckartz,
2018) die Frage nach der eingenommenen Perspektive auf die Situation untersucht
(Tab. 1 unten), d. h. es wird geprüft, inwiefern sich die Studierenden als Lehrerinnen
in die Situation selbst involviert wahrnehmen oder diese als nicht in die Situation
Involvierte von außen betrachten.
Tabelle 2: Kategoriensystem zur Analyse der Art der Beschreibung (Qualität und
Art der Darstellung)
Qualität der Beschreibung (evaluative Kategorien)
Kategorie (Werte)
Beschreibung
Deutung (1)
Die Situation wird in einer
zusammenfassenden Deu-
tung dargestellt.
Beobachtung und
Deutung (2)
Die Situation wird in einer
zusammengefassten Abfolge
von Handlungen und Deu-
tungen dargestellt.
Beobachtung und
zusammengefasste
Handlungen (3)
Die Situation wird in Hand-
lungen und Zusammenfas-
sungen dargestellt.
Beobachtungen in
Abfolge (4)
Beobachtungen werden
weitgehend von Handlungen
und eigenen Gedanken ge-
trennt und in zeitlicher
Abfolge dargestellt.
Anmerkungen: Die für die evaluative Inhaltsanalyse verwendeten Kategorien sind mit dem entsprechenden
Wert in Klammer bezeichnet (von 1 bis 4)
Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld 81
Zu Forschungsfrage 2 (Tab. 2): Um die Differenziertheit der Beschreibungen zu er-
fassen, werden die Texte in Sinneinheiten gegliedert und über eine Auszählung
quantifiziert. Jede Aussage, die auch als eigenständige Aussage Sinnträger ist, wird
dabei als Sinneinheit bezeichnet (quantitative Inhaltsanalyse, Mayring, 2015). Die
Unterschiede der Anzahl Sinneinheiten zwischen den Zeitpunkten werden mit dem
non-parametrischen Verfahren des Wilcoxon-Tests für verbundene Stichproben
(Bortz & Schuster, 2010) nach ihrer Signifikanz untersucht.
Die Art und Weise der Beschreibung wird evaluativ über eine vierstufige Skala nach
der Qualität ihrer Beschreibung untersucht; dabei wird gewichtet, inwiefern sich die
Beschreibungen auf Beobachtungen oder Deutungen stützen und inwiefern eine
zeitliche Abfolge der beschriebenen Handlungen erkennbar ist (vgl. Kategoriensys-
tem in Tab. 2 oben, evaluative Inhaltsanalyse, Kuckartz, 2018).
Zu Forschungsfrage 2 (Tab. 2): Um die Differenziertheit der Beschreibungen zu er-
fassen, werden die Texte in Sinneinheiten gegliedert und über eine Auszählung
quantifiziert. Jede Aussage, die auch als eigenständige Aussage Sinnträger ist, wird
dabei als Sinneinheit bezeichnet (quantitative Inhaltsanalyse, Mayring, 2015). Die
Unterschiede der Anzahl Sinneinheiten zwischen den Zeitpunkten werden mit dem
non-parametrischen Verfahren des Wilcoxon-Tests für verbundene Stichproben
(Bortz & Schuster, 2010) nach ihrer Signifikanz untersucht.
Die Art und Weise der Beschreibung wird evaluativ über eine vierstufige Skala nach
der Qualität ihrer Beschreibung untersucht; dabei wird gewichtet, inwiefern sich die
Beschreibungen auf Beobachtungen oder Deutungen stützen und inwiefern eine
zeitliche Abfolge der beschriebenen Handlungen erkennbar ist (vgl. Kategoriensys-
tem in Tab. 2 oben, evaluative Inhaltsanalyse, Kuckartz, 2018).
4.3.2 Analyse der beschriebenen Situation
Zu Forschungsfrage 3: Die in den sechs Feldern verschriftlichen Aussagen zur Ana-
lyse der Situation werden nach Sinneinheiten gegliedert. Als Sinneinheit gilt jede
Aussage, die auch isoliert vom Kontext sinntragend ist. Die je Feld ausgezählten
Sinneinheiten werden zu einem Summenwert je Person und Zeitpunkt verrechnet
(quantitative Inhaltsanalyse, Mayring, 2015).
Zu Forschungsfrage 4: Das Verständnis der Analysezugänge wird mittels Paraphra-
sierungen erfasst und nach unterschiedlichen inhaltlichen Komponenten des zur
Sprache gebrachten Verständnisses gebündelt. Da sich die Analysezugänge nur teil-
weise zu den Situationen und zum Verständnis der Studierenden passen und die in
den Feldern zur Sprache gebrachten Aspekte sich als wenig trennscharf erweisen,
werden die in den Feldern dargelegten Ausführungen aufgrund ihrer Paraphrasie-
rung gruppiert und beschreibend dargelegt.
80 Keller-Schneider
4.3.3 Zusammenhänge zwischen den Sinneinheiten der Beschreibung und
ihrer Analyse
Zu Forschungsfrage 5: Zur Klärung des Zusammenhangs zwischen der Anzahl Sinn-
einheiten der Situationsbeschreibung und der Anzahl Sinneinheiten der Analyse
werden Korrelationen mittels des Spearman Rangkoeffizienten (Bortz & Schuster,
2010) berechnet.
5 Ergebnisse
Die Ergebnisse werden entlang der Forschungsfragen gegliedert nach den drei Be-
reichen ‘Situationsbeschreibung’ (Kap. 5.1 zu den Fragen 1 und 2), ‘Analyse’ (Kap. 5.2
zu den Fragen 3 und 4) und ‘Zusammenhänge’ (Kap. 5.3 zur Frage 5) dargestellt.
5.1 Ergebnisse zu den Analysen der beschriebenen Situationen
Inhalt der Anforderungen in den geschilderten Situationen: Zu allen drei Erhebungs-
zeitpunkten bringen die Studierenden Situationen mit Anforderungen der Klassen-
führung zur Sprache, in welchen das Verhalten der Schüler*innen eine Reaktion von
ihnen als Lehrperson erfordert. In wenigen Situationen werden auch Anforderungen
der indirekten Klassenführung thematisiert, mit von den Schülerinnen und Schülern
nicht befolgten Ritualen. Die Entwicklungsaufgabe der Führung von Adressaten im
Kontext von Unterricht und Schule (Klassenführung) wird als zentrale Anforderung
wahrgenommen. Damit wird deutlich, dass im Rahmen der Praktika die Situationen
von Bedeutung sind, in welchen sich die jeweilige Studentin als angehende
Lehrperson behaupten muss und sich in ihrer Führungskompetenz erleben will. In
zwei Situationen wird zusätzlich die Kooperation mit einer zweiten Lehrperson
angesprochen.
Am Ende des ersten und des zweiten Studienjahres fokussieren fünf von sieben (t1)
bzw. sechs von zehn (t2) Studierenden auf Situationen mit einzelnen Schülern (keine
Schülerinnen), die durch ihr von den Erwartungen abweichendes und damit stören-
des Verhalten die Aufmerksamkeit der Lehrerin binden. In den anderen Situationen
steht die Klasse als Ganzes im Zentrum. Aus den Schilderungen geht hervor, dass
sich die Lehrperson dem Schüler bzw. der Klasse ausgeliefert oder/und zum Handeln
gezwungen sieht, um die Kontrolle über die Situation zu erhalten oder wieder zu
erlangen.
‘Eine Halbklasse zeigte wenig Motivation und steckte motivierte
Kinder an, die andere Halbklasse war motiviert und steckte unmo-
tivierte Kinder an’ (P3_1)
‘Ein Junge rennt auf die Straße. Ich renne ihm hinterher (es hat
Autos), muss ihn packen, zurückholen’ (P2_2)
‘Konnte Kreissequenz kaum durchführen’ (P7_2)
Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld 81
Bei einer Studentin richtet sich die Aufmerksamkeit auf eine Gruppe von Kindern.
’Eine Gruppe von Knaben stört die Kreissequenz’ P7_2)
Drei Studentinnen fokussieren auf die Klasse.
‘Aufstrecken in der Kreissequenz’ (P11_2)
‘Gong-Signal wurde nicht befolgt‘ (P12_2)
‘Klasse weigert sich mitzumachen’ (P3_2)
Eine Studentin schildert ein Zusammenwirken von Anforderungen der Klassenfüh-
rung und der Rollenfindung (P4_2); sie beschreibt sich, ein Kind und die Klasse als in
der Situation interagierend, wobei sie die Bedeutung des eigenen Verhaltens er-
kennt, nach welchem sie sich zu stark auf ein Kind konzentriert und dabei den Über-
blick über das Geschehen insgesamt verloren habe.
Am Ende des dritten Studienjahres (t3) thematisieren fünf von zehn Studierenden
Situationen mit einzelnen Schüler*innen, wobei sich bei vier Studierenden die Auf-
merksamkeit nicht nur auf die einzelnen Kinder, sondern gleichzeitig auch auf die
Klasse, auf ein weiteres Kind oder auf weitere anwesende Personen richtet. Zwei
Studentinnen beschreiben Interaktionen mit Gruppen von Kindern, drei mit der
Klasse als Ganzes. In einer Situation wird zudem die Zusammenarbeit mit einer Klas-
senassistenz dargelegt (Entwicklungsaufgabe der Kooperation in der Institution), die
sich um eine Gruppe von Kindern kümmert. Die Situation und das Handeln der Klas-
senassistenz führte die Studentin in ein Dilemma; den Ausführungen der Analyse
zufolge fragte sie sich, ob sie eingreifen soll, um die Situation zu beenden (was sie
nicht tat) oder dies nicht zu tun, um die Autorität der Klassenassistenz nicht zu ge-
fährden (P2_3, s. u.). Am Ende des Studiums (t3) werden in acht von zehn Fällen
komplexe Situationen dargestellt, die sich in mehrere Handlungsfolgen gliedern und
teilweise (bei sechs von zehn) mehrere Akteursgruppen einbeziehen. Bei zwei Stu-
dentinnen zeigen sich auch am Ende des Studiums wenig komplexe, zusammenge-
fasst dargestellte Situationen:
‘Ich habe die Klangschale ertönen lassen und die Schüler*innen
haben weitergesprochen’ (P5_3)
‘Ein Schüler schimpft sehr oft mit anderen’ (P6_3)
Perspektive der Schilderung: Am Ende des ersten Studienjahres (t1) schildern die
Studierenden die Situationen mehrheitlich aus der Beobachtungsperspektive (sechs
von sieben), d. h. sie betrachten die aus der Situation sich ergebende Anforderung
der Klassenführung als vom Kind verursacht und beziehen sich nicht in die Situation
ein. Sie stellen sich als nicht involviert und damit nicht als Störungen beeinflussende
oder auslösende Akteurin dar. Eine Studentin schildert sich als in die Situation invol-
viert, wobei sie sich als reaktiv in der Interaktion darstellt.
‘Ein Junge wollte im Kreis nicht mitmachen. Er weigerte sich,
aufzustehen und mitzumachen. Ich wollte ihn nehmen und neben mich
80 Keller-Schneider
setzen. Er wollte nicht und hielt sich mit aller Kraft an der Bank
fest’ (P8_1)
Am Ende des zweiten (t2) und insbesondere des dritten Studienjahres (t3) nehmen
sich rund die Hälfte der Studierenden als in die Situationen involviert wahr und teil-
weise auch als Störungen (mit)auslösend. Am Ende des dritten Studienjahres, d. h.
nach dem Lernvikariat, werden die Situationen tendenziell vielfältiger beschrieben,
teilweise sind mehrere Akteurinnen und Akteure beteiligt.
‘Drei Kinder in der Verkleiderli-Ecke räumen nicht auf, … Auch auf
die Klassenassistenz hören sie nicht, den hingestellten Wecker
verstellen sie, … sie streiten, bis jemand weint. Die Klassenas-
sistenz bleibt bei ihnen, bis aufgeräumt ist.… In der Pause draußen
hole ich dann die Kinder zu mir und frage, was los war. Ich erkläre
ihnen, was ich nicht gut fand und frage, was wir tun können, damit
dies nicht mehr geschieht’ (P2_3)
Anzahl der Sinneinheiten: Die durchschnittliche Anzahl der Sinneinheiten als Maß
der Dichte der Beschreibungen (Tab. 3, linke Seite) nimmt im Verlauf des Studiums
zu, wobei die durchschnittliche Anzahl vom ersten zum zweiten Zeitpunkt eher stabil
bleibt, vom zweiten zum dritten sich mehr als verdoppelt, bei sehr breiten Streuun-
gen. Ein signifikanter Anstieg zeigt sich vom zweiten zum dritten Zeitpunkt
(Wilcoxon Test: z = -2.136; p = .033, n = 10). Die Spannweite zwischen Minimal- und
Maximalwert spiegelt über die gesamte Zeitspanne eine breite Heterogenität wider,
die insbesondere am Ende des Studiums zunimmt. Die Minimalwerte bleiben stabil,
die Maximalwerte nehmen zu, insbesondere vom zweiten zum dritten Zeitpunkt. Die
Studierenden scheinen sich somit bezüglich der Dichte ihrer Situationsbeschreibun-
gen unterschiedlich zu entwickeln.
Tabelle 3: Situationsbeschreibungen: Anzahl Sinneinheiten und Qualität der Be-
schreibung
Zeitpunkt
Anzahl Sinneinheiten
Qualität der Beschreibung
M
SD
Min
Max
M
SD
Min
Max
t1
4.14
1.95
2
8
1.86
0.69
1
3
t2
4.30
1.83
1
7
2.4
0.97
1
4
t3
9.90
7.19
2
22
3.2
0.95
1
4
Anmerkungen: M = Mittelwert, SD = Standardabweichung, Streuung
Qualität der Beschreibung (Tab. 3, rechte Seite): Werden die Situationsbeschreibun-
gen zusätzlich nach der Qualität ihrer Darstellung analysiert (Tab. 1; evaluative In-
haltsanalyse), so steigt die Qualität der Beschreibungen an, d. h. die Situationen wer-
den weniger in zusammenfassenden Deutungen, sondern zunehmend in
Handlungsabfolgen dargestellt (sieben von zehn Studierende). Der Mittelwert steigt
Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld 81
an. Vom ersten zum zweiten und vom zweiten zum dritten Zeitpunkt sind die Un-
terschiede nicht signifikant; vom ersten zum dritten Zeitpunkt erweist sich der An-
stieg als signifikant (Wilcoxon-Test: z = -2.232, p = .026, n = 10). Der Minimalwert
bleibt konstant, der Maximalwerte steigt an; die Heterogenität der Studierenden
nimmt auch hier zu.
5.2 Ergebnisse zur Analyse der Situationen
Die Anzahl Sinneinheiten, erfasst über die sechs Analysezugänge, steigt im Verlauf
des Studiums an, insbesondere vom zweiten zum dritten Zeitpunkt (Tab. 4). Wird
die Summe der Sinneinheiten der Analysefelder insgesamt betrachtet, so zeigt sich
vom Zeitpunkt 1 zum Zeitpunkt 2 ein leichter Anstieg, vom zweiten zum dritten
Zeitpunkt ein deutlicher (Wilcoxon-Test: z = -2.80, p = .005, n = 10). Die breiten und
über die Zeit breiter werdenden Streuungen verweisen auf eine zunehmende Hete-
rogenität, auch wenn ein Anstieg der Sinneinheiten in den Analysen aller Studieren-
den erkennbar ist. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass die Analysefähigkeit
und/oder Analysebereitschaft im Laufe des Studiums ansteigt.
Tabelle 4: Mittelwerte und Streuungen der Anzahl Sinneinheiten je Analysezugang
sowie des Summenwertes insgesamt
Zeitpunkt
Ü
ZM
SR
PPs
FW
FD
Sum
M/SD
M/SD
M/SD
M/SD
M/SD
M/SD
M/SD
Min
Max
t1
4.00/1.63
3.00/0.82
3.29/1.80
2.29/1.89
2.00/2.16
1.29/1.38
15.86/ 6.15
8
25
t2
5.00/3.20
2.90/1.29
4.60/2.72
1.60/1.96
2.10/1.29
2.80/0.79
19.00/ 6.70
9
30
t3
9.10/8.50
6.60/2.95
10.20/3.33
8.20/6.20
4.60/3.34
7.60/6.92
46.30/20.69
21
84
Anmerkungen: Ü = Überzeugungen, ZM = Ziele und Motive, SR = Selbstregulation, PPs = pädagogisch-
psychologisches Wissen, FW = Fachwissen, FD = fachdidaktisches Wissen; Sum = Summe
aus den sechs Analysefeldern (Teilbereiche der Analyse); M = Mittelwert, SD = Standardab-
weichung, Min = Minimalwert, Max = Maximalwert
Inhalte der Aussagen: Werden die Analysefelder nach ihren inhaltlichen Ausführun-
gen betrachtet, so wird deutlich, dass im Feld der Überzeugungen mehrheitlich sub-
jektive Sichtweisen ausgeführt werden.
‘Es braucht Struktur und klare Regeln’ (P6_1)
‘Störungen halten den ganzen Unterricht auf’ (P8_2)
‘Ich bin überzeugt, dass der Junge seine Frustration auch anders
ausdrücken kann’ (P3_3)
Unter dem Zugang Ziele und Motive, eingeleitet durch Fragen wie ‘Was möchten
Sie erreichen?’, werden mehrheitlich Gedanken dargelegt, die dynamische Aspekte
zum Ausdruck bringen und mehrheitlich Absichten und Gründe umfassen.
80 Keller-Schneider
‘Eine gute Beziehung zu den Kindern aufbauen’ (P7_1)
‘Die Verkleidungsecke muss gut aufgeräumt sein, damit andere Kin-
der wieder damit spielen können’ (P2_3)
‘Ich möchte, dass der Junge lernt …’ (P3_3)
Im Feld der Selbstregulation, eingeleitet durch Fragen wie ‘Was möchten Sie tun?’,
werden mehrheitlich weiterführende Handlungen und Folgerungen beschrieben.
Diese richten sich auf ein spezifisches Kind, auf die Klasse als Ganzes und/oder auf
sich selbst als Lehrerin. Teilweise wird auch deutlich, dass die Studierenden die spe-
zifische Situation des Praktikums in ihre Überlegungen einbeziehen und darauf be-
zogen weiterführende Handlungen abwägen.
‘Beziehung zum Kind aufbauen’ (P7_1)
‘Auf Veränderung des Verhaltens konsequent hinarbeiten’ (P6_2)
‘Mehr auf meine Aufmerksamkeit achten’ (P4_2)
‘Wäre ich noch länger in diesem Kindergarten tätig, dann würde ich
…’ (P7_3)
In den Feldern der Wissenszugänge werden uneinheitliche Verständnisse der je spe-
zifischen Wissensbereiche deutlich. Da in den Situationen keine fachspezifischen,
sondern durchwegs auf Führung bezogene Anforderungen beschrieben wurden, er-
wiesen sich die Zugänge Fachwissen und fachdidaktisches Wissen als unpassend.
Dennoch blieben diese Felder nur in wenigen Analysen leer. In den meisten wurde
auf andere Wissensbereiche Bezug genommen. Unter Fachwissen wurde
methodisch-didaktisches Wissen als Lehrperson, Wissen über ein Kind oder allge-
meine, alltagspsychologisch anmutende Deutungen der Situation ausgeführt.
‘Es gibt verschiedene Arten, Streite zu schlichtenStreitseil
Friedensbrücke …’ (P8_3)
‘Die Ursachen des Verhaltens sind nicht abgeklärt worden’ (P4_2)
‘Ich denke, dass sich die Situation durch verschiede Faktoren auf-
gespielt hat’ (P10_3)
Im Feld zum pädagogisch-psychologischen Wissen wurden mehrheitlich subjektive
Theorien und Deutungen der Situation dargelegt. Zum ersten Zeitpunkt blieb dieses
Feld bei drei von sieben Studierenden leer, zum zweiten bei fünf von zehn.
‘Die Lehrperson ist im Moment überfordert’ (P4_1)
‘Das Kind ist oft wütend’ (P2_2)
‘Kinder brauchen klare Regeln’ (P11_3)
Insgesamt geht aus den Schilderungen hervor, dass die Studierenden nicht auf das
im Rahmen des Studiums vermittelte Wissen rekurrieren, sondern das in Praxisse-
quenzen erfahrene und gehörte ausführen. Eine Verbindung von Theorie und Praxis
lässt sich in den Analysen nicht erkennen, trotz der explizit angeregten Bezüge auf
fachdidaktisches und pädagogisch-psychologisches Wissen und der im Kontext der
PH und nicht im Schulfeld durchgeführten Reflexionsanlässe.
Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld 81
5.3 Zusammenhang zwischen Situationsbeschreibung und -analyse
Gestützt auf die Frage, inwiefern die Differenziertheit der Beschreibung einer
Situation eine Grundlage für deren Analyse darstellt, wird im letzten Schritt der
Zusammenhang zwischen der Anzahl der Sinneinheiten der Situationsbeschreibung
und der Situationsanalysen mittels Korrelationsanalysen untersucht (vgl. Tab. 5).
Tabelle 5: Quantifizierte Ergebnisse zu den Situationsbeschreibungen und den
Situationsanalysen
Zeitpunkt
Anzahl Sinneinheiten
je Situation
Summe der Anzahl Sinneinheiten
je Analysezugang
Korrelation
M/SD
M/SD
r
t1
4.14/1.95
15.86/6.15
.34
t2
4.39/1.83
19.00/6.70
.36
t3
9.90/7.19
46.30/20.69
.37
Anmerkungen: M = Mittelwert, SD = Streuung, r = Korrelationskoeffizient (Spearman Rangkorrelation)
Die Ergebnisse zeigen, dass ein eher schwacher und nicht signifikanter, aber über
die drei Zeitpunkte hinweg relativ stabiler Zusammenhang besteht. Ein markanter
Anstieg von Sinneinheiten in der Situationsbeschreibung und in der Situationsana-
lyse besteht insbesondere vom zweiten zum dritten Zeitpunkt. Die breiten Streuun-
gen verweisen auf interindividuelle Unterschiede.
6 Diskussion
Die Ergebnisse werden entlang der Fragestellungen diskutiert:
1) Aus den von den Studierenden beschriebenen Situationen geht hervor, dass in
den Praxissequenzen während der gesamten Ausbildung Anforderungen der Klas-
senführung von höchster Priorität sind. In wenigen Schilderungen werden am Ende
des Studiums, d. h. kurz vor Eintritt in die eigenverantwortliche Berufstätigkeit, zu-
sätzlich auch Aspekte der Zusammenarbeit mit Kolleg*innen und die Bedeutung
weiterer Personen angesprochen. Themen der Vermittlung von Sach- und Fachin-
halten und des Lernens der Schüler*innen, die in den Lehrveranstaltungen an der
Pädagogischen Hochschule ins Zentrum gestellt werden, kommen in den von den
Studierenden als relevant erlebten Situationen im Schulfeld nicht zur Sprache. Es
zeigt sich, dass es den Studierenden in Praxissequenzen in erster Linie um Führungs-
aufgaben und um ihr Bestehen vor der Klasse geht, und dass Problemsituationen, in
welchen ihre Führungskompetenz in Frage gestellt wird, ihre Aufmerksamkeit in Be-
schlag nehmen. In diesen Befunden wird eine Parallele zu jenen mit deutschen Stu-
dierenden sichtbar, welchen es im Praktikum vorwiegend um den Schutz und die
80 Keller-Schneider
Stärkung ihres Selbstbildes gehe (Meyer & Kiel, 2013). Werden in Reflexionssemina-
ren, wie in dieser Studie, Situationen hervorgerufen, die von subjektiver Relevanz
sind, so verweisen diese auf das Selbstkonzept bedrohende Erfahrungen. Diese ma-
nifestieren sich insbesondere in den Situationen, in welchen die Kinder nicht das tun,
was die Lehrperson erwartet oder einfordert. Anforderungen der Klassenführung, in
denen die Kontingenz beruflichen Handelns (Combe et al., 2018) als Abhängigkeit
von den Schüler*innen wahrgenommen wird, sind für Studierende und ihr Selbst-
verständnis, eine Klasse führen zu können, von hoher Bedeutung.
Werden diese Befunde mit Ergebnissen einer quantitativen Studie zur Wahrneh-
mung beruflicher Anforderungen von Studierenden in Praxissituationen in Bezug
gesetzt, so wird ein gewisser Widerspruch deutlich. In der Befragung von schweize-
rischen Studierenden, welche an derselben Institution ebenfalls eine einphasige
Ausbildung zur Lehrperson durchlaufen, spiegelt sich in Anforderungen der Klas-
senführung eine hohe Relevanz dieser Anforderung, zugleich aber auch ein hohes
Kompetenzerleben (Keller-Schneider, 2016). Gelingt die als hoch relevant erlebte
und mehrheitlich kompetent gemeisterte Anforderung der Klassenführung in
spezifischen Situationen nicht, wie sich in den beschriebenen Situationen der hier
berichteten qualitativen Studie zeigt, bleiben als das Selbstkonzept verunsichernd
haften. Sie werden in Reflexionsanlässen, in welchen subjektiv relevante Situationen
dargelegt werden, zur Sprache gebracht, auch wenn sie die Erfahrungen in der
Praxisphase insgesamt vermutlich nicht repräsentieren.
In dieser Triangulation von Ergebnissen wird deutlich, dass qualitative und quanti-
tative Zugänge, bedingt durch ihre je spezifischen Fokussierungen auf generelle
bzw. spezifische Erfahrungen, unterschiedliche Befunde hervorbringen können, die
zueinander in Bezug gesetzt werden müssen, um dem Erleben von Studierenden
näher zu kommen. Um einen tieferen Einblick in relevante Erfahrungen von Studie-
renden in Praxissequenzen zu gewinnen und um die Palette von Aufmerksamkeit
bindenden Erfahrungen zu kennen, ist eine breitere Abfrage von Erfahrungen erfor-
derlich.
2) Im Anstieg der Sinneinheiten, mit welchen die subjektiv relevanten Situationen im
Schulfeld beschrieben werden, wird deutlich, dass die Studierenden zunehmend Fä-
higkeiten entwickeln, Situationen facettenreicher zu beschreiben, ihre Erfahrungen
differenzierter darzulegen und dabei über zusammenfassende, eher pauschale Deu-
tungen hinauszukommen. Es gelingt den Studierenden zunehmend, Situationen in
ihren Handlungsabfolgen und in ihrer sequenziellen Ordnung darzulegen. Inwiefern
sich darin Professionalisierung spiegelt, bleibt offen. Wenn jedoch davon ausgegan-
gen wird, dass eine facettenreiche Beschreibung für eine differenzierte Reflexion von
Bedeutung ist (Rosenberger, 2017) und Reflexionsfähigkeit sowie die Bereitschaft
dazu Voraussetzungen für Professionalisierungsprozesse darstellen (Trempler &
Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld 81
Hartmann, 2020), so stellt der Anstieg an Differenziertheit von Situationsdarstellun-
gen eine günstige Voraussetzung für Professionalisierungsprozesse dar.
In den Ergebnissen zeigen sich jedoch große interindividuelle Differenzen. Diese
verweisen auf unterschiedliche Bereitschaften und Fähigkeiten, sich auf differenzier-
tere Beobachtungen einzulassen und sich als Teil von Situationen wahrzunehmen.
Reflexionsanlässe und der Einsatz von die Reflexionsbreite erweiternden Instrumen-
ten kann zu zunehmend differenzierter dargelegten Beschreibungen und Analysen
führen. Dass entsprechende Fähigkeiten und Bereitschaften erforderlich sind, kann
aufgrund der zunehmenden Streuung der Werte angenommen werden.
3) In den Analysen der Situationen entfaltet sich eine zunehmende Vielfalt der Ge-
dankengänge. Die Studierenden entwickeln zunehmend die Fähigkeit, bei der Situ-
ationsanalyse unterschiedliche Komponenten zu berücksichtigen und ihre Gedan-
ken auszudifferenzieren. Inwiefern mit diesem Reflexionsinstrument, welches
mehrere Analysezugänge anbietet, eine Breite an Gedanken ermöglicht werden
kann, die über eine offene Reflexion hinausgeht, bleibt offen.
4) In den auf Wissen ausgerichteten Analysezugängen wird deutlich, dass die Stu-
dierenden nicht auf in den Lehrveranstaltungen erworbenes Wissen zurückgreifen,
trotz der expliziten Hinweise durch Impulsfragen. Wissenschaftliches Wissen und
Praxiswissen erscheinen als je getrennt wahrgenommene Bereiche in Parallelwelten
unverbunden nebeneinander zu stehen, so dass Transferleistungen diesen Studie-
renden nur schwer möglich sind. Eine aus der Situation heraus erforderliche induk-
tive Nutzung von objektiven Wissensbeständen, die in erfahrungsbezogenen
(Keller-Schneider, 2018) oder kasuistischen Seminaren gefördert werden kann
(Wittek, Rabe & Ritter, 2021), ist den Studierenden nicht geläufig. Darin zeigen sich
Parallelen zu den Befunden von Artmann (2019), nach welchen die Sichtweisen der
Studierenden bezüglich der Erfordernisse wissenschaftlicher Theorien zur Reflexion
von Situationen nicht mit jenen der Lehrenden übereinstimmen.
Den Studierenden dieser Studie gelingt es bis zum Ende des Studiums nicht, von
schulfeldbasierten Situationen eine Brücke zu professionsspezifischen Wissensbe-
ständen zu schlagen und Theoriewissen für die Analyse von Praxissituationen zu
nutzen. Inwiefern es ihnen tatsächlich nicht gelingt oder ob sie dies nicht als Anfor-
derung erkennen, müsste durch eine kommunikative Validierung der Ergebnisse ge-
klärt werden.
5) Aus den eher schwachen und gleichbleibenden Korrelationen zwischen der Dichte
der Situationsbeschreibungen und ihren Analysen geht kein eindeutiger Zusam-
menhang hervor. Bei den Studierenden, denen es zunehmend gelingt, die Situatio-
nen in differenzierten Handlungsabfolgen zu beschreiben, zeichnet sich ein Anstieg
der Sinneinheiten in der Situationsanalyse ab. Eine Förderung der Fähigkeit, Situati-
80 Keller-Schneider
onen zu beschreiben, kann die Analysefähigkeit stärken, den Zuwachs an Reflexi-
onskompetenz jedoch nicht sicherstellen.
Limitationen: Bedingt durch die Stichprobe, die überwiegend angehende Lehrper-
sonen der Eingangsstufe umfasst, in welcher die Vermittlung von Fachinhalten we-
niger im Vordergrund steht als die Einsozialisation der Kinder in Unterrichtsabläufe
und die Förderung ihrer Aufgabenbereitschaft, kann ein schulstufenbedingter Bias
in den von den Studierenden gewählten Situationen nicht ausgeschlossen werden.
Auch wenn die angehenden Lehrpersonen des Kindergartens in den spezifischen
Fachdidaktiken unterrichtet werden und der Lehrplan des Kindergartens auch fach-
spezifische Kompetenzen ausweist, wird der fachlichen und fachdidaktischen Per-
spektive auf Unterricht im Kindergarten traditionsgemäß weniger Gewicht beige-
messen (Bachmann et al., 2021). Eine Replikation der Studie in einer größeren
Stichprobe würde zur Validität der Ergebnisse und ihrer Generalisierbarkeit beitra-
gen. Ob auch in Reflexionsanlässen von angehenden Primarlehrpersonen Anforde-
rungen der Klassenführung im Vordergrund stehen und inwiefern auch in fachlichen
Kontexten stehende Vermittlungsanforderungen dargelegt werden, wird in der Fort-
setzung der Studie geprüft. Die Analysen stützen sich zudem auf kurze Texte, die
einzelne Sätze oder Satzfragmente umfassen, jedoch wenig argumentierend ge-
schrieben wurden. Inwiefern sich in ausführlicheren Analysen erweiterte Befunde er-
geben, wird in einer Folgeerhebung ebenfalls untersucht.
Folgerungen für die Lehrpersonenbildung: Für die Lehrpersonenbildung ist insbe-
sondere das Ergebnis der zunehmenden Differenzierung der Situationsbeschreibun-
gen und der zunehmenden Dichte der Analysen von Bedeutung. Es zeigt sich, dass
diese Fähigkeiten bei den meisten Studierenden gefördert werden können, auch
wenn große interindividuelle Differenzen bestehen. Inwiefern spezifische Lehrveran-
staltungen, Praxissequenzen oder die eigenaktive Reflexion von gewonnenen Erfah-
rungen zur Differenzierung beitragen, bleibt offen. Auffällig ist der Anstieg zwischen
dem zweiten und dritten Zeitpunkt. Inwiefern die wiederholte Nutzung des Reflexi-
onsinstruments, die über das gesamte Studium hinweg eingeforderte Reflexion oder
die stärkere Einbindung in die Rolle als Lehrperson im Rahmen des Lernvikariats zur
ansteigenden Differenzierung der Situationsbeschreibungen und -analysen und da-
mit zu einer differenzierteren Reflexionskompetenz beiträgt, kann aufgrund zahlrei-
cher kontextueller und individueller Faktoren nicht eindeutig festgestellt werden.
Deutlich wird, dass die Studierenden das in Lehrveranstaltungen erworbene Wissen
nicht oder lediglich in impliziter Weise in die Analyse von Erfahrungen einbeziehen.
‘Theorie’ und ‘Praxis’ erweisen sich in den Sichtweisen dieser Studierenden als un-
verbundene ‘Welten’; eine gegenseitige Nutzung von Wissensbeständen oder eine
Verbindung zeichnet sich nicht ab. Eine Förderung von Vernetzungen zwischen
‘Theorie’ als generellem Wissen und ‘Praxis’ als situationsgebundenem Wissen, was
Reflexion von Erfahrungen im Schulfeld 81
in der Lehrpersonenbildung angestrebt wird (Keller-Schneider, 2018; Schneider &
Cramer, 2020), kann mittels des Reflexionsinstruments nicht erreicht werden, eine
Ausdifferenzierung von Gedankengängen und die Entwicklung von Reflexionskom-
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Autorin
Prof. Dr. Manuela Keller-Schneider, Pädagogische Hochschule Zürich
Korrespondenz an: m.keller-schneider@phzh.ch
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Zusammenfassung Dem entwicklungspsychologisch begründeten Konzept von Entwicklungsaufgaben folgend stellen berufliche Entwicklungsaufgaben zwingend zu lösende, gesellschaftlich gestellte Anforderungen dar, die mittels individueller Ressourcen wahrgenommen und bearbeitet werden. Als aus dem Feld Schule hervorgehende berufsspezifische Entwicklungsaufgaben ziehen sie sich in Entwicklungslinien durch die Berufsbiografie von Lehrpersonen hindurch. Zu lösende Entwicklungsaufgaben bauen auf bereits gelösten Entwicklungsaufgaben auf; gelöste Entwicklungsaufgaben stellen Anforderungen in einen veränderten Referenzrahmen, aus welchem nachfolgende Entwicklungsaufgaben hervorgehen. Ausgehend von den empirisch ermittelten berufseinstiegsspezifischen Entwicklungsaufgaben und der entwicklungspsychologischen Konzeption von Entwicklungsaufgaben werden in diesem Beitrag berufsphasenspezifische Konkretisierungen der Entwicklungsaufgaben von angehenden, berufseinsteigenden und erfahrenen Lehrpersonen beleuchtet und für die berufspraktische Ausbildung genutzt. Schlagwörter: Entwicklungsaufgaben von Lehrpersonen, Entwicklungspsychologie, transaktionale Stresstheorie, Berufseinstieg, angehende Lehrpersonen, erfahrene Lehrpersonen
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Fachlichkeit ist ein zentrales Moment pädagogischer Professionalität. Doch wie gestaltet sich das (Fach-)Studium für Lehrer*innen der Schuleingangsstufe, die als Generalist*innen später (fast) alles unterrichten? Wie konturiert sich Fachlichkeit, wenn der Unterricht wesentlich an die Lebens- und Erfahrungswelt der Schüler*innen anknüpft und eine Perspektivendifferenzierung im Sinne grundlegender fachlicher Bildung erst anstrebt? Im vorliegenden Band werden Konturen eines Studiums für Generalistinnen und Generalisten entwickelt, die systematisch zwischen einer disziplinären akademischen Studienstruktur und den generalistischen beruflichen Anforderungen aus der Perspektive der Studienfächer und möglicher verbindender Konzeptionen vermitteln. (DIPF/Orig.)
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Das „Handbuch Lehrerinnen- und Lehrerbildung“ bietet aus fachlicher, fachdidaktischer, bildungswissenschaftlicher und schulpraktischer Perspektive einen umfassenden forschungsbasierten Überblick zu allen Bereichen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Das von 174 Autorinnen und Autoren erarbeitete Orientierungswissen wird in 107 Beiträgen präsentiert. Ausgehend von den Aufgaben im Lehrerinnen- und Lehrerberuf werden die Geschichte und Entwicklung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung sowie ihre Strukturen, Phasen und Kontexte dargestellt und Qualifikationswege aufgezeigt. Die fachlichen und fachdidaktischen, bildungswissenschaftlichen und schulpraktischen Komponenten der Lehrerinnen- und Lehrerbildung werden beschrieben, der Forschungsstand zur Entwicklung von Lehramtsstudierenden sowie Referendarinnen und Referendaren dargelegt und das bislang begrenzte Wissen zu den Lehrerinnen- und Lehrerbildenden und Entscheidungstragenden erfasst. Das Handbuch richtet sich an Forschende und Lehrende im Bereich der Lehrerinnen- und Lehrerbildung an Hochschulen, Studienseminaren und Ausbildungsschulen sowie der Fort- und Weiterbildung, an Lehramtsstudierende, Referendarinnen und Referendare, Lehrerinnen und Lehrer und die Bildungsadministration.
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Im Beitrag wird das Konzept der Relationierung von Theorie und Praxis ausgehend vom strukturtheoretischen Professionsansatz diskutiert. Dabei wird das Konzept mit der Hybridität zweier Praxen verbunden und dessen Konsequenzen für die Lehrer*innenbildung werden nachgezeichnet. Im Sinne der Einlassung und Distanz auf beide Praxen eröffnet das Konzept eine konstruktive Perspektive auf den Umgang mit Wissenschaftspraxis und Schulpraxis im Rahmen der Qualifikation von Lehrpersonen – besonders in schulpraktischen Phasen.
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Dieser Beitrag entfaltet das Thema »Lehrerprofessionalität« in drei Schritten aus einer berufsbiografischen Perspektive. Dem Berufseinstieg kommt im Rahmen des »kontinuierlichen Weiterlernens im Beruf« (Terhart, 2000) eine besondere Rolle zu, weil berufsspezifische Anforderungen in dieser Phase zum ersten Mal in ihrer vielfältigen Dynamik und Komplexität biografisch wirksam werden (Keller-Schneider, 2009, S. 145). Die Struktur institutionellen pädagogischen Handelns zeigt sich im Berufseinstieg daher in verdichteter Form, was diese Phase für empirische Forschungen zum Lehrerberuf besonders ergiebig und aufschlussreich macht (Keller-Schneider & Hericks, 2014). Nach einer Klärung einschlägiger Begriff e wird im zweiten Abschnitt des Beitrags ein Modell phasenspezifischer Entwicklungsaufgaben des Berufseinstiegs von Lehrpersonen vorgestellt. Die Entwicklungsaufgaben werden anschließend zu Entwicklungsfeldern verallgemeinert, die über die gesamte Berufsbiografie bedeutsam bleiben. Es sind dies die Felder Person, Sache, Schülerinnen/Schüler und Institution (Hericks, 2006, S. 63). In theoretischer Hinsicht verweisen sie auf erziehungswissenschaftliche Diskurse und Theoriebezüge zur begrifflichen Erschließung und empirischen Untersuchung der genannten Aspekte. Im dritten Abschnitt explizieren wir einschlägige Theoriebezüge zur Beschreibung der institutionellen pädagogischen Handlungsstruktur. Unsere Ausführungen münden in einen Vorschlag, Bildung als zentralen Bezugspunkt des beruflichen Handelns von Lehrpersonen auszulegen. Unsere These lautet, dass Lehrpersonen sich in dem Maße professionalisieren, wie sie sich in ihrem Handeln an Bildungsprozessen der Schülerinnen und Schüler orientieren. Die Grundzüge einer solchen pädagogischen Professionstheorie werden im vierten Abschnitt dargelegt.
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Wie wissenschaftliches Wissen und schulpraktisches Können mit Blick auf (späteres) professionelles Lehrer*innenhandeln besser miteinander verschränkt werden können, ist eine zentrale Frage der Lehrer*innenbildung, die im Zuge der Modularisierung der Lehramtsstudiengänge und der Einführung universitär begleiteter Praxisphasen aktuell verstärkt diskutiert wird. Im vorliegenden Beitrag rekonstruiere ich auf der Basis problemzentrierter Interviews die Perspektive von Hochschullehrenden auf das sog. Theorie-Praxis-Problem. Dabei zeigt sich, dass die Dozierenden grundlegende Aussagen über ihre Überzeugungen zum Wissenserwerb in der Lehrer*innenbildung machen. Diese epistemologischen Überzeugungen stützen sich zum einen auf ihre Beobachtungen und Wahrnehmungen studentischen Lernens in praxisorientierten Lehr-Lern-Settings, zum anderen sind sie durch die jeweiligen fachdisziplinären Hintergründe der Lehrenden beeinflusst. In Abhängigkeit von Problemattribution und Lehr-LernÜberzeugungen entwickeln die Dozierenden unterschiedliche didaktische Lösungsansätze, die an verschiedenen (personellen, curricularen, institutionellen) Ebenen ansetzen. Mithilfe der Grounded-Theory-Methodologie konnte ein Modell epistemologischer Überzeugungen von Hochschullehrenden bzgl. Theorie-Praxis-relationierter Lehrer*innenbildung entwickelt werden, mit dem sich Bedingungen, Einflusskontexte, Strategien und Konsequenzen dieser Überzeugungen beschreiben lassen.
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Reflexion ist in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung seit fast 40 Jahren Programm. Dies haben wir zum Anlass genommen, dem reflective turn, seinen Begründungen, Formen und Wirkungen nachzugehen und eine vorläufige Bilanz darüber zu ziehen, welche ‚Substanz‘ sich hinter dem Konzept einer ‚reflexiven Lehrerinnen- und Lehrerbildung‘ verbirgt. Dabei zeigt sich, dass die Bedeutung von Reflexion zwar weithin konsensfähig zu sein scheint, zugleich aber auch erstaunliche Unschärfen in den Begriffsverwendungen sowie eine große Heterogenität in den theoretischen Zugängen, Konzeptualisierungen und Versuchen der Operationalisierung aufweist. Der vorliegende Band vergewissert sich über den Anspruch einer reflexiven Professionalisierung bzw. einer reflektierenden Professionalität im Hinblick auf seine theoretischen und konzeptionellen Grundlagen und empirischen Befunde. Reflection has been part of teacher education for almost 40 years. We have taken this as an opportunity to investigate the reflective turn, its justifications, forms and effects and to take stock of the 'substance' behind the concept of 'reflective teacher education'. In doing so, it becomes apparent that although the meaning of reflection appears to be widely agreed upon, there is also an astonishing lack of clarity in the use of the term and great heterogeneity in the theoretical approaches, conceptualizations and attempts at operationalization. This volume examines the claim of reflexive professionalization and reflective professionalism with regard to its theoretical and conceptual foundations and empirical findings.