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Spinfortec2022 1
Ein neuer Algorithmus zur Zeitsynchronisierung von Ereignis-
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basierten Zeitreihendaten als Alternative zur Kreuzkorrelation
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Christoph Schranz1 & Sebastian Mayr1
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1Salzburg Research Forschungsgesellschaft m.b.H., Salzburg, Österreich
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Kurzfassung
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Mit der Verwendung von Sensordaten aus mehreren Quellen entsteht oft die Notwendigkeit
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einer Synchronisierung der entstandenen Messreihen. Ein Standardverfahren dazu ist die
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Kreuzkorrelation, die jedoch übereinstimmende Zeitstempel voraussetzt und empfindlich
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gegenüber Ausreißern reagiert. In diesem Paper wird daher ein alternativer Algorithmus für
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die Synchronisierung von Ereignis-basierten Zeitreihendaten vorgestellt.
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Schlüsselwörter: Ereignis-basierte Zeitreihendaten, Synchronisierung, Kreuzkorrelation
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Einleitung
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In vielen praktischen Anwendungen, wie zum Beispiel beim Vergleich eines neuartigen
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Sensors mit der etablierten Messmethode, liegen zwei oder mehrere Messungen derselben
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oder einer korrelierenden Metrik mit versetztem Zeitstempel vor. Ursachen für einen solchen
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Zeitversatz können unter anderem Synchronisierungsprobleme der unterschiedlichen
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Geräte sein. In diesem Fall muss der Zeitunterschied zwischen den Messungen ermittelt
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und die Zeitstempel der als nicht synchron angenommen Messung korrigiert werden.
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Das Standardverfahren zur Synchronisierung von Ereignis-basierten Zeitreihen ist es, die
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jeweiligen Datenpunkte auf eine konstante Abtastrate zu interpolieren um anschließend die
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Kreuzkorrelation für einzelne Zeitversätze zwischen den Messungen zu berechnen. Eine
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Verringerung der Laufzeit kann dabei durch die Verwendung der Fourier-Transformation
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(FFT) erreicht werden (Lyon, 2010). Dieses Standardverfahren besitzt jedoch mehrere
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Nachteile: Falls die inhärente Frequenz der Signaländerung geringer ist als jene der
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auftretenden Ereignisse, sinkt die Präzision des ermittelten Zeitversatzes. Zusätzlich zeigt
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sich auch eine geringe Robustheit der Ergebnisse bei kurzen Zeitreihen sowie bei fehlenden
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oder falschen Werte, wodurch oft eine aufwändige Korrektur erforderlich ist. (Pearson, 2005)
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In dieser Arbeit wird ein neues Verfahren für die Synchronisierung Ereignis-basierter
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Zeitreihendaten vorgestellt. Der Fokus bei der Entwicklung dieses Verfahrens war eine hohe
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Präzision des resultierenden Zeitversatzes und Robustheit.
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Methode
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Die hier vorgestellte Methode zur Synchronisierung Ereignis-basierter Zeitreihendaten
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basiert auf einem Reißverschlussprinzip, angelehnt an den effizienten Stream-Stream-Join
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Algorithmus von Schranz 2020. Grundsätzlich wird für jedes Ereignis der Abstand zum
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jeweils Nächsten der anderen Zeitreihe berechnet. Der Mittelwert aller dieser Abstände dient
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als Maß für die Synchronität der Zeitreihen für einen gegebenen Zeitversatz φ. Aufgrund
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des iterativen Vergleichs der Zeitstempel zum jeweils nächsten Gegenüber wird der
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Algorithmus im Rahmen dieser Arbeit als nearest_advocate bezeichnet.
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Abb. 1 (a) Pseudocode des nearest_advocate; (b) Zwei idente um φ versetzte EKG (schwarz) mit deren
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charakteristischen Schläge (R-peaks, orange) und den minimalen Abständen (blau strichliert).
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In Abbildung 1.a wird der Pseudocode dargestellt: Gegeben zwei sortierte Reihen aus
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Zeitstempeln der Ereignisse mit überlappenden Zeitabschnitten, berechnet
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nearest_advocate den mittleren Abstand von jedem Zeitstempel in Reihe 2 zu dem jeweils
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nächsten Gegenüber in Reihe 1 (siehe Abb. 1.b). Der Parameter ‚time_delta‘ gibt dabei den
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zu evaluierenden Zeitversatz an und ‚max_distance‘ den maximal akzeptierten Abstand
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zwischen zwei gegenüberliegenden Ereignissen.
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Der Algorithmus besitzt eine lineare Laufzeit- und Speicherkomplexität für einen zu
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prüfenden Zeitversatz. Insgesamt beträgt die Laufzeitkomplexität somit |𝑡𝑖𝑚𝑒_𝑑𝑒𝑙𝑡𝑎𝑠|∙
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(|𝑎𝑟𝑟1|+|𝑎𝑟𝑟2|). Für die Wahl der zu testenden Zeitversätze ist zu beachten, dass für die
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Erkennung der Form und somit des Optimums der Ergebniskurve etwa die 10- bis 20-fache
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Rate der erwarteten Nyquist- oder Signalfrequenz empfohlen wird (Wescott, 2018).
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Experiment
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Für das Experiment wurden EKG-Daten (siehe Abb. 1 b) verwendet, die innerhalb des
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Projektes Virtual Sleep Lab während des Schlafs erhoben wurden (siehe Finanzierung). Die
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Zeitreihe 1 wurde mit dem laborüblichen Polysomnographen Brainvision BrainAmp ExG
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aufgenommen, die Zeitreihe 2 mit dem Suunto Movesense Sensor HR+. Beide Reihen
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liegen in Form von Arrays vor, wobei die Elemente die Zeitstempel der charakteristischen
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R-peaks der jeweiligen Herzschläge sind. Die Messdauer betrug etwa 30,000 Sekunden.
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Folgende Algorithmen wurden im Experiment verglichen: (1) Eine Kreuzkorrelation mit FFT
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auf linear interpolierte Abstände der R-peaks (interbeat intervals, IBI). Zusätzlich (2) eine
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Kreuzkorrelation mit FFT auf, mittels Dreiecken der Breite 0.5s, interpolierten R-peaks, um
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die Präzision der Zeitversätze zu verbessern. Der hier vorgestellte Algorithmus
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nearest_advocate wird mit einer Maximaldistanz von 0.5s (3) auf alle R-peaks angewandt
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sowie (4) dünn besetzt (sparse) mit nur jedem 100sten R-peak der Zeitreihe 2. Der
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Suchraum für den Zeitversatz beträgt ±60 Sekunden bei einer Auflösung von 0.1 s.
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(a)
(b)
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In Abbildung 2 werden typische Ergebnisse für die Synchronisation dargestellt: ln (a) das
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charakteristische Schwingen der jeweiligen Distanz (blau) um das Optimum (rot), das in den
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Algorithmen (2), (3) und (4) auftritt. In (b) das markante Maximum (blau) über einer
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dreieckigen Approximation für die Kreuzkorrelation (1). Aus dem Median der mittleren
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Distanzen (a) bzw. der Annäherung der Korrelationskoeffizienten mit einer Dreiecksform
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über zwei lineare Theil-Sen Regressoren (b) wird die Grundlinie (schwarz) bestimmt. Um
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das Hintergrundrauschen zu filtern, werden nur jene Kurvenanteile extrahiert, welche
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signifikanter als 50% des Optimums sind. Dieser Anteil wird auf eine Wahrscheinlich-
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keitsverteilung (türkis punktiert) normiert. Das Maß für die Präzision ist die Breite des 90%-
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Konfidenzintervalls dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung (schwarz strichliert).
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Abb. 2 (a) Bei der Synchronisierung mit nearest_advocate treten um den Versatz φ (in rot) charakteristische
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Schwingungen auf; (b) Bei der Kreuzkorrelation eine markante Spitze um φ.
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Die Experimente wurden in Python 3.9 durchgeführt. Für die Kreuzkorrelation wurde die
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Methode signal.correlate des Pakets scipy mit Version 1.7.3 verwendet. Um für
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nearest_advocate ebenfalls vergleichbare Laufzeiten wie in C zu erzielen, wurde dieser in
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der JIT-Kompilierungsumgebung numba 0.55.0 implementiert. (Lam, 2015)
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Ergebnisse
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In Abbildung 3 werden für die Synchronisierungen der jeweiligen Algorithmen (a) die
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Präzision als Breite der 90%-Konfidenzintervalle der Wahrscheinlichkeitsdichten und (b)
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Laufzeiten für unterschiedliche maximale Längen der Zeitreihen dargestellt. Für den Fall mit
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maximaler Länge von 100,000s wurde die Zeitreihe synthetisch vervielfacht.
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Die Streubreiten nehmen mit steigender Länge tendenziell ab und die Laufzeiten zu. Der
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Algorithmus nearest_advocate lieferte die präzisesten und robustesten Ergebnisse. Die
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schnellere sparse-Variante liefert für längere Zeitreihen ebenfalls präzise Ergebnisse und
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besitzt sogar die günstigste asymptotische Laufzeitkomplexität, womit diese für die Länge
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von 100,000s sogar schneller als die Kreuzkorrelation mit FFT (mit Laufzeitkomplexität von
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𝑛 ∙ 𝑙𝑜𝑔(𝑛) (Lewis, 1995)) ist. Die Kreuzkorrelation mit Kernelapproximation liefert ebenfalls
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(a)
(b)
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sehr präzise Lösungen, allerdings wird die rechenintensive Interpolation nicht für die hier als
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sehr niedrig erscheinende Laufzeit berücksichtigt.
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Abb. 3 (a) Breite der 90%-Konfidenzintervalle der Wahrscheinlichkeitsdichten und (b) die Laufzeiten der
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Algorithmen für unterschiedliche maximale Längen der Zeitreihen.
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Diskussion
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In diesem Paper wurde exemplarisch für R-peaks als Ereignis-basierte Zeitreihen gezeigt,
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dass das hier vorgestellte Synchronisierungsverfahren nearest_advocate für alle getesteten
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Längen eine höhere Präzision als das Standardverfahren Kreuzkorrelation liefert. Für kurze
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Zeitreihen demonstriert dieser eine sehr hohe Robustheit. Die sparse-Variante verspricht
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trotz geringerer Präzision für kurze Reihen, eine asymptotisch sehr gute Laufzeit.
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In zukünftigen Analysen soll die Robustheit insbesondere gegenüber fehlender und falscher
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Ereigniswerte genauer untersucht werden. Außerdem wäre es sinnvoll, zusätzliche
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Algorithmen wie z.B. die Kreuzkorrelation mit beschränktem Suchraum zu betrachten.
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Interessenskonflikt Ich bzw. wir erklären keine Interessenskonflikte.
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Finanzierung Wir bedanken uns für die finanzielle Unterstützung durch das Land Salzburg innerhalb
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des WISS 2025 Projekt Virtual Sleep Lab (VSL-Lab) (20102-F2002176-FÜR).
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Literatur
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Pearson, R. (2005). Mining Imperfect Data. In SIAM, 250, https://doi.org/10.1137/1.9780898717884.
113
Lewis, J. P. (1995). "Fast Normalized Cross-Correlation." In Industrial Light & Magic,
114
http://scribblethink.org/Work/nvisionInterface/nip.pdf.
115
Lyon, D. (2010). The Discrete Fourier Transform, Part 6: Cross-Correlation. In The Journal of Object
116
Technology, 9(2), 17. https://doi.org/10.5381/jot.2010.9.2.c2
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Wescott, Tim. (2018). Sampling: What Nyquist Didn’t Say, and What to Do About It. In Wescott
118
Design Services, https://www.wescottdesign.com/articles/Sampling/sampling.pdf.
119
Lam, S. K. (2015). Numba: A llvm-based python jit compiler. In Proceedings of the Second Workshop
120
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121
Schranz, C. (2020). Deterministic Time-Series Joins for Asynchronous High-Throughput Data
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Streams, In ETFA, pp. 1031-1034, https://doi.org/10.1109/ETFA46521.2020.9211958.
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(a)
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