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Professionalisierung in der Sprachbildung innerhalb der Lehrkräfteausbildung: Möglichkeiten in der seminar- und schulpraktischen Arbeit im Kontext inklusiv-digitaler Fragestellungen

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Abstract

Ausgehend von der interdisziplinären Betrachtung und Bedeutung von Sprachbildung, Mehrsprachigkeit und Inklusion (vgl. Pfaff & Cantone 2021) für eine zeitgemäße Bildung aller Schüler:innen, wird im Rahmen des Beitrags auf Professionalisierungsmomente in der Ausbildung von angehenden Grundschullehrkräften der ersten Phase der Lehrkräfteausbildung fokussiert. Dabei steht die Vorstellung der Seminarveranstaltung "Koordinierung von sprachlichem und fachlichem Lernen" im Masterstudium des DSSZ-Moduls an der Universität Duisburg-Essen (UDE) im Mittekpunkt. Ausgehend von einer inhaltlichen Verortung des Seminars im Studienverlaufsplan, sollen Inhalte der beschriebenen Veranstaltung anhand der Unterrichtsskizze einer/eines Studierenden illustriert sowie Chancen und mögliche Grenzen hinsichtlich des Einsatzes digitaler Tools/Medien zur Sprachbildung exemplarisch aufgezeigt und resümiert werden.
11.5 Professionalisierung in der Sprachbildung
innerhalb der Lehrkräfteausbildung
Möglichkeiten in der seminar- und schulpraktischen Arbeit
im Kontext inklusiv-digitaler Fragestellungen
Kevin Niehaus
Ausgehend von der interdisziplinären Betrachtung und Bedeutung von Sprachbil-
dung, Mehrsprachigkeit und Inklusion (vgl. Pfaff & Cantone 2021) für eine zeitgemä-
ße Bildung aller Schüler:innen, wird im Rahmen des Beitrags auf Professionalisie-
rungsmomente in der Ausbildung von angehenden Grundschullehrkräften der ersten
Phase der Lehrkräfteausbildung fokussiert. Dabei steht die Vorstellung der Seminar-
veranstaltung Koordinierung von sprachlichem und fachlichem Lernen im Masterstu-
dium des sogenannten DaZ-Moduls der Universität Duisburg-Essen (UDE) im Mittel-
punkt. Ausgehend von einer inhaltlichen Verortung des Seminars im Studienver-
laufsplan, sollen Inhalte der beschriebenen Veranstaltung anhand der Unterrichts-
skizze einer/eines Studierenden illustriert sowie Chancen und mögliche Grenzen hin-
sichtlich des Einsatzes digitaler Tools/Medien zur Sprachbildung exemplarisch auf-
gezeigt und resümiert werden.
Zum Zusammenhang von Inklusion und Sprachbildung
Wie Grosche & Fleischhauer (2017, S. 155) vor einigen Jahren bereits zusammen-
fassten, steht das deutsche Schulsystem [] vor (mindestens) zwei großen Heraus-
forderungen, nämlich der bestmöglichen Förderung von Deutsch als Zweitsprache
bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund [] sowie der bestmögli-
chen Umsetzung von schulischer Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit son-
derpädagogischem Förderbedarf. Im Kontext einer zeitgemäßen Bildung für alle
Schüler:innen stellen die Begriffe Inklusion und Sprachbildung zentrale Termini in der
universitären Lehrkräfteausbildung dar (vgl. Projekt ProViel Professionalisierung
für Vielfalt der Universität Duisburg-Essen 2021).
Dabei wird der interdisziplinäre Diskurs um mögliche Verbindungslinien und theo-
retischen Überschneidungen in der letzten Zeit wieder verstärkt verfolgt (vgl. Rödel &
Simon 2019). In Hinblick auf das eingangs beschriebene Zitat muss dabei deutlich
gemacht werden, dass es bei einer inklusiven (sprachlichen) Bildung nicht nur um die
Förderung von Deutsch als Zweitsprache geht, als gleich Inklusion in einem weiten
Verständnis (vgl. König et al. 2019, S.44f.) - auch nicht nur das Einbeziehen von
Schüler:innen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf meint, sondern alle
Schüler:innen in ihren individuellen Lernvoraussetzungen und (Sprach-)Bildungsbe-
dürfnissen wahrzunehmen versucht.
Geht es als übergeordnetes Ziel um die Maximierung der Partizipationschancen al-
ler Schüler:innen bei gleichzeitiger Minimierung sozialer Ausgrenzungsrisiken (Lind-
meier & Lütje-Klose 2015, S. 9) wird schnell deutlich, dass dies jede Form von Viel-
falt von Heterogenität einbezieht und die Pathologisierung personenbezogener
11. Diklusive Lehrer:innenbildung
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11.5 Professionalisierung in der Sprachbildung innerhalb der Lehrkräfteausbildung, Niehaus
Merkmale im Sinne einer De-Kategorisierung ablehnt (vgl. Textor 2015, S. 27). Der
Bereich der Inklusiven Sprachbildung (vgl. Rödel & Simon 2019) stellt innerhalb der
wissenschaftlichen Disziplin Deutsch als Zweitsprache / Mehrsprachigkeitsforschung
ein zunehmend zentrales Element in der Ausbildung angehender Lehrkräfte dar, um
Professionalisierungsprozesse angehender Lehrkräfte anzustoßen, denn „migrations-
gesellschaftlicher Wandel, Mehrsprachigkeit, Sprachbildung, Inklusion und der dar-
aus erwachsene Anspruch einer diversen und inklusiven Schule erfordern von ange-
henden Lehrkräften sowohl grundlegendes Wissen in den einzelnen Disziplinen als
auch die Fähigkeit, Ansätze und Konzepte interdisziplinär zu denken, einzusetzen und
zu reflektieren“ (Pfaff & Cantone 2021, S. 145).
Innerhalb des aufgezeigten theoretischen Rahmens bewegt sich auch die inhaltli-
che Ausrichtung des im folgenden dargestellten Seminars Koordinierung von sprach-
lichem und fachlichem Lernen des DaZ-Moduls im Masterstudiengang Grundschul-
lehramt an der Universität Duisburg-Essen.
Kurzbeschreibung und Inhalte des DaZ-Moduls der Universität
Duisburg-Essen
Lehramtsstudierende aller Fächer absolvieren an der Universität Duisburg-Essen im
Rahmen des Studiums das sogenannte Modul Deutsch als Zweitsprache (kurz: DaZ-
Modul), in welchem „angehende Lehrerinnen und Lehrer auf die mehrsprachige und
multikulturelle Wirklichkeit der Schule und der unterschiedlichen Schulformen [vor-
bereitet werden]. Zu den konkreten Inhalten gehört unter anderem die Vermittlung
von Wissen um den Zusammenhang von Erst- und Zweitsprache und deren
Erwerb“ (Institut DaZ/DaF 2021, Selbstbeschreibung: Inhalte des DaZ-Moduls).
Aktuell wird dabei lehramtsübergreifend die Perspektive Inklusion zunehmend for-
ciert und Lehramtsstudierende hinsichtlich der Betrachtung und Gegenüberstellung
von typischen und atypischen Spracherwerbsverläufe im Kontext sonderpädagogi-
scher Förderbedarfe und Mehrsprachigkeit sensibilisiert.
Im Masterstudium besuchen Grundschulstudierende dabei zwei Veranstaltungen
des Moduls DaZ in der Schule. Dabei können die Grundschulstudierenden im 1. Mas-
tersemester zwischen angebotenen Vertiefungsseminaren der Bereiche Analyse von
Lehrmaterialien in Bezug auf Mehrsprachigkeit und Deutsch als Zweit- und Fremd-
sprache: Methoden der Sprachförderung auswählen, bevor sie im 2. Mastersemester
das Seminar Koordinierung von sprachlichem und fachlichem Lernen besuchen, wel-
ches parallel zur schulpraktischen Phase des Praxissemesters besucht wird.
Beschreibung des Seminars
Ziel des Seminars ist, dass Studierende ihre theoretischen und didaktisch-methodi-
schen Kompetenzen, die sie im Laufe des Studiums erworben haben, nachweisen.
Dies gilt insbesondere in Hinblick und Rückgriff auf die bereits zuvor erworbenen
Wissensaspekte und Kompetenzen im DaZ-Modul des Bachelorstudiums.
Leitfragen, die die thematische Auseinandersetzung innerhalb des Seminars struk-
turieren, lauten dabei:
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11. Diklusive Lehrer:innenbildung
11.5 Professionalisierung in der Sprachbildung innerhalb der Lehrkräfteausbildung, Niehaus
Was ist sprachliches und fachliches Lernen?
Wie gelingt eine gemeinsame Umsetzung fachlichen und sprachlichen Ler-
nens?
Welche didaktisch-methodischen Möglichkeiten ermöglichen eine Koordinie-
rung beider Lernbereiche?
In der praktischen Umsetzung bedeutet dies, dass die Studierenden im Rahmen des
begleitenden Seminars ein Unterrichts- bzw. Studienprojekt von circa 30 Stunden
Workload durchführen, wobei jeweils zehn Stunden für die Ideenentwicklung und
Planungsskizze, die Durchführung und die Vorbereitung der Präsentation vorgesehen
sind. Dabei sind drei Seminarmomente von zentraler Bedeutung:
1. Vorbereitungs- und Informationssitzung (Organisation)
2. Individualtermin zur Vorstellung und Besprechung der Projektidee (Beratungs-
termin)
3. Anfertigung eines kurzen Projekt-Abstracts und Präsentation des Projektes im
Rahmen einer Modulabschlussprüfung (Gruppenprüfung mehrerer Studieren-
der)
Für die am Ende des Praxissemesters gelegene abschließende Modulprüfung erstel-
len die Studierenden eine kurze Präsentation, die die zentralen Elemente der Pro-
jektskizze nochmals aufbereitet und um Ergebnisse, Reflexionen und Ableitungen er-
gänzt. Dabei wird die Modulabschlussprüfung als Gruppenprüfung realisiert, die
partizipativ angelegt ist und mit einer kurzen Diskussionsrunde zur Präsentation
des/der jeweiligen Studierenden endet, in welcher alle Studierenden und entspre-
chende Dozierende nochmals ckfragen oder Diskussionspunkte aufgreifen können,
zu denen die/der vortragende Student:in Stellung bezieht. Dies gilt aktuell insbeson-
dere hinsichtlich der schulischen Besonderheiten zu pandemischen Zeiten und der
damit möglicherweise verbundenen kurzfristigen Adaption von Unterrichts- und
Projektplanungen.
Exemplarische Unterrichtsskizze einer/eines Studierenden zum Thema
Sprachförderung und Wortschatzarbeit im Distanzunterricht unter
digitalen Perspektiven
Wie bereits zuvor thematisiert, wurde auch bei der Ausarbeitung der Projektideen
von den Studierenden der Distanzunterricht und damit mögliche digitale Unter-
richtsformate als Option mitbedacht.
Anhand des Projekt-Abstracts zum Thema Sprachförderung durch spielerische
Wortschatzerweiterung und Festigung des bestehenden Vokabulars im Distanzunter-
richt (Autor:in/Student:in möchte namentlich nicht genannt werden) des Sommerse-
mesters 2021, soll im weiteren Verlauf exemplarisch aufgezeigt werden, welche
Chancen und Möglichkeiten aber auch Grenzen sich aus studentischer Perspektive mit
digitalen Möglichkeiten der Sprachbildung ergeben und wie die zuvor beschriebenen
Seminarveranstaltung der ersten Phase der Lehrkräfteausbildung zur Professionali-
sierung im Feld von Sprachbildung, Inklusion und Digitalisierung beitragen kann.
442
11. Diklusive Lehrer:innenbildung
11.5 Professionalisierung in der Sprachbildung innerhalb der Lehrkräfteausbildung, Niehaus
Abb. 11.5.1 Auszug aus der Projektskizze der/des Studierenden
Ausgangspunkt der Entwicklung der Projektidee der/des Studierenden stellte die all-
gemeine (sprachliche) Lernausgangslage der begleiteten Klassen im Praxissemester
dar. Die insgesamt 24 Schüler:innen der zweiten Klasse, wovon drei Schüler:innen
Deutsch als Zweitsprache erwerben, wiesen zur Zeit der Projektdurchführung allge-
meinen Sprachförderbedarf auf. Zwar konnten alle Schüler:innen „weitestgehend
verständlich sprechen und schreiben“ (Zitat aus der Projektskizze und der Projektprä-
sentation der/des Studierenden), jedoch zeigte sich im Bereich der Genus-Zuordnung
gerade bei neu eingeführtem Wortschatz noch Unterstützungsbedarf. Anknüp-
fend an den so ausgemachten Inhaltsbereich der Wortschatzarbeit, bestand das
vordergründige Ziel des Studienprojekts neben der Erweiterung auch in der Festigung
des bisher erworbenen Grundwortschatzes der Schüler:innen (vgl. Abb. 11.5.1).
Anknüpfend an die bereits im Präsenzunterricht genutzte Lernwörterbox zur Wort-
schatzarbeit, sollte dieses Lernformat auch unter motivationalen Aspekten im Dis-
tanzlernen um digitale Lernformate ergänzt und erweitert werden, da „ab einer ge-
wissen Anzahl von Wörtern in der Lernwörterbox [die Arbeit mit der Box] für manche
Kinder zu monoton [wurde]“ (ebd.). Ein weiteres Lernziel wurde durch die/den Stu-
dierende:n auch in der Förderung „digitaler Kompetenzen [] im Umgang mit digita-
len Lernformaten“ gesehen (vgl. Abb. 11.5.1).
In Anbetracht der begrenzten Zeit zur Projektentwicklung- und planung, entschloss
sich die/der Studierende dazu auf bereits vorhandene digitale Tools und Lernplatt-
formen zurückzugreifen. Dabei wurden neben der Plattform LearningApps (PS01)
auch die Plattform Kahoot! (PS02) genutzt, um Applikationen in der Applikation zu
entwickeln. Diese Adaption und Nutzbarmachung bereits vorhandener digitaler Tools
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11. Diklusive Lehrer:innenbildung
11.5 Professionalisierung in der Sprachbildung innerhalb der Lehrkräfteausbildung, Niehaus
ist auch hinsichtlich der ressourcenorientierten Nutzung und Reflexion vorhandener
digitaler Lehr-Lern-Angeboten von Bedeutung. Die/Der Studierende konzipierte dazu
neben einer Artikel-Zuordnungsaufgabe (vgl. Abb. 11.5.2), ein Bild-Fachwort-Me-
mory (vgl. Abb. 11.5.3) als auch verschiedene Quiz-Aufgaben zum erweiterten und
gefestigtem Wortschatz (vgl. Abb. 11.5.4), die wiederum „regelmäßig erweitert wur-
den“ (Zitat aus der Projektskizze und der Projektpräsentation der/des Studierenden).
Abb. 11.5.2 Auszug aus der Projektskizze der/des Studierenden: Artikel-Nomen-Zuordnung mit
LearningApps (eigener Screenshot, alle Rechte bei Verein LearningApps)
Neben der rein praktischen Projektplanung- und umsetzung, zeigte sich im Rahmen
der Projektskizze auch die Auseinandersetzung mit neueren wissenschaftlichen Pu-
blikationen und Forschungsansätzen - vergleichbar mit der Sachanalyse in Unter-
richtsentwürfen des Vorbereitungsdienstes - als wichtiger Schritt im Professionali-
sierungsprozess angehender Grundschullehrkräfte. Die mit der intensiven Nutzung
digitaler Medien einhergehende veränderte Rolle der Lehrkraft (vgl. Möslein-Tröpp-
ner & Bernhard 2021, S. 117ff.) ist gerade im Wechsel der Unterrichtsformen (Prä-
senz- und Distanzunterricht) von besonderer Bedeutung und bedarf der eingehenden
Auseinandersetzung und Reflexion. Hier argumentierte die/der Studierende im Rah-
men der Darstellung möglicher Vorteile digitaler Lernformate, dass das Lernen mit
digitalen Spielen [] zu einer Grundform des Lernens und Übens werden [kann], ge-
nauso wie digitale Spiele auf Smartphones, die Freizeitaktivitäten [der Schüler:innen]
durchdringen (vgl. Niegemann & Weinberger 2020). Spielen beinhaltet also auch
immer kleinere Formen des Lernens und dient somit dem Erwerb von Kompetenzen
sowie neuem Wissen und Erfahrungen (vgl. ebd.).
Neben den exemplarisch angeführten Vorteile, die vor allem in der schulisch-unter-
richtlichen Berücksichtigung der zentralen (medialen) Lebenswelt der Schüler:innen
(als digital natives) deutlich werden, wurden auch Gegenpositionen zum Einsatzes
digitaler Lernformate beschrieben:
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11. Diklusive Lehrer:innenbildung
11.5 Professionalisierung in der Sprachbildung innerhalb der Lehrkräfteausbildung, Niehaus
Abb. 11.5.3 (links) Auszug aus der Projektskizze der/des Studierenden: Bild-Fachwort-Memory zu
geometrischen Körpern mit LearningApps (eigener Screenshot, alle Rechte bei Verein LearningApps)
Abb. 11.5.4 (rechts) Auszug aus der Projektskizze der/des Studierenden: Beispielaufgaben im Wort-
schatz-Quiz mit Kahoot! (Eigener Screenshot, alle Rechte bei Kahoot)
Trotz der Vorteile, die Lernsoftware mit sich bringen kann, wird sie immer noch sel-
ten im Unterrichtsgeschehen eingesetzt. Ein großer Hinderungsgrund ist für viele
Lehrkräfte das fehlende handschriftliche Schreiben, obwohl sich gezeigt hat, dass
die handschriftliche Rechtschreibleistung ebenso von der Rechtschreibleistung am
Computer oder Tablet profitiert” (vgl. Fleischhauer et al. 2017).
Die Reflexion der Projektplanung und Projektdurchführung, der festgestellten Er-
gebnisse (Outcome) als auch der eigenen Unterrichtserfahrungen (bspw. im Umgang
mit nicht antizipierten Herausforderungen) stellen abschließend das zentrale Mo-
ment des Seminars dar. Hier stellen die Studierenden die eigene Reflexionskompe-
tenz unter Beweis, indem sie das eigene Projekt von der Metaebene betrachten, kri-
tisch reflektieren und Ableitungen für zukünftiges unterrichtliches Handeln treffen.
Dabei lassen sich im Rahmen der exemplarischen Darstellung der zuvor thematisier-
ten Projektskizze die von der/dem Studierenden reflektierten Aspekte sowohl in all-
gemeine, als auch inhaltliche,motivationale und formale Beobachtungen hinsichtlich
des Einsatzes digitaler Lern- und Übungsformate zur Sprachbildung unterteilen.
Auf allgemeiner Ebene stellte die/der Studierende dar, dass die konzipierten Lern-
formate innerhalb der Lernplattformen „als interaktive Bausteine für den Unterricht
in jeder Phase gut nutzbar“ waren und sich somit „sowohl für den Distanz- als auch
den Präsenzunterrichten“ bewährten (vgl. auch Steiner 2012). Dabei erwies sich vor
allem die „einfache Handhabung und Nutzbarkeit“ mit Blick auf die Nutzung durch
Schüler:innen der zweiten Klasse als vorteilhaft, da den Kindern „der Umgang mit
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11. Diklusive Lehrer:innenbildung
11.5 Professionalisierung in der Sprachbildung innerhalb der Lehrkräfteausbildung, Niehaus
den digitalen Lernformaten [] nicht schwer [fiel]“ (Zitat aus der Projektskizze und
der Projektpräsentation der/des Studierenden).
Auf inhaltlicher Ebene stellte die/der Studierende im Rahmen der Projektpräsenta-
tion heraus, dass sich die Analyse der Lernergebnisse als schwierig herausstellte.
Dies hätte unter anderem daran gelegen, dass die Auswertungsmöglichkeiten der
Lernplattformen sich als eher ungeeignet hinsichtlich der Beurteilung inhaltlicher
Leistungszuwächse erwiesen (hier: Wortschatzsicherung/-erweiterung und korrekte
Artikel-Verwendung). Anhand der Auflistung der Zählung der Züge im Memory
könnten keine konkreten Lernzuwächse oder Zusammenhänge abgeleitet werden.
Auch bei der Artikelzuordnung zeigte sich, dass diese „bei manchen Kindern sehr gut
funktionierte, bei anderen Kindern sich weiterhin Schwierigkeiten bei bestimmten
Wörtern aufzeigten“. Die ambivalenten Ergebnisse im Rahmen der Ergebnisauswer-
tung zeigen nach Sicht der/des Studierenden die „Notwendigkeit von Rekontextuali-
sierungen, um Lernzuwächse in ergänzenden unterrichtlichen Settings erneut sicht-
bar zu machen“. Digitale Lernformate würden somit eine Ergänzung und keine Al-
ternative zu klassischen unterrichtlichen Lehr-Lern-Settings“ darstellen (Zitat aus
der Projektskizze und der Projektpräsentation der/des Studierenden).
Auf motivationaler Ebene zeigte sich nach den Erfahrungen der/des Studierenden
das volle Potenzial digitaler Lernformate. Sowohl durch die hohen lebensweltliche
Anknüpfbarkeit als auch den hohen Aufforderungscharakter seien die Schüler:innen
durchgängig interessiert und motiviert gewesen, die Lern- und Übungsaufgaben zu
bearbeiten und sich somit mit dem Wortschatz auseinander zu setzen. Die anfängli-
che „Aufregung, die durch die Einführung neuer Lernformate und die Verwendung
von iPads hervorgerufen wurde, legte sich im Zuge der durchgängigen
Verwendung“ (Zitat aus der Projektskizze und der Projektpräsentation der/des Stu-
dierenden).
Dennoch wurde in diesem Kontext durch die/den Studierenden auch auf formale
Grenzen hingewiesen, die im Rahmen der Projektdurchführung vor allem sozialer und
organisatorischer Natur gewesen seien. Neben der mangelnden technischen Grund-
ausstattung einiger Schüler:innen im Distanzlernen, setzt auch „die Verfügbarkeit di-
gitaler Endgeräte in der Schule den Rahmen des Möglichen“ (Zitat aus der Projekt-
skizze und der Projektpräsentation der/des Studierenden). Währenddessen sich das
Kahoot!-Quiz eignete, um in Teamarbeit gemeinsam zu agieren, zeigen sich andere
Übungsformate (bspw. das digitale Memory) eher für Einzel- oder Partnerarbeiten
geeignet. Auch wurden im Rahmen der Projektpräsentation Faktoren des Arbeits-
aufwands/ der Arbeitsbelastung angesprochen und reflektiert, die sich zum einen
durch die Frage der Nachhaltigkeit bestimmter Quiz-Fragen ergeben, als auch die
Erweiterung um anschließende Wortschatz-Themen betreffen, da es „aufwendig [ist]
immer neue Fragen und Memorys zu erstellen, um die nötige Abwechslung zu bie-
ten“ (Zitat aus der Projektskizze und der Projektpräsentation der/des Studierenden).
„Zudem müssen Lernplattformen und Applikationen hinsichtlich der Rückmeldungs-
funktion an Schüler:innen betrachtet werden, da erstellte Zuordnungs-Übung bspw.
„keine [direkte] ckmeldung darüber gibt, ob der Artikel richtig zugeordnet
wurde“ (Zitat aus der Projektskizze und der Projektpräsentation der/des Studieren-
den).
Die abschließende, von der/dem Studierenden vorbereitete Diskussionsfrage (hier:
Wie lässt sich Wortschatzarbeit mit dem Distanzlernen verbinden und wie kann man
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11.5 Professionalisierung in der Sprachbildung innerhalb der Lehrkräfteausbildung, Niehaus
diese dabei attraktiv gestalten, so dass die Kinder nicht die Lust am Lernen verlie-
ren?“) dient dazu den Diskurs zwischen den Studierenden im Rahmen der Gruppen-
prüfung anzuregen und auch hier die vortragenden Studierenden in die Lage der di-
daktisch-methodischen Stellungnahme ähnlich der Unterrichtsnachbesprechung
im Vorbereitungsdienst zu versetzen. Auch im Punkt Nachhaltigkeit können hier er-
stellte und erprobte (digitale) Materialien gespeichert und adaptiert erneut zum Ein-
satz kommen. Dazu stellen die Studierenden des Seminars die Projekt-Abstracts ih-
ren Kommiliton:innen in einer digitalen Datenbank zur Verfügung.
Fazit
Die anhand der zuvor thematisierten Projektskizze illustrierte Perspektive sowohl auf
die Adaption vorhandener Lerntools als auch die Nutzung digitale Lernformate er-
öffnet in der Zusammenschau gewinnbringende Professionalisierungsperspektiven im
Kontext von Sprachbildung und Inklusion, die es in der seminaristischen Arbeit der
universitären Ausbildung stärker aufzugreifen und zu nutzen gilt. Im Zuge der Ent-
wicklung konkreter digitaler Unterrichts- und Projektideen können angehende Lehr-
kräfte bereits im Masterstudium in die Lage versetzt werden, eigene didaktisch-me-
thodische Erfahrungen in der Aufbereitung und Nutzung digitaler Applikationen und
Medien sammeln und reflektieren zu können. Dies zeigt sich als besonders wertvoll
hinsichtlich der künftigen Aufgabe der Medienkompetenzentwicklung von Schüler:in-
nen in Schule und Unterricht (vgl. Beschluss der KMK vom 08.12.2016 zur Strategie
Bildung in der digitalen Welt als auch bezogen auf Nordrhein-Westfalen den Rd.Erl.
d. MSW in der BASS 16-13 Nr. 4 Unterstützung für das Lernen mit Medien sowie Me-
dienkompetenzrahmen NRW 03/2020).
Das Seminar Koordinierung von fachlichem und sprachlichem Lernen innerhalb des
DaZ-Moduls im Masterstudium kann angehenden Grundschullehrkräften letztlich als
weiteres Professionalisierungsmoment im Studium dienen, welches Raum ermög-
licht, das im Studium erworbene Wissen um Inklusion und Sprachbildung interdiszi-
plinär zu betrachten, handlungspraktisch zu übersetzen, sich in ersten (digitalen)
schulpraktischen Ideen und Konzepten zu erproben und den Prozess sowie den
Mehrwert digitaler Lernformate im wissenschaftlichen Rahmen hinsichtlich des
durchgängigen Sprachbildungsauftrags zu reflektieren.
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11. Diklusive Lehrer:innenbildung
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11. Diklusive Lehrer:innenbildung
Article
Full-text available
Teacher education curricula vary across North-Rhine-Westphalia in terms of pre-service teacher preparation for linguistically diverse learner groups. Processes and theories surrounding language acquisition, the teaching of German as a second language and multilingualism are addressed differently depending on disciplinary discourses. The inclusion of learners with special needs into mainstream education enhances the complexity and importance of addressing language in teacher education. In the establishment process of a newly introduced Institute for Special Needs Education the interdisciplinary professionalisation of pre-service teachers requires critical examination concerning issues such as discrimination. Given that linguistic diversity has been a core issue in different disciplinary discourses at the University of Duisburg-Essen, this article aims to encourage interdisciplinary dialogue with regard to differing disciplinary approaches and understandings of linguistic diversity. Facing similar challenges such as creating differences, setting standards and labeling certain pupils, the authors plead for a visible curricular anchoring of interdisciplinary discourses in teacher training programs.
Article
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Sprach(bildungs)bezogene Herausforderungen bilden sich in Schule und Unterricht unterschiedlich ab. Lehrkräfte müssen im Handlungsfeld von Sprachbildung, Mehrsprachigkeit und Inklusion unter anderem Einschätzungen und Beurteilungen darüber abgeben, ob es sich bei sprachlichen Auffällig- keiten im mehrsprachigen Erwerb um reguläre Erwerbsphänomene handelt, die allgemeiner Beglei- tung und Förderung im Spracherwerb bedürfen, oder aber um Anzeichen einer Sprachentwicklungs- störung. Dies gilt umso mehr, wenn Lernende vom schulisch erwarteten Leistungsniveau abweichen. Das sprachbildungsbezogene Selbstkonzept angehender Lehrkräfte sowie die Perspektive auf multiprofes- sionelle Zusammenarbeit zeichnen sich in diesem Zusammenhang als wichtige Kompetenzaspekte inklusiven Lehrkräftehandelns im Fach Deutsch als Zweitsprache ab (Rupprecht 2021). Wie die Pro- fessionalisierung in den beiden Kompetenzbereichen durch hochschuldidaktische Lehr-Lern-For- mate angeregt werden kann, steht im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags. Neben der entlang des Seminarkonzepts darzustellenden Verbindung von Kasuistik und Meta-Reflexivität wird das Potenzial kasuistischer Lehrkräftebildung im Handlungs- und Themenfeld von Sprachbildung, Mehrsprachigkeit und Inklusion anhand der empirischen Auswertung studentischer Reflexionen dargelegt.
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Der Sammelband vereint Forschung, die aus der Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Vielfalt und Inklusion im Rahmen der Lehrkräftebildung in den letzten zehn Jahren an der Universität Duisburg-Essen (UDE) entstanden ist. Die Beiträge stellen eine Auswahl aus dem breiten Spektrum der ProViel-geförderten, inklusionsbezogenen Maßnahmen dar und geben unter anderem Einblick in curriculare, konzeptuelle und methodische Innovationen sowie qualitätsentwickelnde und -sichernde Maßnahmen.
  • E Fleischhauer
  • J Schledjewski
  • M Grosche
Fleischhauer, E.; Schledjewski, J. & Grosche, M. (2017): Apps zur Förderung von Rechtschreibfähigkeiten im Grundschulalter. Ein Review. In: Lernen und Lernstörung 6.4 (2017), 193-207. URL: PS03 (abgerufen am 23.09.2021)
Beschluss der KMK vom 08.12.2016 zur Strategie "Bildung in der digitalen Welt
  • Kultusministerkonferenz
Kultusministerkonferenz (2017): Beschluss der KMK vom 08.12.2016 zur Strategie "Bildung in der digitalen Welt". URL: PS07 (abgerufen am 01.07.2021)
  • C Lindmeier
  • B Lütje-Klose
Lindmeier, C. & Lütje-Klose, B. (2015): Inklusion als Querschnittsaufgabe in der Erziehungswissenschaft. In: Erziehungswissenschaft 26 (51), 7-16. URL: PS08 (abgerufen am 01.07.2021)
Mehrsprachigkeit und schulische Inklusion in der Professionalisierung von Lehrkräften -interdisziplinäre Zugänge
  • N Pfaff
  • K F Cantone
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Inklusive Sprach(en)bildung. Ein interdisziplinärer Blick auf das Verhältnis von Inklusion und Sprachbildung
  • L Rödel
  • T Simon
Rödel, L. & Simon, T. (2019): Inklusive Sprach(en)bildung. Ein interdisziplinärer Blick auf das Verhältnis von Inklusion und Sprachbildung. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.