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Gabriele Schauer, Livia Jesacher-Rößler,
David Kemethofer, Johannes Reitinger,
Christoph Weber (Hrsg.)
Einstiege, Umstiege,
Aufstiege
Professionalisierungsforschung
in der Lehrer*innenbildung
Beiträge zur
Bildungsforschung
Band 9
Beiträge zur Bildungsforschung
herausgegeben von der
Österreichischen Gesellschaft für
Forschung und Entwicklung
im Bildungswesen (ÖFEB)
Band 9
Gabriele Schauer, Livia Jesacher-Rößler,
David Kemethofer, Johannes Reitinger,
Christoph Weber (Hrsg.)
Einstiege, Umstiege, Aufstiege
Professionalisierungsforschung
in der Lehrer*innenbildung
Waxmann 2022
Münster x New York
Beiträge zur Bildungsforschung, Band 9
ISSN2198-9583
Print-ISBN 978-3-8309-4588-8
E-Book-ISBN 978-3-8309-9588-3
https://doi.org/10.31244/9783830995883
© Waxmann Verlag GmbH, 2022
Steinfurter Straße 555, 48159 Münster
www.waxmann.com
info@waxmann.com
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Namensnennung – Nicht-kommerziell –
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Inhalt
Vorwort ............................................................................................................................................. 9
Zum Einstieg: Professionalisierungsforschung in Österreich
Gabriele Schauer, Livia Jesacher-Rößler, David Kemethofer,
Johannes Reitinger und Christoph Weber
Einstiege, Umstiege, Aufstiege – Professionalisierungsforschung in der
Lehrer*innenbildung als Herausforderung und Chance .........................................................13
Ferdinand Eder
Forschungen zur PädagogInnenbildung NEU .......................................................................... 21
Professionalisierungsprozesse und Kompetenzerwerb
in der Lehrer*innenbildung
Johannes Mayr, Emmerich Boxhofer, Georg Krammer, Barbara P anzl
und Ernst Nausner
TEDCA – Teachers’ Education, Development and Career in Austria
Genese, Design und exemplarische Ergebnisse einer Studie
zur Berufsbiogra e von Lehrkrä en ........................................................................................... 37
Daniela Martinek, Andreas Bach und Matteo Carmignola
Antizipiertes Unterrichtshandeln von Lehramtsstudierenden
Die Beziehungen zu im Studium wahrgenommener Autonomie
und Selbstwirksamkeit ..................................................................................................................55
Christoph Weber, Herbert Altrichter und Johannes Reitinger
Lehrer*innenbildung ALT und NEU – Gibt es Unterschiede in der
professionellen Entwicklung Studierender? ...............................................................................71
Isabel Wanitschek, Martin Auferbauer, Tamara Katschnig und Judith Prorok
Aufstieg durch Umstieg?
Perspektiven auf Lehrerfortbildner*innen an Pädagogischen Hochschulen ........................ 93
Eeva Kaisa Hyry-Beihammer, Sabine Bruch und Karin Busch
Professionelle Entwicklung während des Lehramtsstudiums –
Erzählungen von Quereinsteiger*innen ...................................................................................109
Gerda Hagenauer und Franziska Mühlbacher
Emotionen, Emotionsregulation und Emotionskommunikation von Lehrpersonen
Ein theoretischer Überblick unter besonderer Berücksichtigung der
Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung ................................................................................. 125
Inhalt
6
Tamara Katschnig, Isabel Wanitschek, Martina Rabl, Andrea Bisanz und
Mohamed Bassam Kabbani
Rollenverständnis von Lehrerfortbildner*innen aus der
Sicht von Lehrenden in der Fortbildung ..................................................................................141
Lehr-/Lernkonzepte in der Lehrer*innenbildung bzw.
Professionalisierungsforschung
Severin Sales Rödel, Gabriele Schauer, Malte Brinkmann und Michael Schratz
Gelungene professionelle Praxis
Pädagogisches Ethos üben im ELBE-Projekt ...........................................................................161
Manuela Gamsjäger, Michael Himmelsbach und Sonja Lenz
Lerngelegenheiten in der Schulpraxis
Evaluation der Pädagogisch Praktischen Studien am Standort Linz, Cluster Mitte ..........179
Claudia Fahrenwald und Norina Müller
Professionalisierungsprozesse und Professionalisierungsbedarfe von
Lehrkrä en im Rahmen demokratischer Schulentwicklung ................................................199
Strukturelle und regionale Beeinflussungsfaktoren im Kontext
der Lehrer*innenbildung
Christian Kraler, Claudia Schreiner, Susanne Roßnagl, Livia Jesacher-Rößler
und Fred Berger
Lehrer*innenbildung zwischen lokalen und nationalen Strategien:
Professionalisierungsprozesse über regionale Strukturen .....................................................215
Matthias Müller und Michelle Proyer
Strukturelle Hindernisse und Diskriminierung international ausgebildeter
Lehrer*innen in Österreich
„Das ist dieses große Hindernis im Leben überhaupt, nicht [nur] bei der Arbeit“ ...........233
Transition: von der Ausbildung zum Berufseinstieg
Gabriele Beer, Astrid Ebenberger, Sylvia Potzmader und Rudolf Beer
Masterstudium und Berufseinstieg: empirische Befunde zum
Belastungsemp nden von Lehramtsstudierenden – Relevanz für die
hochschulische Arbeit im Kontinuum der Lehrer*innenbildung.........................................251
Anne Frey und Silvia Pichler
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase (Induktion)
in der österreichischen Lehrer*innenbildung im Bundesland Vorarlberg ..........................265
Inhalt 7
Matthias Huber, Manfred Prenzel und Marko Lü enegger
Der Einstieg in den Lehrberuf in Österreich – Ergebnisse einer
Evaluation der neuen Induktionsphase ....................................................................................293
Ausblick
Colin Cramer
Stand und Perspektiven der Professionalisierung von Lehrpersonen
und deren Erforschung ...............................................................................................................309
Autorinnen und Autoren ............................................................................................................ 327
Vorwort
Die Erforschung der Bedingungen, Prozesse und Ergebnisse von Lehrer*innenbildung
– sowohl bezogen auf die Erstausbildung und ihre verschiedenen Lernorte als auch auf
die Fort- und Weiterbildung – hat in den letzten Jahren international sowie im deut-
schen Sprachraum stetig an Bedeutung gewonnen. Auch in Österreich wurde die Leh-
rer*innenbildungsforschung durch die Veränderungen, die zum einen durch die Re-
form der Lehrer*innenbildung (PädagogInnenbildung NEU) vorangestoßen wurden
und zum anderen veränderte Zielsetzungen in der Fort- und Weiterbildung mit sich ge-
bracht haben, stark angeregt.
Auf diesen Trend reagierten die Sektion Lehrer*innenbildung und Lehrer*innen-
bildungsforschung, die Sektion Schulforschung und Schulentwicklung und die Sektion
Empirische Pädagogische Forschung der Österreichischen Gesellscha für Forschung
und Entwicklung im Bildungswesen (ÖFEB) im Februar 2021 mit einer Online-Tagung.
Unter dem Titel „Einstiege, Umstiege, Aufstiege – Was wissen wir über die Professiona-
lisierungsprozesse von Lehrpersonen und pädagogischen Fachkrä en?“ sollte ein erster
Überblick über die vorhandene Forschungslandscha gescha en werden und zugleich
angeregt werden, die Professionalisierungsforschung in Österreich konsequent voran-
zutreiben.
Um den Tagungsbeiträgen und damit der aktuellen Forschung zur pädagogischen
Profession (in Österreich) einen zusätzlichen Diskursraum zu bieten, entschieden sich
die Vorsitzenden der tagungsverantwortlichen Sektionen dazu, den vorliegenden Sam-
melband herauszugeben. Dabei war es den Herausgebenden wichtig, mit strukturellen
Bedingungen der Aus-, Fort- und Weiterbildung über Professionalisierungsstrategien
bis hin zu Evaluierungsaspekten verschiedene Facetten der Lehrer*innenbildung abzu-
bilden und Einblicke in laufende Projekte und Forschungsvorhaben zu liefern. Ein be-
sonderes Anliegen war es überdies Forschungsbefunde aus sämtlichen Verbünden der
Lehrer*innenbildung1 in Österreich abzubilden.
Das Ergebnis in Form des vorliegenden Sammelbands, richtet sich dabei nicht aus-
schließlich an Akteure der Lehrer*innenaus-, -fort- und -weiterbildung, sondern will
mit seinen praxisrelevanten Beiträgen auch andere Adressat*innengruppen erreichen.
Abgezielt wird im breiteren Sinne auf bildungswissenscha lich Forschende, re ektie-
rende Praktiker*innen unterschiedlicher Bildungsinstitutionen und Entscheidungsträ-
ger*innen der Bildungspolitik. Das Herausgeber*innenteam hegt dabei die Ho nung,
dass der progressiv formulierte Titel des Bandes möglichst viele Lesende motiviert, den
einen oder anderen eigenen „Einstieg“, „Umstieg“ oder „Aufstieg“ im Kontext von Bil-
dungsbemühungen und Professionalisierungsforschung zu wagen bzw. weiter voranzu-
treiben.
1 Siehe dazu die Erläuterung im Beitrag „Einstiege, Umstiege, Aufstiege – Professionalisierungs-
forschung in der Lehrer*innenbildung als Herausforderung und Chance“.
10 Vorwort
Sämtliche Beiträge dieses Bandes wurden einem Reviewprozess unterzogen. Wir be-
danken uns an dieser Stelle bei allen Gutachter*innen für die konstruktiven und hilfrei-
chen Rückmeldungen.
Ebenso gebührt abschließend allen beteiligten Autor*innen ein Dank für die Mit-
wirkung an diesem Werk. Das Herausgeber*innenteam wertschätzt im Besonderen das
konstruktive Mittragen der qualitätssichernden Prozesse.
Gabriele Schauer, Livia Jesacher-Rößler, David Kemethofer,
Johannes Reitinger und Christoph Weber
Zum Einstieg:
Professionalisierungsforschung in Österreich
Gabriele Schauer, Livia Jesacher-Rößler, David Kemethofer,
Johannes Reitinger und Christoph Weber
Einstiege, Umstiege, Aufstiege – Professionalisierungsforschung
in der Lehrer*innenbildung als Herausforderung und Chance
Reformen der Lehrer*innenbildung sowie die Forderungen nach Evidenzorientierung
in den Bildungssystemen stellten und stellen für die Professionalisierungsforschung in
der Lehrer*innenbildung einen fruchtbaren Boden dar, aus dem ein hoch di erenzier-
tes Forschungsfeld entstanden ist, dessen (Weiter)Entwicklung nicht abgeschlossen ist.
In Anlehnung an den Titel des Sammelbandes stehen mit Einstiegen, Umstiegen
und Aufstiegen dabei die unterschiedlichen Phasen in der Professionalisierung von
Lehrpersonen besonders im Mittelpunkt, z. B. Eingangsvoraussetzungen, Merkmale
„neuer“ Lerngelegenheiten, Charakteristika des pädagogisches Arbeitsumfelds, Schwer-
punktsetzungen in Fort- und Weiterbildungsprogrammen und gesellscha liche Ein-
ussvariablen.
Mit Blick auf günstige Eingangsmerkmale von Lehramtsstudierenden (z. B. kognitive
Fähigkeiten, psychische Stabilität, Motivation) ist etwa von Interesse, ob sich diese im
Kontext der institutionalisierten Professionalisierungsprozesse ausdi erenzieren bzw.
angesichts der permanenten Veränderung des pädagogischen Arbeitsumfeldes auch zu-
kün ig als tragfähig erweisen (Mayr, Bock, Müller & omas, 2021, S. 262). Die Fra-
gen, welche Lehrinhalte oder didaktische Herangehensweisen aktuell in Lehrveranstal-
tungen im Rahmen der Reform der Lehrer*innenbildung (PädagogInnenbildung NEU)
integriert oder welche Lerngelegenheiten dort angeboten werden, sind für die Profes-
sionalisierung bedeutsam und zugleich noch weitgehend o en. Weiters stehen Studien,
die die neuen Zugänge der Lehrer*innenausbildung mit früheren Studienprogrammen
vergleichen, vor einer generellen Herausforderung, da empirisch feststellbare Unter-
schiede zwischen den Kohorten aufgrund der hohen Anzahl potentieller Ein ussvaria-
blen (z. B. gesellscha liche Veränderungen) immer nur bedingt bzw. durch aufwändige
Untersuchungsdesigns (Kontrolle möglicher Ein ussvariablen) auf E ekte der Reform
zurückgeführt werden können (ebd.). Nicht nur der Einstieg in die Lehramtsausbil-
dung, sondern auch der Einstieg in den Beruf steht als besondere Phase des Quali ka-
tionsprozesses im Mittelpunkt vieler Forschungsprojekte (z. B. Keller-Schneider & Her-
icks, 2020; Prenzel et al., 2021). Ein Aspekt, der gerade in den letzten Jahren, bedingt
durch seine Aktualität, Eingang in die Professionalisierungsforschung gefunden hat, ist
die Auseinandersetzung mit Quereinsteiger*innen (vgl. Dedering, 2020). Ebenso wie in
Deutschland bereits einige Bundesländer über einen massiven Lehrer*innenmangel kla-
gen, zeichnet sich auch in Österreich ein Trend in diese Richtung ab (Vogtenhuber et
al., 2021, S.217 .).
Neben der Ausbildung befasst sich die Professionalisierungsforschung auch mit Fra-
gen der Fort- und Weiterbildung. Hierbei beein ussen nationale bildungspolitische Be-
strebungen sowie globale Trends wie etwa die Formierung von Research-Practice-Part-
nerships (Manitius & Bremm, 2021) oder Design-Based-School-Improvement-Ansätzen
Gabriele Schauer, Livia Jesacher-Rößler, David Kemethofer, Johannes Reitinger und Christoph Weber
14
(Mintrop, 2016) die Professionalisierung von Lehrer*innen; daraus lässt sich unter an-
derem die Notwendigkeit von veränderten Fortbildungsformaten ableiten. Auch dies-
bezüglich zeigen sich für die österreichischen Forschungslandscha noch Leerstellen
(Müller, Kemethofer, Andreitz, Nachbaur & Soukup-Altrichter, 2019).
Seit der Einführung der PädagogInnenbildung NEU werden in der österreichischen
Bildungsforschung sukzessive mehr Initiativen sichtbar, die ihre zentralen Forschungs-
fragen auf die Prozesse der Lehrpersonenprofessionalisierung ausrichten (Altrichter et
al., 2021). Durch die Implementierung der neuen Ausbildungsreform kam es zu einer
Reihe an Veränderungen wie etwa der Zusammenführung unterschiedlicher Lehramts-
studientypen oder einer verlängerten Studiendauer (vgl. QSR, 2014). Wenngleich kon-
kretisierte, gemeinsame forschungs- und theoriebasierte Orientierungen die Entwick-
lung der neuen Curricula in den verschiedenen österreichischen Verbünden1 teilweise
nur hintergründig mitbestimmt haben (Weber, Altrichter, Reitinger, Bergmann & Him-
melsbach, 2021, S. 129), so wurden zumindest die „kompetenzbasierte Ausbildung“
und die „wissenscha liche und professionsorientierte Quali kation“ (QSR, 2014, S. 1)
als unbestrittene Leitlinien allgemein anerkannt und im Rahmen der Reformbemühun-
gen in den einzelnen Verbünden berücksichtigt. Dass sich die österreichische Bildungs-
forschung nun der notwendigen Analyse der Wirkungen dieser Reform angenommen
und hierzu bereits eine tragfähige Grundlage an ersten Evidenzen generiert hat, wird in
zahlreichen Beiträgen im vorliegenden Band sichtbar.
Der erste Abschnitt des Bandes (Zum Einstieg: Professionalisierungsforschung in Ös-
terreich) versucht einen vergleichenden Überblick zur aktuellen österreichischen For-
schungslage zu geben. Im zweiten Abschnitt (Professionalisierungsprozesse und Kom-
petenzerwerb in der Lehrer*innenbildung) wird der Blick auf personale Merkmale und
Motive als Beein ussung sowie auf die Veränderung von Merkmalen professioneller
Entwicklung im Zuge der Lehrer*innenbildung geworfen. Der dritte Abschnitt (Lehr-/
Lernkonzepte in der Lehrer*innenbildung bzw. Professionalisierungsforschung) widmet
sich der Beschreibung und Ausdi erenzierung von konkreten Programmen und didak-
tischen Herangehensweisen in der Lehrer*innenbildung. Im vierten Abschnitt wird auf
Rahmenbedingungen durch strukturelle oder regionale Besonderheiten eingegangen
(Strukturelle und regionale Beein ussungsfaktoren im der Kontext Lehrer*innenbildung).
Die Bedeutung des Berufseinstiegs wird schließlich im fün en Abschnitt des Bandes
(Transition: Von der Ausbildung zum Berufseinstieg) thematisiert. Der letzte Teil (Aus-
blick) nalisiert den Band mit einem Beitrag, der die österreichische Lehrer*innenbil-
dung im Lichte internationaler Forschungsentwicklungen diskutiert. Auf diese Weise
wird abschließend einen Blick auf zukün ige weiterführende Forschungsbemühungen
ermöglicht.
1 In Österreich werden Lehramtsstudien für die Sekundarstufe Allgemeinbildung gemeinsam
durch Universitäten und Pädagogische Hochschulen in sogenannten Verbünden organisiert
und angeboten: Verbund West (Tirol und Vorarlberg), Verbund Mitte (Salzburg und Oberöster-
reich), Verbund Nord-Ost (Niederösterreich und Wien) sowie Verbund Süd-Ost (Burgenland,
Kärnten und Steiermark). Synonym werden hierbei o mals statt des Begri s Verbund die Be-
zeichnungen Cluster oder Clusterregionen verwendet.
Einstiege, Umstiege, Aufstiege 15
Zum Einstieg: Professionalisierungsforschung in Österreich
Einführend präsentiert Ferdinand Eder in seinem systematisierenden Beitrag einen
Überblick zur inhaltlichen und methodologischen Ausrichtung österreichischer For-
schungsprojekte zur PädagogInnenbildung NEU. Der Autor zeichnet dabei ein de-
tailliertes Bild der aktuellen Forschungslage und leitet zugleich o ene Fragen und
zukün ige Schwerpunktsetzungen ab, die im Zuge weiterer Forschungsprojekte zur Lehr-
personen professionalisierung berücksichtigt werden sollten.
Professionalisierungsprozesse und Kompetenzerwerb in der
Lehrer*innenbildung
Mittels eines umfassenden Datensatzes generieren die Autor*innen Johannes Mayr, Em-
merich Boxhofer, Georg Krammer, Barbara P anzl und Ernst Nausner eine Grundlage,
um Berufsbiogra en von Lehrpersonen nachzuzeichnen. Dabei werden von den Au-
tor*innen sowohl längsschnittliche als auch querschnittliche Untersuchungen durchge-
führt. Unter anderem werden Befunde zur prognostischen Relevanz von Persönlich-
keitsmerkmalen, zur Wirkung von Lernprozessen während des Lehramtsstudiums, zu
Berufszufriedenheit sowie zur Wahl verschiedener Lau ahnoptionen ermittelt. Die Er-
gebnisse der TEDCA-Studie(n) bestätigen Großteils internationale Befunde zur Leh-
rer*innenbildung, liefern jedoch auch neue Perspektiven etwa im Zusammenhang mit
Auswahlverfahren.
Daniela Martinek, Andreas Bach und Matteo Carmignola befassen sich mit Zusam-
menhängen zwischen berufsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartungen von angehen-
den Lehrkrä en, dem Autonomieerleben im Studium und dem antizipierten Unter-
richtshandeln, wobei hier positive (Autonomieunterstützung und Struktur) sowie
negative (Kontrolle und Chaos) Unterrichtsstrategien unterschieden werden. Die Ergeb-
nisse weisen auf die Bedeutung von Autonomieerleben und Selbstwirksamkeit für die
antizipierte Autonomieförderung und Strukturierung des Unterrichts hin, wodurch die
Relevanz der Ausgestaltung des Studiums in Hinblick auf Selbstbestimmungsmöglich-
keiten sowie Gelegenheiten zum Au au von Selbstwirksamkeitserwartungen hervorge-
hoben wird.
Einen Vergleich der PädagogInnenbildung NEU und ALT nehmen Christoph Weber,
Herbert Altrichter und Johannes Reitinger anhand einer Längsschnittstudie vor. Dabei
fokussieren sie die Entwicklung von professioneller Kompetenz in der Lehramtsausbil-
dung anhand der Elemente unterrichtsbezogene Einstellungen, Selbstwirksamkeitser-
wartungen und Aspekte des beru ichen Selbstkonzepts. Die Befunde zeigen, dass im
Vergleich beider Ausbildungen sowohl ein Rückgang traditioneller Sichtweisen ver-
zeichnet werden kann als auch ein Sinken der empfundenen Selbstwirksamkeit. Weiters
wird im Beitrag auf die unterschiedlichen Wirksamkeiten der Praxisphasen verwiesen
sowie auf die Relevanz, einen kritischen Blick auf die vorliegende Curriculumrevision
zu werfen.
Gabriele Schauer, Livia Jesacher-Rößler, David Kemethofer, Johannes Reitinger und Christoph Weber
16
Im Beitrag von Isabel Wanitschek, Martin Auferbauer, Tamara Katschnig, und Judith
Prorok wird die Perspektive der Lehrerfortbildner*innen beleuchtet. Im Rahmen eines
qualitativen Forschungsprojekts wurde danach gefragt, welche Motive ausschlaggebend
für den Umstieg in Fortbildungstätigkeit sind und wie die Fortbildner*innen ihre Rolle
wahrnehmen bzw. auslegen, aber auch, welche Rollenkon ikte au reten können. Darü-
ber hinaus wird die Frage diskutiert, welche Strukturen und Unterstützungsangebote es
für einen erfolgreichen Wechsel in die Rolle als Fortbildner*in bedarf.
Einen weiteren Aspekt bringen Eeva Kaisa Hyry-Beihammer, Sabine Bruch und Ka-
rin Busch mit ihrem Beitrag in die Diskussion ein. Die Autorinnen thematisieren die
professionelle Entwicklung von Quereinsteiger*innen in der Lehrer*innenausbildung
der Primarstufe. Besonderes Augenmerk legen sie dabei auf die Kohärenz zwischen Er-
fahrungen während der Lehramtsausbildung und früheren beru ichen Erlebnissen und
Erkenntnissen. Mittels einer Interviewstudie wird die Wahrnehmung des Lehrer*in-
nenbildungsprogramms durch Quereinsteiger*innen aufgrund deren bisherigen Erfah-
rungswelt beforscht. Daraus werden in weiterer Folge Implikationen für die Lehrer*in-
nenbildung diskutiert.
Gerda Hagenauer und Franziska Mühlbacher befassen sich in ihrem Überblicksbei-
trag mit Emotionen von Lehrkrä en und den sozial-emotionalen Kompetenzen, die
für einen konstruktiven Umgang mit Emotionen im schulischen Kontext erforderlich
sind. Insbesondere gehen sie auf die Rolle der Lehrer*innen-Schüler*innen-Interaktio-
nen als Hauptquelle von Emotionen ein und arbeiten die Bedeutung von Emotionen,
Emotionskommunikation und Emotionsregulation für die Unterrichtsqualität, die Leh-
rer*innen-Schüler*innen-Beziehung und das beru iche Wohlbe nden heraus. Der Bei-
trag schließt mit Implikationen für die Lehrer*innenbildung und die Professionalisie-
rungsforschung.
Tamara Katschnig, Isabel Wanitschek, Martina Rabl, Andrea Bisanz und Mohamed
Bassam Kabbani greifen in ihrem Beitrag die zentrale Rolle von Lehrerfortbildner*in-
nen im Professionalisierungsprozess von Lehrpersonen auf. Mit Daten einer Fragebo-
generhebung gehen die Autor*innen den Fragen nach, wie die im Feld arbeitenden
Personen ihr Tätigkeitspro l beschreiben, welche Erwartungen und Ansprüche an Fort-
bildner*innen gestellt werden, sei es durch Teilnehmer*innen, durch Au raggeber*in-
nen oder durch sich selbst und welche Kompetenzen Lehrerfortbildner*innen zur
Ausübung des eigenen Berufs für notwendig erachten. Aus den Befunden sollen Rück-
schlüsse für die Rekrutierung und Ausbildung zukün iger Fortbildner*innen gezogen
werden.
Lehr-/Lernkonzepte in der Lehrer*innenbildung bzw.
Professionalisierungsforschung
Vor dem Hintergrund des Schattendaseins des pädagogischen Ethos im Rahmen der
Lehrer*innenausbildung wird im Beitrag von Severin Sales Rödel, Gabriele Schauer,
Malte Brinkmann und Michael Schratz ein ethisch und pädagogisch orientierter Neu-
zugang vorgestellt, der an länderübergreifende Forschungsergebnisse anknüp und zu-
Einstiege, Umstiege, Aufstiege 17
gleich in gängigen eorien zur Lehrpersonenprofessionalisierung verortbar ist. Das
Konzept wird im Beitrag genau beschrieben und mit einem hochschuldidaktischen Ma-
nual ergänzt. Im Rahmen der Umsetzung des Konzeptes werden Studierende mit Blick
auf situative Aufgabenstellungen und auf Basis ethischer Bewertungen und professions-
theoretischer Erwägungen zur Re exion und Positionierung aufgefordert.
Pädagogisch-praktische Studien nehmen in der PädagogInnenbildung NEU einen
hohen Stellenwert ein, was auch in der Adaptierung der Curricula ersichtlich wurde.
Mit Lerngelegenheiten im Rahmen der Schulpraxis beschä igen sich Manuela Gams-
jäger, Michael Himmelsbach und Sonja Lenz. Dabei zeigen die Autor*innen auf, welche
Lerngelegenheiten Studierende im Cluster Mitte in der Praxis tatsächlich erleben und
wie Inhalte aus der Hochschullehre mit Erfahrungen aus der Praxis verknüp werden.
Zusätzlich werden Beein ussungsfaktoren der Nutzung von Lerngelegenheiten durch
Studierende in der Praxis analysiert. Dabei zeigt sich, dass Lerngelegenheiten in den
Bereichen Unterricht beobachten, Unterricht planen und halten sowie im Bereich der
Re exion häu ger von Studierenden genutzt werden. Ebenso wird in dem Kapitel auf
die Ergebnisse der unterschiedlichen Passung von Lehrveranstaltungsinhalten für die
Praktika auf bildungswissenscha licher und fachdidaktischer Ebene eingegangen.
Ein besonderes Konzept im Kontext demokratischer Schulentwicklung stellen Clau-
dia Fahrenwald und Norina Müller in ihrem Beitrag vor. Entlang des Ansatzes „Ler-
nen durch Engagement“, welcher sich aus dem anglo-amerikanischen Konzept „Ser-
vice Learning“ ableiten lässt, diskutieren die Autorinnen die Notwendigkeit veränderter
Fortbildungsformate. Zur erfolgreichen Umsetzung von „Lernen durch Engagement“-
Projekte bedarf es einer fachübergreifenden Herangehensweise, die wiederum durch
kooperative Fortbildungsmaßnahmen, etwa in Form von Professionellen Lerngemein-
scha en, gefördert werden kann. Inwieweit dieses Konzept vor dem Hintergrund struk-
tureller Rahmenbedingungen in Österreich möglich ist, wird im Beitrag unter Zuhilfe-
nahme qualitativer Daten erörtert.
Strukturelle und regionale Beeinflussungsfaktoren im Kontext der
Lehrer*innenbildung
Christian Kraler, Claudia Schreiner, Susanne Roßnagl, Livia Jesacher-Rößler und Fred
Berger diskutieren in ihrem Beitrag den Mehrwert von regionalisierten schulform- und
standortübergreifenden Bildungsprojekten für die Aus- und Fortbildung. In Rückgri
auf verschiedene Informationsquellen veranschaulichen die Autor*innen, wie die Ein-
beziehung Studierender in Forschungsprojekte dazu beiträgt, die Komplexität des Bil-
dungssystems grei ar zu machen und die gewonnenen Erkenntnisse wiederum zur
Professionalisierung von Lehrkrä en zu nutzen. Ein aus Sicht der Autor*innen bislang
noch wenig genutztes Potential liefert dafür der fokussierte Blick auf Modellregionen,
die als solche ein überschaubares Setting darstellen, in dem Befunde vernetzt, integ-
riert und multiperspektivisch interpretiert werden können, ohne an Konkretheit zu ver-
lieren.
Gabriele Schauer, Livia Jesacher-Rößler, David Kemethofer, Johannes Reitinger und Christoph Weber
18
Matthias Müller und Michelle Proyer zeigen in ihrem Beitrag die Problematik struk-
tureller Diskriminierung von international ausgebildeten Lehrer*innen auf, wenn sie
in Österreich in ihrem angestammten Berufsfeld tätig sein möchten. Dabei wird da-
rauf verwiesen, dass sowohl die Ausbildung als auch die bisherigen Erfahrungen als
Lehrpersonen vielfach als ungenügend deklariert werden. Darauf reagierend wurde
der Zerti katskurs „Bildungswissenscha liche Grundlagen für Lehrkrä e mit Flucht-
hintergrund“ initiiert. Im vorliegenden Beitrag wird vor diesem Hintergrund auf das
Spannungsfeld des Nichtanerkennens von Quali zierungen und des Anerkennens als
Lehrperson eingegangen. Als Conclusio benennen die Autor*innen die Notwendigkeit
struktureller Veränderungen zur Verbesserung der (beru ichen) Situation international
ausgebildeter Lehrer*innen.
Transition: Von der Ausbildung zum Berufseinstieg
Den Berufseinstieg von Lehrpersonen (Induktion) beschreiben Gabriele Beer, Astrid
Ebenberger, Sylvia Potzmader und Rudolf Beer als kritisches Ereignis und entscheiden-
den Faktor im beru ichen Sozialisationsprozess. In ihrem Beitrag legen die Autor*in-
nen empirische Befunde zum Belastungsemp nden von Lehrpersonen während der zu-
gleich herausfordernden wie auch freudebereitenden beru ichen Einstiegsphase dar.
Die Mixed-Methods-Studie gibt zudem Einblicke in Bewältigungsstrategien, welche
Studierende im Berufseinstieg mit gleichzeitigem Masterstudium zur Anwendung brin-
gen.
Der Induktionsphase widmen sich auch Anne Frey und Silvia Pichler. Ihr Beitrag fo-
kussiert auf spezi sche Fortbildungen und das Mentoring als wesentliche Hauptsäulen
der Induktion. Die empirische Untersuchung der Autorinnen verwendet im Bundes-
land Vorarlberg gesammelte Daten und rekurriert auf für den Berufseinstieg relevan-
te Entwicklungsaufgaben. Dabei zeigen sich Steigerungen im Kompetenzerleben sowie
eine stabile Lage des Belastungserlebens der beginnenden Lehrpersonen. Die Ergebnis-
se zeichnen die Induktionsphase – und im Besonderen Lerngelegenheiten im Kontext
von Mentoring – als wertvollen Beitrag zur Professionalisierung der Einsteiger*innen
heraus.
Matthias Huber, Manfred Prenzel und Marko Lü enegger reihen sich in die Riege
der Forschenden ein, die die Induktionsphase, also den Berufseinstieg, untersuchen.
Die Ergebnisse der quantitativen Onlinebefragung sowie der qualitativen Interviewstu-
die, in welchen Lehrpersonen der Induktionsphase und Mentor*innen aus ganz Öster-
reich befragt wurden, geben zum einen Einblicke in die lokale Umsetzung sowie Er-
kenntnis über wahrgenommen Herausforderungen durch die Betro enen. Besonders
thematisiert wird im Zuge des Beitrags das ema „Mentoring“. In diesem Zusammen-
hang zeigen die Ergebnisse auf, dass Faktoren wie Zeitmangel und Fachfremdheit den
wahrgenommenen Mehrwert des Mentorings beein ussen können.
Einstiege, Umstiege, Aufstiege 19
Ausblick
Der abschließende Beitrag von Colin Cramer gibt einen Überblick über den Stand der
Lehrer*innenbildungsforschung im deutschen Sprachraum. Ausgehend von einer kur-
zen Skizze der Reformen der Lehrer*innenbildung in Deutschland, Österreich und
der Schweiz, liefert der Beitrag eine Tour d’Horizon über Bereiche der Professionali-
sierungsforschung, die u. a. vom Kerngeschä von Lehrkrä en, dem Unterrichten, hin
zu Konzepten, Methoden und der Geschichte der Lehrer*innenbildung reicht. Ab-
schließend fokussiert der Beitrag auf Perspektiven der Professionalisierung und Pro-
fessionalisierungsforschung. Hier werden insbesondere Forschungsdesiderate, u. a. zur
Bedeutung der Inhalte der Lehrer*innenbildung oder zur Abstimmung von Phasen, In-
stitutionen und Komponenten der Lehrer*innenbildung (Stichwort Kohärenz) hervor-
gehoben. Daneben wird jedoch auch der Bedarf von begri ich-konzeptionellen Klä-
rungen und eorieentwicklung betont.
Die Darlegung der Studienlage zur österreichischen Lehrer*innenbildung im Rah-
men dieses Bandes distanziert sich vom Anspruch der Vollständigkeit. Dennoch wird
aus dem vorgelegten repräsentativen Ausschnitt sichtbar, dass die wichtige Aufgabe der
begleitenden Beforschung der Lehrer*innenbildung an vielen Standorten wahrgenom-
men und erfolgreich vorangetrieben wird. Der „Umstieg“ in eine forschungsbasierte
und evidenzorientierte Auseinandersetzung mit Professionalisierungsprozessen in der
österreichischen Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen scheint also auf dem
richtigen Weg zu sein. Mit Blick in die (Forschungs-)Zukun stellt der aktuelle For-
schungsstand eine gute Ausgangsbasis dar. Dennoch aber wird es in den kommenden
Jahren eine weitere Verdichtung und Akkumulation von Evidenzen zur Lehrer*innen-
bildung brauchen, um den weiter oben skizzierten Herausforderungen hinreichend ent-
gegentreten zu können. Ebenso werden zukün ig weitere (als institutionsübergreifende
Kooperationen gestaltete) Forschungsinitiativen sowohl der Analyse der Bildungspro-
gramme als auch der Ableitung präziserer Schlussfolgerungen dienlich sein. Wenn der
vorliegende Band für die Realisierung dieser zukün igen lehrer*innenbildungsbezo-
genen Initiativen eine informative und unterstützende Ausgangsmarke bietet und da-
bei den einen oder anderen forschungsbezogenen „Einstieg“ oder „Aufstieg“ motiviert,
wäre ein wesentliches Ziel der Herausgeber*innen erreicht.
Literatur
Altrichter, H., Jesacher-Rößler, L., Kemethofer, D., Schauer, G., Reitinger, J., Weber, C. &
Helm, C. (2021). Tagen unter Corona-Bedingungen. Erfahrungen und Re exionen an-
lässlich einer virtuellen Tagung zur Lehrer*innenbildungsforschung. Zeitschri für Bil-
dungsforschung, 11(2), 433–443. http://doi.org/10.1007/s35834-021-00318-2
Dedering, K. (2020). Quer-/Seiteneinsteigende in den Lehrerberuf im Spiegel der empirischen
Forschung. emenbereiche, Befunde und Desiderata. Die Deutsche Schule, 112(1), 91–
104. https://doi.org/10.31244/dds.2020.01.06
Gabriele Schauer, Livia Jesacher-Rößler, David Kemethofer, Johannes Reitinger und Christoph Weber
20
Keller-Schneider, M. & Hericks, U. (2020). Lehrerinnen- und Lehrerbildung in der Berufsein-
gangsphase In C. Cramer, J. König, M. Rothland & S. Blömeke (Hrsg.), Handbuch Leh-
rerinnen- und Lehrerbildung (S.339–344). Bad Heilbrunn: Klinkhardt utb.
Manitius, V. & Bremm, N. (2021). Kooperation von Wissenscha , Praxis und Administra-
tion als Wissenstransferstrategie? Einblicke in ein Schulentwicklungsprojekt zu Schu-
len in sozialräumlichen benachteiligten Lagen in NRW. In I. v. Ackeren, H. G. Hol-
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politik und Bildungspraxis (S. 127–141). Münster: Waxmann.
Ferdinand Eder
Forschungen zur PädagogInnenbildung NEU
Zusammenfassung
Der folgende Beitrag beschreibt die zur Vorbereitung des „FORSCHUNGSFORUM PÄDA-
GOGINNEN BILDUNG NEU“ durchgeführte Suche nach Forschungsprojekten, die sich mit
Aspekten der neuen Pädagog*innenbildung befassen, und die Entwicklung eines Rasters zu
ihrer inhaltlichen und methodischen Beschreibung. Im Anschluss daran erfolgt eine analy-
tische Au ereitung der erfassten Projekte nach den inhaltlichen und methodischen Katego-
rien dieses Rasters sowie eine daraus resultierende Kommentierung der laufenden Forschun-
gen im Hinblick auf eine inhaltliche und methodische Weiterentwicklung.
Die beschriebenen 17 Forschungsprojekte befassen sich vor allem mit Fragen des Zu-
gangs zur neuen Pädagog*innenbildung, insbesondere im Hinblick auf das Aufnahmever-
fahren, sowie mit dem Studienverlauf und den Rahmenbedingungen des Studiums. Einen
besonderen Schwerpunkt bilden auch Forschungen zur Induktionsphase. In methodischer
Hinsicht dominieren empirische Forschungszugänge, in denen überwiegend mit quanti-
tativen, vereinzelt auch qualitativen Zugängen Daten erhoben und analysiert werden. Zur
Verbesserung der Forschungsqualität wird die Einbeziehung weiterer emen, eine stärke-
re Ausrichtung an eorie sowie eine intensivere Vernetzung und Koordination der For-
schungsprojekte empfohlen.
Schlüsselwörter: PädagogInnenbildung NEU; Lehrer*innenbildungsforschung; Forschungs-
projekte; Evaluation
Research on the reformed teacher education
(PädagogInnenbildung NEU)
Abstract
e following article describes the search for research projects dealing with aspects of the re-
formed model of teacher education in Austria (PädagogInnenbildung NEU) and the develop-
ment of a grid for their content-related and methodological description. is is followed by
an analytical processing of the recorded projects according to the content-related and meth-
odological categories of this grid as well as a resulting commentary on the ongoing research
with regard to a further development in terms of content and methodology.
e 17 research projects described deal primarily with questions of access to the new
teacher education, especially with regard to the admission procedure, as well as with the
course of studies and the general conditions of the studies. Research on the induction phase
also forms a special focus. From a methodological point of view, empirical research ap-
proaches dominate, in which data are collected and analyzed predominantly with quanti-
tative, occasionally also qualitative approaches. To improve the quality of research, the
inclusion of additional topics, a stronger orientation towards theory, and more intensive net-
working and coordination of research projects are recommended.
Keywords: Teacher education research projects; evaluation; reformed teacher education Aus-
tria
Ferdinand Eder
22
1. Ein „Jahrhundertgesetz“ als Anlass für Forschung
Die Einführung der PädagogInnenbildung NEU (PB-NEU) war nach Einschätzung
mancher Proponenten ein so massiver Bruch mit der bisherigen Tradition der österrei-
chischen Lehrer*innenbildung, dass ihnen die Bezeichnung „Jahrhundertgesetz“ dafür
angemessen erschien (Messner, Krainz-Dürr & Fischer, 2018). Und tatsächlich signali-
sieren manche Maßnahmen einen klaren Bruch mit der Vergangenheit, insbesondere
die gemeinsame Ausbildung aller Lehrpersonen für die Sekundarstufe I (wenn auch re-
lativiert durch die Beibehaltung getrennter, wenn auch kooperierender Ausbildungsin-
stitutionen).
Eine Reform dieser Größenordnung bedarf der begleitenden Forschung, wobei zu
unterscheiden ist zwischen Evaluationen zur Bewertung des Erfolgs einer Reform ins-
gesamt, und Forschungen, die sich auf konkrete Fragestellungen im Prozess oder Kon-
text der Umsetzung einer Innovation beziehen. Für den erstgenannten Zugang wur-
de vom „Qualitätssicherungsrat für Pädagoginnen- und Pädagogenbildung“ 2019 eine
Evaluierung der PädagogInnenbildung NEU ausgeschrieben und vergeben.1 Unabhän-
gig davon entwickelte sich gleichzeitig an den Pädagogischen Hochschulen und Univer-
sitäten ein breites Forschungsfeld zu sehr heterogenen Fragen der PB-NEU. Dieses steht
im Zentrum des vorliegenden Beitrags.
Unmittelbarer Anlass für einen evaluativen Blick auf diese Forschungen war die
Vorbereitung der ÖFEB-Sektionstagung „Einstiege – Umstiege – Aufstiege“ im Febru-
ar 2021, in deren Rahmen ein „FORSCHUNGSFORUM PÄDAGOGINNENBILDUNG
NEU“ angesetzt war. Die Zielsetzung war, Forschungen zur PB-NEU genauer in den
Blick zu nehmen, einen Überblick über laufende Arbeiten zu gewinnen, Gemeinsam-
keiten zu nden, und die Projekte untereinander in Beziehung zu setzen und zu ver-
netzen.
Der folgende Beitrag beschreibt die im Rahmen der Vorbereitung dieses Forums
durchgeführte Suche nach einschlägigen Projekten und die Entwicklung eines Rasters
zu ihrer inhaltlichen und methodischen Beschreibung. Im Anschluss daran erfolgt eine
analytische Au ereitung der Projekte nach den inhaltlichen und methodischen Katego-
rien des verwendeten Rasters sowie eine daraus resultierende Kommentierung des IST-
Standes im Hinblick auf eine mögliche Weiterentwicklung der Forschung.
2. Sammlung laufender Projekte
Für die Eingrenzung des Vorhabens war zunächst eine Festlegung notwendig, was als
Projekt zur PB-NEU gelten sollte. In Absprache mit dem Organisationsteam der Ta-
gung wurde folgende Festlegung getro en:
„Generell sollen Projekte beschrieben werden, die im Hinblick auf die PädagogInnen-
bildung NEU entwickelt wurden, darauf bezogen sind, auf Schlussfolgerungen dafür
1 Siehe https://www.qsr.or.at/dokumente/1903-20181217-072533-EvaluationAusschreibung
QSR.pdf
Forschungen zur PädagogInnenbildung NEU 23
ausgerichtet sind und eine gewisse Größenordnung haben. Das könnten beispielswei-
se sein:
– Projekte, die Daten aus den Zulassungserhebungen nutzen, sei es zu seiner Op-
timierung oder zur Beantwortung sonstiger Fragen, die mit der Lehrer*innenbil-
dung zu tun haben
– Projekte, die gezielt neue Elemente der PB-NEU thematisieren
– Projekte, in denen die Studierenden der PB-NEU als Datenbringer genutzt werden
– Projekte, in denen allgemeine methodisch-didaktische Konzepte für die Ausbil-
dung in der PB-NEU erprobt werden
– u. Ä.“
Diese Formulierung sollte dazu beitragen, lediglich Projekte mit einem expliziten Be-
zug zur PB-NEU zu erfassen; Projekte ohne diesen Bezug waren aber nicht von vorne-
herein ausgeschlossen.
Die jeweiligen Projektverantwortlichen sollten identi ziert, angeschrieben und um
eine Beschreibung der Projekte ersucht werden. Zusätzlich wurde im Anschreiben dar-
auf hingewiesen, dass es vor allem um „Forschungs“-projekte2 ging.
Die Suche nach solchen Projekten stützte sich – neben dem Wissensstand des Orga-
nisationsteams – auf die Homepages der Pädagogischen Hochschulen bzw. universitä-
ren Institute sowie auf die neu entstandene „Forschungslandkarte“ der Pädagogischen
Hochschulen. Zudem wurden alle einbezogenen Projektverantwortlichen gebeten, wei-
tere einschlägige Projekte zu nennen. Auf diese Weise wurden letzten Endes 17 Projekte
identi ziert, die den oben angeführten Kriterien entsprachen (siehe Anhang)3.
Die identi zierten Projektverantwortlichen wurden angeschrieben und gebeten, in
einer Art digitalem Interview Basisdaten zu ihren Projekten in einen vorgegebenen
Raster einzutragen und zu erläutern, bzw. gegebenenfalls für Rückfrageschleifen ver-
fügbar zu sein. Diese Phase der Datengewinnung zog sich – auch weil der ursprüng-
lich angesetzte Tagungstermin verschoben wurde – über einen längeren Zeitraum hin,
erfolgte aber in fast allen Fällen unter großer Kooperationsbereitscha der angefragten
Personen.
Die hier erfassten Projekte decken die Forschungslandscha nicht vollzählig ab. Das
liegt daran, dass sehr schwer de niert werden kann, ab wann etwas inhaltlich und for-
mal ein „Projekt“ zur PB-NEU ist, nicht zuletzt aber auch daran, dass vermutlich nicht
alle gefunden wurden (und auch nicht alle zur Beteiligung bereit waren). Es handelt
sich damit um eine „anfallende Stichprobe“ (die aber dem Augenschein nach wohl alle
größeren Projekte abdeckt).
2 Die Projekte sollten explizit als Forschung deklariert sein und auch eine gewisse Größenord-
nung aufweisen. Durch PB-NEU veranlasste Neukonzeptionen in der Lehre ohne begleitende
Forschung waren nicht Gegenstand der Erhebung.
3 Eine ausführliche Darstellung der Projekte ndet sich auf der Website „Pädagog*innenbildung
Neu – ÖFEB vernetzt Forschung“ (https://forschungvernetzen.oefeb.at/)
Ferdinand Eder
24
3. Ein Raster zur Beschreibung von Projekten
Mit Blick auf die angestrebten Ziele – „die laufenden Projekte zu sichten, Kooperations-
möglichkeiten aufzuzeigen, die Gewinnung von kumulativer Evidenz zu unterstützen
und den theoretischen Rahmen sichtbar zu machen, in dem sich die Projekte bewegen“
(aus dem Anschreiben an die Projektverantwortlichen) – wurden die folgenden Aspek-
te erfragt:4
Tabelle 1: Übersicht über die Kategorien des Rasters zur Beschreibung der Projekte
Allgemeine Angaben zum Projekt Arbeitstitel, Laufzeit, Verantwortliche
Kurzbeschreibung Allgemeine Intentionen des Projekts
Allgemeines Projektdesign qualitativ – quantitativ – theoretisch
Theoretische Fundierung Art und Zeitpunkt der Theorieentwicklung
Inhaltliche Schwerpunkte
Rekrutierung von Lehrpersonen / Studienentscheidung / Eignung
für Studium und Beruf / Studienverlauf / Rahmenbedingungen
und Gestaltung der Ausbildung / Wirkungen spezifi scher Maßnah-
men / Ausbildungserfolge und Ausbildungsergebnisse / Anderes
Inhaltliche und organisatorische
Vernetzung
Einbindung in ein anerkanntes theoretisches Framework / Natio-
nale Kooperationen / Internationale Kooperationen
Projektstand / Projektertrag
Arbeiten laufend, Datenerhebungen / Daten etc. wurden bereits
für Publikationen genutzt / aus Daten, Auswertungen etc. wurden
bereits Konsequenzen für die LB gezogen
Projektbezogene Publikationen Anzahl, Hinweise zur Auffi ndung
Ergänzend zu den vorgegebenen Kategorien wurden jeweils zusätzliche Aspekte und er-
läuternde Hinweise zu den Angaben erbeten.
4. Ergebnisse
4.1 Eine diverse Forschungslandschaft
Ein erstes Bild der inhaltlichen Ausrichtung ergibt sich aus der Verteilung der For-
schungsthemen, wie sie im Beschreibungsraster explizit aufgelistet sind (vgl. Tabelle 2).
Es handelt sich um Mehrfachangaben, sodass die Zahl der Angaben nicht mit der Zahl
der Projekte identisch ist. Die Verteilung der Angaben deutet zunächst auf drei größe-
re Schwerpunkte:
– Zugang zum Studium einschließlich Aufnahmeverfahren
– Rahmenbedingungen und Verlauf der Ausbildung
– Anderes, insbes. Induktionsphase
4 Die Erstellung des Rasters erfolgte in enger Zusammenarbeit mit Johannes Reitinger und Chris-
toph Weber. Beiden danke ich auch für kritische Rückmeldungen zum vorliegenden Beitrag!
Forschungen zur PädagogInnenbildung NEU 25
Tabelle 2: Angaben zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Projekte
Projekt Nr. 1234567891011121314151617Summe
Zugang und Aufnahmeverfahren
1. Rekrutierung von
Lehrpersonen • ••• 4
2. Studienentscheidung •• • ••• 6
3. Eignung für Studium
und Beruf • • ••• 5
Rahmenbedingungen und Verlauf der Ausbildung
4. Studienverlauf • •• ••• • 7
5. Rahmenbedingun-
gen und Gestaltung
der Ausbildung
• •••• • •• 8
6. Wirkungen spezi-
fi scher Maßnahmen ••• • • 5
7. Ausbildungserfolge
und Ausbildungser-
gebnisse
• ••• • 5
Anderes
8. Induktionsphase,
spez. Veranstaltun-
gen
••••4
Anmerkung: Ein Punkt bedeutet, dass die jeweilige Kategorie angegeben wurde.
Sechs Projekte sprechen zwei von diesen größeren Schwerpunktbereichen an (insbeson-
dere eine Kombination aus „Zugang“ und „Studienverlauf “); als Einzelkategorie domi-
niert das ema „Rahmenbedingungen und Gestaltung der Ausbildung“, das in etwa
der Häl e der erfassten Projekte vorkommt.
Für die Strukturierung des Forschungsforums auf der oben genannten Sektionsta-
gung wurde auf Basis der Projektbenennungen, der genannten Forschungsthemen und
der mitgelieferten Kurzbeschreibungen versucht, die Hauptintention der einzelnen Pro-
jekte auf eine Kurzformulierung zu reduzieren und entsprechenden Kategorien zuzu-
ordnen. Die daraus resultierende, etwas di erenziertere Beschreibung der Forschungs-
intentionen ist in Tabelle 3 dargestellt.
Die erste Zeile der Tabelle 3 enthält die übergeordneten Kategorien, nach denen die
Projekte letzten Endes zugeordnet wurden, wobei manche – relativ breit angelegte –
Projekte eine mehrfache Zuordnung sinnvoll erscheinen ließen.
Einen großen Schwerpunktbereich bilden emenstellungen, die sich auf Kompo-
nenten der Ausbildung beziehen, die in der PB-NEU tatsächlich neu oder deutlich ver-
ändert eingeführt wurden: Das verbindlich vorgesehene Aufnahmeverfahren und die
Induktionsphase. Bei ersterem geht es darum, diese – österreichweit unterschiedlich
implementierten – Verfahren zu evaluieren und weiterzuentwickeln, insbesondere auch
unter der Perspektive, valide und verlässliche Prädiktoren zumindest für die Vorher-
Ferdinand Eder
26
Tabelle 3: Überblick über die inhaltliche Ausrichtung der Forschungsprojekte
Veränderung
personbezogener
Merkmale
Studienbedingungen
(Hochschule,
Praktikum)
Erwerb berufs be zo-
gener Merkmale /
Kompetenzen
Induktionsphase Lehrkonzepte („Tools“) Aufnahmeverfahren
im Kontext der Päda-
gogInnen bildung NEU
Personale Merkmale;
Veränderung durch/
während Ausbildung
(SMILE)
Biographische, kogni-
tive und motivationale
Merkmale bei Rekrutie-
rung (LASTK)
Einschätzung der
Studienbedingungen
(SMILE)
Erleben des Studiums
und Emotionales Be-
fi nden nach Schulprak-
tikum (ELLIS)
Identifi kation von Lern-
gelegenheiten;
Deskription von Stu-
dierbarkeit und Zufrie-
denheit (L3)
Befi nden (Emotionaler
Status) nach dem ers-
ten Schulpraktikum
(EMOT)
Bewältigung von
Unter richtssituationen
(SMILE)
Entwicklung von Pro-
fessionalität (Pädago-
gisches Denken, sub-
jektive Theorien)
(ELLIS)
Realisierung des neuen
Curriculums:
Wie nehmen Studieren-
de die Bedeutsamkeit
von Ausbildungskompo-
nenten wahr (ELLIS)
Einstellungen und
selbstberichtete Kom-
petenzen im Lauf des
Studiums (L3)
Begleitung der Induk-
tionsphase –
Problemerhebung
(BLP)
Professionalitätsent-
wicklung beim Berufs-
einstieg;
Nutzen von Lehrveran-
staltungen (INDUK2)
Belastung und Kompe-
tenzerleben der Ein-
steiger*innen; Art der
Begleitung durch Men-
tor*innen (INDUK1)
Evaluation der Induk-
tionsphase im Hinblick
auf ihre Implementie-
rung (INDUK3)
Weiterentwicklung
von Lerntagebuch und
Prozessportfolio zum
Umgang mit kritischen
Lernereignissen;
Optimierung des Kon-
zepts „Arbeit mit Fällen“
(PROBELE)
Weiterentwicklung und
Evaluierung des Tools
„Klassenführungs-
strategien“
(LLEKLAS)
Lernangebot zur Ent-
wicklung von Päda-
gogischem Ethos;
Entwicklung eines
Manuals (ELBE)
Verbindung von Theorie
und Praxis (LBB)
Entwicklung eines
Evaluationskonzepts
(AGELA)
Evaluierung des Aus-
wahlverfahrens durch
Bezug auf Studium und
Beruf (TESAT1)
Erfolgsprognose auf
Basis von Auswahl-
daten (TESAT2)
Weiterentwicklung des
Aufnahmeverfahrens
(EEQA)
Anmerkungen: Abkürzungen der Projektbezeichnungen siehe Anhang.
Forschungen zur PädagogInnenbildung NEU 27
sage des Studienerfolgs zu nden. In diesem Kontext sind auch Projekte zu sehen, die
den Blick auf die mitgebrachten (Persönlichkeits-)Merkmale der Studienbewerber*in-
nen richten und der Frage nachgehen, ob es im und durch das Studium zu Verände-
rungen in diesen Merkmalen kommt.
Bezüglich der Induktionsphase steht im Vordergrund, ihren Ablauf generell zu eva-
luieren, au retende Probleme zu erkennen, hilfreiche Formen von Mentoring zu entwi-
ckeln und insgesamt den Prozess der Professionalitätsentwicklung zu begleiten.
Die Studienbedingungen an der Hochschule/Universität bilden einen zweiten gro-
ßen Forschungskomplex. Hier geht es darum, die Studienbedingungen vor allem aus
der Perspektive der Studierenden zu rekonstruieren, ihre emotionale Be ndlichkeit und
ihre Zufriedenheit mit dem Studium zu beschreiben sowie nachzuzeichnen, wie pro-
fessionelle Kompetenzen und berufsbezogene Einstellungen im Laufe des Studiums er-
worben werden. Unter diesen Bereich fällt auch die Intention, Lehrkonzepte zu ent-
wickeln und zu erproben, die dafür in inhaltlicher oder methodischer Hinsicht einen
wirk samen Beitrag leisten könnten.
Die vorgenommene Gruppierung bzw. Einordnung gibt einen groben Überblick
über die Ausrichtung der erfassten Projekte. In der Zusammenschau ergeben sie ein
insgesamt umfangreiches und di erenziertes Forschungsprogramm, das wesentliche
Komponenten der neuen Pädagog*innenbildung anspricht.
4.2 Theoretische und methodische Anbindung der Forschungsprojekte
Die oben angesprochenen Forschungsprojekte sind wissenscha stheoretisch am ehes-
ten einer „prozessorientierten“ Forschungsstrategie zuzuordnen. Im Anschluss an Cron-
bach charakterisiert Krapp (2011, S.209) diese Forschungsstrategie wie folgt: „Das zen-
trale Anliegen der (allgemeinen) prozessorientierten Forschung ist die Au lärung von
Abläufen, Entwicklungen und funktionalen bzw. kausalen Beziehungen“. Und zur Rolle
der eorie: „Auf der Ebene wissenscha stheoretischer und methodologischer Überle-
gungen wird stets großer Wert auf die Feststellung gelegt, dass die Auswahl geeigneter
Forschungsstrategien und Messmethoden der Intention der eorieentwicklung unter-
geordnet ist. Gefordert wird eine top-down-Strategie der Forschungsplanung, bei der
es zunächst darauf ankommt, bislang ungelöste (theoretische) Probleme zu identi zie-
ren um daraus weiterführende Fragestellungen zu entwickeln, die mit empirischen Me-
thoden untersucht werden können.“ (Krapp, 2011, S.209) eorieentwicklung, so im-
pliziert diese Position, sollte demnach in einer Art Top-down-Prozess vor der Auswahl
von Strategien und Messmethoden etc. erfolgen. Allerdings bezweifelt Krapp, „dass
dieses Idealmodell wissenscha lichen Arbeitens häu g mit der tatsächlichen Arbeits-
weise empirisch orientierter Forschergruppen übereinstimmt. Ich vermute, dass Wis-
senscha lerInnen in der Regel ziemlich pragmatisch vorgehen, wenn sie ein neu-
es Forschungsprojekt planen. Der Wunsch nach „Verbesserung“ oder Erweiterung des
theoretischen Wissens in einem pädagogisch bedeutsamen emengebiet spielt dann
eine eher untergeordnete Rolle.“ (S.211).
Ferdinand Eder
28
Bei der Frage nach der theoretischen Fundierung der Projekte, die im Projektras-
ter vorgegeben wurde, geht es um das zeitliche Verhältnis zwischen eorieentwick-
lung und Datensammlung sowie die Einbindung der Projekte in anerkannte theoreti-
sche Modelle bzw. in die scienti c community. Bei 8 der 17 Projekte wird angegeben,
dass eorie vorher entwickelt wurde (was dem oben angeführten „Idealmodell“ ent-
sprechen würde), bei den übrigen, dass eorie vorher entwickelt, aber auch laufend
weiterentwickelt werde (5), bzw. dass die theoretische Auseinandersetzung erst parallel
zur Datensammlung und Auswertung statt ndet. Hier wird also teilweise eine Art Bot-
tom-up-Strategie der eorieentwicklung angewendet, die realistischerweise wohl so zu
verstehen ist, dass entweder nach Vorliegen von Daten überlegt wird, welche theoreti-
schen Modelle zu ihrem Verständnis herangezogen werden könnten, oder dass theore-
tische Vorannahmen mit Blick auf die erhaltenen Daten modi ziert werden. Beide Stra-
tegien sind wissenscha stheoretisch eher fragwürdig, können aber durchaus auch zu
neuen Erkenntnissen führen.
Bei 11 Projekten erfolgt eine Orientierung an einem explizit genannten theoreti-
schen Rahmen – angeführt werden hier vor allem das FIT-CHOICE-Modell (Watt &
Richardson, 2007), das Kompetenzmodell von Baumert und Kunter (2011), das EPIK-
Modell (Schratz, Paseka & Schrittesser 2011) oder auch einzelne Untersuchungen, die
als Ausgangspunkte und Orientierung herangezogen werden.
Die Einbindung in Forschungsnetzwerke ist unterschiedlich intensiv: 4 Projekte be-
richten nationale und internationale Kooperationen, 7 ausschließlich nationale, 2 aus-
schließlich internationale, und 4 Projekte geben keine Kooperationen an. Vernetzung
wird entweder als Kooperation mit anderen Einrichtungen oder als Anbindung an be-
stehende Forschungsgruppen im jeweiligen emenfeld verstanden.
4.3 Methodische Ausrichtung
Bei der methodischen Anlage von sozialwissenscha lichen Forschungsprojekten spielt
zunächst die Unterscheidung eine Rolle, ob es sich um „theoretische“ oder um „empiri-
sche“ Zugänge handelt. Empirische Zugänge arbeiten prinzipiell nach dem Muster, dass
in irgendeiner Form Daten erhoben und diese mit theoretischen Annahmen in Verbin-
dung gesetzt werden, und auf diese Weise „neues“ Wissen generiert wird. eoretische
Analysen sind dadurch charakterisierbar, dass sie bereits vorhandenes Wissen, Konzep-
te, Ideen und Denkformen zur Untersuchung, Re exion oder Diskussion von Frage-
stellungen oder Problemen heranziehen und auf diese Weise die Neuformulierung oder
Weiterentwicklung von eorien oder Modellen anregen oder dazu beitragen.
Mit Bezug auf eine solche Unterscheidung sind alle erfassten Projekte „empirisch“,
also auf die Generierung neuen Wissens im weitesten Sinne ausgerichtet; „theoretische“
Analysen wurden auch im Rahmen größerer Projekte nicht genannt. Im Hinblick auf
die Datenerfassung enthalten 7 der 17 Projekte quantitative und qualitative Anteile, 6
verstehen sich als ausschließlich quantitativ, 4 als ausschließlich qualitativ.
Di erenziert nach groben methodischen Zugängen ergibt sich die in Tabelle 4 dar-
gestellte Aufgliederung.
Forschungen zur PädagogInnenbildung NEU 29
Tabelle 4: Methodische Zugänge
Quantitative Zugänge Qualitative Zugänge
Deskriptive Analysen 10 Dokumentenanalyse 1
Korrelationsstudien 9Interviewstudien 8
Wirkungsforschung 6Gruppendiskussion 3
Evaluationsforschung 10 Handlungsforschung 2
Anmerkung: Eigenangaben aus den Projektbeschreibungen. Mehrfachnennungen möglich.
Vor allem bei den eher quantitativ ausgerichteten Projekten werden häu g verschiede-
ne Zugänge miteinander verknüp , sodass relativ komplexe Projektstrukturen entste-
hen, die in Einzelfällen dem Konzept von „mixed methods“ entsprechen würden.5 Bei
den qualitativen Zugängen dominieren Interviewstudien.
4.4 Nutzung der Forschungsergebnisse
Zum Zeitpunkt der Erhebung (bis Anfang 2021) werden im Großteil der Projekte (13)
die Daten bereits für Tagungsbeiträge und Publikationen genutzt. Zum Erhebungszeit-
punkt wurden explizit 26 Publikationen, 16 Tagungsbeiträge sowie 4 vorliegende Pro-
jektberichte genannt. Es ist anzunehmen, dass diese Anzahl in der Zwischenzeit deut-
lich gestiegen ist.
Die angeführten Publikationen verteilen sich auf unterschiedliche Publikationsfor-
mate wie Zeitschri en (15), Buchbeiträge (7), Referate bei übernationalen (3), nationa-
len (1) und regionalen (7) Tagungen; ein großer Teil ist aber auch (noch) graue Litera-
tur (7) oder Sonstiges (1).
Bei 10 Projekten wird angeführt, dass aus den Projektergebnissen auch bereits Kon-
sequenzen für die Ausbildung gezogen wurden.
5. Anmerkungen zum IST-Stand und zur weiteren Entwicklung
Für die Beforschung der PB-NEU, wie sie aus der vorliegenden Darstellung sichtbar
wird, besteht kein expliziter Forschungsau rag. Die laufenden Forschungsarbeiten re-
sultieren vielmehr aus Entscheidungen einzelner Personen oder einzelner Einrichtun-
gen, die in den meisten Fällen untereinander nicht koordiniert sind. Das begünstigt
– auch vor dem Hintergrund von eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten – Fo-
kussierungen auf leicht zugängliche Fragestellungen, was wiederum Lücken in anderen
5 Unter „mixed methods“ wird grundsätzlich eine „wissenscha stheoretisch re ektierte“ Ver-
bindung von qualitativen und quantitativen Forschungszugängen verstanden (Döring & Bortz,
2016, S. V). Die aufeinander abgestimmte Erfassung von Studiermotiven durch eine quantitativ
ausgerichtete Motivskala in Verbindung mit Leitfadeninterviews, die auf die Dimensionen die-
ser Skala ausgerichtet sind, würde beispielsweise einem solchen Zugang entsprechen.
Ferdinand Eder
30
Bereichen impliziert. Unabhängig davon lässt sich aber feststellen, dass die Gesamtheit
der erfassten Projekte ein sehr breites Spektrum an relevanten emen aufweist.
Aus einer externen Perspektive erscheinen zwei Fragestellungen sinnvoll: (1) Wird
inhaltlich „das Richtige“ beforscht, und (2) erfolgt die Forschung auf eine angemessene
Art und Weise, d. h. entsprechend den Qualitätsstandards, die sich auf Forschung anle-
gen lassen.
Inhaltlich decken die beschriebenen Forschungen in ihrer Gesamtheit viele wichtige
Aspekte der PB-NEU ab, insbesondere das Aufnahmeverfahren, die Studienbedingun-
gen und die Induktionsphase. Weniger im Fokus stehen die Arbeit in den Praktika oder
die Ergebnisse der Ausbildung im Verständnis tatsächlich erworbener Kompetenzen.6
Eine Einordnung der erfassten Projekte in das Modell „Kontext – Input – Prozess –
Output“, das häu g zur Beschreibung von Entwicklungen im Bildungsbereich herange-
zogen wird, würde zeigen, dass der ganz überwiegende Teil in die Kategorie „Prozess“
fällt. Nur ein Projekt befasst sich explizit mit der Input-Frage, welche Personen in die
PB-NEU eintreten, und auch die Projekte, in denen es um den Erwerb von Kompeten-
zen geht, weisen eher in die Richtung, wie Kompetenzen erworben werden, und weni-
ger, in welchem Ausmaß angestrebte Kompetenzen tatsächlich erreicht werden. Auch
die Evaluationsprojekte zum Aufnahmeverfahren stehen weniger unter der Perspektive:
„Suchen wir – im Hinblick auf eine erfolgreiche Tätigkeit als Lehrer*in – die Richtigen
aus?“, sondern eher, für welche Erfolgskriterien im Studium (Noten etc.) die erfassten
Merkmale prädiktiv sind (wobei die beiden Perspektiven natürlich ineinander überge-
hen). Auch Kontextfaktoren wie etwa die Begleitfolgen der regionalen Clusterbildung
werden nicht explizit angesprochen.
Methodisch erscheint eine stärkere Auseinandersetzung mit eorie wünschens-
wert. Viele Projekte sind zunächst einmal auf eine Sammlung von Daten ausgerichtet,
was einen wichtigen Zugang darstellt. Wie auf Basis dieser Daten weitergearbeitet wird,
ist dann Gegenstand einer laufenden eorieentwicklung. Ein solcher Zugang ist, wie
Krapp (2011) vermutet, nicht unüblich, aber doch mit erheblichen Problemen hinsicht-
lich der Belastbarkeit von Ergebnissen verbunden.
Die Verfahren zur Datenerhebung beschränken sich – ausgenommen die Projekte
zum Aufnahmeverfahren, in denen Daten aus Testverfahren herangezogen werden –
stark auf Zugänge, in denen die Studierenden als Auskun spersonen über sich selbst
und ihre Lernumwelt verwendet werden. Die damit verbundene Subjektivität schränkt
die Belastbarkeit der Ergebnisse vor allem dort ein, wo es um tatsächliches Wissen und
Können geht. Di erenziertere Aussagen zu den Datengewinnungsmethoden sind – weil
nicht entsprechend erhoben wurde – nicht möglich. Aus den Beschreibungen ergibt
sich jedoch insgesamt der Eindruck, dass „Befragung“ (o en oder geschlossen, münd-
lich oder schri lich) und „Testung“ (im Rahmen der Aufnahmeverfahren) die dominie-
renden Methoden der Datengewinnung sind. Davon abweichende Zugänge – z. B. Be-
obachtung oder Experiment – kommen in den Beschreibungen nicht vor.
Für eine Weiterentwicklung der Forschungsqualität sollte daher mehr Fokus auf
eorie, Methodik und Design gelegt werden. Dazu gehören, um nur einige Stichworte
6 Die Aussagen zur inhaltlichen Ausrichtung stützen sich auf die im Fragebogen angeführten For-
schungsthemen und die Kurzbeschreibungen der Projekte.
Forschungen zur PädagogInnenbildung NEU 31
zu nennen, zusätzliche theoretische Analysen zu Fragen des Lehrberufs7, Überlegungen
zu Wirkmodellen, aussagefähige eorie-Methoden-Verknüpfungen, Erweiterung des
Methodenspektrums um Zugänge, die nicht nur auf Befragung im weitesten Sinne ba-
sieren, und Mixed-methods-Zugänge, um die Belastbarkeit von Ergebnissen zu erhöhen.
Und nicht zuletzt sollte durch sinnvolle externe Kooperationen dem bias entgegenge-
wirkt werden, der zu befürchten ist, wenn Forscher*innen oder Forschungsreinrichtun-
gen ihre eigene Praxis beforschen.
Für eine breitere inhaltliche Abdeckung des Forschungsfeldes erschiene es wich-
tig, Forschungsintentionen und Projekte einzelner Personen oder Einrichtungen bereits
im Vorfeld stärker untereinander in Beziehung zu bringen, sodass Zugänge koordiniert
und allenfalls auch kooperativ organisiert werden können. Eine solche Vorgangswei-
se setzt entsprechende Formate für Austausch und Koordinierung voraus, würde aber
dazu beitragen, dass Forschung ächendeckender und inhaltlich strukturierter organi-
siert wird und durch Kooperation und Austausch an Qualität gewinnt.
Literatur
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doi.org/10.1007/s35834-021-00320-8
7 Solche Analysen zielen primär darauf ab, bestehende theoretische Annahmen kritisch zu re-
ektieren (vgl. z. B. Neuweg, 2021), weiterzuentwickeln oder neue eorien oder Modelle zur
Lösung von Problemen zu entwerfen. Im Bereich der PB-NEU zeichnen sich vielfältige Frage-
stellungen ab, die der theoretischen Aufarbeitung bedürfen, etwa zum Verhältnis von Persön-
lichkeitsmerkmalen und Kompetenzen bei der Auswahl von Lehramtsstudierenden, zur Ange-
messenheit des hinter der neuen Ausbildung stehenden Berufsbildes und Rollenverständnisses
von Lehrpersonen vor dem Hintergrund der laufenden gesellscha lichen Trends wie Digitalisie-
rung und Klimawandel, Modellvorstellungen zum Verhältnis von Wissen, Können und prakti-
schem Handeln in der Ausbildung, um nur einige Beispiele zu nennen.
Ferdinand Eder
32
Schratz, M., Paseka, A. & Schrittesser, I. (Hrsg.). (2011). Pädagogische Professionalität: quer
denken – umdenken – neu denken. Impulse für next practice im Lehrerberuf. Wien:
facultas.wuv. Verfügbar unter: https://elibrary.utb.de/doi/book/10.24989/9783990302101
Watt, H. M. G. & Richardson, P. W. (2007). Motivational Factors In uencing Teaching as a
Career Choice: Development and Validation of the FIT-Choice Scale. e Journal of Ex-
perimental Education, 75(3), 167–202. https://doi.org/10.3200/JEXE.75.3.167-202
Forschungen zur PädagogInnenbildung NEU 33
Anhang: Projektliste8
Nr. Abk. Projektverantwortliche Forschungs-
partner
Kurzbeschreibung
1 SMILE Burkhard Gniewosz Lehramts-
studierende
Weiterentwicklung von Eingangs-
merkmalen
2 LASTIK Johannes Mayr, Florian Müller,
Almut Thomas
Lehramts-
studierende
Vergleich Lehramtsstudierende
des alten und neuen Curriculums
3 ELLIS Eeva Kaisa Hyry-Beihammer
u. a.
Lehramts-
studierende
Professionalitätsentwicklung
während des Studiums
4 AGELA Michael Hofer Lehramts-
studierende
Evaluation des neuen Lehramts-
studiums
5 PROBELE Christine Plaimauer Lehramts-
studierende
Beobachtung der Professionali-
tätsentwicklung im Kontext eines
Ausbildungstools (Prozessport-
folio)
6 LLEKlas Elisabeth Seethaler, Barbara
Pfl anzl, Petra Hecht, Georg
Krammer
Lehramts-
studierende
Evaluierung eines Lehrveran-
staltungskonzepts zur Klassen-
führung
7 L3 Christoph Weber, Herbert
Altrichter, Johannes Reitinger
u. a.
Lehramts-
studierende
Linzer Längsschnittstudie zur
Lehrer*innenbildung
8 TESAT1 Aljoscha Neubauer, Florian
Müller, Johannes Mayr,
Barbara Weißenbacher u. a.
Lehramts-
studierende
Entwicklung des Aufnahmever-
fahrens
9 TESAT2 Aljoscha Neubauer, Barbara
Weißenbacher, Corinna
Koschmieder u. a.
Lehramts-
studierende
Einfl ussfaktoren auf Studien- und
Berufserfolg
10 EEQA Aljoscha Neubauer, Florian
Müller, Johannes Mayr,
Barbara Weißenbacher u. a.
Lehramts-
studierende
Evaluation und Verbesserung des
Aufnahmeverfahrens
11 ELBE Michael Schratz, Malte Brink-
mann, Sales Rödel, Gabriele
Schauer, Eveline Christof u. a.
Lehramts-
studierende
Ethos im Lehrberuf: Manual
12 BLP Johannes Dammerer Lehramts-
studierende
Berufseinstieg von beginnenden
Lehrpersonen
13 INDUK1 Anne Frey, Silvia Pichler Einstei-
ger*innen,
Mentor*in-
nen
Begleitung des Berufseinstiegs
14 EMOT Elisabeth Haas, Klaus
Schneider
Lehramts-
studierende
Befi nden nach Schulpraktikum
8 Kontaktinformationen zu den projektverantwortlichen Personen sind über die Website „Päda-
gog*innenbildung Neu – ÖFEB vernetzt Forschung“ (https://forschungvernetzen.oefeb.at/) re-
cherchierbar.
Ferdinand Eder
34
Nr. Abk. Projektverantwortliche Forschungs-
partner
Kurzbeschreibung
15 LBB Heike Welte, Regine Mathies Lehrer*in-
nen, Berufs-
bildung
Chancen und Herausforderungen
durch die Einführung des neuen
Lehramts Sekundarstufe Berufs-
bildung – Evaluation
16 INDUK2 Elisabeth Haas, Klaus
Schneider, Vasileios
Symeonidis
Einstei-
ger*innen,
Mentor*in-
nen
Professionalitätsentwicklung im
ersten Berufsjahr; Bewertung von
Lehrveranstaltungen
17 INDUK3 Manfred Prenzel, Marko
Lüftenegger
Einstei-
ger*innen,
Mentor*in-
nen
Evaluation Induktionsphase
Professionalisierungsprozesse
und Kompetenzerwerb
in der Lehrer*innenbildung
Johannes Mayr, Emmerich Boxhofer, Georg Krammer, Barbara Pflanzl und Ernst Nausner
TEDCA – Teachers’ Education, Development and
Career in Austria
Genese, Design und exemplarische Ergebnisse einer Studie
zur Berufsbiografie von Lehrkräften
Zusammenfassung
Das Projekt Teachers’ Education, Development and Career in Austria (TEDCA) kombiniert
vier Längsschnittstudien, die teilweise bereits seit mehr als drei Jahrzehnte laufen. Ziel ist
die Erforschung der Berufsbiogra e von Lehrkrä en – von der Studienwahl über die Aus-
bildungszeit bis zur Phase der Berufstätigkeit, einschließlich eventueller Karriereschritte in-
ner- und außerhalb des Bildungssystems. Es sollen vertie e Einsichten auch in bisher wenig
beachtete Aspekte der Lehrer*innenlau ahn gewonnen werden und dadurch – neben wis-
senscha lichen Erkenntnissen – auch empirische Grundlagen für die Entwicklung von Mate-
rialien für die Lau ahnberatung und die Lehrer*innenbildung gescha en werden. Die jüngs-
te, alle Teilprojekte umfassende Erhebung startete 2018 und erfasste Daten von rund 900
Absolvent*innen aller österreichischen Pädagogischen Akademien bzw. Hochschulen aus den
Jahren 1988 bis 2017 zu emenbereichen wie Persönlichkeit, Kompetenzen, Be nden, Ler-
nen im Beruf und Karrierewege.
Schlüsselwörter: Berufsbiogra e, Lernvoraussetzungen, Lerngelegenheiten, professionelle
Kompetenz, Lehrer*innenbildung
Genesis, Design and Exemplary Results of a Study on
Teachers’ Professional Biography
Abstract
e project Teachers’ Education, Development and Career in Austria (TEDCA) combines
four longitudinal studies, some of which have been ongoing for more than three decades.
e purpose of this project is to investigate teachers’ biographies – from choosing a course
of study and training, through the years in the profession, and up to career decisions within
and outside the education system. is project aims at gaining in-depth insights into teach-
ers’ biographies which o en remain invisible, and underpin developing research-based study
materials for teacher education and career counselling purposes. e most recent survey
started in 2018 and addressed approximately 900 graduates of university colleges of teach-
er education who completed their degree between 1988 and 2017 covering areas such as per-
sonality, competencies, wellbeing, professional development and career paths.
Keywords: Professional biography, prerequisites of learning, opportunities to learn, profes-
sional competence, teacher education
Johannes Mayr, Emmerich Boxhofer, Georg Krammer, Barbara P anzl und Ernst Nausner
38
1. Ausgangspunkt und Forschungsinteresse
Im Projekt Teachers’ Education, Development and Career in Austria (TEDCA) wird die
Berufslau ahn von Lehrpersonen in Quer- und Längsschnitten erkundet – vom Pro-
zess der Studienwahl über den Kompetenzerwerb im Studium bis hin zum Berufsein-
tritt und zur Entwicklung im Beruf. Darüber hinaus werden etwaige Karrierewege im
Bildungswesen, ein Wechsel in andere Berufsfelder oder der Ausstieg aus der Erwerbs-
tätigkeit in den Blick genommen. Bezüglich all dieser Lern- und Entscheidungsprozesse
wird gefragt, von welchen individuellen Merkmalen und welchen kontextuellen Bedin-
gungen sie beein usst werden.
Diese breite Perspektive war zu Beginn der Forschungen vor rund vier Jahrzehnten
nicht absehbar. Den Ausgangspunkt bildete nämlich ein eng begrenztes Vorhaben, und
zwar die Evaluierung eines Auswahlverfahrens für Lehramtsstudierende an der Päda-
gogischen Akademie der Diözese Linz (Mayr, Eder & Riedl, 1985). Die Ergebnisse die-
ser Evaluierung elen ernüchternd aus: Die im Zentrum der Auswahlprozedur stehen-
den kognitiven Merkmale wie Schulleistungen und Intelligenz erwiesen sich nur für die
akademischen Studienleistungen als substanziell vorhersagefähig, nicht jedoch für die
als wichtiger erachteten schulpraktischen Leistungen.
Eine zeitgleich begonnene österreichweite Studie (Urban, 1984, 1992) bestätigte die
Linzer Ergebnisse bezüglich der beschränkten Relevanz kognitiver Merkmale. Sie zeig-
te aber auf, dass die schulpraktischen Leistungen und auch das spätere Be nden im Be-
ruf durch nicht kognitive Persönlichkeitsmerkmale wie Extraversion oder Überich-Stär-
ke vorhergesagt werden können. Diese Befunde passten allerdings nicht zum damaligen
wissenscha lichen Mainstream, der die Bedeutung von relativ stabilen Persönlichkeits-
merkmalen für das Handeln von Menschen bezweifelte (Mischel & Peak, 1968) und die
Beachtung solcher Merkmale im pädagogischen Kontext sogar für gefährlich hielt, weil
sie das Nicht-Lernbare betonten (Haag & Lohrmann, 2006).1
Angestoßen durch die Befunde von Urban und die erwähnten wissenscha lichen
Dispute begann der Erstautor des vorliegenden Beitrags, den von Urban verwendeten
Persönlichkeitsfragebogen Studienanfänger*innen vorzulegen. Ziel war es, sie anzure-
gen, ihre persönlichen Fragebogenergebnisse vor dem Hintergrund der empirischen
Befunde zu re ektieren und mit ihnen zu besprechen, wie sie ihre Persönlichkeit wei-
terentwickeln könnten und welche unterstützenden Angebote es dafür in- und außer-
halb der Pädagogischen Akademie gäbe. Die dabei anfallenden sowie zusätzlich erhobe-
ne Daten sollten es außerdem erlauben, die Befunde Urbans zu überprüfen und durch
die Hinzunahme weiterer Prädiktoren und Kriterien, vor allem aber durch die Berück-
sichtigung von Lernprozessen in Studium und Beruf zu erweitern. Auf Grundlage der
Befunde entstanden Materialien zur Lau ahn- und Entwicklungsberatung, insbesonde-
re das inzwischen international verbreitete Online-Angebot Career Counselling for Tea-
chers (CCT; für einen Überblick s. Mayr, Müller & Nieskens, 2016).
Im vorliegenden Beitrag liegt der Fokus auf den wissenscha lichen Studien. In Kapi-
tel 2 wird ein Rahmenmodell vorgestellt, in das die untersuchten Variablen eingeordnet
1 Aus Platzgründen wird hier und im Folgenden meist nur eine exemplarische Bezugsquelle an-
geführt.
TEDCA – Teachers’ Education, Development and Career in Austria 39
werden können. Kapitel 3 gibt Auskun über das Design der Studie, über die vier als
Längsschnitte angelegten Teilstudien und über die vorläu g letzte, österreichweite Er-
hebungswelle, in der alle Teilstudien zusammengeführt werden (erst ab dieser, 2018 ge-
starteten Erhebung ist von einem „Projekt TEDCA“ die Rede). In Kapitel 4 werden aus-
gewählte bisherige Befunde in komprimierter Form berichtet und in Kapitel 5 folgt eine
Einschätzung der Limitationen und der Potenziale der verfügbaren Datensätze.
2. Rahmenmodell, Fragestellungen und Hypothesen
Bereits am Beginn des Forschungsvorhabens bestand die Annahme, dass sich die pro-
fessionelle Kompetenz von Lehrkrä en aus einem Zusammenspiel von kognitiven und
nicht kognitiven Dispositionen und der Nutzung von formellen und informellen Lern-
gelegenheiten entwickelt. Solche Konzeptionen rmieren in der Literatur meist unter
dem Terminus Angebots-Nutzungs-Modell. Modelle dieser Art eignen sich zur Rahmung
längerer Phasen der Professionalitätsentwicklung, z. B. eines kompletten Lehramtsstu-
diums, aber auch zur theoretischen Strukturierung kürzerer Lernsequenzen, z. B. einer
einzelnen Fortbildungsveranstaltung (vgl. z. B. Kunter, Kleickmann, Klusmann & Rich-
ter, 2011; Lipowsky, 2010). Abbildung 1 zeigt eine auf die zentralen Variablen der
TEDCA-Studie abgestimmte Variante eines solchen Modells.
Lern-
Angebot t2
Angebots-
Nutzung t2
Können t1
Persönlichkeit t1
Wissen t1Wissen t3
Persönlichkeit t3
Können t3
Lern- und Sozialverhalten
der Schüler*innen t3
Kontext
Befinden t3
Handeln t3
Abbildung 1: Rahmenmodell
Die Bezeichnungen t1, t2 und t3 stehen für die zeitliche Abfolge, die Pfeile für die als
vorherrschend angenommene Wirkrichtung.
Johannes Mayr, Emmerich Boxhofer, Georg Krammer, Barbara P anzl und Ernst Nausner
40
Die im Modell angegebenen Zeitpunkte können innerhalb des Professionalisierungs-
prozesses bzw. innerhalb der TEDCA-Studie variabel de niert werden. So könnte z. B.
t1 den Beginn des Lehramtsstudiums bezeichnen, t2 die Phase des Studiums und t3 die
ersten Wochen des Berufseinstiegs. In diesem Fall würde die Variable Können bei t1
z. B. die aus Erfahrungen in der Jugendarbeit resultierende Fähigkeit im Leiten von
Gruppen repräsentieren und zu t3 das Niveau dieser Fähigkeit, das durch die im Stu-
dium vorgefundenen und genutzten Lernangebote erreicht wurde. Das Können kons-
tituiert zusammen mit Merkmalen der Persönlichkeit, z. B. den berufsbezogenen Inter-
essen, und dem berufsrelevanten Wissen, z. B. den Kenntnissen im Unterrichtsfach, die
professionelle Kompetenz der Lehrkra .2 Diese Kompetenz äußert sich dann in Abhän-
gigkeit vom gegebenen Kontext, z. B. dem Kooperationsklima an der betre enden Schu-
le, im Handeln, z. B. in der Art der Klassenführung, sowie im Be nden der Lehrkra ,
z. B. ihrer Berufszufriedenheit. Das Handeln wirkt sich in weiterer Folge auf das Lern-
und Sozialverhalten der Schüler*innen aus.
Die im Modell enthaltenen Variablen sind nicht nur relevant für den Prozess der
Professionalisierung, sondern auch für Lau ahnentscheidungen (vgl. Herzog, 2014). So
entscheiden sich z. B. viele Personen aus Interesse an der Arbeit mit Jugendlichen für
ein Lehramtsstudium, einige verlassen es bald aus Unzufriedenheit mit dem Studienan-
gebot, andere schließen es ab und treten in den Beruf ein, weil sie sich in den Praktika
als kompetent erleben konnten. Nach einigen Dienstjahren bewerben sich manche um
eine Leitungsfunktion, weil sich ihre Interessen in Richtung einer Arbeit mit Erwachse-
nen verändert haben, oder scheiden aus dem Beruf aus, weil sie persönliche Lebensum-
stände dazu zwingen.
Das Rahmenmodell legt – wie die Beispiele illustrieren – vielfältige Fragestellungen
nahe und erlaubt die Ableitung von Hypothesen über Zusammenhänge zwischen den
Variablen. Weitere mögliche oder bereits bearbeitete Fragestellungen werden im Zu-
sammenhang mit der Beschreibung der Studie skizziert (siehe Kapitel 3 und 4). Dort
nden sich auch Hinweise auf einige der verwendeten bereichsspezi schen eorien,
weitere sind den zitierten Publikationen zu entnehmen. Auch diese eorien fungieren
als Quellen für Fragestellungen und Hypothesen.
3. Projektverlauf und Stichproben
TEDCA setzt sich aus vier Teilstudien zusammen. Sie beinhalten im Allgemeinen Voll-
erhebungen an bestimmten Studierendenjahrgängen Pädagogischer Akademien bzw.
an den 2007 aus ihnen hervorgegangenen Pädagogischen Hochschulen. Die Teilstu-
dien sind jeweils nach dem Jahr der ersten einbezogenen Kohorte von Studierenden
benannt (s. Abb. 2). TEDCA-85 begann demnach 1985 mit den Studienanfänger*in-
nen einer Pädagogischen Akademie (s. Kapitel 1) und band dann sukzessive die An-
fänger*innen aus den folgenden Jahren ein. Sie begleitete die Lau ahn dieser Personen
2 In TEDCA wird klarer zwischen Wissen und Können di erenziert als in manchen anderen Stu-
dien; vgl. zur Komplexität dieser ematik Voss, Kunina-Habenicht, Hoehne und Kunter (2015)
sowie Neuweg (2022).
TEDCA – Teachers’ Education, Development and Career in Austria 41
durch Erhebungen während des Studiums (Wellen B, C und D) und anschließend im
Beruf (Wellen M, N, O und G). Diesem Design folgen im Wesentlichen auch die an-
deren Teilstudien. Abweichungen gibt es bezüglich der Erfassung der Eingangsmerk-
male der Studierenden, diese wurden nämlich bei TEDCA-95 und TEDCA-11 teilwei-
se bereits vor dem Studium (Welle A) erfragt. Bei TEDCA-85 und TEDCA-01 ent elen
außerdem einige Erhebungswellen (s. Abb. 2).
Abbildung 2: Teilstudien, Erhebungswellen und Erhebungszeitpunkte
JG = Studierendenjahrgang; 85 usw. = 1985 usw.; A = Welle A: Studieninteressierte
aus TEDCA-95 bzw. Studienbewerber*innen aus TEDCA-11; B, C, D = Wellen B, C
und D: Studierende im 1., im 2. bis 5. bzw. im 6. Semester; E, F = Wellen E und F: Ab-
solvent*innen aus TEDCA-95; M, N, O = Wellen M, N und O: Absolvent*innen aus
TEDCA-85; G = Welle G: Absolvent*innen aus allen Teilstudien
In die Planung, Durchführung und Datenanalyse waren und sind Personen aus allen
Pädagogischen Hochschulen sowie aus der Universität Klagenfurt involviert. Ergän-
zend werden thematisch einschlägig Forschende aus anderen österreichischen sowie
aus deutschen und schweizerischen Hochschulen und Universitäten beigezogen. Als
Projektleiter fungiert Johannes Mayr, die Teilprojekte werden von Ernst Nausner und
Harald Reibnegger (TEDCA-85), Barbara P anzl (TEDCA-95), Emmerich Boxhofer
(TEDCA-01) bzw. Georg Krammer (TEDCA-11) geleitet.3
3 Laufend aktualisierte Informationen sind der Projektwebsite zu entnehmen: https://ius.aau.at/
de/forschung-entwicklung/projekte/tedca
Johannes Mayr, Emmerich Boxhofer, Georg Krammer, Barbara P anzl und Ernst Nausner
42
3.1 Die Teilstudien
3.1.1 TEDCA-85
TEDCA-85 erforscht seit der in Kapitel 1 beschriebenen ersten Erhebungen an der Pä-
dagogischen Akademie der Diözese Linz die Entwicklung von rund 2.400 Lehramtsstu-
dierenden dieser Institution aus den Jahrgängen 1985 bis 1994 bzw. 1996 bis 2000. Für
manche Analysen lassen sich auch die Daten des Jahrgangs 1995 hinzufügen, dem auf-
grund der Einbindung aller anderen Pädagogischen Akademien ein eigenes Teilprojekt
gewidmet ist (TEDCA-95; s. Kap. 3.1.2).
Der thematische Schwerpunkt lag aufgrund der einleitend skizzierten Ausgangsla-
ge zunächst auf der Frage nach der prognostischen Relevanz von Persönlichkeitsmerk-
malen. Zu deren Erhebung wurde in Fortsetzung der Forschungen von Urban (1984)
der HSPQ (Schumacher & Cattell, 1977) eingesetzt. Dieser basiert auf dem damals wis-
senscha lich vorherrschenden, 16 Primärfaktoren umfassenden Persönlichkeitsmodell
von Cattell. Anknüpfend an die überraschende Erkenntnis, dass Intelligenz nur eine
eng begrenzte Vorhersagekra bezüglich der Bewährung im Studium zu haben schien
(s. Kapitel 1), wurde in Teilstichproben von TEDCA-85 – im Unterschied zur Studie
von Urban (1984) – ein Intelligenztests eingesetzt, der auch verbale Faktoren beinhaltet,
und zwar das Leistungsprüfsystem (LPS) von Horn (1983).
Bald traten weitere nicht kognitive Variablen als potenzielle Prädiktoren hinzu, ins-
besondere die beru ich relevanten Interessen nach dem sechs Faktoren umfassenden
Modell von Holland (1997), erhoben durch den damals erst im Entstehen begri enen
Allgemeinen Interessen-Struktur-Test (AIST; Bergmann & Eder, 1992). Parallel begann
die Entwicklung eigener, auf den Lehrer*innenberuf zugeschnittener Persönlichkeits-
und Interessenfragebögen (LPA; Brandstätter & Mayr, 1994, bzw. LIS; Mayr, 1998a).
Diese gri en auf die angeführten Konzepte und Verfahren von Cattell und Holland zu-
rück, sie sollten jedoch auch durch testpsychologische Laien auswertbar sein, um sie
breit ächig in der Lau ahnberatung angehender Lehrkrä e verwenden zu können. Im
LPA wurde außerdem eine Itemauswahl getro en, die ihn anschlussfähig an das sich
wissenscha lich zunehmend durchsetzende Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit
(McCrae & Costa, 2008) macht, indem es drei für den Lehrer*innenberuf besonders re-
levante Faktoren der „Big Five“ abdeckt, nämlich Extraversion, Stabilität und Gewissen-
ha igkeit.
Zusätzlich wurden – um dem Aspekt des Lernens im Studium gerecht zu werden –
gemäß damaliger Konzepte der hochschulischen Lehrqualität (Kramis, 1990) und der
Lernstrategien Studierender (Wild & Schiefele, 1994) Instrumente zur Beschreibung des
Lehrens und Lernens im Studium entwickelt (Mayr, 1998b).
Als Kriterien für die Prognosekra der Eingangsmerkmale der Studierenden bzw.
die Wirkung von Lernprozessen dienten zunächst Kurzskalen zu Zufriedenheit und Be-
nden in Studium und Beruf (Mayr, 1998b). Später wurden diese durch di erenzierte-
re Verfahren wie den – damals noch unverö entlichten – Fragebogen zum Arbeitsbezo-
genen Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM; Schaarschmidt & Fischer, 1995) ersetzt.
Ergänzend kam – als Reaktion auf die gerade populär gewordenen Studien zum Flow-
TEDCA – Teachers’ Education, Development and Career in Austria 43
Erleben (Csikszentmihaly, 1987) – ein selbstentwickeltes Instrument zur Messung von
Flow (vs. Langeweile) in der schulpraktischen Arbeit zum Einsatz (Mayr, 1998c). Eine
weitere Besonderheit von TEDCA-85 liegt darin, dass ergänzend zu Selbsteinschätzun-
gen des Lehrer*innenverhaltens durch die Studienteilnehmer*innen auch Einschätzun-
gen durch deren Schüler*innen erhoben wurden, und zwar mit einer Vorform des Lin-
zer Diagnosebogens zur Klassenführung (LDK; s. Lenske & Mayr, 2015).
3.1.2 TEDCA-95
Im Zuge von TEDCA-85 war das Beratungsmaterial „Lehrer/in werden?“ (Mayr &
Brandstätter, 1994) entstanden, das die bereits beschriebenen Instrumente LIS und LPA
sowie eine Vorform des späteren Fragebogens zu pädagogischen Vorerfahrungen (Mayr,
2016a) enthielt. Eine Evaluationsstudie zu diesem Material, die unter Beteiligung aller
14 Pädagogischen Akademien durchgeführt wurde, und mehrere Nachfolgeerhebungen
fungieren nun als Teilstudie TEDCA-95. Die Stichprobe umfasst rund 2.300 Personen,
die 1995 ihr Studium begonnen haben. Zusätzlich liegen Daten, u. a. zur Einschätzung
des Beratungsmaterials, von rund 1.000 Studieninteressierten vor (Mayr, 2002); ca. 500
dieser Datensätze lassen sich Personen zuordnen, die später tatsächlich das Studium
aufgenommen haben.
Entsprechend der Zielstellungen der Evaluation wurden zur Validierung von LIS
und LPA der Allgemeine Interessen-Struktur-Test AIST (Bergmann & Eder, 1992) bzw.
der Big-Five-Persönlichkeitsfragebogen NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 1993) einge-
setzt. Um auch bezüglich der Lerngelegenheiten im Studium an die internationale For-
schung anschließen zu können, wurde eine Auswahl an Items aus der Studie zur Wirk-
samkeit der Schweizer Lehrerbildungssysteme verwendet (Oser, 2001; Mayr, 2006b).
Außerdem ist über eine Single-Item-Version des AVEM (Schaarschmidt & Fischer,
2001) – wie schon in TEDCA-85 – eine Anbindung an die Forschungen zum arbeitsbe-
zogenen Verhaltens- und Erlebensmuster möglich.
Ein Fokus von TEDCA-95 lag auf dem Lernen im Beruf, wobei u. a. Aussagen zu
den Schwerpunkten der eigenen Kompetenzentwicklung, zur Intensität der Fortbildung
und zu den persönlich genutzten formellen und informellen „Lernwegen“ sowie de-
ren Nützlichkeit erfasst wurden (Mayr, 2007a). Es kamen auch Items hinzu, die nach
der Attraktivität unterschiedlicher Lau ahnoptionen fragen, z. B. der Übernahme einer
Leitungsfunktion oder den Wechsel in ein anderes Berufsfeld.
In TEDCA-95 werden fast alle im Rahmenmodell von TEDCA (s. Kapitel 2) als re-
levant postulierten Variablen abgedeckt. Sie werden in Abbildung 3 unter Angabe der
verwendeten Instrumente vollständig wiedergegeben.
Johannes Mayr, Emmerich Boxhofer, Georg Krammer, Barbara P anzl und Ernst Nausner
44
Abbildung 3: TEDCA-95 – Variablen, Verfahren und Erhebungszeitpunkte
Berufsjahre = maximal mögliche Anzahl der Jahre; n = ungefährer Stichprobenumfang, der exakte Wert variiert je nach Variable; Graue Felder = Zeitpunkte der
Erhebung der betreffenden Variablen; * Bei Verfahren ohne Autor*innenangabe handelt es sich um Eigenentwicklungen (dokumentiert in Mayr, 1998b); ** Das Ver-
fahren ist Teil des Laufbahnberatungsprogramms CCT; *** Die Datenerhebung erstreckte sich bis Mitte 2019.
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TEDCA – Teachers’ Education, Development and Career in Austria 45
3.1.3 TEDCA-01
TEDCA-01 schließt nahtlos an TEDCA-85 an, indem es die rund 1.900 Studienanfän-
ger*innen der Pädagogischen Akademie (ab 2007: Pädagogische Hochschule) der Di-
özese Linz aus den Jahren 2001 bis 2010 beforscht. Der inhaltliche Schwerpunkt soll-
te auf einer di erenzierten Betrachtung der Persönlichkeit sowie deren Entwicklung
und Relevanz für den Lehrer*innenberuf liegen. Deshalb wurde anstelle des NEO-FFI
der damals noch in Entwicklung be ndliche NEO-PI-R (Ostendorf & Angleitner, 2004)
eingesetzt, der eine Aufschlüsselung der Big Five in ihre jeweils sechs Facetten erlaubt.
Bei mehreren Jahrgängen erfolgte die Vorgabe dieses Fragebogens zu Beginn und am
Ende des Studiums. In diesen Fällen wurde auch nach eventuell wahrgenommenen Per-
sönlichkeitsveränderungen und nach deren Gründen gefragt (Mayr, 2006c). Außerdem
wurde meist auch der LPA und in zwei Jahrgängen zusätzlich das computergestützte
Belastbarkeitsassessment BAcO-D (Ortner, Kubinger, Schrott, Radinger & Litzenberger,
2006) eingesetzt. Dadurch ist ein Vergleich der prognostischen Validität dieser drei sehr
unterschiedlichen, persönlichkeitsbezogenen Instrumente möglich.
Im Verlauf von TEDCA-01 wurden auch eine auf studentische Praktika bezogene
Version des AVEM (SPAVEM; Boxhofer, 2014) und ein Fragebogen zur Beratung von
Lehramtsinteressierten bei der Wahl ihres Fachstudiums (FWF; Mayr, 2003) entwickelt
und eingesetzt.
3.1.4 TEDCA-11
Die an der Pädagogischen Hochschule Steiermark angesiedelte Teilstudie TEDCA-11
adressiert die rund 1.100 Personen, die in den Jahren 2011 bis 2014 am Zulassungsver-
fahren dieser Hochschule teilgenommen und auch das Studium begonnen haben (für
einen Überblick zum Verfahren s. Schulz-Kolland, Krammer, Rottensteiner & Weitla-
ner, 2014).4
Ähnlich wie zu Beginn des Projekts TEDCA (s. Kapitel 1) liegt daher ein Fokus auf
der Frage, welche kognitiven und nicht kognitiven Merkmale geeignet sind, die akade-
mischen und praktischen Studienleistungen vorherzusagen und wie weit aus diesen Va-
riablen auf die spätere Berufsbewährung geschlossen werden kann. Für die Beantwor-
tung dieser Frage stehen u. a. Daten aus dem mehrfaktoriellen Intelligenztest INSBAT
(Arendasy et al., 2012), aus dem speziell auf das Kommunikations-, Leistungs- und Ge-
sundheitsverhalten bezogenen Persönlichkeitsinventar IPS (Schaarschmidt & Fischer,
2013) und aus dem Auswahl- und Beratungsgespräch (Krammer, Sommer & Arendasy,
2016) zur Verfügung.
Die Persönlichkeitsdaten stammen aus einem Selbstbeschreibungsverfahren. Es wird
daher untersucht, in welchem Ausmaß die Aussagen der Studienbewerber*innen durch
Faking in positive Richtung verzerrt sind (Krammer & P anzl, 2015) und ob sich da-
durch eventuell die psychometrischen Eigenscha en des Fragebogens verändern und
4 Ab 2015 wurde ein anderes, auf die 2016 beginnende PädagogInnenbildung NEU abgestimmtes
Verfahren verwendet.
Johannes Mayr, Emmerich Boxhofer, Georg Krammer, Barbara P anzl und Ernst Nausner
46
so die prädiktive Validität des Instruments beeinträchtigt wird (Krammer, Sommer &
Arendasy, 2017).
Für den Anschluss an internationale Befunde zur Entwicklung im Lehramtsstudium
können Daten aus der EMW-Studie (s. z. B. König, Rothland, Darge, Schreiber & Tacht-
soglou, 2013) genutzt werden, an welcher der Studierendenjahrgang 2011 teilnahm. Da-
bei handelt es sich u. a. um Informationen zu den pädagogischen Vorerfahrungen, zu
den Lerngelegenheiten im Studium und zur Veränderung der Berufswahlmotive und
des pädagogischen Wissens. Teile des Instrumentariums wurden auch in zwei weiteren
Jahrgängen eingesetzt. Die Daten sind teilweise mit solchen zur Klassenführung, erfasst
mit dem LDK (Lenske & Mayr, 2015), verknüp ar.
Ein weiteres Spezi kum von TEDCA-11 ist eine Erhebung zur Verbreitung von
Neuromythen und zum Wissen um Neurofakten unter den Studierenden (Krammer,
Vogel & Grabner, 2021).
3.2 Erhebungswelle G (2018)
Bei einer alle Teilprojekte einschließenden Befragung im Jahr 2018 (Welle G) wurden
rund 6.100 Absolvent*innen der Pädagogischen Akademien bzw. Hochschulen ange-
schrieben, die großteils bereits als Studierende an einer der Teilstudien teilgenommen
hatten. Trotz des zumeist veralteten Adressenmaterials konnten viele der Absolvent*in-
nen erreicht werden. Rund 900 von ihnen retournierten den zugesandten Fragebogen
oder beantworteten die Fragen online.
Diese Erhebung enthielt ein weiteres Mal die bereits bei Welle F (2005) verwendeten
Instrumente (s. Kapitel 3.1.2 und Abb. 3). In der Online-Version wurden zusätzlich ver-
tiefende, o ene Fragen zu den Gründen für oder gegen die Lau ahnoptionen Schullei-
ter*in bzw. Lehrerbildner*in gestellt (Mayr, Brauckmann et al., 2020).
Dieser für alle Teilstudien gemeinsame Kern wurde in einzelnen Teilstudien durch
spezi sche, sich aus deren bisherigem Verlauf ergebende Inhalte ergänzt. So wurde z. B.
bei TEDCA-85 ein drittes Mal – nach 1995 und 2007 – das arbeitsbezogene Verhaltens-
und Erlebensmuster erhoben, und bei TEDCA-01 wurde nach der Persönlichkeitsent-
wicklung im Beruf gefragt, wodurch an vergleichbare, bereits im Studium gestellte Fra-
gen angeknüp werden kann.
4. Exemplarische Befunde
Im Zuge der bisherigen Datenanalysen elen bereits umfangreiche wissenscha liche
Befunde an. Einige davon werden im Folgenden skizziert. Sie verdeutlichen die Band-
breite der emen, die anhand der TEDCA-Daten bearbeitbar sind, und sie stehen ex-
emplarisch für die Fragestellungen und Hypothesen, die sich aus dem Rahmenmodell
von TEDCA bzw. aus bereichsspezi schen eorien ergeben (s. dazu Kap. 2 und 3).
TEDCA – Teachers’ Education, Development and Career in Austria 47
– Nicht kognitive Merkmale wie Berufswahlmotive, berufsspezi sche Interessen (z. B.
das Interesse am Unterrichten), allgemeine Interessen (z. B. soziale Interessen) und
Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Gewissenha igkeit) wirken sich auf das Lernen im
Studium und im Beruf sowie auf das beru iche Handeln und Be nden aus. Lehr-
amtsstudierende bringen bezüglich dieser Merkmale mehrheitlich günstige Ein-
gangsvoraussetzungen mit (Mayr, 1994a, 2007a, 2012). Für theoretische Studienleis-
tungen sind überdies kognitive Fähigkeiten relevant (Krammer et al., 2016).
– Nicht kognitive Merkmale erlauben auch Vorhersagen, wieweit später bestimmte
beru iche Karrieren angestrebt werden, z. B. eine Lau ahn als Schulleiter*in oder
als Lehrerbildner*in (Mayr, 2014; Brauckmann, Krammer & Mayr, 2018). Die Lauf-
bahnoption Lehrerbildner*in ist für wesentlich mehr Lehrkrä e attraktiv als die Op-
tion, eine Leitungsfunktion zu übernehmen (Mayr et al., 2021). Gegen Letzteres
spricht für viele u. a. der reduzierte Kontakt zu Schüler*innen (Mayr et al., 2020).
– Wenn in Auswahlverfahren Persönlichkeitsmerkmale über Selbstbeschreibungen er-
fasst werden, ist mit Faking zu rechnen. Die Studienbewerber*innen beschönigen
ihre Aussagen jedoch weniger, als sie das tun könnten (Krammer & P anzl, 2015).
Die psychometrischen Eigenscha en der Fragebögen, die für ihre prädiktive Validi-
tät notwendig sind, bleiben erhalten (Krammer et al., 2017).
– Kohortenvergleiche legen die Annahme nahe, dass sich ein absehbarer Mangel an
freien Dienststellen oder sich verschlechternde Arbeitsbedingungen ungünstig auf
die Rekrutierung des Lehrer*innennachwuchses auswirkt: Psychisch stabile und ge-
wissenha e Personen scheinen dann eher auf andere Ausbildungs- und Berufswege
auszuweichen (Mayr, 1994b).
– Im Verlauf des Studiums und der ersten Berufsjahre steigen Gewissenha igkeit und
Stabilität während Extraversion sinkt. Persönliche Erfahrungen (z. B. die soziale Ein-
bettung im Studium) dür en an diesen Veränderungen beteiligt sein (Mayr, 2006c,
2010).
– Lernprozesse im Studium – vor allem solche, die durch Praktika angestoßen werden
– erweisen sich als günstig für die Entwicklung beru ichen Könnens (Mayr, 2006b).
Die lehrerbildenden Institutionen unterscheiden sich kaum bezüglich solcher schul-
praktischer Lerngelegenheiten, wohl aber bezüglich des Umfangs theoretischer und
übender Arbeit in den Lehrveranstaltungen (Mayr, 2007b).
– Fehlvorstellungen wie Neuromythen sind unter Lehramtsstudierenden stark ver-
breitet (Krammer et al., 2021). Ob diesen Fehlannahmen Glauben geschenkt wird
oder nicht, steht in keinem Zusammenhang mit den erbrachten Studienleistungen
(Krammer et al., 2021).
– Der Wechsel vom Hochschulstudium in den schulischen Alltag löst beim Berufsein-
stieg auch in einer einphasigen Lehrer*innenbildung markante Einstellungsänderun-
gen aus. Der „Praxisschock“ tritt jedoch in gemilderter Form auf, da er bereits im
Zuge von Praktika teilweise vorweggenommen wird (Mayr, Eder & Fartacek, 1988).
– Die meisten Lehrer*innen erleben im Berufsalltag „mehr Flow als Frust“ (Mayr,
1998). Als unangemessen eingeschätzte bildungspolitische Maßnahmen sowie Me-
dienberichte, die Lehrer*innen als Kritik an ihrer Arbeit emp nden, dämpfen je-
doch die Berufszufriedenheit (Mayr, 1995).
Johannes Mayr, Emmerich Boxhofer, Georg Krammer, Barbara P anzl und Ernst Nausner
48
– Die berufsspezi schen Interessen ändern sich in Abhängigkeit vom Ausgangs-
niveau. Wenn die Attraktivität des Lehrberufs zu Beginn des Studiums sehr hoch
eingeschätzt wird, kommt es im Berufsleben o zu einem Abfall des Interesses, bei
anfänglich geringem Interesse stagniert dieses auf niedrigem Niveau (Hanfstingl,
2008).
5. Limitationen und Perspektiven
Eine komplexe Studie wie TEDCA weist zwangsläu g viele Limitationen auf; ihre um-
fassende Erörterung würde den Rahmen sprengen. Zwei sehr grundlegende, die Stich-
probe betre ende sollen jedoch angesprochen werden: Es wurden ausschließlich Stu-
dieninteressierte, Studierende und Absolvent*innen Pädagogischer Akademien und
Hochschulen beforscht und die Daten stammen von Personen, die frühere Formen der
Lehrer*innenausbildung durchlaufen haben.
Diese Limitationen lassen sich nicht völlig, wohl aber teilweise kompensieren, u. a.
durch die Nutzung von Vergleichsdaten bzw. -befunden aus Projekten, in denen die-
selben Instrumente eingesetzt wurden wie bei TEDCA. In einer solchen Analyse zeigte
sich z. B., dass sich – institutionsübergreifend betrachtet – die Studierenden der Sekun-
darstufen-Lehrämter der alten Lehrer*innenausbildung und der PädagogInnenbildung
NEU zwar bezüglich einiger Merkmale statistisch signi kant unterscheiden, die Di e-
renzen aber wegen ihrer Geringfügigkeit kaum praktisch relevant sind. Innerhalb des
alten Systems gab es allerdings sehr deutliche Di erenzen in den kognitiven und moti-
vationalen Merkmalen zwischen den Studierenden der stärker praxisorientierten Hoch-
schule oder der stärker wissenscha lich ausgerichteten Universität (Mayr, Bock, Müller
& omas, 2021). Außerdem wurde an beiden Institutionen vermutlich Unterschiedli-
ches gelernt, da praxisorientierte Systeme verstärkt handlungsnahes Wissen vermitteln
(König & Klemenz, 2015). Befunde dieser Art werden zumindest in die Interpretation
der Ergebnisse aus TEDCA ein ießen, teilweise ist auch eine Zusammenführung von
Datensätzen und eine projektübergreifende Auswertung geplant.
Die Besonderheit des Datensatzes von TEDCA liegt darin, dass es sich um Längs-
schnittdaten handelt, die Zeiträume von bis zu 33 Jahren abdecken und dass bei der
bisher letzten Erhebungswelle (G; 2018) insgesamt 29 aufeinanderfolgende Studieren-
denkohorten einbezogen sind. Außerdem können teilweise schon Daten aus der Zeit
vor Aufnahme des Lehramtsstudiums genutzt werden. Vergleichbare Studien aus dem
deutschen Sprachraum (z. B. BilWiss, COACTIV-R, EMW, PaLea, SioS-L und STePS)
umfassen meist ein bis sechs Kohorten, die über Zeiträume zwischen zwei und vier
Jahren beforscht wurden, also nur relativ kurze Ausschnitte aus der Berufslau ahn
umfassen. Auf eine Laufzeit von immerhin rund einem Jahrzehnt wird es die Studie
COACTIV-expeRt bringen, die derzeit COACTIV-R fortführt. Noch langfristiger an-
gelegt ist die Studie WEGE, die drei Absolvent*innenjahrgänge einer deutschen Hoch-
schule über nun bereits 21 Jahren in ihrer beru ichen Entwicklung begleitet. Die Stär-
ken dieser Studien liegen darin, dass sie überwiegend stringent geplant sind, inhaltlich
auf wenige emen fokussieren und diese methodisch präzis bearbeiten.
TEDCA – Teachers’ Education, Development and Career in Austria 49
Im Vergleich dazu ähnelt TEDCA zumindest in manchen Abschnitten einem Patch-
work, das die im Lauf der Jahrzehnte wechselnden Forschungsinteressen der Protago-
nist*innen widerspiegelt und immer auch von einer starken Entwicklungskomponente
geprägt war, insbesondere in Bezug auf die Erstellung und Optimierung von Bera-
tungsmaterialien. Das macht – positiv interpretiert – den Datensatz vielfältig und regt
dazu an, neue Forschungsmöglichkeiten in ihm zu entdecken. So dür e z. B. einiges an
Potenzial in den erst ansatzweise genutzten verbalen Daten liegen. In Kombination mit
den quantitativen Daten aus Fragebögen zur Selbst- und Fremdeinschätzung sowie ob-
jektiven Tests sollten sich Möglichkeiten zu methodisch vielfältigen und inhaltlich fa-
cettenreichen Analysen der Lehrer*innenbildung und der Berufsbiogra e von Lehrkräf-
ten erö nen (vgl. Herzog, 2014; Cramer, 2020). Die dabei gewonnenen Erkenntnisse
könnten auch Implikationen für die Gestaltung der Lehrer*innenbildung und der Lauf-
bahnberatung haben (vgl. Mayr, Hanfstingl & Neuweg, 2020) – und damit dem An-
spruch von TEDCA auf sowohl wissenscha liche als auch praktische Relevanz entspre-
chen.
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Daniela Martinek, Andreas Bach und Matteo Carmignola
Antizipiertes Unterrichtshandeln von Lehramtsstudierenden
Die Beziehungen zu im Studium wahrgenommener Autonomie und
Selbstwirksamkeit
Zusammenfassung
Die Studie fokussierte unter Verwendung des vignettenbasierten Situations-in-School (SIS)
nach Aelterman et al. (2019) vier Unterrichtsstrategien (Autonomieförderung, Struktur, Kon-
trolle, Chaos) und erfasste, welche dieser Strategien Lehramtsstudierende in ihrem späteren
beru ichen Handeln umsetzen würden (bezeichnet als antizipiertes Unterrichtshandeln). Ba-
sierend auf der Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2020) und der Selbstwirksamkeits-
theorie (Bandura, 1997) wurde anschließend untersucht, in welchem Zusammenhang die
im Studium wahrgenommene Autonomie und die Selbstwirksamkeit der Studierenden mit
ihrem antizipierten Unterrichtshandeln in den vier genannten Dimensionen stehen. Die Er-
gebnisse verdeutlichen, dass die wahrgenommene Autonomie und das Selbstwirksamkeits-
erleben in Bezug auf das Schüler* innen-Engagement mit der Präferenz erstrebenswerter
Unterrichtsstrategien der Autonomieförderung und Struktur assoziiert waren. Die Selbst-
wirksamkeit hinsichtlich des Schüler*innen-Engagements ging darüber hinaus mit einer ge-
ringeren Tendenz zu chaotischem und kontrollierendem Unterrichtshandeln einher, während
die Selbstwirksamkeit im Hinblick auf das Classroom Management mit kontrollierenden
Unterrichtsstrategien verbunden war.
Schlüsselwörter: Autonomie, Autonomieförderung, Selbstwirksamkeit, Unterrichtsstrategien,
Lehramtsstudierende
Abstract
Using Aelterman et al.’s (2019) vignette-based situation-in-school (SIS), this study focused
on four teaching strategies (autonomy support, structure, control, chaos) and explored which
of these strategies student teachers would implement in their subsequent professional ac-
tions (referred to as anticipated instructional action). Based on Self-Determination eory
(Ryan & Deci, 2020) and self-e cacy theory (Bandura, 1997), the study then examined how
pre-service teachers’ perceived autonomy and self-e cacy were related to their anticipated
teaching actions in the four dimensions mentioned above. e results indicate that perceived
autonomy and self-e cacy for student engagement were associated with the preference for
desirable instructional strategies of autonomy support and structure. Self-e cacy for student
engagement was also linked to a lower tendency toward chaotic and controlling teaching
strategies, whereas self-e cacy for classroom management was associated with controlling
teaching strategies.
Keywords: Autonomy, autonomy support, self-e cacy, teaching strategies, pre-service teach-
ers
Daniela Martinek, Andreas Bach und Matteo Carmignola
56
1. Einleitung
Bildungswissenscha liche Angebote im Lehramtsstudium fokussieren unter anderem
die Interaktion zwischen Lehrpersonen und Schüler*innen gelingend zu gestalten und
somit förderlich zum Lernerfolg und zu einer ganzheitlichen Entwicklung beizutragen.
Die Selbstbestimmungstheorie (Self-Determination eory, SDT) von Ryan und Deci
(2020) bietet einen erfolgsversprechenden Ansatz zur Gestaltung motivierender Lern-
umgebungen. Im Mittelpunkt steht dabei eine strukturierte Autonomieförderung, die
darauf abzielt, die sogenannten psychologischen Basisbedürfnisse nach Autonomie1,
Kompetenz und sozialer Einbindung angemessen zu berücksichtigen. Eine Reihe em-
pirischer Studien verdeutlicht, welche Strategien diesbezüglich zur Verfügung stehen
(Reeve & Jang, 2006), wie diese Strategien im Rahmen der Lehrer*innenbildung erwor-
ben werden können (Su & Reeve, 2011), welche Rolle die Orientierungen von Lehrper-
sonen in Bezug auf motivationsfördernde Lehrstrategien haben (Vermote et al., 2020)
und wie Schüler*innen Autonomie bzw. Kontrolle in der Schule wahrnehmen (Bartho-
lomew et al., 2018). Darüber hinaus belegen vielfältige Befunde die Vorteile schulischer
Autonomieförderung, unter anderem im Hinblick auf eine günstigere Motivation, stär-
kere Beteiligung, einen nachhaltigeren Lernerfolg und ein gesteigertes Wohlbe nden
(im Überblick Reeve & Cheon, 2021).
Autonomieförderung alleine reicht jedoch als Gelingensbedingung für die Schaf-
fung einer motivierenden Lernatmosphäre nicht aus. In Bezug auf schulisches Lernen
kommt hinzu, dass der Ansatz der Autonomieförderung idealerweise mit strukturier-
tem Vorgehen im Klassenzimmer einhergeht (Cheon, Reeve & Vansteenkiste, 2020).
Das Scha en transparenter Erwartungen und Abläufe sowie ermutigendes und infor-
mierendes Feedback, um ausgewählte Aspekte strukturierten Unterrichtsverhaltens zu
nennen, kommt insbesondere der Befriedigung des Kompetenzbedürfnisses entgegen.
Darüber hinaus rücken aktuelle Studien neben der Befriedigung der psychologischen
Basisbedürfnisse auch die Nicht Befriedigung bzw. die Bedeutung der Bedürfnisfrustra-
tion ins Zentrum (Cheon et al., 2019). Autonomieförderung ist nur dann für eine güns-
tige Entwicklung und Potenzialentfaltung förderlich, wenn diese mit möglichst geringer
Bedürfnisfrustration einhergeht (Benita & Matos, 2020). Schulische Lernumgebungen
führen zu Frustration der Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Ein-
bindung, wenn Lehrpersonen ihre eigenen Anliegen und Erwartungen zu sehr priori-
sieren und versuchen, das Denken, Handeln und Fühlen der Schüler*innen in eine er-
wünschte Richtung zu lenken (Assor, Kaplan, Kanat-Maymon & Roth, 2005). Lernende
emp nden dieses Lehrverhalten als kontrollierend und das Gefühl unter Druck gesetzt
zu werden geht mit Bedürfnisfrustration einher (Haerens, Vansteenkiste, Aelterman &
van den Berghe, 2016).
Wieso aber fällt es Lehrpersonen mitunter schwer auf Autonomieförderung zu set-
zen? Neben einer zu geringen Selbstwirksamkeit, dieses erstrebenswerte unterrichtliche
Handeln tatsächlich erfolgreich umsetzen zu können (Bandura, 1997), liegt eine mögli-
che Erklärung darin, dass Lehrpersonen über (zu) wenig Kenntnisse hinsichtlich auto-
1 Im Rahmen von SDT werden die Begri e „Autonomie“ und „Selbstbestimmung“ synonym ver-
wendet.
Antizipiertes Unterrichtshandeln von Lehramtsstudierenden 57
nomiefördernder Strategien verfügen (Martinek, 2012). Darüber hinaus haben Studien
gezeigt, dass Lehrpersonen häu g inkonsistente Motivationsstrategien anwenden (Früh-
wirth, Martinek & Carmignola, 2021; Martinek, 2007). Das bedeutet, sie legen Wert auf
Autonomieförderung im Klassenzimmer, boykottieren dann aber ihre Motivationsstra-
tegien selbst, indem sie – z. B. im Bereich der Leistungsüberprüfung – kontrollierend
agieren. Es erscheint daher sinnvoll, im Rahmen der Lehrer*innenbildung darauf zu
achten, dass Lehrpersonen diese unterschiedlichen Unterrichtsstrategien di erenziert
betrachten und dass sie für das Zusammenspiel von Autonomie und Kontrolle sensibi-
lisiert werden.
Mit dem Situations-in-School (SIS) haben Aelterman et al. (2019) ein Instrument
vorgelegt, das förderliche und wenig erstrebenswerte Lehr- und Motivationsstrategien
in Bezug auf antizipiertes Unterrichtshandeln di erenziert erhebt. Die Analyse indivi-
dueller Zugänge ermöglicht angehenden Lehrpersonen eine re ektierte Weiterentwick-
lung und Schärfung ihrer Lehrstrategien im Laufe des Studiums. Die empirische Er-
hebung in diesem Beitrag setzt die im Lehramtsstudium wahrgenommene Autonomie
sowie die berufsbezogene Selbstwirksamkeit von Studierenden in Beziehung zu den
mit dem SIS gemessenen antizipierten Unterrichtsstrategien. Somit werden individuel-
le Tendenzen zu förderlichen und ungünstigen Lehrstrategien bereits im Studium sicht-
bar und können bewusst durch spezi sch adaptierte Angebote in der Ausbildung und
in schulpraktischen Veranstaltungen weiterentwickelt bzw. reduziert werden.
2. Motivierendes Unterrichtshandeln
Der SIS unterscheidet vier Dimensionen: Autonomieförderung, Struktur, Kontrolle und
Chaos, die wiederum in jeweils zwei Subkomponenten untergliedert werden (siehe Ab-
bildung 1).
Im Sinne der Autonomieförderung begegnen Lehrpersonen ihren Lernenden ver-
ständnisvoll und sie berücksichtigen deren Interessen, Vorlieben und Gefühle im Klas-
senzimmer. Der Unterricht ist durch einen partizipativen Lehrstil gekennzeichnet. Ler-
nende erhalten die Gelegenheit, sich einzubringen, Vorschläge zu machen und aus
bedeutsamen Wahlmöglichkeiten auszuwählen. Autonomiefördernde Lehrpersonen
streben eine Passung zwischen der Unterrichtsgestaltung und den Voraussetzungen
der Schüler*innen an. Sie versuchen das Interesse der Lernenden zu wecken, akzep-
tieren etwaige Unmutsäußerungen der Schüler*innen und bieten bei Bedarf rationale
Erklärungen für erforderliche Tätigkeiten an (Reeve, Deci & Ryan, 2004; Vansteenkis-
te, Sierens, Soenens, Luyckx & Lens, 2009). Neben der Autonomieförderung ist struk-
turierter Unterricht insbesondere für das Kompetenzbedürfnis der Lernenden von Be-
deutung (Jang, Reeve & Deci, 2010). Struktur kommt zum Ausdruck, wenn ausgehend
von den Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler*innen hilfreiche Strategien, Unter-
stützung und Betreuung angeboten werden. Begleitendes Lehrverhalten, das auf schritt-
weises Vorgehen und systematische Fehleranalyse achtet, sowie klärende Hinweise, die
Erwartungen transparent machen, kennzeichnen diesen Lehrstil. Autonomieförderndes
und strukturiertes Lehrverhalten sind der Bedürfnisbefriedigung zuträglich.
Daniela Martinek, Andreas Bach und Matteo Carmignola
58
Im Gegensatz dazu tragen Kontrolle und Chaos im Klassenzimmer zur Bedürfnis-
frustration bei. Kontrolle kommt zum Ausdruck, wenn Lehrkrä e ihre Sichtweise und
Anforderungen mit Nachdruck den Lernenden aufzwingen, ohne auf individuelle
Sichtweisen Rücksicht zu nehmen (Bartholomew, Ntoumanis, Ryan, Bosch & øger-
sen-Ntoumani, 2011). Kontrollierende Lehrpersonen treten fordernd auf. Dies kommt
durch kommandierende Sprache, keine Toleranz gegenüber Einsprüchen und dem An-
drohen von Strafen bei mangelnder Fügsamkeit zum Ausdruck. Sie wirken auch mit-
unter beherrschend, indem sie Macht ausüben, um ihre Au orderungen durchzusetzen,
Schüler*innen beschämen oder an deren Schuldgefühle appellieren (Soenens & Van-
steenkiste, 2010). Von Chaos spricht man, wenn ein laissez-fairer Unterrichtsstil ver-
folgt wird, bei dem die Lernenden keine Begleitung erfahren und Unklarheit in Bezug
auf Ziele, Strategien und Unterstützungsmöglichkeiten herrscht. Lehrpersonen können
dabei ihre Schüler*innen aufgeben und sich selbst überlassen oder abwartend agieren,
indem sie nicht viel planen, abwarten, wie sich die Ereignisse entwickeln, und den Din-
gen ihren Lauf lassen. Gemäß der Annahmen der SDT kann – wie in Abb. 1 ersicht-
lich – davon ausgegangen werden, dass Autonomieförderung der Kontrolle gegensätz-
lich gegenüber liegt, ebenso verhält es sich mit Struktur und Chaos. Eine detaillierte
Beschreibung der vier Lehrstile und deren Subbereiche bieten Aelterman et al. (2019).
Abbildung 1: Das Circumplex-Modell des Situations-in-School-Instruments (nach Aelterman et
al., 2019)
Antizipiertes Unterrichtshandeln von Lehramtsstudierenden 59
3. Berufsbezogene Selbstwirksamkeitsüberzeugungen von
Lehramtsstudierenden
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen bilden einen wichtigen Bestandteil in Banduras so-
zial-kognitiver eorie und bezeichnen Überzeugungen von Individuen, anspruchsvolle
Aufgaben und Anforderungen in spezi schen Handlungsdomänen aufgrund der eigenen
Fähigkeiten erfolgreich bewältigen zu können (Bandura, 1997). Im Kontext des Lehrbe-
rufs bezieht sich das Konstrukt entsprechend auf die Bewältigung verschiedener schuli-
scher und unterrichtlicher Tätigkeiten (Tschannen-Moran & Woolfolk Hoy, 2001).
Bereits Lehramtsstudierende verfügen aufgrund ihrer formellen und informel-
len Lernerfahrungen im kün igen Berufsfeld über vielfältige berufsbezogene Über-
zeugungen von der eigenen Wirksamkeit (Bach, 2022; Bach & Hagenauer, 2021; Zee
& Koomen, 2016). Da Selbstwirksamkeitsüberzeugungen verhaltensregulierende E ek-
te unter anderem in kognitiver und motivationaler Hinsicht haben (Bandura, 1997),
ist zu erwarten, dass auch die Einschätzungen darüber, wie kün ig im Unterricht ge-
handelt wird, durch diese selbstbezogenen Kognitionen reguliert werden. Personen mit
starken Selbstwirksamkeitsüberzeugungen antizipieren nicht nur positivere Ergebnisse
ihres Handelns, sie setzen sich auch anspruchsvollere Ziele und sind eher bereit, Her-
ausforderungen anzunehmen, weil sie davon überzeugt sind, diese bewältigen zu kön-
nen, auch wenn Hindernisse in den Weg treten (Bandura, 1997). Die Präferenzen von
Studierenden für bestimmte Unterrichtsstrategien sollten somit erhöht werden, wenn
starke Selbstwirksamkeitsüberzeugungen bezogen auf die entsprechende Handlungsdo-
mäne vorhanden sind, d. h. wenn die Kontrolle über (antizipierte) Handlungen wahrge-
nommen wird (Gibbs, 2003).
Empirisch ließ sich belegen, dass Selbstwirksamkeitsüberzeugungen von (angehen-
den) Lehrpersonen Handlungsabsichten in verschiedenen unterrichtlichen Merkmals-
bereichen regulieren können (u. a. Berger, Girardet, Vaudroz & Crahay, 2018; Wertheim
& Leyser, 2002; Yan & Cheng, 2015). Im Hinblick auf die vier in dieser Studie fokus-
sierten Unterrichtsstrategien (Autonomieförderung, Struktur, Kontrolle, Chaos) zeigten
Berger et al. (2018), dass Selbstwirksamkeitsüberzeugungen von Lehrpersonen bezogen
auf das Schüler*innen-Engagement einen positiven, direkten E ekt auf die Autonomie-
unterstützung und einen positiven, indirekten E ekt auf strukturierende Unterrichts-
praktiken (u. a. klare Instruktionen und die Kommunikation von realistischen Zielen)
hatten. Die klassenführungsbezogenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der Lehr-
personen konnten strukturierende Unterrichtspraktiken ebenfalls positiv vorhersagen.
Entgegen den Erwartungen wurden keine bedeutsamen E ekte auf die Dimensionen
der Kontrolle und des Chaos (u. a. widersprüchliche Äußerungen und unklare Erwar-
tungen gegenüber Schüler*innen) gefunden. Die Befunde korrespondieren mit weite-
ren Studien, die positive Zusammenhänge zwischen der Selbstwirksamkeit von Lehr-
personen und ihrer Lernunterstützung im Unterricht, unter anderem im Hinblick auf
die Autonomieförderung, belegen (u. a. Andreou & Rapti, 2010; Guo, McDonald Con-
nor, Yang, Roehrig & Morrison, 2012; Leroy, Bressoux, Sarrazin & Trouilloud, 2007).
Leroy et al. (2007) beispielsweise kamen zu dem Ergebnis, dass die Selbstwirksamkeit
von Lehrpersonen einen schwach positiven E ekt auf die Unterstützung von Autono-
Daniela Martinek, Andreas Bach und Matteo Carmignola
60
mie im Unterricht hatte. Je selbstwirksamer sich die Lehrpersonen einschätzten, desto
mehr gaben sie an, ein autonomieunterstützendes Klima im Klassenzimmer zu schaf-
fen, das die Befriedigung der Bedürfnisse der Schüler*innen nach Autonomie, Kompe-
tenz und sozialer Eingebundenheit förderte. Ob die berichteten Befunde auch für das
antizipierte Unterrichtshandeln von Lehramtsstudierenden replizierbar sind, stellt ein
Forschungsdesiderat dar und wurde im österreichischen Lehrer*innenbildungskontext
unseres Wissens nach noch nicht untersucht.
4. Fragestellungen der vorliegenden Studie
Die vorliegende Untersuchung analysierte, in welchem Zusammenhang die erleb-
te Autonomie im Studium und die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen von Studieren-
den bezogen auf das Classroom Management und das Engagement der Schüler*innen
mit ihrem antizipierten Unterrichtshandeln in den vier Dimensionen der Autonomie-
förderung, Struktur, Kontrolle und des Chaos standen. Studienergebnisse sprechen da-
für, dass Studierende, die selbst Autonomie in ihrem Studium erleben und sich nicht
(zu sehr) unter Druck gesetzt fühlen, eher zu Autonomieförderung im Unterricht ten-
dieren (Pelletier & Sharp, 2009). Ausgehend von den Befunden, dass eine gelingen-
de Autonomieförderung im Klassenzimmer klare Strukturen benötigt (Cheon, Reeve
& Vansteenkiste, 2020), geht die empirische Erhebung der Frage nach, ob die wahr-
genommene Autonomie im Studium dazu beiträgt, strukturiertes Unterrichtshandeln
zu favorisieren. (Angehende) Lehrpersonen, die sich in der Lage sehen, das Engage-
ment ihrer Schüler*innen zu fördern, tendieren im Unterricht eher zu einer struktu-
rierten Autonomieförderung als zu Kontrolle und chaotischem Unterrichtshandeln
(Berger et al., 2018). Somit sollte diese Facette der Selbstwirksamkeit der Präferenz für
vorteilha e Unterrichtsstrategien zuträglich sein. Klassenführungsbezogene Selbstwirk-
samkeitsüberzeugungen, die sich mit der in dieser Studie eingesetzten Skala primär auf
den Umgang mit und die Kontrolle von störendem Verhalten im Unterricht beziehen,
werden eher mit kontrollierendem und strukturierendem Unterrichtshandeln als mit
Autonomieförderung oder chaotischem Unterrichtshandeln einhergehen (Berger et al.,
2018).
Konkret werden folgende Annahmen geprü :
Hypothese 1 (H1): Die im Studium wahrgenommene Autonomie steht in einer posi-
tiven Beziehung zur Autonomieförderung und Struktur und weist keine bedeutsamen
Beziehungen zur Kontrolle und zum Chaos auf.
Hypothese 2 (H2): Studierende, die sich als selbstwirksam in Bezug auf die Förderung
des Engagements der Schüler*innen wahrnehmen, tendieren eher zur Autonomieför-
derung und Struktur und weniger zur Kontrolle und zum Chaos.
Hypothese 3 (H3): Selbstwirksamkeitsüberzeugungen im Classroom Management
sind positiv mit kontrollierendem Unterrichtshandeln sowie Struktur assoziiert und
weisen keine bedeutsamen oder negative Beziehungen zur Autonomieförderung und
zu chaotischem Unterrichtshandeln auf.
Antizipiertes Unterrichtshandeln von Lehramtsstudierenden 61
5. Methode
5.1 Stichprobe
Die Stichprobe beruht auf einer Eingangsbefragung von Studierenden des Lehramts
Sekundarstufe Allgemeinbildung am Studienstandort Salzburg, die im Rahmen der
SMILE-Studie2 zu Beginn des ersten Studiensemesters durchgeführt wurde. In die Ana-
lysen wurden vier Erhebungskohorten von Studienanfänger*innen beginnend ab dem
Wintersemester 2017/18 aggregiert (n = 885). Die Stichprobe setzt sich aus 67.7 % weib-
lichen und 32.3 % männlichen Studierenden zusammen. Die Altersangaben weisen eine
Altersspanne von 17 bis 51 Jahre bei einem Median von 20 Jahren auf.
Aufgrund der Umstellung von einer Paper-Pencil-Erhebung in einer Vorlesung für
die erste Kohorte auf eine webbasierte Erhebung innerhalb eines Seminars mit Anwe-
senheitsp icht variiert der Rücklauf in Bezug auf die gemeldeten Studierenden zwi-
schen etwa 50 % und über 90 % für die späteren Erhebungswellen. In Analysen auf
Grundlage von Kohortenvergleichen konnte gezeigt werden, dass die Unterschiede im
Rücklauf zu keinen Selektionse ekten führen (Eder, Gniewosz & Katstaller, 2021).
5.2 Instrumente
5.2.1 Autonomie im Studium
Das Autonomieerleben im Lehramtsstudium wurde auf Grundlage einer neu entwi-
ckelten Skala erfasst, welche in Anlehnung an Befunde aus Experimentalstudien von
Reeve, Nix und Hamm (2003) die wahrgenommene Autonomie hinsichtlich der Aspek-
te des Interesses und der persönlichen Relevanz, der wahrgenommen Wahlmöglichkei-
ten und des inneren Handlungsursprungs erfasst (Martinek, Kipman, Hofmann & Car-
mignola, 2018). Die Studierenden beantworteten auf einer siebenstu gen Ratingskala
(1 = „tri überhaupt nicht zu“ bis 7 = „tri voll und ganz zu“) sieben Items (Beispiel-
item: „Ich glaube, dass ich im Studium meine eigenen Zugänge zum Lehrberuf ent-
wickeln kann.“). Die Skala verfügte über eine sehr gute interne Konsistenz (ω= .86).
Der Modell t für eine eindimensionale Lösung betrug χ²=172.81; df=14; CFI=.924;
RMSEA=.119; SRMR= .043. Der RMSEA-Wert überschritt damit das Cut-O -Krite-
rium3; der SRMR-Wert lag dagegen im akzeptablen Bereich. Für den CFI-Wert wird in
der Praxis vielfach ein Wert von .90 als noch akzeptable Untergrenze angesehen (vgl.
Hoyle, 2011).
2 Informationen zum Projekt SMILE – Studierendenmerkmale im Lehramt nden interessierte
Leser*innen unter https://smile.sbg.ac.at
3 Der RMSEA-Wert liegt leicht über dem von MacCallum, Browne und Sugawara (1996) emp-
fohlenem Cut-O -Bereich von .08 bis .10. Die Abweichung kann durch die implizite Mehrdi-
mensionalität (persönliche Relevanz, wahrgenommene Wahlmöglichkeiten und innerer Hand-
lungsursprung) erklärt werden, die jedoch aufgrund niedriger Trennschärfe der Items zu einem
Konstrukt zusammengefasst werden muss.
Daniela Martinek, Andreas Bach und Matteo Carmignola
62
5.2.2 Berufsbezogene Selbstwirksamkeitsüberzeugungen
Die berufsbezogenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen wurden mittels der Kurz-
fassung der „Ohio State Teacher E cacy Scale (OSTES)“ von Tschannen-Moran und
Woolfolk Hoy (2001) erhoben. Die Skala unterscheidet drei unterrichtsbezogene Di-
mensionen, von denen zwei ausgewählt wurden, da sie sich insbesondere auf das anti-
zipierte Unterrichtshandeln beziehen, welches als abhängige Variable untersucht wur-
de: Selbstwirksamkeit in Bezug auf das Classroom Management (Beispielitem: „Wie gut
können Sie störendes Verhalten im Unterricht kontrollieren?“; 4 Items; ω= .77) und
in Bezug auf das Schüler*innen-Engagement (Beispielitem: „Wie gut können Sie Schü-
ler*innen, die wenig Interesse am Unterricht haben, motivieren?“; 4 Items; ω = .69).
Das Antwortformat wurde sechsstu g (1 = „sehr schlecht“ bis 6 = „sehr gut“) gewählt.
Die Ergebnisse von kon rmatorischen Faktorenanalysen (vgl. Tabelle 1) zeigten, dass
ein zweidimensionales Modell die Daten zufriedenstellend abbilden konnte, während
ein alternativ spezi ziertes Generalfaktormodell über keine akzeptable Anpassungsgü-
te verfügte.
Tabelle 1: Fit-Indizes und Modellvergleich der Faktormodelle für die Selbstwirksamkeitsskala
Modell χ²df CFI RMSEA SRMR Δχ²(df)p
Zwei-Faktoren-Modell 135.233 19 .922 .090 .054
Ein-Faktor-Modell 330.527 27 .792 .143 .078 195.294 (8) p < .001
Anmerkungen: CFI = Comparative Fit Index; RMSEA = Robust Root Mean Square Error of Approximation;
SRMR = Standardized Root Mean Square Residual; Δχ² = Chi²-Differenzwert.
5.2.3 Antizipiertes Unterrichtshandeln
Zur Erfassung der Strategien des Unterrichtshandelns wurde eine deutsche Überset-
zung des Situations-in-School questionnaire (SIS; Aelterman et al., 2019) eingesetzt,
die von den Autor*innen dieses Beitrags und einer englischsprachigen Mitarbeiterin
auf Grundlage der Übersetzungsrichtlinien für psychologische Erhebungsinstrumen-
te (Brislin, 1970) mit wiederholten (Rück-)Übersetzungsschleifen erstellt wurde. Über
acht Vignetten zu unterrichtsbezogenen Situationen (u. a. Unterrichtsplanung, Phasen-
übergänge, Rückmeldung von Ergebnissen) wurden vier Unterrichtsstrategien erfasst,
welche (1) autonomieförderndes, (2) strukturiertes, (3) kontrollierendes und (4) chaoti-
sches Unterrichtshandeln darstellen. Die Studierenden wurden gebeten, die Vignetten
und die insgesamt 32 Items zu den vorgeschlagenen Strategien in Bezug auf die Fra-
ge, „wie sehr eine beschriebene Unterrichtsweise dem entspricht, wie sie im Unterricht
ähnliche Situationen regeln würden“, auf einer siebenstu gen Ratingskala (1 = „über-
haupt nicht“ bis 7 = „voll und ganz“) einzuschätzen. Aufgrund der theoretisch plau-
siblen hohen Kovarianz zwischen den Faktoren des autonomiefördernden und struk-
turierenden Unterrichtszugangs wurde in einem Modellvergleich das postulierte
Vier-Faktoren-Modell mit einem aggregierten Drei-Faktoren-Modell verglichen. Die
Antizipiertes Unterrichtshandeln von Lehramtsstudierenden 63
Ergebnisse des χ²-Di erenztests sprachen für eine bessere Passung des Vier-Faktoren-
Modells (vgl. Tabelle 2). Die erzielten Reliabilitätskoe zienten und ein Beispielitem für
jedes Konstrukt sind in Tabelle 3 abgebildet.
Tabelle 2: Fit-Indizes und Modellvergleich der Faktormodelle für das antizipierte
Unterrichtshandeln
Modell χ²df CFI RMSEA SRMR Δχ²(df)Δχ²
Vier-Faktoren-Modell 1307.036 453 .902 .049 .056
Drei-Faktoren-Modell 1341.459 456 .899 .049 .056 34.423 (3) p < .001
Anmerkungen: siehe Tabelle 1
Tabelle 3: Beispielvignette, -items und Reliabilitäten der Skalen für das antizipierte
Unterrichtshandeln
Skala des antizipierten
Unterrichtshandelns Beispielitem Skalenreliabilität
ω
Eine Lernaufgabe ist beendet und Sie sind gerade dabei, zu einer neuen Lernaktivität überzuleiten.
Sie machen Folgendes …
Autonomieförderung Sie nehmen sich einen Moment Zeit, um zu ver-
deutlichen, inwiefern die neue Lernaktivität auf die
vorangegangene aufbaut, damit die Schüler*innen
die Relevanz verstehen.
.81
Struktur Sie zerlegen die gestellte Aufgabe in einzelne
Schritte, damit sich die Schüler*innen eher zutrau-
en, diese zu lösen.
.82
Kontrolle Sie weisen die Schüler*innen an, sich sofort wieder
mit ihren Aufgaben zu beschäftigen, sonst wird es
ernsthafte Konsequenzen haben.
.80
Chaos Sie lassen es bleiben, weil Intervenieren zu auf-
reibend ist.
.81
5.3 Analyseverfahren
Die Beziehungen der Variablen wurden im Rahmen eines Strukturgleichungsmodells
auf latenter Ebene modelliert. Dabei wurden das Autonomieerleben im Studium und
die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der Studierenden bezüglich des Classroom Ma-
nagements und des Schüler*innen-Engagements als Prädiktoren für die vier Dimensio-
nen des antizipierten Unterrichtshandelns spezi ziert. Die Analysen erfolgten mit dem
Paket lavaan (Rosseel, 2012) für das Statistikframework R (R Core Team, 2017) und ba-
sierend auf dem ML-Schätzverfahren. Fehlende Werte wurden mittels des FIML-Ver-
fahrens im Rahmen der Parameterschätzungen des Modells berücksichtigt.
Daniela Martinek, Andreas Bach und Matteo Carmignola
64
6. Ergebnisse
Tabelle 4 zeigt die Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der Va-
riablen. Die befragten Studierenden berichteten im ersten Studiensemester von einem
hohen Autonomieerleben im Studium (M=5.19,SD=0.90) und erlebten sich als stark
selbstwirksam im Classroom Management (M=4.62, SD=0.60) und im Schüler*innen-
Engagement (M = 4.72, SD= 0.58). In Bezug auf das Unterrichtshandeln, das die Stu-
dierenden in ihrem ersten Semester für sich antizipierten, präferierten sie Strategien
der Autonomieförderung (M = 5.77, SD = 0.72) und Struktur (M = 5.71, SD =0.74),
während Kontrolle eine moderate (M=3.06,SD=0.94) und Chaos eine niedrige Aus-
prägung (M=1.96,SD=0.77) erreichten.
Tabelle 4: Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD) und Interkorrelationen der Variablen
MSD1. 2. 3. 4. 5. 6.
1. Autonomie im Studium 5.19 0.90 –
2. SW Classroom Management 4.62 0.60 .20** –
3. SW S*S-Engagement 4.72 0.58 .22** .60** –
4. Autonomieförderung 5.77 0.72 .31** .29** .43** –
5. Struktur 5.71 0.74 .30** .31** .40** .75** –
6. Kontrolle 3.06 0.94 –.01 .05 –.10** –.14** –.06 –
7. Chaos 1.96 0.77 –.08* –.09* –.12** –.24** –.33** .39**
Anmerkungen: Die Variablen der berufsbezogenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (SW) wurden
auf einer sechsstufi gen, alle andere auf einer siebenstufi gen Ratingskala eingeschätzt.
* p < .05, ** p < .01, *** p < .001.
In Abbildung 2 ist das spezi zierte Strukturgleichungsmodell zur Analyse der Bezie-
hungen zwischen dem Autonomieerleben, der berufsbezogenen Selbstwirksamkeit und
dem antizipierten Unterrichtshandeln mit standardisierten Parameterschätzungen dar-
gestellt. Das Modell verfügte über eine insgesamt zufriedenstellende Anpassungsgüte an
die Daten (χ²=2245.910; df= 1008; CFI= .902; RMSEA=.037; SRMR =.051). Das
Autonomieerleben im Studium war sowohl mit einem autonomiefördernden (β = .27)
als auch mit einem strukturierenden Unterrichtshandeln (β=.28) positiv assoziiert. Für
die Selbstwirksamkeit im Classroom Management zeigte sich ein signi kanter, positiver
Pfad zum kontrollierenden Unterrichtshandeln (β= .24). Die Selbstwirksamkeit bezo-
gen auf Schüler*innen-Engagement hatte einen bedeutsamen E ekt auf alle Dimensio-
nen des antizipierten Unterrichtshandelns: Für das autonomiefördernde und strukturie-
rende Unterrichtshandeln zeigten sich positive E ekte (β=.52 und β = .46), während
die E ekte auf das kontrollierende und chaotische Unterrichtshandeln negativ aus e-
len (β= –.26 und β = –.29). Alle Regressionsbeziehungen waren auf dem Niveau von
p < .001 signi kant. Das Strukturgleichungsmodell erklärte zwischen 5 % und 7 % der
Varianz für die ungünstigen Unterrichtsstrategien (Chaos und Kontrolle), während für
die günstigen Strategien Autonomieförderung (R² = .38) und Struktur (R² = .34) eine
stärkere Varianzau lärung erreicht wurde.
Antizipiertes Unterrichtshandeln von Lehramtsstudierenden 65
Abbildung 2: Latentes Strukturgleichungsmodell zu den Beziehungen zwischen Auto nomie-
erleben, berufsbezogener Selbstwirksamkeit und antizipiertem Unterrichtshandeln.
Nur signi kante Regressionspfade wurden eingezeichnet und mit standardisierten
Koe zienten beschri et. *p < .05; **p < .01; ***p < .001.
7. Diskussion
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass die im Studium wahrgenommene Auto-
nomie und die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen in Bezug auf das Schüler*innen-En-
gagement die Präferenzen von Studierenden für erstrebenswerte Unterrichtsstrategien
der Struktur und Autonomieförderung erklären können. Insbesondere die Selbstwirk-
samkeitsüberzeugungen hinsichtlich des Schüler*innen-Engagements zeigten die stärks-
ten E ekte und waren darüber hinaus mit einer geringeren Tendenz zu chaotischem
und kontrollierendem Unterrichtshandeln verbunden. Die Ergebnisse bestätigen die
Hypothesen 1 und 2 und korrespondieren mit bisherigen Studienbefunden, die auf
die Relevanz von Autonomie- und Selbstwirksamkeitserleben bei Lehrpersonen für ihr
(antizipiertes) Handeln im Unterricht verweisen (u. a. Berger et al., 2018; Pelletier &
Sharp, 2009). Bemerkenswert ist der Befund, dass die auf disziplinorientiertes Class-
room Management fokussierten Selbstwirksamkeitsüberzeugungen mit erhöhten Kon-
trolltendenzen einhergehen, was durch die Art der Erfassung der Selbstwirksamkeits-
überzeugungen erklärt werden könnte (Tschannen-Moran & Woolfolk Hoy, 2001). Im
Sinne der Selbstbestimmungstheorie ist unnötiger Kontrolldruck ungünstig für nach-
haltiges Lernen und mindert das Wohlbe nden. Kein bedeutsamer E ekt ließ sich ent-
gegen den bisherigen Befunden von Berger et al. (2018) für die klassenführungsbe-
zogenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen auf das strukturierte Unterrichtshandeln
belegen. Hypothese 3 konnte somit zum Teil bestätigt werden. Die mit dieser Studie er-
fassten klassenführungsbezogenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (Tschannen-Mo-
Daniela Martinek, Andreas Bach und Matteo Carmignola
66
ran & Woolfolk Hoy, 2001) scheinen je nach Untersuchungskontext vermutlich E ekte
auf unterschiedliche Unterrichtsstrategien zu haben – entweder in Richtung eines stär-
ker strukturierenden oder stärker kontrollierenden Unterrichtshandelns. Im Folgenden
werden insbesondere die praktischen Implikationen dieser Befunde diskutiert, um die
Ergebnisse für die Lehrer*innenbildung nutzbar zu machen.
Lehramtsstudierende monieren mitunter zurecht, dass die Art und Weise, wie sie
im Lehramtsstudium studieren, nicht mit den Strategien übereinstimmt, die sie in Be-
zug auf zeitgerechtes Unterrichtshandeln entwickeln sollen. Die Relevanz von Selbst-
bestimmung im Klassenzimmer ist vielfältig belegt (Howard et al., 2021; Jang, Kim &
Reeve, 2012; Reeve & Cheon, 2021; Ryan & Deci, 2020). Betrachtet man die Struktur
von und die Angebote in der Lehrer*innenbildung, so erscheint es durchaus erstre-
benswert, auch die Autonomie Studierender bewusst(er) zu gewichten. Wie eine aktu-
elle Studie belegt, nehmen beginnende Lehramtsstudierende ein moderat hohes Level
an Autonomie im Studium wahr. Jedoch scheint dieses Niveau bis zum Ende des Ba-
chelorstudiums signi kant zu sinken (Martinek, Zumbach & Carmignola, 2020). Die in
der vorliegenden Erhebung gefundenen Beziehungen zu erstrebenswerten Unterrichts-
strategien und angesichts der Befunde, die dafürsprechen, dass sowohl Autonomie- als
auch Selbstwirksamkeitserleben im Studium mit zahlreichen positiven Aspekten (z. B.
bessere Leistungen, höheres Wohlbe nden; u. a. Goodman, Trapp, Park & Davis, 2021;
Miksza, Evans & McPheron, 2021; Zee & Koomen, 2016) assoziiert sind, verdeutlichen,
dass es sich lohnt, bei der Gestaltung von Studienmöglichkeiten die Selbstbestimmung
der Studierenden angemessen zu berücksichtigen und eine positive Entwicklung von
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen anzustreben.
Im Hinblick auf Limitationen der Studie muss berücksichtigt werden, dass Studie-
rende zu Studienbeginn befragt wurden, deren Einschätzungen sich durch Erfahrun-
gen im weiteren Studium vermutlich verändern. Die Befunde lassen außerdem nur
Aussagen zu der untersuchten Studierendenkohorte zu und können nicht auf andere
Lehrer*innenbildungskontexte übertragen werden. Darüber hinaus handelt es sich um
eine Querschnittstudie, die keine kausalen Aussagen zulässt. Modellierungen im Längs-
schnitt wären nötig, um die Aussagen weiter empirisch zu erhärten. Bezüglich der Er-
fassungsstrategien ist zum einen anzumerken, dass es sich bei der eingesetzten Skala
zur Erfassung der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen um eine nicht publizierte Überset-
zung der Skala von Tschannen-Moran und Woolfolk Hoy (2001) handelt. Bezüglich des
Itemstamms wäre zu diskutieren, ob kün ig eine stärker selbstwirksamkeitsbezogene
Formulierung gewählt werden könnte, indem explizit auf die persönliche Überzeugung
Bezug genommen wird (z. B. „Wie überzeugt sind Sie …“). Zum anderen basieren alle
Einschätzungen der Studierenden auf Selbsteinschätzungen, was die empirische Evidenz
der verfügbaren Befunde aufgrund der Gefahr gemeinsamer Methodenvarianz begrenzt
(Podsako , MacKenzie & Podsako , 2012). Des Weiteren sei auf hohe Korrelationen
zwischen Konstrukten hingewiesen. Im Instrument SIS traten diese insbesondere zwi-
schen Struktur und Autonomieförderung auf, die im Hinblick auf die empirische Trenn-
barkeit der beiden Dimensionen problematisch erscheint. In weiteren Studien sollte die
Validität des Instruments erneut geprü werden. Zwischen den untersuchten Selbst-
wirksamkeitsdimensionen lag ebenfalls eine hohe Korrelation vor. Eine mögliche Mul-
Antizipiertes Unterrichtshandeln von Lehramtsstudierenden 67
tikollinearität aufgrund der Abhängigkeit der beiden Prädiktorvariablen konnte aller-
dings auf Grundlage von zusätzlich durchgeführten Analysen ausgeschlossen werden.
Unter Berücksichtigung dieser Limitationen erweitert die Studie insgesamt die em-
pirischen Erkenntnisse zur Bedeutung der wahrgenommenen Autonomie und Selbst-
wirksamkeit von angehenden Lehrpersonen für ihr antizipiertes Unterrichtshandeln.
Aussichtsreich wäre es kün ig, weiterführende (Längsschnitt-)Analysen vorzunehmen,
unter anderem im Hinblick auf mediierende und moderierende Beziehungen zwischen
den untersuchten Konstrukten.
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Christoph Weber, Herbert Altrichter und Johannes Reitinger
Lehrer*innenbildung ALT und NEU – Gibt es Unterschiede in der
professionellen Entwicklung Studierender?
Zusammenfassung
Die Studie ist im Kontext der jüngsten Reform der österreichischen Ausbildung für das Se-
kundarschul-Lehramt angesiedelt. Anhand von Längsschnittdaten eines Standorts wird bei-
spielha die Entwicklung von einigen Elementen der professionellen Kompetenz, nämlich
unterrichtsbezogenen Einstellungen, Selbstwirksamkeitserwartungen und Aspekten beru i-
chen Selbstkonzepts, bei 301 Studierenden des neuen Studiengangs (Bachelorstudium) unter-
sucht und mit entsprechenden Entwicklungen bei 181 Studierenden des Vorgänger-Studiums
verglichen.
Schlüsselwörter: Lehramtsausbildung, professionelle Entwicklung, unterrichtsbezogene Ein-
stellungen, Selbstwirksamkeit, Selbstkonzept
Abstract: Teacher education old and new – Is there a difference in the
professional development of students?
e paper is situated in the context of the recent Austrian reform of secondary teacher edu-
cation. Using longitudinal data of a programme site, the development of some exemplary el-
ements of professional competence, namely teaching attitudes, self-e cacy, and professional
self-concept, is examined among 301 students in the new bachelor programme and com-
pared with corresponding developments among 181 students in the predecessor programme.
Keywords: Teacher education, professional development, attitudes, self-e cacy, self-concept
1. Einleitung
Mit der Umsetzung der PädagogInnenbildung NEU (QSR, 2014) gehen verschiedene
Erwartungen hinsichtlich einer Qualitätssteigerung der Lehramtsausbildung im Ver-
gleich zu den Vorgängerstudien einher. Waren vor der Einführung der neuen Studien-
strukturen in Österreich noch drei – zugleich inhaltlich als auch studienorganisatorisch
sehr unterschiedliche – Wege ins Sekundarstufenlehramt möglich (Mayr, Bock, Mül-
ler & omas, 2021), so ist aktuell ein vereinheitlichter Weg vorgesehen (BMBWF, o.J.;
Kucher & Rulofs, 2018). Dabei kooperieren die lehrer*innenbildenden Universitäten
und Pädagogischen Hochschulen in vier österreichischen Clusterregionen (Mitte, Nord-
Ost, Süd-Ost, West), um einheitliche Lehramtsstudien auf Basis clusterspezi scher Cur-
ricula anzubieten. Diese Zusammenführungen sollen sicherstellen, „dass die jeweiligen
Kompetenzen der Pädagogischen Hochschulen und der Universitäten in neu eingerich-
tete Studien ein ießen“ (QSR, 2014, S. 3), wobei hier wohl an schulpraxisorientierte
und fachdidaktische Ausbildung einerseits und wissenscha sorientierte Fundierung der
fach- und bildungswissenscha lichen Ausbildung andererseits gedacht ist. Weiters er-
ho man sich durch stärkere Betonungen einer Kompetenz- sowie Forschungsorien-
tierung in den neu entworfenen Curricula einen Professionalisierungsschritt in der
Christoph Weber, Herbert Altrichter und Johannes Reitinger
72
Lehrpersonenbildung (Altrichter & Soukup-Altrichter, 2014; Messner, Krainz-Dürr &
Fischer, 2018, S.135; Prenzel, 2019, S.27). Dabei wird erwartet, dass diese Neuerungen
– abseits des seit längerem im Fokus stehenden professionellen Wissens (Kunter et al.,
2013; Tachtsoglou & König, 2018) – auch weitere Merkmale professioneller Kompetenz,
wie etwa unterrichtsbezogene Einstellungen, Selbstwirksamkeitserwartungen oder As-
pekte beru ichen Selbstkonzepts, beein ussen (Rothland & Straub, 2018; Seifert & Sha-
per, 2018).
In Österreich1 sind seit der Umsetzung der sogenannten PädagogInnenbildung NEU
mehrere Begleitforschungsprozesse in Gang gekommen (Eder, 2022, in diesem Band).
Zu diesen zählt auch die Linzer Längsschnittstudie zur Lehrer*innenbildung (L3-Studie;
Weber, Altrichter, Reitinger, Bergmann & Himmelsbach, 2021), die sich als Beitrag zum
sich entwickelnden Diskurs über Lehrpersonenbildungsprozesse und die Umsetzung
der Lehrer*innenbildung NEU versteht. Der vorliegende Beitrag untersucht auf Basis
von Längsschnittdaten der L3-Studie die Entwicklung von unterrichtsbezogenen Ein-
stellungen, Selbstwirksamkeitserwartungen und Aspekten des beru ichen Selbstkon-
zepts bei Studierenden des Bachelorstudiums der Lehrer*innenbildung NEU und ver-
gleicht diese mit Daten aus dem vorherigen Studium. Gegenüberstellungen dieser Art
liegen in Österreich zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrages noch nicht vor, sind
aber in Hinblick auf die Frage des Mehrwerts der curricularen Neuau age des Lehr-
amtsstudiums von Bedeutung.
2. Linzer Längsschnittstudie zur Lehrer*innenbildung (L3-Studie)
Die L3-Studie verfolgt die Zielsetzung, sowohl evaluativ ausgerichtete als auch theo-
riegeleitete Fragestellungen zu klären. Hierzu werden von einem Forschungsteam an
vier kooperierenden Institutionen2 seit 2016 Daten über die Entwicklung der Lehrer*in-
nenbildung NEU im Raum Linz gesammelt, ausgewertet und sukzessive verö entlicht
(Hecht & Weber, 2020; Reitinger, Altrichter, Weber, Bergmann & Himmelsbach, 2021;
Kemethofer, Altrichter & Weber, 2022).
2.1 Theoretisch-konzeptionelle Rahmung der L3-Studie
Die Lehrer*innenbildungsforschung hat in der vergangenen Dekade Modelle entwor-
fen, die Kompetenzentwicklung im Lehramtsstudium durch ein Zusammenwirken ver-
schiedener professionsbezogener Merkmale erklären (Bauer et al., 2010; Hascher & Kit-
tinger, 2014; König & Rothland, 2018). Zu diesen zählen berufsbezogene Merkmale,
wie etwa professionelles Wissen, Werthaltungen und Überzeugungen, motivationale
1 In Österreich zeichnet sich damit eine Parallele zu den Bemühungen um eine Qualitätssteige-
rung der Lehrer*innenbildung in Deutschland durch die „Qualitätso ensive Lehrerbildung“
(BMBF, 2021; Altrichter et al., 2020) ab, die auch zu einer Intensivierung der Forschung über
Lehrpersonenbildung beigetragen hat (Cramer, König, Rothland & Blömeke, 2020).
2 Johannes Kepler Universität Linz (JKU), Kunstuniversität Linz, Pädagogische Hochschule Ober-
österreich (PH OÖ) und Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz (PHDL).
Lehrer*innenbildung ALT und NEU 73
Orientierungen oder Selbstregulation (Kunter et al., 2013). In solchen Modellen werden
diese Merkmale als entwickelbare Lernvoraussetzungen betrachtet, wenn Studierende
in geeigneten Lerngelegenheiten (u. a. Klemenz, König & Schaper, 2019; Kunina-Ha-
benicht et al., 2013) mit Angeboten konfrontiert werden, die sie im Sinne der eigenen
professionellen Entwicklung nutzen können (Angebots-Nutzungs-Modell; Fend, 1981;
Helmke, Rindermann & Schrader, 2008).
Abbildung 1: Konzeptionelles Rahmenmodell ( Weber et al., 2021; Ergänzung und Adaption eines
Modells von Bauer et al., 2010)
Das konzeptionelle Rahmenmodell der L3-Studie nimmt ebenfalls auf diese Konzepte
Bezug (vgl. Abb.1). Die hier skizzierten berufsbezogenen Merkmale repräsentieren Ele-
mente von pädagogischer Handlungskompetenz, die als „the latent cognitive and a ec-
tive-motivational underpinning of domain-speci c performance in varying situations“
(Blömeke, Gustafsson & Shavelson, 2015) verstanden werden kann. Die Merkmale ent-
wickeln sich im Studienverlauf (Kauper, Bernholt & Bauer, 2018; Müller, Weißenbacher,
Koschmieder & Mayr, 2021a) und haben einen Ein uss auf das professionelle Handeln
im unterrichtlichen Kontext und – in weiterer Folge – auch auf die Lernergebnisse der
Schüler*innen (Kunter et al., 2013).
2.2 Studien zu Merkmalen professionellen Lehrer*innenhandelns
Die aktuelle Studienlage zu den einzelnen berufsbezogenen Merkmalen ist von di e-
renzierten Zugängen und unterschiedlicher Ausarbeitungsdichte geprägt. So ist bei-
spielsweise die Bedeutung professionellen Wissens gut belegt. Betrachtet man einzelne
Dimensionen des professionellen Wissens, wie etwa fachbezogene, fachdidaktische oder
Christoph Weber, Herbert Altrichter und Johannes Reitinger
74
überfachliche pädagogische Anteile, stößt man bei Letzteren auf eine eher heterogene
Forschungslage (Kleickmann et al., 2013; König & Blömeke, 2010; Voss, Kunina-Habe-
nicht, Hoehne & Kunter, 2015) und erst in jüngerer Zeit ist wieder eine Verdichtung
diesbezüglicher Forschungsbemühungen zu verzeichnen (z. B. Dittrich, 2020).
Von wesentlichem Interesse in der Lehrer*innenbildungsforschung zu professionel-
len Handlungsmerkmalen sind – bezugnehmend auf die kompetenztheoretische Deu-
tung des Lehrer*innenhandelns (Baumert & Kunter, 2006) – lehrberufsrelevante Wert-
haltungen und Überzeugungen). Einstellungen bzw. Überzeugungen fungieren als „Filter
der Wahrnehmung“ (Wilde & Kunter, 2016, S.304) und bilden – z. B. als Sichtweisen
auf Lernen und Unterrichten, Einschätzungen von störendem Verhalten und Überzeu-
gungen hinsichtlich eines wirksamen Umgangs mit Störungen – einen wesentlichen
Rahmen für die Einordung und Bewertung von Unterrichtssituationen. Durch ihre
Auswirkungen auf die Gestaltung von Unterricht hängen sie letztlich auch mit unter-
richtsbezogenen Zielsetzungen sowie Schüler*innenleistungen zusammen (Bernholt,
Kauper, Zimmermann & Rösler, 2020; Buehl & Beck, 2015; Levin, 2015). Hierzu zeigen
mehrere Studien, dass bei Lehrkrä en beispielsweise transmissive, stark steuerungs-
orientierte Einstellungen und Überzeugungen betre end Unterricht dazu führen, dass
deren Unterricht von den Lernenden weniger kognitiv herausfordernd wahrgenommen
wird und damit bei diesen auch niedrigere Lernerfolge nach sich zieht (Bernholt et al.,
2020; Voss, Kleickmann, Kunter & Hachfeld, 2011). Lernen – dem entgegengesetzt –
als aktiven, persönlichen Konstruktionsprozess zu verstehen, wirkt hinsichtlich der Ge-
staltung von Lerngelegenheiten für Schüler*innen dahingehend positiv prädiktiv, dass
Selbstregulation und Interessensförderung als unterrichtsbezogene Zielsetzungen in den
Vordergrund rücken (Bernholt et al., 2020, S.222).
Motivationale Orientierungen und Selbstregulation bilden nach Baumert und Kun-
ter (2006) zentrale Merkmale der psychologischen Funktionsfähigkeit von Lehrkräf-
ten. Motivation als individuelle Lernvoraussetzung spielt etwa eine wesentliche Rolle im
Zuge professioneller Entwicklung (Müller, 2006; Richardson & Watt, 2010). Während
des Professionalisierungsprozesses von Lehramtsstudierenden kann es jedoch zu Ver-
änderungen der Motivation kommen (König, Rothland, Tachtsoglou & Klemenz, 2016).
So steigt zwar einerseits die intrinsische Motivation im Laufe der ersten Studienjahre.
Altruistische Facetten der Motivation – wie etwa die Motivation, mit Kindern und Ju-
gendlichen zu arbeiten – verebben hingegen mit fortschreitendem Studium. Insgesamt
wird die Motivation von Lehrpersonen durch frühe praktische Lerngelegenheiten und
Mentoring positiv beein usst. Ebenso hat die Lehrmotivation dort, wo den praktischen
Studien höhere Aufmerksamkeit geschenkt wird, eine höhere praktische Relevanz, als
beispielsweise in Kontexten, die sich stärker der theoretischen Auseinandersetzung wid-
men (König et al., 2016, S.98).
Selbstregulation als „allgemeine Fähigkeit, komplexe Handlungen auch dann weiter
zu verfolgen, wenn Ein üsse au reten, welche die Motivation und Konzentration be-
einträchtigen“ (Müller et al., 2021a, S.224; siehe auch Schwarzer, 2000), stellt mit Blick
auf die Lehrer*innenprofession, die vielschichtige und o unvorhersagbare Heraus-
forderungen mit sich bringt, eine dienliche Disposition dar (Baumert & Kunter, 2006,
S.504). Dabei erweist sich Selbstregulation u. a. als prädiktiv für den Verbleib im Be-
Lehrer*innenbildung ALT und NEU 75
ruf, die Gesundheit und die Qualität der Berufsausübung von Lehrkrä en (Menge &
Schaeper, 2018). Studierende der Lehrer*innenbildung NEU weisen nach Müller et al.
(2021a) eine hohe Selbstregulationsdisposition auf, unabhängig davon, ob sie sich für
die Primarstufe oder Sekundarstufe entschieden haben.
Den Merkmalen motivationale Orientierungen und Selbstregulation von Lehrper-
sonen sind weiters lehrpersonenspezi sche Selbstkonzepte sowie die Selbstwirksamkeit
von Lehrer*innen (Schmitz & Schwarzer, 2000) zuzuordnen. Sowohl Selbstwirksamkeit
also auch Selbstregulation determinieren Berufszufriedenheit und Handlungskompe-
tenz (Mayr, 2014) und gelten als prädiktiv für die Retention in der Lehramtsausbildung
(Müller, Koschmieder & Krammer, 2021b). Es wird angenommen, dass Selbstwirksam-
keit mit entsprechenden Kompetenzerfahrungen während des Professionalisierungs-
prozesses einer Lehrperson steigt (u. a. Seifert & Schaper, 2018), wenngleich es wäh-
rend des Ausbildungsprozesses auch zwischenzeitig zu einer Absenkung kommen kann
(Müller et al., 2021a, S.222–224; Schüle, Besa, Schriek & Arnold, 2017). Mit Blick auf
die Entwicklung inklusionsrelevanter Selbstwirksamkeitsüberzeugungen haben Hecht
und Weber (2020, S.23) gezeigt, dass mit Fortschritt der eigenen professionellen Bio-
gra e die inklusionsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung steigt.
3. Fragestellungen
Eine Reform eines Studienprogramms tritt immer mit dem Anspruch einer Verbes-
serung gegenüber dem vorherigen Zustand an. Die Lehrer*innenbildung NEU unter-
scheidet sich von den Lehramtsstudien der alten Curricula (Lehrer*innenbildung ALT)3
durch strukturelle Merkmale, durch eine längere Studiendauer, die Anpassung der Stu-
dienstruktur an das Bologna-Schema mit der Mindestquali kation Master, die Zu-
sammenführung der unterschiedlichen schultypenbezogenen Lehramtsstudien von
Universitäten und Pädagogischen Hochschulen sowie die Einführung eines Eignungs-
feststellungsverfahrens im Zugang zum Lehramtsstudium (QSR, 2014; BMBWF, o.J.;
Weber et al., 2021). Curriculare Akzente wollte die Reform durch eine stärkere Kom-
petenzorientierung der Curricula, ein ausgewogeneres Verhältnis von schulpraktischen
und akademisch-fachorientierten Lerngelegenheiten (jedenfalls im Vergleich zu den
beiden Vorgänger-Studienrichtungen) sowie durch Modularisierung, Inklusionsorien-
tierung und Bildungsorientierung als Leitlinien für die Curriculumentwicklung setzen
(Braunsteiner et al., 2014).
In diesem Beitrag fragen wir nun, in welcher Weise sich unterschiedliche berufsbe-
zogene Merkmale der Studierenden im Verlauf des Bachelorstudiums NEU entwickeln
und ob sich dabei Unterschiede zur Lehrer*innenbildung ALT zeigen. Folgende Frage-
stellungen sollen in den Blick genommen werden.
– Ist bei Studierenden der Lehrer*innenbildung NEU im Studienverlauf ein Zuwachs
in den gemessenen berufsbezogenen Merkmalen festzustellen?
3 Im Folgenden wird mit den Kürzeln NEU und ALT auf die unterschiedlichen Lehrerbildungs-
programme bzw. auf die Studierendengruppen in diesen Programmen verwiesen.
Christoph Weber, Herbert Altrichter und Johannes Reitinger
76
– Im Sinne der Reformintention interessiert weiters: Ist bei Studierenden der Leh-
rer*innenbildung NEU im Studienverlauf ein – im Vergleich zu Studierenden der
Lehrer*innenbildung ALT – höherer Zuwachs in den gemessenen berufsbezogenen
Merkmalen festzustellen?
– Unterscheiden sich Studierende der Lehrer*innenbildung NEU von jenen der Leh-
rer*innenbildung ALT in den berufsbezogenen Merkmalen am Ende des Bachelor-
studiums?
Einschränkend muss betont werden, dass wir in diesem Beitrag von den oben skizzier-
ten berufsbezogenen Merkmalen nur auf unterrichtsbezogene Überzeugungen, Selbst-
wirksamkeitserwartungen und das berufsbezogenes Selbstkonzept fokussieren.
4. Methode
Zur Beantwortung dieser Fragestellungen werden L3-Daten herangezogen. Im Rahmen
dieser Studie wurden zwei Jahrgangskohorten (letzter Jahrgang ALT und erster Jahr-
gang NEU) wiederholt im Verlauf des Bachelorstudiums befragt (siehe Tabelle 1 und
Abbildung 2). Die Zielgruppe der Studie stellen alle Studierenden der gewählten Jahr-
gänge dar, die an einer erstzulassenden Linzer lehrer*innenbildenden Institution (JKU,
Kunstuniversität, PH OÖ, PHDL) studierten. Die Studierenden der Lehrer*innenbil-
dung NEU (n = 445, zu Beginn des Studiums4) wurden im Laufe des Bachelorstudiums
fünfmal befragt (siehe Tabelle 1 und Abbildung 2). Für Studierende der Lehrer*innen-
bildung ALT liegen drei Erhebungswellen vor (n = ca. 400 zu Beginn des Studiums5).
Anzumerken ist, dass sich die Gruppe der Studierenden ALT aus PH-Studierenden
des sechssemestrigen Lehramts für Mittelschulen (86 %) und Diplomstudierenden des
neunsemestrigen Lehramts für Höhere Schulen (14 %) zusammensetzt. Für PH-Stu-
dierende fällt die letzte Erhebungswelle mit dem Studienende zusammen, während für
Universitätsstudierende – auf Grund des individuellen Studienfortschritts – keine ein-
heitliche Zahl der absolvierten Semester angegeben werden kann. Alle Erhebungen er-
folgten online via www.soscisurvey.de (L einer, 2019), wobei die Befragungen der Wel-
len 1 bis 3 im Rahmen von P ichtlehrveranstaltungen stattfanden. Die Erhebungen von
Welle 4 erfolgten sowohl per Mailaussendung als auch im Rahmen der Anmeldung zu
Praktikumsplätzen. Die Befragungen der 5. Welle, die in das erste Corona-Semester e-
len, wurden ausschließlich über Maileinladung durchgeführt, was sich in der geringe-
ren Rücklaufquote – die jedoch vermutlich auch der pandemiebedingten Ausnahmesi-
tuation geschuldet ist – niederschlägt.
4 Darin sind auch Personen enthalten, die zwar das Lehramtstudium inskribierten, jedoch das
Studium nicht aktiv begannen (d. h. keine Lehrveranstaltungen besuchten).
5 Siehe auch Fußnote 3. Die nicht exakte Angabe der Fallzahl beruht zudem darauf, dass im Stu-
dienjahr 2015/16 noch keine institutionsübergreifende Dokumentation der Anfänger*innen von
Lehramtstudien erfolgte.
Lehrer*innenbildung ALT und NEU 77
4.1 Stichprobe
Für den vorliegenden Beitrag verwenden wir Daten von Studierenden, die zumindest
an zwei Erhebungswellen teilgenommen haben.6 Insgesamt ießen so Daten von 302
Studierenden der Lehrer*innenbildung NEU und von 181 Studierenden der Lehrer*in-
nenbildung ALT in die Analysen ein. Nähere Details zu den Fallzahlen je Erhebungs-
welle sind in Tabelle 1 dargestellt. Der Anteil der weiblichen Studierenden macht unter
den Studierenden ALT 73 % und unter den Studierenden NEU 71 % aus. Für die Stu-
dierenden NEU zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Geschlecht und Teilnahme an
Befragungen: Weibliche Studierende nahmen vermehrt an mehreren Erhebungswellen
teil (rpb = .231, p < .002), was sich auch in höheren Frauenanteilen bei den Wellen 4
und 5 widerspiegelt (um 80 %).7 Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der ersten Wel-
le liegt bei NEU-Studierenden bei 22.2 Jahren (SD = 4.8) und bei ALT-Studierenden
bei 24.1 Jahren (SD = 5.9). Berücksichtigt man, dass ALT-Studierende zum Zeitpunkt
der ersten Welle bereits ein Studienjahr absolviert haben, bleibt ein nichtsigni kanter
Altersunterschied von rund einem Jahr zum Zeitpunkt des Studienbeginns (t[317.2] =
1.84, p > .05).
Tabelle 1: Überblick über die Erhebungswellen und -zeitpunkte8
Welle 1 Welle 2 Welle 3 Welle 4 Welle 5
Ende 8. Sem. 6.–7. 2020
Ende 6. Sem. 5. 2018 5.–6. 2019
Ende 4. Sem./
Mitte 5. Sem. 5.–6. 2017 11.2018–1.2019
Ende 2. Sem./
Anfang 3. Sem. 10.–11. 2016 5.–6. 2017
Anfang 1. Semester 10.–11. 2016
Realisiertes n
(alte Curricula) 174 (313) 106 (149) 147 (229) – –
Realisiertes n
(neues Curriculum) 264 (295) 259 (271) 209 (227) 155 (223) 88 (94)
Anmerkungen. Dunkelgraue Schattierung = „alte Curricula“, hellgraue Schattierung = „neues Curriculum“.
Sem. = Semester. Das realisierte n bezieht sich auf jene Studierende, die zumindest an zwei Befragungen
teilgenommen haben. Die Werte in Klammer beziehen sich auf alle Fälle, die bei der jeweiligen Welle teilge-
nommen haben.
6 Die Daten wurden über einen durch die Studierenden selbst generierten anonymen Code ver-
bunden. Verwendet wurden also Daten von Studierenden, bei denen sich über die Wellen hin-
weg zumindest zwei Erhebungszeitpunkte verbinden ließen.
7 Dieses Ergebnis kann aus einer di erenziellen Teilnahmebereitscha resultieren, da bei den
Wellen 4 und 5 nicht im Rahmen von Lehrveranstaltungen befragt wurde und somit die „Frei-
willigkeit“ der Teilnahme stärker gegeben ist. Jedoch kann das Ergebnis auch auf einen stärke-
ren Dropout bei männlichen Studierenden hinweisen, wobei diese Frage im Rahmen dieses Bei-
trags nicht geklärt werden kann.
8 Die Benennung der Erhebungswellen in Tab. 1 erfolgt für die Studierenden ALT der Einfachheit
halber nach der absolvierten Semesterzahl der PH-Studierenden, obwohl die in der jeweiligen
Erhebungswelle ebenfalls befragten Universitätsstudierenden aufgrund der exibleren Studien-
gestaltung von der angegebenen Semesteranzahl abweichen können.
Christoph Weber, Herbert Altrichter und Johannes Reitinger
78
4.2 Messungen
Dem Rahmenmodell (Abb. 1) folgend, fokussieren wir im vorliegenden Beitrag auf
Überzeugungen und Werthaltungen sowie motivationale Orientierungen und Selbst-
regulation als Aspekte professioneller Handlungskompetenz. Detailliertere Informatio-
nen zu den Messungen nden sich bei Weber (2022).
4.2.1 Überzeugungen und Werthaltungen
Als Aspekte von lehr- und lernbezogenen Überzeugungen und Werthaltungen wur-
den zwei Skalen der TALIS 2008 Studie (OECD, 2009) herangezogen: 1.) Traditionelle
Sichtweisen des Lernens und Unterrichtens (4 Items, z. B. „E ektive/gute Lehrer*innen
zeigen den richtigen Weg vor, wie ein Problem zu lösen ist“, Cronbachs α zwischen .50
und .57) fokussieren auf die Überzeugung, dass e ektives Lernen am besten in einem
lehrer*innenzentrierten, ruhigen Unterricht, der sich mit eindeutigen lösbaren Prob-
lemen beschä igt, erfolgt. 2.) Konstruktivistische Sichtweisen des Lernens und Unter-
richtens (4 Items, z. B., „Schüler/innen lernen am meisten, wenn sie Problemlösun-
gen eigenständig erarbeiten“, Cronbachs α zwischen .54 und .65) fokussieren hingegen
auf die Ansicht, wonach schüler*innenzentriertes, forschendes Lernen e ektiv ist. Alle
Items wurden auf einer 4-stu gen Skala von „stimme gar nicht zu“ bis „stimme völlig
zu“ beurteilt.
4.2.2 Motivationale Orientierungen und Selbstregulation
Im Bereich der motivationalen Orientierungen wurden Aspekte der Lehrer*innen-
selbstwirksamkeit und unterschiedliche Aspekte des lehrkra bezogenen Selbstkonzepts
erfasst.
Selbstwirksamkeitserwartung
Die Lehrer*innenselbstwirksamkeit wurde mit vier Items von Schmitz und Schwarzer
(2002) erfasst. Die Skala fokussiert auf die Überzeugung, auch mit schwierigen Bedin-
gungen im unterrichtlichen Kontext erfolgreich umgehen zu können („Ich werde auch
mit den problematischen Schüler*innen in guten Kontakt kommen können, wenn ich
mich darum bemühe“). Cronbachs α liegt zwischen .67 bis .85. Alle Items wurden auf
einer 4-stu gen Skala von „stimme gar nicht zu“ bis „stimme völlig zu“ beantwortet.
Darüber hinaus wurden die drei Subdimensionen der Skala Teacher E cacy for In-
clusive Practice (TEIP; Sharma, Loreman & Forlin, 2012) verwendet. TEIP erfasst mit
je 6 Items die Selbstwirksamkeit in den Bereichen (1) individualisierte Unterrichtsge-
staltung (z. B.: „Ich scha e es, talentierte Schüler/innen angemessen zu fordern.“), (2)
interdisziplinäre Kooperation (z. B.: „Ich kann andere, die wenig über Gesetze bzw.
Richtlinien zur Integration beeinträchtigter Schüler/innen wissen, informieren.“) und
(3) wirksamen Umgang mit störendem Verhalten (z. B.: „Ich bin zuversichtlich, dass
Lehrer*innenbildung ALT und NEU 79
ich die Fähigkeit habe, störendes Verhalten im Unterricht zu verhindern, bevor es auf-
tritt.“). Cronbachs α liegt zwischen .68 und .83 (individualisierte Unterrichtsgestaltung),
.78 und .87 (interdisziplinäre Kooperation) und .79 und .89 (Umgang mit störendem
Verhalten). Die Items wurden auf einer 6-stu gen Skala von (1) „tri gar nicht zu“ bis
(6) „tri voll zu“ beantwortet. Anzumerken ist, dass nur die Subskala zu interdiszipli-
nären Kooperationen (Einschätzung der Fähigkeiten in der Kooperation mit anderen
Akteur*innen bei der Betreuung von beeinträchtigten Kindern) einen expliziten Inklu-
sionsfokus aufweist.
Selbstkonzept
Das mehrdimensionale Konstrukt des berufsbezogenen Selbstkonzepts wurde mit dem
Instrument ERBSE-L (Erfassung berufsbezogener Selbstkonzepte von angehenden
Lehrkrä en; Retelsdorf, Bauer, Gebauer, Kauper & Möller, 2014) erfasst, das sich an
den KMK-Standards zur Lehrer*innenbildung orientiert (KMK, 2004). Die Skala um-
fasst die folgenden sechs Selbstkonzeptdimensionen: 1.) Fach (3 Items, z. B. „Was mei-
ne Studienfächer angeht, bin ich ziemlich t“; Cronbachs α zwischen .73 und .78), 2.)
Erziehen (4 Items, z. B. „Ich nde auch zu „schwierigen“ Kindern und Jugendlichen
einen guten Zugang“, Cronbachs α zwischen .73 und .83), 3.) Diagnostizieren (4 Items,
z. B. „Ich kann Leistungen anderer gut beurteilen“, Cronbachs α zwischen .66 und .82),
4.) Innovieren (3 Items, z. B. „Es liegt mir, neue Projekte zu planen und umzusetzen“,
Cronbachs α zwischen .68 und .72), 5.) Medien (3 Items, z. B. „Ich kann Präsentations-
medien angemessen einsetzen“, Cronbachs α zwischen .85 und .87) und 6.) Beraten
(3 Items, z. B. „Ich kann andere gut beraten“, Cronbachs α zwischen .74 und .83). Die
Items wurden auf einer 4-stu gen Skala von (1) „tri überhaupt nicht zu“ bis (4) „tri
voll zu“ beurteilt.
4.3 Analysen
Für die Analysen wurde ein Strukturgleichungsmodellansatz unter der Nutzung von
Mplus 8.1 ( Muthén & Muthén, 1998–2017) verwendet. Eine zumindest akzeptable
Modellanpassung wird wie folgt beurteilt: χ²/df ≤ 3, CFI (Comparative Fit Index) ≥
.95, RMSEA (Root Mean Square Error of Approximation) ≤ .080, SRMR (Standard-
ized Root Mean Square Residual) ≤ .10 (u. a. Schermelleh-Engel, Moosbrugger & Mül-
ler, 2003).
Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage wurden latente Wachstumsmodelle
(latent growth models, LGM) zweiter Ordnung ( Hancock, Kuo & Lawrence, 2001) he-
rangezogen. In einem ersten Schritt wurden longitudinale kon rmatorische Faktoren-
analysen (CFA) durchgeführt, auf Basis derer die latenten Mittelwerte und Standardab-
weichungen der jeweiligen Konstrukte zu den fünf Messzeitpunkten berechnet wurden.
Die Analyse von zeitlichen Änderungen erfordert starke longitudinale Invarianz der
Messmodelle (d. h. Ladungen der Items und Intercepts sind über die Zeit hinweg inva-
riant; siehe u. a. Little, Preacher, Selig & Card, 2007). Analysen zur longitudinalen Inva-
rianz (starke Invarianz wird bestätigt) werden aus Platzgründen nicht in diesem Beitrag
Christoph Weber, Herbert Altrichter und Johannes Reitinger
80
berichtet, sondern in Weber (2022). In einem zweiten Schritt wurden (lineare) laten-
te Wachstumsmodelle verwendet, um die zeitliche Entwicklung der Konstrukte über
die fünf Messzeitpunkte (siehe Abbildung 2) zu untersuchen. Bei linearen Wachstums-
modellen wird die zeitliche Entwicklung durch eine Konstante (Intercept) und einen
Steigungsparameter (Slope) beschrieben. In der vorliegenden Arbeit liegt der zentra-
le Fokus auf dem Mittelwert und der Varianz des Slopes. Der Mittelwert gibt Auskun
darüber, ob es im Schnitt zu einer Änderung (Abnahme oder Zunahme) des jeweili-
gen Konstrukts kommt. Die zugehörige Varianz gibt Auskun darüber, ob interindivi-
duelle Entwicklungsunterschiede bestehen. Auch wenn sich die Entwicklung über we-
nige Messzeitpunkte in der Regel gut durch ein lineares Wachstum approximieren lässt
(Hancock & Lawrence, 2006), wurden für den Fall, dass die latenten Mittelwerte bzw.
die Änderung des Modell t zwischen longitudinaler CFA und LGM auf eine nichtlinea-
re Entwicklung hinweisen, zusätzliche Analysen unter Berücksichtigung eines quadra-
tischen Wachstumsterms (siehe etwa u-förmige Entwicklung von Selbstwirksamkeit bei
Schüle et al., 2017) durchgeführt.
Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage wurden die Entwicklungen der
Konstrukte über eine zeitlich vergleichbare Studienphase zwischen ALT und NEU (sie-
he Abbildung 2) mittels Wachstumsmodellen und multiplen Gruppenvergleichen ( Kim
& Willson, 2014) gegenübergestellt. Analog zu oben wurde auch hier in einem ers-
ten Schritt eine longitudinale CFA einschließlich der Prüfung von longitudinaler Inva-
rianz und Gruppeninvarianz durchgeführt (starke Invarianz wird bestätigt, Ergebnis-
se werden in Weber (2022) berichtet). Anschließend wurden latente Mittelwerte und
Standardabweichungen nach Gruppe und Zeitpunkt berechnet. Schließlich erfolgte die
Berechnung der gruppenspezi schen Intercepts und Slopes, die anschließend mittels
Wald-χ²-Test auf Gleichheit geprü wurden. Ein signi kanter Testwert würde auf einen
signi kanten Unterschied zwischen den Gruppen hinweisen.
Zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage wurden mittels multiplem Gruppen-
vergleich latente Mittelwertsunterschiede am jeweiligen Studienende (Abbildung 2) in
den Blick genommen, die als standardisierte Mittelwertsunterschiede abgebildet wer-
den.
Lehrer*innenbildung ALT und NEU 81
Abbildung 2: Untersuchungsdesign
5. Ergebnisse
5.1 Entwicklung im Bachelorstudium NEU
Die Ergebnisse zu Forschungsfrage 1 sind in Tabelle 2 dargestellt. Die Fitindizes (siehe
Weber, 2022) weisen im Großen und Ganzen auf eine akzeptable Anpassung hin, wo-
bei der SRMR eher schlecht ausfällt. Im linken Teil der Tabelle nden sich die latenten
Mittelwerte und Standardabweichungen. Im rechten Teil der Tabelle sind die Ergebnis-
se der linearen Wachstumsmodelle abgebildet. Im Bereich der Einstellungen zeigt sich,
dass traditionelle Sichtweisen des Lernens und Unterrichtens im Laufe des Bachelorstu-
diums (MSlope = -.12, p < .001) rückläu g sind, während konstruktivistische Sichtwei-
sen zunehmen (MSlope = .04, p < .001). Die nichtsigni kanten Slopevarianzen weisen auf
kaum vorhandene Entwicklungsunterschiede hin.
/
/
/
/
/
Christoph Weber, Herbert Altrichter und Johannes Reitinger
82
Tabelle 2: Latente Mittelwerte und Ergebnisse der Wachstumsmodelle
Latente Mittelwerte Latente Wachstumsmodelle
T1 T2 T3 T4 T5 Intercept Slope
M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) M (SE) Var
(SE) M (SE) Var
(SE)
Einstellungen
Traditionelle
Sichtweise
3.08
(0.36)
3.02
(0.35)
2.81
(0.32)
2.71
(0.37)
2.65
(0.28)
3.09
(0.04)
0.11
(0.03)
-0.12***
(0.01)
0.01
(0.03)
Konstruktivis-
tische Sicht-
weise
3.66
(0.24)
3.72
(0.23)
3.74
(0.23)
3.80
(0.23)
3.76
(0.30)
3.67
(0.03)
0.03
(0.01)
0.04***
(0.01)
0.01
(0.02)
Selbstwirksamkeit
TEIP – Indi-
vidualisierte
Unterrichts-
gestaltung
4.58
(0.45)
4.49
(0.47)
4.43
(0.46)
4.52
(0.45)
4.61
(0.57)
4.53
(0.04)
0.11
(0.03)
-0.02
(0.02)
0.06
(0.06)
TEIP – Inter-
disziplinäre
Kooperation
3.99
(0.73)
3.89
(0.80)
3.58
(0.98)
3.67
(0.91)
3.49
(1.02)
3.99
(0.08)
0.40
(0.08)
-0.13***
(0.03)
0.06**
(0.02)
TEIP – Um-
gang mit stö-
rendem Ver-
halten
4.67
(0.53)
4.68
(0.53)
4.55
(0.55)
4.52
(0.65)
4.68
(0.68)
4.68
(0.04)
0.16
(0.04)
-0.04*
(0.02)
0.01
(0.01)
Lehrkraftsbe-
zogene Selbst-
wirksamkeit
3.47
(0.36)
3.45
(0.36)
3.36
(0.37)
3.43
(0.41)
3.46
(0.52)
3.46
(0.02)
0.06
(0.02)
-0.02
(0.01)
0.00
(0.00)
Selbstkonzept
Fach 2.86
(0.36)
2.85
(0.45)
2.94
(0.40)
2.99
(0.43)
2.98
(0.43)
2.84
(0.03)
0.07
(0.02)
0.04***
(0.01)
0.00
(0.00)
Erziehen 3.74
(0.28)
3.68
(0.31)
3.68
(0.33)
3.69
(0.34)
3.70
(0.36)
3.72
(0.02)
0.06
(0.01)
-0.02
(0.01)
0.003*
(0.002)
Diagnostizieren 3.11
(0.23)
3.10
(0.25)
3.08
(0.29)
3.09
(0.24)
3.18
(0.30)
3.10
(0.03)
0.03
(0.01)
0.00
(0.01)
0.00
(0.00)
Innovieren 3.30
(0.47)
3.32
(0.40)
3.29
(0.50)
3.33
(0.49)
3.42
(0.46)
3.30
(0.04)
0.15
(0.03)
0.01
(0.01)
0.00
(0.00)
Medien 3.45
(0.52)
3.50
(0.52)
3.57
(0.44)
3.53
(0.52)
3.63
(0.47)
3.46
(0.03)
0.19
(0.03)
0.04***
(0.01)
0.01
(0.01)
Beraten 3.45
(0.32)
3.42
(0.34)
3.39
(0.37)
3.45
(0.40)
3.47
(0.43)
3.44
(0.03)
0.09
(0.02)
-0.01
(0.01)
0.01*
(0.00)
Anmerkungen: SE = Standardfehler, SD = Standardabweichung. Varianzen der Slopes wurde einseitig getes-
tet. * p < .05, ** p < .01, *** p < .001
Im Bereich der Selbstwirksamkeit lassen sich zwei signi kante Abnahmen feststel-
len. So sinkt die Selbstwirksamkeit in Hinblick auf die interdisziplinäre Kooperation
(MSlope = -.13, p < .001) und auch die Selbstwirksamkeit im Umgang mit störendem Ver-
halten nimmt im Studienverlauf ab (MSlope = -.04, p < .05). Au allend ist die hohe und
Lehrer*innenbildung ALT und NEU 83
signi kante Streuung des Slopes der interdisziplinären Kooperation. Folglich gilt, dass,
auch wenn im Schnitt eine Abnahme erfolgt, bei einigen Studierenden eine Zunahme
zu vermuten ist (unter der Annahme der Normalverteilung gilt, dass rund 16 % eine
Zunahme von zumindest Slope = .11 (= -.13 + √.06) aufweisen). Des Weiteren weisen
insbesondere die Mittelwerte für individualisierte Unterrichtsgestaltung und Umgang
mit störendem Verhalten auf einen u-förmigen Verlauf hin, d. h. nach einer Abnahme
in der ersten Häl e des Studiums kommt es zum Ende des Bachelorstudiums hin wie-
der zu einer Zunahme. Dieser u-förmige Verlauf wird auch durch einen signi kanten
negativen linearen Slope (indiv. Unterrichtsgestaltung: MSlope = -.14, p < .001; Umgang
mit störendem Verhalten: MSlope = -.08, p < .01) und einen signi kanten positiven qua-
dratischen Slope (indiv. Unterrichtsgestaltung: MSlope² = .04, p < .001; Umgang mit stö-
rendem Verhalten: MSlope² =.02, p < .05) bestätigt. Schließlich zeigt sich im Bereich der
Selbstkonzepte eine Zunahme bei fach- (MSlope = .04, p < .001) und bei medienbezoge-
nen Selbstkonzepten (MSlope = .04, p < .001).
5.2 Entwicklungsunterschiede zwischen den Studien ALT und NEU
Die Ergebnisse für die Forschungsfrage 2 sind in Tabelle 3 dargestellt. Abermals n-
den sich in der linken Häl e die latenten Mittelwerte und Standardabweichungen, in
der rechten Häl e die Ergebnisse der Wachstumsmodelle. Nachfolgend wird nur auf
die Ergebnisse der Wachstumsmodelle eingegangen. Konform mit den vorangegange-
nen Analysen zeigt sich, dass traditionelle Sichtweisen des Lernens und Unterrichtens im
Studienverlauf abnehmen und konstruktivistische Sichtweisen zunehmen. Diese Ent-
wicklung zeigt sich sowohl bei Studierenden des Lehramts ALT als auch des Lehramts
NEU. Anzumerken ist, dass traditionelle Sichtweisen bei NEU-Studierenden nach rund
einem Jahr signi kant höher ausfallen als bei ALT-Studierenden (Intercept: MNeu = 2.98
vs. MAlt = 2.84; Di erenz: χ²(1) = 4.48, p < .05), im Studium NEU jedoch ein stärke-
rer Rückgang zu verzeichnen ist (Slope: MNeu = -.20, p < .001 vs. MAlt = -.09, p < .001;
Di erenz: χ²(1) = 7.94, p < .01). Weiters zeigt sich bei beiden Gruppen ein Rückgang
der Selbstwirksamkeit zur interdisziplinären Kooperation, wobei anzumerken ist, dass
bei Studierenden des Lehramts NEU die Werte nach dem ersten Studienjahr signi kant
höher lagen (Intercept: MNeu = 3.78 vs. MAlt = 3.60; Di erenz: χ²(1) = 4.97, p < .05).
Im Bereich des Umgangs mit störendem Verhalten zeigt sich ein interessantes Muster.
Während NEU-Studierende signi kant höher starteten (Intercept: MNeu = 4.70 vs. MAlt
= 4.52; Di erenz: χ²(1) = 9.13, p < .01), kam es in dieser Gruppe auch zu einer signi -
kanten Abnahme (Slope: MNeu = -.10, p < .01), während bei ALT-Studierenden eine Zu-
nahme zu verzeichnen war (Slope: MNeu = .14, p < .001; Di erenz: χ²(1) = 27.80, p <
.001). Mit Fokus auf die Entwicklung des Selbstkonzepts zeigt sich, dass das fachbezo-
gene Selbstkonzept in beiden Gruppen signi kant zunahm. Des Weiteren fällt auf, dass
NEU-Studierende in den Bereichen Innovieren (Intercept: MNeu = 3.27 vs. MAlt = 3.14;
Di erenz: χ²(1) = 5.61, p < .05), Medien (Intercept: MNeu = 3.52 vs. MAlt = 3.37; Di e-
renz: χ²(1) = 7.80, p < .01) und Beraten (Intercept: MNeu = 3.40 vs. MAlt = 3.31; Di e-
renz: χ²(1) = 4.08, p < .05) signi kant höhere Werte nach dem ersten Studienjahr auf-
Christoph Weber, Herbert Altrichter und Johannes Reitinger
84
Tabelle 3: Latente Mittelwerte und Ergebnisse der Wachstumsmodelle – Vergleich Studium ALT und Studium NEU
Latente Mittelwerte Latente Wachstumsmodelle
T2 T3 T4 Intercept Slope
M (SD) M (SD) M (SD) M (SE) Differenz
χ²(1) Var (SE) M (SE) Differenz
χ²(1) Var (SE)
Einstellungen
Traditionelle Sichtweise Alt 2.83 (0.42) 2.78 (0.46) 2.65 (0.52) 2.84 (0.05) 4.48* 0.18*** (0.04) -0.09*** (0.03) 7.94** 0.03 (.023)
Neu 2.99 (0.41) 2.75 (0.39) 2.63 (0.46) 2.98 (0.05) 0.17*** (0.04) -0.20*** (0.03) 0.04 (.022)
Konstruktivistische Sicht-
weise Alt 3.68 (0.26) 3.70 (0.28) 3.74 (0.25) 3.68
(0.033) n.s. 0.04** (0.02) 0.03* (0.01) n.s. @0.001
Neu 3.71 (0.24) 3.72 (0.23) 3.78 (0.24) 3.70 (0.02) 0.04* (0.02) 0.04* (0.02) 0.00 (0.01)
Selbstwirksamkeit
TEIP – Individualisierte
Unterrichtsgestaltung
Alt 4.44 (0.47) 4.36 (0.50) 4.55 (0.42) 4.42 (0.05) n.s. 0.16 (0.07) 0.05 (0.03) n.s. 0.00 (0.04)
Neu 4.49 (0.48) 4.49 (0.46) 4.56 (0.47) 4.48 (0.04) 0.10 (0.04) 0.04 (0.03) @0.001
TEIP – Interdisziplinäre
Kooperation
Alt 3.62 (0.70) 3.36 (0.75) 3.45 (0.75) 3.60 (0.07) 4.97* 0.35 (0.11) -0.10** (0.04) n.s. @0.001
Neu 3.82 (0.76) 3.53 (0.92) 3.64 (0.88) 3.77 (0.07) 0.24 (0.12) -0.11* (0.05) 0.07 (0.08)
TEIP – Umgang mit
störendem Verhalten
Alt 4.52 (0.57) 4.64 (0.57) 4.80 (0.53) 4.52 (0.05) 9.13** 0.29*** (0.09) 0.14*** (0.03) 27.80*** 0.06 (0.04)
Neu 4.71 (0.54) 4.58 (0.57) 4.55 (0.67) 4.70 (0.04) 0.15*** (0.04) -0.09** (0.03) 0.06* (0.03)
Lehrkraftsbezogene
Selbstwirksamkeit
Alt 3.49 (0.38) 3.43 (0.38) 3.50 (0.37) 3.48 (0.04) n.s. 0.10 (0.04) 0.01 (0.02) n.s. 0.00 (0.02)
Neu 3.47 (0.39) 3.37 (0.36) 3.44 (0.39) 3.45 (0.03) 0.08 (0.03) -0.03 (0.02) 0.02 (0.02)
Selbstkonzept
Fach Alt 2.93 (0.47) 2.97 (0.44) 3.06 (0.42) 2.93 (0.04) n.s. 0.19 (0.05) 0.06** (0.02) n.s. 0.02 (0.02)
Neu 2.88 (0.47) 2.99 (0.42) 3.03 (0.46) 2.89 (0.04) 0.14 (0.03) 0.08*** (0.02) @0.001
Erziehen Alt 3.73 (0.32) 3.75 (0.27) 3.74 (0.29) 3.73 (0.03) n.s. 0.08 (0.02) 0.01 (0.01) n.s. @0.001
Neu 3.72 (0.29) 3.71 (0.30) 3.74 (0.31) 3.72 (0.02) 0.06 (0.01) 0.01 (0.01) @0.001
Diagnostizieren Alt 3.05 (0.24) 3.08 (0.18) 3.16 (0.20) 3.04 (0.03) n.s. 0.03* (0.01) 0.05*** (0.02) 8.67* 0.00 (0.01)
Neu 3.08 (0.24) 3.06 (0.28) 3.07 (0.23) 3.06 (0.03) 0.03* (0.02) -0.01 (0.01) 0.01 (0.01)
Innovieren Alt 3.14 (0.48) 3.20 (0.48) 3.26 (0.49) 3.14 (0.05) 5.61* 0.22*** (0.06) 0.06** (0.02) 4.68* @0.001
Neu 3.28 (0.40) 3.24 (0.49) 3.28 (0.48) 3.27 (0.04) 0.16*** (0.03) -0.01 (0.02) 0.02 (0.02)
Medien Alt 3.36 (0.58) 3.43 (0.55) 3.44 (0.61) 3.37 (0.05) 7.80** 0.32 (0.05) 0.04 (0.02) n.s. @0.001
Neu 3.50 (0.52) 3.57 (0.43) 3.52 (0.51) 3.52 (0.03) 0.16 (0.04) 0.02 (0.02) @0.001
Beraten Alt 3.33 (0.38) 3.30 (0.37) 3.44 (0.38) 3.31 (0.04) 4.08* 0.11 (0.03) 0.05** (0.02) n.s. 0.00 (0.02)
Neu 3.40 (0.35) 3.39 (0.38) 3.45 (0.41) 3.40 (0.03) 0.08 (0.02) 0.01 (0.02) @0.001
Anmerkungen: SE = Standardfehler, SD = Standardabweichung. Varianzen der Slopes wurde einseitig getestet. @0.001 … wenn sich in Analysen negative Slopevarianzen
ergaben, wurde mit der Restriktion Var(Slope) ≥ .001 sichergestellt, dass sich keine unzulässigen (negativen) Varianzschätzer ergaben.* p < .05, ** p < . 01, *** p < .001.
Lehrer*innenbildung ALT und NEU 85
wiesen, die sich über die nächsten zwei Jahre jedoch nicht mehr signi kant änderten
(für Medien gibt es eine Zunahme bis ans Ende des Bachelorstudiums, siehe oben).
Bei ALT-Studierenden kommt es hingegen in den Bereichen Beraten und Innovieren
zu signi kanten Zunahmen, wobei der Entwicklungsunterschied für Innovieren auch
signi kant ausfällt (Slope: MNeu = -.01, p > .05 vs. MAlt = .06, p < .01; Di erenz: χ²(1)
= 4.68, p < .05). Ein ähnlicher Entwicklungsunterschied zeigt sich auch beim Diagnos-
tizieren (Slope: MNeu = -.01, p > .05 vs. MAlt = .05, p < .001; Di erenz: χ²(1) = 8.67,
p < .01). Da die Gruppe ALT sowohl Studierende des sechssemestrigen PH-Studiums
als auch des achtsemestrigen Universitätsstudiums umfasst, wurden zusätzliche Analy-
sen durchgeführt, ob sich diese Subgruppen unterscheiden. Es zeigen sich jedoch weder
Unterschiede im Intercept noch im Slope.
5.3 Unterschiede am Ende der Studien ALT und NEU
Schließlich wurde untersucht, ob am Ende des Studiums (d. h. nach vier Jahren im Stu-
dium NEU und nach drei Jahren im Studium ALT9) Unterschiede in den untersuchten
Merkmalen bestehen. Mit der Ausnahme von zwei Merkmalen zeigen sich keine signi-
kanten Unterschiede (siehe Tab. 4). Studierende des Lehramts NEU vertreten am Ende
des Studiums zu einem geringeren Ausmaß traditionelle Sichtweisen des Lernens und
Unterrichtens (E ektstärke d = -.43, p < .01) als Studierende des Lehramts ALT. Des
Weiteren verfügen sie über ein positiveres Selbstkonzept im Bereich der Medien (Ef-
fektstärke d = .39, p < .01).
Tabelle 4: Mittelwertsunterschiede zwischen ALT und NEU am Ende des Studiums
Effektstärke d (SE)
Einstellungen
Traditionelle Sichtweise -0.43** (0.19)
Konstruktivistische Sichtweise 0.24 (0.18)
Selbstwirksamkeit
TEIP – Individualisierte Unterrichtsgestaltung 0.13 (0.20)
TEIP – Interdisziplinäre Kooperation -0.04 (0.19)
TEIP – Umgang mit störendem Verhalten -0.20 (0.17)
Lehrkraftsbezogene Selbstwirksamkeit -0.02 (0.19)
Selbstkonzept
Fach -0.15 (0.17)
Erziehen -0.02 (0.18)
Diagnostizieren 0.02 (0.18)
Innovieren 0.23 (0.17)
Medien 0.39** (0.13)
Beraten 0.06 (0.18)
Anmerkungen: Effektstärke d = standardisierte latente Mittelwertsdifferenz, zur Berechnung der Effektstärke
wurde die gepoolte Standardabweichung verwendet. SE = Standardfehler.
9 In der Gruppe ALT wurden nur PH-Studierende berücksichtigt, da nur diese nach 6 Semestern
das Bachelorstudium abschlossen.
Christoph Weber, Herbert Altrichter und Johannes Reitinger
86
6. Diskussion und Ausblick
Die Reform der österreichischen Lehrpersonenbildung im Zuge der PädagogInnenbil-
dung NEU hat zweifellos große strukturelle Veränderungen – wie die Reorganisation
der Studienstruktur nach dem Bologna-Muster oder die Zusammenführung der schul-
typenbezogenen Studienprogramme von Pädagogischen Hochschulen und Universitä-
ten – mit sich gebracht. Aber hat sich durch diese Reform auch etwas an den Lernan-
geboten für Studierende und an den von ihnen schließlich entwickelten Kompetenzen
geändert? In einer solchen Perspektive wird also gefragt, ob durch die neuen Curri-
cula, die ja (zumindest für einen Teil der Studierenden) deutlich umfangreicher sind,
die Stärken von Universitäten und Pädagogischen Hochschulen zusammenführen und
durch verstärkte Kompetenzorientierung, Modularisierung, Inklusions- und Bildungs-
orientierung (Braunsteiner et al., 2014) charakterisiert sein sollen, andere oder „besse-
re“ Lernerfahrungen und Lernergebnisse ermöglicht werden.
Im vorliegenden Beitrag wurde ein Ausschnitt aus diesem Fragenkomplex in den
Blick genommen: Als Indikatoren für erreichbare Lernergebnisse wurden drei Aspek-
te professioneller Handlungskompetenz, nämlich unterrichtsbezogene Überzeugungen,
Selbstwirksamkeitserwartungen und berufsbezogenes Selbstkonzept in ihrer Entwick-
lung im Lehramtsstudium NEU untersucht sowie mit entsprechenden Entwicklungen
und Ergebnissen im Lehramtsstudium ALT verglichen.
(1) Wie entwickeln sich unterschiedliche Aspekte professioneller Handlungskompe-
tenz im Verlauf des neuen Bachelorstudiums? In Hinblick auf die erste Fragestellung
zeigt sich, dass es zu einer gewünschten Änderung unterrichtbezogener Einstellun-
gen kommt. So nehmen traditionelle Sichtweisen des Lernens und Unterrichtens (u. a.
Lehrkra zentrierung) im Studienverlauf ab, während konstruktivistische Sichtweisen
(Schüler*innenzentrierung) zunehmen. Es zeigt sich auch, dass das fach- und medien-
bezogene Selbstkonzept im Laufe des Studiums gestärkt wird. Im Gegensatz dazu ist im
Bereich der Selbstwirksamkeit (u. a. Umgang mit störendem Verhalten, interdisziplinäre
Kooperation) ein Rückgang zu verzeichnen, wobei hier die Ergebnisse auf einen u-för-
migen Verlauf hindeuten (d. h. es kommt zu Beginn zu einer Abnahme und gegen Stu-
dienende wieder zu einer Zunahme).
Die Studierenden im neuen Lehramtsstudium lernen o enbar als sinnvoll erachte-
te unterrichtsbezogene Überzeugungen und stärken einzelne – nämlich fach- und me-
dienbezogene – Aspekte ihres berufsbezogenen Selbstkonzepts. Warum andere wich-
tige Aspekte des Selbstkonzepts keine gleichsinnige Entwicklung erfahren, könnte als
kritische Anfrage an das Curriculum gestellt werden. Jedenfalls weisen deutsche Unter-
suchungen zur Selbstkonzeptentwicklung im Verlauf von Praxisphasen für alle Teil-
aspekte auf signi kante Zunahmen hin (Rothland & Straub, 2018; Straub, Kreische &
Rothland, 2021). Denkbar wäre, dass diese Zunahmen über die Praxisphase nicht nach-
haltig sind, also die Zuwächse im weiteren Verlauf wieder abgebaut werden. Da in der
L3-Studie Messungen nicht unmittelbar vor und nach Praxisphasen erfolgten, könnten
Lehrer*innenbildung ALT und NEU 87
solche eher kurzfristigen E ekte verdeckt sein. Ähnliche Befunde nden sich etwa auch
bei Kauper (2018).
Die Ergebnisse, die gegen eine (lineare) Zunahme von Aspekten der Selbstwirksam-
keit sprechen, sind möglicherweise im Kontext di erenzieller Kompetenzerfahrungen
(Mastery experiences; Tschannen-Moran & Woolfolk Hoy, 2007) je nach Studienphase
und einer anfänglichen Überschätzung seitens der Studierenden (Müller et al., 2021a)
zu sehen. Eingangs hohe Selbstwirksamkeitserwartungen werden nach herausfordern-
den Praxiserfahrungen nach unten korrigiert, anschließende erfolgreiche Kompetenzer-
fahrungen fördern die Selbstwirksamkeit. Ein entsprechender u-förmiger Verlauf ndet
sich auch bei Schüle et al. (2017). Der – auch bei Hecht und Weber (2020)10 berichte-
te – Rückgang der Selbstwirksamkeit im Bereich der interdisziplinären Kooperation ist
möglicherweise durch ein Fehlen entsprechender Lerngelegenheiten im Studium zu er-
klären.
(2) Die Studierenden im neuen Lehramtsstudium lernen also etwas, doch wie sind
Lernverläufe und Lernergebnisse im Vergleich zum Vorgängerstudium einzuschätzen?
Forschungsfrage 2 vergleicht Verläufe der Lernentwicklung zwischen dem alten und
dem neuen Studienangebot. Die Analyse zeigt, dass es bei Studierenden des Lehramts
NEU zu einem signi kant stärkeren Rückgang der traditionellen Sichtweisen des Ler-
nens und Unterrichtens kam. Au allend ist des Weiteren, dass im Bereich der Selbst-
wirksamkeit (Umgang mit störendem Verhalten) eine gegenläu ge Entwicklung vor-
liegt. Während es in der Gruppe Studium ALT zu einer signi kanten Zunahme kam,
ist für die Gruppe Studium NEU ein Rückgang zu verzeichnen. Schließlich zeigen sich
im Studium ALT auch vermehrt Zunahmen bei Aspekten des Selbstkonzepts (Beraten,
Innovieren, Diagnostizieren), die sich bei Studierenden des Studiums NEU nicht er-
kennen lassen. Wodurch diese Unterschiede entstehen, kann an dieser Stelle nicht be-
antwortet werden. Vor dem Hintergrund, dass Zunahmen der Selbstkonzepte und
Selbstwirksamkeit vor allem im Kontext von Lerngelegenheiten in der Praxis zu sehen
sind (Rothland & Straub, 2018; Straub et al., 2021; Seifert & Schaper, 2018), könnten
unterschiedliche Verortungen von Praxisphasen in den Studien ALT und NEU näher in
den Blick genommen werden.
(3) Wie unterscheiden sich nun die Lernergebnisse am Ende des Studiums? Zur Zeit
des ersten Studienabschlusses (d. h. nach 8 Semestern im Studium NEU und nach 6
oder mehr Semestern im Studium ALT11) zeigen sich kaum Unterschiede zwischen den
Gruppen. Die beiden Ausnahmen fallen jeweils zugunsten der Studierenden des Lehr-
amts NEU aus und betre en traditionelle unterrichtsbezogene Überzeugungen (gerin-
gere Werte bei NEU) und das medienbezogene Selbstkonzept (höhere Werte bei NEU).
Aus der Sicht einer Reform, die die Studiendauer für einen großen Teil der Stu-
dierenden verlängerte und eine Reihe curricularer Verbesserungen postulierte, mag
es enttäuschend sein, dass Studierende aus dem neuen Konzept in einigen Bereichen
10 Anzumerken ist, dass bei dieser Studie unterschiedliche Samples gepoolt und gemeinsam ausge-
wertet wurden, wobei auch ein Teil der L3-Daten (Wellen 1 und 2) verwendet wurde.
11 Diese Formulierung ergibt sich aus der – oben dargestellten – unterschiedlichen Länge der bei-
den Vorgänger-Studienprogramme.
Christoph Weber, Herbert Altrichter und Johannes Reitinger
88
nicht mehr Gewinn als aus dem früheren und kürzeren Studiengang ziehen. Dagegen
kann man vielleicht einwenden, dass die Studierenden des Studiengangs NEU tatsäch-
lich noch nicht „am Ende des Studiums“ angelangt sind und – von dieser Ausgangsla-
ge – weitere Entwicklungen der professionellen Kompetenzen im Masterstudium er-
wartbar sind. Auf der anderen Seite sollte sich – wenn diese Ergebnisse sich bestätigen
lassen – eine Curriculumrevision durchaus die Frage stellen, welche spezi schen Lern-
angebote sie den Studierenden für die Entwicklung wichtiger Elemente professionel-
ler Handlungskompetenz, wie Selbstwirksamkeit und verschiedene Aspekte des berufs-
bezogenen Selbstkonzept, stellt. Hierin zeigt sich auch der Bedarf an weiteren Studien,
die konkreter analysieren, was in Angeboten der Lehrer*innenbildung NEU tatsächlich
passiert und inwiefern diese Lerngelegenheiten von den Studierenden konkret genutzt
werden. Mixed-Methods-Designs, welche quantitativ erhobene Daten aus der L3-Stu-
die mit qualitativem Material triangulieren, würden sich für diese weiterführenden Fra-
gen anbieten.
Eine Beschränkung unserer Studie liegt darin, dass wir hier lediglich einen kleinen
Ausschnitt möglicher Lernergebnisse – nämlich unterrichtsbezogene Überzeugungen,
Selbstwirksamkeitserwartungen und das berufsbezogene Selbstkonzept – untersucht ha-
ben. Der Analyse anderer Aspekte professioneller Kompetenz, insbesondere des pro-
fessionellen Wissens, sollen sich weitere Arbeiten widmen. Eine weitere Limitation der
Studie besteht auch darin, dass für die Vergleichsgruppe der Studierenden des Studiums
ALT keine Daten für die Studieneingangsphase vorliegen, wodurch nur ein beschränk-
ter Abschnitt des Studiums verglichen werden kann, wie überhaupt die Vergleichbarkeit
durch die Verortung und Bedeutung von Praxisphasen eingeschränkt sein kann. Auch
ist der geringe Rücklauf bei der 5. Welle des Studiums NEU – die in das erste Corona-
Semester el – als Einschränkung zu nennen.
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Isabel Wanitschek, Martin Auferbauer, Tamara Katschnig und Judith Prorok
Aufstieg durch Umstieg?
Perspektiven auf Lehrerfortbildner*innen an Pädagogischen
Hochschulen
Zusammenfassung
An die Fortbildung von Lehrpersonen bestehen große Erwartungen, dennoch gibt es bis dato
wenig Forschung zu jenen Personen, die diese Fortbildungen durchführen. Daher soll dieser
Beitrag die Perspektive der Lehrerfortbildner*innen beleuchten, welche in einem qualitativ-
empirischen Forschungsprojekt an vier Pädagogischen Hochschulen erhoben wurde. Die 14
Interviewpartner*innen wurden unter Berücksichtigung größtmöglicher Heterogenität aus-
gewählt. Die Auswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse in Bezug auf die Motive
und Entwicklungsaufgaben von Fortbildner*innen sowie das Rollenverständnis und eventu-
elle Rollenkon ikte. Dabei zeigt sich, dass das zentrale Motiv für die Aufnahme der Tätig-
keit darin besteht, durch die Weitergabe von Wissen an andere wirksam zu sein. Für die Ent-
wicklung in der Rolle als Fortbildner*in bedarf es adäquater Rahmenbedingungen durch die
Institution, um den Anforderungen des Feldes gerecht werden zu können. Fortbildner*innen
beschreiben ihre Rolle als Begleiter*innen, Coaches und Motivator*innen. Für den gelun-
genen Umstieg in die Funktion als Fortbildner*innen braucht es Strukturen, die Personal-,
Team- und Formatentwicklung fördern.
Schlüsselwörter: Lehrer*innenfortbildung, Professionalisierung, Motive, Entwicklungsaufga-
ben, Rolle
Abstract
ere are great expectations of in-service teacher training, although there has been little re-
search of the understanding of people who conduct such trainings. erefore, this article will
shed light on the perspective of in-service teacher trainers, which was collected in a qualita-
tive-empirical research project at four university colleges for teacher education teacher train-
ing colleges. e 14 interview partners were selected considering the greatest possible hetero-
geneity in mind. e evaluation was carried out by means of qualitative content analysis with
regard to the motives and developmental tasks of continuing education teachers as well as
their understanding of their roles and possible role con icts. e results show that the cen-
tral motive for taking up the activity is to be e ective by passing on knowledge to others. In
order to develop in the role of an in-service teacher trainer, the institution needs adequate
framework conditions to be able to meet the demands of the eld. In-service teacher trainers
describe their role as guides, coaches and motivators. For a successful transition to the role
of in-service teacher trainer, the university colleges for teacher education need to promote
the development of sta , team and formats.
Keywords: In-service teacher training, professionalisation, motives, developmental tasks, role
1. Ausgangslage
Wenn es um die Professionalisierungsprozesse von Lehrpersonen geht, wird der Be-
reich der Fortbildung o nicht stark genug wahrgenommen. Im Gegensatz zur Aus-
bildung und der Induktionsphase erhält die zeitlich am längsten währende Phase der
Isabel Wanitschek, Martin Auferbauer, Tamara Katschnig und Judith Prorok
94
Fortbildung von Lehrpersonen, die als dritte Phase parallel zu deren Tätigkeit im
Schuldienst erfolgt, wenig Aufmerksamkeit. Dabei steht wohl außer Frage, dass selbst
ein umfassendes, nunmehr auf Bachelor- und Masterstudium erweitertes Curriculum
samt Mentoring beim Berufseinstieg nicht für die unabsehbaren Entwicklungen von bis
zu vier Jahrzehnten im Berufsfeld vorzubereiten vermag. Vielmehr bedarf es laufender
Inputs hinsichtlich fachwissenscha licher Erkenntnisse, fachdidaktischer Neuerungen,
diversitätssensibler Gebote, digitaler und technischer Innovationen, organisatorischer
Änderungen oder auch zur individuellen professionellen Entwicklung von Lehrperso-
nen. Diese Notwendigkeit von Professionalisierungsprozessen im komplexen und dyna-
mischen Umfeld von Schule zeigt sich etwa durch die
zunehmende Einbettung des Schullebens in erweiterte Bildungskontexte, die
den fachgebundenen Unterricht längst auch überschreiten, das Gestalten der
Lernprozesse für und mit einer zunehmend heterogenen Schülerscha , sozial-
räumliche Ansätze, die Zusammenarbeit von Schulen mit außerschulischen
Partnern, die Einbeziehung der Eltern und nicht zuletzt die Berücksichtigung
der Potenziale der digitalen Welt. (Deutsche Kultusministerkonferenz, 2020,
S.2)
Im Nationalen Bildungsbericht für Österreich sowie in den Ausführungen zum öster-
reichischen Teil der TALIS-Studie 2018, der internationalen Vergleichsstudie zu den
Arbeitsbedingungen von Lehrkrä en, nden sich Au orderungen, das Feld der Leh-
rer*innenfortbildung näher zu untersuchen (vgl. Müller, Kemethofer, Andreitz, Nach-
baur & Soukup-Altrichter, 2019, S. 132; Schmich, Lindemann & Gurtner-Reinthaler,
2019, S.39–52). Während es zur ersten Phase der Professionalisierung von Lehrkrä en
vergleichsweise großes, durch Studien gesichertes Wissen gibt, spricht Murray (2015)
von Fortbildner*innen als „hidden profession“. Müller et al. (2019) betonen zudem die
Komplexität der Aufgaben als Lehrerfortbildner*in und plädieren daher für die stärke-
re Beachtung und Beforschung dieser Berufsgruppe. Denn bisher ist o en, wer Fortbil-
dung durchführt und wer diese Personen sind, die Expertise in der Fachwissenscha ,
der Fachdidaktik und Prozessbegleitung (vgl. Katschnig, Auferbauer, Prorok & Wanit-
schek, 2020, S.513) in sich vereinen sollen. Neben der Weiterbildung kommt der Leh-
rer*innenfortbildung eine zentrale Rolle als Unterstützungselement in der Professiona-
lisierung zu (vgl. Vigerske, 2017, S.15f.). Die Fortbildner*innen selbst müssen dabei
verschiedenen Aufgaben gerecht werden: Einerseits müssen sie wissenscha liche Ex-
pertise einbringen, um forschungsgeleitete Lehre anbieten zu können, und andererseits
die Fähigkeit haben, Veranstaltungen so zu gestalten, dass Lehrer*innen diese als hilf-
reich für ihre Praxis emp nden. Obwohl hinsichtlich der Fortbildung von Lehrer*innen
große Erwartungen bestehen, gibt es bislang wenig Auseinandersetzung mit dem Pro-
fessionsverständnis und den Entwicklungsprozessen jener Personen, die diese Fortbil-
dungen durchführen. Zudem zeigt sich auch, dass die Pädagogischen Hochschulen als
quasi regionale Monopolistinnen im Anbieten von Fortbildung sehr heterogenes Per-
sonal in Hinblick auf Ausbildung, Zuständigkeitsbereich, Erfahrung und Anstellungs-
verhältnis einsetzen. Dies kann ihr Stammpersonal, mitverwendete Lehrkrä e aus dem
Schuldienst, aber auch externe Träger*innen von Expertise umfassen – damit sind es
zwar o mals, aber keineswegs zwingend, Personen, die selbst ein Lehramtsstudium ab-
Aufstieg durch Umstieg? 95
solviert haben und eigene Unterrichtserfahrung mitbringen (vgl. Katschnig et al., 2020).
In unserem Forschungsprojekt soll daher drei leitenden Forschungsfragen nachgegan-
gen werden:
– Welche Motive haben Lehrende der Fortbildung für ihre Tätigkeit?
– Welchen Entwicklungsaufgaben müssen Lehrende in der Fortbildung gerecht wer-
den?
– Welches Verständnis ihrer professionellen Rolle haben Lehrende der Fortbildung?
2. Theoretischer Rahmen
Im Folgenden soll die professionelle Entwicklung von Fortbildner*innen ausgehend von
Motiven für die Ergreifung der Tätigkeit, über die dafür nötigen Entwicklungsaufgaben
bis hin zur Ausformung der professionellen Rolle als Fortbildner*in mit theoretischen
Bezügen dargestellt werden.
2.1 Motive, als Fortbildner*in tätig zu werden
Will man die Motivation von Menschen für eine Tätigkeit verstehen, so muss man sich
mit deren Motiven auseinandersetzen. Denn, wenn sich ein Mensch im Zustand der
Motivation be ndet, so ist immer ein Motiv wirksam (vgl. Smith, Nolen-Hoeksema,
Fredrickson & Lo us, 2007, S.459).
Was versteht man unter Motiven? Kuhl (2010, S.28) de niert sie als „überdauernde
Persönlichkeitsmerkmale, die die Motivation beein ussen, bestimmte Anreizbereiche
wie Leistung, Anschluss (Beziehungen) oder Macht (Durchsetzen) aufzusuchen“. Unter
Motiv wird dabei nicht eine isolierte Einzelheit verstanden, sondern ein „ganzes Mus-
ter von Einzelheiten, welches das Handeln bzw. das Erleben prägt“ (ebd., S.258). Am
stärksten beforscht sind das Leistungs-, Macht- und Beziehungsmotiv, gefolgt vom Frei-
heitsmotiv.
Kuhl ordnet die Motive den Kategorien „Haben“ und „Sein“ zu. Unter „Haben“ sub-
sumiert er Macht und Leistung, weil es sich bei ihnen um Bedürfnisse handelt, die auf
Erreichen („Haben“ wollen) gerichtet sind. Beziehung und Freiheit hingegen richten
sich stärker am eigenen Erleben („Sein“) aus (Kuhl, 2010, S.276).
Auf Basis dieser individuellen Motivation, als Fortbildner*in tätig zu werden, be-
darf es einer Auseinandersetzung mit den dafür notwendigen Entwicklungsaufgaben.
2.2 Entwicklungsaufgaben als dynamisches Konzept der Sozialisation
Entwicklungsaufgaben sind ein klassisches Konzept der Sozialisation. Das Konzept der
Developmental Tasks von Havighurst (1948) geht davon aus, dass Menschen wieder-
holt im Laufe ihres Lebens alters- beziehungsweise lebensphasenspezi sche Herausfor-
derungen bewältigen müssen. Laut Dreher (2015, S.10) bestehen diese Entwicklungs-
Isabel Wanitschek, Martin Auferbauer, Tamara Katschnig und Judith Prorok
96
aufgaben aus der Überlagerung spezi scher Veränderungen, die biologische, kognitive,
emotionale sowie aktionale Anteile haben können. Diese Veränderungsprozesse kön-
nen zudem auch durch die Art ihrer Verursachung (internal bzw. external), ihre zeitli-
che Erstreckung (lange bzw. kurz andauernde Prozesse) und den Grad des Bewusstseins
über den Entwicklungsprozess unterschieden werden. Ob und wie diese Herausforde-
rungen bewältigt werden können, ist abhängig von zahlreichen Faktoren wie etwa der
Physis und Gesundheit sowie der sozialen, ökonomischen und kulturellen Lebensbe-
dingungen. Zudem ndet die jeweilige individuelle Entwicklung im Fluss sich verän-
dernder gesamtgesellscha lich determinierter Rahmenbedingungen statt. Der Diskurs
zu den Entwicklungsaufgaben ist stark durch die zahlreichen Bezugnahmen auf die An-
forderungen im Jugendalter geprägt (etwa: Ecarius, Eulenbach, Fuchs & Walgenbach,
2011; Hurrelmann & Quenzel, 2016). Darüber hinaus gibt es aber auch Überlegungen
zu Entwicklungsaufgaben, die sich bei der Übernahme der Rolle als Lehrer*in (Hericks,
2006; 2009) beziehungsweise beim Einstieg als Hochschullehrperson an tertiären Bil-
dungseinrichtungen (Kopp-Sixt, 2014) als „unhintergehbar“ stellen, damit es zu einer
„Progression von Kompetenz und zur Stabilisierung von Identität“ (Hericks, 2006,
S.60) kommen kann. Diese Konzepte umfassen jeweils vier Bereiche, die durch einen
Begri (Hericks) oder ein Begri spaar (Kopp-Sixt, 2014) beschlagwortet werden. Ein
Vorschlag zur Weiterentwicklung dieser beiden Konzepte für die Aufgabe als Fortbild-
ner*in von Lehrpersonen ndet sich bei Auferbauer, Katschnig, Wanitschek und Prorok
(2021):
Tabelle 1: Darstellung der Konzeptionen von Entwicklungsaufgaben von Lehrpersonen
Hericks (2006) Hericks (2009) Kopp-Sixt (2014) Auferbauer et al. (2021)
Bezogen auf:
Lehrer*innen
Lehrer*innen Hochschullehrer*innen Fortbildner*innen
Kompetenz Rollenfi ndung Kompetenz & Expertise Rollenfi ndung &
Expertise
Vermittlung Vermittlung Vermittlung & Lehre Forschung &
Vermittlung
Anerkennung Anerkennung Anerkennung &
Refl exion
Anerkennung &
Refl exion
Institution Kooperation Institution &
Organisation
Institution &
Kooperation
Als besonders herausfordernd stellt sich hierbei die Ausformung einer professionellen
Rolle als Fortbildner*in dar, die eine gesonderte Betrachtung erfordert.
Aufstieg durch Umstieg? 97
2.3 Das Rollenverständnis von Lehrerfortbildner*innen
Die Rolle der in der Lehrer*innenfortbildung tätigen Personen ist nicht de niert. Im
Englischen werden sie als „In-service-Teachers“ bezeichnet, im deutschsprachigen
Raum gibt es keinen eigenen Berufsverband. Bis heute besteht zudem wenig Ausei nan-
dersetzung mit dem Rollenverständnis jener Personen, die diese Fortbildungen durch-
führen (vgl. Müller et al., 2019). Der fehlende Status zeigt sich in einer nicht etablierten
Verankerung des Berufs (Boyd, Harris & Murray, 2011; Murray, 2014). Dennoch ist es
wichtig, professionelle Identität zu entwickeln, wie es die Europäische Kommission be-
reits 2013 tre end bezeichnet:
In any profession, the issue of professional identity is important. e collec-
tive sense of self helps the group to shape the common aims, values and phi-
losophy. Professional identity is also closely linked to the issue of quality, for
it is the professional group as a whole that determines what standards should
apply to its members. (European Commission, 2013, S.8)
Eine Erhöhung der Anforderungen an Qualität und formale Quali kation von Lehrer-
fortbilder*innen kann folgend zu einer umfassenderen Verbesserung der Bildung füh-
ren (vgl. Europäische Kommission, 2010).
Lipowsky und Rzejak (2012; 2015) sprechen im Kontext von Lehrer*innenfortbil-
dung von einem „Rollentausch“ der Lehrperson zur*zum Lehrerfortbildner*in. Die-
ser muss gelingen, damit die Teilnehmenden von der Fortbildung pro tieren können.
Lipowsky und Rzejak (2021, S.12) entwickelten zudem jüngst einen Leitfaden für Fort-
bildungen, wobei auch insbesondere die Rolle der Fortbildner*innen angesprochen
wird: „Beispielsweise geht es um das Verständnis der eigenen Rolle als Fortbildnerin
oder als Fortbildner sowie um Überzeugungen und Vorstellungen zum Lernen von
Lehrkrä en und zum Transfer von Fortbildungsinhalten in den Unterricht“.
Zur Erforschung dieser Perspektive von Lehrenden in der Fortbildung schlos-
sen sich ausgehend von einer Initiative der Rektorate der Pädagogischen Hochschulen
(PHen) im Herbst 2017 Wissenscha er*innen von mehreren PHen in Österreich (PH
Steiermark, KPH Wien/Krems, PH OÖ, HAUP) zusammen.
3. Empirische Studie
Mittels qualitativ-empirischem Forschungszugang in Form von Interviews mit Leh-
rerfortbildner*innen sollen Fortbildner*innen explorativ zu ihren Motiven, Ent-
wicklungsaufgaben sowie ihrem professionellen Rollenverständnis befragt werden.
Für diese Studie wurden etwa einstündige, halbstrukturierte Interviews im Einzelsetting
geführt. Dafür entwickelte das Forschungsteam auf Grundlage verö entlichter empiri-
scher Forschungsbefunde und theoretischer Überlegungen einen Leitfaden. Dieser be-
inhaltete die oben angeführten Ebenen sowie Einstiegsfragen und erzählgenerierende
Fragen. Der Zugang zur Stichprobe erfolgte anhand ausgewählter und relevanter Merk-
Isabel Wanitschek, Martin Auferbauer, Tamara Katschnig und Judith Prorok
98
male (Geschlecht, Dienstalter, Beschä igungsstatus, Zielgruppe) durch die Projektmit-
glieder an den vier beteiligten PHs. Die Durchführung der Interviews mit 14 Lehrer-
fortbildner*innen aus Österreich erfolgte im Jahr 2019 in wechselseitigen Besuchen der
beteiligten Forschenden zur Erreichung von größtmöglicher Objektivität und Unvor-
eingenommenheit. Die Daten wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring
(2010) – je nach Forschungsfrage unter Anwendung von induktiver und deduktiver Ka-
tegorienbildung – mit dem Programm MaxQDA ausgewertet. Für die Auswertung wur-
den Validierungsschleifen im Team der Forscher*innen unter Beiziehung von critical
friends aus dem eigenen Arbeitsbereich vorgenommen.
Die Stichprobe besteht aus acht Frauen, fünf Männern und einer Person mit non-
binärer Geschlechtsidentität. Das Dienstalter war in drei Kategorien gesta elt (geringe
Erfahrung: drei Personen, mittlere Erfahrung: sechs Personen, große Erfahrung: fünf
Personen). Es wurde zudem darauf geachtet, Interviewpersonen mit unterschiedlichem
Beschä igungsstatus zu beforschen: sieben Personen als Stammpersonal mit Dienstver-
hältnis an einer PH, fünf mitverwendete Lehrende aus dem Schuldienst mit zusätzli-
cher Anstellung an einer PH sowie zwei externe Lehrende. Die Befragten unterschie-
den sich auch nach den Zielgruppen ihrer Teilnehmer*innen in Generalist*innen (dies
sind fünf Personen, die Fortbildungen für unterschiedliche Schultypen anbieten), All-
gemeinbildner*innen (dies sind vier Personen, die P ichtschullehrer*innen und AHS-
Lehrer*innen fortbilden) sowie Berufsbildner*innen (dies sind fünf Personen, die auf
das berufsbildende Schulwesen fokussieren).
4. Ergebnisse
Nachfolgend sollen die Ergebnisse für die Motive, Entwicklungsaufgaben und Rollenge-
staltung als Fortbildner*in dargestellt werden.
4.1 Motive für die Tätigkeit als Fortbildner*in
Angelehnt an die vier Motivklassen nach Kuhl (2010) wurden die Interviews nach ver-
bal vermittelten Erfahrungen durchsucht, um auf einer allgemeinen Ebene die Motiv-
lagen der interviewten Fortbildner*innen sichtbar zu machen. Die Ergebnisse sind im
folgenden Kategorienschema zusammengefasst.
Aufstieg durch Umstieg? 99
Tabelle 2: Entwickelte Kategorien zu Motiven
Haben Sein
Auf die*den anderen
gerichtet
Macht
Einfl uss durch
–wirksam sein
–überzeugen
–weitergeben von Wissen/Er-
fahrung/Ideen
–helfen
Beziehung/Begegnung durch
–alle miteinbeziehen
–zusammenarbeiten
–wertschätzen
Auf sich selbst
gerichtet
Leistung
Erfolg durch
–sich bilden
–sich austauschen
–sich Herausforderungen stellen
Freiheit und Selbstbestimmung durch
–sich öffnen
–sich verändern
–Spaß haben
Am häu gsten wurden Begri e, die auf das Machtmotiv schließen lassen, gefunden. In
diesem Bereich werden besonders o Aspekte des Wirksam-Seins angesprochen:
Diese, diese Liebe zur Wirksamkeit, also das ist glaube ich so etwas, was sich
in meiner Biogra e auch ganz stark geändert hat. Ahm oder irgendwann in
einem gewissen Alter einfach sichtbar wird, dass man sich denkt, ah die Le-
benszeit ist begrenzt ahm. Was tue ich und wie werde ich wirksam und wo
werde ich am besten wirksam, ja. (B 40)
Ebenso prägend ist das Leistungsmotiv, nach dem Erfolg als Fortbildner*in über die
eigene Entwicklung und das eigene (Fach-)Wissen hergestellt werden muss: „Aber ja,
schon gut umso breiter das Wissen ist, umso mehr kann man dann auch ein ießen lassen,
wenn man merkt, hier braucht es das einfach.“ (I 131)
Unter dem Beziehungsmotiv nden sich Äußerungen zu Begegnung, Kooperation
und Wertschätzung, die die Grundlage sein können, um als Fortbildner*in aktiv zu
werden: „Und dass sich das einfach total schön ergänzt hat. Und ein schönes Miteinander
geworden ist. […] Also ich war früher vielleicht mehr ein Einzelkämpfer. Und bin jetzt si-
cher mehr im Team unterwegs.“ (J 58)
Unter dem Freiheitsmotiv nden sich vereinzelt Äußerungen, wonach die Motiva-
tion für die Tätigkeit als Fortbildner*in in der Veränderung und Freude an neuer Er-
fahrung liegt. Die Motivation liegt hier in der persönlichen Weiterentwicklung aus der
Funktion als Lehrer*in heraus. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der
monetäre Aspekt lediglich einmal als Motiv angesprochen wurde (vgl. dazu Prorok,
Wanitschek, Auferbauer & Katschnig, 2021).
4.2 Entwicklungsaufgaben von Fortbildner*innen
Die vier identi zierten Bereiche der Entwicklungsaufgaben für Fortbildner*innen sollen
hier kurz nachfolgend expliziert und eingeordnet werden.
Isabel Wanitschek, Martin Auferbauer, Tamara Katschnig und Judith Prorok
100
4.2.1 Rollenfindung und Expertise als Entwicklungsaufgaben von
Fortbildner*innen
Für die Ein ndung in die Rolle als Fortbildner*in bedarf es adäquater Rahmenbedin-
gungen durch die Institution, um sich inhaltlich (weiter-)entwickeln und mit anderen
Fortbildner*innen austauschen zu können (Strauch et al., 2019; Wanitschek, Katschnig,
Auferbauer & Prorok, 2020). Die Aussagen der Befragten legen nahe, dass es zudem
„Systemkompetenz“ (B 350), also eine hohe Kenntnis des Feldes Schule braucht, um in
der Fortbildung von Lehrpersonen bestehen zu können. Allerdings gibt es auch verein-
zelte Aussagen, wonach eine Außenperspektive sehr hilfreich sei – auch um etwa „pro-
duktive Verstörungen“ (B 152) leisten zu können. Diese Ambivalenz deckt sich mit dem
Befund von Mayr, Gutzwiller-Helfen nger, Krammer und Nieskens (2015) und Schratz
(2015) zu Lehrenden in der Lehramtsausbildung. Die vielfache Betonung der hohen
notwendigen intrinsischen Motivation in diesem Feld zeugt einerseits von den vielfäl-
tigen und als hoch erachteten Herausforderungen, die das Arbeitsfeld Fortbildung mit
sich bringt; zum anderen stellt dieser Bereich für Lehrpersonen eine der in unserem
Bildungssystem knapp bemessenen Möglichkeiten einer individuellen beru ichen Wei-
terentwicklung dar (Richter, Lazarides & Richter, 2021).
4.2.2 Forschung & Vermittlung als Entwicklungsaufgaben von Fortbildner*innen
Die Inhalte der Fortbildung sollen den aktuellen Erkenntnissen der Forschung Rech-
nung tragen. Idealerweise sind Fortbildner*innen in die Forschung selbst eingebunden
oder können deren Ergebnisse zumindest bewerten, einordnen und vermitteln. Diese
Wichtigkeit von (eigener) Forschung wird nur von einzelnen Befragten hervorgehoben,
während die Fähigkeit einer gekonnten Vermittlung von allen Befragten als zentral er-
achtet wird. In den Ausführungen der Befragten zeigen sich drei Aspekte, die für das
Gelingen von Fortbildung relevant sind: Persönliche Eigenscha en der Fortbildner*in-
nen, Praxistransfer und Gruppendynamik. Zudem muss das didaktische Format auch
immer mit dem Inhalt in Einklang stehen: Es geht nicht „wenn einer zwei Stunden refe-
riert, wie wichtig Bewegung ist und die Leute sitzen zwei Stunden“ (E 456). Zudem wird
der Aspekt, konstruktiv mit Gruppen arbeiten zu können, von mehreren Befragten be-
tont: Fortbildner*innen brauchen die Methodenkompetenz, um „Leute zusammenzu-
bringen und das Potenzial aus der Gruppe zu holen“ (J 132), indem man sie „ins gemein-
same Tun und Entwickeln“ bringt (B 350).
4.2.3 Anerkennung & Reflexion als Entwicklungsaufgaben von Fortbildner*innen
Hinsichtlich der Anerkennung und Re exion zeigen sich in unseren Ergebnissen drei
Stränge: Bereitscha zum wechselseitigen Lernen, Kritikfähigkeit und Abgrenzungsfä-
higkeit. Neben den personalen Eigenscha en, derer es dafür bedarf, braucht es auch
eine grundsätzlich wertschätzende Einstellung gegenüber Lehrpersonen und ihrer Tä-
Aufstieg durch Umstieg? 101
tigkeit (Lipowsky & Rzejak, 2021): Es dürfe trotz des zu vermutenden Wissens- und/
oder Erfahrungsüberhangs kein Gefälle hin zu den Teilnehmer*innen entstehen (C
187). Ein konstruktiver Umgang mit Kritik trägt zur persönlichen und inhaltlichen
Weiterentwicklung bei, zudem ist die Abgrenzung bei frustrierenden Episoden, im Um-
gang mit Widerständen, mangelnden Rückmeldungen und allfälligen Projektionen nö-
tig. Aus dem folgenden (Negativ-)Beispiel wird deutlich, dass mangelnde Re exionsfä-
higkeit und Empathie Garanten für das völlige Scheitern einer Fortbildung sind, selbst
wenn sie von inhaltlich kompetenten Personen geleitet wird: „Wenn ich mir manchmal
Fortbildungen anschaue, wo da einer vorne steht und außer gut nur gut ist und wie toll
er nicht ist und was er nicht alles kann, denke ich mir: Die [Teilnehmer*innen] gehen leer
raus, leerer als sie reingekommen sind.“ (H 228)
4.2.4 Institution & Kooperation als Entwicklungsaufgaben von Fortbildner*innen
Die Befragten beschreiben den wahrgenommenen Unterstützungsbedarf, den die In-
stitution leisten muss, um sich als Fortbildner*in optimal entwickeln zu können und
Kooperationsbeziehungen aufzubauen und zu gestalten, auf drei Ebenen: Personalent-
wicklung, Team- und Organisationsentwicklung sowie Formatentwicklung. Allfällige Pro-
bleme in der Tätigkeit von Fortbildner*innen sollten zudem nicht individualisiert wer-
den, da für Professionalisierungsprozesse Einzelner die jeweilige Institution (hier: die
Pädagogische Hochschule) nicht aus der P icht entlassen werden dürfen, wenn es da-
rum geht, gute Rahmenbedingungen zu scha en, damit Entwicklung gelingen kann.
Personal- sowie Teamentwicklungsprozesse sind im Kontext Fortbildung jedoch her-
ausfordernd zu initiieren, da die Zielgruppe neben Stammpersonal der Hochschulen
auch externe Lehrbeau ragte und mitverwendete Lehrer*innen aufweist. Diese Hete-
rogenität hat sicherlich viele inhaltliche Vorteile (etwa hinsichtlich der Möglichkeiten
für Innovation), gleichzeitig wird dadurch die Chance zur Kooperation wohl nicht be-
günstigt. Mögliche Train-the-Trainer-Formate sollten jedenfalls so gestaltet sein, dass
sie möglichst viele Aspekte aus den Bereichen Personalentwicklung, Team-, Organisati-
ons- und Formatentwicklung kombinieren. Dabei soll bewusst auf experimentelle For-
mate und die Erschließung neuer Methoden sowie Online-Settings geachtet werden
und das gemeinsame Lernen inklusive einer reifen Fehlerkultur im Vordergrund ste-
hen. Als Richtschnur kann dafür immer auf die klare Formel für gelungene Fortbildung
eines Befragten zurückgegri en werden: „Am Ende des Tages geht es immer um eine
ausreichend gute Expertise und darum, eine Begeisterung entfachen zu können.“ (M 305)
Isabel Wanitschek, Martin Auferbauer, Tamara Katschnig und Judith Prorok
102
4.3 Die professionelle Rolle von Fortbildner*innen
Ausgehend von den theoretischen Überlegungen wurde erforscht, welches Verständ-
nis Lehrerfortbildner*innen der beteiligten Hochschulen von ihrer professionellen Rol-
le haben. In der o enen Kodierung des Interviewmaterials wurden folgende Kategorien
abgeleitet:
Tabelle 3: Entwickelte Kategorien zu Rollenverständnis und Rollenkon ikt von
Fortbildner*innen
Rollenverständnis Rollenkonfl ikt
–Coach/Begleiter*innen/Motivator*innen/
Moderator*innen
–Konfl ikt Schulleitung vs.
Lehrerfortbildner*innen
–Expert*innen/Wissensvermittler*innen –Neid der Kolleg*innen
–Vertreter*innen der PH –Konfl ikt Lehrer*innen vs. Fortbildner*in
–Außenperspektive –Konfl ikt PH-konform vs. eigene Meinung,
Ressourcen, Inhalte
–Mehrere Rollen –Keine Rollenkonfl ikte wahrgenommen
Die Ergebnisse dieser Bereiche, die im folgenden Kapitel dargestellt werden, beziehen
sich einerseits auf das Rollenverständnis der Lehrerfortbildner*innen und andererseits
auf Rollenkon ikte, welche bei einigen Befragten mit der Tätigkeit als Lehrerfortbild-
ner*in einhergehen.
4.3.1 Rollenverständnis von Fortbildner*innen
Wie Tabelle 3 zeigt, konnten fünf Subkategorien zum Rollenverständnis gebildet wer-
den: Die Daten zeigen auf, dass sich Befragte vor allem vermehrt als Begleiter*innen
und Coaches von Lernprozessen sehen: „[…] Ich sehe mich als Begleitung, als Motiva-
tor auch, als Wissensvermittler, als Coach, als Vorbild. Ganz o als Vorbild, ja. Und so
als Mentor ein bisschen“ (K 105). Viele Befragte sehen sich als Expert*innen (A 144).
Vor allem die Befragten, die x an einer PH angestellt sind, das Stammpersonal, haben
ihre Rolle als Dienstleister*innen und Vertreter*innen der Pädagogischen Hochschule
im Blick. Darüber hinaus sprach die Häl e der befragten Lehrerfortbildner*innen auch
von der Ein- bzw. Übernahme mehrerer Rollen: „Also ich sehe mich da so als Zwischen-
ding, zwischen der kompletten Praktikerin und der harten Forscherin.“ (C 39) Auch als
Repräsentant*innen einer Außenperspektive im Sinne von „[…] Impulsgeber, aus einer
anderen Welt kommend […]“ (C 152) sprachen vor allem die externen Kolleg*innen an,
die nicht aus dem Schulbereich kommen bzw. derzeit nicht in der Schule tätig sind. Der
Bezug zur Praxis, zum Geschehen in der Schule selbst wird als wesentlich für Fortbild-
ner*innen von Lehrpersonen erachtet (J 34).
Aufstieg durch Umstieg? 103
4.3.2 Rollenkonflikte von Fortbildner*innen
Was Rollenkon ikte betri , so konnten auch hier fünf Subkategorien gefunden wer-
den. Hier nden sich vor allem Aussagen der Lehrer*innen, die mitverwendet sind,
d. h. Lehrer*innen, die x an einer Schule unterrichten (halbe Lehrverp ichtung) und
bis zu zehn Werteinheiten an einer Pädagogischen Hochschule arbeiten. Diese haben
zwei vorgesetzte Instanzen (Schule und PH), deren Erwartungen sie täglich in Passung
bringen müssen:
Also, die Schulleitung hat mir, wörtlich auch gesagt: „Das ist Ihr Privatver-
gnügen und wir sind die Stammschule und wenn es zu Terminkollisionen
kommt, sind wir immer die Ersten und das muss Ihnen klar sein!“, ja. Also
ich bin in ständigen Balanceakten, ich muss ganz viel jonglieren. (F 257)
Dies tri auch für viele organisatorische und terminliche Herausforderungen zu. Ei-
nige dieser mitverwendeten Lehrerfortbildner*innen erwähnen hier zusätzlich den
Machtkon ikt entlang von Hierarchieebenen, was sich in folgender Aussage gut wider-
spiegelt:
Wo die Schulleitung auch sagt: ‚Das ist dein Platz ja und du bist kleiner als du
vielleicht glaubst, das du bist. Ja, du magst vielleicht Schulleitungen coachen,
aber ich sage dir was du zu tun hast.‘ Also es gibt schon so Machtgeschichten
auch da. (F 279)
Des Weiteren spüren sie o den Neid von Kolleg*innen:
Sie wissen, dass ich an der PH bin und und ich habe das schon gespürt, das
war mir eh bewusst, dass da, dass ich relativ viel Missgunst und Neid ernten
werde. […] Also ich merke jetzt so, dass ich so o sü sante Bemerkungen
und so subtile ah so wie in der psychologischen Feinmotorik Gi pfeile abfan-
ge. […] Die glauben jetzt, ich mache da Karriere. (E 336)
Der Umstand neben der Schule auch im tertiären Bildungssektor tätig zu sein, wird von
den Kolleg*innen einerseits als Distinktionsmerkmal erachtet und mitunter gleichzei-
tig auch zu entwerten versucht (F 281). Auch die Herausforderung, als Lehrer*in ande-
re Lehrer*innen fortzubilden zeigt sich in den Antworten der Befragten.
Das ist schon der Rollenkon ikt, weil ich weil ich weil ich auch selber auch
schon natürlich schlechte Fortbildungen halt erlebt habe und das setzt mich
natürlich sehr unter Druck, weil ich weiß ganz genau wie meine Kollegen
oder ich selber auch o die Nase rümpfen und mit mir dann o denken dann
darüber. Und jetzt stehe ich dann selber vor dieser Menge. (E 102)
Mehr als die Häl e der befragten Personen äußerten keinerlei Rollenkon ikte. Sie
scha en es durch die Unterstützung der Kolleg*innen und Vorgesetzen in den Schulen
(E 402) sowie durch eigene Abgrenzungsleistung (F 119), damit klarzukommen.
Isabel Wanitschek, Martin Auferbauer, Tamara Katschnig und Judith Prorok
104
4.3.3 Reaktionen auf Rollenkonflikte von Fortbildner*innen
Welche Strategien haben die Befragten nun, um ihre Kon ikte zu bewältigen? Manche
berichten davon, ganz an die jeweilige PH gewechselt zu haben, etwa um sich auch in-
haltlich stärker fokussieren zu können (H 102), Rollenkon ikten und Zeitnot zu ent-
gehen (L 90) oder um sich nicht in zwei Teams integrieren zu müssen (H 118). Auch
dadurch das Aufgabenportfolio reduzieren zu können und an Lebensqualität zu ge-
winnen, wird als Grund für den Wechsel angegeben (E 382). Anderen Personen ist es
sehr wichtig, an einer Schule zu bleiben, diese Personen schließen einen Wechsel ganz
an eine PH auch trotz wahrgenommener Spannungen aus, weil sie sich in der Rolle
als Lehrerfortbildner*in unglaubwürdig emp nden würden (M 207). Die Mehrheit der
Befragten spricht von Zerrissenheit zwischen ihren eigenen Interessen und Werthal-
tungen, den Wünschen der Teilnehmer*innen der Fortbildungen und den Erwartun-
gen der Pädagogischen Hochschulen. Aussagen zu bildungspolitischen Neuerungen, die
man als Fortbildner*in entgegen der eigenen Haltung mittragen muss (A 144), werden
getätigt. Auch stört viele der Befragten, dass emen, die sie eigentlich interessieren
würden, nicht bearbeitet werden können (wie z. B. fehlende Ressourcen oder Überlas-
tung mit administrativen Aufgaben). Mit sehr raschen Änderungen im System Schule
ab nden müssen sich vor allem externe Fortbildner*innen (B 178). Unklare Au räge (F
139) oder das Bemerken von Kontrolle durch die Pädagogischen Hochschulen (I 175)
kann die Fortbildner*innen in wahrgenommene Schwierigkeiten bringen.
5. Diskussion und Ausblick
Für die Professionalisierung von Lehrpersonen ist Fortbildung in zweierlei Hinsicht
zentral: Auf genereller Ebene stellt Fortbildung die zentrale Möglichkeit zur Entwick-
lung von Lehrpersonen entlang von aktuellen Herausforderungen und institutionel-
len Veränderungen dar (dritte Phase der Lehrer*innenbildung), auf individueller Ebene
stellt Fortbildung eine Möglichkeit der persönlichen Weiterentwicklung dar. Als Kom-
petenzbereiche professioneller Lehrpersonen werden etwa Fachwissen, fachdidaktisches
Wissen, pädagogisch-psychologisches Wissen, Organisationswissen und Beratungswis-
sen genannt (Baumert & Kunter, 2006, S.482). Diese Aspekte nden sich auch in den
Äußerungen der befragten Lehrerfortbildner*innen. Hinweise zum Gelingen wirksa-
mer Fortbildung (im Sinne eines Wissenszuwachses und einer Veränderung der Pra-
xen von Lehrpersonen, vgl. Lipowsky & Rzejak, 2012; 2015; 2021) werden von den Be-
fragten durchwegs thematisiert, können von diesen jedoch nicht in Form von Modellen
beschrieben werden, sondern werden als subjektive eorien operationalisiert (Wani-
tschek et al., 2020).
An der KPH Wien/Krems wurde in Verschränkung mit diesem Projekt das Rollen-
verständnis von Lehrenden der Fortbildung in einem quantitativ-empirischen Setting
erforscht. 381 Fortbildner*innen äußerten sich dazu mittels Online-Fragebogen. Die-
se Ergebnisse decken sich Großteils mit den hier vorgestellten: Die befragten Fortbild-
ner*innen sehen sich in erster Linie als Motivator*innen, Wissensvermittler*innen und
Aufstieg durch Umstieg? 105
Berater*innen. Nur wenige fühlen sich in verschiedenen Rollen gefangen, die schwer
miteinander zu vereinbaren sind. Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass Fort-
bildner*innen aus vielen verschiedenen beru ichen Bereichen stammen, wie beispiels-
weise aus Wirtscha oder Psychologie. Dies könnte wiederum mit der nicht etablierten
Verankerung der Berufsgruppe der Fortbildner*innen zusammenhängen (vgl. Kat-
schnig, Wanitschek, Rabl, Bisanz & Kabbani, 2020), die für diese „hidden profession“
(Murray, 2015) kennzeichnend ist.
In unseren Daten zeigen sich drei wichtige Ebenen, die Pädagogische Hochschulen
mit den Fortbildner*innen bearbeiten müssen: Personalentwicklung, Team- und Orga-
nisationsentwicklung sowie Formatentwicklung (Auferbauer et al., 2021). Dies deckt
sich mit den Vorgaben des Bundesqualitätsrahmens des BMBWF (2021), der unter an-
derem aktuelle Ziele für PHs im Bereich der Fortbildung vorschreibt. Die PHs dürfen
hier als Institutionen nicht aus der P icht entlassen werden, um Rahmenbedingungen
zu scha en, damit Entwicklung gelingen kann (Personal- sowie Teamentwicklungs-
prozesse). Dies ist eine große Herausforderung, da die Gruppe der Fortbildner*innen
neben Stammpersonal der Hochschulen vor allem auch viele externe Lehrbeau rag-
te und mitverwendete Lehrer*innen beinhaltet. Diese heterogene Zusammensetzung
besitzt viele Vorteile (etwa hinsichtlich der Möglichkeiten für Innovation), allerdings
wird dadurch die Chance zur Kooperation nicht begünstigt. Train-the-Trainer-Forma-
te für diese Gruppe von Personen sollten so gestaltet sein, dass viele Aspekte aus den
drei oben genannten Bereichen kombiniert werden. Der Bundesqualitätsrahmen gibt
dazu vor: „Die Pädagogischen Hochschulen fördern systematische Personal- und Schul-
entwicklung, sowie die Wahrnehmung der Fort- und Weiterbildung als zentrale Maß-
nahme zur persönlichen und beru ichen Weiterentwicklung.“ (BMBWF, 2021, S.15).
Ebenso wird die Personalentwicklung des Hochschulpersonals in diesem Bereich gefor-
dert:
Die Pädagogischen Hochschulen sorgen dafür, dass ihr Hochschulpersonal in
der FWB laufend hinsichtlich neuer Entwicklungen im Bildungsbereich am
letzten Stand, sowie über die aktuellen Methoden der Erwachsenendidaktik
informiert ist. Das Hochschulpersonal in der FWB besucht regelmäßig Fort-
bildungen über aktuelle emen in der Bildungslandscha , sowie neuer Er-
kenntnisse in der Erwachsenendidaktik. (BMBWF, 2021, S.21)
An einigen der in dieser Studie befragten PHs wird seit 2020/21 die hochschulinter-
ne Fortbildung intensiver vorangetrieben. Hier werden insbesondere folgende Bereiche
genannt: Digitale Bildung und Medienbildung, Diversität, Forschung, Gesundheitsför-
derung und Persönlichkeitsbildung. Auch an „Tagen der Lehre“ und „Tagen der For-
schung“ wird zumindest dem internen Personal die Möglichkeit zur Fort- und Weiter-
bildung gegeben. Insgesamt sind diese Bedingungen für Professionalisierung an allen
beforschten Hochschulen jedoch nicht ausreichend dimensioniert. „Volle Stellen“ als
Stammpersonal sind zudem vor allem in der Fortbildung nicht die Regel. Meist werden
die Fortbildungsveranstaltungen durch mitverwendete oder dienstzugeteilte Lehrer*in-
nen mit wenigen Werteinheiten organisiert und abgehalten. Daher sollten von den ver-
antwortlichen Personen Strukturen entwickelt werden, um die Personalentwicklung der
Fortbildner*innen an den Pädagogischen Hochschulen zu stärken. Das Forschungsteam
Isabel Wanitschek, Martin Auferbauer, Tamara Katschnig und Judith Prorok
106
ist bereits dabei, in einem nächsten Forschungsvorhaben die Strukturen der Fortbil-
dung an den Hochschulen genau zu analysieren sowie in Interviews mit Verantwortli-
chen der Fortbildung das emenfeld des Recruitings, der Professionalisierungsmaß-
nahmen und der Fluktuation der in der Fortbildung tätigen Personen zu beleuchten.
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Professionelle Entwicklung während des Lehramtsstudiums –
Erzählungen von Quereinsteiger*innen
Zusammenfassung
Dieser Beitrag fokussiert die professionelle Entwicklung von Quereinsteiger*innen im Stu-
dium der österreichischen Primarstufenpädagogik und insbesondere die Entwicklung ihrer
persönlichen praktischen eorien. Betrachtet wird auch die Kohärenz zwischen Erfahrun-
gen in der Lehrer*innenbildung und früheren Berufs- und Lebenserfahrungen der Querein-
steiger*innen. Als empirische Daten werden narrative Interviews von sieben Lehramtsstu-
dierenden verwendet, die in insgesamt sechs Interviewphasen während des Studiums befragt
wurden. Die transkribierten Interviews wurden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse und
der narrativen Analyse ausgewertet. Die Ergebnisse erö nen die vielfältige Erfahrungswelt
der Quereinsteiger*innen im Prozess des Lehrer*in-Werdens während ihres Studiums. Die
Ergebnisse zeigen, wie die Kohärenz des gleichen Lehrer*innenbildungsprogramms unter-
schiedlich von Studierenden wahrgenommen werden kann.
Schlüsselwörter: Kohärenz, Längsschnittstudie, Lehrer*innenbildung, praktische eorie,
Quereinsteiger*in
Professional development during teacher education –
Stories of career changers
Abstract
is study explores the professional development of career changers and especially the devel-
opment of their personal practical theories during the primary teacher education. It also dis-
cusses coherence between teacher education and previous professional and life experi ences
of career changers. e empirical data consists of qualitative narrative interviews with sev-
en Austrian primary school student teachers carried out in six interview phases during their
studies. e transcribed interviews were analyzed using qualitative content analysis and nar-
rative analysis. e results reveal the diverse experiences of career changers in the process of
becoming a teacher during their studies. e results also indicate how the coherence of the
same teacher education program can be perceived di erently by di erent students.
Keywords: Career changer, coherence, longitudinal study, practical theory, teacher education
1. Einführung
In den letzten Jahrzehnten hat die internationale Forschung zum Lehrberuf und zum
Prozess des „Lehrer*in-Werdens“ zugenommen (Elbaz-Luwisch & Orland-Barak, 2013).
Es gibt jedoch nur wenige Studien über Quereinsteiger*innen1 und deren Erfahrun-
gen während des Lehramtsstudiums, obwohl dieses Phänomen weder neu noch unty-
pisch ist (Williams, 2010). In unserem Beitrag werden die professionelle Entwicklung
1 Quereinstieg bezeichnet alternative, nicht reguläre Wege in den Lehrberuf (Puderbach & Gehr-
mann, 2020, S.354). In der Forschungsliteratur gibt es verschiedene Bezeichnungen für Quer-
einsteigende (siehe Tigchelaar & Melief, 2017, S. 44–45). Die für diese Studie interviewten
Quereinsteiger*innen sind Lehramtsstudierende mit vormaliger Arbeitserfahrung in einem Be-
rufsbereich.
Eeva Kaisa Hyry-Beihammer, Sabine Bruch und Karin Busch
110
von Quereinsteiger*innen einer österreichischen Pädagogischen Hochschule im Stu-
dium der Primarstufenpädagogik und insbesondere die Entwicklung ihrer persönlichen
praktischen eorien betrachtet. Die praktische (subjektive) eorie2 von Lehrpersonen
beinhaltet die persönliche Philosophie des Unterrichts und ihre Ideen von Lernen und
Wissen (Elbaz-Luwisch, 2005). In diesem Prozess spielen Werte und Ansichten (Beliefs)
der Lehrperson eine wichtige Rolle. Sie leiten die alltäglichen Handlungen und Ent-
scheidungen der Lehrperson und beein ussen ihre Bereitscha , pädagogische Innova-
tionen anzunehmen und umzusetzen (Levin & He, 2008; Levin, 2015). Die praktischen
eorien werden im Laufe der Unterrichtspraxis, aber auch schon während der Ausbil-
dung und in anderen Lebenssituationen entwickelt (Hyry-Beihammer, 2018).
In diesem Beitrag fragen wir, wie sich praktische eorien der Quereinsteiger*in-
nen entwickeln, insbesondere wie frühere Berufs- und Lebenserfahrungen der Querein-
steiger*innen mit ihren persönlichen praktischen eorien verbunden werden. Ziel dieser
Studie ist weiters, ein besseres Verständnis über die Kohärenz zwischen der Ausbildung
und früheren Berufs- und Lebenserfahrungen der Quereinsteiger*innen zu gewinnen.
Kohärenz wird in diesem Beitrag nach Hellmann, Kreutz, Schwichow und Zaki (2019)
als „Generierung von Lerngelegenheiten verstanden, bei welchen in vertikaler (über
den Studienverlauf) und horizontaler Richtung (zwischen Fachdidaktik, Fachwissen-
scha und Bildungswissenscha sowie eorie und Praxis) Bezüge gescha en werden,
die es den Studierenden ermöglichen, ihr Studium strukturell und inhaltlich als zusam-
menhängend und sinnha zu erleben“ (S.1). Auf Basis der Forschungsergebnisse wird
betrachtet, wie Quereinsteiger*innen die praktischen und theoretischen Studien verbin-
den und wie sie das Lehramtsstudium mit ihren früheren Berufs- und Lebenserfahrun-
gen im Studienverlauf sinnha verknüpfen könn(t)en.
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Charakteristika der Quereinsteiger*innen
Forschungsstudien haben sich besonders mit der Motivation für den Lehrberuf von
Quereinsteiger*innen beschä igt, um besser zu verstehen, warum sich Menschen auch
in scheinbar aussichtsreichen Berufen entscheiden, Lehrer*in zu werden. Die Stu-
dien zeigen, dass viele Quereinsteiger*innen komplexe und vielschichtige Gründe für
die Wahl des Lehrberufs haben, wie altruistische Motive (z. B. die Arbeit wird als so-
zial wichtig gesehen), intrinsische Motive (z. B. Enthusiasmus für ein spezi sches Fach,
Freude an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen) und extrinsische Motive (z. B. Fe-
rien oder beru iche Sicherheit) (Böhmann, 2011; Laming & Horne, 2013; Lorez, Schär,
Keck Frei & Bieri Buschor, 2017; Richardson & Watt, 2005; Sa , Quesel, Neuber &
Schweinberger, 2017).
Forscher*innen haben sich auch für die Bedeutung der früheren Erfahrungen von
Quereinsteiger*innen und insbesondere die Qualitäten, die Quereinsteiger*innen aus
2 ‚Praktische eorie‘ wird häu g auch „subjektive eorie“ genannt. In diesem Beitrag werden
diese Begri e synonym verstanden.
Professionelle Entwicklung während des Lehramtsstudiums 111
ihrem früheren Bereich in den Lehrberuf mitbringen, interessiert. Vielfältige frühe Er-
fahrungen, Kompetenzen (skills) und persönliche Fähigkeiten können einen positi-
ven E ekt auf die Veränderung der Kultur von Schule haben (Varadharajan, Buchanan
& Schuck, 2018). Quereinsteiger*innen können das Kollegium mit ihren Erfahrungen
und Zugangsweisen bereichern und damit auch bestimmte Traditionen der Professions-
kultur in Frage stellen (Böhmann, 2011). Schmid (2010, S.57) schreibt, dass Querein-
steiger*innen „Schnittstelle zur beru ichen Wirklichkeit außerhalb der Schule“ sind
und eine Vielfalt an Berufs- und Lebenserfahrungen in die Schule einbringen können.
Mehrere Studien zeigen, dass die Übertragung von den im früheren Beruf gewonne-
nen Kompetenzen auf den Unterricht jedoch kein automatischer, sondern zutiefst per-
sönlicher Prozess ist (Mayotte, 2003; Tigchelaar, Brouwer & Korthagen, 2008; Tigche-
laar, Vermunt & Brouwer, 2012; Williams, 2010). Die Review-Studie von Tigchelaar,
Brouwer und Vermunt (2010) zeigt auf, dass die Verknüpfung von früheren Erfahrun-
gen und neuen Unterrichtserfahrungen problematisch sein kann, z. B. wegen der kon-
ventionellen Schulkultur oder eines Mangels an pädagogischem Wissen bei Querein-
steiger*innen.
Die Studien von Keck et al. (2017) und Tigchelaar et al. (2012) sind die wenigen
neueren Studien, die sich mit der professionellen Entwicklung der Quereinsteiger*in-
nen während der Lehrer*innenbildung beschä igen – dieses Interesse gilt auch dem
vorliegenden Beitrag. Die Studie von Tigchelaar et al. (2012), die im niederländischen
„alternativen“, ein bis zwei Jahre dauernden Lehrer*innenbildungsprogramm durchge-
führt wurde, weist darauf hin, dass die früheren Erfahrungen der Quereinsteiger*innen
ihre Vorstellungen vom Lernen beein usst haben und dass ihre initialen Vorstellungen
über das Lehren und Lernen sehr vielfältig sind. Die Ergebnisse der schweizerischen
Studie von Keck et al. (2017) verweisen darauf, dass „die Quereinsteigenden sowohl
aufgabenbezogen als auch durch Interaktionen lernen“ (S.155).
Zusammenfassend kann bestätigt werden, dass es kein einheitliches Pro l von
Quereinsteiger*innen sowie deren Berufswege und professionellen Entwicklungen gibt
(Beaten & Meeus, 2016). Mit Bezug auf den biogra schen Forschungsansatz zum Lehr-
beruf wird in diesem Beitrag vielmehr dafür argumentiert, dass die Voraussetzungen
für das Lehrer*in-Werden individuell sind und die professionelle Entwicklung mit der
Berufsbiogra e und der persönlichen Biogra e verknüp ist (Kelchtermans, 2009, 2016;
Rotland, Cramer & Terhart, 2018, S. 1016, 1023–1024; Schaefer & Clandinin, 2019).
Die professionelle Entwicklung der Quereinsteiger*innen wird theoretisch mit dem Be-
gri ‚praktische eorie der Lehrperson‘ fokussiert, auf die im folgenden Kapitel näher
eingegangen wird.
2.2 Praktische Theorie
Forscher*innen verwenden zum Begri der ,praktischen eorie‘ ähnliche Begri e wie
praktisches Wissen, persönliche Philosophie des Unterrichts, praktische Argumenta-
tion und Handlungstheorie, um Zusammenhänge zwischen Wissen, Überzeugungen
und praktischem Handeln der Lehrpersonen zu beschreiben (Levin & He, 2008). Plö-
Eeva Kaisa Hyry-Beihammer, Sabine Bruch und Karin Busch
112
ger (2006) bezeichnet die praktische eorie einer Lehrperson als „Spiegelbild seiner
Kompetenz“ (S.46). Das Hintergrundwissen von Lehrpersonen bzgl. ihrer Handlun-
gen wird als ‚praktisches Wissen‘ bezeichnet. Es ist zum Teil explizit, zum Teil handelt
es sich aber um implizites Wissen3, das durch praktisches Handeln erworben (Hyry-
Beihammer, 2018) und mit wachsender Lehrerfahrung in Praktika relevanter wird (Kai-
ser, Bremerich-Vos & König, 2020, S.811). Praktisches Wissen ist nicht das Gegenteil
von theoretischem Wissen, vielmehr umfassen die praktischen eorien der Lehrkräf-
te viel theoretisches Wissen, wie Fachwissen, pädagogisches Wissen, curriculares Wis-
sen und Wissen vom Lernen (Grossman, 1997), das an relevante Unterrichtssituationen
angepasst wird (Pitkäniemi, 2010, S.160). Die praktische eorie spiegelt die persönli-
che Antwort der Lehrperson auf die Fragen wider: „Wie sollte ich mit dieser bestimm-
ten Situation umgehen?“ und „Warum sollte ich das so machen?“ (Kelchtermans, 2009,
S.264).
Das Re ektieren der eigenen Erfahrungen und des eigenen Unterrichts ist die Vo-
raussetzung für die Entwicklung der praktischen eorie (Schön, 1983; Korthagen,
2017). Re exion hil Lehrpersonen nicht nur ihre früheren Erfahrungen zu verstehen,
sondern beein usst auch ihre kün igen Handlungen (Gouthro & Holloway, 2018). Eine
re ektierende Lehrperson zu werden, ist das Ziel der meisten Lehrer*innenbildungs-
programme (Beauchamp, 2015). Die Voraussetzung für die Entwicklung der prakti-
schen eorie während des Lehramtsstudiums ist, dass Lehramtsstudierende mit den
pädagogischen eorien vertraut werden und mit deren Hilfe ihre Unterrichtserfahrun-
gen re ektieren können (Korthagen & Vasalos, 2005; Pitkäniemi, 2010).
In diesem Beitrag betrachten wir die Entwicklung der praktischen eorie von
Quereinsteiger*innen als wichtigen Faktor ihrer professionellen Entwicklung. Wir ver-
stehen Lehrer*in-Werden als einen komplexen karrierelangen Lernprozess, der in den
eigenen Erfahrungen als Schüler*in verankert ist. Während des Lehramtsstudiums fo-
kussiert und „intensiviert“ sich die professionelle Entwicklung und erstreckt sich über
die gesamte beru iche Lau ahn (Kelchtermans & Vanassche, 2017, S.443). Die profes-
sionelle Entwicklung beruht auf den bedeutungsvollen Interaktionen zwischen der ein-
zelnen Lehrperson (Lehramtsstudierende) und des kulturellen, historischen und sozia-
len Kontexts ihrer Arbeit (Kelchtermans, 2009; Korthagen, 2017).
3. Forschungsdesign
3.1 Forschungskontext
Diese Forschung wurde im Kontext Lehrer*innenbildung der Primarstufenpädagogik in
der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich durchgeführt. Neben dem Regelstudium
bietet die Hochschule seit dem Studienjahr 2009/2010 ein Lehramtsstudium als Voll-
zeitstudium für Berufstätige an. Die Intention, diese Studienform einzurichten, gründet
darauf, die Altersstruktur von Lehrer*innen an Schulen nach der anstehenden Pensio-
3 engl. ‚tacit knowing‘ (Polanyi, 1969)
Professionelle Entwicklung während des Lehramtsstudiums 113
nierungswelle in den nächsten Jahren auszugleichen, um die entstehende Lücke im Mit-
telbau der Altersstruktur zu schließen.
Der Studiengang „Lehramt Primarstufe“ bietet eine umfassende wissenscha sorien-
tierte und praxisnahe Ausbildung für alle Unterrichtsbereiche der Volksschule. Die Stu-
dien basieren auf den regulären Studienplänen und entsprechen den Bologna-Kriterien.
Das Bachelorstudium dauert in der berufstätigen Form wie im Regelstudium vier Jah-
re (8 Semester 240 ECTS – Mindeststudienzeit) und berechtigt zum Unterrichten in
einem befristeten Dienstverhältnis. Für eine dauerha e Anstellung ist ein weiterführen-
des einjähriges Masterstudium innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss des Bache-
lorstudiums notwendig, das sofort an das Bachelorstudium angeschlossen oder parallel
zur Induktionsphase (Berufseinführung an der Schule) absolviert werden kann. In der
einjährigen Induktionsphase wird durch die Begleitung erfahrener Pädagog*innen als
Mentor*innen der Berufseinstieg erleichtert. (PädagogInnenbildung NEU; siehe auch
Hofmann, Hagenauer & Martinek, 2020, S.233–234)
3.2 Datenerhebung
Die empirischen Daten bestehen aus qualitativen Interviews von sieben Lehramtsstu-
dierenden der Primarstufenausbildung im Alter zwischen 25 und 36 Jahren am Beginn
ihres Studiums. Von diesen Studierenden waren vier weiblich und drei männlich. Die
Studierenden absolvierten begleitend zu ihrer derzeitigen Berufstätigkeit ein Vollzeit-
studium, das meist an den Wochenenden bzw. zum Teil abends abgehalten wird. Sie
wurden im Laufe der Langzeitstudie vom Wintersemester 2015 bis zum Sommersemes-
ter 2019 während ihres Bachelorstudiums in fünf Interviewphasen befragt. Vier von ih-
nen wurden noch nach ihrem ersten Jahr des Masterstudiums im Herbst 2020 inter-
viewt. Ziel war es, im Sinne eines narrativen Interviews (Riessman, 2008) persönliche
Erfahrungen bzw. ‚Stimmen‘ (‚voices’) (Elbaz-Luwisch, 2005) durch die Erzählungen
der Studierenden zu hören. Im Laufe des Erzählens reinterpretieren die Studierenden
ihr Leben bzw. vergangene Ereignisse und konstruieren die Bedeutung ihrer Erfahrun-
gen (Elbaz-Luwisch, 2005; Kelchtermans, 2009).
Während der Interviews beschrieben und erzählten die Studierenden, was sie zum
Lehramtsstudium motiviert hatte, ihre beru ichen Vorerfahrungen, die Erfahrungen
während der Lehrer*innenbildung, Vorstellungen von (gutem) Unterricht, einer guten
Lehrperson und Vorstellungen von Lernen sowie Erwartungen an die zukün ige Arbeit
als Lehrperson. In der fün en Interviewphase wurden die Studierenden am Anfang des
Interviews gebeten, ihren Lernweg im Studienverlauf auf Papier (A3) in 10 bis 15 Mi-
nuten zu skizzieren. Danach beschrieben sie die wichtigsten Ereignisse, Erfahrungen
und Erlebnisse auf ihrem Lernweg mit Hilfe der Skizze.
Eeva Kaisa Hyry-Beihammer, Sabine Bruch und Karin Busch
114
3.3 Analyse
Die Analyse der Interviews erfolgte induktiv und umfasste mehrere überschneiden-
de Phasen. Wir lasen zuerst die transkribierten Interviews und konzentrierten uns da-
rauf, ‚was‘ und ‚wie‘ die Studierenden über Unterricht(en), Lehrarbeit und Lehramts-
studium sowie auch über ihren Weg zum Lehramtsstudium erzählen. Danach wurden
die transkribierten Interviews mithilfe qualitativer Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2012) mit
einer So ware horizontal fallübergreifend strukturiert und thematisiert (Miles, Huber-
man & Saldana, 2020, S.95; Riessman, 2008). Als Analyseeinheit wurde eine Abfolge
zusammenhängender Aussagen verwendet (Riessman, 2008, S.12). Die Analyseeinhei-
ten wurden nach den sechs Hauptthemen eingeordnet: (1) gute Lehrperson, (2) guter
Unterricht, (3) Lernen, (4) Lehrer*in-Schüler*in-Beziehung, (5) beru iche Vorerfah-
rungen und (6) eorie-Praxis. Das ema eorie-Praxis bezieht sich auf die Erzäh-
lungen über die Generierung der Erfahrungen und des Wissens in der Lehre4 und in
der Praxis. Die Interviews wurden ergänzend mit Hilfe von Hauptthemen vertikal fall-
intern analysiert (Miles et al., 2020, S.95).
Zum ema Praxis- eorie wurden drei Pro le von Erzählungen analysiert: 1) Pra-
xis als Leitprinzip, 2) eorie als Leitprinzip und 3) eorie-Praxis im Dialog. Die For-
schungsfrage nach den praktischen eorien der Quereinsteiger*innen sowie wie frü-
here Berufs- und Lebenserfahrungen die persönlichen praktischen eorien verbunden
werden, wird mit den Erzählungen aus den Interviews von drei Studierenden beant-
wortet, die stellvertretend für die analysierten Pro le stehen und sie am besten ver-
anschaulichen. eoretisch wird das damit begründet, dass die Verbindung zwischen
theoretischen und praktischen Studien ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der
praktischen eorien ist (Levin & He, 2008; Pitkäniemi, 2010). Die Erzählungen wer-
den mit den Hauptthemen rekonstruiert (Strübing, 2018, S. 167–169). Insbesondere
wird beachtet, wie sich die Ideen und Vorstellungen über Unterricht während des Stu-
diums verändern. Um mehr Verständnis dafür zu gewinnen, wie Quereinsteiger*innen
das Lehramtsstudium mit ihren früheren Berufs- und Lebenserfahrungen verknüpfen
könn(t)en, werden die Ergebnisse von den Studierenden in Bezug auf erfahrene und
wahrgenommene vertikale (über den Studienlauf) und horizontale (zwischen eorie
und Praxis) Kohärenz (Hellman, 2019, S.21; Hellmann et al., 2019, S.1) betrachtet und
interpretiert.
Aus ethischen Gründen, um die Anonymität der stellvertretenden Studierenden zu
wahren, werden die Studierenden in diesem Beitrag als „sie“ mit Pseudonymen Lisa,
Alex und Michi bezeichnet, und es werden nur für den Beitrag relevante Informationen
über die Studierenden gegeben. Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse durch
die Aussagen der Studierenden veranschaulicht. Die Nummer mit der Abkürzung IP
bezieht sich auf die Interviewphase. Zum Beispiel meint 2. IP die zweite Interviewpha-
se. Drei Punkte zwischen zwei Wörtern bedeutet, dass Wörter oder Sätze dazwischen
weggelassen wurden.
4 ‚Lehre‘ bezieht sich in diesem Bericht auf die unterschiedlichen Lernveranstaltungen in der Leh-
rer*innenbildung.
Professionelle Entwicklung während des Lehramtsstudiums 115
4. Ergebnisse
4.1 Praxis als Leitprinzip – „Ich entwickle mich weiter, ich mache etwas,
was ich dann [in der Schule] verwenden kann“ (Lisa, 2. IP)
Lisa ist Quereinsteigerin ohne frühere Lehrerfahrung. Sie arbeitete im Marketingbe-
reich auch während ihres Lehramtsstudiums bis zur Induktionsphase des Masterstu-
diums. Das Lernen der eigenen Kinder, die Erfahrungen in der Lernhilfe und auch
die Erfahrungen ihrer ehemaligen Arbeitskollegin, die Lehrerin geworden war und
die Ausbildung als ‚nicht so schwer‘ beschrieben habe, nannte Lisa als wichtigste Be-
weggründe zum Lehrberuf (1. IP). Die Erfahrungen mit den eigenen Kindern hat Li-
sas Vorstellung ihrer Lehrquali kationen verstärkt und demzufolge auch ihre vertikale
(über den Studienlauf) erlebte Kohärenz: „Ich habe selbst Kinder und ich verstehe das
auch mit Kindern, wenn einmal wer nicht gut drauf ist, das verstehe ich ganz.“ (4. IP)
Die Vorstellungen von gutem Unterricht und einer guten Lehrperson sind mit posi-
tiven Emotionen in Lisas Erzählungen verbunden. Am Anfang des Studiums positio-
nierte sie die gute Lehrperson als gemochte Vertrauensperson: „Sie [Schüler*innen]
fürchten sich nicht vor dem Lehrer in der Stunde … Kinder freuen sich, wenn die
Lehrerin hereinkommt.“ (1. IP) Später beschrieb Lisa die Lehrarbeit metaphorisch als
„Werbung und Verkauf“, worauf sie ihre frühere Arbeit vorbereitet habe:
Ich habe jetzt im Marketingbereich gearbeitet, ich meine so viel für die Schu-
le … alles eigentlich Werbung und Verkauf. Man verkau sich als Lehrerin
genauso den Kindern gegenüber, da schaut man, dass man die Kinder moti-
viert. (4. IP)
Ericson und Pinnegar (2017) schreiben, dass die Metaphern von Lehrpersonen ihr Ver-
ständnis vom Unterrichten und wie sie sich mit den Schüler*innen auseinandersetzen
(wollen), aufdecken können. Die Art und Weise, wie Lisa über Unterricht hier spricht,
deutet darauf hin, dass sie ihre beru ichen Quali kationen vom Marketingbereich in
die Lehrarbeit übertragbar sieht, was auch ihre vertikale (über den Studienlauf) erfah-
rene Kohärenz verstärkt.
Die pädagogisch praktischen Studien (die Schulpraxis) haben Lisas Lehramtsstu-
dium stark beein usst. Ihre Erzählungen von der Schulpraxis sind in jedem Interview
mit positiven Emotionen verbunden. In den ersten Studienjahren beobachtete sie die
Praxislehrpersonen und ihren Unterricht, der ihr vorbildlich erschien und den sie me-
taphorisch „aufgesaugt“ hatte:
Ich war selber erstaunt, was die [Praxislehrperson] für Materialien dort in der
Klasse hat und wie die das mit den Kindern macht … Das hat mich alles [in
der Praxis] fasziniert – alles aufgesaugt! Ich habe alles aufgeschrieben, weil
sonst vergesse ich das wieder. (2. IP)
Seit Anfang des Studiums fand Lisa die Lehre an der Pädagogischen Hochschule be-
deutungsvoll, die in der Unterrichtspraxis umsetzbar ist. „Das übernommen, was uns
[Name der Lehrende] gezeigt hat. Das haben wir dann auch umgesetzt, in der Schule
Eeva Kaisa Hyry-Beihammer, Sabine Bruch und Karin Busch
116
… Die Kinder waren begeistert.“ (2. IP) Die Bedeutung des Masterstudiums betrachte-
te sie auch von der Perspektive der schulischen Umsetzung: „Wir haben zwar spannen-
de Seminare gehabt … aber die haben absolut nichts mit der Praxis, mit Lehrer*in-Sein
zu tun … Also das war Philosophie, aber das hat mir jetzt da genau gar nichts gebracht
für die Schule.“ (6. IP) Die vorstehenden Aussagen über Praxis und Lehre verkörpern
eine handlungsorientierte Re exion (Korthagen, 2017), durch die Lisa ihr praktisches
Wissen generiert. Sie schaut „rezeptha “ an, was in der schulischen Umgebung funk-
tionieren könnte (Keck et al. 2017, S.155).
Im letzten Interview berichtet Lisa, dass sie für die Lehrarbeit gut vorbereitet sei
und sich ihre Vorstellungen von Lehrarbeit während des Studiums nicht verändert
habe (6. IP). Andererseits bezeichnete sie den Beginn ihrer Lehrtätigkeit in der Mas-
ter-Induktionsphase in der Sonderschule metaphorisch als „einen Sprung ins kalte Was-
ser“, was sich auf der erlebten vertikalen Inkohärenz zwischen eorie und Praxis in
der Phase des Berufseinstiegs bezieht – auf die Erfahrung, unzureichend für die unter-
schiedlichen Unterrichtsumgebungen vorbereitet zu sein.
4.2 Theorie als Leitprinzip – „Ich bin der Meinung, dass man vorher etwas
wissen muss, bevor man handelt“ (Alex, 5. IP)
Die beru ichen Vorerfahrungen von Alex liegen im Bereich der Technik. Sie bringt viel
Erfahrung im emenfeld der digitalen Medien und hier unter anderem in der Leitung
von Teams mit. Das Arbeiten mit Kindern ist aus ihrer Sicht eine völlig andere Her-
angehensweise, daher sieht sie ihre beru ichen Vorerfahrungen in keinem unmittelba-
ren förderlichen Zusammenhang zum schulischen Kontext. Allerdings nennt sie die Le-
benserfahrung insgesamt als positiven Ein ussfaktor für ihre schulpraktische Zukun ,
was ihre vertikale über den Studienverlauf erfahrene Kohärenz verstärken könnte.
Zu Beginn des Studiums beschrieb Alex „guten Unterricht“ als einerseits abhängig
von der Persönlichkeit der Lehrperson und andererseits von der Motivation der Schü-
ler*innen. „Zu einem guten Unterricht gehören ein guter Lehrer und interessierte Schü-
ler.“ (1. IP)
Die Motivation und der Enthusiasmus mit der die Lehrperson Inhalte vermittelt so-
wie eine klare Vorstellung von „Lernen“ stellen für sie wesentliche Voraussetzungen für
erfolgreiches Unterrichten dar. Im Laufe des Studiums ndet man diese Aspekte in fol-
genden Aussagen wieder:
Ich nde, dass der Lehrer oder die Lehrerin professionell sein sollte, über
fachliches Wissen verfügen sollte und generell vom Lernen eine Vorstellung
haben muss. … Es geht aber auch um Authentizität und es kommt ganz stark
darauf an, dass man das, wie man es macht, auch gerne macht. (4. IP)
Gegen Ende des Bachelorstudiums werden die Weiterentwicklung der Lehrer*innen-
Persönlichkeit vor allem durch Selbstre exion sowie Weiterbildungen in verschiedenen
beru ichen emenfeldern betont. Ein weiterer wesentlicher Verantwortungsbereich
der Lehrperson liegt für Alex in der Scha ung einer sicheren und vertrauensvollen At-
Professionelle Entwicklung während des Lehramtsstudiums 117
mosphäre, in der die Schüler*innen Schule als einen Ort wahrnehmen, an dem sie sich
frei entfalten können.
Ein einschneidendes Erlebnis ist für Alex das Auslandssemester. Wobei hier weni-
ger die fachliche Komponente betont wird, sondern vielmehr die persönliche Entwick-
lung in dieser Zeit.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die theoriegeleitete Herangehensweise bei
Alex stark im Vordergrund steht. Von Beginn an erhebt Alex einen wissenscha lichen
Anspruch an das Studium. Die Relevanz der Verknüpfung zwischen eorie und Pra-
xis wird immer wieder unterstrichen. In den Erzählungen wird jedoch deutlich, dass
die Umsetzung des theoretischen Wissens in konkrete Handlungen für Alex eine Her-
ausforderung darstellt.
Zuerst dieses breite theoretische Wissen, dann fokussiert auf ein ema, was
kann ich machen. … Also, man braucht dieses Verständnis, es ist der einzi-
ge Weg, wie man es machen kann. Weil man dann weiß, wovon man redet.
(4. IP)
Ich bin der Meinung, ohne eorie kann man nicht viel praktisch handeln.
(5. IP)
4.3 Theorie-Praxis im Dialog – „Rein aus Intuition heraus etwas zu machen,
das ist oft einfach zu wenig“ (Michi, 4. IP)
Michi ist Quereinsteigerin mit beru ichen Vorerfahrungen in der Arbeit mit Kindern,
hauptsächlich in Einzelsettings. Außerdem hat sie selbst zwei Kinder im Volksschul-
alter. Die Entscheidung, ein Lehramtsstudium zu beginnen, erfolgte aufgrund vieler
positiver Rückmeldungen und eigener Erfahrungen in der Arbeit mit den Kindern. Sie
sieht die Lehramtsausbildung als optimale (Weiter-)Quali kation, was schon am An-
fang des Studiums ihr positives Kohärenzerleben verstärkt:
Und das war dann der Grund, warum ich auf das Studium gekommen bin.
Weil ich mir gedacht habe, gerade für die Altersgruppe sechs bis zehn. Das ist
so die Altersgruppe, die mir am meisten Spaß macht, die mir ganz gut liegt.
Das ist natürlich die optimale Quali kation. (1. IP)
Am Anfang des Studiums schaut Michi den guten Unterricht von der Position der fach-
lich-pädagogisch kompetenten Lehrperson an, die „didaktisch gut ist, Wissen gut ver-
mitteln kann … und die sich auch mit Methoden beschä igt“ (1. IP). Die Gestaltung
des Unterrichts sollte für sie in methodischer Hinsicht abwechslungsreich, handlungs-
orientiert und mit ansprechenden Lernmaterialien und unterschiedlichen („kooperati-
ven“) Lernformen erfolgen. Sie betont auch eine gute Lehrer*innen-Schüler*innen-Be-
ziehung, wobei sie darauf achten möchte, dass die Balance zwischen Nähe und Distanz
erhalten bleibt: „Dass man nicht zu sehr in das Kumpelha e reinfällt, sondern doch
auch die Distanz bewahren kann.“ (1. IP) Im Laufe des Studiums wird sie sich ihrer
praktischen eorie bewusster: „Es wird immer runder das Ganze und immer grei a-
rer und belegbarer, warum ich das mache. Wo du vorher das vielleicht aus Intuition he-
Eeva Kaisa Hyry-Beihammer, Sabine Bruch und Karin Busch
118
raus auch schon richtig gemacht hast und jetzt wird das halt ein bisschen grei arer.“
(3. IP) Gegen Ende des Studiums beschreibt Michi „guten Unterricht“ von der Posi-
tion der Schüler*innen, die sich in der Schule wohlfühlen und di erenziert unterrich-
tet werden:
[Wenn] die Lehrer*in es scha , dass sie einfach auf die Interessen der Kin-
der eingeht, dass sie die Kinder dort abholt, wo sie stehen. Wenn man di e-
renzieren kann, wenn man einfach merkt, dass die Kinder Spaß haben, dass
die Kinder gerne in die Schule gehen, wenn man eine gute Beziehung zu den
Kindern hat. (4. IP)
Die Verknüpfung von theoretischem Wissen und der beru ichen Praxis sind für Michi
ein wichtiger Teil der Professionsentwicklung. „Es braucht einfach eine gewisse eo-
rie im Hintergrund, auf die man sich wieder berufen kann. Man muss ja auch wissen,
wenn ich jetzt einmal in einer Situation bin, wo ich nicht mehr weiterweiß, auf was be-
ziehe ich mich denn jetzt.“ (4. IP) Persönliches Entwicklungspotenzial sieht sie in der
Di erenzierung des Unterrichts. In diesem Zusammenhang werden die Portfolio-Arbeit
bzw. die Lesson-Studies genannt, in denen die Verbindung zwischen eorie und Praxis
deutlich gemacht wird und die Michis erfahrene Kohärenz zwischen eorie und Pra-
xis verstärkt haben: „So verknüpfen sich sozusagen deine Erfahrungen in der Praxis mit
der Arbeit, die man in den Seminaren dann macht, wie zum Beispiel das Portfolio.“ (3.
IP) Michi betont weiters den Austausch mit Lehrenden und Kolleg*innen als wesentli-
chen Punkt für die professionelle Weiterentwicklung.
Die pädagogisch-praktischen Studien haben auch für Michi einen sehr hohen Stel-
lenwert. Die besten Momente des Studiums beschreibt sie vor allem für die Schulpraxis.
Sie befürwortet hier ganze Praxiswochen (so genannte Blockpraktika):
[Im Blockpraktikum] merkt man dann schon den Unterschied, wie du da the-
matisch mehr einsteigen kannst. Und wie du da auch mehr machen kannst.
Aber trotzdem ist es noch relativ kurz. Also, wenn du da einmal so ein, zwei
Monate Hardcore Schulpraxis hättest, dann wäre das so richtig geil, weil dann
kannst du dich voll reinhauen. (2. IP)
Zusammengefasst ist festzuhalten, dass Michi ihre Erfahrungen über Lehrer*innen-
arbeit und Unterricht „bedeutungsorientiert“ re ektiert (Korthagen, 2017). Sie versuch-
te sich immer bewusster darüber zu werden, was ihr im Unterricht und was den Schü-
ler*innen wichtig ist. Ihre früheren beru ichen Erfahrungen und die Erfahrungen mit
eigenen Kindern bilden für sie eine Ausgangslage im Umgang mit den Schüler*innen.
Ihre erfahrene vertikale und horizontale Kohärenz zwischen eorie und Praxis haben
sich während des Lehramtsstudiums verstärkt. Das anfängliche Gefühl, es intuitiv rich-
tig zu machen, bekommt einen professionellen Rahmen:
Ich nde, das wäre eine halbe Geschichte, wenn ich mich rein auf meine
praktische Erfahrung berufe. Weil das ja auch keiner sagt, dass die praktische
Erfahrung, die ich mir angeeignet habe, die ist ja auch nicht irgendwo evi-
denzbasiert, das ist ja auch noch einmal ein subjektiver Eindruck. Und wenn
es aber im Vergleich dazu evidenzbasierte Dinge gibt, Literatur gibt, eorien
Professionelle Entwicklung während des Lehramtsstudiums 119
gibt, Konzepte gibt, dann kann ich das mit dem noch einmal leichter abglei-
chen oder ich habe wirklich auch etwas, wo ich weiß, okay, bei einem Groß-
teil funktioniert das, vielleicht sollte ich das einmal ausprobieren. (4. IP)
5. Diskussion und Ausblick
Die Ergebnisse erö nen die vielfältige Erfahrungswelt der Quereinsteiger*innen in der
Entwicklung im Prozess des Lehrer*in-Werdens im Verlauf ihres Studiums. Die Erzäh-
lungen der Quereinsteiger*innen in dieser Studie können nicht als repräsentativ für alle
Quereinsteiger*innen angesehen werden, da nur Erzählungen von sieben Studierenden
im Kontext von einen österreichischen Primärstufe Lehrerausbildung analysiert wur-
den. In Bezug auf die Lehrer*innenbildung ist es doch wünschenswert, diese gewonne-
nen Erfahrungen und Erkenntnisse sichtbar und für eine Weiterentwicklung nutzbar zu
machen (Tigchelaar et al., 2012; Williams, 2010).
Basierend auf den Ergebnissen bietet insbesondere die schulische Praxis den Quer-
einsteiger*innen eine (Lern-)Umgebung, in der ihre praktischen eorien erprobt und
re ektiert werden. Diese Erkenntnisse werden in manchen Studien von Lehramtsstu-
dierenden auch ohne Berufserfahrung bestätigt (z. B. Cramer, 2012; Levin & He, 2008).
Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die mit dem Fachwissen und dem pädagogi-
schen Wissen verbundene Selbstre exion oder begleitete Re exion des Unterrichts, wie
in den Lesson-Studies, die Entwicklung der praktischen eorie fördern können. Für
die professionelle Entwicklung wäre es essenziell, nach dem Unterricht mit den Men-
tor*innen und Studienkolleg*innen z. B. über die Ziele und Methoden des Unterrichts
zu diskutieren. Studien haben ergeben, dass Lehrpersonen durch den Austausch von
Ideen, Erfahrungen und Lehrmethoden mit Kolleg*innen lernen (Pitkäniemi, 2010).
Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Vorstellungen der Studierenden über Lehrer*in-
Sein bereits zu Beginn ihres Studiums so stark sind, dass dies hinderlich sein kann,
neue Ideen mithilfe der eorie zu entwickeln und die Kohärenz zwischen eorie und
Praxis zu erfahren (Tigchelaar et al., 2008). Deshalb wäre es wichtig, die Studierenden
ab Studienbeginn anzuregen, ihre Vorstellungen über Lehrarbeit und Lehrer*in-Werden
z. B. mit Portfolioarbeit und durch kritische Re exion (Helsper, 2021, S.136) in theore-
tischen Seminaren sichtbar zu machen und zur Diskussion zu bringen.
Zusätzlich zu Praxiserfahrungen geben frühere Berufserfahrungen und andere Le-
benserfahrungen wesentliche Anregungen für die professionelle Entwicklung von Quer-
einsteiger*innen: Sie sind wie Filter, durch die Lehrarbeit wahrgenommen und re ek-
tiert sowie die Kohärenz der Lehramtsstudien erfahren wird. Die Ergebnisse zeigen, wie
die Kohärenz des gleichen Ausbildungsprogramms unterschiedlich von verschiedenen
Studierenden wahrgenommen wird. Die Erfahrungen mit den eigenen Kindern oder
frühere Arbeit mit Kindern können die vertikale, im Studienverlauf erfahrene Kohärenz
verstärken. Nach den Ergebnissen dieser Studie, bringen Quereinsteiger*innen viele Er-
fahrungen und Kompetenzen aus ihren früheren Berufen in ihr Lernen im Lehramts-
studium, z. B. zu den digitalen Medien, zum Marketing und zur Teamarbeit, mit. Für
die Entwicklung der persönlichen praktischen eorien der Quereinsteiger*innen wäre
Eeva Kaisa Hyry-Beihammer, Sabine Bruch und Karin Busch
120
es fruchtbar, die aus diesen Erfahrungen bestehenden Einstellungen und Überzeugun-
gen, wie z. B. ‚Unterricht als Marketing‘ (siehe Kapitel 4.1), mit Hilfe der pädagogischen
eorien in theoretischen Seminaren oder in Gesprächen mit Mentor*innen in Frage
zu stellen, um dadurch eine neue Bedeutung des Lernens und Lehrens der Studieren-
den zu ermöglichen (Williams, 2010).
Es ist von großer Bedeutung, die Erfahrungen der Quereinsteiger*innen – genau-
so wie die der regulären Lehramtsstudierenden – im Lehramtsstudium re ektierend
mit einzubeziehen. Dieses Re ektieren ist die Voraussetzung für die Entwicklung der
praktischen eorien, die auf Grundlage von theoretischem Grundlagenwissen über
Unterrichten und Lernen sowie durch Praxiserfahrungen aufgebaut werden sollten. Wir
(Lehrerausbildner*innen) sollten in der Lage sein, gute Lehrer*innen auszubilden, die
nicht nur viel über das Unterrichten und die Unterrichtsplanung wissen, sondern vor
allem sich selbst als Lehrer*in verstehen und ihre eigenen Ideen vom Unterricht entwi-
ckeln können (Korthagen, 2017; Schaefer & Clandinin, 2019). Die wesentliche Aufga-
be der Lehrer*innenbildung ist, diesen Prozess des Re ektierens und der professionel-
len Entwicklung anzuregen, zu begleiten und zu unterstützen.
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2009.09.016
Gerda Hagenauer und Franziska Mühlbacher
Emotionen, Emotionsregulation und Emotionskommunikation
von Lehrpersonen
Ein theoretischer Überblick unter besonderer Berücksichtigung der
Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung
Zusammenfassung
Lehrer*innenemotionen und der professionelle Umgang mit diesen stellen wesentliche Fa-
cetten der Lehrer*innenkompetenz dar, die häu g im Zusammenhang mit den sozial-emo-
tionalen Kompetenzen von Lehrpersonen diskutiert werden. Lehrpersonen erleben vielfäl-
tige positive und negative Emotionen in der Schule und beim Unterrichten. Eine primäre
Auslösequelle sind dabei die Interaktionen mit den Schüler*innen. Insbesondere die Qua-
lität der Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung steht in einer engen Wechselwirkung mit
den Lehrer*innenemotionen. Gelingt es Lehrpersonen, ihre Emotionen adäquat zu regulie-
ren und zu kommunizieren (z. B. durch kognitive Neubewertung), so sind positive E ekte
auf die Unterrichtsqualität (z. B. die Klassenführung oder die Autonomieunterstützung) und
die Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung zu erwarten. Der Beitrag schließt mit Implikatio-
nen, die sich für die Lehrer*innenbildung und Professionalisierungsforschung ergeben. Unter
anderem wird die Notwendigkeit von längsschnittlichen Forschungsarbeiten zur Entwicklung
von Emotionen und deren Regulation im Zuge der Professionalisierung sowie die Entwick-
lung entsprechender Interventionen betont.
Schlüsselwörter: Lehreremotionen, Emotionsregulation, Emotionale Arbeit, Lehrer-Schüler-
Beziehung
Abstract
Teachers’ emotions and their professional regulation are an essential facet of teachers’ com-
petence, which is o en discussed in connection with the social-emotional competencies of
teachers. Teachers experience a variety of positive and negative emotions at school and while
teaching. A primary source of emotions are the interactions with students. In particular, the
quality of the teacher-student relationship closely interacts with teachers’ emotions. If teach-
ers succeed in adequately regulating and communicating their emotions (e.g., through cog-
nitive reappraisal), positive e ects on the quality of teaching (e.g., classroom management
or autonomy support) and the teacher-student relationship can be expected. e article con-
cludes with implications for teacher education and professionalisation research. Among other
things, the necessity of longitudinal research on the development of emotions and their reg-
ulation in the course of professionalisation as well as the development of corresponding in-
terventions is emphasised.
Keywords: Teacher emotions, emotion regulation, emotional labour, teacher-student relation-
ship
1. Einführung
Unterrichten stellt eine soziale Interaktion dar, die mit zahlreichen Emotionen bei
Lehrkrä en einhergeht (Frenzel, 2014; Hagenauer & Hascher, 2021; Hascher & Krapp,
2014). Lehrkrä e ärgern sich beispielsweise über Schüler*innen, die sich nicht auf
Gerda Hagenauer und Franziska Mühlbacher
126
Klassenarbeiten vorbereitet haben oder die den Unterricht stören, sie freuen sich mit
Schüler*innen, die etwas hervorragend gescha haben und über sich hinausgewach-
sen sind, oder sie sind unsicher, wie sie in herausfordernden Situationen reagieren sol-
len (z. B. bei Mobbingfällen in der Klasse). Neben Emotionen, die durch Kolleg*innen,
die Schulleitung, die Eltern und andere Interaktionspartner*innen in der Schule aus-
gelöst werden, sind es insbesondere die Interaktionen mit den Schüler*innen, die bei
Lehrkrä en Emotionen hervorrufen (O’Connor, 2008). Dies ist nicht verwunderlich,
ist doch das Unterrichten der Kern des Lehrberufs. Lehrkrä e wählen diesen überwie-
gend aus der Motivation heraus, mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und zu ihrer
Entwicklung beitragen zu wollen (Eder, Gniewosz, Bach, Hofmann & Katstaller, 2020).
Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist folglich eine Tätigkeit, der die Lehrkrä e
einen hohen Wert zuschreiben, und daher ist sie emotionsrelevant (Lazarus, 1999). Im
Fokus des vorliegenden Beitrags stehen die Interaktionen mit den Schüler*innen.
Lehrer*innenemotionen und der professionelle Umgang mit diesen stellen wesent-
liche Facetten der Lehrer*innenkompetenz dar. Im COACTIV-Modell (Cognitive Acti-
vation in the Mathematics Classroom) werden Emotionen und deren Regulation in den
Dimensionen „motivationale Orientierungen“ und „Selbstregulation“ integriert (Bau-
mert & Kunter, 2006). Emotionen steuern folglich analog zu motivationalen Orientie-
rungen, wie intrinsische Motivation und Enthusiasmus, das Verhalten einer Lehrper-
son, und deren adäquate Regulation ist für die Gesundheit von Lehrpersonen sowie
für die Unterrichtsqualität und die Qualität der Lehrer*innen-Schüler*innen-Bezie-
hung (LSB) relevant (z. B. Chen, 2019a; Hagenauer & Hascher, 2018). Auch Übertra-
gungse ekte nden statt; d. h. Emotionen von Lehrpersonen können sich auf die Schü-
ler*innen übertragen (Becker, Götz, Morger & Ranellucci, 2014). Zeigt eine Lehrperson
beispielsweise Enthusiasmus beim Unterrichten, so wird diese Freude von den Schü-
ler*innen wahrgenommen und signalisiert ihnen in diesem Zusammenhang, dass der
Unterrichtsinhalt positiv von der Lehrperson bewertet wird, worauf es wahrscheinlich
ist, dass sich die Freude der Lehrperson auf die Schüler*innen überträgt (Frenzel, Götz,
Lüdtke, Pekrun & Sutton, 2009). Unter dem Stichwort der sozial-emotionalen Kompe-
tenz von Lehrpersonen (Jennings & Greenberg, 2009) wird intensiv über die Kompe-
tenzen diskutiert, die Lehrkrä e im Zusammenhang mit den sozialen und emotionalen
Anforderungen und Herausforderungen des Unterrichtens mitbringen sollten; interes-
santerweise ndet diese Diskussion überwiegend isoliert von weiteren kompetenzorien-
tierten Diskursen statt, die insbesondere auf die Wissensfacetten fokussieren (z. B. CO-
ACTIV, Teds-M).
Zusammenfassend kann den emenbereichen Emotionen und Emotionsregula-
tion eine zentrale Bedeutung in der Lehrer*innenbildung und der Lehrer*innenprofes-
sionalisierung zugeschrieben werden, obwohl diese Kompetenzfacette im Vergleich zu
weiteren Kompetenzbereichen, wie z. B. dem Lehrer*innenwissen, den Überzeugungen
und der Motivation, noch wenig erforscht ist (Keller, Frenzel, Götz, Pekrun & Hens-
ley, 2014). Im vorliegenden Beitrag verfolgen wir das Ziel, einen Überblick über die
allgemeine theoretische Fundierung von Emotionen und Emotionsregulation zu ge-
ben (Kapitel 2), gefolgt von einer zusammenfassenden Darstellung des aktuellen For-
schungsstands zu Lehrer*innenemotionen und deren Regulation und Kommunikation
Emotionen, Emotionsregulation und Emotionskommunikation von Lehrpersonen 127
im Unterricht (Kapitel 3). Abgeschlossen wird der Beitrag mit Implikationen für Leh-
rer*innenbildung und Professionalisierungsforschung (Kapitel 4).
2. Emotionen und Emotionsregulation
2.1 Definition Emotionen
Es existieren unterschiedliche theoretische Ansätze, die das Phänomen „Emotion“ zu
klären versuchen (z. B. behavioristische, psychoanalytische, kognitive, kognitiv-a ekti-
ve oder kognitiv-motivational-relationale eorien, dimensionale Ansätze etc.) (Izard,
1999; Lazarus, 1991; Lewis, Haviland-Jones & Barrett, 2008). In der schulischen Emo-
tionsforschung wurde insbesondere der Mehrkomponentenansatz der Emotion aufge-
gri en (Scherer, 2005; Shuman & Scherer, 2014). Dieser besagt, dass Emotionen ein
multidimensionales Konstrukt sind, welches sich aus einer a ektiven, physiologischen,
kognitiven, expressiven und motivationalen Komponente zusammensetzt (Scherer,
2005; Shuman & Scherer, 2014). Der bedeutsamste Aspekt einer Emotion ist der a ek-
tive Kern. Dieser ist sozusagen das „Herzstück“ einer Emotion, denn ohne einen spür-
baren A ekt in Form eines subjektiven Gefühls erlebt man keine Emotionen. Zumeist
geht ein A ekt auch mit physiologischen Veränderungen im Gehirn und im Körper ein-
her. Die kognitive Komponente einer Emotion beschreibt die Gedanken, die im Zusam-
menhang mit einer Emotion entstehen. Diese Gedanken sind zumeist eine (Neu-)Be-
wertung einer realen oder ktiven vergangenen, aktuellen oder zukün igen Situation.
Erlebt man Emotionen, so kann man diese bei sich selbst aber auch bei anderen Perso-
nen am beobachtbaren Ausdruck (z. B. in Form von Lächeln) erkennen. Dies beschreibt
die expressive Dimension. Letztlich ist die motivationale Komponente eng mit Verhal-
tensweisen, die aufgrund einer Emotion entstehen können, verbunden. Sogenannte ac-
tion tendencies (Lowe & Ziemke, 2011), also Handlungsimpulse, rufen bewusstes oder
unbewusstes Annäherungs- oder Vermeidungshandeln hervor (Frenzel & Stephens,
2017; Scherer, 2005; Shuman & Scherer, 2014).
Dem Appraisal-Ansatz zufolge entstehen Emotionen durch die kognitive Bewertung
von Situationen, Handlungen oder Personen (Brosch & Scherer, 2009; Clore & Ortony,
2008). Je nachdem, wie diese Bewertungsprozesse ausfallen, entstehen spezi sche dis-
tinkte positive (d. h. als angenehm erlebte) oder negative (d. h. als unangenehm erleb-
te) Emotionen. Dadurch kann dieselbe Situation bei verschiedenen Personen zu unter-
schiedlichen Emotionen führen (Clore & Ortony, 2008). Lazarus (1991) unterscheidet
zwischen primären und sekundären Bewertungen (primary und secondary appraisals),
die den Emotionsentstehungsprozess erklären. Zunächst wird im ersten Schritt bewer-
tet, inwiefern ein Ereignis für die Erreichung persönlicher Ziele relevant ist (Relevanz)
und inwiefern ein Ereignis die Zielerreichung erleichtert oder verhindert (Kongruenz).
Danach folgt im zweiten Schritt eine Beurteilung der eigenen Fähigkeiten, wie gut man
mit der Situation umgehen kann (Bewältigungspotenzial) und wer für das Ereignis bzw.
die Zielerreichung verantwortlich ist. Je nach Zusammensetzung dieser Bewertungen
entstehen positive oder negative Emotionen.
Gerda Hagenauer und Franziska Mühlbacher
128
Frenzel (2014; Frenzel, Götz, Stephens & Jacob, 2009) entwickelte ein Modell der
Emotionen bei Lehrperson, das auf dem appraisal-theoretischen Ansatz beruht und be-
schreibt, wie Emotionen bei Lehrkrä en entstehen und wie sich diese auf den Unter-
richt auswirken. Zunächst haben Lehrkrä e Ziele im Hinblick auf das Schüler*in-
nenverhalten in Form von Leistungszielen, motivationalen, sozio-emotionalen und
relationalen Zielen. Beispielsweise wünscht sich eine Lehrkra , dass ihre Schüler*innen
im Unterricht aktiv mitmachen, freundlich zu ihren Mitschüler*innen sind, Respekt
gegenüber der Lehrperson zeigen und gute Leistungen bringen. Im Unterricht nimmt
die Lehrperson das tatsächliche Schüler*innenverhalten wahr und bewertet dieses im
Hinblick auf die vorrangigen Ziele. Hierbei formt sie Appraisals und schätzt, ähnlich
wie bei Lazarus (1991) beschrieben, ein, inwiefern das aktuelle Schüler*innenverhal-
ten mit den Zielen übereinstimmt (Zielkongruenz), ob es den Zielen zuträglich ist (Ziel-
zuträglichkeit), wie wichtig die Zielerreichung ist (Zielrelevanz), wer für die Zielerrei-
chung oder -verhinderung verantwortlich ist (Verantwortlichkeit für Zielerreichung) und
wie gut die Lehrperson mit der Ziel-Verhaltens-Diskrepanz umgehen kann (Coping-Po-
tential). Je nach Ausgestaltung dieser Bewertungen entstehen bei der Lehrperson positi-
ve oder negative Emotionen. Stört beispielsweise ein*e Schüler*in permanent eine sehr
wichtige Unterrichtssequenz und hat die Lehrkra das Gefühl, die Störung beenden zu
können, so verspürt sie vermutlich Ärger auf diese*n Schüler*in. Schätzt sie ihre Class-
room-Management-Fähigkeiten in dieser Situation hingegen gering ein, kann dies zu
Angst führen. Die erlebten Emotionen können sich wiederum auf das Instruktions-
verhalten und somit auf das Schüler*innenverhalten und die Unterrichtsziele (Frenzel,
Götz, Lüdtke et al., 2009; Frenzel, 2014), aber auch auf das Wohlbe nden und die Be-
anspruchung im Unterricht und Beruf auswirken (Hagenauer & Hascher, 2018; Taxer,
Becker-Kurz & Frenzel, 2019). Hierbei können Positivkreisläufe entstehen, indem posi-
tive Emotionen bei Lehrkrä en zu einem o eneren Unterrichtsstil mit mehr Raum für
Autonomie und schüler*innenzentriertem Unterricht führen, wodurch wiederum lang-
anhaltende positive Ressourcen wie eine gute LSB und ein erhöhtes Wohlbe nden so-
wohl bei Schüler*innen als auch bei Lehrkrä en entstehen können (Fredrickson, 2001).
Aber auch Negativkreisläufe sind denkbar.
2.2 Emotionsregulation und -kommunikation
Emotional kompetente Lehrkrä e sind in der Lage, ihre Emotionen zu regulieren.
Unter Emotionsregulation versteht man, dass Menschen ihre Emotionen, deren Valenz
(positiv versus negativ), Dauer, Intensität und den expressiven Ausdruck bewusst oder
unbewusst beein ussen können (Gross, 1998, 1999, 2015). Gross (1998, 2015) unter-
scheidet hierbei verschiedene Regulationsstrategien, die sich hinsichtlich des Zeitpunk-
tes der Emotionsgenese verorten lassen: antezedenzfokussierte und reaktionsfokussierte
Emotionsregulationsstrategien.
Antezendenzfokussierte Strategien werden angewandt, bevor Emotionen in ihrer
Gänze entstehen. Hierzu zählen die Situationsauswahl, Situationsmodi kation, Aufmerk-
samkeitslenkung und kognitive Veränderung. So können Lehrpersonen gewisse Unter-
Emotionen, Emotionsregulation und Emotionskommunikation von Lehrpersonen 129
richtsformen bzw. -situationen (z. B. lehrer- oder schülerzentrierte Lernformen, So-
zialformen) bewusst auswählen oder vermeiden, um erwartete positive oder negative
Emotionen zu verspüren oder zu verhindern (Situationsauswahl). Diese Regulations-
strategie setzt ein gewisses Maß an Selbstkenntnis und situationsspezi sche Erwartun-
gen voraus und setzt am frühesten bei der Emotionsentstehung an, da diese Strategie
beein usst, ob bestimmte Situationen erlebt oder vermieden werden. Innerhalb einer
Unterrichtssituation kann eine Lehrkra diese so verändern, dass erwünschte Emotio-
nen entstehen oder unerwünschte Emotionen ausbleiben (Situationsmodi kation). Bei-
spielsweise ändert die Lehrkra die Sozialform von Einzel- zu Partnerarbeit, um die
Motivation bei Schüler*innen durch Kooperation zu wecken, was wiederum positive
Emotionen in der Lehrperson auslöst. Bei der Aufmerksamkeitslenkung können Lehr-
personen ihren Blick gezielt auf einzelne Aspekte des Unterrichts richten, um auch so
Ein uss auf ihre Emotionen zu nehmen. Anstatt sich auf jene*n Schüler*in zu fokus-
sieren, der/die aus dem Fenster blickt, widmet sich die Lehrkra den Fragen der be-
sonders engagierten Schüler*innen, um Freude zu verspüren. Letztlich kann auch eine
kognitive Neubewertung (Reappraisal) der Situation dazu führen, dass Lehrkrä e ihre
Emotionen adäquat steuern. Das Gähnen einer*s Schülers*in wird nicht auf den eige-
nen Unterricht zurückgeführt, sondern darauf, dass sie letzte Nacht womöglich schlecht
geschlafen hat – somit bleiben negative Emotionen aus.
Reaktionsfokussierte Emotionsregulationsstrategien zielen auf bereits entstande-
ne Emotionen ab. Auch hier haben Lehrkrä e mehrere Optionen, um ihre Emotionen
und deren Ausdruck angemessen zu steuern. So können Lehrkrä e ihre Emotionen au-
thentisch zeigen und kommunizieren, diese verstärken, abschwächen oder unterdrü-
cken. Im Gegensatz zum authentischen Ausdruck einer Emotion steht der künstliche
Ausdruck (emotionales Faking). Dieser kann von Lehrpersonen beispielsweise dazu ver-
wendet werden, Enthusiasmus in der Klasse vorzuspielen, um die Schüler*innen da-
mit anzustecken, oder Ärger, um diese zu besseren Leistungen zu motivieren. An den
Lehrberuf sind sogenannte emotion display rules gebunden, also normative Erwartun-
gen bezogen auf den sozial erwünschten Emotionsausdruck (Ekman & Friesen, 1969).
Diese display rules variieren zwischen Kulturen (Matsumoto, 1990). Sutton (2004) und
Sutton, Mudrey-Camino und Knight (2009) stellten fest, dass Lehrpersonen Normen
bezüglich eines adäquaten Emotionsausdrucks im Klassenzimmer internalisieren. Die
befragten Lehrkrä e berichteten etwa, dass positive Emotionen im Unterricht o en ge-
zeigt werden sollten, während negative Emotionen unterdrückt oder abgeschwächt wer-
den sollten.
Das Konzept der Emotionsregulation weist inhaltlich eine hohe theoretische Über-
schneidung mit dem Konzept der emotionalen Arbeit auf (emotional labour; Hoch-
schild, 1983). Hier geht man davon aus, dass Emotionen anhand von Deep-acting- oder
Surface-acting-Strategien reguliert werden können. Während anhand von Deep-acting-
Strategien versucht wird, das Emotionserleben und den einhergehenden Emotions-
ausdruck bewusst zu modellieren (z. B. durch kognitive Neubewertung), fokussieren
Surface-acting-Strategien darauf, nur den Emotionsausdruck (z. B. anhand von Unter-
drückung, Faking) so umzuformen, damit dieser den display rules entspricht (Burić,
Kim & Hodis, 2021; Taxer & Frenzel, 2015).
Gerda Hagenauer und Franziska Mühlbacher
130
3. Emotionen, Emotionsregulation und -kommunikation von
Lehrer*innen – Forschungsstand mit besonderem Fokus auf der
Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung
Bereits 1998 konstatierte Hargreaves: „Teaching is an emotional practice“ (S.838), und
hob die vielfältigen Emotionen hervor, die Grundschul- und Sekundarschullehrkrä e
im Zusammenhang mit dem Unterrichten und der Lehrer*innen-Schüler*innen-Inter-
aktion erleben. Dieser Befund erwies sich über verschiedene Kontexte hinweg als stabil.
Forscher*innen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten, die in ihren Untersuchun-
gen unterschiedliche Lehrer*innengruppen fokussierten (von der Grundschule bis zur
Hochschule), die in den verschiedensten Fächern unterrichteten und die eine unter-
schiedlich hohe Berufserfahrung aufwiesen (von Lehramtsstudierenden im Praktikum
bis hin zu erfahrenen Lehrpersonen im Beruf), zeigten ein vielfältiges Emotionsmuster,
wobei in der Regel die positiven Emotionen im Vergleich zu den negativen Emotionen
dominierten (z. B. de Zordo, Hagenauer & Hascher, 2019; Frenzel et al., 2016; Hagenau-
er, Hascher & Volet, 2015; Hascher & Waber, 2020; Keller et al., 2014; im Überblick:
Frenzel, 2014; Hagenauer & Hascher, 2021; Schutz, 2014; Schutz & Zembylas, 2011;
Sutton & Wheatley, 2003). In diesem Zusammenhang ist jedoch einschränkend fest-
zuhalten, dass viele der zu Grunde liegenden Stichproben selektiv waren – insbeson-
dere bei jenen Untersuchungen, die Lehrpersonen im Beruf untersuchten. Eine Posi-
tivselektion ist sehr wahrscheinlich, denn Befunde zum Beanspruchungserleben von
Lehrpersonen zeigen auf, dass negative Beanspruchungen, die wiederum mit negativen
Emotionen einhergehen, relativ häu g im Lehrberuf vorkommen (für Österreich, siehe
Spenger, Katschnig, Schrittesser & Wistermayer, 2019).
Umso bedeutender ist es, dass es Lehrpersonen gelingt, ihre Emotionen adäquat zu
regulieren. Dies ist sowohl für das beru iche Wohlbe nden und die Gesundheit von
Relevanz als auch für den Unterricht. Wie diese Regulation gelingt, entscheidet auch
über die Glaubwürdigkeit einer Lehrperson (Mortiboys, 2012), da eine vollständige
Emotionsunterdrückung Authentizität verhindern würde. Diese steht wieder mit der
LSB in Verbindung.
Empirische Befunde belegen zunehmend, dass insbesondere die Qualität der LSB
mit dem emotionalen Erleben von Lehrpersonen und letztendlich mit deren beru i-
chem Wohlbe nden zusammenhängt (z. B. Spilt, Koomen & ijs, 2011). Enge Asso-
ziationen zwischen der „Nähe“ zu den Schüler*innen im Sinne der interpersonalen LSB
und den Emotionen Freude, Angst und Ärger zeigten Hagenauer et al. (2015) bei öster-
reichischen Gymnasiallehrer*innen auf: Wurde die Nähe von den Lehrkrä en als hoch
eingeschätzt, so war insbesondere auch das Freudeerleben beim Unterrichten stark aus-
geprägt und auch die Angst und der Ärger niedriger. Hier ordnet sich auch das Er-
gebnis von Taxer et al. (2019) ein: Die Qualität der LSB (eingeschätzt aus Schüler*in-
nenperspektive) korrelierte positiv mit der Freude der Lehrkra , wodurch in Folge die
emotionale Erschöpfung geringer ausgeprägt war. Diese Ergebnisse wurden auf Basis
einer Stichprobe deutscher und amerikanischer Sekundarschullehrkrä e gewonnen.
Zusätzlich zur Nähe zu den Schüler*innen stehen auch Disziplinschwierigkeiten als
negativer Indikator der LSB mit dem Ärger- und Angsterleben (Hagenauer et al., 2015)
Emotionen, Emotionsregulation und Emotionskommunikation von Lehrpersonen 131
und einem erhöhten Ausmaß an emotionaler Erschöpfung in Verbindung (Aldrup,
Klusmann, Lüdtke, Göllner & Trautwein, 2018, für Deutschland; siehe auch Taxer &
Gross, 2018; Yin, 2016). Disziplinschwierigkeiten signalisieren Lehrpersonen, dass ihre
Zielerreichung erschwert oder gänzlich verhindert wird (Sutton et al., 2009), wodurch
sich in Folge die Wahrscheinlichkeit für das Au reten von negativen Emotionen er-
höht, welche wiederum reguliert werden müssen (Taxer & Gross, 2018). Die enge Ver-
bindung zwischen Classroom-Management, Emotionen und Emotionsregulation wur-
de in diversen Studien untersucht und diskutiert. So heben beispielsweise Sutton et al.
(2009) hervor, dass Lehrpersonen der Überzeugung sind, dass ein professioneller Um-
gang mit den eigenen Emotionen positive Auswirkungen auf das Classroom-Manage-
ment und dessen E ektivität hat. Auch Lee und van Vlack (2018) zeigen, dass Lehrper-
sonen, die ein höheres Ausmaß an deep acting in der Klasse einsetzen, höhere Freude
und Stolz und geringeren Ärger berichten. Zudem steht deep acting in positivem Zu-
sammenhang mit der Selbstwirksamkeit im Classroom-Management, während dieser
Zusammenhang für das surface acting negativ ist. Surface acting korreliert des Weite-
ren positiv mit Angst und Frustration von Lehrkrä en. Auch Chang und Taxer (2021)
halten fest, dass Lehrpersonen, die adaptive Emotionsregulationsstrategien bei Unter-
richtsstörungen einsetzen (z. B. ein hohes Ausmaß an Reappraisal bei gleichzeitig ge-
ringem Ausmaß an Suppression), insgesamt positivere Emotionen erleben. Gleichzei-
tig zeigen die Ergebnisse aber auch, dass dennoch viele Lehrpersonen ihre Emotionen
in der Störungssituation unterdrücken, wodurch sie ein erhöhtes Ausmaß an emotiona-
ler Erschöpfung erfahren.
Ein adäquater Umgang mit den eigenen Emotionen im Sinne des deep actings be-
günstigt somit das Classroom-Management und die wahrgenommene Wirksamkeit
im Classroom-Management. In diesem Zusammenhang muss jedoch von Wechselwir-
kungen ausgegangen werden, d. h. hohe Kompetenzen in der Klassenführung wirken
wiederum begünstigend auf ein positives Emotionserleben der Lehrpersonen (Chen,
2019b), wodurch folglich auch das Ausmaß an notwendiger emotionaler Arbeit und
Stresserleben im Allgemeinen reduziert wird (im Überblick McCarthy, Lineback & Rei-
ser, 2015). Dieser Zusammenhang ist appraisaltheoretisch mit dem secondary appraisal
(Lazarus, 1999) zu erklären: Hohe Kompetenzen im Classroom-Management erhöhen
die wahrgenommene Kontrollierbarkeit der Situation. Die Entwicklung professionel-
ler Kompetenz in der Klassenführung kann daher als eine präventive Maßnahme ver-
standen werden, um ein negatives Emotionsmuster und emotionale Belastung im Leh-
rer*innenberuf zu reduzieren. Klassenführung darf hierbei konzeptionell nicht rein auf
den Umgang mit Störungen in der Klasse reduziert werden, sondern wird im Sinne
eines „relationalen Classroom-Managements“ breiter verstanden: Durch die Ausfor-
mung positiver Beziehungen zwischen Lehrpersonen und Schüler*innen wird eine als
angenehm erlebte Atmosphäre in der Klasse ermöglicht, die wiederum präventiv poten-
tiellen Störungen und Disziplinproblemen entgegenwirkt (z. B. Siwek-Marcon, 2021)
und im Ende ekt eine positive emotionale Grundtönung in der Klasse fördert.
Aus den bisherigen Ausführungen kann gefolgert werden, dass für die Gesundheit
im Lehrberuf die Gestaltung positiver LSB bedeutsam ist, da dadurch Nähe erhöht und
negative Interaktionen im Sinne von Unterrichtsstörungen reduziert werden. Dies ver-
Gerda Hagenauer und Franziska Mühlbacher
132
wundert nicht, denn entsprechend der belongingness hypothesis (Baumeister & Leary,
1995) streben Menschen nach zufriedenstellenden und sicheren Beziehungen, die wie-
derum – auf Basis der grundlegenden Postulate der Selbstbestimmungstheorie (Ryan
& Deci, 2017) – das Wohlbe nden und eine optimale Entwicklung begünstigen. Emo-
tionen sind folglich stark und wechselseitig an soziale Beziehungen geknüp , wie auch
in sozialpsychologisch-orientierten Emotionstheorien argumentiert wird (z. B. Boiger &
Mesquita, 2012; Parkinson, 1996; Parkinson, Fischer & Manstead, 2005). Daher sollten
Lehrpersonen über die Bedeutung einer adäquaten Emotionskommunikation für den
Unterricht und insbesondere für den Beziehungsau au informiert sein und entspre-
chende Kompetenzen entwickeln. Beziehungsentwicklung ist ein wechselseitiges Phäno-
men und ist ebenso von den Schüler*innen abhängig.
Im Zusammenhang mit dem authentischen Ausdruck von Emotionen verdeutlichen
aktuelle Forschungsbefunde, dass Lehrpersonen, die ihre positiven Emotionen in der
Klasse o en zeigen, eine gute Beziehung zu ihren Schüler*innen aufweisen und sich im
Unterricht wohl fühlen. Zeigen Lehrkrä e hingegen ihre negativen Emotionen wie Är-
ger, Abneigung oder Langeweile o en vor den Schüler*innen, so ist dies für eine positi-
ve LSB und das Wohlbe nden von Lehrkrä en nicht förderlich (Taxer & Frenzel, 2015).
Insgesamt sind negative E ekte auf die Schüler*innen zu erwarten. Lehrpersonen drü-
cken jedoch nicht nur ihre echten emotionalen Be ndlichkeiten im Unterricht aus,
sondern sie faken bzw. maskieren auch gewisse Emotionen regelmäßig. In dieser Hin-
sicht wiesen Keller und Becker (2018) nach, dass deutsche Gymnasiallehrkrä e Freu-
de in mehr als der Häl e der Unterrichtsstunden, in denen sie keine Freude verspürten,
trotzdem nach außen zeigten. Auch US-amerikanische Sekundarstufenlehrkrä e be-
richteten, positive Emotionen im Unterricht wie beispielsweise Freude oder Enthusias-
mus zu simulieren, während negative Emotionen weniger vorgetäuscht wurden (Taxer
& Frenzel, 2015). Befunde weisen darauf hin, dass der künstliche Ausdruck von Emo-
tionen sowohl positive als auch negative Konsequenzen für Lehrkrä e haben kann.
Einerseits wurden positive E ekte des Simulierens von positiven Emotionen, wie bei-
spielsweise Enthusiasmus, auf das Engagement von Schüler*innen aufgezeigt (Burić &
Frenzel, 2021). Dies kann sich wiederum positiv auf das tatsächliche emotionale Erle-
ben von Lehrkrä en auswirken, da dadurch Unterrichtsziele im Hinblick auf das moti-
vationale Verhalten von Schüler*innen befriedigt werden. Andererseits stand die Simu-
lation von positiven und negativen Emotionen gleichermaßen in einem signi kanten,
jedoch niedrigen, Zusammenhang mit emotionaler Erschöpfung, obwohl der Zusam-
menhang bei negativen Emotionen etwas höher ausgeprägt war als bei positiven Emo-
tionen (Taxer & Frenzel, 2015). Während das Vortäuschen von Emotionen durchaus
kurzfristig hilfreich sein kann, um spezi sche Unterrichtsziele zu erreichen, so sind die
emotionalen Kosten für Lehrpersonen, die sich in einem erhöhten Ausmaß an emotio-
naler Erschöpfung äußern können, nicht zu vernachlässigen; insbesondere dann, wenn
Emotionen über einen längeren Zeitraum wiederholt vorgetäuscht werden.
Wie adäquater Emotionsausdruck im Unterricht realisiert wird, hängt auch stark
von der jeweiligen Person und dem kulturellen pädagogischen Kontext respektive den
„Lehrkulturen“ ab (Volet, 2001). Die jeweiligen Normen, die im Hinblick auf einen ad-
äquaten Emotionsausdruck als passend erachtet werden, unterscheiden sich folglich
Emotionen, Emotionsregulation und Emotionskommunikation von Lehrpersonen 133
zwischen Kulturen im Allgemeinen (z. B. Lee & van Vlack, 2018) und zwischen Lehr-
kulturen im Spezi schen. Empirische Untersuchungen ndet man hierzu vor allem aus
dem hochschulischen Bereich. So konnten Hagenauer, Gläser-Zikuda und Volet (2016)
zeigen, dass australische Hochschuldozierende ihren Ärger vorzugsweise in Eins-zu-
Eins-Gesprächen mit Studierenden nach der jeweiligen Lehrveranstaltung kommuni-
zierten, während deutsche Dozierende durchaus die direkte Konfrontation und Artiku-
lation des Ärgers in der jeweiligen Situation betonten, wenn auch in regulierter Form
(für einen allgemeinen Überblick zu Ärgerausdruck über Kulturen hinweg, siehe Mat-
sumoto, Yoo & Chung, 2010).
Hinter der Einschätzung der Adäquatheit des Emotionsausdrucks lassen sich wie-
derum beziehungsrelevante Merkmale erkennen: McPherson, Kearney und Plax (2003)
belegten, dass normadäquater Ärgerausdruck (z. B. den Ärger sachlich zu kommuni-
zieren) zu Beginn des Semesters bei amerikanischen Studierenden als weniger adäquat
eingeschätzt wurde als im Laufe des Semesters, wenn sie den Dozenten bzw. die Do-
zentin schon besser kennengelernt hatten. Es scheint folglich so, dass das Kommunizie-
ren von negativen Emotionen, wie Ärger, zu Beginn eines Schuljahres bzw. Studienjah-
res sensibler zu handhaben ist. Des Weiteren bestimmt die Hierarchie und Formalität
in der LSB mit, welcher Emotionsausdruck als adäquat eingeschätzt wird. So argumen-
tieren Hansen und Mendzheritskaya (2017), dass das Dozierenden-Studierenden-Ver-
hältnis in Russland hierarchischer sei als in Deutschland (siehe auch Mendzheritskaya,
Hansen, Scherer & Horz, 2018). Folglich schätzten russische Studierende den o enen
Ausdruck von Ärger auch adäquater ein als Studierende aus Deutschland. Studierende
aus Deutschland dahingegen bewerteten die Gewissenha igkeit und das „Understan-
ding“ der Dozierenden negativer, wenn diese in Feedbacksituationen mit Ärger reagier-
ten (Mendzheritskaya & Hansen, 2019). Lehrpersonen benötigen daher im Zusammen-
hang mit einer adäquaten Emotionskommunikation auch interkulturelles Wissen (z. B.
Welche Interaktionsformen gelten in welchem Kulturkreis als „angebracht“?) und inter-
kulturelle Kompetenz.
4. I mplikationen für die Professionalisierungsforschung und die
Lehrer*innenbildung
Im vorliegenden Beitrag wurde aufgezeigt, welche Bedeutung den Lehrer*innenemotio-
nen und der Emotionsregulation für das professionelle Handeln im Unterricht und der
Gesundheit und Beanspruchung der Lehrkrä e zukommt. Ein besonderer Fokus wurde
auf die LSB gelegt, die in engem Zusammenhang mit den Lehrer*innenemotionen und
deren adäquaten Regulation steht.
Kün ige Forschungen sollten sich vertie mit der Frage auseinandersetzen, wie sich
die Fähigkeit zur adaptiven Emotionsregulation und zur adäquaten Emotionskommu-
nikation im Zuge der Professionalisierung entwickelt und wie diese Kompetenzfacette
gefördert werden kann. Erste Interventionsprogramme, die beispielsweise auf das Trai-
nieren von Reappraisal als adaptive Emotionsregulationsstrategie (Kumschick, Piwowar
& iel, 2018), die Förderung der Kompetenz im relationalen Classroom-Management
Gerda Hagenauer und Franziska Mühlbacher
134
(Siwek-Marcon, 2021) und das Training sozial-emotionaler Kompetenzen (Carstensen,
Köller & Klusmann, 2019) abzielen, zeigen diesbezüglich vielversprechende Ergebnis-
se. Sozial-emotionale Kompetenzen sind folglich trainierbar (Jennings & Greenberg,
2009), auch wenn Hinweise vorliegen, dass Persönlichkeitsmerkmale ebenso relevant
für den Umgang mit Emotionen sind. Berkovich und Eyal (2021) zeigten beispielweise,
dass Lehrpersonen, die eine hohe Gewissenha igkeit aufweisen, häu ger Reappraisal
und seltener Suppression als Emotionsregulationsstrategie einsetzen; also insgesamt ein
adaptives Muster in ihrer Emotionsregulation zeigen (siehe auch P anzl & Seethaler,
2019). In diesem Zusammenhang ist auch auf die Eingangsmotivation für das Lehramt
hinzuweisen. Liegt eine intrinsische Motivationslage vor (z. B. die Freude am Unterrich-
ten und der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen), so werden im Zusammenhang mit
dem Unterrichten positivere Emotionen berichtet (de Zordo et al., 2019). Aufnahme-
verfahren für das Lehramt, die in Österreich ächendeckend eingeführt wurden, sollten
folglich auch die emotional-motivationale Kompetenzfacette mitberücksichtigen.
Um der Frage nach der Entwicklung der sozial-emotionalen Kompetenz und de-
ren Förderung di erenziert nachgehen zu können, gilt es, in der Professionalisierungs-
forschung „starke“ Forschungsdesigns zu realisieren. Zum einen sollte darauf geach-
tet werden, repräsentative Stichproben zu gewinnen, die nicht eine Positivselektion der
Grundgesamtheit darstellen. Zum anderen benötigt es längsschnittliche Designs, mit
Hilfe derer es möglich ist, Wechselwirkungen verlässlich zu testen. Interventionen soll-
ten auf Basis von Experimental-Kontrollgruppen-Designs auf ihre E ektivität hin über-
prü werden – wo immer möglich, sollte die Gruppenzuteilung randomisiert erfolgen.
Des Weiteren sollten Emotionen und deren Regulation, Antezedenzien und Konse-
quenzen nicht nur auf Trait-Ebene erfasst werden, sondern auch die Situation und der
Kontext durch situative State-Messungen stärker berücksichtigt werden. In den letzten
Jahren haben hier die sogenannten „Experience-Sampling-Methoden“ zunehmend an
Beachtung in der Lehrer*innenemotionsforschung gewonnen (z. B. Keller et al., 2014).
Aber auch qualitative Methoden dürfen in der Erforschung von Emotionen und deren
Regulation nicht unberücksichtigt bleiben. Sie ermöglichen einen vertie en Einblick in
die Wahrnehmung von komplexen Lehrer*innen-Schüler*innen-Interaktionen und die
damit verbundenen subjektiven Bedeutungszuschreibungen (z. B. Hagenauer & Volet,
2014).
Im Jahr 2014 hielten Keller et al. fest: „For a long time, the examination of emotions
was absent from academic research (…). e dearth of research on emotions is even
more evident in research focused on teachers“ (S.69). Diese Aussage gilt nur noch be-
dingt für das Jahr 2022, da zwischenzeitlich eine Vielzahl an Studien im Feld der Leh-
rer*innenemotionen durchgeführt wurden. Durch die hohe Dynamik in der Lehrer*in-
nen-Schüler*innen-Interaktion, des komplexen Zusammenspiels der sozial-emotionalen
Kompetenz von Lehrkrä en mit weiteren Kompetenzfacetten und der Persönlichkeit,
der hohen Subjektivität in der Entstehung von Emotionen (siehe Appraisal-Ansätze)
und der starken Variation von Emotionen und deren Regulation zwischen Kontexten
(Kulturen, Institutionen, Situationen) sind dennoch viele Fragen ungeklärt, die in wei-
teren Forschungsarbeiten zu bearbeiten sind. Aktuell beschä igen wir uns beispielswei-
se mit den Lehrer*innenemotionen im Teamteaching, deren Auslösebedingungen und
Emotionen, Emotionsregulation und Emotionskommunikation von Lehrpersonen 135
Zusammenhang mit der Qualität der Kooperation – eine Facette des Unterrichtalltags
von Lehrpersonen, die in bisherigen Arbeiten noch nicht berücksichtigt wurde (Mu-
ehlbacher, Hagenauer & Keller, 2022). Auch im Schulpraktikum erwiesen sich sozia-
le Interaktionen mit dem*der Teampartner*in und dem*der Mentor*in als stark emo-
tionsauslösend für angehende Lehrpersonen (Waber, Hagenauer, Hascher & de Zordo,
2021).
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Tamara Katschnig, Isabel Wanitschek, Martina Rabl, Andrea Bisanz und
Mohamed Bassam Kabbani
Rollenverständnis von Lehrerfortbildner*innen aus der
Sicht von Lehrenden in der Fortbildung
Zusammenfassung
Diese explorative quantitativ-empirische Studie wurde 2020 an der KPH Wien/Krems zu
den Bereichen Tätigkeit, Rolle, ideale*r Fortbildner*in und Erwartungen von Lehrerfortbild-
ner*innen mittels Online-Fragebogen aus der Perspektive der Personen, die in der Fortbil-
dung von Lehrer*innen tätig sind, durchgeführt (N=381, davon sind 20 % Stammlehrende,
18 % Mitverwendete, 62 % Externe). Es galt auch herauszu nden, in welcher Rolle sich die
unterschiedlichen Funktionsgruppen in dieser Tätigkeit sehen. Diese befragte Gruppe ist bis
dato noch sehr unerforscht, spielt jedoch eine wichtige Rolle im Professionalisierungsprozess
von Lehrer*innen aller Schultypen. Die Ergebnisse zeigen die Bedeutung der Expertise dieser
Personen als unverzichtbare Ressource für gelingende Entwicklungen im Schulbereich, ins-
besondere in Hinblick auf die Aufgabe dieser Personen, bildungspolitische Neuerungen und
Reformen an die Schulen zu bringen.
Schlüsselwörter: Fortbildung, Lehrer*innen, Rollenverständnis, Professionsbewusstsein, Qua-
litätssicherung
Abstract
is explorative quantitative-empirical study was conducted in 2020 at the KPH Vienna/
Krems on the areas of professional activity, role, ideal in-service teachers and expectations
of in-service trainers by means of an online survey from the perspective of persons working
in in-service teacher trainings (N=381, of which 20 % are full time in-service teachers, 18 %
half-time in-service teachers, 62 % external in-service teachers). is surveyed group is still
very unexplored, but it plays an important role in the professionalization process of teach-
ers in all types of schools. e results show the importance of the expertise of these persons
as an indispensable resource for successful developments in the education sector, especially
with regard to the task of these persons to bring educational policy innovations and reforms
to schools.
Keywords: In-service teacher training teachers, understanding of roles, professional aware-
ness, quality assurance
1. Ausgangslage
Pädagogische Hochschulen werden in ihrer Außenwahrnehmung primär als Ausbil-
dungsstätten gesehen, obwohl sie sich in ihrem Selbstverständnis der gesamten Pä-
dagog*innenbildung widmen und somit neben der Ausbildung vor allem für die
Fort- und Weiterbildung aller Lehrer*innen zuständig sind. Zum „Kerngeschä der
Pädagogischen Hochschulen“ (Feichter, 2020, S. 170) zählt die Aufgabe, Systement-
wicklung zu betreiben und so bildungspolitische Neuerungen und Reformen über die
Fort- und Weiterbildung an die Schulen zu bringen (BMBWF, 2021). Die Problema-
tik dahinter ist jene, dass sich viele Mitarbeiter*innen Pädagogischer Hochschulen pri-
Tamara Katschnig, Isabel Wanitschek, Martina Rabl, Andrea Bisanz und Mohamed Bassam Kabbani
142
mär als Lehrende der Ausbildung sehen und somit Identi kationsprobleme mit der
Tätigkeit der Lehrerfortbildner*innen haben (Blömeke, Hascher & Mayr, 2005; Schratz,
2015). So verwundert es auch nicht, dass Müller, Kemethofer, Andreitz, Nachbaur und
Soukup-Altrichter (2019) im Nationalen Bildungsbericht 2018 und Bachinger, Brune-
forth und Schmich (2021) im Nationalen Bildungsbericht 2021 (siehe z. B. Forschungs-
desiderat 11, S.514) sowie Müller (2019) zur Kommentierung zu TALIS 2018 vermehrt
nahelegen, das Feld der Lehrer*innenfortbildung näher zu untersuchen, da gerade in
Österreich die Kompetenzen und Praxen der Lehrerfortbildner*innen noch völlig uner-
forscht seien (vgl. Müller et al., 2019).
Die Fortbildung steht somit auch in der Forschung im Schatten der Ausbildung
(vgl. Feichter, 2020, S. 169), auch die Rolle der Fortbildner*innen ist selten de niert
und beforscht (z. B. Teacher Educators/Trainers im Englischen). Darüber hinaus gibt
es wenig wissenscha liche Erkenntnisse zu dem Weg in diese Tätigkeit und auch kaum
Forschung darüber, welche Kompetenzen diese Personen mitbringen sollen, trotz ihres
hohen Ein usses auf das Lernen von Lehrer*innen (vgl. Kraler, 2015; Murray, 2015;
Schratz, 2015; Lipowsky & Rzejak, 2017; Katschnig, Auferbauer et al., 2020). Fortbild-
ner*innen wird besonders hinsichtlich der Professionalisierung von Lehrpersonen eine
große Bedeutung zugeschrieben (z. B. Schrittesser, 2020; Lipowsky & Rzejak, 2021).
Dennoch sind Kompetenzen von Fortbildner*innen und wie diese zusammenhängen
bislang kaum untersucht (Lipowsky & Rzejak, 2021).
Für die Pädagogischen Hochschulen Österreichs gibt es mit dem Bundesqualitäts-
rahmen für Fort- und Weiterbildung sowie Schulentwicklungsberatung (2021) erst-
mals vorgeschriebene qualitätssichernde Parameter, die u. a. auch die Fortbildner*innen
betre en. In diesem Qualitätsrahmen werden Kriterien genannt, die auf die Qualität
der Fort- und Weiterbildung Bezug nehmen. Um Chancengleichheit und Bildungser-
folg für alle Schüler*innen zu erreichen, sollen Schulteams, um die Qualitätskriterien
an ihren Standorten zu erfüllen bzw. weiterzuentwickeln, vermehrt standortspezi sche
emen in ihr Fortbildungskonzept aufnehmen. Dies soll beispielsweise durch gemein-
same schulinterne Fortbildung und/oder Schulentwicklungsprozesse möglich werden.
Die Begleitung dieser individuellen Unterstützung der Schulen betri auch die Fort-
bildner*innen, da sie Kenntnisse über die aktuellsten bildungspolitischen Vorhaben, die
sich stetig weiterentwickeln, haben müssen. Der Fokus des Unterstützungsangebotes ist
von individuellen Fortbildungsmaßnahmen hin zu ganzheitlichen Schulentwicklungs-
prozessen zu verlagern (BMBWF, 2021). So heißt es dort: „Das Hochschulpersonal in
der FWB & SEB der Pädagogischen Hochschule soll neben der Quali kation, die zur
Ausübung der Tätigkeit berechtigt, kontinuierlich weiterentwickelt werden. Dies ist im
Hinblick auf die Bereiche der Fort- und Weiterbildung, sowie der Schulentwicklungsbe-
ratung besonders wichtig, da diese Bereiche ständiger Weiterentwicklung unterworfen
sind, um dem aktuellen Forschungsstand und den neuesten bildungspolitischen Refor-
men zu entsprechen.“ (BMBWF, 2021, S.21) Auch im Regierungsprogramm 2020–2024
(Bundeskanzleramt Österreich 2020, S.202–205) ist Qualitätssicherung der Fort- und
Weiterbildung vor allem in Bezug auf die Vortragenden festgeschrieben.
Da es zu Fortbildner*innen und deren Sichtweisen kaum empirische Forschungsbe-
funde gibt, hat es sich ein Projektteam an der KPH Wien/Krems zur Aufgabe gemacht,
Rollenverständnis von Lehrerfortbildner*innen aus der Sicht von Lehrenden in der Fortbildung 143
speziell diese vier Bereiche (Tätigkeit, Rolle, ideale*r Fortbildner*in und Erwartungen)
näher zu erforschen (2019–2021)1.
2. Konzeptioneller Rahmen
Dieses Projekt stützt sich auf folgende konzeptionelle Rahmungen in Hinblick auf die
genannten emenbereiche. Zur Tätigkeit und zum Rollenverständnis jener Personen,
die Fortbildungen abhalten, gibt es kaum empirische und theoretische Befunde (vgl.
Kraler, 2015; Murray, 2015; Schratz, 2015; Katschnig, Wanitschek et al., 2020). Dieses
Verständnis einer Rolle meint ein sozial de niertes Verhaltensmuster einer Person, die
eine bestimmte Funktion in einer Gruppe innehat (Gerrig & Zimbardo, 2008, S.670).
Für diese Studie meint dies die Rolle der Fortbildner*innen in der Gruppe der an der
Fortbildung teilnehmenden Lehrpersonen.
Bereits vor mehr als 15 Jahren konstatierten Blömeke et al. (2005) Lehrerfortbild-
ner*innen fehle es an Identität und Verankerung im Berufsfeld Fortbildung. Meist
nennen sie einen anderen Beruf, aus welchem sie dann in die Fortbildung gelangten.
Fortbildner*innen werden als „Lehrende zweiter Ordnung“ bezeichnet (Schratz, 2015,
S.42), laut Schratz sollten diese evidenzbasiert neues Wissen aus der Forschung in ihre
Tätigkeit als Fortbildner*innen einbringen. Manche sind durch ihre anderwärtige pro-
fessionelle Verankerung (Hauptbeschä igung) in verschiedenen Rollen verankert und
haben dadurch eine nicht vorhandene beru iche Identität im Bereich der Fortbildung.
Fortbildner*innen unterscheiden sich demnach auch in ihrem Rollenverständnis stark
untereinander (Katschnig, Auferbauer et al., 2020; s. dazu auch Wanitschek et al., 2022,
in diesem Band).
Den Angaben des Bundesministeriums für Bildung, Wissenscha und Forschung
(BMBWF, 2011) zufolge (gestützt auf das EPIK-Modell von Schratz et al., 2008) be-
stehen fünf Bereiche von Qualitätsstandards für Lehrende in der Fort- und Weiterbil-
dung, welche von den Pädagogischen Hochschulen in Österreich zu beachten sind: (1)
Fachexpertise: fundiertes Basiswissen auf dem aktuellen Stand wissenscha licher Er-
kenntnisse im Fachgebiet, (2) Pädagogische Kompetenzen: hohes Maß an Vermitt-
lungskompetenz und am aktuellen Stand der Lernforschung orientiert; Fähigkeit zur
Aktivierung der Teilnehmer*innen und Nutzen der Teilnehmer*innen-Ressourcen, (3)
Prozess- und Implementierungskompetenz: Verantwortung für die Unterstützung des
Transfers des Gelernten in den Unterricht – auf individueller Ebene, aber auch in An-
sätzen zur Implementierung am Standort, (4) Beratungskompetenz: Lehrbeau ragte in
diesem Bereich benötigen Kompetenzen zur Beratung von Schul-, Unterrichts- und Or-
ganisationsentwicklungsprozessen sowie (5) Professionalität: Professionalitätsverständ-
nis im Sinne des Domänenmodells zur Entwicklung von Professionalität.
1 Seitdem sind dazu einige Publikationen der Autor*innen auch gemeinsam mit anderen Wissen-
scha er*innen erschienen, siehe: Katschnig, Auferbauer, Prorok & Wanitschek, 2020; Katschnig,
Wanitschek, Rabl, Bisanz & Kabbani, 2020; 2021; Wanitschek, Katschnig, Auferbauer & Prorok,
2020; Auferbauer, Katschnig, Wanitschek & Prorok, 2021; Katschnig & Wanitschek, 2021; Pro-
rok, Katschnig, Wanitschek & Auferbauer, 2021; Rabl, Katschnig, Wanitschek, Bisanz & Kabba-
ni, 2021.
Tamara Katschnig, Isabel Wanitschek, Martina Rabl, Andrea Bisanz und Mohamed Bassam Kabbani
144
Modelle von professionellen Kompetenzen angehender oder im Beruf stehender
Lehrpersonen zeigen ähnliche Bereiche auf (z. B. Kunter et al., 2011; Herzmann & Kö-
nig, 2016). Baumert und Kunter (2006) beschreiben zwei Diskursstränge: Im ersten
Strang wird der Fokus auf eine strukturtheoretische Deutung des Handelns der Lehr-
person gerichtet. Lernende werden als Teilnehmer*innen eines Bildungsprogrammes
verstanden, bei welchem sie unterrichtet und erzogen werden; sie sollen sich Bildung
aneignen und selbstständig lernen. Das Handeln der Lehrenden sei dabei nicht standar-
disierbar und es können auch keine Rückschlüsse auf das Lernen der Teilnehmer*innen
gezogen werden. Im zweiten Strang werden professionelle Standards de niert, wobei
die professionelle Handlungskompetenz im Mittelpunkt steht: Hier werden Kompeten-
zen für Lehrende formuliert, wie diese ihre Lehre gelingend gestalten können. Profes-
sionswissen (Fachwissen, Fachdidaktisches Wissen, Allgemeines pädagogisches Wissen)
und a ektive sowie motivationale Merkmale (Überzeugungen, Motivation, Selbstre-
gulation) werden hier als professionelle Kompetenzen von Lehrpersonen dargestellt
(Baumert & Kunter, 2006). Cramer (2019) bestätigt dieses Modell und fügt zusätzlich
bildungswissenscha liches Wissen sowie Wertehaltungen hinzu. Ausführungen des Na-
tionalen Bildungsberichtes zufolge sollten bei Fort- und Weiterbildungen vor allem an
die Überzeugungen (beliefs) von Teilnehmenden angeknüp werden, um die Wirksam-
keit der Angebote zu erhöhen (Bachinger et al., 2021, S.505).
Allerdings bestehen in Österreich keine Erkenntnisse zur Umsetzung bzw. Überprü-
fung dieser Qualitätsstandards oder Kompetenzen von Lehrerfortbildner*innen (vgl.
Müller et al., 2019, S.127). Das von Müller et al. (2019) sowie von Bachinger et al.
(2021) erwähnte Forschungsdesiderat wird im Rahmen dieses Forschungsprojektes als
Schwerpunktbereich aufgegri en und soll Einschätzungen bzw. die Selbstsicht zur Tä-
tigkeit, zu ihrem Rollenverständnis, ihrer Sicht auf Kompetenzbereiche idealer Fort-
bildner*innen sowie Erwartungen von und an Lehrerfortbildner*innen aufzeigen. So
ermöglicht der Blick von Lehrerfortbildner*innen auf ihre Tätigkeit sowie auf Ideal-
vorstellungen, der im wissenscha lichen Diskurs bisher wenig beachtet wurde, neue
Erkenntnisse im Feld der Fortbildungsforschung. Dies ist insofern bedeutungsvoll, da
innovative Konzepte der Fort- und Weiterbildung in Ländern, die in schulischen Ran-
kings erfolgreich sind, ein wichtiger Bestandteil der bildungspolitischen Gesamtstrate-
gie sind (Feller & Stürgkh, 2017, S.7).
Folgende Forschungsfragen ergaben sich aus der konzeptionellen Auseinanderset-
zung mit den vorliegenden Studien: (1) Wie beschreiben Lehrerfortbildner*innen ihre
Tätigkeit? (2) Wie sehen sie sich selbst als Lehrende der Fortbildung (Rolle)? (3) Wie
beschreiben sie ideale Fortbildner*innen? und (4) Welche Erwartungen an/von Teilneh-
mende*n und Au raggeber*innen haben Fortbildner*innen?
Rollenverständnis von Lehrerfortbildner*innen aus der Sicht von Lehrenden in der Fortbildung 145
3. Methode
3.1 Design, Messinstrument und Durchführung der Studie
Für dieses Forschungsprojekt wurde ein quantitativ-empirischer Online-Fragebogen zu
den Bereichen Tätigkeit, Rolle, Eigenscha en von idealen Fortbildner*innen, Erwar-
tungen sowie soziodemogra sche Daten entwickelt. Dieser setzt sich einerseits aus Er-
kenntnissen der Literatur (Nicodemus, Jäger & Bodensohn, 2010; Kraler, 2015; Schratz,
2015; Boyd & Szplit, 2017; Lipowsky & Rzejak, 2017, 2019; Wanitschek et al., 2022, in
diesem Band) bzw. Modi zierung anderer Messinstrumente und andererseits aus Er-
gebnissen des Pre-Tests zur Überprüfung der Gütekriterien (zusätzlich selbst entwickel-
te Items) zusammen. Dieser erfolgte quantitativ durch Überprüfung der Reliabilitäten
sowie qualitativ zur Validierung der Items mit Expert*innen: Lehrerfortbildner*innen,
Schulentwickler*innen, Lehrer*innen und Personen, die in der Fortbildung planend tä-
tig sind. Der Fragebogen wurde mit der Befragungsso ware Unipark erstellt und ent-
hält zu den Bereichen Tätigkeit, Rolle, ideale*r Lehrerfortbildner*innen sowie zu den
Erwartungen an und von Fortbildner*innen 30 – größtenteils geschlossene – Haupt-
fragen, beantwortbar durch einzelne Items (Einfach- oder Mehrfachantwort, Ranking-
fragen oder Likert-Skala von „tri nicht zu“ bis zu „tri völlig zu“). Der Fragebogen
wurde ab Februar 2020 an alle Lehrerfortbildner*innen, die in den letzten zwei Jahren
eine Fortbildungsveranstaltung an der KPH Wien/Krems abgehalten hatten, gesendet
(N=1466). Bedingt durch die damals bereits au ommende Corona-Pandemie wurde
die Teilnahme bis Ende April 2020 verlängert. Insgesamt füllten 381 Personen den Fra-
gebogen aus (Rücklaufquote 26 %). Die Rücklaufquote zeigte, dass das Interesse an der
Befragung trotz vieler unterschiedlicher Fragen, die auch ein längeres Nachdenken er-
forderten, in hohem Maß gegeben war.
Um zunächst einen Überblick über die Ergebnisse zu erhalten, wurden die Daten
deskriptiv statistisch verrechnet und mittels Häu gkeitstabellen und Abbildungen dar-
gestellt. Die inferenzstatistische Auswertung erfolgte durch t-Tests, Kreuztabellen und
Chi²-Tests, Korrelationsberechnungen bzw. diverse andere parametrische und non-pa-
rametrische Verfahren.
3.2 Stichprobe
Bezüglich des Geschlechts der Lehrerfortbildner*innen zeigt sich, dass 53 Prozent
weiblich und 46,7 Prozent männlich sind, 0,3 Prozent (eine Person) gab ein ande-
res Geschlecht an. Dieses Ergebnis überrascht, da insgesamt im Lehrberuf ein starker
Überhang an weiblichen Lehrpersonen zu beobachten ist (Müller et al., 2019; Statistik
Austria, 2021) und daher anzunehmen war, dass dies auch im Fortbildungsbereich der
Fall sein könnte. Der überwiegende Anteil der befragten Lehrenden, der in der Fortbil-
dung tätig ist, kommt von außen. Diese externen Lehrenden stehen in keinem festen
Arbeitsverhältnis zur KPH Wien/Krems, während mitverwendete Lehrpersonen sowohl
an der KPH Wien/Krems ihren Dienst versehen als auch nach wie vor als Lehrer*innen
Tamara Katschnig, Isabel Wanitschek, Martina Rabl, Andrea Bisanz und Mohamed Bassam Kabbani
146
in unterschiedlichen Schultypen tätig sind. Das Ausmaß von Fortbildung bei externen
und mitverwendeten Fortbildner*innen beträgt fünf bis acht Semesterwochenstunden
(SWS), während Stammlehrende im Durchschnitt nur fünf SWS abhalten. So zeigt sich
bei der vorliegenden explorativen Studie, dass die überwiegende Mehrheit (171 Perso-
nen) der externen Lehrenden ein höheres Ausmaß unterrichtet als die Mehrheit der
Stammlehrenden. Der höchste Anteil in Bezug auf die Zielgruppen der Teilnehmer*in-
nen liegt bei den Volksschullehrer*innen und den Pädagog*innen der Sekundarstufe I.
Die Anzahl der Jahre in der Fortbildung zeigt kein einheitliches Bild. Die Befragten
sind im Durchschnitt seit 9,52 (M) Jahren in der Fortbildung tätig (Spannweite von 0
bis 45 Jahren), wobei au ällt, dass durch eine etwas schiefe Verteilung etwa die Häl e
erst seit sieben Jahren in der Fortbildung tätig ist.
Die Mehrheit der externen Fortbildner*innen ist an der KPH Wien/Krems aus-
schließlich im Rahmen der Fortbildung tätig, ein Drittel auch in der Weiterbildung. Je-
doch scheinen sie kaum Zugang zur Lehre in der Ausbildung an der KPH Wien/Krems
zu haben, da nur ca. acht Prozent dort tätig sind.
Was die Jahre in der Fortbildung betri , zeigt sich eine signi kante Di erenz zwi-
schen den Geschlechtern (p=.031): Die befragten Frauen unterrichten im Durchschnitt
seit 8,63 Jahren, die befragten Männer seit 10,56 Jahren. Was die Zielgruppe betri ,
halten mehr Frauen Fortbildungen für Lehrer*innen der Volks- und Sonderschule ab
sowie mehr Männer solche für Lehrpersonen der Sekundarstufe II.
In Bezug auf die inhaltlichen Schwerpunkte der Fortbildungen wurde als häu gster
Bereich (60 %) die Fachkompetenz/-didaktik genannt. Mit großem Abstand wurde an
zweiter Stelle Schulentwicklung (23,8 %) angeführt.
60 Prozent der Befragten verfügen über einen Bildungsabschluss, der über ein Ba-
chelorstudium hinausgeht. Es gibt signi kante Unterschiede (p<.001) zwischen Stamm-
lehrenden, mitverwendeten Lehrenden und externen Lehrenden in Bezug auf ihre
Ausbildung/Lehramtsausbildung. Mitverwendete Lehrende führen sehr häu g an, nur
das Lehramtsstudium absolviert zu haben, hingegen geben externe Lehrende und
Stammlehrende zu einem hohen Prozentsatz (80 %) an, sowohl ein Lehramtsstudium
als auch zumindest eine weitere Ausbildung abgeschlossen zu haben. Des Weiteren ist
signi kant, dass der Großteil aus pädagogischen Berufen stammt und die überwiegen-
de Mehrheit, nämlich zwei Drittel der Befragten, an einer Schule unterrichtet hat oder
noch immer unterrichtet. Dadurch ist auch der Praxisbezug zum Schulalltag gegeben,
welches ein wesentliches Faktum bei Fortbildungen darstellt. So geben 55,8 Prozent der
Befragten an, dass die Erfahrung im Schulalltag eine wesentliche Rolle für ihre Tätig-
keit spielt.
Rollenverständnis von Lehrerfortbildner*innen aus der Sicht von Lehrenden in der Fortbildung 147
4. Ergebnisse
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Studie für die Bereiche (1) Tätigkeit, (2) Rolle,
(3) ideale*r Fortbildner*in und (4) Erwartungen zusammenfassend dargestellt.
4.1 Tätigkeit
Was die Tätigkeit betri , wurden der Weg in die Fortbildung sowie die aktuelle
Arbeitssituation berücksichtigt. Mitverwendete und Stammlehrende weisen zu einem
sehr hohen Prozentsatz (64,8 %) eine Indoor-Karriere auf. Charakteristisch ist, dass sie
zuerst ausschließlich als Lehrer*innen tätig waren und im Laufe der Zeit ihre Expertise
auch in der Fortbildung einbringen. Etwas anders gelagert ist dies bei externen Lehren-
den, die sowohl aus dem Berufsfeld Lehrer*in als auch aus anderen Berufsfeldern kom-
men (p<.001). So geben 39,8 Prozent der Befragten an, nicht aus dem Umfeld Schule,
sondern aus schulfremden Institutionen zu kommen.
Ein wesentlicher Parameter für externe Lehrende ist die eigene Erfahrung in der
Fortbildung als Teilnehmer*in. In diesem Punkt unterscheiden sie sich maßgeblich
von den beiden anderen Funktionsgruppen (p=.008). Ein weiterer signi kanter Unter-
schied ergibt sich bei jenen Personen, die von der Ausbildung in die Fortbildung ge-
kommen sind (p<.001). Dies tri für Stammlehrende mit 52,9 Prozent am häu gsten
zu, bei Mitverwendeten nur zu einem sehr geringen Prozentsatz von 8,2 Prozent und
bei externen Lehrenden immerhin zu 38,8 Prozent. Als dritte Säule neben der Fort-
und Ausbildung ist die Forschung zu nennen, aus welcher 53 Personen in die Fortbil-
dung kommen. Hier zeigt sich, dass keiner der mitverwendeten Lehrenden, 20 Prozent
der Stammlehrenden und 80 Prozent der externen Lehrenden in dem Bereich der For-
schung arbeiten. Ähnlich verhält es sich bei jenen Personen, die aus der universitären
Lehre kommen. Hier sind es über 70 Prozent der externen Lehrenden, 22,5 Prozent der
Stammlehrenden und lediglich 6,3 Prozent der mitverwendeten Lehrenden (p=.008).
Soziales Engagement als ausschlaggebend für die Tätigkeit der Lehrerfortbildner*in-
nen gibt ein Drittel der Befragten an, wobei wiederum über 70 Prozent davon externe
Lehrende sind (p=.010). Markant ist auch das Faktum, dass 85 Prozent der Lehrerfort-
bildner*innen ihre Tätigkeit gerne ausüben. Dabei gibt es auch keinen signi kanten
Unterschied zwischen den Funktionsgruppen. Die Forschungsfrage (1) „Wie beschrei-
ben Lehrerfortbildner*innen ihre Tätigkeit?“ kann daher wie folgt beantwortet wer-
den: Sie führen diese Tätigkeit sehr gerne aus, kommen aus verschiedensten Bereichen
und Arbeitsfeldern in die Fortbildung und agieren dort sehr unterschiedlich. Dies be-
wirkt, dass die meisten diese Tätigkeit als Nebenerwerbstätigkeit betrachten. Je höher
das Stundenausmaß in der Fortbildung ist, desto mehr identi zieren sie sich mit die-
ser Tätigkeit.
Tamara Katschnig, Isabel Wanitschek, Martina Rabl, Andrea Bisanz und Mohamed Bassam Kabbani
148
4.2 Rolle
Referent*innen, die selbst noch unterrichten (45,9 %) bzw. die einmal unterrichtet ha-
ben (35,7 %), geben an, dass sie die eigenen Berufserfahrungen in ihre Lehrveranstal-
tungen einbringen. Nur 18,9 Prozent der Befragten haben niemals an einer Schule
unterrichtet.
Die Frage, ob sich Lehrerfortbildner*innen eher als Praktiker*innen sehen, bestä-
tigen 65,1 % der Befragten (Wert 4 und 5 auf einer 5-stelligen Skala). Im Gegensatz
dazu sehen sich nur ein Prozent der Lehrerfortbildner*innen als reine eoretiker*in-
nen (Wert 1). Die anderen Personen (33,9 %, Wert 2 und 3) können als Mischtypen be-
zeichnet werden. Die Aussagen, eigene Praxiserfahrungen in die Tätigkeit einzubringen
und als Referent*in praxisorientiert zu arbeiten, zeigen, dass (gerade) Personen, die in
pädagogischen Berufen tätig sind, der Praxis einen hohen Stellenwert geben. Auch die
Frage, was die Weitergabe und den Austausch von Expertise und Wissen betri , beant-
worten von 381 Befragten 345 Personen (92 %) damit, dass sie ihre Tätigkeit als Fort-
bildner*in genau mit dieser Intention verfolgen.
Für 69 Prozent (261 Personen) ist es absolut wesentlich, als Lehrerfortbildner*in die
Pädagogen*innen in ihrer Entwicklung zu einer verbesserten Professionalität zu unter-
stützen.
Nur 8,7 Prozent der Befragten sehen sich zu 100 Prozent als Fortbildner*innen: Per-
sonen, die an der KPH Wien/Krems am Institut für Fortbildung arbeiten oder mitver-
wendet sind, haben eine Verp ichtung Fortbildungsangebote abzuhalten. Das Ausmaß
allerdings variiert und die meisten haben nebenbei noch administrative, wissenscha li-
che und/oder beratende Aufgaben.
57,7 Prozent der Befragten sehen keine Notwendigkeit für einen eigenen Berufsver-
band. Dieser relativ hohe Prozentsatz steht sicherlich in Zusammenhang damit, dass
62,8 Prozent der Befragten die Tätigkeit als Lehrerfortbildner*in nicht als eigenen Be-
ruf sehen, sondern als Ergänzung zu ihrem Hauptberuf. Fortbildner*innen, die auch
in anderen Bereichen tätig sind, befürworten vermehrt einen eigenen Berufsverband.
Eine unterschiedliche Betrachtung (p=.014) weisen die drei Funktionsgruppen in Bezug
auf eine Berufsde nition auf: Externe Lehrende befürworten in hohem Ausmaß einen
eigenen Berufsstand, während Stammlehrende und Mitverwendete dies nicht tun. Ca.
84 Prozent der Fortbildner*innen stimmen der Aussage „Die Weiterentwicklung des
Schulsystems ist mir ein großes Anliegen“ in hohem Maße zu. Um die Weiterentwick-
lung des Schulsystems mitzugestalten, wird das Kriterium „Bereitscha sich selbst wei-
terzubilden“ von den Befragten befürwortet (88,4 %).
Rollenverständnis von Lehrerfortbildner*innen aus der Sicht von Lehrenden in der Fortbildung 149
Abbildung 1: Rollenverständnis von befragten Lehrerfortbildner*innen (Angaben in Prozent)
Die Forschungsfrage (2) „Wie sehen sie sich als Lehrende der Fortbildung selbst (Rol-
le)?“ kann folgendermaßen beantwortet werden: Die befragten Fortbildner*innen sehen
sich am ehesten als Motivator*innen, Wissensvermittler*innen, Unterstützer*innen und
Berater*innen/Coach (s. Abbildung 1).
4.3 Ideale Lehrerfortbildner*innen
Des Weiteren beschä igte sich das Forschungsteam mit der Frage, was Lehrerfortbild-
ner*innen für Eigenscha en, Merkmale und Kompetenzen mitbringen sollen. Fort-
bildner*innen sind der Meinung, dass all die angeführten Eigenscha en bei idealen
Lehrerfortbildner*innen bedeutend sind (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Eigenscha en und Kompetenzen von idealen Lehrerfortbildner*innen (Angaben in
Prozent)
Insbesondere das Fachwissen sowie soziale und kommunikative Kompetenzen werden
häu g genannt. Auch die Bereitscha zur eigenen Weiterbildung und die Erfahrung
im Schulalltag werden als bedeutend eingestu . Ein Drittel der Befragten hat keine Er-
fahrung im Schulalltag. Befragte, die angeben, dass ideale Lehrerfortbildner*innen die
Tamara Katschnig, Isabel Wanitschek, Martina Rabl, Andrea Bisanz und Mohamed Bassam Kabbani
150
aktuelle Forschung kennen sollten, sind auch der Meinung, dass wissenscha lich fun-
diertes Arbeiten die Basis für die Tätigkeit als Fortbildner*in darstellt (r=.527, p<.001).
Die Beantwortung der Forschungsfrage (3) Wie beschreiben sie ideale Fortbild-
ner*innen? kann demnach folgendermaßen vorgenommen werden: Vorrangig sollten
diese über Fachwissen, soziale und kommunikative Kompetenzen verfügen sowie die
Bereitscha zur eigenen Weiterbildung vorweisen.
4.4 Erwartungen an/von Lehrerfortbildner*innen
Zur Beantwortung der Forschungsfrage (4) Welche Erwartungen an*von Teilnehmen-
de*n und Au raggeber*innen haben Fortbildner*innen? dienen die folgenden Ausfüh-
rungen:
Folgende Bereiche wurden dafür berücksichtigt: Wahrgenommene Erwartungen von
Au raggeber*innen und Teilnehmer*innen an die Fortbildner*innen und die Erwar-
tungen von Fortbildner*innen an Au raggeber*innen und Teilnehmer*innen. Zudem
wurden die Erwartungen der Fortbildner*innen an sich selbst, also die eigenen Ansprü-
che im Sinne des Selbstbildes, erforscht.
Zur Übersicht der Ergebnisse dieser Studie zur Vielfältigkeit von Erwartungen an
und von Fortbildner*innen dient Abbildung 3.
Zunächst soll auf die wahrgenommenen Erwartungen der Au raggeber*innen an
die Fortbildner*innen eingegangen werden. Die Forderung nach Unterstützung hoch-
schulischer Qualitätssicherung wird aus Sicht der befragten Fortbildner*innen von fast
60 Prozent als Erwartung wahrgenommen. Die überwiegende Mehrheit (87,4 %) sieht
die Erfüllung des Au rages als Forderung der Au raggeber*innen als wesentlichen
Punkt ihrer Tätigkeit. Auch die Kooperation mit den Au raggeber*innen nehmen fast
75 Prozent der Befragten wahr. Diese erwarten nach Einschätzung der Lehrerfortbild-
ner*innen (über 90 %) einen hohen Level an fachlicher und sozialer Expertise. Die For-
derung nach Verknüpfung von Lehre und Forschung sehen etwas weniger als die Häl e
(48,6 %) als völlig zutre end bzw. zutre end. Etwa ein Drittel (30,9 %) der Befragten ge-
ben an, dass sie die Erwartung, das „Neue“ schnell ins System zu bringen, völlig wahr-
nehmen.
Das von Seiten der Au raggeber*innen erwartete Empathievermögen hat gegenüber
anderen Bereichen einen geringeren Stellenwert. Au ällig ist, dass einige der Personen
anmerken, nicht genau zu wissen, welche Erwartungen die Au raggeber*innen explizit
haben (siehe ausführlich dazu Abbildung 3).
Rollenverständnis von Lehrerfortbildner*innen aus der Sicht von Lehrenden in der Fortbildung 151
Abbildung 3: Vielschichtigkeit von Erwartungen an/von Fortbildner*innen (eigene Darstellung
aufgrund der Ergebnisse dieser Studie)
Werden die Angaben zu den Merkmalen von idealen Lehrerfortbildner*innen mit den
wahrgenommenen Erwartungen der Au raggeber*innen an die Fortbildner*innen
gegenübergestellt, lassen sich mehrere signi kante Ergebnisse verdeutlichen: Befragte,
die angeben, dass Au raggeber*innen von ihnen erwarten, das „Neue“ schnell ins Sys-
tem zu bringen, sind auch der Meinung, dass ideale Fortbildner*innen die aktuelle For-
schung kennen sollten (r=.219, p<.001) und die Bereitscha , sich selbst weiterzubilden,
mitbringen müssen (r= .166, p=.002). Befragte, die angeben, dass ideale Lehrerfort-
bildner*innen die Bereitscha zum Austausch mit Kolleg*innen zeigen sollen, betonen
auch, dass sich Au raggeber*innen eine Kooperation von Fortbildner*innen erwarten
(r=.251, p<.001). Zudem zeigt sich hierbei eine signi kante Korrelation zwischen dem
Anspruch der Au raggeber*innen zu Empathievermögen und dem Merkmal der sozia-
len Kompetenzen von Fortbildner*innen (r=.256, p<.001).
Die wahrgenommenen Erwartungen von den Teilnehmenden an die Fortbildner*in-
nen zeigen folgende Ergebnisse. Über 90 Prozent der Lehrerfortbildner*innen nehmen
das Erwecken von Interesse und Motivation als Erwartungen und Kompetenzanforde-
rungen von Teilnehmer*innen wahr. Lehrerfortbildner*innen sind zudem der Meinung,
dass Teilnehmende sich empathische und auf Bedürfnisse achtende Fortbildner*innen
wünschen (über 90 %). Auch die Aktualität von Fortbildungen nehmen über 85 Pro-
zent der Befragten als Erwartung von Teilnehmer*innen wahr. Der Praxisorientiertheit
und Kommunikationsfähigkeit wird von Teilnehmer*innen gegenüber Lehrerfortbil-
der*innen (über 90 %) ein hoher Erwartungswert zugeschrieben. Die fachliche und
soziale Expertise liegt im Ranking der wahrgenommenen Erwartungen von Teilneh-
mer*innen an Lehrerfortbildner*innen ebenfalls sehr hoch (94,5 %).
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Tamara Katschnig, Isabel Wanitschek, Martina Rabl, Andrea Bisanz und Mohamed Bassam Kabbani
152
32 Personen führen auch noch andere Erwartungen an, die an sie von Teilneh-
mer*innen gestellt werden. Diese beziehen sich auf Anmerkungen zur Praxis und zur
Umsetzung im Unterricht sowie auf Digitalisierung, Achtsamkeit, Flexibilität, Humor
und Freude an der Tätigkeit.
Aus der Perspektive der Befragten kann aufgezeigt werden: Wenn Teilnehmer*innen
erwarten, dass Lehrerfortbildner*innen Interesse und Motivation wecken sollen, erwar-
ten sie auch Aktualität, Praxisorientiertheit und Kommunikationsfähigkeit sowie fach-
liche und soziale Expertise (Professionalität). Auch das Eingehen auf Bedürfnisse hat
einen hohen Stellenwert (siehe Abbildung 3).
Ein Vergleich zu den Angaben der Merkmale von idealen Lehrerfortbildner*innen
und den wahrgenommenen Erwartungen der Teilnehmenden an die Fortbildner*innen
zeigt signi kante Korrelationen. Nennen die Befragten das Wissen über aktuelle For-
schung als Merkmal von idealen Fortbildner*innen, so sind sie auch der Meinung, dass
sich die Teilnehmenden Aktualität von Fortbildner*innen erwarten (r=.332, p<.001,).
Ähnliche Ergebnisse können auch in Bezug auf die Praxisorientiertheit ermittelt wer-
den. Befragte, die Erfahrung im Schulalltag als Merkmal idealer Lehrerfortbildner*in-
nen sehen, geben an, dass Teilnehmende sich diese auch von ihnen erwarten (r=.285,
p<.001,).
Des Weiteren wurden die Erwartungen der Fortbildner*innen an die Au raggeber*in-
nen ermittelt. 83 Prozent erwarten von Au raggeber*innen eine genaue Au ragserklä-
rung. Eine noch größere Erwartungshaltung haben Lehrerfortbildner*innen (92 %) bei
der problemlosen Au ragsabwicklung durch die Au raggeber*innen. Die überwiegende
Mehrheit der Lehrerfortbildner*innen (89 %) erwartet eine freie Gestaltung trotz genau
de nierten Au rages. Ebenso erwarten sich 93 Prozent der Lehrerfortbildner*innen ein
gesetztes Vertrauen von Au raggeber*innen. Auch die Kommunikation bzgl. der Orga-
nisation im Vorfeld wird von 94 Prozent der befragten Personen von Au raggeber*in-
nen erwartet. Ebenfalls stufen die Befragten die Kooperation mit Au raggeber*innen
als hoch ein (84,6 %). 86,5 Prozent der Befragten geben an, dass die zur Verfügung ge-
stellten Ressourcen von Seiten der Au raggeber*innen für sie sehr wesentlich sind. 20
Lehrerfortbildner*innen führen darüber hinaus noch andere Erwartungen an Au rag-
geber*innen an wie ein angemessenes Honorar bzw. eine entsprechende Abwicklung
der Bezahlung, Planungssicherheit, O enheit und Flexibilität, die Nachhaltigkeit und
die Wertschätzung (siehe Abbildung 3).
Schließlich erforschte das Projektteam die Erwartungen der Lehrerfortbildner*in-
nen an die Teilnehmer*innen. Der überwiegende Teil der Befragten (über 90 %) gibt an,
dass sie sich eine aktive Beteiligung von Teilnehmer*innen erwarten. Insbesondere er-
warten sich mehr als 95 Prozent, dass die Teilnehmer*innen o en und bereit sind, sich
auf Inhalte bzw. Prozesse einzulassen. Fast zwei Drittel der Befragten (73 %) erwarten
Freiwilligkeit von den Teilnehmenden. Auch ein Interesse an der ematik erwarten
sich Fortbildner*innen (92 %) von den Teilnehmer*innen. 68,5 Prozent der Befragten
geben an, dass der Praxistransfer in Bezug auf die Teilnehmer*innen für sie als Erwar-
tung zutri . Daraus ist abzuleiten, dass die Fortbildner*innen zu mehr als zwei Drit-
tel erwarten, dass die Inhalte von Fortbildungen auch in der Praxis umgesetzt werden.
Eine wichtige Rolle spielt für Fortbildner*innen (72 %) zudem das Feedback von Teil-
Rollenverständnis von Lehrerfortbildner*innen aus der Sicht von Lehrenden in der Fortbildung 153
nehmenden (siehe Abbildung 3). Ferner hat sich das Forschungsteam auch mit den Er-
wartungen der Fortbildner*innen an sich selbst im Sinne des Selbstbildes beschä igt.
Au allend ist, dass Fortbildner*innen sehr hohe Ansprüche an sich selbst stellen. Sie
nannten z. B. eine gute Vorbereitung, Flexibilität, Authentizität, eigene Weiterbildung,
Wertschätzung den Teilnehmenden gegenüber, und, dass die Teilnehmenden dazu mo-
tiviert werden sollen, das Gelernte im Unterricht zu integrieren (siehe Abbildung 3).
5. Diskussion und Ausblick
Die Ergebnisse dieser explorativen Studie stützen die Erkenntnisse von Müller et al.
(2019), dass die Tätigkeit als Fortbildner*in viele Kompetenzen erfordert, um die Pro-
fessionalisierung von Lehrer*innen zu unterstützen (Fachwissen, Fachdidaktik und
Pädagogik sowie hochschuldidaktische Kompetenzen). Diese Personen bestimmen Leh-
rer*innen-Biogra en und gelten als Rollenvorbilder. Die Befunde dieser Studie zum
Rollenverständnis von Fortbildner*innen decken sich auch mit den Vorgaben des Bun-
desministeriums im Bundesqualitätsrahmen für Fort- und Weiterbildung von Lehrper-
sonen (2021).
Darüber hinaus zeigen aktuelle Erkenntnisse von Schrittesser (2020) sowie Lipowsky
und Rzejak (2021), dass Fortbildner*innen eine zentrale Rolle im Professionalisierungs-
prozess von Lehrer*innen zukommt: „Fortbildnerinnen und Fortbildner müssen dar-
über hinaus [Anmerkung: gute Lehrer*innen zu sein] Kompetenzen auf einer zweiten
Ebene aufweisen, um das Lernen von Lehrpersonen anregen und unterstützen zu kön-
nen. (..) Beispielsweise geht es um das Verständnis der eigenen Rolle als Fortbildnerin
oder als Fortbildner.“ (Lipowsky & Rzejak, 2021, S.12) Passend dazu veranschaulichen
die Ergebnisse dieser Studie: Etwa ein Drittel der befragten Lehrerfortbildner*innen
verfügt über keine Lehramtsausbildung und stammt somit aus anderen Berufsfeldern,
die durchaus im pädagogischen Bereich verha et sind. Lehrerfortbildner*innen sehen
sich in erster Linie als Motivator*innen, Wissensvermittler*innen, Berater*innen/Coach
und Unterstützer*innen.
Ähnliche Befunde zum Rollenverständnis stellen Richter, Brunner und Richter
(2021) in ihrer quantitativen Studie mit 145 Fortbildner*innen, die seit ca. 10 Jahren in
der Fortbildung tätig sind, dar. Sie unterscheiden Fortbildner*innen, die ihre Rolle eher
als „facilitator“ sehen und die Teilnehmer*innen in deren Professionalisierungspro-
zess unterstützen wollen, und andere, die eher als „transmitter“ handeln, also Wissen
vermitteln wollen. Den Ergebnissen von Richter, Lazarides und Richter (2021) zufol-
ge lassen sich vier Berufswechselmotive von Fortbildner*innen unterscheiden: beru i-
che Ambitionen, sozialer Beitrag, Flucht aus der Routine und Zufall. Fortbildner*innen
berichten im Unterschied zu Lehrerbildner*innen der Ausbildung besonders über zwei
Motive: beru iche Ambitionen und sozialer Beitrag. Personen, die sich in der alltäg-
lichen Routine des Lehrer*innenberufs nicht wirklich wohlfühlen, wechseln häu ger
in die Fortbildung. Personen, die beru iche Ambitionen als Grund für den Wechsel
in die Lehrkrä efortbildung angeben, sind mit der Tätigkeit als Fortbildner*in auch
zufriedener. Richter, Lazarides et al. (2021) schlussfolgern daraus: Motive von Fort-
Tamara Katschnig, Isabel Wanitschek, Martina Rabl, Andrea Bisanz und Mohamed Bassam Kabbani
154
bildner*innen hängen (1) mit dem beru ichen Erleben als Lehrkra und mit ihren pro-
fessionsbezogenen Kompetenzen zusammen, sind (2) bedeutsam für ihr beru iches
Erleben als Fortbildner*in und für die Ausübung ihrer Tätigkeit und lassen (3) Rück-
schlüsse in Bezug auf die Rekrutierung und Ausbildung zukün iger Fortbildner*innen
zu (Richter, Lazarides et al., 2021). Hier zeigen sich Parallelen zu den Erkenntnissen
der vorliegenden Studie, da der Großteil aus pädagogischen Berufen stammt und auch
eine Praxiserfahrung in der Schule aufweist.
Als Limitation dieser Studie ist anzumerken, dass die Befragten aus nur einer Päda-
gogischen Hochschule in Österreich stammen und dadurch die Ergebnisse verzerrt sein
können. Dadurch ist eine Verallgemeinerung der Befunde nicht zulässig, obwohl die
vorangegangene qualitative Studie an vier Pädagogischen Hochschulen ähnliche Ergeb-
nisse lieferte (siehe Wanitschek et al., 2022, in diesem Band).
Die in dieser Studie gewonnenen Erkenntnisse sollen in die Auswahl und Beglei-
tung von Lehrerfortbildner*innen ein ießen. Somit ist gewährleistet, dass Lehrer*innen
eine qualitätsvolle Unterstützung von professionellen Fortbildner*innen erleben. Lehr-
und Lernprozesse können auch durch interne Hochschulentwicklung zur Professio-
nalisierung der Fortbildner*innen beitragen, um die Profession („hidden profession“)
zu stärken (siehe auch Beitrag von Wanitschek et al., 2022, in diesem Band). Folgen-
de Diskussionsfragen ergeben sich daraus: Welche Bedeutung hat die Au istung der
genannten Kompetenzen für die Auswahl zukün iger Lehrerfortbildner*innen? Wel-
che möglichen Maßnahmen gibt es, um die Professionalisierung von Lehrerfortbild-
ner*innen zu etablieren und zu verbessern (Qualitätssicherung)? Dieser Studie zufolge
wird die überwiegende Mehrheit angeworben. Daraus folgt die Frage, unter welchen
Aspekten dies geschieht und auf welche Qualitätsmerkmale geachtet werden soll. Dies
zu beantworten wird Teil weiterer Überlegungen sein. In Anlehnung zur Auswahl von
Lehrpersonen (siehe etwas das Handbuch der Forschung zum Lehrberuf von Terhart et
al. (2014) oder die Ausführungen von Blömeke et al. 2005 und Mayr, Müller & Nies-
kens, 2016) oder zur Auswahl von Lehrerbildner*innen in der Ausbildung ist das Feld
der Fortbildung hinsichtlich des Recruitings allerdings breiter gestreut und somit deut-
lich komplexer.
So bleibt abschließend festzuhalten, dass die Lehrerfortbildner*innen einen nicht
unwesentlichen Ein uss auf die Umsetzung von Bildungsinhalten haben, Lehrer*innen-
fortbildung eine immanent wichtige Rolle spielt und daher zurecht häu g als 3. Säu-
le der Lehrer*innenbildung bezeichnet wird. So gilt es auch weiterhin vermehrt darauf
zu achten entsprechende Qualitätskriterien weiterzuentwickeln, um die Qualität der
Lehrer*innenfortbildung stetig zu verbessern. Auch der Bereich der Forschung ist auf-
gerufen, dies mit entsprechenden validen Daten zu evaluieren und Anstöße zu Verbes-
serungsmöglichkeiten darzulegen.
Rollenverständnis von Lehrerfortbildner*innen aus der Sicht von Lehrenden in der Fortbildung 155
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Lehr-/Lernkonzepte in der
Lehrer*innenbildung bzw.
Professionalisierungsforschung
Severin Sales Rödel, Gabriele Schauer, Malte Brinkmann und Michael Schratz
Gelungene professionelle Praxis
Pädagogisches Ethos üben im ELBE-Projekt
Zusammenfassung
Das pädagogische Ethos nimmt im Lehrer*innenberuf als Haltung eine wichtige Rolle ein,
führt in der Ausbildung aber ein Schattendasein. Dieser Beitrag stellt Ergebnisse einer län-
derübergreifenden Forschungsgruppe vor und versucht, einen ethisch und pädagogisch
orientierten Neuzugang zum Lehrer*innenethos zu konzeptionieren und diesen in gängigen
eorien zur Professionalisierung von Lehrer*innen zu verorten. Es wird ein hochschuldi-
daktisches Manual präsentiert, das Möglichkeiten einer Übung von Ethos als Übung mo-
ralischer Entscheidungsfähigkeit im Sinne einer Professionalisierung präsentiert. In diesem
Manual bilden 24 erfahrungsbezogene Beispiele aus Praxisberichten von Lehramtsstudieren-
den die Basis für die diskursive Auseinandersetzung mit ethischen Ambiguitäten aus dem
Schulalltag. Über deren Deutungs- und Positionierungsmöglichkeiten werden die Studieren-
den zum Einnehmen einer Haltung aufgefordert, die sich als je situativ entstehende Heraus-
forderung darstellt, sich re ektiert entscheiden und positionieren zu können. Diese Fähigkeit
wird als ein wichtiger Schritt hin zur Ausbildung eines professionellen Ethos ausgewiesen.
Schlüsselwörter: Pädagogisches Ethos, Professionalisierung, Übung, Lehrkrä ebildung Suc-
cessful Practice of Professionals. Practicing Pedagogical Ethos in the Project ‚ELBE‘
Abstract
Pedagogical ethos as an attitude plays an important role in the teaching profession, but is
not adequately represented in current educational theory and research. is paper presents
the results of an transnational research group and attempts to conceptualize an ethically and
pedagogically oriented new approach to the topic of teacher ethos and to situate it in cur-
rent theories on the professionalization of teachers. Based on this concept of pedagogical
ethos, the research group has developed a instructional manual for the professionalization in
teacher education on university level, which aims at practicing ethos by practicing the skill of
moral decision making. At the center of this manual are 24 examples from practical accounts
of student teachers, which encourage future teachers to discuss ethical ambiguities found in
everyday classroom and school interaction. e examples o er multiple possibilities of inter-
pretation and evaluation and thus challenge students to adopt an ethical attitude. In the pro-
ject presented here, this attitude is conceptualized as a task that arises in each pedagogical
situation: Teachers and other educators are challenged to decide and to position themselves
in a re ective manner. is ability is identi ed as an important step towards the formation of
a professional ethos.
Keywords: Pedagogical ethos, professionalization, practicing, teacher education
1. Ethos und Professionalität, Ethos und Professionalisierung
Fragen der Professionalisierung von Lehrkrä en sind auch Fragen nach der Herausbil-
dung einer spezi schen Haltung oder eines Ethos. Das Ethos von Lehrkrä en ist dabei
nicht einfach zu bestimmen oder zu erzeugen, trotzdem – oder gerade deswegen? – er-
fährt es in jüngerer Zeit vermehrt Aufmerksamkeit (Drahmann & Cramer, 2019; Schä-
Severin Sales Rödel, Gabriele Schauer, Malte Brinkmann und Michael Schratz
162
rer & Zutavern, 2018). Im Folgenden werden wir einen Neuansatz im Bereich der pä-
dagogischen Ethosforschung und Professionalisierung vorstellen. Zunächst werden wir
darlegen, wie unser Konzept des pädagogischen Ethos an gängige Ethos- eorien an-
schließt (1.1) und es mit eorien zur Professionalisierung von Lehrer*innen abglei-
chen, um Anschlusspunkte und Leerstellen auszuweisen (1.2). Im Anschluss daran wird
das Projekt „Ethos im Lehrberuf – Manual zur Übung einer professionellen Haltung“
(ELBE)1 vorgestellt (2). Es werden seine übungstheoretischen Grundlagen (3) sowie die
im Projekt entwickelten didaktischen Konzepte zur Übung moralischer Entscheidungs-
fähigkeit dargestellt (4). In einem Schlusskapitel werden die Gedanken noch einmal zu-
sammengeführt und Möglichkeiten sowie Grenzen des präsentierten Ansatzes markiert.
1.1 Ethos von Lehrkräften: Grundlegung im Projekt ‚ELBE‘
Ansätze zur Erforschung des pädagogischen Ethos reichen von wertorientierten Fassun-
gen des Ethos über Tugend- und Haltungstheorien, moralische Kompetenztheorien bis
hin zu strukturtheoretischen und persönlichkeitstheoretischen Ansätzen (vgl. zu einem
Überblick Drahmann & Cramer, 2019; Brinkmann & Rödel, 2021).
Wir legen im Folgenden ein Verständnis von Ethos zu Grunde, das zunächst von
philosophischen eorien ausgeht. Ethos wird gefasst als etwas, das sich situativ und
leiblich vollzieht und als Entscheidung und Positionierung in der Praxis zeigt. Unter
Ethos werden mit Referenz auf Aristoteles eine praktische Haltung bzw. gelebte Tugen-
den verstanden, also eine Form der re exiven In-Bezug-Setzung von situativer Praxis
mit moralischen, kulturellen, institutionellen oder professionsbezogenen Regeln oder
Werten (Carr, 2006; Campbell, 2013). Diese bewertende Re exion ndet nicht nach-
träglich, sondern mitgängig mit einer situativen Entscheidung in der Praxis selbst statt.
Wird diese ‚handelnde‘ Re exion wiederholt, also mehrfach ausgeübt, kann sie als Hal-
tung eingeübt werden (Aristoteles, 1985, Buch II 1103a). Wird diese wiederholte Ein-
und Ausübung einer Haltung in professionellen Kontexten mit ethischen und profes-
sionstheoretischen Re exionen verbunden, dann lässt sich von der Einübung einer
professionellen Haltung sprechen.
Ethos changiert so zwischen Wissen und Können, zwischen Re exion und Praxis
und bezieht dabei stets übergeordnete, d. h. außerhalb der Situation liegende morali-
sche, juristische oder philosophische Bewertungen mit ein. Damit ist Ethos nicht mit
Handlungsroutinen oder einem unbewussten und relativ stabilen Habitus zu verglei-
chen. Vielmehr, so unsere ese, handelt es sich dabei um eine praktische Klugheit und
situative moralische Entscheidungsfähigkeit, die sich nicht direkt in stabile Kompeten-
zen überführen lässt, weil sie sich jeweils und immer wieder neu zu bewähren hat.
Im Projekt ELBE haben wir dieses Konzept auf konkrete Unterrichtssituationen
bezogen und gehen davon aus, dass sich Ethos in Schule und Unterricht als geglück-
1 Das Projekt ELBE wird von der Robert-Bosch-Sti ung gefördert und gemeinsam von For-
scher*innen an den Universitäten Innsbruck und Wien, an der Universität für Musik und dar-
stellende Kunst Wien und der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführt.
Gelungene professionelle Praxis 163
ter Moment zeigen kann, als gute und gelungene2 Praxis, in der sich eine Person auf
der Grundlage von ethischen Bewertungen und professionstheoretischen Erwägun-
gen, die in beru icher Erfahrung fundiert sind, positioniert bzw. Stellung bezieht und
Verantwortung übernimmt. Die Stellungnahmen basieren auf einer moralischen Ent-
scheidungsfähigkeit; also der Fähigkeit, auf Ambiguitäten, mit denen (Ethos-)Situatio-
nen durchzogen sind, zu antworten – ohne diese aber je vollständig au ösen zu kön-
nen (vgl. ausführlich dazu Brinkmann & Rödel, 2021). Diese situative und leibliche3
Schwerpunktsetzung unserer Ethos-Konzeption schließt ein, dass die Ambiguitäten
auch durch kulturelle, politische, rechtliche und normative Ordnungen bestimmt wer-
den, in denen sich pädagogisch Handelnde nden. Der Bezug zur Verantwortung wird
hergestellt, weil sich hieran eine spezi sch pädagogische Ausrichtung des Ethos festma-
chen lässt: Pädagog*innen müssen Verantwortung übernehmen für die Inhalte, die sie
vermitteln (Unterrichtssto , Kulturtechnik), als auch für die (unsichere) Zukun der
Schüler*innen (Arendt, 2000).
Von kognitionsbasierten Ansätzen (vgl. Weyringer, Patry & Weinberger, 2012; Oser,
1998; Oser & Biedermann, 2018) unterscheidet sich der hier vertretene Ansatz erstens
darin, dass unterschiedliche Umgangsstrategien mit (moralisch) ambivalenten pädago-
gischen Situationen nicht entlang eines Modells hierarchisiert werden (Oser & Bieder-
mann, 2018), sondern in ihrer Pluralität und Verwobenheit mit verschiedenen Beurtei-
lungsmaßstäben o enbleiben. In Kompetenztheorien des Ethos wird zweitens davon
ausgegangen, dass Ethos-Kompetenzen in Ausbildungssettings vermittelt werden kön-
nen und sich in pädagogischen Situationen selbst als Prozeduralisierung bestimm-
ter kognitiver Inhalte zeigen. Im Ethos-Konzept des Projekts ELBE steht demgegen-
über eine Perspektive des Erfahrungslernens (vgl. Buck, 2019) im Vordergrund, d. h.
dass die Herausbildung eines Ethos auf Vorerfahrungen baut, die in neuen Erfahrungen
und Situationen irritiert und herausgefordert werden, wodurch sich neue Erfahrungs-
horizonte erö nen. Drittens wird die Kon iktha igkeit bzw. Ambiguität von pädagogi-
schen Situationen hervorgehoben. Diese sind von Dilemma-Situationen Kohlberg’scher
(1984) Prägung zu unterscheiden. Ambiguität ist Kennzeichen praktischer Situationen,
in denen es Positionierung braucht. Sie hat daher auch eine koexistenzielle Dimension
und ist nicht in Stufen einer nur individuellen und kognitiven Moralentwicklung ska-
lierbar. Vielmehr lassen sich unter Bedingungen von Ambiguität verschiedene Perspek-
tiven auf professionelle Praxis generieren. Ethos bedeutet dann, auf diese Ambiguität
2 Als gelungene und gute Praxis wird diese durch Bewertungen oder Zuschreibungen erst im
Nachhinein eingeordnet. Die dabei relevanten Bewertungen ergeben sich aus einer ethischen
Perspektive und basieren auf Wertungen und Entscheidungen, die situativ, kontextabhängig und
individuell getro en werden. Sie rekurrieren damit auf einen je spezi schen, normativen Be-
zugsrahmen, also eine Vorstellung davon, was ‚gut‘ ist (Brinkmann & Rödel, 2021, S.44f.).
3 Hier wird die phänomenologische Unterscheidung von Körper und Leib zu Grunde gelegt:
Der Leib ist kein Ding oder Objekt, sondern Medium unserer Welt- und Selbsterfahrung. Er
ist „Umschlagspunkt“ (Husserl/Hua IV, 161) zwischen Subjekt und Welt und kommunikatives
„Ausdrucksfeld“ (ebd., 247) einer ‚Zwischen-Leiblichkeit‘ (intercorporéïté, Merleau-Ponty, 1974),
die sich schöpferisch in sozialen, sprachlichen, mimisch-gestischen oder praktischen „Stellung-
nahmen“ und „Verkörperungen“ (Plessner, 1975, 309 f.) manifestiert (vgl. Brinkmann et al.,
2019, 2 .).
Severin Sales Rödel, Gabriele Schauer, Malte Brinkmann und Michael Schratz
164
mit einer moralischen Entscheidungsfähigkeit zu antworten, die situativ, emotional und
leiblich fundiert ist.4
Die Doppelstruktur des pädagogischen Ethos zwischen Praxis und Re exion sowie
sein Ereignischarakter, der nur in einem „Dazwischen“ (Merleau-Ponty, 1986) aufzusu-
chen ist, stellt für die Lehrkrä ebildung eine große Herausforderung dar. Ethos ist nicht
Ergebnis einer plötzlichen Einsicht, auch baut es nicht allein auf kognitive oder volitio-
nale Voraussetzungen und Überzeugungen. Es kann aufgrund seines wertebezogenen
Praxisbezugs nicht im Sinne einer Instruktion oder einfachen Weitergabe von Wissen
gelehrt werden. Vielmehr muss es praktiziert und aus der Praxis heraus durch Anlei-
tung, Beispiel und Zeigen unterstützt werden (Aristoteles, 1985, Buch II, 1103a; Brink-
mann, 2021).
Ethos im Professionsbezug ist so nicht nur eine Herausforderung für bereits ausge-
bildete Lehrkrä e, sondern auch für die Lehramtsausbildung selbst. Während Erstere
sich im situativen Handeln der unterrichtlichen Ansprüche bereits mit ethischen und
professionellen Fragestellungen in Beziehung setzen mussten, stellt sich für die Ausbil-
dung die Frage: Wie bringt man angehenden Lehrkrä en etwas bei, das in der Praxis
zentral ist, in der begri ichen Bestimmung aber ungenau, und von dem weithin unklar
ist, ob und wie es sich in vermittelbare Inhalte übersetzen lässt?
Trotz dieser Schwierigkeiten im Bereich einer ‚Didaktik des pädagogischen Ethos‘
herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass ein bestimmtes Ethos zur guten, kompe-
tenten und professionellen Lehrperson dazugehört (vgl. Campbell, 2003; Oser, 2014;
Meyer, 2017).
1.2 Ethos und Professionalisierung: Ansatzpunkte in Theorien zur
Lehrer*innenprofessionalität
Die im vorigen Abschnitt dargestellten situations- und re exionsbezogenen Dimensio-
nen von Ethos im Hinblick auf professionelles pädagogisches Handeln werden einer-
seits durch berufsspezi sche Rahmungen institutionell thematisiert. So reguliert z. B.
das Ontario College of Teachers in Kanada als Standesorganisation das Ethos im pro-
fessionellen Handeln über transparente Ethical Standards of the Teaching Profession,
für welche die pädagogisch-ethische Re exion eine grundlegende Dimension darstellt
(Schratz, 2018, S.96). Sie stellen allerdings nur normative Bezugspunkte für das päd-
agogische Ethos im professionellen Handeln dar, d. h. dass in bestimmten Situationen
ethisches Handeln sich auch gegen diese Rahmenbedingungen stellen und gerade dar-
in Ethos beweisen könnte.
Daher stellt sich andererseits die Frage nach der Ausbildung oder dem Erlernen
eines professionsbezogenen Ethos. Gängige Modelle der Professionalität und darauf be-
zogene Maßnahmen der Professionalisierung von Lehrkrä en in der ersten und zwei-
4 In kognitionsbasierten Ansätzen zu moralischen Dilemmata (Malti und Latzko, 2017), die im
Kontext von Lehrer*innenhandeln rezipiert werden (Weinberger, 2021), spielen Emotionen und
emotional gefärbte Situationen nur insofern eine Rolle, als sie moralische Re exion vereinfa-
chen oder verhindern oder dass sie durch moralisch nicht lösbare Kon ikte erst hervorgerufen
werden (ebd., S.337).
Gelungene professionelle Praxis 165
ten Ausbildungsphase bieten im oben skizzierten Verständnis Ansatzpunkte zur Her-
ausbildung eines Ethos, weisen aber auch einige Unvereinbarkeiten auf. Im Folgenden
werden einige zentrale Referenztheorien skizziert und kritisch gewürdigt. Im Anschluss
daran stellen wir das EPIK-Modell als domänenbasierten Professionalitätsansatz vor,
den wir für die Unterrichtsbeispiele in der Anwendung des vorgestellten Konzeptes des
pädagogischen Ethos in der Lehrkrä ebildung verwendet haben. Es nimmt auf überge-
ordnete Kompetenzfelder, sogenannte Domänen von Professionalität, Bezug, die zahl-
reiche Anknüpfungspunkte für pädagogisches Handeln in unterschiedlichen schulprak-
tischen Kontexten bieten. Dies erö net im ELBE-Projekt die Möglichkeit, in der Arbeit
mit Studierenden die Entscheidungsfähigkeit auf verschiedene pädagogisch-institutio-
nell gerahmte Domänen zu beziehen und dabei zu fragen, was in diesen Bereichen des
Lehrer*innenhandelns die Herausbildung eines Ethos bedeutet.
1.2.1 Der kompetenztheoretische Ansatz (Baumert & Kunter, 2006), auch als Experten-
Kompetenzmodell bekannt, geht von der Expertise, also dem Wissen und Können
der Professionellen aus. Die Grundlage dafür bilden Qualitätskriterien für profes-
sionelles Handeln, die für den Lehrerberuf von der KMK (2005) als „Standards
für die Lehrerbildung“ in Form von Kompetenzen festgelegt wurden. Dieser Ka-
talog gibt vor, über welche Kompetenzen (kün ige) Lehrkrä e in den Bereichen
Unterrichten, Erziehen, Beurteilen, Innovieren verfügen sollen. Darin wird auch
auf Werte und Haltungen Bezug genommen. Diese, so die Annahme, werden in
Form von kognitivem Wissen repräsentiert und dann als Können oder Perfor-
manz prozeduralisiert. Ungeklärt bleibt dabei, wie sich der Übergang von Wissen
und Können in der Praxis gestaltet. Unter Bedingungen von situativen, intuitiven
und meist impliziten Handlungsformen ist das deklarative, begri iche und theo-
retische Wissen o sekundär, das erfahrungsbezogene Handlungswissen primär.
Das professionsbezogene Können und, so kann man ergänzen, das pädagogische
Ethos richten sich nicht nach deklarativen, kognitiven Regeln und lassen sich also
auch nicht durch Aneignung dieser Regeln lernen (vgl. Neuweg, 1999). Vielmehr
muss dieses Können in der wiederholten Praxis und durch re exive Erfahrung,
d. h. durch Übung erworben werden (Brinkmann, 2021). Wissen und Können ge-
hören somit in zwei unterschiedliche Register. Ebenso sind Kompetenzmodel-
le wie die Standards für die Lehrkrä ebildung auf skalierbare Zielformulierungen
angewiesen, die sich aber im Bereich des Lehrer*innenethos nur schwer formu-
lieren lassen, da in spätmodernen, pluralen Gesellscha en Werte und Normen je
nach Situation sehr unterschiedlich ausgelegt werden können.
1.2.2 Der berufsbiogra sche professionstheoretische Ansatz nimmt die individuelle Ent-
wicklung in den Blick und sieht Professionalisierung als gesamtbiogra sche Be-
rufslau ahn, die meist in unterschiedliche Phasen und Übergänge unterteilt wird.
Hierbei haben Erfahrungen und lebensgeschichtliche Ereignisse (z. B. Berufswahl,
Entscheidung für Studienfächer) eine hohe Bedeutung. Die biogra schen Erfah-
rungen werden als Ressourcen gesehen, auf welche die Professionalisierung als
„biogra sches Projekt“ baut. Über Erfahrung und Gewöhnung werden Routinen
Severin Sales Rödel, Gabriele Schauer, Malte Brinkmann und Michael Schratz
166
professionellen Handelns aufgebaut. Routinisierung rückt den biogra schen An-
satz aufgrund der Habitualisierungskomponente in die Nähe von Habitustheorien
(vgl. Helsper, 2018). Das von uns beschriebene Verständnis des pädagogischen
Ethos wird in der Professionalisierung zwar auch in einer Haltung eingeübt, al-
lerdings nicht die erforderliche situative moralische Entscheidungsfähigkeit. Für
diese spielt die Fähigkeit zur Distanzierung und pädagogisch-ethischen Re exion
eine entscheidende Rolle.
1.2.3 Der strukturtheoretische Ansatz (Helsper, 2014; Oevermann, 2008) wird in hohem
Maße von der Logik der Struktur professionellen Handelns her de niert. Letzte-
re wird aus der Interaktion zwischen Professionellen und Klient*innen bestimmt.
Daraus wird die Autonomie Professioneller abgeleitet, „da das professionelle Han-
deln in den Unabwägbarkeiten der Professionellen-Klient*innen-Interaktion nicht
von außen geregelt werden kann“ (Helsper, 2021, S.103). Im Kontext von Schu-
le wird die Logik der Struktur professionellen Handelns über die Beziehung zwi-
schen Lehrer*innen und Schüler*innen de niert, die durch ein Spannungsverhält-
nis zwischen Wissenden und Nichtwissenden bestimmt ist. Das „Arbeitsbündnis“
zwischen Lehrenden (Professionellen) und Lernenden (Klient*innen) wird von
der „Angewiesenheit auf Handlungsvollzug und der strukturellen Ungewissheit
der professionellen Praxis“ bestimmt (ebd.).
In unserem Verständnis des pädagogischen Ethos im Lehrer*innenhandeln erfolgt
wie im strukturtheoretischen Ansatz immer auch eine Re exion auf Kontexte und
Umstände pädagogischen Handelns (Moral, Gesellscha , Politik, Institution etc.).
Für die strukturelle Ungewissheit im pädagogischen Handeln und dessen Anfäl-
ligkeit für Verstrickungen und Ambivalenzen werden dort di erenzierte Formen
von Antinomien genannt (Helsper, 2021, 168 .). In unserer Arbeit mit dem pä-
dagogischen Ethos sind Lehrkrä e mit ähnlichen Entscheidungserfordernissen
konfrontiert, in deren Spannungsfeld wir von Ambiguität sprechen. Strukturtheo-
retische Ansätze fokussieren sehr stark auf institutionelle Strukturen und Gege-
benheiten wie Arbeitsbündnisse, weniger auf konkrete, leiblich fundierte Situatio-
nen der Praxis, wie sie für uns in der Entwicklung von pädagogischem Ethos im
Vordergrund stehen.
Neben den drei vorgestellten professionstheoretischen Ansätzen ließen sich noch wei-
tere Annäherungen bzw. Mischformen derselben erwähnen (siehe dazu etwa die ver-
gleichende Gegenüberstellung in Helsper, 2021, S.121 .), die sich auf ähnliche Begrif-
fe wie Antinomien, Widersprüchlichkeiten, Handlungsdilemmata und -ambivalenzen
beziehen (Helsper, 2004; Schlömerkemper, 2017). In der praktischen Anwendung des
oben beschriebenen Begri s des pädagogischen Ethos im Kontext der Lehrkrä ebil-
dung greifen wir auf ein Professionalisierungsmodell zurück, das übergeordnete Merk-
male (Domänen) für professionelles Handeln im Kontext von Schule und Unterricht
heraushebt (siehe 1.2.4). Dieser Ansatz scheint besonders geeignet, weil er ermöglicht,
die situative und leibliche Struktur des pädagogischen Ethos im Blick auf unterschied-
liche Domänen und deren Überschneidungen abzubilden. Ebenso bietet der Ansatz
einen Bezugspunkt zu pädagogischen Inhalten, Praktiken und professionsspezi schen
Gelungene professionelle Praxis 167
Ambiguitäten im Sinne ‚gelungener Praxis‘, die sich in unterschiedlichen Ausprägun-
gen auch als Bestimmungspunkte in anderen gängigen professionstheoretischen Ansät-
zen (Schratz & Schrittesser, 2012) nden. Damit können wir uns auf einen adaptiven
professionstheoretischen Ansatz beziehen, der jene übergeordneten Kompetenzberei-
che umfasst, die für die Lehrer*innenprofession als essenziell angesehen werden, und in
dem Struktur und Handlung im gegenseitigen Bezug stehen.
1.2.4 Der Domänenansatz von EPIK (Entwicklung von Professionalität im internationa-
len Kontext, Paseka, Schratz & Schrittesser, 2011) geht davon aus, dass sich pro-
fessionelles Handeln von Lehrkrä en im schulischen Geschehen in der Wechsel-
wirkung vielfältiger Facetten in den Entscheidungen in jeder Unterrichtsstunde, je
nach Klassenstufe, Unterrichtsfach und Schulform zeigt. Um kün ige Lehrkräf-
te auf diese nuancierten Erfordernisse im unterrichtlichen Handeln vorzubereiten,
wurden die erforderlichen Vollzüge im professionellen Handeln auf der Ebene
übergeordneter Querschnittthemen in der wissenscha lichen Debatte lokalisiert
und in Kompetenzfeldern – im EPIK-Ansatz „Domänen“ genannt – zusammenge-
fasst.
Die fünf Domänen Di erenzfähigkeit, Kooperation & Kollegialität, Re exion &
Diskursfähigkeit, Personal Mastery und Professionsbewusstsein stellen die Kern-
bereiche des Ansatzes dar, die im jeweiligen inhaltlichen Kontext (im EPIK-An-
satz „Sechste Disziplin“ genannt) ihre professionsspezi sche Einbettung nden.
Im jeweiligen Handlungskontext lässt sich nicht ein bestimmtes Ziel anstreben,
sondern Lehrer*innen sind immer Antwortende auf die sich in der Situation zei-
genden An- und Herausforderungen. „Erst im Handeln konstituiert sich, wel-
che Orientierungen jeweils relevant werden, welche Wege eingeschlagen und wel-
che Optionen wieder verworfen werden“ (ebd., S. 14). Im Domänenkonzept von
EPIK entfaltet sich der Sinnhorizont pädagogischen Handelns in der erwarteten
Antwort auf die situative Herausforderung im schulischen Geschehen. Dazu ist
das Vermögen von professionellen Pädagog*innen erforderlich, in der konkreten
Handlung im Handlungsvollzug re exiv zu (re-)agieren.
Aufgrund seiner Fokussierung auf Kernbereiche im professionellen Handeln und sei-
ner adaptiven Anwendungsmöglichkeit in vielfältigen Kontexten des Lehrberufs hat
sich das EPIK-Konzept für das Üben von pädagogischem Ethos im ELBE-Projekt als
geeignet erwiesen. Die domänenspezi schen Bestimmungspunkte von EPIK lassen
sich in ihren Positionierungen auf die Grundlegungen im ELBE-Projekt (1.1) bezie-
hen, denn die Anwendung der Domänen ist in ihrer Situiertheit immer erfahrungsbe-
zogen, d. h. Lehrende sind in ihrem Handeln Antwortende auf die Situation. Aufgrund
der Entscheidungso enheit und Nicht Determiniertheit ist der Anwendungsbezug im
EPIK-Modell zwar an Situationen gebunden, aber über die Pluralität von Deutungs-
möglichkeiten (z. B. in der Domäne Di erenzfähigkeit) in den situativen Bedingungen
zukun so en. Im Antwortgeschehen zwischen situativer Herausforderung und Rollen-
bewältigung zeigt sich die Domäne Personal Mastery als persönliche Könnerscha , die
als professionelle Haltung (Ethos) zwischen Re exion und Praxis changierend im Lau-
Severin Sales Rödel, Gabriele Schauer, Malte Brinkmann und Michael Schratz
168
fe des wiederholenden Handelns mehrmals ein- und ausgeübt wird. Dies führt im Lau-
fe des Lehrberufs zur Ausprägung eines Professionsbewusstseins. Die Auseinanderset-
zung mit der Kon iktha igkeit bzw. Ambiguität von pädagogischen Situationen erhält
über die Domäne Di erenzfähigkeit eine wichtige Professionalisierungsdimension im
Hinblick auf die „Veränderung eigener Deutungs-, Erklärungs- und Behandlungsmuster
von Di erenz“ (Arens & Mecheril, 2010, S.11).
Vor diesem Hintergrund lassen sich die EPIK-Domänen im professionellen Handeln
auf pädagogische Inhalte, Praktiken und professionsspezi sche Ambiguitäten im Sinne
‚gelungener Praxis‘ beziehen. Der von uns verwendete Ambiguitätsbegri wird hier in
heuristischem Sinn gefasst, der sich im Sinne einer Vieldeutig- und Vielseitigkeit kon-
kretisiert. Gemeint ist damit, dass im Prozess pädagogischer Handlungsvollzüge o mals
Entscheidungen getro en werden müssen, deren Folgen und Ausgang nicht zur Gän-
ze absehbar sind. Die pädagogische Praxis vollzieht sich damit immer unter den Be-
dingungen einer immanenten Unsicherheit. Diese Unsicherheit betri dann auch die
nachträgliche theoretische Rechtfertigung der Entscheidung. Die moralischen, juristi-
schen, philosophischen und religiösen Legitimationen sind nicht nur selbst immer stär-
ker in die Kritik geraten und daher in ihrer Pluralität relativ, sondern sie verlangen wie-
derum eine Entscheidung, nämlich die, welches Legitimationsmodell gewählt werden
soll. Diese begri iche Rahmung soll bei der Entwicklung von möglichen Lesarten der
spezi schen Unterrichtsbeispiele (siehe Kap. 4) die O enheit wahren und gleichzeitig
auf die spannungsreichen Interaktionsgeschehnisse des Lehrer*innenhandelns aufmerk-
sam machen.
2. Projekt ELBE: Die Entwicklung eines Manuals zum Einsatz in der
Lehrkräftebildung
Blickt man auf die im ersten Kapitel verhandelten Gedanken zum ema Ethos und
die unterschiedlichen Ansätze im Bereich der Professionalisierungstheorien zurück, so
wird deutlich, dass die beiden emenbereiche nicht ohne Weiteres zusammen nden.
Das Projekt „Ethos im Lehrberuf (ELBE) – Manual zur Einübung einer professionel-
len Haltung“ hat sich eben jenen komplexen Zusammenhang von grundlegenden Fra-
gen des pädagogischen Ethos und des Erwerbs bzw. der Einübung von Ethos im Sinne
einer Professionalisierung zur (Forschungs-)Aufgabe gemacht. Dabei stehen einerseits
theoretische Fragen im Mittelpunkt (Wie lässt sich Ethos genauer fassen? Wie ist es
übungstheoretisch im Kontext von Professionalisierungstheorien zu verorten?), ande-
rerseits werden auch praktische Fragen adressiert: Wie könnten Übungen des pädagogi-
schen Ethos als Professionalisierungsaufgabe in der Lehrkrä ebildung verortet werden?
Welche didaktisch-methodischen Anregungen können Dozierenden in der Lehrkräf-
tebildung an die Hand gegeben werden? Im Projekt „ELBE-Manual“ wird versucht,
Übungen des Ethos als Übungen in der moralischen Entscheidungsfähigkeit in der uni-
versitären Lehramtsausbildung einzuführen.
Zu diesem Zweck wurde im o.g. Projekt in einem transnationalen Forschungs-
team ein komplexer und praxisorientierter Begri des pädagogischen Ethos entwickelt
Gelungene professionelle Praxis 169
(Brinkmann & Rödel, 2021, siehe Kap. 1). Im Abgleich mit bestehenden Ethos- eo-
rien und in induktivem Rückgri auf Unterrichtsbeispiele wurde das Konzept des päd-
agogischen Ethos weiter verfeinert und professionalisierungstheoretisch anschlussfähig
gemacht (Brinkmann & Rödel, 2021). Im Sinne einer ‚theoretischen Empirie‘ (Kaltho ,
2008) konnten die im ersten Schritt theoretisch begründeten Annahmen so durch Ma-
terialanalysen irritiert und weiterentwickelt werden. Für den Praxiseinsatz wurde dar-
auf au auend ein Manual für Hochschulseminare im Bereich der Lehrkrä ebildung er-
arbeitet, das neben kurzen, einführenden Texten zu den emen pädagogisches Ethos,
EPIK-Domänen der Professionalisierung (siehe Abschnitt 1.2) und einer didaktischen
Handreichung auch 24 Beispiele aus der pädagogischen Praxis umfasst. Die Beispiele
entstammen den Praktikumsberichten Lehramtsstudierender der Universität Innsbruck
und sind somit Dokumente gelebter Erfahrung aus dem Unterrichtsalltag. Sie erzäh-
len von Schwierigkeiten, Uneindeutigkeiten und Herausforderungen, aber auch von Er-
folgserlebnissen und ‚fruchtbaren‘ Momenten. Im Sinne von Günther Bucks Beispiel-
theorie können die Beispiele durch ihren Erfahrungsbezug „in eine schon vertraute
Verstehenspraxis“ (Buck, 1981, S.205) versetzen und Studierenden ermöglichen, den
dokumentierten Erfahrungen „nachzuspüren“ (Schwarz & Schratz, 2012). Jedes Beispiel
birgt Ambiguitäten in den Deutungs- und Positionierungsmöglichkeiten und fordert
die Studierenden so zum Einnehmen einer Haltung zur im Beispiel geschilderten Situ-
ation und zur diskursiven Auseinandersetzung mit den Haltungen von Kommiliton*in-
nen heraus. Im eigens für das Projekt ELBE erarbeiteten hochschuldidaktischen Kon-
zept wird zum Einsatz der Beispiele in Seminaren ein Dreischritt vorgeschlagen (siehe
Kap. 4). Schließlich werden in der didaktischen Handreichung auch Re exionsangebo-
te in Bezug auf unterschiedliche Erfahrungsbereiche der eigenen Professionalität ange-
führt. Im Anschluss an allgemeine Re exionen zum Ethos kann so gefragt werden, was
moralische Entscheidungsfähigkeit im Sinne des professionellen Ethos in der jeweili-
gen EPIK-Domäne (Paseka, Schratz & Schrittesser, 2011) bedeuten kann. Damit wird
den Studierenden verdeutlicht, dass Lehrer*innenethos nicht etwas ist, das isoliert steht,
sondern eine je situativ entstehende Anforderung darstellt, die sich auf verschiedene
Domänen des pädagogischen Alltagsgeschä s bezieht. Insofern ähnelt der Ansatz Mo-
dellen, die versuchen, moralische Re exion nicht losgelöst von anderen Bereichen päd-
agogischen Handelns zu sehen, so z. B. der VaKE-Ansatz (vgl. Patry et al., 2013). Der in
ELBE verfolgte Ansatz unterscheidet sich jedoch insofern von VaKE, als dass im VaKE-
Modell ein – rein kognitiv konzipiertes – Erlernen von Diskursformen und eine damit
verbundene Hierarchisierung im Mittelpunkt stehen (Weinberger, 2021, S. 350), wäh-
rend bei ELBE von vornherein moralische Entscheidungsfragen im Vordergrund ste-
hen, die Lösung dieser aber noch nicht in Form bestimmter Diskurspraktiken vorgege-
ben ist.
In einer empirischen Phase wurde das ELBE-Manual in 15 Universitätsseminaren
an drei unterschiedlichen, transnationalen Standorten zur Gestaltung von Seminarsit-
zungen eingesetzt und die Erprobung durch eine Befragung der Dozierenden beglei-
tet. In einer Überarbeitungsphase wurden die Erfahrungen aus der Erprobung für die
Weiterentwicklung und ggf. die Ergänzung des Manuals fruchtbar gemacht und die Er-
gebnisse mit Expert*innen aus den Bereichen der Professionalisierungstheorie und der
Severin Sales Rödel, Gabriele Schauer, Malte Brinkmann und Michael Schratz
170
Ethos- eorie diskutiert. Das so evaluierte und optimierte Manual wird einer breiten
Ö entlichkeit an Universitäten, aber auch in anderen Phasen der Lehrkrä ebildung
kostenlos zugänglich gemacht.
Im Folgenden wird die übungstheoretische Grundlage des Projekts näher erläutert
und einerseits geklärt, wie Ethos als Gegenstand einer professionalisierenden Übung
gefasst werden kann, andererseits wird der oben erwähnte didaktische Dreischritt in
seiner Relevanz für die Übung einer professionellen Haltung genauer umrissen.
3. Übungen des Ethos
Der hier vertretene Zugang lautet thesenartig: Ethos zeigt sich als gelungene Praxis, in
der sich eine Person auf der Grundlage von Bewertungen und professionellen Erfah-
rungen positioniert bzw. Stellung bezieht und Verantwortung übernimmt. Ethos taucht
nur in der Praxis und in je spezi schen situativen, ganzheitlichen, impliziten Erfahrun-
gen auf.
Insofern wird deutlich: Es gibt keine allgemeinen Regeln, die in einem Ethos ange-
wendet werden können. Vielmehr ist es umgekehrt: In einer Unterrichtssituation wird
vor dem Hintergrund der Berufserfahrung ein Urteil gefällt, das sich spontan in einer
Stellungnahme und einer Verantwortungsübernahme ausdrückt. Darin manifestiert sich
ein professionelles Erfahrungskönnen, das in vielen Berufen die Grundlage der Profes-
sion bildet. Lehrer*innen verfügen, wie Ärzt*innen oder Jurist*innen, über ein domä-
nen- und berufsspezi sches Können. Sie können mehr, als es die auf ihr Handeln bezo-
genen eorien erklären können und sie wissen mehr, als sie zu sagen wissen (Neuweg,
2006). Zu einem erheblichen Teil basiert dieses Können auf implizitem Wissen (Pola-
nyi, 1985). Aufgrund ihrer Berufserfahrung können professionelle Praktiker*innen aus
der Fülle ihrer Beobachtungen etwas Gemeinsames und Praktikables herauslesen, also
ein Allgemeines bestimmen und es praktisch in Anschlag bringen (vgl. Gadamer, 1990,
S.356; Buck, 2019, S.34).
Das Ethos zeigt sich also nie abstrakt, sondern immer in einem moralischen Han-
deln, das o mals aus krisenha en oder durch Ambiguitäten gezeichneten Situationen
hervorgeht und eine Entscheidung verlangt. Im ethischen Handeln in einer gegenwär-
tigen Situation wird Verantwortung für diese Situation, für die Anwesenden, und – da
pädagogisches Handeln auch auf eine ungewisse Zukun bezogen ist – für die Zukun
der Schüler*innen und der Studierenden übernommen. Diese manifestiert sich in einer
praktisch-ethischen Stellungnahme. In dieser fallen Handeln und Überzeugung, Wissen
und Werten zusammen.
Lehrer*innen fällen in ihrem Handeln Entscheidungen. Diese Entscheidungsfähig-
keit ist die Voraussetzung jeder positionierenden Stellungnahme. Durch sie wird das
ethische Handeln als re exives Handeln (und nicht nur als spontanes oder willkürli-
ches Handeln) verständlich. Aristoteles bestimmt dies als Phronesis, eine verständige
Klugheit bzw. praktische Klugheit, die sich im Mit-anderen-zu-Rate-gehen, als Hin-
und-her-Überlegen und als gemeinscha liches, soziales und politisches Beraten (Fink,
1970) zeigt. Phronesis ist weder nur angeboren noch nur reines Wissen, sondern baut
Gelungene professionelle Praxis 171
auf Erfahrung und Handeln auf. Phronesis kann daher nicht im Sinne einer Instruk-
tion oder Information gelehrt werden, sie kann auch nicht praktiziert werden, nur weil
man es sich vornimmt. Vielmehr muss es wiederholend praktiziert und aus der Pra-
xis heraus durch Anleitung, Beispiel und Zeigen unterstützt werden, d. h. geübt wer-
den. Die Übungsforschung (vgl. Brinkmann, 2021) zeigt: Wissen, Motivation, Erkennt-
nis oder Kognition reichen nicht aus, um etwas zu können. Können entsteht aus der
Praxis in einem wiederholenden und anstrengenden Tun, d. h. im Üben. Geübt wer-
den Praxen, die man nicht mittelbar durch Willen und Entschluss ausführen kann. An-
lass und Prozess des Übens wird durch die Erfahrung bestimmt, dass man etwas nicht
kann. Nicht Können, Nicht Wissen, Fehler und Scheitern gehören elementar zur Erfah-
rung im Üben hinzu. Fertigkeiten und Fähigkeiten, d. h. praktisches Können wie Fahr-
radfahren, aber auch geistige Fähigkeiten wie Konzentration, Fehler- und Ambiguitäts-
toleranz, Urteilskra und Kritikfähigkeit sowie soziale und moralische Fähigkeiten wie
Empathie und Haltungen wie Gelassenheit werden v. a. durch Übung erworben. Üben
ist immer Einüben, Ausüben und Sich-üben zur gleichen Zeit. In dieser bildungstheo-
retischen Perspektive steht die Kultivierung der Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie der
Formierung der Übenden im Vordergrund (vgl. Brinkmann, 2021).
Wie aber könnten solche ‚Übungen des Ethos‘ aussehen? Im Projekt „Ethos im
Lehrberuf: Manual zur Übung einer professionellen Haltung (ELBE-Manual)“ wird ver-
sucht, Übungen des Ethos als Übungen in der moralischen Entscheidungsfähigkeit in
die universitäre Lehrkrä ebildung einzuführen. Wir gehen davon aus, dass Ethos im
o.g. Sinne als implizite und situationsgebundene professionelle und erfahrungsbezoge-
ne Handlung sich streng genommen nicht üben lässt, wohl aber die moralische Ent-
scheidungsfähigkeit, die sich in einem Ethos, das heißt in einer situativen Handlung
manifestiert. Die Studierenden sollen mit den Beispielen im Manual angeregt werden,
selbst Stellung zu beziehen und sich in der Positionierung und damit in der Ausübung
moralische Entscheidungsfähigkeit zu üben. Dabei geht es auch darum, sich von Vor-
meinungen und Vorurteilen zu distanzieren und sich Neues und Anderes an den do-
kumentierten Situationen in Bezug auf Ethos und moralische Entscheidungsfähigkeit
au allen zu lassen, etwas, das vor der Distanzierung nicht gesehen werden konnte, was
‚verstellt‘ war (vgl. Heidegger, 2006, S. 35f.). Mit der distanzierenden Bewegung wird
auch eine Ö nung für mögliche andere moralische Positionierungen und damit eine
Erfahrungserweiterung erreicht.
4. Didaktische Herangehensweise im ELBE-Manual
Wie bereits ausgeführt, ist die pädagogische Praxis von einer immanenten Unsicherheit
geprägt. Diese lässt sich, wie in Kapitel 1 angeführt, nicht au eben, aber der Umgang
damit lässt sich durch die Beschä igung mit derartigen Situationen üben. Hierfür wur-
de von einem transnationalen Forschungsteam ein Manual erstellt, um Entscheidungs-
fähigkeit und damit eine professionelle Entwicklung eines Lehrer*innenhabitus zu för-
dern. Dieses Manual beinhaltet unter anderem Praxissituationen, die von Studierenden
der Universität Innsbruck in Praktika erlebt und in Abschlussarbeiten verschri licht
Severin Sales Rödel, Gabriele Schauer, Malte Brinkmann und Michael Schratz
172
und re ektiert wurden. Diese Situationen wurden einer Prüfung der Passung der theo-
retischen Rahmung unseres Verständnisses von Ethos unterzogen und dahingehend
von einer Forscher*innengruppe ausgewählt. Des Weiteren wird in diesem Manual ein
didaktisches Vorgehen zur Förderung der Wahrnehmung von Perspektiven, Verantwor-
tungsübernahmen, Positionierungen und Entscheidungsfähigkeit als sichtbare Zeichen
von Ethos in Lehrveranstaltungen vorgeschlagen. Mit der oben dargestellten Einschrän-
kung, dass sich Ethos als Haltung selbst nicht üben lässt (siehe Kapitel 3), liegt der Fo-
kus in der didaktischen Auseinandersetzung somit auf moralischer Entscheidungsfähig-
keit bzw. Urteilsbildung. In einem relationalen Verhältnis zu einer Sache und sich selbst
(vgl. Brinkmann, 2012) sollen sich Studierende im Üben mit spannungsreichen bzw.
ambiguen Interaktionsgeschehnissen des Lehrer*innenhandelns auseinandersetzen.
Durch das wiederholte Üben wird eine Haltung ausgeprägt (Rödel, Schauer & Christof,
2021, S.16), indem sich Studierende ethisch und moralisch positionieren. Dabei ndet
eine re exive Auseinandersetzung mit den eigenen Haltungen und Wertvorstellungen
statt, die Übernahme von moralischer Verantwortung wird thematisiert und rückt in
den Vordergrund der Re exion des eigenen zukün igen Lehrer*innenhandelns.
In der Bearbeitung eines Beispiels aus dem schulischen Alltag, entnommen aus dem
Manual, sollen Studierende möglichst diverse Lesarten zu einem spezi schen Beispiel
entwickeln, sich dann zur eigenen Lesart positionieren und diese Positionierung vor
anderen vertreten, um dann im dritten Schritt durch gezielte Irritationen zu einer Dis-
tanzierung von und einer Relativierung der eigenen Position bewegt zu werden. Ver-
schiedene Lesarten werden durch Fragen wie „Wie stellt sich die Situation für mich
dar? Was zeigt sich für mich (in welcher Form)? Wie emp nde ich die Situation? Habe
ich Ähnliches selbst erlebt?“ initiiert. Durch eine Bearbeitung in Gruppen oder im Ple-
num wird eine Pluralisierung von Perspektiven ermöglicht, wodurch eine Distanzie-
rung auf die eigene Sichtweise zugelassen werden soll.
In der O enlegung der unterschiedlichen Zugänge und Perspektiven bedarf es in
einem zweiten Schritt einer Positionierung. Eigene Aussagen, Gedanken und Überle-
gungen gilt es zu begründen, um dem Kollektiv die eigene Sichtweise näher zu bringen
und gegen andere zu vertreten. Hierbei sind unterschiedliche Positionierungen und ein
diskursiver Widerstreit nicht nur möglich, sondern auch wünschenswert. Gleichzeitig
mit der eigenen Positionierung und Begründung bedeutet dies aber auch, dass sich Stu-
dierende mit ihren eigenen Sichtweisen re exiv auseinandersetzen und erkennen, wel-
che (pseudo-)wissenscha lichen bzw. subjektiven eorien (Meinungen) die eigene(n)
Lesart(en) und Sichtweise(n) beein ussen.
In einem dritten Schritt sollen diese Vormeinungen und die damit verbundenen ha-
bitualisierten Urteilsmuster durchbrochen werden, um neue Denkweisen zu ermögli-
chen. So gilt es, Irritationen zu erzeugen, um über die Bewertung eigener Positionie-
rungen und der Verantwortungsübernahme zu moralischer Entscheidungsfähigkeit zu
gelangen.
In der intensiven Auseinandersetzung mit Lesarten, Positionierungen und Irritationen
(Dreischritt) werden darüber hinaus Ambiguitäten unter (professions-)theoretischer
Bezugnahme aus den bearbeiteten Beispielen herausgebildet und diskutiert (siehe Ab-
bildung 1).
Gelungene professionelle Praxis 173
Abbildung 1: Ein praktischer Zugang zum Einüben der moralischen Entscheidungsfähigkeit bzw.
Urteilsbildung in der Lehrer*innenbildung
Dabei wird der Fokus auf verschiedene Spannungsfelder gelegt, die sich in den Bei-
spielen zeigen. Diese ethischen Ambiguitäten gilt es im Kontext „Ethos im Lehrberuf“
zu vertiefen. Dafür werden die im Beispiel thematisierten Entscheidungen von Leh-
rer*innen herauskristallisiert, die ethischen Positionierungen in diesen Entscheidun-
gen diskutiert und die Verantwortungsübernahmen der im Beispiel beteiligten Perso-
nen aufgezeigt. Zusätzlich werden diese unterschiedlichen Spannungsfelder mit Hilfe
von theoretischen Bezügen und Fachliteratur beleuchtet, welche Positionierungen be-
stärken, aber auch wieder Irritation hervorrufen können.
Diese lineare Herangehensweise ist als idealtypisch und für die analytische Darstel-
lung des Vorgehens zu sehen, aber die einzelnen Schritte sind hierbei durchaus inein-
ander verwoben und als heuristische Auseinandersetzung zu sehen (Rödel, Schauer &
Christof, 2021, S.16 .).
Zusammenfassend kann zum didaktischen Vorgehen festgehalten werden: Durch
die Diskussion und Re exion der Beispiele und das wiederholte, gemeinsame Beurtei-
len der dokumentierten Erfahrungen und Positionierungen werden Studierende übend
in eine Praxis versetzt. Dazu werden in der Arbeit an Beispielen (Buck, 2019) zuerst
Deutungen gesammelt, ohne diese schon einzuordnen oder vor dem Hintergrund all-
gemeiner Lehrmeinungen zu bewerten. Die Deutungen können dann variiert werden,
d. h. es kann mit unterschiedlichen subjektiven oder theoretischen ‚Brillen‘ auf das Bei-
spiel geschaut und die jeweiligen Konsequenzen können durchgespielt werden. Im drit-
ten Schritt werden die neu gewonnenen Hinsichten plausibilisiert und damit eine wei-
tere Distanzierung eingeleitet. Im vierten Schritt werden diese neuen Hinsichten noch
einmal intersubjektiv validiert, d. h. gemeinsam am Beispiel geprü .
In ersten Ergebnissen zur Implementierung des Manuals in der Lehramtsausbildung
zeigen sich positive Reaktionen von Dozierenden bei der Verwendung des Manuals
und der Bearbeitung von realen Situationen. Auch Dittrich und Schauer (2021) verwei-
Severin Sales Rödel, Gabriele Schauer, Malte Brinkmann und Michael Schratz
174
sen auf den positiven E ekt für den Zuwachs pädagogischen Wissens durch die Imple-
mentierung re exiver Anteile und realer Situationen aus dem schulischen Kontext in
der Ausbildung. Dieser Zuwachs zeigt sich hier vor allem im personenbezogenen Wis-
sen, welches die Wissenskategorien Bedeutung, Rolle und Funktion der Lehrer*innen
sowie das Re exionswissen beinhaltet. Auch das Wissen über die Notwendigkeit einer
moralischen Entscheidungsfähigkeit, Irritation sowie die Re exion der Lesarten (welche
als didaktischer Dreischritt in der Verwendung des Manuals gelten) lässt sich diesem
Wissen zuordnen, sodass diese Herangehensweise in Verbindung mit realen Situationen
als gewinnbringend wahrgenommen werden kann. Doch trotz der theoretisch begrün-
deten didaktischen Auseinandersetzung mit dem Dreischritt zeigen sich auch Grenzen
dieses Zugangs.
5. Abschließende Anmerkungen und Ausblick
In diesem Beitrag wurde das Ethos von Lehrer*innen in seiner Konzeptualisierung im
Projekt ELBE vorgestellt: Ethos in Schule und Unterricht zeigt sich als geglückter Mo-
ment und als gute, gelungene Praxis, in der sich eine Person auf der Grundlage von
ethischen Bewertungen und professionstheoretischen Erwägungen positioniert. Die-
se Bewertungen und Erwägungen sind in beru icher Erfahrung begründet und zeigen
sich nicht sprachlich und retrospektiv, sondern im Handeln selbst und sind somit situa-
tiv und leiblich eingebunden. Die Situationen, in denen sich Ethos zeigt, sind meist mit
Ambiguitäten durchzogen, auf die Praktiker*innen im Modus moralischer Entschei-
dungsfähigkeit antworten. Als Professionalisierungsaufgabe zeigt sich Ethos dann als
Einübung in diese moralische Entscheidungsfähigkeit und als Sensibilisierung für Si-
tuationen, die im Sinne eines Erfahrungslernens immer wieder neue Entscheidungen
herausfordern und so sukzessive ein zum Au au eines erfahrungsbasierten Ethos bei-
tragen. Durch die Einbettung in das EPIK-Modell der Professionalisierung (Kap. 1.2.4)
wird angehenden Lehrer*innen zudem ein mehrperspektivisches Re exionsangebot an
die Hand gegeben, mit dem das eigene Handeln in verschiedenen Bereichen des päda-
gogischen Aufgabenspektrums verortet werden kann.
Das Manual, das zur Ausbildung eines Ethos erarbeitet wurde, zielt zuerst auf die
Sensibilisierung für das ema Ethos und, unter Professionalisierungsgesichtspunkten,
auf die Erkenntnis bei Studierenden, dass das eigene Ethos eine professionelle Entwick-
lungsaufgabe darstellt, ab. Dabei muss noch einmal einschränkend gesagt sein, dass
mit dem Manual selbst nicht ein Ethos geübt wird, sondern die moralische Entschei-
dungsfähigkeit in durch Ambiguitäten gekennzeichneten Situationen. Das Manual n-
det damit in den unterschiedlichen Ausbildungsphasen seinen Platz. Aus der Perspek-
tive eines Erfahrungslernens können sich so im Umgang mit diesen Situationen und
Erfahrungen Formen einer praktischen Klugheit und nicht sprachlichen Re exivität he-
rausbilden,5 die sich zu einem Ethos verdichten.
In der bisherigen Evaluation des Manuals wurde die Perspektive der Hochschuldo-
zierenden in den Blick genommen, die mit dem Manual in ihren Seminaren arbeiten.
5 Siehe dazu das Konzept der Phronesis, Kap. 3.
Gelungene professionelle Praxis 175
Die Wirkung der Arbeit an Beispielen auf Studierendenseite wurde nur indirekt ermit-
telt, indem die Dozierenden nach einer Einschätzung in Bezug auf das Erreichen von
Lernzielen und die allgemeine didaktische E ektivität des Manuals hin befragt wurden.
In weiteren empirischen Untersuchungen wäre nun z. B. noch zu prüfen, wie Studieren-
de die Arbeit mit dem Manual erfahren und ob sich ein Zugewinn an Sensibilität für
das ema Ethos einstellt und Studierende durch die Arbeit mit dem Manual das Leh-
rer*innenethos als komplexe Entwicklungsaufgabe erkennen lernen. In einer zusätzli-
chen empirischen Validierung des zu Grunde gelegten Ethos-Konzeptes auf Ebene der
pädagogischen Praxis (d. h. im Forschungsfeld Schule) könnten darüber hinaus Prakti-
ker*innen auf eine Passung des hier verwendeten Ethos-Konzeptes mit von ihnen selbst
als Ethos relevanten Situationen befragt werden. In diesem Kontext könnte auch die
insgesamt in der Ethos-Forschung o ene Frage adressiert werden, wie sich der bislang
theoretisch gerahmte Zusammenhang zwischen (Berufs-)Ethos und professionellem be-
ru ichen Handeln auf Ebene der Praxis und aus Sicht von Praktiker*innen darstellt
(Drahmann & Cramer, 2019, S.30)6. Mit dem vorliegenden Beitrag haben wir versucht,
einen ersten Impuls zur wissenscha lichen und v. a. praxisorientierten Diskussion die-
ser für den Lehrberuf so relevanten emen zu setzen.
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Manuela Gamsjäger, Michael Himmelsbach und Sonja Lenz
Lerngelegenheiten in der Schulpraxis
Evaluation der Pädagogisch Praktischen Studien
am Standort Linz, Cluster Mitte
Zusammenfassung
Pädagogisch Praktische Studien nehmen seit der Umgestaltung der Lehrer*innenbildung in
Österreich eine Schlüsselrolle für die Professionalisierung angehender Lehrpersonen ein. Sie
sollen als Bindeglied zwischen dem an der Hochschule und in den Schulen vermitteltem
Wissen fungieren und so genuin eigene Beiträge zur Professionalisierung etablieren. Den-
noch ist am Standort Linz, Cluster Mitte, wenig bekannt, welche Lerngelegenheiten Studie-
rende in der Praxis erleben und inwieweit die Verknüpfung von an der Hochschule vermit-
telten Inhalten mit der Praxis gelingt und wodurch diese Nutzung von Lerngelegenheiten
beein usst wird. Dieses Desiderat aufgreifend zeigt der Beitrag anhand von in mehreren Er-
hebungswellen gewonnen quantitativen Daten, welche intendierten und nicht intendierten
Lerngelegenheiten von Studierenden wahrgenommen werden und inwieweit es zu einer Ko-
härenz zwischen hochschulischen und schulischen Inhalten kommt. Ausgehend von einem
angepassten Angebots- und Nutzungsmodell wird ein Rahmen für die Analyse der pädago-
gischen Felderfahrungen vorgestellt und Faktoren identi ziert, welche die subjektiv wahrge-
nommenen Lerngelegenheiten beein ussen.
Schlüsselwörter: Pädagogisch Praktische Studien, Lerngelegenheiten, Lehramt Sekundarstufe,
Professionalisierungsprozess, Kohärenz, eorie-Praxis-Transfer
Learning opportunities in pedagogical field experiences
Evaluation of the Pedagogical Practical Studies at the
Linz location, Cluster Mitte
Abstract
Since the reorganization of teacher education in Austria, pedagogical eld experiences have
played a key role in the professionalization of prospective teachers. ey are supposed to act
as a link between the knowledge imparted at the university and the knowledge imparted in
the schools and thus establish their own genuine contributions to professionalization. Never-
theless, little is known at the Linz location, Cluster Mitte, about which learning opportunities
students experience in practice and to what extent the linking of content taught at the uni-
versity with practice is successful and how this use of learning opportunities is in uenced.
Taking up this desideratum, the present article shows, on the basis of quantitative data ob-
tained in several survey waves, which intended and non-intended learning opportunities are
perceived by students and to what extent there is a t between university and school con-
tents. Based on an adapted supply and use model, a framework for the analysis of pedagog-
ical eld experiences is presented and factors that in uence subjectively perceived learning
opportunities are identi ed.
Keywords: Pedagogical eld experiences, learning opportunities, secondary school teacher
education, professionalization process, coherence, theory-practice-transfer
Manuela Gamsjäger, Michael Himmelsbach und Sonja Lenz
180
1. Einleitung
Professionelle Handlungskompetenz von Lehrenden bildet sich nach Baumert und
Kunter (2006) aus Überzeugungen bzw. Werthaltungen, motivationalen Orientierungen
wie z. B. Selbstwirksamkeitserwartung, selbstregulativen Fähigkeiten und Professions-
wissen. Letzteres wird wiederum in (allgemeines) pädagogisches Wissen, Fachwissen
und fachdidaktisches Wissen unterteilt. Zur Vermittlung von Professionswissen wur-
den im Zuge der Umgestaltung der Lehrer*innenbildung in Österreich (2013, BGBl. I
Nr. 211/2013, ausgegeben am 27. Dezember 2013. NR: GP XXV 1 AB 6 S.7) die Päda-
gogisch Praktischen Studien (PPS) als Bindeglied zwischen den Lehrveranstaltungen an
der Hochschule und dem praktischen Handlungsfeld Schule etabliert. Die PPS verbin-
den fachdidaktische, bildungswissenscha liche und schulpraktische Inhalte. Die Lern-
gelegenheiten in den PPS streben damit eine Vermittlung deklarativer und prozedura-
ler, also praxisorientierter, Wissensinhalte an (König & Seifert, 2012) und kommen der
Forderung nach einer stärkeren Verbindung von theoretischem Wissen mit praktischen
Handlungsfeldern als wichtige Lerngelegenheit für die Kompetenzentwicklung der Stu-
dierenden nach (Hedtke, 2007; Rheinländer & Scholl, 2020).
Über die Umsetzung der zentralen Idee der PPS, Studierende setzen sich in den
Schulpraktika sowie den bildungswissenscha lichen und fachdidaktischen Lehrveran-
staltungen mit den Herausforderungen des Lehrberufs auseinander und beziehen theo-
retische und schulpraktische Inhalte aufeinander, liegen für Österreich bislang kaum
Erkenntnisse vor. Dieses Desiderat aufgreifend wurde beginnend mit dem Winterse-
mester 2019/20 am Standort Linz, Cluster Mitte, evaluiert, welche Lerngelegenheiten
Studierende in den Praktika erleben, inwieweit die Verknüpfung von eorie und Pra-
xis gelingt und von welchen Ein ussgrößen diese Nutzung abhängt. Der vorliegen-
de Beitrag stellt dazu ein adaptiertes Angebot-Nutzungs-Modell zur Beschreibung des
Kompetenzerwerbs für die PPS vor und beschreibt erste Ergebnisse dieser Evaluierung.
Abschließend werden methodische Herausforderungen für die Evaluierung der PPS
diskutiert.
2. Pädagogisch Praktische Studien als Beitrag zur Professionalisierung
von Lehramtsstudierenden
Für die Beschreibung des Zusammenhangs von eorie und Praxis liegen verschie-
dene Modellvorstellungen und Ansätze (z. B. Fend, 2002; Helmke, 2012) vor, denen
unterschiedliche Professionstheorien zugrunde liegen (Broekkamp & van Hout-Wol-
ters, 2007; Schneider & Cramer, 2020). Um den Beitrag der PPS zur Professionalisie-
rung von Lehramtsstudierenden zu untersuchen, wurden Rahmenmodelle wie z. B. von
König und Rothland (2018) vorgeschlagen, die auf diesen allgemeinen Angebot-Nut-
zungs-Modellen (Fend, 2002; Helmke, 2012) basieren. Sie formulieren in ihrem Wir-
kungsmodell die Annahme, dass Studierende die im Curriculum festgehaltenen Kom-
petenzen durch das Nutzen von Angeboten an Hochschule und in der Schule erreichen.
Ähnlich aufgebaut ist das Modell von Hascher und Kittinger (2014), welches deutli-
Lerngelegenheiten in der Schulpraxis 181
cher die Qualität der Lehrer*innenbildung, insbesondere die Qualität und Quantität
der angebotenen Lerngelegenheiten durch Mentor*innen, unterstreicht. Zusammen-
gefasst enthalten diese theoretischen Beschreibungen ein auf einem Curriculum basie-
rendes Angebot (Lehrveranstaltungen an Hochschulen, Situationen in der Schulpraxis),
welches auf die Nutzung dieser Lerngelegenheiten durch Lernende (Lehramtsstudie-
rende bei allen Lerngelegenheiten) wirkt. Die Nutzung der PPS ist wiederum erforder-
lich, um die erwartete Kompetenzentwicklung von Lehramtsstudierenden zu fördern
(z. B. Blömeke, 2013). Individuelle Voraussetzungen der Lernenden (kognitive Fähigkei-
ten, soziales Umfeld, investierte Zeit in Lerngelegenheiten …) beein ussen diese Nut-
zung und wirken damit auf den individuellen Kompetenzerwerb (König & Rothland,
2018). Neben der individuellen Nutzung braucht es zudem eine gelingende Kohärenz
zwischen hochschulischen und schulischen Lerngelegenheiten und eine Kontextuali-
sierung der gemachten Erfahrungen. In dieser Perspektive fungieren die schulprakti-
schen Phasen als Lerngelegenheit im Rahmen der universitären Lehrer*innenbildung
bzw. als „dritter Raum“ (Leonhard et al., 2016, S.81), in welchem durch die Herstellung
von Kohärenz zwischen eorie und Praxis (Cramer, 2020; Lohse-Bossenz, Seidenfuß,
Dör er, Vogel & Rehm, 2020) „genuin eigene Beiträge zur Professionalisierung“ (Leon-
hard et al. 2016, S.81) entstehen. Zentral für die im Modell angenommene Wirkung
und Herstellung der Kohärenz ist eine, über die curriculare Verankerung hinausgehen-
de, sinnvolle Verschränkung der Aufgaben in den Praktika mit den begleitenden Lehr-
veranstaltungen (König, 2012). Solche Aufgaben können beispielsweise gemeinsame
Arbeitsau räge von Lehrenden an den Hochschulen und Praxispädagog*innen (PP)1
sein. Diese verbinden sich in der Praxis als „Erfahrung im Tun“ (Leonhard et al., 2016,
S.91) mit Inhalten der Lehrveranstaltungen an den Hochschulen.
Um das Angebot-Nutzungs-Modell zur Beschreibung des Kompetenzerwerbs für
die Evaluation der PPS am Standort Linz, Cluster Mitte, zugänglich zu machen, wurden
bestehende Modelle erweitert, um die Struktur von Praktika und zugehörigen universi-
tären Begleitlehrveranstaltungen abzubilden, aber auch um die Beziehung zwischen den
Akteur*innen zu berücksichtigen (Abbildung 1).
Analog zu bestehenden Modellen beein usst auch in diesem der curriculare Rah-
men und die Studienorganisation (Organisation von Hochschullehre und Praktika, zeit-
licher Umfang und Rahmenbedingungen, Studienbedingungen an den Hochschulen
und Schulen) das Angebot, die Nutzung und die Wirkung der PPS. Die Angebotssei-
te di erenziert zwischen den Begleitlehrveranstaltungen und der Schulpraxis. Kohärenz
zwischen theoretischen (an der Hochschule vermittelten) und schulpraktischen (in der
Schule vermittelten) Inhalten kann durch entsprechende Vor- und Nachbereitungen an
der Hochschule und an der Schule gelingen. Hier kann geplantes Handeln re ektiert,
gegebenenfalls adaptiert (Futter, 2017) und erworbenes Wissen expliziert und disku-
tiert werden (Staub, Waldis, Futter & Schatzmann, 2014), womit den Lehrenden an den
Hochschulen und den PP eine Schlüsselrolle zukommt (Caruso & Goller, 2021; Führer
& Cramer, 2021; Hedtke, 2007). Im Gegensatz zum Modell von König und Rothland
(2018) wird im Angebot nicht zwischen intendiertem, implementiertem und erreich-
1 Am Standort Linz, Cluster Mitte, werden Lehrkrä e, welche Studierende in den Praxisphasen
begleiten, als Praxispädagog*innen bezeichnet.
Manuela Gamsjäger, Michael Himmelsbach und Sonja Lenz
182
tem Curriculum unterschieden, sondern zwischen intendierten, nicht intendierten aber
erwünschten und unerwünschten Lerngelegenheiten (Hascher, 2012). Das Curriculum
gibt intendierte Lerngelegenheiten vor, aber auch nicht intendierte (aber erwünsch-
te) Lerngelegenheiten wirken auf die Professionalisierung. Die Nutzung der Seminar-
inhalte und der intendierten bzw. nicht intendierten Lerngelegenheiten im Praktikum
sind wiederum für die professionelle Entwicklung von angehenden Lehrkrä en (also
die Wirkung) bedeutsam (Blömeke, 2013). Die Nutzung dieser Lerngelegenheiten wird
in Lernprodukten wie Arbeitsberichten, Portfolioarbeit, Re exionsgesprächen sichtbar
und wirkt somit auf die professionelle Entwicklung, kann aber auch direkt, ohne die
Verarbeitung in Lernprodukten, in diese Entwicklung eingehen. Die individuellen Lern-
voraussetzungen, wie beispielsweise die kognitiven und a ektiv-motivationalen Größen,
Persönlichkeitsmerkmale und die individuelle Sozialisation der Studierenden, beein-
ussen dabei die Nutzung, die Lernprodukte und die Wirkung. Aber auch individuelle
Merkmale von Lehrenden und PP bestimmen die Qualität des Angebots. Als Beispiele
dienen die Gesprächsführung in Unterrichtsnachbesprechungen (Beckmann & Ehmke,
2020) und die Beziehung zu den Studierenden. Wenz und Cramer (2019, S. 28) se-
hen die „Mentor-Mentee Beziehung als zentralen Faktor der Professionalisierung Lehr-
amtsstudierender an“ und Futter (2017) weist auf die Bedeutung von Unterrichtsbespre-
chungen und Unterstützungsverhalten in Bezug auf Lernwirksamkeit hin. Obwohl auch
König und Rothland (2018) darauf hinweisen, dass die Qualität der Betreuung von den
betreuenden Personen abhängt, wird in den bisherigen Angebot-Nutzungs-Modellen
die Beziehung zwischen Mentor*innen bzw. Lehrveranstaltungsleiter*innen und Stu-
A bbildung 1: Angebot-Nutzungs-Modell für die PPS
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Lerngelegenheiten in der Schulpraxis 183
dierenden wenig beachtet (Wenz & Cramer, 2019). Positive zwischenmenschliche Be-
ziehung (Baumeister & Leary, 1995) bzw. die soziale Eingebundenheit (Deci & Ryan,
1993) beein ussen die Motivation und damit verbundene Handlungen. Besa und Büd-
cher (2014) zeigen, dass die Beziehung zwischen PP und Studierenden der stärkste Prä-
diktor für die Professionalisierung der Studierenden ist. Somit wird das Modell um die
Beziehung zwischen den Akteur*innen als au lärende Größe in das Modell aufgenom-
men.
3. Evaluierung der PPS am Standort Linz, Cluster Mitte
Die formative Evaluierung der PPS im Studium Sekundarstufe Allgemeinbildung am
Standort Linz, Cluster Mitte, untersucht seit dem Wintersemester 2019/20 durch eine
regelmäßige Befragung der Studierenden die Nutzung von Lerngelegenheiten in den
Praktika. In diesem Beitrag werden auf Basis des formulierten Modells folgende Fra-
gen untersucht:
1. Inwieweit erleben Studierende am Standort Linz intendierte und nicht in-
tendierte Lerngelegenheiten im Rahmen ihrer schulpraktischen Phasen?
Am Standort Linz, Cluster Mitte, wurden im Bachelorstudium Sekundarstufe Allge-
meinbildung in Form der Parallelisierung bzw. doppelten Professionalisierung (Neu-
weg, 2014) sechs Praktika im Umfang von 10 ECTS-Punkten sowie begleitend zu bele-
gende fachdidaktische und bildungswissenscha liche Lehrveranstaltungen im Umfang
von 27 ECTS-Punkten in drei Module eingegliedert. Zur Sicherstellung von Mindest-
anforderungen sowie zur Stärkung der Kohärenz zwischen den Inhalten der Lehrveran-
staltungen und den Lerngelegenheiten im Praktikum wurden für alle schulpraktischen
und bildungswissenscha lichen Begleitlehrveranstaltungen Rahmenkonzepte konzi-
piert (Zentrum für Pädagogisch Praktische Studien Linz, 2021). Deren Umsetzung ist
für alle Beteiligten verbindlich und sie werden den Studierenden, Lehrenden der Be-
gleitlehrveranstaltungen und PP vor Beginn des Semesters mit dem Ziel übermittelt,
für die unterschiedlichen Rollen und Institutionen, die in den PPS aufeinandertre en,
gemeinsame Aufgaben und Inhalte zu formulieren. Während in jedem Praktikum an-
dere inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden, ist allen praktischen Phasen gemeinsam,
dass sie Lerngelegenheiten in Form von (1) Hospitationen, (2) Unterrichtsplanung und
-durchführung (mit Ausnahme des Einführungspraktikums A) sowie (3) Unterrichts-
re exion umfassen. Diese intendierten Lerngelegenheiten werden in den bildungswis-
senscha lichen Rahmenkonzepten ausdi erenziert und sollten von den PP zur Nut-
zung angeboten werden. Zum Zeitpunkt der Einführung des neuen Curriculums wurde
in den Praktika aufgrund unterschiedlicher Traditionen und Quali kationen von PP
kein einheitliches Angebot umgesetzt und teilweise wurden PP ohne Vorquali kation
(z. B. aufgrund einer Weisung der Schulleitung) herangezogen (Himmelsbach, Gams-
jäger, Lenz & Wimmer, 2020). Da die Nutzung vom Angebot abhängt, ist anzunehmen,
dass die Lerngelegenheiten in den Schulpraktika unterschiedlich häu g wahrgenom-
men werden können (H1). Aufgrund einer zunehmenden Verbreitung und Akzeptanz
Manuela Gamsjäger, Michael Himmelsbach und Sonja Lenz
184
der verbindlichen Rahmenkonzepte sollten die intendierten Lerngelegenheiten aber im
Zeitverlauf zunehmen (H2). Dennoch ist anzunehmen, dass aufgrund der unterschied-
lichen Ausgestaltung von Praxisplätzen durch PP (z. B. Motivation der PP, Quali kation
der PP, Möglichkeiten am Schulstandort, zeitliche Ressourcen) Studierende, die häu -
ger von intendierten Lerngelegenheiten berichten, auch häu ger nicht intendierte Lern-
gelegenheiten nutzen (H3).
2. Inwieweit nehmen Studierende am Standort Linz eine Kohärenz zwischen
Praktikumserfahrungen und den Inhalten der universitären Begleitlehrver-
anstaltungen wahr?
Ziel der PPS ist die Verknüpfung von ‚ eorie‘ und ‚Praxis‘, die wechselseitig re ektiert
und als Lernerfahrung für Studierende die notwendige Kohärenz zwischen hochschuli-
schen und schulischen Phasen herstellt (Grassmé, Biermann & Gläser-Zikuda, 2018;
Leonhard et al., 2016; Leonhard, Herzmann & Košinár, 2021). Nicht nur, aber vor allem
für Österreichs Ausgestaltung der PPS ist bislang unbeantwortet, inwieweit die zur Be-
wältigung der Komplexität der PPS notwendige Verschränkung der verschiedenen „Ele-
mente“ gelingt. Unsere Annahme ist, dass aufgrund des curricularen Konstruktes PPS
und der verbindlichen Rahmenkonzepte die Kohärenz zwischen bildungswissenscha li-
chen bzw. fachdidaktischen Lehrveranstaltungen und der Praxis von den Studierenden
deutlich wahrgenommen wird (H4).
3. Welche Faktoren beein ussen die Wahrnehmung der Lerngelegenheiten in
den Praktika?
Wichtige Faktoren im Professionalisierungsprozess sind nicht nur die Nutzung des
Angebots und die Kohärenz zwischen eorie und Praxis, sondern auch eine positi-
ve Gestaltung der Betreuungssituation während der schulpraktischen Phasen und die
Beziehung zwischen Studierenden und PP (Gröschner, Schmitt & Seidel, 2013; Wenz
& Cramer, 2019; Bach, Besa & Arnold, 2014). Dabei erweist es sich als günstig, wenn
PP gemeinsam mit den Studierenden planen und unterrichten (Schwille, 2008). Aller-
dings können Lernsettings problematisch werden, wenn Studierende die Beobachtung
des Unterrichtshandelns der betreuenden PP oder rezeptförmige Handlungsanweisun-
gen über ihr eigenes Unterrichtshandeln, die auf subjektiven eorien der PP beru-
hen, unre ektiert übernehmen (Hascher, 2012). Otto (2014) verweist daher auch auf
die Bedeutung des Erstgesprächs. Aber auch Vor- und Nachbesprechungen können un-
erwünschte Lerngelegenheiten bieten, wenn Handlungsanweisungen rezeptartig gege-
ben werden und nur eine direktive Gesprächsführung von Seiten der PP vorherrscht,
ohne dass Studierende ihre eigenen Erfahrungen und Ideen einbringen können (Wenz
& Cramer, 2019; Futter, 2017; Staub et al., 2014). Daher kann es in den Praktika auch
zu nicht intendierten und unerwünschten Lerngelegenheiten kommen (Hascher, 2012).
Es wird daher angenommen, dass neben dem qualitativen Merkmal des Angebots (Ko-
härenz zwischen Praktikum und hochschulischer Begleitung) und dem individuellen
Merkmal Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) die Beziehung zwischen Studierenden
und PP die Nutzung der Lerngelegenheiten (auf den Ebenen: Unterricht beobachten,
Unterricht planen und halten, Unterricht re ektieren) positiv beein usst (H5).
Lerngelegenheiten in der Schulpraxis 185
3.1 Erhebungszeitpunkte und Stichprobe
Die Studierenden wurden zu vier verschiedenen Messzeitpunkten befragt (Abbildung
2). Das Instrument wurde per E-Mail an alle Studierenden versandt, die im entspre-
chenden Semester ein Praktikum besuchten (N=507–804). Zudem wurde der Link auch
durch die Lehrenden der bildungswissenscha lichen Begleitlehrveranstaltungen ver-
schickt, um die Studierenden an die Befragung zu erinnern.
1 Die höhere Rücklaufquote in Welle 2 erklärt sich mit dem Beginn der COVID-19 Pandemie. In diesem Se-
mester wurden auf Grund der damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen weniger Praktika absolviert.
Abbildung 2: Überblick über die Erhebungswellen 1 bis 4.
In Welle 1 wurden nur Studierende in Fach- und Vertiefungspraktika befragt, in Wel-
le 2, 3 und 4 auch Studierende der Einführungspraktika mit eigenen, in diesem Bei-
trag nicht berücksichtigten, Fragen. Da die Rahmenbedingungen sich durch die Coro-
napandemie veränderten, wurde das quantitative Instrument insbesondere in Welle 2
(Sommersemester 2020) angepasst (Kammerer, Eder, Gamsjager, Himmelsbach & Lenz,
2022). Dadurch ist Welle 2 aber nicht mit den anderen drei Wellen vergleichbar und
kann in diesem Beitrag nicht berücksichtig werden.
Die Stichproben von Welle 1 bis 4 sind sehr ähnlich und werden an dieser Stelle
für Welle 1 näher erläutert. 70 % (n=182) der 260 Studierenden sind weiblich und 30 %
(n=78) männlich, die Altersspanne beträgt 20 bis 53 Jahre (Mittelwert 24,4 Jahre). Da
sich die Befragung an Studierende im Praktikum A/B bzw. Vertiefungspraktikum A/B
richtete, befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung 121 Studierende im 5. Semester
und 102 Studierende im 7. Semester. Die Verteilung der studierten Fächer der an der
Befragung teilnehmenden Studierenden ist ähnlich zur Grundgesamtheit. U. a. studier-
ten 15 % der teilnehmenden Studierenden Englisch, 13 % Mathematik, 13 % Geschichte/
Sozialkunde/PB, 12 % Deutsch, 10 % Geographie und Wirtscha skunde, 10 % Psycho-
logie und Philosophie. Die Stichproben erweisen sich nach Geschlecht, Alter und Fä-
chern ähnlich zur Grundgesamtheit der Studierenden am Standort Linz, Cluster Mitte.
Manuela Gamsjäger, Michael Himmelsbach und Sonja Lenz
186
51 % der Studierenden absolvierten ihr Praktikum in einer Mittelschule, 2 % an
einer Polytechnischen Schule, 3 % an einer allgemeinen Sonderschule, 33 % an einer
AHS und 11 % an einer BMHS. Von den 290 befragten Studierenden beendeten 22,7 %
das Praktikum im November 2019, 53,1 % im Dezember 2019 und 24,13 % beende-
ten ihr Praktikum im Jänner 2019. 175 Studierende gaben an, dass ihr*e PP insgesamt
zwei Studierende betreute, vier Studierende waren bei PP, die sechs Studierende be-
treuten und 35 Studierende gaben an, dass keine weiteren Studierenden betreut wur-
den. Da nicht erhoben werden konnte, ob Studierende des gleichen Praxisplatzes an
der Erhebung teilgenommen haben, ist zu vermuten, dass die gleiche Praktikumssitua-
tion doppelt beschrieben wurde. Wenngleich die subjektive Wahrnehmung der Lernge-
legenheiten von individuellen Voraussetzungen (z. B. der SWE) beein usst wird, muss
angenommen werden, dass es dadurch in abgeschwächter Form zu einer Über- bzw.
Unterschätzung von E ekten kommen kann. Auch die Formulierung des Itemstamms
(„Wie o haben Sie im Praktikum folgende Erfahrung gemacht?“) limitiert die Interpre-
tierbarkeit, da die Fragestellung nicht eindeutig in Richtung Nutzung formuliert wur-
de. Die Frage nach der Häu gkeit vernachlässigt zudem die Qualität der gemachten
Lernerfahrungen. Im Beitrag können somit nur bedingt kausalanalytischen Schlussfol-
gerungen gezogen werden. Dennoch bieten die Ergebnisse wichtige Hinweise für eine
explorative Analyse der PPS am Standort Linz, Cluster Mitte, und notwendige Weiter-
entwicklungen.
3.2 Erhebungsinstrument
Für die Analyse der Forschungsfragen werden aus der Evaluierung der PPS am Stand-
ort Linz, Cluster Mitte, folgende Skalen (jeweils 6-stu g, 1=nie bis 6=sehr häu g) ein-
gesetzt (siehe Skalenhandbuch von Kammerer et al., 2022):
–Lerngelegenheiten: Auf Basis von quantitativen Erhebungen (u. a. Gröschner, 2004;
Rühl, Förster, Strauß, Kaspar & König, 2016) wurden Lerngelegenheiten in Anleh-
nung an Hascher (2012) unterschieden in intendierte und nicht intendierte, aber
erwünschte Lerngelegenheiten (Tabelle 1). Intendierte Lerngelegenheiten sind Be-
standteil der bildungswissenscha lichen Rahmenkonzepte (Praktika/Begleitlehrver-
anstaltung). Konnten Inhalte der Rahmenkonzepte nicht durch bestehende Items
abgefragt werden, wurden die Items selbst konstruiert. Die Lerngelegenheiten wur-
den zur Unterrichtsbeobachtung, zur Unterrichtsplanung/-durchführung sowie zur
Unterrichtsre exion in jeweils intendiert und nicht intendiert unterteilt.
Lerngelegenheiten in der Schulpraxis 187
Tabelle 1: Beispielitems für intendierte und nicht intendierte Lerngelegenheiten
α 1 Intendiert (in Rahmen-
konzepten festgehalten)
Ich habe …
αNicht intendiert aber
erwünscht
Ich habe…
α
Gesamt
Unterricht
beobachten .652… ein Beobachtungsprotokoll
erstellt. (6)3.48 … SuS-Meldungen
protokolliert. (3) .75
Unterricht planen
und halten .91
… Lernziele in Anlehnung an
das Curriculum/ den Lehrplan
formuliert. (11)
.90
… SuS gezeigt, wie sie
ihren Lernweg selbst kont-
rollieren können. (13)
.90
Unterricht
refl ektieren .71
… anhand von eigenen Hos-
pitationsprotokollen Unterricht
kriteriengeleitet refl ektiert. (4)
.70
… meinen Unterricht an-
hand didaktischer Theo-
rien allein analysiert. (2)
.80
1 Reliabilität: Cronbachs Alpha
2 Die Reliabilität wird jeweils für die erste Befragungswelle angeführt. Für alle weiteren Wellen siehe Kammerer et al.
(2022).
3 Anzahl der Items in Klammer; für die Analysen in diesem Beitrag wurden Lerngelegenheiten ausgewählt, die sowohl
für das Fach- als auch das Vertiefungspraktikum als intendiert in den Rahmenkonzepten vorkommen. Die Anzahl der
verwendeten Items für die Analysen kann daher von der tatsächlichen Anzahl der Items im Fragebogen abweichen
(Kammerer et al., 2022).
–Selbstwirksamkeitserwartungsskala (α=.69): Als individuelles Merkmal wird die
Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) erhoben (5 Items nach Rühl et al., 2016).
–Beziehung (α=.89): In Anlehnung an Wenz und Cramer (2019) wird für die Analy-
se der Beziehung die Skalen Unterstützung (α=.85) und Besprechungsqualität (chal-
lenges) (α=.86) herangezogen. Dabei wird dieses Konstrukt bifaktoriell modelliert.
Der Subfaktor Unterstützung (6 Items) umfasst Items zum Betreuungsverhältnis und
zur wahrgenommenen Unterstützung bei Arbeitsau rägen (Rühl et al., 2016; sowie
selbst konstruierte Items; Beispielitem: Der/Die PP hat mir Mut gemacht, neue Sa-
chen auszuprobieren.). Der Subfaktor Besprechungsqualität wird aus selbst konstru-
ierten Items zur Situation in den Vor- (4 Items) und Nachbesprechungen (4 Items)
gebildet (Beispielitem: In den Vorbesprechungen diskutierten wir gemeinsam ver-
schiedene Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung.). Diese 14 Items bilden ins-
gesamt den Globalfaktor Beziehung. In Tabelle 2 sind die Ladungen auf den Glo-
balfaktor Beziehung und die Subfaktoren dargestellt. Obwohl einige Items hohe
Ladungen auf die Subfaktoren aufweisen, ist keine gute Interpretation der Subfakto-
ren anhand der Faktorladungen möglich und daher wird im Modell der Globalfak-
tor Beziehung als unabhängige Größe zur Vorhersage der Wahrnehmung der Lern-
gelegenheiten herangezogen. Für die Daten aus Welle 1 ist die Qualität des Modells
akzeptabel (Abbildung 4 rechts oben, Xia & Yang, 2018).
Manuela Gamsjäger, Michael Himmelsbach und Sonja Lenz
188
Tabelle 2: Faktorladungen im Bifaktormodell
Item 1234567891011121314
Globalfaktor
Beziehung .67 .69 .58 .57 .53 .52 .51 .36 .64 .47 .71 .66 .82 .76
Subfaktor
Unterstützung .34 .28 .68 .45 .32 .26
Subfaktor
Besprechungs-
qualität
.22 .65 .53 .55 -.01* .13* -.08* .16
Alle außer die mit * gekennzeichneten Faktorladungen sind hoch signifi kant (p < .01).
–Kohärenz (α=.93): Die Kohärenz zwischen Praktikum und bildungswissenscha li-
chen bzw. fachdidaktischen Begleitlehrveranstaltungen wird einerseits als inhaltliche
Verzahnung und anderseits als förderliche Handlung des Relationierungskonzepts
aufgegri en (6 Items, jeweils für die bildungswissenscha liche bzw. fachdidakti-
sche Lehrveranstaltung; in Anlehnung an Rühl et al. (2016) sowie selbstkonstruierte
Items; Beispielitem: „Ich habe mich durch die Begleitlehrveranstaltung gut auf das
Praktikum vorbereitet gefühlt.“).
Für die Auswertung der Daten wurde auf das Programm R (R Core Team, 2021) zu-
rückgegri en.
4. Ergebnisse
Ein Merkmal für eine gelungene Umsetzung der PPS, insbesondere wenn mehrere
Hochschulen unter einem gemeinsamen Curriculum operieren, ist die Nutzung von
Lerngelegenheiten durch die Studierenden (Gröschner et al., 2013; Rühl et al., 2016).
Eine Frage für die Evaluierung der PPS am Standort Linz, Cluster Mitte, war daher, in-
wieweit Studierende intendierte und nicht intendierte Lerngelegenheiten nutzen. In Ta-
belle 3 wird ein Vergleich zwischen Welle 1, 3 und 4 angestellt. Es zeigt sich, dass die
intendierten, also in den bildungswissenscha lichen Rahmenkonzepten festgehaltenen,
Lerngelegenheiten in den Bereichen Unterricht beobachten, Unterricht planen und hal-
ten sowie im Bereich der Re exion mit Mittelwerten zwischen 3,97 bis 4,45 ö er bis
häu g genutzt werden. Die Mediane zwischen 4,00 bis 4,64 zeigen, dass dies jedenfalls
für die Häl e der Studierenden zutri . Die Mittelwerte und Mediane der nicht inten-
dierten, aber erwünschten Lerngelegenheiten im Bereich Unterricht beobachten sowie
Unterricht planen und halten lagen im Vergleich dazu etwas niedriger. Die Unter-
schiede sind aber mit einer Ausnahme nicht signi kant. Insgesamt zeigt sich eine mo-
derat ausgeprägte Nutzung der in den Rahmenkonzepten festgelegten Lerngelegenhei-
ten (H1). Diese nimmt entgegen der Annahme im Zeitverlauf nicht zu. Es kann daher
keine zunehmende Verbindlichkeit der Rahmenkonzepte festgestellt werden (H2). Die
hoch signi kanten Korrelationen zwischen intendierten und nicht intendierten Lernge-
legenheiten des jeweiligen Bereichs (Unterricht beobachten: r=.63, Unterricht planen/
Lerngelegenheiten in der Schulpraxis 189
halten: r=.76, Unterricht re ektieren: r=.74) zeigen, dass Studierende, die häu ger in-
tendierte Lerngelegenheiten wahrnehmen, auch häu ger nicht intendierte Lerngele-
genheiten nutzen. Dies weist auf eine unterschiedliche Ausgestaltung von Praxisplätzen
durch PP hin (H3).
Tabelle 3: Intendierte und nicht intendierte Lerngelegenheiten
W1
(n=169–247) 1
W3
(n=57–93) 1
W4
(n=96–100)1
Lerngelegenheiten (Items) M Mdn SD M Mdn SD M Mdn SD
intendiert
Unterricht beobachten
(6) 4,04 4,00 0,90 4,19 4,17 0,97 4,31** 4,33 0,95
Unterricht planen und
halten (11) 4,27 4,45 1,10 4,33 4,36 1,03 4,45 4,64 1,02
Unterricht refl ektieren
(4) 4,01 4,25 1,19 4.04 4,25 1,33 3,97 4,00 1,42
nicht intendiert
(erwünscht)
Unterricht beobachten
(3) 3,30 3,33 1,11 3,02 3,00 1,12 3,36 3,33 1,21
Unterricht planen und
halten (13) 3,19 3,15 1,16 3,28 3,31 1,09 3,39 3,31 1,30
Unterricht refl ektieren
(2) 4,05 4,50 1,32 4,15 4,50 1,44 4,11 4,50 1,46
1 Ein Summenscore wurde gebildet und durch die Anzahl der Items dividiert. Da nur Fälle ohne feh-
lende Werte inkludiert wurden, variiert die Anzahl der Fälle im Vergleich zur Anzahl an beantworteten
Fragebögen. ** p ≤ .01, * p ≤ .05
Für die Analyse der Frage, inwieweit Studierende am Standort Linz eine Kohärenz zwi-
schen Praktikumserfahrungen und den Inhalten der universitären Begleitlehrveranstal-
tungen wahrnehmen, ziehen wir Daten von Welle 1 und 3 heran. In Tabelle 4 sind die
sechs Items und deren Ausprägungen, die sich mit der Kohärenz zwischen Praktikum
und Lehrveranstaltung befassen, dargestellt. Die Bewertung der Kohärenz durch die
Studierenden wird in beiden Wellen und in beiden Lehrveranstaltungsformaten unter-
schiedlich häu g wahrgenommen. In den bildungswissenscha lichen Begleitlehrver-
anstaltungen zeigen sich Mittelwerte zwischen 3,47 und 4,39, in den fachdidaktischen
Lehrveranstaltungen liegen die Mittelwerte zwischen 3,82 und 4,77. Die Mittelwerte der
Items für die bildungswissenscha lichen Veranstaltungen unterscheiden sich bis auf das
zweite Item (und das dritte bzw. sechste Item in Welle 3) signi kant von denen der
fachdidaktischen. Die relativ hohen Standardabweichungen mit Werten zwischen 1.53
und 1.88 deuten auf eine breite Streuung der Antworten hin.
Manuela Gamsjäger, Michael Himmelsbach und Sonja Lenz
190
Tabelle 4: Kohärenz zwischen Praktikum und bildungswissenscha lichen (BW) bzw.
fachdidaktischen (FD) Begleitlehrveranstaltungen
BW
(2019)
FD
(2019)
BW
(2020)
FD
(2020)
Item MSDMSDMSDMSD
Ich habe mich durch die Begleitlehr-
veranstaltung gut auf das Praktikum
vorbereitet gefühlt.
3.50** 1.64 4.11 1.65 3.76** 1.63 4.34 1.53
In der Begleitlehrveranstaltung waren
die Informationen zum Praktikum aus-
reichend.
4.04 1.75 4.12 1.74 4.39 1.58 4.22 1.61
Die Begleitlehrveranstaltung hat mir
geholfen, mich im Praktikum zurechtzu-
fi nden.
3.42** 1.70 3.82 1.76 3.72 1.81 3.96 1.70
Die Inhalte der Begleitlehrveranstaltung
waren auf die Inhalte des Praktikums
zugeschnitten.
3.47** 1.71 4.08 1.75 3.74* 1.68 4.17 1.67
In der Begleitlehrveranstaltung wurden
die Inhalte des Praktikums aufbereitet. 3.48** 1.72 4.12 1.76 3.70** 1.82 4.19 1.55
In der Begleitlehrveranstaltung hatte ich
Gelegenheit, für mich unklare Situatio-
nen des Praktikums zu besprechen.
4.13** 1.88 4.77 1.68 4.39 1.78 4.68 1.66
** p ≤ .01, * p ≤ .05
Die signi kanten Unterschiede zwischen bildungswissenscha lichen und fachdidak-
tischen Lehrveranstaltungen werden in der deskriptiven Analyse (Abbildung 3) deut-
lich. In den bildungswissenscha lichen Lehrveranstaltungen nehmen die Studierenden
tendenziell seltener wahr, dass die Inhalte der Begleitlehrveranstaltung auf die Inhalte
des Praktikums zugeschnitten waren als in den fachdidaktischen Lehrveranstaltungen.
Während bei Letzteren knapp über 30 % der Studierenden angaben, dass dies nie bis
manchmal passiert, gaben dies für die bildungswissenscha lichen Lehrveranstaltungen
mit über 45 % deutlich mehr Studierende an. Obwohl insgesamt mehr Kohärenz für
das Item „In der Begleitlehrveranstaltung hatte ich Gelegenheit, für mich unklare Situ-
ationen des Praktikums zu besprechen.“ besteht, zeigt sich auch hier ein Unterschied.
In den bildungswissenscha lichen Lehrveranstaltungen erlebten dies fast 70 % der Stu-
dierenden ö er bis sehr häu g, in den fachdidaktischen Lehrveranstaltungen knapp
80 % der Studierenden. Insgesamt betrachtet ist die Kohärenz zwischen bildungswis-
senscha lichen/fachdidaktischen Lehrveranstaltungen und der Praxis ähnlich moderat
vorhanden wie die Nutzung der Lerngelegenheiten. Allerdings wird sie von Studieren-
den unterschiedlich wahrgenommen (H4).
Lerngelegenheiten in der Schulpraxis 191
Ab bildung 3: Ve rgleich der Kohärenz für Inhalte und unklare Situationen im Praktikum
Um die dritte Frage zu untersuchen, wurde in Anlehnung an das Modell in Abbildung
1 ein Strukturgleichungsmodell (Abbildung 4) gebildet. Es beschreibt unabhängige Fak-
toren, die die subjektiv wahrgenommenen Lerngelegenheiten direkt beein ussen. Die
angegebenen Werte sind auf der Datengrundlage der Erhebungswelle 1 ermittelt. Hoch-
signi kante E ekte auf die Lerngelegenheiten der drei Ebenen zeigen sich vom indi-
viduellen Merkmal Selbstwirksamkeitserwartung (standardisiertes Beta von .150 bis
.330), von der Beziehung im Praktikum (.199 bis .438) sowie von der Kohärenz zwi-
schen Universitätskursen und dem Inhalt des Praktikums (.198, bis .475) ausgehend.
Insgesamt werden zwischen 36 % und 43 % der Varianz für die Nutzung der Lerngele-
genheiten aufgeklärt. Die beiden Subfaktoren sind auf Grund der vereinfachten Darstel-
lung nicht abgebildet (Kovarianzen: SWE – Kohärenz: .233*, SWE – Besprechungsqua-
lität: -.317*). Die Beziehung hängt signi kant von der SWE der Studierenden ab, erklärt
allerdings nur 8 % der Varianz der Beziehung. Die Kohärenz zwischen Praktikum und
hochschulischer Begleitung, eine positive Beziehung zwischen Studierenden und PP so-
wie die individuelle Selbstwirksamkeitserwartung beein ussen die Nutzung der Lernge-
legenheiten (Ebenen: Unterricht beobachten, Unterricht planen und halten, Unterricht
re ektieren) positiv (H5).
Manuela Gamsjäger, Michael Himmelsbach und Sonja Lenz
192
Abbildung 4: Strukturgleichungsmodell zur Erfassung des individuellen Merkmals der Selbst-
wirksamkeitserwartung, der Beziehung zwischen den Akteur*innen und des
Angebots bzw. dessen Nutzung (Welle 1; ** p ≤ .01, * p ≤ .05 ).
Für Welle 3 und 4 ist die Datenlage für die Berechnung des SEM aufgrund der Ein-
schränkungen durch die COVID-19 Pandemie zu gering, da jeweils nur ca. 80 Teilneh-
mer*innen die entsprechenden Fragen nach den Lerngelegenheiten beantwortet haben.
Eine Korrelationsanalyse dieser Daten zeigt aber ähnliche positive Zusammenhänge
zwischen SWE, Beziehung PP-Studierende und Kohärenz, sowie zwischen SWE und
den subjektiv wahrgenommen Lerngelegenheiten.
5. Diskussion und Ausblick
Über den Beitrag der PPS zur Professionalisierung der Studierenden und insbesondere
über die Ausgestaltung der PPS am Standort Linz, Cluster Mitte, ist bislang wenig be-
kannt. Ziel der Evaluierung der PPS am Standort Linz ist daher in einem ersten Schritt
explorativ zu untersuchen, welche Lerngelegenheiten im Praktikum von den Studieren-
den genutzt werden, wie die Kohärenz zwischen Inhalten der Lehrveranstaltungen und
der Praxis gelingt und welche Bedingungen und Strukturen die Ausgestaltung der PPS
beein ussen. Trotz verbindlicher Rahmenkonzepte zeigt sich, dass die Ausgestaltung
der PPS aufgrund der komplexen Struktur (unterschiedliche Traditionen und Ausbil-
dungen) verschieden ausfällt. Ähnliches stellen auch andere Studien, die sich mit der
Ausgestaltung von Betreuungssituationen in der Schulpraxis befassen (z. B. Caruso &
Goller, 2021), fest. Studierende nehmen die in den Rahmenkonzepten festgehaltenen
Lerngelegenheiten tendenziell zwar ö er bis häu g wahr, aber die Häu gkeit der Nut-
zung nimmt im Zeitverlauf nicht zu und ein großer Anteil von Studierenden nutzte
die intendierten Lerngelegenheiten nie oder nur selten. Aufgrund der Anlage der Stu-
die gilt es in einem nächsten Schritt zu klären, ob die Lerngelegenheiten aufgrund eines
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Lerngelegenheiten in der Schulpraxis 193
fehlenden Angebots von den Studierenden nicht genutzt werden konnten oder ande-
re Faktoren die fehlende Nutzung beein ussen. So haben sich mit Beginn der Coro-
na-Pandemie die Rahmenbedingungen für die Praktika deutlich verändert. Die Studie-
renden konnten nach einem Semester Praktikum im Distance Learning (Welle 2) auch
im Wintersemester 2020/21 (Welle 3) nur einen Teil ihres Praktikums in Präsenz ab-
solvieren. Im Sommersemester 2021 (Welle 4) fanden die Praktika dann zwar wieder
gänzlich in Präsenz statt, allerdings wurden die Klassen bis Mai 2021 im Schichtbe-
trieb unterrichtet. Da die Mittelwerte der intendierten und nicht intendierten Lerngele-
genheiten auf den drei Ebenen stark miteinander korrelieren, kann aber vermutet wer-
den, dass es „vielfältigere“ und „weniger vielfältigere“ Praktika gibt. Die zweite Phase
der Evaluierung der PPS wird diese Frage aufgreifen und in einem nächsten Schritt dif-
ferenzierter erheben, ob es bestimmte Lerngelegenheiten gibt, die in der Praxis seltener
erfahren werden und inwieweit das Angebot in und zwischen den Praktika variiert. Da-
bei gilt es auch zu fragen, welche Qualität und subjektiv erlebte Bedeutung die Lernge-
legenheiten für die Professionalisierung der Studierenden haben, da eine häu gere Nut-
zung nicht gleichzusetzen ist mit einem höheren Beitrag zur Professionalisierung.
Für die Kohärenz zwischen den begleitenden Lehrveranstaltungen und Inhalten
der Praktika konnte in der ersten explorativen Analyse eine moderate bis gute Aus-
prägung gezeigt werden. Auch hier zeigt sich insgesamt Potential für die Herstellung
von mehr Kohärenz. Zudem lassen die Ergebnisse vermuten, dass die Kohärenz in den
bildungswissenscha lichen Lehrveranstaltungen weniger gut ausgeprägt ist als in den
fachdidaktischen Begleitlehrveranstaltungen. Dies könnte an qualitativen Unterschie-
den zwischen den vielen parallelen bildungswissenscha lichen Begleitlehrveranstaltun-
gen liegen. Die Kohärenz zwischen eorie und Praxis ist di erenziert zu betrachten,
insgesamt deutet sich aber ein Verbesserungsbedarf insbesondere im bildungswissen-
scha lichen Bereich an.
Nicht überraschend zeigt sich der positive Ein uss der Kohärenz auf die Nutzung
von Lerngelegenheiten. Die Kohärenz als Merkmal eines qualitativ hochwertigen An-
gebots wurde auch in bisherigen Angebot-Nutzungs-Modellen untersucht und nach-
gewiesen. Ebenso hat die SWE als individuelles Merkmal einen Ein uss darauf, wie
häu g Studierende Lerngelegenheiten nutzen. Als dritte Ein ussgröße ergibt sich die
Beziehung zwischen PP und Studierenden, die im Rahmen dieses Beitrags ins Angebot-
Nutzungsmodell eingeführt wurde. Es ist zu vermuten, dass der Faktor Beziehung auch
von der Ausbildung der PP beein usst wird. Wie Ho man et al. (2015) zeigen, neigen
unvorbereitete PP dazu, die Betreuung entlang von persönlichen Erfahrungen zu gestal-
ten, während Schulungen die Praktiken der Betreuung verbessern können. Die Unter-
stützung (in Form von Bestärkung, Wertschätzung und Hilfestellung) und Herausforde-
rung in Form von Besprechungsqualität sind zentrale Elemente der Beziehung (Wenz &
Cramer, 2021). Der Aus- und Fortbildung von PP ist damit ein hoher Stellenwert bei-
zumessen. Am Standort Linz wurde dafür ein Vertretungsorgan für die PP etabliert,
welches in enger Abstimmung mit dem Zentrum PPS zukün ig Fortbildungen für PP
in der Sekundarstufe anbieten wird. Dadurch kann auch die Diskussion über „gute“
Praxisplätze zwischen PP und dem Zentrum für Pädagogisch Praktische Studien ange-
regt werden. Für die Professionalisierung von Lehramtsstudierenden benötigen PP auch
Manuela Gamsjäger, Michael Himmelsbach und Sonja Lenz
194
theoretisch und konzeptionell klar fundierte Konzepte (Führer & Cramer, 2021), wes-
halb gemeinsam mit Lehrenden und PP die vorliegenden bildungswissenscha lichen
Rahmenkonzepte auf diese Fundierung und Klarheit überprü werden sollten.
Die Befragung der Studierenden hatte zum Ziel, Einsicht in die Lerngelegenheiten
der Praktika zu erhalten und damit in einem ersten Schritt die PPS am Standort Linz,
Cluster Mitte, zu evaluieren. Die vorliegenden Ergebnisse der explorativen Forschung
geben Hinweise für die Verankerung und Weiterentwicklung der Rahmenkonzepte und
-bedingungen für die PPS. Nach dieser ersten Bestandsaufnahme braucht es neben
einer Intensivierung des gemeinsamen Bemühens um gute Praxisplätze und verstärkte
Kohärenz mit den Inhalten der Begleitlehrveranstaltung aber den Blick auf die Wirkun-
gen der Lerngelegenheiten auf die professionelle Kompetenz. Dazu werden für die ge-
planten weiteren Erhebungen die vorliegenden methodischen Limitationen bearbeitet.
Zur Erhöhung der Rücklaufquote soll die Erhebung im Rahmen der Begleitlehrveran-
staltungen durchgeführt werden. In der nächsten Befragung werden Studierende nach
Praxisplätzen identi ziert, um eine Über-/Unterschätzung der Antworten zu vermei-
den. Zudem ist eine Befragung der Praxispädagog*innen und Lehrenden an den Hoch-
schulen angedacht. Zusätzlich braucht es eine Adaption des Erhebungsinstruments, um
genauer zwischen Angebot und Nutzung unterscheiden zu können.
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Claudia Fahrenwald und Norina Müller
Professionalisierungsprozesse und Professionalisierungsbedarfe
von Lehrkräften im Rahmen demokratischer Schulentwicklung
Zusammenfassung
Der Beitrag beschä igt sich mit Professionalisierungsprozessen und Professionalisierungs-
bedarfen von Lehrkrä en im Rahmen demokratischer Schulentwicklung. Dazu werden zu-
nächst die Potentiale demokratischer Schulentwicklungsansätze für die Professionalisierung
von Lehrkrä en skizziert. Anschließend werden Forschungsergebnisse aus einem aktuell an
der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich laufenden Forschungs- und Entwicklungspro-
jekt zum Au au einer demokratischen Schulkultur und regionaler Bildungspartnerscha en
vorgestellt. Im Rahmen einer qualitativen empirischen Erhebung wurden Schul- und Projekt-
leitungen an sechs ausgewählten Pilotschulen in Oberösterreich mit Hilfe von Expert*innen-
interviews zu ihren Erfahrungen sowie Fortbildungs- und Unterstützungsbedarfen im Hin-
blick auf demokratische Schulentwicklung befragt. Der Beitrag diskutiert die gewonnenen
empirischen Befunde zur Professionalisierung von Lehrkrä en im Rahmen demokratischer
Schulentwicklung vor dem Hintergrund der eingangs skizzierten theoretischen Diskurse. Ab-
schließend werden Desiderate für eine zukün ige Lehrer*innenfortbildung und Lehrer*in-
nenweiterbildung im Rahmen demokratischer Schulentwicklung formuliert.
Schlüsselwörter: Professionalisierungsprozesse, Professionalisierungsbedarfe, demokratische
Schulentwicklung, kooperative Lerngemeinscha en, qualitative empirische Erhebung
Professionalization Processes and Professionalization Needs of Teachers
within the Framework of Democratic School Development
Summary
e chapter deals with professionalization processes and professionalization needs of tea-
chers within the framework of democratic school development. First, the potentials of de-
mocratic school development approaches for the professionalization of teachers are outlined.
Secondly, research results from a research and development project currently running at the
University of Teacher Education Upper Austria on the establishment of a democratic school
culture and regional educational partnerships are presented. Within the framework of a qua-
litative empirical survey, school leaders and project leaders at six selected pilot schools in
Upper Austria were interviewed as experts about their experiences as well as about their trai-
ning and support needs with regard to democratic school development. e article discus-
ses the empirical ndings on the professionalization of teachers in the context of democra-
tic school development against the theoretical background outlined at the beginning. Finally,
desiderata for future teacher training and further teacher training in the context of democra-
tic school development are outlined.
Keywords: Professionalization processes, professionalization requirements, democratic school
development, cooperative learning communities, qualitative empirical survey
Claudia Fahrenwald und Norina Müller
200
1. Einleitung: demokratische Schulentwicklung
und gesellschaftlicher Wandel
Das ema „demokratische Schulentwicklung“ kann in einem unmittelbaren Zusam-
menhang mit dem gegenwärtigen gesellscha lichen Wandel gesehen werden, der sich
mit Schlagworten wie Globalisierung, gesellscha liche Heterogenität, wachsende so-
ziale Ungleichheit oder Digitalisierung umschreiben lässt. Daraus resultiert nicht zu-
letzt auch ein veränderter Erziehungs- und Bildungsau rag von Schule als einem Ort,
an dem sich gesellscha liche Entwicklungen unmittelbar widerspiegeln (Fahrenwald,
2020). Mit dieser Aufgabe sehen sich schulische Akteur*innen vor weitreichende neue
Herausforderungen gestellt, die gleichzeitig als eine Chance zur Professionalisierung be-
trachtet werden können.
2. Kooperative Professionalisierung von Lehrkräften im Rahmen
demokratischer Schulentwicklung
Im Folgenden wird in den Zusammenhang von demokratischer Schulentwicklung und
aktuellem Professionalisierungsdiskurs in der Lehrer*innenbildung eingeführt. Im Mit-
telpunkt steht die Frage, inwiefern aktuelle Ansätze demokratischer Schulentwicklung
eine kooperative Professionalisierung von Lehrkrä en unterstützen.
2.1 Aktueller Schulentwicklungsdiskurs
Seit empirische Untersuchungen darauf verweisen, dass in internationalen Vergleichs-
studien einzelne Schulen bei vergleichbaren Eingangsvoraussetzungen unterschiedliche
Schüler*innenleistungen hervorbringen, wurde die Einzelschule als Handlungseinheit
und Entwicklungsfeld entdeckt. Schulentwicklung erhielt auf diese Weise einen neu-
en Fokus, für sie verantwortlich sind nun in erster Linie die handelnden schulischen
Akteur*innen selbst (Holtappels & Rol , 2009, S.75). Der Mainstream des aktuellen
Schulentwicklungsdiskurses behandelt jedoch organisationale Lernprozesse in erster Li-
nie als Fragen des Managements und der Steuerung und bietet subjektorientierten und
kooperativen Ansätzen bislang wenig Raum. Eine solche einseitig managementtheore-
tisch begründete, technokratische Vorstellung von Schulentwicklung wird von Ansätzen
demokratischer Schulentwicklung zunehmend kritisiert (Krautz & Burchardt, 2018).
Die Kritik richtet sich zum einen auf die Tatsache, dass die adressierten Bildungssub-
jekte zu wenig mit einbezogen werden (Veith et al., 2018, S. 25). Zum anderen wird
bemängelt, dass mit dem Fokus auf Fragen des Managements der gesellscha liche Er-
ziehungs- und Bildungsau rag von Schule, der sich auf demokratische Teilhabe, Eman-
zipation und Mündigkeit bezieht, tendenziell ausgeblendet wird (Müller & Fahrenwald,
2021). Der vorliegende Beitrag stellt das demokratiepädagogische Konzept ‚Lernen
durch Engagement‘ (LdE) als subjektorientierten und kooperativen Lehr-Lern-Ansatz
im Rahmen demokratischer Schulentwicklung vor und stellt dabei die Frage, inwiefern
Professionalisierungsprozesse und Professionalisierungsbedarfe von Lehrkrä en 201
demokratische Schulentwicklung auch kooperative Professionalisierungsprozesse von
Lehrkrä en begünstigt.
2.2 Kooperative Ansätze der Professionalisierung in der Lehrerbildung
Unter „Professionalisierung“ von Lehrkrä en im Rahmen demokratischer Schulent-
wicklung wird im vorliegenden Beitrag in erster Linie die (Heraus-)Forderung eines le-
benslangen Lernens und eines damit verbundenen, die komplette Lau ahn erfassen-
den Quali zierungsprozesses im Rahmen der dritten Phase der Lehrer*innenbildung
verstanden (Müller et al., 2010, S.9). Lebenslanges Lernen beschränkt sich dabei nicht
nur auf formales Lernen, sondern bezieht in gleicher Weise auch non-formales und in-
formelles Lernen mit ein (Fahrenwald, 2005).Im Rahmen von Unterrichts- und Schul-
entwicklung werden in diesem Zusammenhang seit einigen Jahren insbesondere koope-
rative Ansätze der Professionalisierung diskutiert, die mittlerweile auch empirisch als
wirksam belegt sind. Zu nennen sind hier beispielsweise „Professionelle Lerngemein-
scha en“ (Bonsen & Rol , 2006) oder „Communities of Practice“ (Bloh & Bloh, 2006;
Coto & Dirckinck-Holmfeld, 2008; Fahrenwald 2018). Damit sind engagierte Arbeits-
gruppen in Schulen oder produktive Fach- oder Jahrgangskonferenzen gemeint, aber
auch ganze Kollegien oder Netzwerke mehrerer Schulen. Zentral für Professionelle
Lerngemeinscha en ist die Vorstellung von „Lehrern als Lernern“, die auf der Grund-
lage gemeinsamer, geteilter Interessen miteinander und voneinander lernen. Auf die-
se Weise etabliert sich eine Gemeinscha im Sinne einer „Community“, die als Grund-
lage für Kooperation und gegenseitige Unterstützung angesehen werden kann (Bonsen
& Rol , 2006, S.169). Das Konzept der „Communities of Practice“ betont darüber hin-
aus die kollektiv-impliziten Wissensbestände einer solchen Lerngemeinscha , die durch
die permanente Aushandlung von Bedeutung(en), eine gemeinsame Praxis (z.B. Unter-
richtspraxis), einen gemeinsamen Diskurs und gemeinsame Artefakte (z.B. Unterrichts-
materialien) entstehen und über den individuellen Wissenserwerb hinaus zu Prozessen
der Enkulturation und sozialen Transformation führen können (Bloh & Bloh, 2016).
In neuesten Publikationen wird in diesem Zusammenhang auch das Konzept der „Ko-
operativen Professionalität“ diskutiert, die Schule als ein Ökosystem versteht, das alle
Ebenen der Einzelschule (Individuum, Team, Organisation) umfasst und darüber hin-
aus auch die Ebene des Schulsystems mitdenkt (Klopsch & Sliwka, 2021). Im Folgen-
den wird „Lernen durch Engagement“ als ein Ansatz demokratischer Schulentwicklung
vorgestellt, der den gesellscha lichen Bildungsau rag von Schule in den Mittelpunkt
stellt und dabei auf die Kooperation aller schulischer Akteur*innen setzt. Das Unter-
suchungsinteresse gilt insbesondere den Professionalisierungspotentialen von „Lernen
durch Engagement“ für Lehrkrä e im Rahmen demokratischer Schulentwicklung.
Claudia Fahrenwald und Norina Müller
202
2.3 „Lernen durch Engagement“ (LdE) als Ansatz demokratischer
Schulentwicklung
Das Lehr-Lern-Konzept „Lernen durch Engagement“ (LdE) (engl. Service Learning)
stammt aus der angloamerikanischen Citizenship Education bzw. Civic Education und
ist ein international erprobter Ansatz der Demokratiebildung, der derzeit vor dem Hin-
tergrund aktueller gesellscha licher Entwicklungen in vielen europäischen Ländern auf
ein gestiegenes Interesse stößt. LdE knüp lerntheoretisch an das Erfahrungslernen im
Sinne John Deweys an (Dewey, 2000) und eignet sich prinzipiell für alle Schulformen
und Unterrichtsfächer. Der Ansatz verfolgt das Ziel, dass die Beteiligten durch Han-
deln lernen, wie man sich in der Schule, in der Gemeinde und in der Gesellscha sozial
und verantwortlich engagiert (Eikenbusch, 2011). Das nötige Fachwissen wird zunächst
im Unterricht erlernt und anschließend im Rahmen von konkreten Praxisprojekten in
der Gemeinde umgesetzt. Durch LdE-Projekte lernen die Schüler*innen die aktive Be-
wältigung authentischer Problem- und Aufgabenstellungen und erwerben gleichzeitig
fachliche, methodische und soziale Kompetenzen. Diese Verknüpfung von Lernen und
gesellscha lichem Engagement dient sowohl einer Vertiefung fachlicher Inhalte durch
praktische Erfahrungen als auch der Entwicklung demokratischer Kompetenzen. Auf
diese Weise entsteht eine neue Kultur der Kommunikation und Kooperation zwischen
Schulen, Gemeinden und zivilgesellscha lichen Partnerorganisationen (Fahrenwald,
2014; Fahrenwald & Müller 2021).
Die positiven Wirkungen von LdE sowohl auf individueller Ebene (Kompetenzent-
wicklung der Schüler*innen und Lehrkrä e) als auch auf Ebene der Gruppe (Teament-
wicklung) sowie auf organisationaler Ebene (Schulentwicklung) sind im angloamerika-
nischen Raum bereits vielfach erforscht und werden mittlerweile auch durch Studien
aus dem deutschsprachigen Raum bestätigt. Es werden an dieser Stelle exemplarische
Forschungsergebnisse vorgestellt, die sich insbesondere auf die Professionalisierung von
Lehrkrä en beziehen:
– Da die Engagement-Projekte außerhalb der Schule statt nden sowie die für ihre
Umsetzung vorausgesetzten Fähigkeiten und Kenntnisse selten einer einzelnen
Fachdisziplin zuzuordnen sind, führt dies in der Vorbereitung zu verstärkter fä-
cherübergreifender, interdisziplinärer Teamarbeit verschiedener (Fach-)Lehrer*in-
nen (Sliwka, 2004). Die Handlungsorientierung der LdE-Projekte basiert zudem auf
einer verstärkten Partizipation der Schüler*innen, die selbst zu Expert*innen ihrer
Projekte werden. Mit dieser Schwerpunktsetzung auf die Eigenaktivität der Schü-
ler*innen ndet eine Rollenveränderung der Lehrkrä e statt, die sich auch positiv
auf die Beziehungen zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen auswirkt: Sie können
sich gegenseitig anders kennenlernen und in neuen Rollen wahrnehmen (Seifert &
Zentner, 2010, S. 12).
– Durch den Au au von Partnerscha en in der Gemeinde entstehen zudem Unter-
stützungsnetzwerke, in denen ein wechselseitiges Lernen von Schule und Umgebung
(Gemeinde, Hochschulen, externe Expert*innen usw.) sowie ein Ressourcenaus-
tausch statt nden kann. Studien haben in diesem Kontext darauf verwiesen, dass
Lehrer*innen durch die stärkere Anbindung der Schulen an ihre Umgebung auch
Professionalisierungsprozesse und Professionalisierungsbedarfe von Lehrkrä en 203
einen vertie en Einblick in die schulischen, persönlichen und sozialen Bedürfnisse
der einzelnen Schüler*innen gewinnen können. Diese Einblicke ermöglichen wiede-
rum eine Orientierung des Unterrichts an den (lokalen) Bedingungen und Interes-
sen der Schüler*innen (Sliwka, 2004).
LdE fördert somit insgesamt eine gesellscha liche Ö nung der Lernkultur, die stär-
ker lebensweltlich ausgerichtet und demokratisch organisiert ist (Fahrenwald & Feye-
rer, 2020; Fahrenwald, 2014). Es lässt sich dabei festhalten, dass die zur erfolgreichen
Umsetzung von LdE-Projekten notwendigen Kommunikations- und Arbeitsprozes-
se auch einen „wirkungsvollen Hebel zur nachhaltigen Stimulierung von transformati-
ven Schulentwicklungsprozessen“ (Sliwka, 2004, S.11) darstellen können. Dies setzt al-
lerdings voraus, dass große Teile des Kollegiums sowie die Schulleitung die Arbeit mit
dem LdE-Ansatz aktiv unterstützen (Seifert & Zentner, 2010).
Die im Rahmen von LdE-Projekten vorausgesetzte Kooperation kann in diesem Sin-
ne auch vielfältige Potentiale für die kooperative Professionalisierung von Lehrkrä en
im Kontext demokratischer Schulentwicklung bieten. Dies wird im Folgenden am Bei-
spiel eines aktuell an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich laufenden For-
schungs- und Entwicklungsprojekts zum Au au demokratischer Schulkultur und re-
gionaler Bildungspartnerscha en näher ausgeführt.
3. Forschungs- und Entwicklungsprojekt: „Lernen durch Engagement.
Demokratie in Schule leben – Gesellschaft mitgestalten“
„Lernen durch Engagement. Demokratie in Schule leben – Gesellscha mitgestalten“
ist ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt an der Pädagogischen Hochschule Ober-
österreich, das im Zeitraum 2019–2022 in Kooperation mit dem Unabhängigen Lan-
desfreiwilligenzentrum (ULF) statt ndet und von der Sinnbildungssti ung in Wien
gefördert wird.DieForschungsinteressendes Projekts liegen zum einen in der Rekons-
truktion der bestehenden pädagogischen Praxis sowie zum anderen in der Entwicklung
von Perspektiven für eine zukün ige demokratische Schulentwicklung. Das Entwick-
lungsziel des Projektsist es, LdE als einen Ansatz der Unterrichts- und Schulentwick-
lung in Österreich bekannt zu machen sowie ein Netzwerk von LdE-Schulen in Ober-
österreich aufzubauen. Auf diese Weise will das Projekt einen längerfristigen Beitrag
zur Stärkungdemokratischer Schulkultur sowie zum Au au regionaler Bildungspart-
nerscha en leisten (Veith et al., 2018;Fahrenwald& Müller, 2021).
Das Forschungsdesign folgt einemMixed Methods-Ansatz (Morse, 2003): In einer
quantitativen sowie inhaltsanalytischen Dokumentenanalyse (Ho mann, 2018) von
Projekteinreichungen bei einem Innovationswettbewerb einer lokalen Wochenzeitung
wurden zunächst Potentiale für gesellscha lich engagierte Projektarbeit an oberösterrei-
chischen Schulen eruiert. Auf Basis der Ergebnisse der Dokumentenanalyse wurden an-
schließend sechs Pilotschulen für die Arbeit im Projekt ausgewählt. Die Schulleitungen
sowie projektleitende Lehrer*innen dieser Schulen erhielten im Rahmen verschiedener
Fortbildungsworkshops Einführungen in den Lehr-Lern-Ansatz LdE sowie Good-Prac-
Claudia Fahrenwald und Norina Müller
204
tice-Beispiele für seine Umsetzung, um anschließend eigene Projekte an ihren Schu-
len zu entwickeln. Während des gesamten Zeitraums wurden die Pilotschulen bei der
konkreten Projektplanung und -durchführung zusätzlich von Teams der Schulentwick-
lungsberatung der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich begleitet und unterstützt.
Im Rahmen der Begleitforschung wurden zudem zu zwei Erhebungszeitpunkten
(EZP) (1. EZP: Januar bis April 2020, 2. EZP: Juni bis Juli 2021) leitfadengestützte Ex-
pert*inneninterviews (Hel erich, 2011) mit Schulleitungen und Projektleitungen der
Pilotschulen durchgeführt. Die Leitfäden wurden theoriegeleitet erarbeitet und enthiel-
ten zum 1. EZP Fragen zu Vorerfahrungen und dem Interesse an demokratischer Pro-
jektarbeit, Qualitätskriterien der Projektarbeit sowie zu Prozessen der Unterrichts-, Per-
sonal- und Schulentwicklung. Die Interviews des 2. EZP fokussierten auf die im Zuge
des Projekts gemachten Erfahrungen, Herausforderungen sowie weitere (Professionali-
sierungs-)Bedarfe. Die leitfadengestützten Interviews aus beiden Erhebungszeitpunkten
wurden mittels induktiv-deduktiver Kategorienbildung inhaltsanalytisch ausgewertet
(Mayring, 2010).Auf Grundlage der Ergebnisse aus der Begleitforschung sollen zukünf-
tig regelmäßige Fortbildungs- und Beratungsangebote für Schulleitungen, Projektleitun-
gen und Multiplikator*innen angeboten werden. Im Folgenden werden exemplarische
Forschungsergebnisse aus den Erhebungen präsentiert und diskutiert.
3.1 Potentiale von LdE für die Professionalisierung von Lehrkräften
Die am Pilotprojekt teilnehmenden Schulen weisen alle langjährige Erfahrung in der
Projektarbeit auf. Diese war entweder sozial, kulturell oder ökologisch engagiert, bis-
lang jedoch nicht demokratiepädagogisch rückgebunden. Alle Befragten berichten, dass
sich die Lern- und Schulkultur durch die gesellscha lich engagierte Projektarbeit positiv
entwickelt haben, insbesondere in Hinblick auf eine verbesserte Zusammenarbeit und
Kommunikation im Team. Die Entwicklung bewege sich
[…] „weg von ‚Ich und meine Klasse‘ in Richtung ‚Die Schule und ich‘ und
‚Wir‘ eigentlich, ‚Die Schule und wir‘ […]. Früher war die Klasse so heiliger
Boden, wo keiner hineindur e. Jeder hat da in seinem stillen Kämmerlein ge-
werkt und ich glaube, das gibt es schon länger nicht mehr, Gott sei Dank.“
(Int2, B3, 237–240)
Außerdem nehmen die Befragten positive Auswirkungen der Projektarbeit auf die Be-
ziehungen der Akteur*innen untereinander wahr. Allgemein herrsche eine größere Of-
fenheit, es sei „Leben im Haus“ (Int1, B1, 601). Auf der unterrichtlichen Ebene habe
sich konkret die Beziehung zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen verändert. Im
Rahmen von Projekten steige das eigene Engagement der Schüler*innen, da sie die
Möglichkeit erhielten „einfach mehr aus der Lehrer-Schüler-Beziehung, aus der starren
Lehrer-Schüler-Beziehung rauszukommen“ (Int3, B4, 480–481) und stattdessen koope-
rativ an gemeinsamen Zielen zu arbeiten.
„Und das zeigt mir schon auch, wenn wir demokratische Verhältnisse in den
Schulen einführen wollen oder die bestä rken wollen, dass wir den Schü-
Professionalisierungsprozesse und Professionalisierungsbedarfe von Lehrkrä en 205
lernauch das Vertrauen schenkenmüssen, dass sie das auch scha en. Dass sie
/ dass wir ihnen zutrauen, dass sie die Verantwortung ü bernehmen und nicht
schon vornherein / ich glaube, dass das schon ein bisschen eine Lehrerkrank-
heit ist, die Verantwortung nicht aus den Hä nden zu lassen, immer die Zü gel
in der Hand zu halten, damit einem nichts aus dem Ruder lä u . Gleichzei-
tig verpassen wir es dann auch, dass die Schü ler oder dass Einzelne die Zü gel
in die Hand nehmen und sich dann lieber fü hren lassen, weil es ja vielleicht
auch einfacher ist. Und da denke ich, haben wir Lehrer auch einfach noch viel
zu lernen und viel zu arbeiten an uns selbst.“ (Int4, B9, 766–774)
Eine veränderte Lehrer*innenrolle wird damit zur Voraussetzung für stärker demokra-
tisch geprägte, partizipative Unterrichtsformen: Die Vorgaben der Lehrperson müssen
zugunsten der Selbsttätigkeit der Schüler*innen zurücktreten. Als grundlegende Vor-
aussetzung für eine erfolgreiche Einführung demokratischer Unterrichts- und Schul-
entwicklung nennen die Befragten, dass zunächst alle Beteiligten die Arbeit als sinn-
voll erleben müssten. Um beispielsweise Unterstützung für die Projektarbeit vonseiten
der Schüler*innen zu gewinnen, sei es wichtig, das vermittelte Fachwissen an ihre Inter-
essen anzuschließen.Die notwendige gemeinsame Ausrichtung betre e allerdings nicht
nur die Schüler*innen, sondern auch die Lehrkrä e, die Eltern und idealerweise auch
die Gemeindepartner*innen.
„Wenn da ein sinnvolles Ziel oder sinnvolle Ziele sind, dann macht das et-
was mit einem. Das mobilisiert. […] Das bringt einem / da ießt Energie zu
(lacht).“ (Int12, B11, 389–397)
LdE wird als ein Ansatz verstanden, der es ermöglicht, Impulse in Richtung Demokra-
tisierung von Unterricht und Schule, eigenverantwortlichem Lernen und gesellscha li-
chem Engagement zu initiieren. Dies gelinge, da im Rahmen gesellscha lich engagier-
ter Projektarbeit und demokratischer Schulentwicklung ein Fokus auf der gegenseitigen
Unterstützung und Teamorientierung liegt, die „es in dem Sinne bei uns auch nicht so
gibt. […] [D]as würde ‚Lernen durch Engagement‘ auf jeden Fall fördern“ (Int10, B9,
233–237).
3.2 Grenzen der Professionalisierung von Lehrkräften durch LdE
Mit Blick auf die Frage, wie eine weitere fachliche Unterstützung für demokratische
Schulentwicklung ausgestaltet werden sollte, fallen die Einschätzungen der befragten
Personen unterschiedlich aus. Es wird einerseits rückgemeldet, dass mehr Fortbildungen
zum ema hilfreich wären. Die im Rahmen des Pilotprojekts durchgeführten Work-
shops hätten hier bereits positive Wirkungen gezeigt, die den Blick auf die eigene Pra-
xis verändert haben – „[…] wenn wir das nicht gemacht hätten, hätten wir nicht so ge-
dacht sozusagen […]“ (Int8, B5, 258f.). Eine vertiefende Auseinandersetzung mit der
ematik im Rahmen ähnlicher Lernformate erscheint den Befragten daher für die Zu-
kun als vielversprechend.
Claudia Fahrenwald und Norina Müller
206
Andererseits wird auch auf die Problematik hingewiesen, dass die Schulen „mit
SCHILFS und SCHÜLFS eingedeckt [seien] von der Bildungsregion, die aktuell eher
das ‚neue Lernen‘ im Mittelpunkt hat, mit authentischen Lernaufgaben“ (Int 2, B3,
268f.), zudem sehen die befragten Lehrkrä e selbst einen Fortbildungsbedarf in vielen
verschiedenen Bereichen gleichzeitig, „[w]o wir auch einfach das Problem haben, ganz
viele Sachen, in denen wir uns fortbilden sollen und die bedingten Zeitressourcen ein-
fach, dass wir uns da nicht zer eddern“ (Int9, B3, 222 .).
Allerdings sei festzuhalten, dass „auch ohne, dass das von oben verordnet wird, in
vielen Schulen viel Gutes passiert“ (Int2, B3, 271f.). Von einer verstärkten Inanspruch-
nahme von Fortbildungsangeboten wird insofern nicht allein aufgrund von fehlender
Zeitkapazitäten abgesehen. Vielmehr sehen die Akteur*innen (ausreichend) Ressourcen
zur Projektplanung und -durchführung im eigenen Kollegium.
„[Ich] nehme jede Unterstü tzung an, aber wenn hausintern ein eigenes Projekt
auf die Beine gestellt wird, […], dann holen wir uns da keine Unterstü tzung
rein, sondern machen das halt einfach. Dann wird das gemacht. Wir haben
sehr viele Macher. (Int6, B12, 408–411)
Neben der Eigeninitiative der „Macher*innen“ stellten auch jene Kolleg*innen eine Res-
source dar, die sich noch in der Ausbildung be nden oder diese kürzlich abgeschlossen
haben. Sie seien „ständig mit Neuerungen“ befasst und sehr „hellhörig im Austausch“
mit Kolleg*innen, auch anderer Schulen (ebd.). Dies habe große Auswirkungen auf die
Einzelnen sowie auf die Schule im Ganzen (vgl. Int5). Ältere Kolleg*innen seien da-
bei keineswegs weniger engagiert, „[a]ber die jü ngeren Kolleginnen und Kollegen ha-
ben das in ihrer Ausbildung schon mehr mitbekommen, dass das wichtig ist als, ich
sage jetzt mal, meine Generation“ (Int4, B8, 494f.). Diese Schilderungen verweisen auf
die Bedeutung der Schnittstelle von Lehrer*innenaus-, fort- und -weiterbildung an den
Universitäten und Pädagogischen Hochschulen sowie deren Interdependenzen für die
Lehrer*innenprofessionalisierung in der täglichen Schulpraxis. Statt also Fortbildun-
gen und Beratungsangebote von außerhalb wahrzunehmen, könne man auch den um-
gekehrten Weg gehen (vgl. Int9) und die Entwicklungsarbeit durch schulinterne Multi-
plikator*innen initiieren, die wiederum ihre Kolleg*innen für die Arbeit gewinnen und
im kollektiven Austausch peer-professionalisieren.
Gleichzeitig berichten die Befragten davon, dass die Projektarbeit an ihren Schulen
gegenwärtig noch immer von einzelnen Schulleitungen oder (Teams von eingespielten)
Lehrkrä en als Initiator*innen ausginge, die eine „Vorreiterrolle“ (Int1, B1, 379) ein-
nähmen und auf deren außerordentlichem Engagement die Arbeit maßgeblich basie-
re. Der Anstoß zur Projektgestaltung liege häu g in der intrinsischen Motivation der
Einzelnen. Es besteht aufseiten der engagierten Kolleg*innen allerdings der Wunsch,
die Innovationsarbeit auf eine breitere Basis zu stellen und mehr Kolleg*innen für die
Mitarbeit zu gewinnen. Es scheint hier also ein Spannungsverhältnis vorzuliegen, bei
dem die Akteur*innen einerseits Potentiale und Ressourcen im Wissen und in den Er-
fahrungen ihren Kolleg*innen sehen, andererseits eine Überlastung spürbar wird. Den-
noch scheint eine verstärkte Ausweitung der gemeinsamen Arbeit im Kollegium für
eine nachhaltige und längerfristige Implementierung von Neuerungen unumgänglich.
Um daher mehr Kolleg*innen für die gesellscha lich engagierte Projektarbeit zu ge-
Professionalisierungsprozesse und Professionalisierungsbedarfe von Lehrkrä en 207
winnen, müsse aus Sicht der Befragten ein „Hineinwachsen“ in die Projekte möglich
werden, bei dem interessierte Kolleg*innen nicht gleich „in der ersten Reihe stehen“,
sondern „mal mitwirken können, sich das mal anschauen können“ (Int4, B8, 554f.).
Damit dies möglich werde, bedürfe es wiederum erfahrener Kolleg*innen, die als Koor-
dinator*innen zur Verfügung stehen. Wenn man hingegen „ein Projekt einfach drüber
stülpt und sagt ‚So, jetzt macht mal‘ sind viele eher frustriert, weil sie eben in gewis-
sen Bereichen einfach Unterstützung brauchen“ (Int4, B8, 554–556). Häu g werde bei
der Zusammensetzung von Projektteams zudem nicht oder zu wenig auf die Stärken
und Interessen der einzelnen Lehrkrä e geachtet, was zu Angst und Widerstand führe.
Es müsse daher die Verantwortung der Projektkoordinator*innen und der Schulleitung
sein, „die richtigen Leute für die richtigen Projekte zu nden“ (Int3, B4, 555).
3.3 Rahmenbedingungen einer erfolgreichen demokratischen
Schulentwicklung und zukünftige Professionalisierungsbedarfe
Gefragt nach den notwendigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche und langfris-
tige Implementierung von gesellscha lich engagierter Projektarbeit und demokratischer
Schulentwicklung verweisen die Akteur*innen auf verschiedene administrative und ma-
terielle Aspekte.
Angesprochen werden zum einen schulorganisatorische Hürden: „Der Lehrer, das
Fach, fünfzig Minuten. Aus dem heraus wird es nichts“ (Int1, B2, 518). Damit einher
geht der Wunsch nach mehr Freiräumen in der standortspezi schen, autonomen Ge-
staltung von Schule (und Schulentwicklung).
„B12: Mehr Spielraum, als Schule.Wä resehr interessant. Wenn ich nicht im-
mer so an so ganz strenge Vorgaben der Bildungspolitik mich halten mü sste.
[…] Also mehr Freiheiten fü r die Schule, fü r unsere Bildungspolitik in der
Schule, dass ich da mehr Freiheiten habe. Das wä re eigentlich ein großes Ziel
und ein großer Wunsch an das Christkind. […] Und viel Geld, und viel Geld
und viel Geld (lacht)).“ (Int6, B12, 567–576)
Gleichzeitig wird hier auf einen weiteren Aspekt verwiesen, nämlich den Bedarf an -
nanziellen Ressourcen. Es wird berichtet, dass Projekte teils an mangelnden Finanzie-
rungsmöglichkeiten scheiterten. Daher würden zusätzliche Mittel benötigt, über wel-
che die Schulen exibel entscheiden könnten: „Es geht nicht im lu leeren Raum, ja. Es
braucht Ressourcen“ (Int5, B11, 389f.).
Zudem seien zusätzlichepersonelleRessourcen gefragt. Wie bereits dargelegt, beruht
der Erfolg vieler Projekte auf der Mehrarbeit und dem Engagement einzelner Lehrkräf-
te. Wird daher mehr Zeit auf die Vor- und Nachbereitung des regulären Unterrichts
verwendet, fehle diese für die Projektarbeit. Für die Lehrenden der AHS schwebe zu-
dem die Matura als „Damoklesschwert“ (Int4, B8, 511) über der Projektarbeit.Die Kol-
leg*innen litten auf diese Weise unter ständigem Zeitdruck, der in einem deutlichen
Kontrast zu ihrem prinzipiellen Interesse an der gemeinsamen Projektarbeit im Team
stehe.
Claudia Fahrenwald und Norina Müller
208
„[M]anchmal, wenn der Frust aufgrund eben dieses Schultrotts, dieses Schul-
drucks, der auf den Lehrern lastet, zu groß wird, hö rt man doch auch manch-
mal ‚Ja, wieso soll ich das denn jetzt auch noch machen? Es gibt schon so viel
was ich tue und das kommt jetzt auch noch dazu‘. Wie gesagt, es geht hier
nicht darum, dass die Lehrer nichtmö chten, manchmal kö nnen sie einfach
nicht mehr.“ (Int 4., B8, 519–523)
Nicht zuletzt werden auch die Potentiale professioneller externer Begleitung hervorgeho-
ben. Professionelle Schulentwicklungsberater*innen beispielsweise hätten teils „einfach
viel, viel mehr Erfahrung und nochmal einen anderen Blick auf die Dinge. Und der
Blick von außen ist sowieso immer bereichernd. Das ist das eine, also man kann das
glaube ich gar nicht hoch genug schätzen“ (Int10, B9, 260 .). Die Beratung durch exter-
ne Expert*innen könne verhindern, in alte Routinen zurückzufallen und zugleich dabei
unterstützen, Vertrauen in die Chancen von Neuerungen zu gewinnen. Der besonde-
re Mehrwert der externen Beratung scheint dabei in der schulstandortspezi schen, in-
dividuellen Betreuung sowie in ihrer Langfristigkeit und Regelmäßigkeit zu liegen. Da-
rüber hinaus äußern die Befragten auch das Interesse an einer Vernetzungmit anderen
Schulen, die Erfahrungen mit gesellscha lich engagierter Projektarbeit haben.
Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass sich die Pilotschulen für die Ent-
wicklung einer demokratischen Schulkultur von Seiten der Bildungspolitik zusätzli-
che Ressourcen sowie größere Spielräume wünschen. Für die eigene Professionalisierung
wünschen sich die Befragten darüber hinaus, „Mut, Neues auszuprobieren“ (Int1, B2,
391f.) sowie die Ausweitung und Verstetigung der gemeinsamen Innovationsarbeit in-
nerhalb des Kollegiums – hin zu einem „Selbstläufertum“ (Int4, B10, 629), das nicht
mehr in erster Linie den Impuls einzelner Akteur*innen bedarf. Zur Unterstützung die-
ser Entwicklungen sehen die Schulen es als gewinnbringend an, Teil eines Netzwerks
gesellscha lich engagierter Schulen zu werden und „gemeinsam mit anderen Schulen
Fortschritte im Projektunterricht und in der Schulentwicklung“ (Int1, B1, 4) machen
zu können. Außerdem wünschen sie sich (weiterhin) die wissenscha liche Begleitung
ihrer Arbeit, die neue Impulse setzen und Prozesse kritisch re ektieren kann. Zur Rea-
lisierung dieser Wünsche sehen die Befragten auch die (Pädagogischen) Hochschulen
in der P icht:
„Da wü rde ich mir wü nschen, dass das mehr publik wird. Natü rlich sind wir
jetzt auch Multiplikatoren, das ist mir schon klar, aber seitens der Hochschule
mü sste da irgendwie dieser Netzwerkau au noch ein bisschen publiker wer-
den, vielleicht auch durch Fortbildungen, die Mut machen, dass man so ein
Projekt, auch wenn es ein kleines ist, wirklich angeht und sich das zutraut.
[…] [W]eil daswirklich ein Entwicklungsschritt ist.“ (Int12, B13, 380–387)
Professionalisierungsprozesse und Professionalisierungsbedarfe von Lehrkrä en 209
3.4 Diskussion: kooperative Ansätze der Professionalisierung im Rahmen
demokratischer Schulentwicklung
Die Forschungsergebnisse zu den Professionalisierungsprozessen und Professionali-
sierungsbedarfen von Lehrkrä en im Rahmen des hier vorgestellten demokratischen
Schulentwicklungsprojekts in Oberösterreich unterstützen die theoretischen Diskur-
se und vorliegenden empirischen Befunde zu den Potentialen kooperativer Ansät-
ze der Professionalisierung in der Lehrer*innenbildung. Die Akteur*innen beschrei-
ben die positiven Wirkungen von LdE-Projekten dabei insbesondere auf den Ebenen
der Beziehungen (zu Schüler*innen sowie zwischen Kolleg*innen), der Kooperation im
Team sowie der Schulkultur. Sie erkennen die Notwendigkeit einer veränderten Leh-
rer*innenrolle und haben erste positive Erfahrungen mit den Auswirkungen partizi-
pativer und demokratischer Lernansätze auf das Lernen der Schüler*innen gemacht.
Darüber hinaus betonen sie die Bedeutung einer gemeinsamen Zielsetzung für die
Schulentwicklung.
Die Befragten berichten zudem von Räumen des kollegialen Austauschs, die vor
dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen als „Communities of Practice“ inter-
pretiert werden können. Die Akteur*innen lernen laut eigener Aussage nicht nur in for-
malen Fortbildungsformaten, sondern in informellen Settings voneinander und greifen
dabei auch auf implizites Wissen zurück. Im Kontext dieser kooperativen und kollek-
tiven Lernprozesse sehen sich die Akteur*innen jedoch auch mit zahlreichen Heraus-
forderungen konfrontiert. Um eine Kultur der kooperativen Professionalität nachhaltig
im Kollegium zu verankern, müssten daher ihrer Ansicht nach noch mehr Kolleg*in-
nen für die gesellscha lich engagierte Projektarbeit mittels LdE gewonnen werden. Das
heißt, es bedür e zusätzlicher begleitender Prozesse kooperativer, kollegialer Professio-
nalisierung. Hier erö net sich eine zukün ige Forschungsperspektive, welche die Ge-
lingensbedingungen für kooperative Professionalisierung genauer untersuchen müsste.
Die vorliegenden Forschungsergebnisse geben jedoch erste Hinweise darauf, dass zu-
kün ige kooperative Lerngemeinscha en ein ‚Hineinwachsen‘ im Sinne eines Prozesses
der Enkulturation ermöglichen und eine Orientierung an den eigenen Stärken und In-
teressen zulassen sollten. Zudem erscheint wichtig, dass die Mitarbeit intrinsisch moti-
viert und freiwillig ist und von einem*r erfahrenen Kolleg*in koordiniert wird. Darüber
hinaus bieten in dieser Weise verstandene Prozesse kooperativer Professionalisierung
o ensichtlich Raum für verschiedene Rollen an, bzw. sind möglicherweise sogar auf
diese angewiesen. Auf Basis der vorliegenden Daten lassen sich hier beispielsweise die
Rollen der „Macher“, der „innovativen Masterstudierenden“, der „erfahrenen Koordina-
tor*innen“ sowie der in die gesellscha lich engagierte Projektarbeit „Hineinwachsen-
den“ rekonstruieren. Eine weitere zentrale Rolle kommt schließlich auch den „externen
Unterstützer*innen“ zu. Angesprochen sind hier insbesondere die Hochschulen als Orte
lebenslangen Lernens, was auf das konstitutive Wechselverhältnis von Lehrer*innenaus-
und Weiterbildung verweist. Aber auch externe Fachexpert*innen, Schulentwicklungs-
berater*innen, passgenaue Fortbildungsangebote oder Mitglieder anderer Schulen bzw.
Netzwerke werden als wertvolle Ressourcen der Unterstützung genannt. Sie scheinen
eine (notwendige) Ergänzung zu den Formen interner und selbstorganisierter koope-
Claudia Fahrenwald und Norina Müller
210
rativer Professionalisierung darzustellen, die sich allein auf die Wissensbestände und
Erfahrungen innerhalb der Schule und des Kollegiums stützen. Zugleich stärken die-
se externen Kooperationen die forschende Haltung der schulischen Akteur*innen, da
sie unter Rückgri auf verschiedene Ressourcen gemeinsame Lösungsansätze für He-
rausforderungen entwickeln. Letztlich verdeutlichen die Daten auch eindringlich, dass
schulische Entwicklungsarbeit – in traditionellen wie innovativen, kooperativen For-
maten – auf materielle Ressourcen und exible, jedoch gesicherte Rahmenbedingungen
angewiesen ist, ohne die sich keine Freiräume für die individuelle wie organisationa-
le Weiterentwicklung etablieren können. Diese Ressourcensicherheit als Bedingung für
gelingende Professionalisierungsprozesse scheint in den bestehenden Ansätzen koope-
rativen Lernens bisher zu wenig berücksichtigt.
4. Fazit: Perspektiven für eine zukünftige Professionalisierung von
Lehrkräften im Rahmen demokratischer Schulentwicklung
Im abschließenden Fazit sollen nun nochmals die zentralen Ergebnisse zum ema
Professionalisierung von Lehrkrä en im Rahmen demokratischer Schulentwicklung auf
der Grundlage von eorie und dargelegten empirischen Befunden zusammengefasst
und systematisiert werden:
– Von aktuellen Ansätzen demokratischer Schulentwicklung wird der vorherrschende
technokratische Schulentwicklungsdiskurs o mals kritisiert, da er die handelnden
Subjekte zu wenig als (Mit-)Gestalter*innen von Lernprozessen einbezieht.
– Übereinstimmend fordern aktuelle Debatten zur Professionalisierung von Lehrkräf-
ten die aktive Mitgestaltung von Lernprozessen im Rahmen kooperativer Settings
(professionelle Lerngemeinscha en, Communities of Practice, kooperative Profes-
sionalität).
– Die im Rahmen des vorgestellten Forschungs- und Entwicklungsprojekts zur demo-
kratischen Schulentwicklung gewonnenen Untersuchungsergebnisse bestätigen die-
se in den theoretischen Diskussionen geäußerten Forderungen mehrheitlich, indem
sie sich mehr Spielräume für ein eigenständiges Agenda-Setting an den einzelnen
Schulstandorten wünschen, das sich an den Interessen, Stärken und Visionen der
Schüler*innen und Lehrkrä e vor Ort orientiert und gleichzeitig ausreichende ma-
terielle Ressourcen und zusätzliche Unterstützung vonseiten der Bildungsadminist-
ration und der Hochschulen bereitstellt.
Demokratische Schulentwicklung impliziert somit auch eine Perspektive für die
(potenzielle) Demokratisierung von Professionalisierungsprozessen von Lehrkräf-
ten im Rahmen kooperativer Lernsettings, die auf kollektiv-impliziten Wissensbe-
ständen au auen und Professionalisierung nicht lediglich auf individuell-kognitiven
Wissenserwerb reduzieren, sondern als einen kollektiven Prozess der Enkulturation
und Transformation begreifen. Das im Hinblick auf die gegenwärtigen Professio-
nalisierungsangebote von den befragten Lehrkrä en o mals geäußerte Gefühl der
‚Fremdbestimmung‘ vonseiten der Bildungsadministration durch bspw. Vorgaben
zu Schwerpunkten von Fortbildungen könnte somit durch den Au au, die Unter-
Professionalisierungsprozesse und Professionalisierungsbedarfe von Lehrkrä en 211
stützung und die Weiterentwicklung von stärker selbstbestimmten, ressourcenorien-
tierten und kooperativen Lernangeboten im Zuge demokratischer Schulentwicklung
überwunden und auf der Grundlage aktueller wissenscha licher Diskussionen in
eine zeitgemäße Lehrer*innenfort- und -weiterbildung überführt werden.
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Strukturelle und regionale
Beeinflussungsfaktoren im Kontext
der Lehrer*innenbildung
Christian Kraler, Claudia Schreiner, Susanne Roßnagl, Livia Jesacher-Rößler
und Fred Berger
Lehrer*innenbildung zwischen lokalen und nationalen
Strategien: Professionalisierungsprozesse über regionale
Strukturen
Zusammenfassung
Im vorliegenden Beitrag wird anhand einer implementierten Modellregion diskutiert, wie
Lehrer*innenbildung – insbesondere die Aus- und Fortbildung – von regionalisierten schul-
form- und standortübergreifenden Bildungsprojekten pro tieren kann. Auf regionaler Ebene
bilden sich bedingt durch spezi sche Geographien (Flächenregion, Talregion, Stadt …) Dy-
namiken der Schulformübergänge, Zusammenarbeit zwischen Schulen und Schultypen sowie
mit außerschulischen Akteuren, der Wirtscha , Kultur und Politik, in konkreter, der Region
entsprechender Weise ab. Die Komplexität des Bildungssystems wird damit für Lehramtsstu-
dierende konkret fassbar. Die regionale Nähe ermöglicht es, Fortbildung an einen konkreten
regionalen Bedarf zu binden. Diese Struktur scha multiperspektivische Erkenntnispoten-
ziale für die Professionalisierung. Im Beitrag wird konkret auf drei Aspekte eingegangen,
die Region als Projektort der Lehrer*innenausbildung, die gemeinsame schulen- und schul-
formübergreifende Fortbildung von Lehrkrä en der Region sowie die Bedeutung der Schul-
leitung. Zentrales Ergebnis der verschiedenen Perspektiven ist, dass die Komplexität von
Bildung auf regionaler Ebene besonders gut konkretisierbar und schulstandort- sowie schul-
formübergreifend für die Professionalisierung von Lehrkrä en nutzbar gemacht werden
kann.
Schlüsselwörter: Professionalisierung, Lehrer*innenbildung, Bildungsregion, Bildungsakteure
Abstract
In this paper, we discuss how professionalization in teacher education can bene t from re-
gionalized projects across school types and individual schools. Due to the speci c geography
(remote region, valley, town, …), dynamics of transitions to di erent school types, collabora-
tion between schools and school types as well as with stakeholders outside of the school sys-
tem (economy, culture, and politics), are reproduced in a concrete way in accordance with
the region. us, the complexity of the education system becomes tangible for teacher stu-
dents. e regional proximity allows to tie professional development down to speci c region-
al needs. is structure creates regionalized multi-perspective knowledge highly relevant in
the context of teacher professionalization. We discuss three speci c aspects, the region as
project venue for teacher training, collaborative professional development across individual
schools and school types for teachers in the region, and the relevance of school leadership in
the context of professionalization. Together, these perspectives make complex processes and
contents of (teacher) education speci cally tangible, e specially in order to be utilized for pro-
fessional teacher development.
Keywords: Professionalization, teacher education, regional school development, stakeholders
in education
Christian Kraler, Claudia Schreiner, Susanne Roßnagl, Livia Jesacher-Rößler und Fred Berger
216
1. Einleitung: Professionalisierung in der Lehrer*innenbildung
Ein Blick auf die Zeit von den 1990er Jahren bis heute zeigt grundlegende Bewegungen
in der Perspektive auf die Lehrer*innenbildung. Standen zur Jahrtausendwende Schü-
ler*innen und deren Leistungen – zunehmend auch international (TIMSS, später PIRLS
und PISA) – im Fokus, erweiterte sich die Perspektive insbesondere knapp nach der
Jahrtausendwende zuerst auf die Lehrer*innenausbildung (Oser & Oelkers, 2001; Blö-
meke, Reinhold, Tulodziecki & Wildt, 2004; Nolle, 2004), dann breit auf Lehrpersonen
im Beruf (vgl. etwa Stadler, Ostermeier & Prenzel, 2007) und schließlich auch auf Leh-
rerbildner*innen (Swennen & van der Klink, 2010). Dieser Fokus der Aufmerksamkeit
sowohl aus bildungspolitisch-gesellscha licher wie auch wissenscha licher Sicht wurde
von „Außen“ an das Feld der Lehrer*innenbildung und des Lehrberufs herangetragen,
wenn etwa Delors (1998) für die UNESCO grundsätzlich feststellte:
„ e importance of the role of the teacher as an agent of change, promoting
understanding and tolerance, has never been more obvious than today. It is
likely to become even more critical in the twenty- rst century. e need for
change […] places enormous responsibilities on teachers […].“ (S.141f.)
Verbunden hat Delors (1998, S.146) das mit der Frage nach der Qualitätsentwicklung
in der Lehrer*innenbildung insgesamt. Parallel hierzu entfaltete sich seit den späten
1990er Jahren ein Professionalisierungsdiskurs zum Lehramt bzw. zur Lehrer*innen-
bildung (vgl. Kraler, Bacher & Schreiner, 2022; Helsper, 2020; Zlatkin-Troitschanskaia,
Beck, Sembill, Nickolaus & Mulder, 2009a). Stellte man, basierend auf traditionellen so-
ziologischen Kriterien, den Professionsstatus des Lehrberufs in den 1990er Jahren noch
in Frage – man sprach von einer Semiprofession (Terhart, 1998) – so hat sich ein ter-
minologisches und konzeptionelles Verständnis des Berufsstands als Profession spätes-
tens seit den 2010er Jahren etabliert (Dodillet, Lundin & Krüger, 2019; Zlatkin-Troit-
schanskaia, Beck, Sembill, Nickolaus & Mulder, 2009b).
Bemerkenswerterweise wurde der Terminus Professionalisierung im Kontext der
Lehrer*innenbildung bereits zu einer Zeit verwendet, als die Diskussion um den Sta-
tus des Berufsstands noch o en war (Popkewitz, 1994; Terhart, 1996). Logisch und ter-
minologisch dür e damit bereits Mitte der 1990er Jahre die Richtung in dem Sinn vor-
gegeben gewesen sein, dass eine Profession sich auf dem Weg zu eben diesem Status
„professionalisiert“ (Fried, 2002). Als äußeres Zeichen des einschlägigen wissenscha li-
chen Diskurses kann die Betitelung eines Handbuchs mit „Lehrprofessionalität. Bedin-
gungen, Genese, Wirkungen und ihre Messung“ (Zlatkin-Troitschanskaia et al., 2009a)
gewertet werden. Die aktuellen facheinschlägigen wissenscha lichen Handbücher re-
ferenzieren Profession, Professionalität und Professionalisierung bezogen auf die Leh-
rer*innenbildung durchgängig.
Der vorliegende Beitrag folgt der von weiten Teilen der Scienti c Community ge-
teilten Charakterisierung der Operationalisierung von Professionalität über kognitive
und performative Kompetenzen als über die Aus- und Fort- bzw. Weiterbildung zu er-
werbende berufsspezi sche Dispositionskonstellationen (Zlatkin-Troitschanskaia et al.,
2009b, S.14). Im Folgenden gehen wir am Beispiel der Frage nach, wie Professiona-
Lehrer*innenbildung zwischen lokalen und nationalen Strategien 217
lisierung über das Berufskontinuum hinweg im Rahmen einer schulischen Modellre-
gion (Kraler & Rößler, 2016) auf regionaler Ebene realisiert werden kann. Hinsichtlich
grundlegender theoretischer bzw. curricular-inhaltlicher wie struktureller Konzeptua-
lisierung der Professionalisierung in der Lehrer*innenbildung sei auf die inzwischen
reichhaltige Fachliteratur verwiesen.
Der Prozess der Professionalisierung bezieht sich sowohl auf die individuelle beruf-
liche Entwicklung der einzelnen Lehrperson (Schmidt-Hertha, 2020) wie auch auf den
Berufsstand als Ganzes (Reinisch, 2009) über die Zeit. Kategorial haben wir es damit
mit den Dimensionen Zeit, Individuum, Berufsstand und Inhalt zu tun. Diese bedin-
gen einander wechselseitig in vielfacher Weise, wie schon die Geschichte der Lehrer*in-
nenbildung veranschaulicht (Depaepe, 2011). Da dem Beruf heute allgemein der Sta-
tus einer Profession zugesprochen wird, verp ichtet ihn das, sich vor dem Hintergrund
neuer Erkenntnisse weiter zu professionalisieren. Dies gilt umso mehr für eine wissen-
scha sbasierte Ausbildung wie die von Lehrpersonen (Groß Opho & Pant, 2020).
Praktisch und konkret stellen sich mit dem Status der Profession und dem individu-
ellen wie kollektiven Prozess der Professionalisierung mehrere Fragen. Die inhaltlichen
Überschneidungen in den genannten Dimensionen lassen sich hinsichtlich des vorlie-
genden Beitrags in sechs klassische W-Fragen überführen:
Wer wird professionalisiert?
Dies bezieht sich auf das betro ene Individuum und die Profession als Ganzes. Das In-
dividuum professionalisiert sich berufslebenslang. Die Profession entwickelt sich über
ihren eigenen Professionalisierungsprozess von innen heraus sowie von äußeren Fakto-
ren angeregt laufend (weiter).
Was ist inhaltlich konkret gemeint?
Diese Frage bezieht sich auf die Lehrer*innenbildung in ihrer ganzen inhaltlichen Brei-
te (Kraler et al., 2022). Hier zeigt sich insbesondere die inhaltliche inter- und multidis-
ziplinäre Grundlegung der Lehrer*innenbildung. Fachwissenscha en (z. B. von diesen
abgeleitete Schulfächer wie Mathematik, Geschichte usw.), primäre (z. B. Erziehungs-
wissenscha , Psychologie) und sekundäre Bezugsdisziplinen (z. B. Soziologie) und die
grundständig integrierten Bereiche wie Fachdidaktiken, Schulpädagogik sowie die sich
seit den 2000er Jahren bzw. der zweiten empirischen Wende in einem gewandelten Ver-
ständnis formierten Bildungswissenscha en (Terhart, 2013).
Wann?
Die Frage hat einen doppelten Bezug, auf die Disziplin als Ganzes und das Individu-
um. Hinsichtlich ersterer spricht man seit den späten 1990er Jahren zuerst von der Pro-
fessionalisierung (Fort- und Weiterbildung). In weiterer Folge (s.o.) wurde dem Berufs-
stand schließlich der Status einer Profession zugesprochen. Diese entwickelt sich seither
als Profession laufend, über die Zeit, im Sinn eines o enen Prozesses inhaltlich und
strukturell weiter. Für die Mitglieder der Profession gilt das Konzept des lebenslangen
berufsbegleitenden Lernens, also die fortlaufende Weiterprofessionalisierung über die
gesamte Berufskarriere (Coolahan, 2002).
Christian Kraler, Claudia Schreiner, Susanne Roßnagl, Livia Jesacher-Rößler und Fred Berger
218
Warum „Professionalisierung“?
Forschungsbefunde und Berufsrealität begründen es mit der zunehmenden Komplexi-
tät des Berufsalltags, die eine vertie e, forschungs- und praxisfundierte Aus- und Wei-
terbildung bedingt.
Wo?
Aus- sowie Fort- und Weiterbildung spezi zieren hierzu Institutionen bzw. Angebo-
te. Hinsichtlich der Grundausbildung ist die Situation international relativ einheitlich:
Orte sind Universitäten bzw. vorrangig auf die Lehrer*innenbildung spezialisierte Ein-
richtungen (wie etwa die Pädagogischen Hochschulen in Österreich). Der Professiona-
lisierungsprozess führt jedoch auch hier zunehmend zu interinstitutionellen Strukturen
(de Boer, Fahrenwald & Spies, 2018; Kraler, Reich, Fügenschuh & Schöpf, 2019). Hin-
sichtlich der weiterführenden, berufsbegleitenden Professionalisierung bestehen zwar
teilweise gesetzliche Regelungen hinsichtlich spezi scher institutioneller Anbindungen
(z. B. in Österreich über die Pädagogischen Hochschulen), de facto bedingt jedoch die
multidisziplinäre Anlage des Berufs ein breites Angebotsfeld, das sich allenfalls durch
dessen akademische Grundierung auszeichnet.
Wie?
Im „Wie“ spiegelt sich sichtbar, dass es sich bei der Lehrer*innenbildung um eine Pro-
fession in statu nascendi handelt. Durchführungsmodi sind vielfältig und noch weit
entfernt von einer Standardisierung. Der erste systematisierende Überblicksband zur
Lehrer*innenfortbildung etwa erschien erst 2010 (Müller, Eichenberger, Lüders & Mayr,
2010).
Auf den ersten Blick mögen diese „Diagnosen“ eine schwer zu systematisierende
Hyperkomplexität der Lehrer*innenbildung nahelegen. Sie ist jedoch Teil des forma-
len Bildungssystems. Dieses zeichnet sich konstitutiv durch vielfältige und komplexe
fachspezi sche, gesellscha liche, politische, wirtscha liche, technologische (um nur ei-
nige zu nennen) Wechselwirkungsmechanismen, Abhängigkeiten und Zusammenhän-
ge aus. Direkt sichtbar wird die sich einer vordergründigen Systematisierung entziehen-
de Komplexität von Professionalisierungsfragen im unmittelbaren Berufsfeld, etwa an
Schulstandorten.
Grundsätzlich kann man die Frage stellen, ob Komplexität und Vielschichtigkeit als
Nachteil, Entwicklungsde zit oder vielmehr als Stärke und Potenzial zur Professionali-
sierung zu interpretieren sind. An dem Punkt und mit diesem Zugang setzt auch das
im vorliegenden Beitrag vorgestellte Projekt zur Professionalisierung in der Lehrer*in-
nenbildung über regionale Bildungsstrukturen an.
Der Beitrag konzentriert sich in den folgenden Abschnitten auf die Bildungsregion
als Feld zur Professionalisierung des Lehrer*innenberufs aus verschiedenen Perspek-
tiven. In Abschnitt 2 wird der Kontext des Modellregion-Projekts kurz dargestellt. In
Abschnitt 3 wird die Einbindung der Gruppe Lehramtsstudierender ins Projekt darge-
stellt. Abschnitt 4 diskutiert die Perspektive von Lehrkrä en im Schuldienst und Ab-
schnitt 5 die Rolle von Schulleiter*innen im Professionalisierungsprozess. Damit ist das
Lehrer*innenbildung zwischen lokalen und nationalen Strategien 219
Kontinuum von Auszubildenden über im Beruf Stehende hin zu leitenden Lehrkrä en
regionsbezogen, schulartübergreifend dargestellt. Die ematik wird in den folgenden
drei Abschnitten 2 bis 5 methodologisch über unterschiedliche Perspektiven dargestellt;
in Abschnitt 3 über eine Deskription des spezi schen Handelns (Projektbeschreibung),
in Abschnitt 4 über eine quantitative empirische Analyse, in Abschnitt 5 über eine de-
skriptiv-heuristische Diskussion.
2. Professionalisierung in der Lehrer*innenbildung auf regionaler
Ebene
Professionalisierungsprozesse gestalten sich aktuell vielfältig, was zeitliche, örtliche, in-
haltliche und didaktische Aspekte betri . Beides tri zudem auf die Angebots- wie
Rezipient*innenseite zu. Der Bogen spannt sich hierbei von schulbezogenen Formaten
über schulfachbezogene bis hin zu nationalen Veranstaltungen.
Im Rahmen eines schulartübergreifenden Modellregion-Projekts (Kraler & Rößler,
2016), das nachhaltige Bildungsprozesse in einer Region im Fokus hat, konnten Pro-
fessionalisierungsaktivitäten basierend auf der spezi schen und (aus unserer Sicht zu-
kun sweisenden) Projektstruktur realisiert werden. Im Kern geht es im Projekt darum,
wie individuelle Bildungsbiographien schulstufen- und schulartübergreifend im Kontext
der Entwicklung einer Region bestmöglich unterstützt werden können, mit dem Ziel,
den Bildungsprozess für das Individuum und die Region langfristig gesehen nachhal-
tig erfolgreich zu gestalten. Ein derartiges Projekt bedingt die Einbindung der Schulen
wie der regionalen Akteure (Bildungsverwaltung, Gemeinden, Wirtscha , Vereine …).
Fokus dabei ist „das lernende Individuum in der Region“ (vgl. dazu https://www.mbz-
tirol.at).
Im Rahmen des Projekts wurden verschiedenste Aus- und Fortbildungsmaßnahmen
realisiert (zu projektspezi schen Instrumenten wie Bildungsportfolios, Schulporträts,
Stärke-Tagen wie auch zu allgemeinen bildungspolitischen Vorgaben und Reformen).
Die Umsetzung der Maßnahmen erforderte ein inhaltliches wie strukturelles Planen,
Denken und Handeln über Schulstandorte, Schulformen, Fach-, und Bildungsakteurs-
grenzen hinweg.
In den folgenden Abschnitten werden zentrale Felder diskutiert, die im Zusammen-
hang mit dem Projekt spezi sche Lehrer*innenbildungsaktivitäten auf regionaler Ebe-
ne entfalteten.
3. Professionalisierung in der Lehrer*innenausbildung über Projekte
Das erste Feld bezieht sich auf die Professionalisierung von Studierenden im Rahmen
der Lehrer*innenausbildung. Die Phase der Ausbildung kann grundsätzlich als Beginn
eines berufslebenslangen Professionalisierungsprozesses angesehen werden (Schmidt-
Hertha, 2020). Hier gilt es, die Grundlagen für berufslebenslanges Lernen, für Re e-
xionsfähigkeit und eine Sensibilität für die Beziehung zwischen den verschiedenen Be-
Christian Kraler, Claudia Schreiner, Susanne Roßnagl, Livia Jesacher-Rößler und Fred Berger
220
zugswissenscha en und der eigenen Tätigkeit als Lehrperson zu scha en. Im Kontext
der Arbeit in und mit der Modellregion wurde versucht, über diesen eher vorbereiten-
den, vom Schulalltag teilweise losgelösten Modus hinaus einen Konnex zu regionaler
Professionalisierung und schulischer Qualitätsentwicklung herzustellen. Dabei sollten
die Studierenden für eine gewisse Zeit Teil des Professionalisierungsprozesses sein und
durch ihre Arbeit im Rahmen einer universitären Lehrveranstaltung die Qualitätsent-
wicklung in der Region unterstützen. Ziel war, eine Brücke zwischen der eigenen Pro-
fessionalisierung im Zuge der Ausbildung und der kontinuierlichen Entwicklung von
Individuen, Schulen und der Region im Feld zu schlagen. Gleichzeitig sollten Lerngele-
genheiten für die Studierenden gescha en werden, die eine „Beschä igung mit oder in
Forschung“ (Groß Opho & Pant, 2020) ermöglichen.
Zur Realisierung dieses Vorhabens wurde die Verbindung mit der Modellregion Bil-
dung Zillertal in der Umsetzung eines Forschungspraktikums im Masterstudium Lehr-
amt Sekundarstufe genutzt. Ziel der Lehrveranstaltung ist die Begleitung der Studieren-
den bei der Umsetzung eines umfangreichen Entwicklungsprojekts im Kontext formaler
Bildung. Wie bei allen Praktika im Lehramtsstudium sind die Studierenden für den
schulpraktischen Teil Schulen zugewiesen. Idealtypisch verbringen Sie vergleichsweise
viel Zeit an diesen Schulen, zur Planung und Umsetzung des Entwicklungsprojekts so-
wie der Absolvierung der im Studienplan zusätzlich vorgesehenen 5–10 Unterrichts-
einheiten selbstständigen Unterrichtens inklusive einer systematischen Evaluation der
eigenen Unterrichtstätigkeit (vgl. Curriculum für das Masterstudium Sekundarstufe
Allgemeinbildung der Universität Innsbruck). Das Vorhaben der Integration der Stu-
dierenden in die Entwicklungsprozesse in der Modellregion wurde in mehreren Se-
mestern umgesetzt. Da ein wesentlicher Teil davon durch Covid-19-bedingte Beschrän-
kungen geprägt war, variierte in der Realität das Ausmaß tatsächlicher Anwesenheit
an den Schulen in der Region von sehr intensiver Arbeit etwa in Form von systemati-
schen Unterrichtsbeobachtungen bis zur völlig von den Schulen losgelösten Durchfüh-
rung im Sommersemester 2020 im Modus eines Emergency Remote Teachings (Zakraj-
sek, 2020).
Die konkrete Umsetzung in den einzelnen Seminargruppen folgte unterschiedli-
chen methodologischen Zugängen und basierte auf verschiedenen inhaltlichen Fokus-
sierungen. Allen Umsetzungsvarianten gemeinsam war, dass (1) die thematische Aus-
richtung aus den Entwicklungsvorhaben und -themen der Region bestimmt war, sodass
die Arbeit der Studierenden Relevanz für die Akteure in der Region besitzt; dass (2)
wissenscha liche Methoden zur Informationsgewinnung und -verarbeitung angewen-
det wurden und (3) der Prozess in Produkte mündete, die wesentliche Erkenntnisse an
die Schulen der Region zurückspielten.
So beschä igte sich eine Gruppe mit dem Phänomen Lernbegleitung, damit, was
Lernbegleitung ausmacht und wie sich die Manifestation des Phänomens Lernbeglei-
tung im Unterricht beobachten lässt. Eine andere Gruppe führte Gruppendiskussionen
mit Schüler*innen in Polytechnischen sowie berufsbildenden Schulen, um die Erfah-
rungen der Jugendlichen beim Übertritt in die weiterführenden Schulen zu beforschen.
Mithilfe von Entwicklungsporträts für die einzelnen Schulen (Benk, 2010), die aus Do-
kumentenanalysen und Interviews am Schulstandort gespeist wurden, wurde von einer
Lehrer*innenbildung zwischen lokalen und nationalen Strategien 221
weiteren Gruppe die Ausgangsbasis für eine stärkenorientierte Schulentwicklung unter-
stützt. Zwei andere Gruppen arbeiteten mit quantitativen Daten aus Fragebogenerhe-
bungen, die im Zuge der wissenscha lichen Begleitung der Modellregion durchgeführt
worden waren. Eine Gruppe bereitete die Ergebnisse einer ächendeckenden Schü-
ler*innenbefragung zu lernprozessbegleitender Diagnose und Lernbegleitung in Form
von Schulberichten für die einzelnen Schulen auf. Eine andere Gruppe arbeitete mit
den Daten einer Lehrer*innenbefragung zu Lernbegleitung sowie Professionalisierung
und Schulleitungshandeln auf regionaler Ebene.
Ein zentrales Element aller Studierendenarbeiten war es, gewonnene Erkenntnisse
für die Akteure in der Region aufzubereiten und mit diesen zu bearbeiten. Das Feld
Schule sollte nicht vorrangig als Datenlieferant für die Forschungsarbeiten im univer-
sitären Seminar dienen, sondern als wesentliche Zielgruppe der Forschungsbefunde in
die Ergebnisdiskussion einbezogen werden. Die Produkte reichten von schri lichen
Rückmeldeberichten an Schulen bzw. die Region über Poster mit den Porträts der ein-
zelnen Schulen bis zu von den Studierenden (mit-)gestalteten – auf Grund der Umstän-
de teils virtuellen – Vernetzungstre en der Schulleitungen der Region.
Diese Verbindung zwischen wissenscha licher Begleitung einer Region und der uni-
versitären Ausbildung und damit der Professionalisierung von angehenden Lehrperso-
nen beinhaltet verschiedene Lerngelegenheiten und Re exionsräume für die Studieren-
den, aber auch Herausforderungen und Limitationen. Zentrale Schlussfolgerungen aus
der Professionalisierungsarbeit mit Studierenden lassen sich in den folgenden Punkten
zusammenfassen:
–Vom Ausprobieren zur Arbeit mit Konsequenzen: Steht bei den Schulpraktika im
Rahmen des Bachelorstudiums im Zentrum, Lerngelegenheiten und Erfahrungs-
räume für die Studierenden zu scha en, zielt das Entwicklungsprojekt im Master-
studium auf ein Produkt ab, das für die Schulen (bzw. in unserem Fall auch die
Region) nutzbar ist. Damit werden nicht unbedingt Lern- und Entwicklungsmög-
lichkeiten der Studierenden eingeschränkt, die Zielstellung der Arbeiten im Prakti-
kum wird aber deutlich erweitert. Die Wahrnehmung, etwas zu produzieren, was je-
mand außerhalb des Seminarraums nutzen möchte, wird von den Studierenden als
durchwegs positive Erfahrung beschrieben. Gleichzeitig steigt der Druck, es wird
„ernster“. Dies kann als Ausdruck der steigenden Verantwortungsübernahme durch
die Studierenden gegen Ende des Studiums gewertet werden.
–Rolle der Studierenden: Die wissenscha liche Begleitung der Modellregion Bildung
Zillertal folgt einem spezi schen Zugang zur Beziehung zwischen den Forschen-
den der Universität und den Akteuren in der Region. Es handelt sich um eine Zu-
sammenarbeit, die von Wertschätzung und gegenseitiger Anerkennung der Experti-
se des jeweils anderen geprägt ist. Im Rahmen der Arbeit in der Lehrveranstaltung
werden die Studierenden temporär Teil des universitären Teams, gleichzeitig sind sie
sich – und auch die Lehrpersonen an den Praxisschulen – über ihre Rolle als (noch)
Auszubildende bewusst. Diese Ambivalenz besteht und mit ihr müssen alle Beteilig-
ten umgehen.
–Forschungszugänge und die Nutzung wissenscha licher Befunde im Kontext der schu-
lischen Qualitätsentwicklung: In den Entwicklungsprojekten spielen wissenscha li-
Christian Kraler, Claudia Schreiner, Susanne Roßnagl, Livia Jesacher-Rößler und Fred Berger
222
che Methoden, Strategien der Datenau ereitung sowie die Interpretation von Be-
funden eine wesentliche Rolle. Bei der Au ereitung der Daten geht es i.d.R. um
deren Zusammenfassung und Verdichtung. Das gilt etwa für die Verdichtung von
umfangreichen Informationen in Form von Schulporträts wie für die auf Regions-
ebene aggregierte Darstellung der Fragebogendaten. Die Wechselwirkung zwischen
der Notwendigkeit zu verdichten (um Informationen erfassbar zu machen) und dem
Erfordernis von Detailliertheit (um die Aussagekra der Ergebnisse möglichst hoch
zu halten), stellte die Studierenden vor Herausforderungen. Gleichzeitig bieten die
damit zusammenhängenden Entscheidungsprozesse wertvolle Re exionsräume.
–Data Ownership und Interpretationshoheit: Die Interpretation von Ergebnissen, da-
mit diese Bedeutung erlangen können, ist im Kontext evidenzorientierter Qualitäts-
entwicklung ein Spezi kum. Auch wenn wie hier in den Studierendenprojekten die
Datengewinnung und -au ereitung nicht durch die Schulleitungen und Lehrper-
sonen vor Ort erfolgt, liegt es an ihnen, die Ergebnisse vor dem Hintergrund der
konkreten Bedingungen der Region re ektierend zu interpretieren. Nur sie verfü-
gen über das standort- und regionsspezi sche Wissen, um die Daten durch die Ein-
bettung in den Kontext mit Bedeutung anzureichern und aus Informationen durch
Vernetzung und Praxisbezug handlungsrelevantes Wissen zu generieren (Schratz et
al., 2019). Diese Gratwanderung zwischen der Verantwortungsübernahme für das
Produkt (z. B. Regionalbericht) und der Verantwortungsabgabe an die Akteure in
der Region für die Interpretation der Ergebnisse ist eine weitere Herausforderung.
–Skalierbarkeit des Ansatzes: Eine wesentliche Limitation des Vorgehens besteht dar-
in, dass die hier beschriebenen Erfahrungs- und Re exionsräume für die Studieren-
den nur im Kontext eines konkreten Forschungsprojekts, das spezi sch mit Quali-
tätsentwicklung auf Schul- und Regionsebene zu tun hat, auf die hier beschriebene
Art gescha en werden konnten.
Das Arbeiten der Studierenden in der Praxis für die Praxis führte insgesamt zu einer
positiven Einschätzung der eigenen Relevanz und Selbstwirksamkeit für das spätere Be-
rufsfeld. Die durchgängig wissenscha smethodologische Anlage der Seminarprojekte
verstärkte die Entwicklung der Wahrnehmung der eigenen Profession als wissenscha s-
basiert. Konkretes Projekt, Praxisrelevanz und Wissenscha sbasierung scha en derge-
stalt einen Erfahrungsraum von Lerngelegenheiten in der professionstheoretisch zentra-
len Übergangsphase vom Ausbildungsende hinein in den Beruf.
4. Befunde zur Professionalisierung von Lehrkräften durch die Nutzung
kollegialer Lerngelegenheiten
Auf bereits im Beruf stehende Lehrpersonen bezieht sich das zweite hier diskutierte
Professionalisierungsfeld der Bildungsregion. Das folgende Beispiel zeigt exemplarisch,
wie im Projekt zur Modellregion praxisorientierte Professionalisierungsfacetten for-
schungsbasiert erhoben, analysiert und in der Folge – was nicht mehr Teil der vorlie-
Lehrer*innenbildung zwischen lokalen und nationalen Strategien 223
genden Vorstellung ist – an die Betro enen über Berichte, Veranstaltungen und Fortbil-
dungen wieder zurückgespielt werden.
Forschungsarbeiten zur beru ichen professionellen Entwicklung beschä igen sich
bislang wenig mit Lernprozessen und individuellen Unterschieden in Bezug auf die
Nutzung von Lerngelegenheiten (Kunter, Kleikmann, Klusmann & Richter, 2011; Roß-
nagl, 2017). Auch die Lehrer*innenkooperation wird im Lehrberuf nur spezi sch the-
matisiert (Trumpa, Franz & Greiten, 2016). In der Modellregion wurde die ematik
über ein Teilprojekt mittels einer Lehrer*innenbefragung aufgegri en. Die Frage war,
welchen Ein uss der Schulkontext, persönliche Voraussetzungen und der Fortbildungs-
erfolg auf die Nutzung von kollegialen schulinternen Lerngelegenheiten als Element der
Professionalisierung haben. Das Rückspielen der Ergebnisse liefert einen regionsspezi-
schen Fingerprint der untersuchten Zusammenhänge, in denen sich die Betro enen
wieder nden/-erkennen und gleichzeitig dies als Ausgangspunkt für gewünschte/not-
wendige professionsspezi sche Entwicklungen und konkrete Maßnahmen nutzen kön-
nen.
Unter Kooperation wird in der Literatur Zusammenarbeit verstanden, um gemein-
sam Aufgaben zu erledigen und Ziele zu erreichen (Trumpa et al., 2016). Als theo-
retische Modelle für diese Analysen dienen das „Erweiterte Modell zur Erklärung
beru ichen Lernens von Lehrpersonen im Rahmen von Fort- und Weiterbildungsmaß-
nahmen“ (Lipowsky, 2014) sowie das Modell der Determinanten und Konsequenzen
der professionellen Kompetenz von Lehrkrä en (Kunter et al., 2011, S.59).
Die Erhebung fand im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung im Zillertal im
März 2020 statt. Die Ad-hoc-Stichprobe besteht aus 334 Lehrpersonen, wovon 245
Frauen (75 %) und 83 Männer (25 %) Angaben zum Geschlecht machten. In Landes-
schulen unterrichteten 287 (89 %) und in Bundesschulen 36 (11 %) Lehrpersonen.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde ein lineares Regressionsmodell be-
rechnet (Programm R, Version 4.1.0). Als abhängige Variable diente die Nutzung von
schulinternen kollegialen Lerngelegenheiten. Als Prädiktoren wurden für den Schulkon-
text die Schulart als Dummy-Variable (1 = Bundesschule) und die Förderung der Nut-
zung von Lerngelegenheiten durch die Schulleitung verwendet. Für die persönlichen
Voraussetzungen dienten das Geschlecht als Dummy-Variable (1 = männlich) und für
den Allgemeinen Fortbildungserfolg der persönliche Lernertrag durch die Nutzung von
schulinternen kollegialen Lerngelegenheiten als Prädiktoren. In Tabelle 1 werden die
verwendeten Skalen deskriptiv beschrieben.
Christian Kraler, Claudia Schreiner, Susanne Roßnagl, Livia Jesacher-Rößler und Fred Berger
224
Tabelle 1: Skalenbeschreibung
Items MSD αBeispielitem (Skalierung)
Nutzung von schulinternen kolle-
gialen Lerngelegenheiten (Eigen-
entwicklung)
12 3.09 .73 .79 An gemeinsamen Besprechungen
teilnehmen, um die Vision und Mis-
sion der Schule zu besprechen
(1 = nie, … 5 = jede Woche)
Förderung der Nutzung von
Lerngelegenheiten durch Schul-
leitung (Klein & Bronnert-Härle,
2020)
5 4.02 .76 .83 Der/die Schulleiter*in erwartet von
uns, dass wir uns kontinuierlich
professionell weiterbilden
(1 = stimme überhaupt nicht zu,
… 5 = stimme voll und ganz zu)
Persönlicher Lernertrag durch die
Nutzung von schulinternen kolle-
gialen Lerngelegenheiten (Eigen-
entwicklung)
12 2.98 .58 .84 Diskussion und Koordination von
Differenzierungsansätzen über
verschiedene Fächer hinweg
(1 = niedrig, … 4 = hoch)
Bezüglich der Güte des Regressionsmodells (vgl. Tab. 2) zeigt sich eine hohe Varianz-
au lärung (R2adj.=.46), Normalverteilung der Residuen und keine Multikollinearität
der Prädiktoren.
Tabelle 2: Ergebnis der Regressionsanalyse
BSEβKI tp
Schulkontext:
Schulart (Bundesschulen)
Förderung der Nutzung von Lern-
gelegenheiten durch Schulleitung
–0.33
0.22
0.10
0.05
–0.74
0.21
[–0.94; –0.55]
[0.12; 030]
–7.43
4.64
<.001
<.001
Persönliche Voraussetzungen:
Geschlecht (weiblich) 0.08 0.07 0.13 [–0.01; 0.27] 1.83 .065
Allgemeiner Fortbildungserfolg:
Persönlicher Lernertrag 0.46 0.06 0.57 [0.45; 0.69] 9.50 <.001
R2(adj.) .46
Schulkontext: Lehrende an einer Bundesschule nutzen höchst signi kant weniger häu-
g schulinterne kollegiale Lerngelegenheiten. Wenn Direktor*innen die Nutzung von
Lerngelegenheiten fördern, werden schulinterne kollegiale Lerngelegenheiten häu ger
genutzt.
Persönliche Voraussetzungen: Weibliche Lehrkrä e nutzen schulinterne kollegiale
Lerngelegenheiten tendenziell häu ger.
Allgemeiner Fortbildungserfolg: Je höher der persönliche Lernertrag durch die Nut-
zung schulinterner Lerngelegenheiten eingeschätzt wird, desto eher werden solche
schulinternen kollegialen Lerngelegenheiten genutzt.
Als wesentlicher Ein ussfaktor für die Nutzung von schulinternen kollegialen Lerngele-
genheiten hat sich die Förderung derselben durch die Schulleitung gezeigt, womit vor-
liegende Befunde bestätigt werden (z. B. Harazd & Drossel, 2011; Ahlgrimm, 2010). In
Lehrer*innenbildung zwischen lokalen und nationalen Strategien 225
der vorliegenden Studie konnte festgestellt werden, dass Lehrende von Bundesschulen
kollegiale Lerngelegenheiten seltener nutzen. Dies bestätigt die Ergebnisse anderer Stu-
dien: je höher die Schulform, desto geringer die Kooperation (Kullmann, 2009; Harazd
& Drossel, 2011). Hinsichtlich des Geschlechts zeigt sich in dieser Studie, dass die vor-
liegenden, nicht eindeutigen Befunde (Maag Merki et al., 2010; Soltau, 2011; Fußan-
gel, 2008) auch hier zu keinem eindeutigen Ergebnis führten: Weibliche Lehrpersonen
tendieren eher zur Kooperation. Den stärksten Ein uss auf die Nutzung der kollegia-
len Lerngelegenheiten hat die Einschätzung eines hohen persönlichen Lernertrags, der
daraus gewonnen wird.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass eine fördernde Schulleitung, der persönli-
che Lernertrag und die Schulart Teilaspekte darstellen, die für die Professionalisierung
der Lehrpersonen (in der Modellregion) einen gewichtigen Beitrag leisten.
ematisch zugeschnittene Fortbildungsangebote für die Region, die von Lehrper-
sonen verschiedener Schulen und Schulformen gemeinsam besucht werden, scha en
hierfür Begegnungsräume. In diesen ndet Professionalisierung multiperspektivisch,
auf konkrete Fragestellungen bzw. Projekte bezogen und über das Kollegium der Ein-
zelschule hinaus statt. Die Teilnehmer*innen tragen die Erkenntnisse an ihre Schulen
zurück. Hier spielt die Schulleitung hinsichtlich der Integration derselben eine wichti-
ge Rolle.
5. Rolle von Schulleiter*innen im Professionalisierungsprozess
Mit dem Bildungsreformgesetz von 2017 (BMBWF, 2017) erfolgte eine stärkere Fokus-
sierung auf die Systemebene „Region“. Dieser Schwerpunkt schlug sich neben der Ein-
richtung von Schulclustern auch in einer Neustrukturierung der Aufsichtsbehörde (Bil-
dungsdirektionen) nieder, deren Kompetenz fortan in der Qualitätsentwicklung von
Bildungsregionen und nicht mehr jener einzelner Schulen liegen sollte. Damit ging eine
deutliche Verschiebung von Kompetenzen einher; weg von der Schulaufsicht und hin
zu den Schulleiter*innen. Im Zuge des Autonomiepakets, welches zentraler Bestandteil
des Bildungsreformgesetzes 2017 war, wurde den Schulleiter*innen neben der Zustän-
digkeit für die Personalauswahl auch die Verantwortung für die Professionalisierung
am Standort zugesprochen. Wurden Professionalisierungskonzepte vormals federfüh-
rend von den ehemaligen P ichtschulinspektor*innen koordiniert, obliegt diese Auf-
gabe nun den Schulleiter*innen in Kooperation mit den Pädagogischen Hochschulen.
Laut Schulleitungspro l (BMBWF, 2019) umfasst der Kompetenzbereich „Perso-
nalentwicklung von Lehrpersonen“ dabei drei Aspekte. Erstens liegt es in der Verant-
wortung der Schulleiter*innen Stärken und Schwächen ihrer Lehrer*innen zu kennen,
die mittels Unterrichtshospitationen bzw. durch Ergebnisse aus Leistungsüberprüfun-
gen der Schüler*innen erhoben werden können. Zweitens werden sie angehalten, durch
Entwicklungsgespräche „Entwicklungsmaßnahmen zu vereinbaren und zu evaluieren“
(ebd., S.13) und im Falle einer Nichtumsetzung auch „Konsequenzen zu setzen“. Drit-
tens zeichnen Schulleiter*innen dafür verantwortlich, neben der individuellen Förde-
rung auch Fort- und Weiterbildungen für das gesamte Kollegium zu organisieren und
Christian Kraler, Claudia Schreiner, Susanne Roßnagl, Livia Jesacher-Rößler und Fred Berger
226
diese ebenfalls zu evaluieren. Die Änderungen traten mit dem Schuljahr 2020/2021 in
Kra .
Vor diesem Hintergrund wurden die Schulleiter*innen in der Modellregion im März
2020 zur Professionalisierung von Lehrpersonen schri lich befragt. Ziel dabei war eine
Bestandsaufnahme der Perspektive der Schulleitungen in der Region hinsichtlich ihrer
Rolle im Kontext der Professionalisierung vor Inkra treten der Reform. Insgesamt nah-
men 26 Schulleiter*innen, 15 von Volks- und Sonderschulen, 7 von Mittelschulen sowie
4 von weiterführenden Schulen der Modellregion teil. 11 der Leiter*innen waren weib-
lich und 15 männlich. Die Leitungserfahrung der Befragten variierte, wobei mehr als
60 Prozent der Befragten über mindestens 16 Jahre Erfahrung verfügten.
Im Rahmen der neuen Verantwortlichkeiten wird von Schulleiter*innen zunehmend
gefordert, systematisch vorzugehen und Daten zu erheben, die es zulassen, die gesetz-
ten Maßnahmen zu evaluieren. In Anbetracht dessen wurden die Schulleiter*innen
nach Instrumenten zur Qualitätssicherung befragt. 20 der 26 befragten Schulleiter*in-
nen gaben an, systematisch zu evaluieren, welcher Bedarf für beru iche Weiterbildung
in ihrem Lehrkörper besteht. Allerdings hatten nur 9 Schulleiter*innen hierfür bereits
ein Konzept (zur Weiterbildungsplanung) entwickelt. Während 20 Schulleiter*innen
angeben, zur Qualitätsentwicklung systematische Selbstevaluation (z. B. durch School-
Walk rough) zu machen, gaben nur 5 Leiter*innen an, auf eine externe Evaluation
zurückzugreifen. 15 bzw. 11 der Befragten gaben an, Feedback von Schüler*innen bzw.
Eltern heranzuziehen.
Die Schulleiter*innen wurden ferner gefragt, in welchem Ausmaß sie welche Lern-
formen unter den Lehrer*innen fördern würden (mit 5 Antwortmöglichkeiten von
„nie“ bis „mehrmals im Monat“). Dabei wurde eine häu ge Förderung der Lerngele-
genheiten „Austausch von Unterrichtsmaterial“ und „Anregung gemeinsamer Aktivitä-
ten mit verschiedenen Klassen/Altersgruppen“ durch vergleichsweise viele der befragten
Schulleiter*innen berichtet (mit 10 oder mehr bei den höchsten beiden Antwortalter-
nativen – „mindestens 14-tägig“). Von maximal 5 Schulleiter*innen werden die Lern-
gelegenheiten „Nutzung sozialer Netzwerke zur Informationsgewinnung oder zum Aus-
tausch“, „Lehrpersonen Anlass geben über ihre Erfahrungen vor dem Hintergrund
pädagogischer eorien oder Fachliteratur zu re ektieren“ sowie „Aufgreifen von Anre-
gungen anderer zu bestimmten Unterrichtsentwicklungsthemen“ häu g gefördert. Jün-
gere Schulleiter*innen geben häu ger an, für umfassende Beteiligung bei Entscheidun-
gen zur Schulentwicklung zu sorgen.
Die Auswertungen zeigten zudem, dass Schulleiter*innen, die aus Fort- und Weiter-
bildungen für sich selbst Ideen und Anregungen gewinnen, häu ger zustimmten, dafür
zu sorgen, dass vor dem Hintergrund von Evaluierungsergebnissen gezielt Fortbildun-
gen statt nden. Gleiches gilt für Schulleiter*innen, die Gestaltungsspielräume an ihrer
Schule als höher einschätzten, bzw. solche, die der Förderung ihrer Lehrpersonen gro-
ße Bedeutung beimaßen.
Vor dem Hintergrund des neuen Aufgabenbereichs „Personalentwicklung“ für
Schulleiter*innen erlangt die Frage, welche Gruppe auf die Qualitätsentwicklung und
damit letztlich auch auf die Professionalisierung des Lehrkörpers Ein uss hat, an Be-
deutung. In Tabelle 3 sind die Einschätzungen der Schulleiter*innen der Region in Be-
Lehrer*innenbildung zwischen lokalen und nationalen Strategien 227
zug auf die Stärke des Ein usses verschiedener Akteure auf die Qualitätsentwicklung in
der Schule zusammengefasst.
Tabelle 3: Wie Schulleitungen die Ein üsse auf die Qualitätsentwicklung ihrer Schule einschätzen
Kein
Einfl uss
Indirekter
Einfl uss
Direkter
Einfl uss
Schulaufsicht/Schulbehörde (Schulqualitäts-
manager*in)
3 (11,5%) 8 (30,8%) 15 (57,7%)
Schüler*innen 1 (3,8%) 9 (30,9%) 16 (61,5%)
Kolleg*innen des Fachs 1 (3,8%) 1 (3,8%) 24 (92,3%)
Kolleg*innen der Schule 0 2 (7,7%) 24 (92,3%)
bestimmte Lehrer*innengruppen (z. B.
Personalvertretung, Gewerkschaft)
19 (73,1%) 4 (15,4%) 3 (11,5%)
Eltern bzw. Erziehungsberechtigte 5 (19,2%) 14 (53,8%) 7 (26,9%)
bestimmte Elterngruppen (z. B. Elternvertretung,
Elternverein)
12 (46,2%) 9 (34,6%) 4 (15,4%)
Kolleg*innen anderer Schulen (z. B. in einem PLN) 13 (50%) 10 (38,5%) 2 (7,7%)
Fort- und Weiterbildner*innen 2 (7,7%) 18 (69,2%) 5 (19,2%)
Wissenschaftliche Erkenntnisse der Unterrichts-
forschung
1 (3,8%) 12 (46,2%) 12 (46,2%)
weiterführende Schulen 9 (34,6%) 11 (42,3%) 4 (15,4%)
Anmerkung. Eingetragen sind absolute und relative Häufi gkeiten bezogen auf die befragten Schulleitungen
aus der Region
Akteure aus der Schule selbst sowie im Kontext der Schule – die Schüler*innen und
die Lehrkrä e der Schule oder eines Fachs sowie die Schulaufsicht – werden von vie-
len Schulleiter*innen (zwischen 15 und 24 der 26 befragten) als direkte Ein ussfakto-
ren für die Schulentwicklung wahrgenommen. Kolleg*innen anderer Schulen haben für
die Häl e der Schulleiter*innen keinen Ein uss. Fort- und Weiterbildung sowie in ab-
geschwächter Form die Eltern haben aus Sicht der Leitenden vor allem einen indirek-
ten Ein uss.
Dieser Einblick in die Teiluntersuchung zur Schulleitung kann als Befund für die
eingangs beschriebene Komplexität der Zusammenhänge und Wechselwirkungen auch
hinsichtlich der Professionalisierung gelesen werden. Der regionale Kontext mit seinen
spezi schen Herausforderungen bietet nun die Möglichkeit, in einem nächsten Schritt
diese Befunde für eine kontextualisierte Interpretation durch die Akteure in der Region
zurückzuspielen. Damit können in der Folge kollaborativ konkrete Initiativen zur nach-
haltigen Professionalisierung entwickelt werden.
Christian Kraler, Claudia Schreiner, Susanne Roßnagl, Livia Jesacher-Rößler und Fred Berger
228
6. Resümee
Die in den exemplarisch dargestellten Feldern diskutierten Befunde zeigen, dass Profes-
sionalisierung des Individuums wie des Berufsstands, respektive der Profession in ihrer
Gesamtheit nicht nur strukturell, sondern insbesondere auch inhaltlich ein komplexes,
vielschichtig verwobenes Unterfangen darstellen. Professionen wird in der Regel eine
wissenscha sbasierte Fundierung unterstellt. Eine zentrale Herausforderung in diesem
Zusammenhang ist, wie Ergebnisse systematisiert und zu den Betro enen nachhaltig
zurückgespielt werden. Forschung vor Ort, Rückspielen dieser Ergebnisse bei gleichzei-
tigem Fokus auf eine Region statt Einzelschulen oder spezi sche Segmente erweist sich
hier als ein Modell, dem basierend auf den Erfahrungen dieses Projekts hinsichtlich der
Professionalisierung kün ig mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden könnte.
Der „regionale Blick“ liefert ein derzeit noch wenig genütztes Potenzial, da sich ins-
besondere Komplexitäten einerseits zu einer kritischen Masse verdichten, andererseits
die Region ein noch überschaubares Setting darstellt, in dem Befunde vernetzt, inte-
griert und multiperspektivisch interpretiert werden können, ohne an Konkretheit zu
verlieren. – Die Betro enen nden sich selbst in den Ergebnissen noch unmittelbar
wieder. Diskurse entstehen in und über Schulformen, Fachgrenzen, Hierarchiestufen,
Akteursgruppen und mehr hinweg. Damit kann sich ein theoriebasierter, praxisorien-
tierter und für die Bildungsregion relevanter Professionalisierungsprozess entfalten.
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Matthias Müller und Michelle Proyer
Strukturelle Hindernisse und Diskriminierung international
ausgebildeter Lehrer*innen in Österreich
„Das ist dieses große Hindernis im Leben überhaupt,
nicht [nur] bei der Arbeit“1
Zusammenfassung
In Österreich sind international ausgebildete Lehrer*innen mit sich verschiedentlich äu-
ßernden Diskriminierungsformen konfrontiert, sobald sie in ihrem angestammten Berufs-
feld tätig werden möchten. Weder ihre Ausbildung noch ihre Erfahrung(en) werden an-
erkannt bzw. werden diese als für den österreichischen Kontext ungenügend bewertet. Der
Beitrag stellt eine österreichische Maßnahme zur Requali zierung international ausgebilde-
ter Lehrer*innen, den Zerti katskurs „Bildungswissenscha liche Grundlagen für Lehrkrä e
mit Fluchthintergrund“, vor. Die Quali zierungsmaßnahme wird im Vergleich mit ähnlichen
internationalen Beispielen eingebettet. Das dabei inhärente Spannungsfeld zwischen Nicht-
anerkennung von Quali kationen einerseits, die eine Requali zierung erst notwendig macht
bzw. andernfalls zur Dequali zierung führen kann, und Anerkennung als Lehrperson ande-
rerseits wird näher charakterisiert. Zudem werden ausgewählte Diskriminierungsformen, mit
denen international ausgebildete Lehrer*innen in Österreich konfrontiert sind – etwa (anti-
muslimischer) Rassismus – erläutert, ehe abschließend die Notwendigkeit struktureller Ver-
änderungen zur Verbesserung der (beru ichen) Situation international ausgebildeter Leh-
rer*innen dargestellt wird.
Schlüsselwörter: International ausgebildete Lehrkrä e, schulische Diskriminierung, Othering
Structural obstacles and discrimination against internationally
trained teachers in Austria „That’s this big obstacle in life in general,
not [only] at work“
Abstract
Internationally trained teachers face di erent facets of discrimination when returning to
their profession. eir experiences are not being acknowledged or assumed as less worthy
in the Austrian context. e chapter introduces one of the few Austrian measures aiming
at requali cation for internationally trained teacher, the certi cate course “Bildungswissen-
scha liche Grundlagen für Lehrkrä e mit Fluchthintergrund”. It is being discussed against
the background of other international examples. e tension between recognition, potential
danger of dequali cation on the one hand and the confrontation with discrimination on the
other is addressed. Additionally, selected types of discrimination – such as (antimuslim) rac-
ism – are being introduced. Finally, the need for structural changes to improve the (profes-
sional) situation of internationally trained teachers is presented.
Keywords: Internationally trained teachers, educational discrimination, othering
1 Das Zitat entstammt einem Interview mit einem*einer Absolvent*in der im Beitrag vorgestellten
(Re-)Quali zierungsmaßnahme, die an der Universität Wien stattgefunden hat. Die interviewte
Person bezieht sich dabei auf die Notwendigkeit des Studiums eines zweiten Unterrichtsfachs.
Matthias Müller und Michelle Proyer
234
1. Einleitung
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sichert jedem Menschen ein Recht auf
Arbeit zu (Bloch & Donà, 2019a, S.4). Daraus resultiert für Gesellscha en die Aufga-
be, auch Personen, die infolge von Fluchterfahrungen ‚neu‘ ankommen, einen (Wie-
der-)Einstieg in das Berufsleben zu ermöglichen. Angesichts der Zunahme internatio-
naler Migrationsbewegungen (ebd., S.1) und im Sinne von Inklusion ist es von hoher
Relevanz, Menschen, die ge ohen sind, nicht nur die Möglichkeit eines beru ichen
(Wieder-)Einstiegs zu gewährleisten, sondern diese auch dabei zu unterstützen, denn
eine beru iche Tätigkeit in einem angesehenem Beruf stärkt die psychische Gesund-
heit, wohingegen Erwerbslosigkeit diese beeinträchtigt. Sie ermöglicht des Weiteren
den Kontakt zu Angehörigen der ‚Mehrheitsgesellscha ‘, wodurch das Zurecht nden in
der ‚neuen‘ Umgebung erleichtert wird, und wirkt einer Reduktion auf die Fluchterfah-
rung entgegen, indem die Selbstwahrnehmung als Teil einer sozialen Gruppe und das
Erleben von Handlungsfähigkeit möglich wird (Kayser, 2020, S.74–79). Somit besteht
ein direkter Zusammenhang zwischen dem Zugang zum Arbeitsmarkt und Inklusion.
Ohne die Möglichkeit der Berufsausübung ist keine umfängliche gesellscha liche Teil-
habe möglich. Insbesondere die Tätigkeit in einem angesehenen Berufsfeld befördert
Eigenständigkeit sowie nanzielle Unabhängigkeit von Personen und wirkt so inklusiv
(Wojciechowicz & Vock, 2020, S.24). Trotz dieser Vorteile bleibt Menschen mit Flucht-
erfahrung häu g der Zugang zum (quali zierten) Arbeitsmarkt, insbesondere zu ihrem
ursprünglichen Berufsfeld, verwehrt. Ihre in anderen Kontexten erworbenen Quali -
kationen und Erfahrungen werden nicht anerkannt (Hosner, Vana & Khun Jush, 2017,
S.86; Robert-Bosch-Sti ung, 2016, S.23). Infolge entsteht o mals eine anhaltende Ab-
hängigkeit von Sozialleistungen bzw. die Notwendigkeit sich in andere, häu g weniger
oder nicht quali zierte, beru iche Richtungen zu orientieren.
Der Lehrer*innenberuf stellt ein Berufsfeld dar, welches aufgrund seiner gesell-
scha lichen Bedeutung als relevant und anspruchsvoll gilt (Rothland, 2016, S.82). Da-
her stellt die Tätigkeit in diesem Bereich eine Möglichkeit dar, um eine wichtige sowie
– theoretisch – gesellscha lich gut anerkannte Rolle anzunehmen und darüber Inklu-
sion zu befördern. Allerdings nden international ausgebildete Lehrer*innen in Öster-
reich nur schwer Zugang zu diesem Berufsfeld. Der Beitrag setzt sich mit der Situation
international ausgebildeter Lehrer*innen auseinander, die ihre Ausbildung außer-
halb Europas absolviert haben und in Österreich als Lehrkra tätig werden möchten.
Der Begri „international ausgebildete Lehrer*innen“ ist eine Übersetzung des engli-
schen Begri s „internationally trained teachers“ und vermeidet eine einseitige Fokus-
sierung auf Fluchterfahrungen. Dadurch soll die Expertise international ausgebildeter
Lehrer*innen stärker in den Mittelpunkt gestellt werden. Der Fluchterfahrung kommt
keine notwendige Funktion im professionellen Kontext als Lehrperson zu und die Be-
tonung dieser Erfahrung birgt die Gefahr negativer Reaktionen. Eine Unterscheidung
zu lokal ausgebildeten Lehrkrä en wird durch den Begri beibehalten, da strukturel-
le Unterschiede und Hindernisse beim beru ichen (Wieder-)Einstieg existieren (Proyer,
Pellech et al., 2019, S.10). Die Unterscheidung dient der Hervorhebung (struktureller)
Diskriminierung, die lokal ausgebildete Lehrer*innen nicht betri . Nichtsdestotrotz
Strukturelle Hindernisse und Diskriminierung international ausgebildeter Lehrer*innen 235
stellen „international ausgebildete Lehrer*innen“ keineswegs eine homogene Gruppe
dar – es existieren Unterschiede sowohl hinsichtlich der Unterrichtsfächer, der bisheri-
gen Berufserfahrung als auch der jeweiligen biographischen Hintergründe.
Im Rahmen dieses Beitrags wird insbesondere auf (strukturelle) Hindernisse für den
beru ichen (Wieder-)Einstieg in Österreich eingegangen, die o mals diskriminierend
wirken. Den Ausgangspunkt dafür bildet der Zerti katskurs „Bildungswissenscha liche
Grundlagen für Lehrkrä e mit Fluchthintergrund“.
2. Überblick über den Berufszugang für Lehrpersonen mit
Migrations- und Fluchthintergrund – Fokus Österreich
Der Zerti katskurs „Bildungswissenscha liche Grundlagen für Lehrkrä e mit Flucht-
hintergrund“ wurde an der Universität Wien in Kooperation des Instituts für Bildungs-
wissenscha und des Zentrums für Lehrer*innenbildung sowie dem Postgraduate Cen-
ter initiiert. Voraussetzung für die Teilnahme war:
– Das Vorliegen eines anerkannten Deutsch-Zerti kats, das dem Level B2.2 oder
einem höheren Level entspricht,
– das Vorliegen und die Bestätigung von Berufserfahrung in der schulischen Arbeit
mit Kindern und Jugendlichen ab 10 Jahren,
– ein subsidiärer Schutz- bzw. aufrechter Asylstatus und
– die Bewertung eines Bachelorabschlusses in einem Fach, das in Österreich unter-
richtet wird (Proyer, Kremsner & Schmölz, 2019, S.77).
International ausgebildete Lehrer*innen, deren Fach kein Bestandteil des österreichi-
schen Lehrplans ist, sind somit vom Besuch der (Re-)Quali zierungsmaßnahme und in
Folge einem beru ichen Einstieg in ihr ursprüngliches Berufsfeld in Österreich ausge-
schlossen. Der erste von bislang vier Durchgängen, mit der jeweiligen Dauer von zwei
Semestern, begann im September 2017. Der vierte Durchgang ndet seit November
2021 statt und endet im September 2022. Im Rahmen des Kurses erfolgt eine pädagogi-
sche Quali kation, die mit dem Umfang eines ‚regulären‘ Studiums des Lehramts ver-
gleichbar ist, wobei 30 ECTS im Kontext theoretischer Blöcke und 10 ECTS durch be-
gleitete Praktika erworben werden (Resch et al., 2019, S.201). Ziel ist es, international
ausgebildete Lehrkrä e dabei zu unterstützen, die österreichischen Anstellungserforder-
nisse zu erfüllen und eine Anstellung zu erhalten.
Um eine reguläre und unbefristete Anstellung als Lehrkra in Österreich zu erhal-
ten, muss die Kenntnis bildungswissenscha licher Grundlagen sowie ein abgeschlosse-
nes Studium zweier Unterrichtsfächer nachgewiesen werden. Da international o mals
die akademische Ausbildung in einem Fach für die Tätigkeit als Lehrperson genügt, er-
füllen international ausgebildete Lehrer*innen diese Voraussetzung häu g nicht (Pro-
yer, Kremsner & Schmölz, 2019, S. 76). Solange kein zweites Unterrichtsfach nachge-
wiesen werden kann, wird auf die Absolvent*innen des Zerti katskurses §38, Absatz
11a des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (VBG) angewendet, demzufolge sie per Son-
Matthias Müller und Michelle Proyer
236
dervertrag angestellt werden können. Dabei bestehen allerdings einige, teils schwerwie-
gende, Nachteile:
– Die Laufzeit der Sonderverträge ist zumindest zu Beginn auf maximal ein Jahr be-
fristet, wodurch große Unsicherheiten hinsichtlich der beru ichen Zukun be-
stehen.
– Das monatliche Gehalt bei Anstellung per Sondervertrag darf das reguläre Leh-
rer*innengehalt um bis zu 30 % unterschreiten.
– Es besteht eine Abhängigkeit von politischen Entscheidungsträger*innen, denn Son-
derverträge müssen eine Zustimmung vonseiten der*des Bundesminister*in für öf-
fentlichen Dienst und Sport erhalten (BMBWF, 2019, S.13).
– Eine Anstellung per Sondervertrag ist nur dann möglich, wenn sich keine Bewer-
ber*innen bezugnehmend auf die Ausschreibung melden, die den Zuordnungsvor-
aussetzungen umfassend (Vorliegen zweites Unterrichtsfach) oder umfänglicher (Er-
wartung, dass fehlende Erfordernisse erfüllt werden) entsprechen.2
Zwar ist theoretisch eine unbefristete Anstellung ohne den Abschluss des Studiums
eines zweiten Unterrichtsfachs möglich, allerdings erst wenn das befristete Dienst-
verhältnis den Zeitraum von fünf Jahren übersteigt. In diesem Fall geht das befriste-
te Dienstverhältnis nach § 4a, Absatz 4 VBG automatisch in ein unbefristetes über. Die
Bezahlung bleibt dennoch dieselbe – kann also das reguläre Gehalt von Lehrpersonen
in Österreich um bis zu 30 % unterschreiten. Aufgrund der politischen Abhängigkeit
bei der Ausstellung von Sonderverträgen und der Gefahr, dass Bewerber*innen nach-
kommen, die die Voraussetzungen umfangreich(er) erfüllen, stellt das Ho en auf eine
Ausstellung von Sonderverträgen über fünf Jahre hinweg keine wirkliche Lösung dar,
um eine unbefristete Anstellung zu erhalten. Letztlich bietet der Abschluss des Stu-
diums eines zweiten Unterrichtsfachs derzeit wohl die einzige sichere Möglichkeit, eine
unbefristete Anstellung als Lehrperson in Österreich zu erhalten.
Kritisch daran ist, dass mit Aufnahme eines ordentlichen Studiums im Regelfall das
Anrecht auf Mindestsicherung wegfällt (Proyer, Kremsner & Schmölz, 2019, S.76). Da-
her müssen international ausgebildete Lehrer*innen neben dem Studium einen Beruf
ausüben, um sich nanziell abzusichern. Allerdings wird der Studienfortschritt, wel-
cher durch die Dominanz von Deutsch als gesprochene und geschriebene Sprache be-
reits gehemmt wird, durch eine parallel erfolgende beru iche Tätigkeit zusätzlich beein-
trächtigt (Müller, 2022, S.118–120). Daraus ergibt sich die Problematik, das Studium
eines zweiten Unterrichtsfachs kaum innerhalb von fünf Jahren abschließen zu können.
Somit sind international ausgebildete Lehrer*innen davon abhängig, fortlaufend Son-
derverträge zu erhalten. Ansonsten müssen sie sich spätestens nach fünf Jahren eine
andere beru iche Tätigkeit suchen, um das nanzielle Überleben zu sichern. Fraglich
ist, ob es nach einem beru ichen Wechsel noch zu einem Abschluss des Studiums kom-
men kann und damit auch, inwiefern eine langfristige, unbefristete Tätigkeit als Lehr-
kra in Österreich möglich ist.
2 Siehe zu Anstellungsvoraussetzungen §38, Absatz 2 sowie §38, Absatz 3a VBG bzw. zu Anstel-
lung bei Nicht Erfüllung der Voraussetzungen §38, Absatz 11 VBG.
Strukturelle Hindernisse und Diskriminierung international ausgebildeter Lehrer*innen 237
Bislang konnte der Zerti katskurs das Ziel, international ausgebildete Lehrer*innen
eine zunächst befristete Anstellung zu ermöglichen, nicht umfänglich erreichen. Nur
ein geringer Anteil der Absolvent*innen verfügt über eine Anstellung als Lehrperson
in Österreich, obwohl mit ihnen hochquali ziertes und erfahrenes Personal vorhanden
ist, mit dem Anteile des existenten Lehrkrä emangels ausgeglichen werden könnten
und auf Seiten der Absolvent*innen ein Interesse daran besteht, nicht länger staatliche
Unterstützung zu benötigen (Proyer & Rasul, 2020, S.149). Dies ist umso verwunder-
licher, als in Österreich ein Mangel an Lehrpersonen herrscht, zu dessen Ausgleich be-
reits tätige Lehrkrä e Überstunden leisten oder Studierende eingesetzt werden (ORF,
2021). Den Absolvent*innen bleibt häu g nur die Möglichkeit, als Randbelegscha –
etwa in der Tagesbetreuung – an österreichischen Schulen tätig zu werden. Dadurch
erfolgt zwar der Einstieg in ein pädagogisches Berufsfeld in Österreich, dieser geht je-
doch mit einer Schlechterstellung gegenüber lokal ausgebildeten Lehrer*innen einher
und fokussiert meist auf Schüler*innen anderer Altersgruppen. Diese zeigt sich neben
der Befristung des Arbeitsverhältnisses und einer schlechteren Bezahlung in der Aus-
übung von Tätigkeiten, die einem freizeitpädagogischen Pro l – anstelle eines unter-
richtenden Pro ls – entsprechen (Resch et al., 2019, S.202). Somit bietet der Abschluss
der (Re-)Quali zierungsmaßnahme „Zerti katskurs“ keine Sicherheit, eine Anstellung
als Lehrperson zu erhalten. Die beschränkten Möglichkeiten, Zugang zu Bildungsange-
boten zu erhalten und an diesen teilzuhaben, sind beispielha für die sich fortsetzende
Exklusion von Personen mit Fluchterfahrung bei ‚Ankommen‘ in einem neuen Kontext
(Frieters-Reermann, 2020, S.37). Vor diesem Hintergrund ist auch die Rolle von (Re-)
Quali zierungsmaßnahmen genauer zu betrachten, die keine umfangreiche Teilhabe als
Lehrkra am Schulsystem ermöglichen können.
3. (Re-)Qualifizierungsmaßnahmen im Spannungsfeld zwischen
Anerkennung und Dequalifizierung
Neben Österreich haben international betrachtet auch einige andere Länder (Re-)Qua-
li zierungsmaßnahmen unterschiedlicher Ausprägung installiert, um international aus-
gebildete Lehrer*innen zu unterstützen. Damit soll auf Migrationsbewegungen und die
Notwendigkeit der Einbettung von Quali kationen in nationale Rahmen eingegangen
werden. Derartige Kursmaßnahmen und einhergehende Forschung zur Bedeutung von
Quali zierung und Requali zierung nden sich u. a. in Kanada (Marom, 2017; Schmidt
& Janusch, 2016), Irland (Schmidt & Mc Daid, 2015), Australien (Cruickshank, 2021),
Deutschland (diverse lokal variierende Ansätze, u. a. Terhart, Elshof & Preuscho ,
2020) und Schweden (Economou, 2020). Die Ausrichtungen, Ziele und Wertigkeiten
der Abschlüsse sind dabei unterschiedlich, allerdings weisen die meisten Program-
me auch begleitende Sprachkurse auf. Die Art der Quali zierung kann von individuell
maßgeschneiderten Programmen zur Teilquali zierungen (Schweden) bis hin zu Pro-
grammen, die in ein weiterführendes Studium mitgenommen werden können (z. B. Ös-
terreich), variieren. Auch unterscheiden sich die Programme hinsichtlich der Tätigkei-
ten, die nach dem Abschluss theoretisch angenommen werden können, diese reichen
Matthias Müller und Michelle Proyer
238
von der Fachlehrperson mit Sondervertrag (z. B. Deutschland und Österreich) bis zur
Sprachassistenzlehrperson (einige Programme in Schweden). Das Projekt R/EQUAL be-
schä igte sich zudem mit den Möglichkeiten der Gestaltung und Umsetzung von (Re-)
Quali zierungsmaßnahmen an Universitäten (Proyer et al., 2019).3
Gemeinsam ist all diesen Angeboten, dass sich die Notwendigkeit einer (Re-)Qua-
li zierung international ausgebildeter Lehrer*innen daraus ergibt, dass internationa-
le Abschlüsse und Erfahrungen unterschiedlich bewertet werden. Auslandsaufenthalte
und internationale Abschlüsse von europäischen Studierenden etwa werden o mals ge-
fördert, wohingegen die (schulische) Bildung von weniger privilegierten Personen, z. B.
Personen mit Migrations- oder Fluchterfahrung, problematisiert wird (Terhart, 2021,
S. 6). Folglich gehen internationale Abschlüsse und Quali kationen nicht per se mit
einer Dequali zierung einher, sondern es besteht eine Abhängigkeit von den jeweiligen
Rahmenbedingungen der Ausbildung bzw. des Abschlusses. Hinsichtlich dieser Di e-
renz in der Bewertung ist die Einschätzung von Bergold-Caldwell und Georg (2018)
relevant, die von einer fortwährenden Prägung des Bildungs-Ideals durch koloniale
Muster ausgehen. Diese geht mit der Unterscheidung zwischen ‚uns‘ und ‚den Ande-
ren‘ einher. Basierend darauf werden Subjekte in verschiedene gesellscha liche Positio-
nen eingeordnet (S.73). Derartige Praktiken wirken auch im Zuge von Dequali zie-
rung und befördern eine Unterscheidung zwischen ‚uns‘ – lokal/westlich ausgebildeten
Lehrer*innen – und ‚den Anderen‘ – international ausgebildeten Lehrer*innen. Kritisch
betrachtet tragen auch (Re-)Quali zierungsmaßnahmen zu einer Unterscheidung zwi-
schen lokal und international ausgebildeten Lehrkrä en bei. Sie bieten einerseits die
Möglichkeit zum Berufseinstieg, insofern der Bewerbungsprozess nach Abschluss er-
folgreich ist. Andererseits werden die vorliegenden – o mals jahrelangen – Berufs-
erfahrungen international ausgebildeter Lehrer*innen relativiert und eine Unterschei-
dung zwischen zwei Gruppen manifestiert. Ein maßgeblicher Unterschied zwischen
diesen Gruppen besteht darin, dass lokal ausgebildete Lehrkrä e meist das örtliche
Schulsystem aufgrund ihrer Erfahrungen als Schüler*in besser kennen (Wojciechowicz
& Vock, 2020, S. 28f.). Nichtsdestotrotz fokussieren (Re-)Quali zierungsmaßnahmen
nicht vordergründig auf die Vermittlung von Wissen über das lokale Schulsystem, wel-
ches den neuen beru ichen Kontext für international ausgebildete Lehrpersonen dar-
stellt, sondern v. a. auf (vermeintliche) fachliche und professionelle De zite. Auf Basis
der (vermeintlichen) Unterschiede erfolgt eine hierarchisierende Di erenz-Markierung.
Die Kompetenz international ausgebildeter Lehrer*innen als Lehrkra wird weder auf
sozialer noch auf formaler Ebene anerkannt, sie werden als weniger quali ziert charak-
terisiert und dadurch am Arbeitsmarkt benachteiligt. Statt auf ihre Kompetenzen wird
vordergründig auf die Fluchterfahrung fokussiert. Dadurch werden sie von ausgebilde-
ten Lehrer*innen zu arbeitssuchenden Menschen mit mangelndem Quali kationspro l,
wodurch ihnen ihre Lehrer*innenidentität sowie die Kompetenz, in Österreich unter-
richten zu können, abgesprochen wird (Kremsner et al., 2020, S.72).
Auch der Zerti katskurs unterliegt den österreichischen Richtlinien und unter-
stützt die Teilnehmer*innen dabei, diesen gerecht zu werden, wodurch der imaginier-
3 Weitere Informationen dazu: https://blog.hf.uni-koeln.de/immigrated-and-refugee-teachers-re-
qual/
Strukturelle Hindernisse und Diskriminierung international ausgebildeter Lehrer*innen 239
te Vorsprung westlicher Bildungsinstitutionen verfestigt wird. Terhart (2021) verweist
im deutschen Kontext auf die unterstützende Funktion von (Re-)Quali zierungsmaß-
nahmen beim Erwerb von Zerti katen, die für eine Anstellung als Lehrkra nötig sind.
Allerdings reproduzieren sie dadurch auch bestehende Vorgehensweisen der Nicht An-
erkennung der Expertise international ausgebildeter Lehrpersonen (S.8). Somit bewe-
gen sich (Re-)Quali zierungsmaßnahmen in einem Spannungsfeld: Einerseits erkennen
sie die Kompetenz international ausgebildeter Lehrpersonen – zumindest zu einem ge-
wissen Grad – an und zielen auf schnelle Hilfe beim beru ichen (Wieder-)Einstieg ab.
Andererseits tragen sie zur Dequali zierung bei, indem sie die Logik, der zufolge mit-
gebrachte Erfahrungen und Quali kationen nicht ausreichend für eine Tätigkeit im lo-
kalen Kontext sind, durch die Unterstützung bei der Anpassung an herrschende Richt-
linien reproduzieren.
4. Ausgewählte strukturelle Hindernisse
Im Folgenden erfolgt ein skizzenha er Aufriss der maßgeblichen Hindernisse, mit
denen international ausgebildete Lehrer*innen auf dem Weg zu einer regulären Anstel-
lung als Lehrkra in Österreich konfrontiert sind. Diese Hindernisse sind auch dafür
(mit-)verantwortlich, dass der Zerti katskurs sein Ziel bislang nur eingeschränkt er-
reichen konnte. Grundlage dafür bietet zum einen die bisherige Begleitforschung zum
Zerti katskurs „Bildungswissenscha liche Grundlagen für Lehrkrä e mit Fluchthinter-
grund“. Dabei wurde von an dem Zerti katskurs beteiligten Wissenscha ler*innen par-
tizipativ mit Teilnehmer*innen des ersten Durchgangs die Durchführung des Kurses
und sich ergebende Hindernisse währenddessen sowie danach beforscht (Kremsner et
al., 2020). Dies kann auch als zentrale Limitation des Prozesses gedeutet werden, da die
Forschenden zwar direkten Zugang zu den Teilnehmenden hatten, allerdings aber auch
im Kurs Agierende waren und damit phasenweise in mehrfachen Funktionen agier-
ten. Der Forschungsprozess lässt sich in drei Phasen einteilen: Zunächst wurde unter
Einbindung potentieller Teilnehmer*innen der Zerti katskurs vorbereitet, ehe dieser
in einer zweiten Phase partizipativ mit den Teilnehmenden beforscht wurde. Abschlie-
ßend wurde eine Re exion des Kursablaufs vorgenommen (ebd., S. 48). Konkret wur-
den im ersten Drittel des Kurses und nach Abschluss des Kurses fünf Einzelinterviews
mit Teilnehmenden geführt. Zudem haben nach etwa der Häl e des Kurses zwei Grup-
peninterviews mit acht bzw. elf Teilnehmenden stattgefunden (ebd., S. 50f.). Zum an-
deren wird die Masterarbeit von Matthias Müller (2022) herangezogen, die an die Er-
kenntnisse der Begleitforschung zum ersten Durchgang des Zerti katskurses anknüp
und sich spezi scher mit Hindernissen nach dem Abschluss des Zerti katskurses auf
dem Weg zu einer Anstellung in Österreich befasst hat. Im Rahmen dieser Arbeit wur-
den drei Interviews mit Absolvent*innen des zweiten bzw. dritten Durchgangs des Zer-
ti katskurses, die über eine Anstellung per Sondervertrag verfügen, und ein Interview
mit einem*einer Direktor*in einer Schule in Wien geführt. Zudem wurden die Anstel-
lungsabläufe und gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Anstellung per Sondervertrag
genauer untersucht. Im Rahmen dieser, durch die Situational Analysis (Clarke, Friese
Matthias Müller und Michelle Proyer
240
& Washburn, 2018) methodologisch angeleiteten, Quali kationsarbeit, wurde die Situ-
ation international ausgebildeter Lehrer*innen in Österreich auf Zusammenhänge zwi-
schen mitwirkenden Akteur*innen untersucht. Den vorgestellten Hindernissen gemein-
sam ist eine diskursive Unterscheidung und Abgrenzung zwischen dem ‚Eigenen‘ und
dem ‚Anderen‘. Diese wird als Othering bezeichnet, wobei das ‚Eigene‘ als Ausgangs-
punkt weder benannt noch kenntlich gemacht wird (Riegel, 2018, S.226).
4.1 Linguizismus
Die Dominanz der deutschen Sprache stellt einen weiteren wichtigen Aspekt im Kon-
text der Diskriminierung international ausgebildeter Lehrer*innen in Österreich dar.
Ihr kann sowohl hinsichtlich des Besuchs einer (Re-)Quali zierungsmaßnahme als
auch nach Abschluss derselben auf dem Weg zu einer Anstellung hohe Relevanz beige-
messen werden. Trotz der überwiegend plurilingualen Prägung moderne Staaten, rich-
ten viele europäische Staaten sich und ihre Bildungssysteme so aus, als ob Einsprachig-
keit existiere (Dean, 2019, S.56). So auch in Österreich, wo sich die Institution Schule
entlang der monolingualen Vorstellung von Deutschsprachigkeit arrangiert. Ähnlich
der Bewertung von (Bildungs-)Abschlüssen hängt die Wertschätzung von Sprachen von
ihrer Herkun , genauer davon, wo sie gesprochen und wie sie gesellscha lich bewer-
tet werden, ab. Lernen etwa Kinder, die monolingual deutschsprachig aufwachsen, Eng-
lisch oder Französisch, wird dies positiv eingestu . Sprachkenntnisse von Schüler*in-
nen aus afrikanischen Ländern hingegen werden ignoriert, selbst wenn es sich dabei
um regionale Prägungen des Englischen oder Französischen handelt (Niedrig, 2015,
S.80). Derartige Ungleichbehandlungen unter Rückgri auf Sprache können mit dem
Konzept des Linguizismus erklärt werden. Darunter ist eine bestimmte Form von Ras-
sismus zu verstehen, die sich durch Vorurteile und daraus resultierende Ungleichbe-
handlung von Sprecher*innen einer bestimmten Sprache bzw. eines Akzents äußert.
Linguizismus stellt eine Option zur Ausübung von Macht gegenüber in der Gesellscha
schwächer gestellten Gruppen dar und dient der Beibehaltung oder Herstellung einer
Rangordnung, wobei bestimmte Positionen in der Gesellscha eine Assimilation an die
sprachliche Norm erfordern (Dirim, 2010, S.91f.). Für international ausgebildete Lehr-
krä e ergibt sich etwa die Notwendigkeit, über ein Sprachniveau des Deutschen dem
Level C1 entsprechend zu verfügen, um eine Anstellung in Österreich zu erhalten. Aus
diesem Grund müssen sie zeitgleich zur Teilnahme am Zerti katskurs einen Deutsch-
kurs besuchen (Kremsner et al., 2020, S.78). Somit ergibt sich für international ausge-
bildete Teilnehmer*innen die Mehrfachbelastung, sich intensiv mit pädagogischen In-
halten auseinanderzusetzen und über Praktika Wissen über den ‚neuen‘ beru ichen
Kontext in Österreich zu sammeln und gleichzeitig einen Sprachkurs zu besuchen. Er-
schwerend hinzu kommt, dass für den Spracherwerb die Notwendigkeit besteht, han-
delnd an gesellscha lichen Kontexten teilhaben zu können (Mecheril & Quehl, 2010,
S.157). Daher kann die Voraussetzung umfangreicher Sprachkenntnisse der hegemo-
nialen Sprache zur gesellscha lichen Teilhabe als hinderlich für den Spracherwerb ein-
gestu werden. Schulspezi sche Ausdrücke wie Ausdrucksweisen können ohne Zugang
Strukturelle Hindernisse und Diskriminierung international ausgebildeter Lehrer*innen 241
zur Institution Schule nur schwer erlernt werden. Da sprachliche Probleme häu g auf
individueller Ebene verortet werden, wird strukturelle Diskriminierung de-thematisiert
und das Einfordern von Assimilation möglich (ebd., S.161). Entsprechend dieser Ar-
gumentationslinie sind international ausgebildete Lehrer*innen selbst für ihren beruf-
lichen (Miss-)Erfolg verantwortlichen. Anhand dessen o enbart sich ein in Österreich
existentes, einseitiges Integrationsverständnis. Von international ausgebildeten Leh-
rer*innen wird erwartet, sich an sprachliche und schulische Normen anzupassen, bevor
sie überhaupt Zugang zu diesem Kontext erhalten.
Doch selbst wenn international ausgebildete Lehrkrä e ein Deutsch-Sprachniveau
dem Level C1 entsprechend nachweisen können und über eine Anstellung per Sonder-
vertrag handelnd am schulischen Kontext teilhaben können, stellt die Dominanz der
deutschen Sprache weiterhin ein Hindernis für international ausgebildete Lehrer*innen
in Österreich dar. Um eine sichere Anstellung erhalten zu können, studieren sie paral-
lel zur Berufstätigkeit ein zweites Unterrichtsfach, wobei der Studienfortschritt dadurch
gehemmt wird, dass wissenscha liches Deutsch den Standard darstellt. Dadurch benö-
tigt die Erstellung von Seminararbeiten mitunter deutlich mehr Zeit als für Erstsprach-
ler*innen. Hinzu kommt, dass die Personen häu g viel Zeit aufwenden müssen, um
komplizierte Aufgabenstellungen zu verstehen (Müller, 2022, S.100). Eine Möglichkeit,
diese Situation zu entschärfen, bestünde im Angebot, die Seminararbeiten in einer an-
deren Sprache zu verfassen. Dieses Beispiel verdeutlicht das Zusammenwirken der an-
geführten Hindernisse. Durch die Dominanz der deutschen Sprache wird das verp ich-
tende Studium eines zweiten Unterrichtsfachs zusätzlich erschwert.
4.2 Sondervertrag und verpflichtendes Studium eines zweiten
Unterrichtsfachs
Wie bereits in Kapitel 2 thematisiert, besteht nach Abschluss des Zerti katskurses le-
diglich die Möglichkeit, per Sondervertrag angestellt zu werden. Daraus ergibt sich eine
Ungleichbehandlung international ausgebildeter Lehrkrä e gegenüber lokal ausgebil-
deten Lehrpersonen, die sich u. a. durch eine schlechtere Bezahlung äußert (BMBWF,
2019, S.13). Erschwerend hinzu kommt, dass der Abschluss des Zerti katskurses noch
keine Anstellungsgarantie per Sondervertrag bedeutet. Stattdessen müssen Absol-
vent*innen des Kurses den regulären Bewerbungsprozess durchlaufen.
Im Zuge des 2017 verabschiedeten Bildungsreformgesetzes kam es zu einer Erhö-
hung der Autonomie einzelner Schulen, wobei Schulleiter*innen die Auswahl der Lehr-
krä e übertragen wurde. Zunächst müssen Direktor*innen freie Stellen an ihrer Schule
kennzeichnen und die Bildungsdirektion überprü das Vorliegen von Versetzungsan-
trägen, die dem Pro l der o enen Stelle(n) entsprechen (BMBWF, 2018, S.44). Liegen
keine Versetzungsanträge vor oder die entsprechenden Personen werden durch die*den
Direktor*in abgelehnt, erfolgt eine Freischaltung o ener Stellen auf der Plattform
‚GetYourTeacher‘. O ene Stellen sind dann für Bewerbende einsehbar und Lehrkrä e
können sich auf Stellen bewerben, die ihrem Fach- bzw. Fächerpro l entsprechen. Nach
Eingang der Bewerbung überprü die Bildungsdirektion, ob die Bewerbung den forma-
Matthias Müller und Michelle Proyer
242
len Kriterien der Stelle gerecht wird, anschließend werden sie für die Direktor*innen
sichtbar (ebd., S.45). Dieser Prozess stellt ein Hindernis für international ausgebilde-
te Lehrkrä e dar. Die formalen Kriterien für eine Anstellung als Lehrkra im regulären
Entlohnungsschema umfassen ein abgeschlossenes Bachelor-Lehramtsstudium (min.
240 ECTS) sowie einen darauf au auenden Masterabschluss (min. 60 ECTS) (§38 Abs.
2 VBG). Sobald Bewerbungen vorliegen, die diesen Kriterien umfänglicher entsprechen
als das Pro l der Absolvent*innen des Zerti katskurses, müssen diese der rechtlichen
Lage zufolge bevorzugt werden. Dazu zählen u. a. Masterstudierende des Lehramts, die
bereits einen Bachelor vorweisen können, da angenommen wird, dass diese die Ein-
stellungsvoraussetzungen in naher Zukun gänzlich erfüllen werden. Daraus ergibt
sich für Teilnehmer*innen des Zerti katskurs eine gewisse Niedergeschlagenheit, da sie
nach Abschluss des Kurses kaum eine Möglichkeit sehen, eine Anstellung zu erhalten
– außer durch das Studium eines zweiten Unterrichtsfachs (vgl. Kremsner et al., 2020,
S.84). Aufgrund dieser Hürde sind international ausgebildete Lehrkrä e für eine An-
stellung per Sondervertrag darauf angewiesen, dass Lehrer*innenmangel herrscht. An-
sonsten fällt die Möglichkeit der Anstellung per Sondervertrag.
Folglich besteht für international ausgebildete Lehrer*innen – insofern sie in Öster-
reich als Lehrkra arbeiten möchten – die Verp ichtung, ein zweites Unterrichtsfach zu
studieren. Ansonsten sind sie aufgrund der Befristung von Sonderverträgen mit einer
unsicheren beru ichen Situation konfrontiert. Die prekäre Situation, in der sich inter-
national ausgebildete Lehrer*innen be nden, wird o mals unter Rückgri auf Lingui-
zismus und antimuslimischen Rassismus als gerechtfertigt beschrieben. Diese verdeutli-
chen eine vermeintlich geringere Quali kation international ausgebildeter Lehrer*innen
und legitimieren somit die Verp ichtung, die ‚regulären‘ Anstellungskriterien zu erfül-
len.
4.3 Antimuslimischer Rassismus
Antimuslimischer Rassismus besitzt eine hohe Wirkmächtigkeit in Österreich, wobei
antimuslimische Diskurse eine Ersatzform ‚klassischen‘ Rassismus darstellen, da der
Abwertung religiöser Identitäten mehr Legitimität beigemessen wird (Opratko, 2019,
S. 53f.). Kultur dient dabei als Ausgangspunkt, wobei andere Kulturen – insbesonde-
re eine homogen konstruierte muslimische Kultur – aufgrund ihres vermeintlich rück-
ständigen Charakters, einem Mangel an Au lärung und einer feindlichen Haltung
Frauen gegenüber als der ‚Mehrheitsgesellscha ‘ diametral entgegenstehend beschrie-
ben werden. Infolge kommt es zu fremdzugeschriebenen Positionierungen muslimisch
gelesener Personen innerhalb der Gesellscha , die auch innerhalb von Bildungsinsti-
tutionen wirken (Bergold-Caldwell & Georg, 2018, S.75). Neben der gesellscha lich
schlechteren Positionierung kommt antimuslimischem Rassismus die Funktion zu, das
eigene westliche Selbstbild zu erhalten. Vor allem hinsichtlich Geschlechterrollen ist
der antimuslimische Diskurs stark postkolonial geprägt. Muslimische Frauen, die Kopf-
tuch tragen, sollen im westlichen Sinne befreit werden und Modernität und Fortschritt
erfahren (Golnaraghi & Mills, 2013, S.166). Außen vor bleibt, dass kop uchtragende
Strukturelle Hindernisse und Diskriminierung international ausgebildeter Lehrer*innen 243
Frauen keineswegs eine homogene Gruppe darstellen. Zudem wird Frauen die Ent-
scheidungsfreiheit über ihre Kleidung abgesprochen.
Dadurch stellen antimuslimische Diskurse insbesondere für weiblich und musli-
misch gelesene international ausgebildete Lehrer*innen ein Problem dar. Basierend
auf den im Zuge der Masterarbeit von Matthias Müller (2022) geführten Interviews ist
anzunehmen, dass sich durch die starke Wirkmächtigkeit antimuslimischer Diskurse
Nachteile bei Bewerbungsgesprächen und im Umgang mit Eltern wie Kolleg*innen er-
geben. Insbesondere das Tragen eines Kop uchs führt zur Benachteiligung im Anstel-
lungsprozess (S.92). Durch die vordergründige Bezugnahme auf Kultur bleiben andere
Erklärungsansätze für die Ungleichbehandlung unberücksichtigt. Somit geraten Macht-
unterschiede und gesellscha liche Praktiken der Produktion von Ungleichheit aus dem
Blick (Bergold-Caldwell & Georg, 2018, S.79). Antimuslimischer Rassismus stellt folg-
lich eine Möglichkeit dar, die Benachteiligung international ausgebildeter Lehrer*innen,
die als muslimisch gelesen werden, über vermeintliche kulturelle Unterschiede zu le-
gitimieren. Dadurch bleiben Ungleichheit hervorbringende strukturelle Aspekte, wie
linguistische Zugangshindernisse und strenge Zugangsbeschränkungen ebenso unbe-
rücksichtigt wie die unterschiedlichen gesellscha lichen Ausgangsbedingungen. Integ-
ration wird in Debatten „nicht mehr positiv bestimmt […], etwa im Sinne verbesser-
ter Partizipationsmöglichkeiten, individueller und kollektiver Schutzrechte, sowie von
politischen Beteiligungsrechten, und damit [nicht mehr mit] gesellscha liche[n] Ver-
änderungen als Zielpunkt“ (Geisen, 2010, S. 16). Stattdessen werden Individuen in der
Schuld gesehen, sich an die vorherrschende Kultur zu assimilieren. Wird diese Erwar-
tung nicht erfüllt, gelten sie als unwillig zur Integration und gleichberechtigte Teilhabe
wird verweigert. Antimuslimische Diskurse unterstreichen die Forderung nach Assimi-
lation im Sinne des ‚Fortschritts‘. Ein derartiges Verständnis von Integration als Assimi-
lation befördert gesellscha liche Homogenität und verhindert die für eine Demokratie
konstitutive Pluralität (ebd., S. 25). Ein weiteres Hindernis, das derartige Unterschei-
dungen unterstützt, ist die explizite Adressierung der Fluchterfahrung international
ausgebildeter Lehrkrä e. Zum einen wird ihnen dadurch vermittelt, anders zu sein.
Diese Benennung wird von Teilnehmenden des Zerti katskurses mitunter direkt zu-
rückgewiesen, da sie sich als Lehrkrä e und nicht als Flüchtlinge identi zieren (Krems-
ner et al., 2020, S.68). Zum anderen ergeben sich daraus Benachteiligungen im Anstel-
lungsverfahren und im Umgang mit Eltern (Müller, 2022, S.104 .). Die vorgestellten
Hindernisse werden folglich dafür genutzt, Unterscheidungen zwischen lokal und inter-
national ausgebildeten Lehrkrä en vorzunehmen und von letzteren Integration im as-
similativen Sinne einzufordern. Umso wichtiger ist die Vergegenwärtigung struktureller
Diskriminierung international ausgebildeter Lehrer*innen gegenüber. Bleibt ein einsei-
tiges Integrationsverständnis aufrecht, wird die Verantwortung für beru ichen (Miss-)
Erfolg weiter im individuellen Vermögen international ausgebildeten Lehrer*innen ver-
ortet, wodurch eine Veränderung der Situation verunmöglicht wird.
Matthias Müller und Michelle Proyer
244
5. Conclusio
Der erfolgreiche beru iche (Wieder-)Einstieg international ausgebildeter Lehrer*innen
wird in Österreich durch sich verschiedentlich äußernde (strukturelle) Diskriminie-
rung be- bzw. verhindert. Postkoloniale Zustände äußern sich im Kontext unterschied-
licher gesellscha licher Positionierungen im Zuge von Dequali zierung, Linguizismus
und (antimuslimischen) Rassismus. Werden diese nicht thematisiert, entsteht der Ein-
druck, jede Person könne gleichberechtigt an der Gesellscha und ihren Bildungsinsti-
tutionen teilhaben (Bergold-Caldwell & Georg, 2018, S.74). Die unterschiedlichen Be-
dingungen von Personen in Abhängigkeit ihrer sozialen Herkun und zugeschriebenen
Kultur bleiben dann unberücksichtigt. Stattdessen wird das neoliberale Narrativ der
Chancengleichheit betont, demzufolge es allein von der eigenen Anstrengung abhän-
ge, ob man (beru ichen) Erfolg hat. Basierend auf diesem Narrativ wird es Gesellschaf-
ten möglich, sich ihrer Verantwortung, Inklusion zu unterstützen und zu ermöglichen,
zu entziehen. Die Betonung einer vermeintlichen ‚Andersartigkeit‘ international ausge-
bildeter Lehrer*innen erlaubt zudem einen Ausschluss dieser aus ihrem ursprünglichen
Berufsfeld. Die (strukturelle) Diskriminierung international ausgebildeter Lehrer*innen
in Österreich steht dabei sinnbildlich für die politische Strategie von Staaten des globa-
len Nordens, die Subjektivität von ‚forced migrants‘ und ihrem Potential, etwas zur Ge-
sellscha beizutragen, auszublenden (Bloch & Donà, 2019b, S.169). Ein Potential inter-
national ausgebildeter Lehrer*innen besteht darin, den existenten Lehrer*innenmangel
auszugleichen. Hinzu kommt, dass viele Schüler*innen in Österreich eine Migrations-
biographie aufweisen, wobei international ausgebildete Lehrer*innen zu einem besseren
Umgang mit der heterogenen Schüler*innenscha beitragen können, etwa durch eine
Vorbildfunktion, die zeigt, dass beru icher Erfolg in Österreich auch mit Fluchterfah-
rung möglich ist (Proyer & Rasul, 2020, S.147). Um diese Wirkung zu entfalten, müs-
sen international ausgebildete Lehrer*innen allerdings auch eine Anstellung erhalten.
Allerdings sollte die Zuschreibung einer Expert*innenrolle im Umgang mit Schüler*in-
nen mit Migrations- bzw. Fluchterfahrung vermieden werden. Ansonsten besteht das
Risiko, die Ausbildung und Kompetenz international ausgebildeter Lehrer*innen für
den Unterricht eines Fachs auszublenden (Vock & Wojciechowicz, 2020, S.204). Da-
durch würde eine Dequali zierung auch nach erfolgreichem beru ichen (Wieder-)Ein-
stieg impliziert.
Um die Potentiale und Kompetenzen international ausgebildeter Lehrer*innen an-
zuerkennen und damit nutzbar zu machen, sind Veränderungen auf struktureller Ebe-
ne der Schule und der Lehrer*innenbildung notwendig. Gomolla (2015) folgend nimmt
die Institution Schule im Umgang mit Heterogenität keineswegs eine passive Rolle ein,
sondern verfügt über erhebliche Handlungsspielräume. Daher kann eine aktive Beteili-
gung der Institution an der Herstellung und Beibehaltung sozialer Unterschiede ange-
nommen werden (S.197). Ohne Veränderungen auf struktureller Ebene, etwa im Rah-
men der rechtlichen Anstellungsvoraussetzungen, ist zudem davon auszugehen, dass
(Re-)Quali zierungsmaßnahmen wie der Zerti katskurs auch in Zukun nicht den er-
wünschten Erfolg bringen werden. Für den kanadischen Kontext, in dem bereits län-
ger (Re-)Quali zierungsmaßnahmen für international ausgebildete Lehrer*innen exis-
Strukturelle Hindernisse und Diskriminierung international ausgebildeter Lehrer*innen 245
tieren, resümiert Schmidt (2010), dass diese nur dann erfolgreich sein können, wenn
auf struktureller Ebene anti-diskriminierende Arbeit geleistet wird und Änderungen
vollzogen werden (S.250). Ohne strukturelle Veränderungen ist für den österreichi-
schen Kontext von einer Konstanz der prekären Situation international ausgebildeter
Lehrer*innen auszugehen, da (Re-)Quali zierungsmaßnahmen nicht den erwünsch-
ten Erfolg einer längerfristigen beru ichen Tätigkeit als Lehrer*in ermöglichen können.
Darüber hinaus existiert mit dem Zerti katskurs momentan lediglich eine Möglichkeit
der Requali zierung für den Wiener Kontext, während im restlichen Österreich nur die
Möglichkeit eines ‚regulären‘ Lehramtsstudiums für einen beru ichen (Wieder-)Ein-
stieg bleibt. Zudem werden soziale Unterschiede ohne strukturelle Veränderungen ver-
festigt, insbesondere angesichts einer zunehmenden Heterogenität der Schüler*innen
bei einer gleichzeitig homogen bleibenden Lehrer*innenscha . Hinsichtlich der Gestal-
tung von (Re-)Quali zierungsprogrammen wäre es in Zukun sinnvoll, neben der Ver-
mittlung von Wissen über den ‚neuen‘ beru ichen Kontext auch auf die Notwendigkeit
gesetzlicher Veränderungen im Anstellungsverfahren hinzuweisen. Zudem sollte ein ge-
sellscha liches Bewusstsein für Inklusion befördert werden.
Für weitere Forschung im österreichischen Kontext wäre es u. a. interessant, die Ein-
stellung von Eltern hinsichtlich der Anstellung international ausgebildeter Lehrer*in-
nen zu erfragen. Angesichts der Auswirkung postkolonialer Zustände auf die Hinder-
nisse, mit denen international ausgebildete Lehrkrä e in Österreich konfrontiert sind,
erscheint zudem eine dezidiert postkoloniale Auseinandersetzung mit deren Situation
in Österreich gewinnbringend, um die Begründung bestehender Hindernisse eingehend
zu analysieren.
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Transition:
von der Ausbildung zum Berufseinstieg
Gabriele Beer, Astrid Ebenberger, Sylvia Potzmader und Rudolf Beer
Masterstudium und Berufseinstieg: empirische Befunde zum
Belastungsempfinden von Lehramtsstudierenden –
Relevanz für die hochschulische Arbeit im Kontinuum der
Lehrer*innenbildung
Zusammenfassung
Der Berufseinstieg gilt als ein kritisches Lebensereignis und entscheidender Faktor im Pro-
zess der beru ichen Sozialisation. Er ist gezeichnet von ambivalenten Herausforderungen,
persönlichen und beru ichen Extremsituationen, aber auch durch Freude an der Arbeit im
angestrebten Beruf. Der Lehrberuf wird generell als belastend, mit einer hohen psychischen
Beanspruchung empfunden. Das Forschungsinteresse der triangulierten empirisch-quantita-
tiven und qualitativen Studie galt dem Erleben und den Bewältigungsstrategien von Lehrper-
sonen im Berufseinstieg bei gleichzeitigem Masterstudium.
Schlüsselwörter: Berufseinstieg, Masterstudium, Belastung, Hochschuldidaktik
Master’s degree and career entry: Empirical findings on the stress
perception of student teachers – relevance for university work in the
continuum of teacher education
Summary
Career entry is considered a critical life event and a crucial factor in the process of vocation-
al socialisation. Career entry is marked by ambivalent challenges, extreme situations in both
personal and professional a airs, yet, also by the joy of working in the aspired profession.
e teaching profession is generally perceived as stressful, with a high psychological strain.
e research focus of this triangulated empirical-quantitative and qualitative study was the
overall experience of, as well as coping strategies for, entering the professional world while
completing a master’s degree.
Keywords: Career entry, master’s degree, workload, university didactics
1. Die empirische Studie: Forschungsinteresse und Methodologie
Das vorliegende Forschungsprojekt fokussiert die Einführung des Masterstudiums für
Primarstufenlehrpersonen, das parallel zum Berufseinstieg berufsbegleitend oder im
Vollzeitstudium absolviert werden kann. Die zentrale Forschungsfrage wurde folgen-
dermaßen formuliert: Wie erleben und bewältigen die in den Beruf einsteigenden Lehr-
personen, die gleichzeitig innerhalb von fünf Jahren ein Masterstudium abzuschließen
haben, den Berufseinstieg und welche Auswirkungen hat diese Doppelbelastung (Be-
rufseinstieg und Masterstudium) unter Berücksichtigung berufsrelevanter Persönlich-
keitsmerkmale der Berufseinsteigenden? Das Vorgehen ist initial explorativ; gleichzeitig
wurde in der Analyse aber auch hypothetisch von Unterschieden zwischen den Ak-
teursgruppen ausgegangen, daher beinhaltet das Vorgehen auch explanative Aspekte.
Folgend werden an den, an einer Klumpenstichprobe (KPH Wien/Krems) im Winterse-
Gabriele Beer, Astrid Ebenberger, Sylvia Potzmader und Rudolf Beer
252
mester 2019/20 erhobenen Daten, deskriptive wie auch inferenzstatistische Auswertun-
gen vorgenommen.
Zur mehrperspektivischen Klärung genannter Forschungsfragen (vgl. Schneider,
2014, S. 21–22; Burzan, 2016, S.49) wurde in der Studie sowohl auf quantitative als
auch auf qualitative Methoden zurückgegri en. Bei der quantitativen Fragebogener-
hebung unter allen Masterstudierenden einer Kohorte (N=178) wurden unabhängige
Variablen (Geschlecht, Berufstätigkeit, Studienzweig, Dienstjahr, gesundheitliche Para-
meter) und abhängige Variablen mit Skalen zu bedeutsamen Konstrukten erhoben. Im
Detail interessierten: (1) psychische Erschöpfung, (2) Anstrengungserhöhung, (3) Ein-
nahme aufputschender Mittel, (4) allgemeine Anforderungen/Belastungen, (5) negati-
ve Auswirkungen auf das Privatleben, (6) Arbeitsüberforderung, (7) Verausgabungsbe-
reitscha , (8) Perfektionsstreben, (9) Distanzierungsfähigkeit, (10) Lebenszufriedenheit,
(11) Erleben sozialer Unterstützung, (12) Extraversion, (13) Genauigkeit und (14–17)
weitere einzelne schulische Belastungsaspekte (siehe Abschnitt 1.1). Mittels leitfaden-
gestützter Interviews (N= 26) mit ausgewählten Lehramtsstudierenden der Primarstu-
fe/Master-Ausbildung wurden u. a. belastende Situationen und Bewältigungsstrategien
zum Berufseinstieg extrahiert.
1.1 Die Fragebogen-Erhebung
Das Erhebungsinstrument setzte sich aus fünf Items zur Erhebung demographischer
Daten sowie weiteren fünf Mehrfachwahl-Fragen zur Berufswahl und zum Berufsein-
stieg zusammen. Zwei Items zum Gesundheitszustand komplettierten den ersten Ab-
schnitt. Bei der Zusammenstellung der folgenden 108 Items wurde auf bewährte Ska-
len aus dem Copenhagen Psychological Questionnaire (COPSOQ) (Nübling, 2005)
bzw. auf Entwicklungen zum Arbeitsbezogenen Arbeits- und Erlebensmuster (AVEM)
(Schaarschmidt & Fischer, 2008) zurückgegri en. Die Items waren im Aussageformat
formuliert und auf einer fün eiligen Ratingskala (1–5) zu bewerten, wobei hohe Werte
eine starke Merkmalsausprägung angeben.
Für die statistische Auswertung standen die Datensätze von 178 (91,28 %) weibli-
chen und 16 (8,21 %) männlichen Primarstufenstudierenden zur Verfügung, welche die
Grundverteilung der Geschlechter abbilden (eine fehlende Geschlechtsangabe). Das
mittlere Alter aller Proband*innen betrug 25,02 Jahre. Die Stichprobe setzte sich aus 56
Vollzeitstudierenden (28,9 %) zusammen, 80 (41,2 %) haben eine Anstellung mit vollem
Beschä igungsausmaß, 54 Studierende (27,8 %) sind teilzeitbeschä igt, fünf Personen
konnten nicht zugeordnet werden. 58,8 % der Befragten (110) waren im ersten Dienst-
jahr, 10,7 % hatten schon längere Lehrerfahrung.
Dem subjektiven Erleben des Berufseinstiegs widmete sich eine einführende grund-
legende Fragestellung. 28,7 % der Lehramtsstudierenden erlebten den Berufseinstieg als
‚erwartungsgemäß spannend aber durchaus zu bewältigen‘. Für 24,1 % der Proband*in-
nen war der Einstieg in den Beruf ‚eine große Herausforderung‘. Insgesamt 13,3 % der
Befragten erlebten den Einstieg ‚schlichtweg als Überforderung‘ bzw. ‚schlimmer, als
ich mir es ausmalen hätte können‘. Aber auch umgekehrt meinten 7,7 % der jungen
Masterstudium und Berufseinstieg 253
Lehrkrä e: Der Berufseinstieg „war für mich ein wunderschönes Erlebnis ohne unange-
nehme Überraschungen“.
Weitere sechs Items gingen dem subjektiven Belastungsemp nden der Masterstu-
dierenden nach. Das ‚Gefühl nicht richtig abschalten zu können‘ (MW = 3,56) wird
als besonders belastend beschrieben, gefolgt von der Belastung durch das Studium
(MW = 3,13). ‚Zeitdruck‘ (MW = 2,84), ständige ‚Überforderung in Beruf und Stu-
dium‘ (MW=2,73) und die ‚Verantwortung für andere‘ (MW=2,11) liegen unter dem
Skalenmittel. Das Studium selbst wird damit als belastender als der Berufseinstieg be-
schrieben (MW=2,46).
Der aktuelle Gesundheitszustand war durch die Studierenden auf einer zehnteili-
gen Skala, mit 10 als denkbar bester Gesundheitszustand, anzugeben. Die linksschiefe
Verteilung gibt den als durchschnittlich gut eingeschätzten Gesundheitszustand wieder,
dies zeigt sich an einem hohen Mittelwert von 7,57. Dennoch ist eine kleine hochvulne-
rable Gruppe von 25 Masterstudierenden unterhalb des Skalenmittelpunkts von 5,5 zu
identi zieren – ihnen soll im Zuge der Lehramtsausbildung besondere Beachtung ge-
schenkt werden, um der Manifestation von Risikokonstellationen im Studium proaktiv
begegnen zu können.
Die 108 Einzelitems wurden in der Folge zu inhaltlich sinnvollen Indizes zusam-
mengefasst. Für die Zusammenstellung der Indizes wurde auf obig genannte Konstrukte
(Skalen) zurückgegri en. Die erhobenen Cronbachs Alpha Werte von 17 Indizes bestä-
tigen die hohe Modellgüte. Lediglich zwei Skalen zeigen einen schlechten inneren Zu-
sammenhalt, diese Werte können aber dennoch als akzeptabel gelten und für weitere
Auswertungen verwendet werden (vgl. Rost, 2013, S. 178f. u. 229f.). Die vorliegenden
mittleren Inter-Item-Korrelationen (0,199 ≤ MIC ≤ 0,757) liegen näherungsweise inner-
halb der wünschenswerten Grenzen. Für die so aggregierten Indizes wurden die arith-
metischen Mittel wieder auf einer Skala zwischen 1 und 5 errechnet.
Mit Blick auf die Gesamtstichprobe fällt auf: Die höchste Zustimmung erfährt
der Index (11) Erleben sozialer Unterstützung (MW = 4,22). Die Lehramtsstudieren-
den zeichnen sich im Besonderen durch hohe (13) Gewissenha igkeit (MW =4,03),
hohes (8) Perfektionsstreben (MW = 3,67) und durch hohe (10) Lebenszufriedenheit
(MW=3,64) aus. Noch deutlich über dem Skalenmittel liegen ebenso (12) Extraversion
(MW=3,61) und (7) Verausgabungsbereitscha (MW=3,34). Allerdings soll auch auf
die geringe (9) Distanzierungsfähigkeit hingewiesen werden (MW=2,30).
Von zentralem Interesse war, ob sich Lehramtsstudierende, welche das Masterstu-
dium mit der doppelten zeitlichen Belastung des Berufseinstiegs inklusive der Induk-
tionsphase auf sich nehmen, von Vollzeitstudierenden unterscheiden. Die subjektive
Belastung wurde in vier Skalen abgebildet. Berufseinsteigende Studierende zeigen in al-
len Indizes der Belastung signi kant höhere Scores als Vollzeitstudierende. Im Index
(1) psychische Erschöpfung berechnet sich ein Cohens d von 0,360, bei (4) allgemeine
Anforderungen und Belastungen ergibt sich ein E ekt von d= 0,427, bei (5) negative
Auswirkungen auf das Privatleben zeigen sich noch größere Di erenzen mit d=0,593
und auch bei der (6) Arbeitsüberforderung kann von bedeutenden E ekten berichtet
werden (d= 0,401). Im weiteren Persönlichkeitspro l (Indizes 7–13) zeigen sich kei-
Gabriele Beer, Astrid Ebenberger, Sylvia Potzmader und Rudolf Beer
254
ne signi kanten Unterschiede zwischen Studierenden ohne bzw. mit gleichzeitigem Be-
rufseinstieg.
Um die Zusammenhänge zwischen der subjektiven Belastung und Persönlichkeits-
merkmalen darzustellen, wurden alle Belastungsitems zu einem Generalfaktor ‚Belas-
tungsindex‘ zusammengefasst (α = 0,945). Zwischen dem Belastungsindex und den
sieben Persönlichkeitsfaktoren ergeben sich teilweise bedeutende, signi kante Korrela-
tionen. So korreliert die (7) Verausgabungsbereitscha positiv mit dem Belastungsindex
(r= -,601). Eine hohe Belastung geht also mit einer hohen Verausgabungsbereitscha
einher. Die Varianzau lärung liegt bei rund 36,1 %. Die (9) Distanzierungsfähigkeit
steht mit der Belastung in einem reziproken Verhältnis (r =-,557), wie auch die (10)
Lebenszufriedenheit und Belastung in einem verkehrt proportionalen Zusammenhang
stehen (r=-,665). Das bedeutet, dass hohe Lebenszufriedenheit mit einer eher niedri-
geren Belastung einhergeht (mit einer Varianzau lärung von rund 39,1 %).
1.2 Die qualitative Befragung
Das Hauptinteresse der leitfadengestützten Interviews mit induktiver Kategorienbildung
in QCAmap nach Fenzl und Mayring (2017) galt herausfordernden, belastenden As-
pekten und Bewältigungsstrategien im Zusammenhang mit dem Masterstudium und
einem allfälligen Berufseinstieg. Die Interviewdauer betrug zwischen 30 und 90 Minu-
ten, wobei insgesamt drei Interviewerinnen und drei Raterinnen im Einsatz waren. Die
Kategorienbildung erfolgte mehrschrittig induktiv.
Die Gründe für bzw. gegen den gleichzeitigen Berufseinstieg im Masterstudium sind
vielfältig. Für einen Berufseinstieg werden vor allem die (Vor-)Freude, endlich unter-
richten zu dürfen, wirtscha liche Notwendigkeiten, das Bedürfnis nach Unabhän-
gigkeit, aber auch der Wunsch, nicht mehr ‚nur‘ studieren zu wollen, angeführt. Als
Argumente gegen den Berufseinstieg werden die Optimierung der derzeitigen Arbeits-
situation, die Minimaldauer des Studiums einhalten zu wollen, die Vorstellung nach
dem Masterabschluss optimal in den Beruf einsteigen zu können, das bewusste Vermei-
den der Mehrfachbelastung, aber auch die Sorge, den beru ichen und eigenen Anfor-
derungen bei dieser Mehrfachbelastung nicht entsprechen zu können, genannt.
Gerade in der ersten Phase des Masterstudiums zeigen sich Ungewissheiten und Ko-
gnitionen. Fragen nach Herausforderungen und Belastungen ergeben sich. Genannt
werden beispielsweise, ob die Bewerbung für eine Stelle an einer Schule erfolgreich
sein wird, ob das Masterstudium bei gleichzeitigem Berufseinstieg zeitnah abgeschlos-
sen werden kann, ob sich die vielen Fragen hierbei klären werden: „… wie wird das
dort sein, wie werden die Kollegen sein, wie werden die Kinder sein, was erwartet mich,
wie werden die Eltern sein, was muss ich planen im Vorhinein, was muss ich vorbereiten,
auf was muss ich achten, hab ich eine Klasse, hab ich keine Klasse, inwieweit (Lachen),
was muss ich dort machen, also hunderttausend Fragen“ (IP_18). Letztlich werden auch
Ängste genannt, wie man sich entscheiden sollte, wenn tatsächlich noch ein Angebot
für den Berufseinstieg auf einen zukäme – für das Studium, den Beruf oder für beides?
Masterstudium und Berufseinstieg 255
An Herausforderungen im Berufseinstieg nennen die Masterstudierenden die Ein-
arbeitung in ein neues System, das Aneignen von viel Neuem und Unbekanntem,
zeitraubende und auch belastende Gespräche mit Eltern, Gespräche mit schwierigen
Schüler*innen wie auch über sie mit anderen Lehrkrä en, eine Vielzahl von organisato-
rischen beru ichen Tätigkeiten, den Aufwand für Konferenzen und Koordinationsstun-
den, aber auch, dass für Familie, Freunde und die eigene Erholung zu wenig Zeit bleibt.
Bei der Frage nach aktuellen, individuell empfundenen Belastungen werden Ver-
gesslichkeit, Unkonzentriertheit, mangelnde Schlafqualität, Müdigkeit und Kopfschmer-
zen angeführt – „Dinge (…), die ich von mir gar nicht kenne“ (IP_10).
Als Ressourcen, über welche Studierende verfügen, um den Anforderungen von
außen und an sich selbst zu entsprechen (Becker, 2006), geben diese ein unterstützen-
des soziales Umfeld, intrapersonale Ressourcen wie Selbstbewusstsein, Zielorientiert-
heit, Strukturiertheit sowie Wissen und Können zur Unterstützung der Handlungsfä-
higkeit und -sicherheit an.
Die Zusammenfassung der triangulativen Ergebnisse macht deutlich, dass (a) Un-
gewissheiten und Vorerfahrungen eine wesentliche Rolle in der Entscheidung für
ein Masterstudium mit oder ohne Berufseinstieg spielen. Diese betre en sowohl den
schwer kalkulierbaren Aufwand für das Masterstudium und dessen Verlauf als auch
eine prospektive Einschätzung der Belastungen im Berufseinstieg und den eigenen An-
spruch hinsichtlich eines erfolgreichen Berufsstarts bzw. eines gelingenden Studiums.
Ein wesentlicher Aspekt ist aber auch (b) die Lehrer*innenpersönlichkeit. Das Belas-
tungsemp nden geht einher mit ihrer intrapersonellen Disposition und Copingstrategie
sowie ihrer interpersonalen Ressourcen wie z. B. dem sozialen Netzwerk als Resilienz-
faktor. Bemerkenswert ist, dass in den qualitativen Aussagen Bürokratie, laufende syste-
mische Reformen und Veränderungen und ein häu g negativ erlebtes Berufsimage im
Gegensatz zu spezi schen Lehrer*innenstudien (BMBWK, BMöLS, GÖD, 2000, S.191;
Schönwälder, Berndt, Ströver & Tiesler, 2003, S.41; Spenger, Katschnig, Schrittesser &
Wistermayer, 2019, S.49) keine Rolle spielen. Es ist anzunehmen, dass diese Faktoren
mit längerer Berufserfahrung relevant werden.
2. Nutzung der Erkenntnisse für hochschuldidaktische Interventionen
in der Lehramtsausbildung
Mit Blick auf die vorliegenden Ergebnisse liegt der Schluss nahe, sich zukün ig im
Kontext hochschuldidaktischer Überlegungen intensiver mit der zentralen Bedeutung
von Re exion(sprozessen) auseinanderzusetzen. Denn „Einigkeit scheint [unter den
Professionsforscher*innen] derzeit darüber zu bestehen, dass die professionelle Lehr-
person in Anbetracht der vielfältigen Aufgaben, die sie im täglichen Berufsleben zu be-
wältigen hat, ihre eigenen Handlungen konsequent re ektieren sollte, um sich beru ich
weiterentwickeln und sich den praktischen Anforderungen anpassen zu können“ (Wyss,
2008, S.1).
Neben dem Re ektieren der eigenen Handlungen im schulischen Kontext – z. B.
in Form der „re ection-in-action“ oder auch der „re ection-on-action“ (Schön, 1983,
Gabriele Beer, Astrid Ebenberger, Sylvia Potzmader und Rudolf Beer
256
zit. nach Hilzensauer, 2008, S.4) – gilt es auch, eine Auseinandersetzung mit der eige-
nen Persönlichkeit anzustoßen, „die Re exion nach innen zu erweitern, auf das Selbst
und das eigene Erleben in konkreten Interaktionssituationen“ (Albert, 2016, S.36), aber
auch und andererseits als selbsthinterfragenden Prozess, in dem die eigenen Überzeu-
gungen, Einstellungen, Haltungen aber auch Persönlichkeitsmerkmale ergründet wer-
den. Von dieser Studie lässt sich auch ableiten, dass die durch die schulische und stu-
dienbezogene Arbeit erwachsenen Belastungen, deren Ursachen und Folgen einer
Re exion zu unterziehen wären.
Der Lehrberuf wird als sehr belastend beschrieben (Kramis-Aebischer, 1995; Ksien-
zyk & Schaarschmidt, 2005; Rothland, 2007; Schaarschmidt, 2005) und geht mit einer
hohen psychischen Beanspruchung einher (Hasselhorn, 2009; Lehr, 2011; Schönwäl-
der, Berndt & Ströver, 2003), die sich bei zwanzig bis dreißig Prozent der Lehrpersonen
in Form psychosomatischer und psychologischer Beanspruchungssymptomatik äußert
(Bauer et al., 2006). Es gilt daher die Gefahr eines beru ichen Burn-outs zu verringern.
Selbstre exion kann dazu beitragen, die Klu zwischen eigenen Ansprüchen und rea-
len Handlungsmöglichkeiten – und damit die Hauptursache für beru iches Burn-out –
zu reduzieren.“ (Wyss, 2008, S.9)
In diesem Aspekt liegt der Anknüpfungspunkt zu den vorliegenden Untersuchungs-
ergebnissen. Die Daten belegen das Vorhandensein einer vulnerablen Gruppe.
Im Bewusstsein, dass Hochschullehrende keine erapeutinnen bzw. erapeuten
sind und es auch nicht Aufgabe der Lehrer*innenbildung ist, erapien anzubieten, las-
sen sich dennoch Konzepte entwickeln, die dem Aspekt Rechnung tragen, Studieren-
de zur Selbstre exion im Sinne einer Aufrechterhaltung der Gesundheit anzuregen.
Wie dies umgesetzt werden kann, soll beispielha Inhalt des nachfolgenden Abschnit-
tes sein.
Es bietet sich an, sich dieser ematik über die Forschungsbefunde von Schaar-
schmidt und Fischer (vgl. Schaarschmidt & Fischer 1997; 2001; 2003; 2006; 2008) zu
nähern und auch ihr Testinstrument AVEM („Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Er-
lebensmuster“) miteinzubeziehen und so die Re exion anzustoßen.
Der AVEM-Fragebogen erfasst mittels elf Dimensionen Arbeits- und Berufsanfor-
derungen sowie Möglichkeiten der Bewältigung dieser und erlaubt „den Rückschluss
sowohl auf gesundheitsförderliche als auch gesundheitsgefährdende Beanspruchungs-
verhältnisse“ (Schaarschmidt, 2006, S.59). Jede dieser Kategorien umfasst dabei sechs
Fragen, welche auf einer fünfstu gen Skala von „tri völlig zu“ bis „tri überhaupt
nicht zu“ zu beantworten sind. Des Weiteren erlaubt das Verfahren „die Unterschei-
dung nach vier (clusteranalytisch bestimmten) Mustern“ (ebd.). Jede Testperson kann
mittels Diskriminanzanalyse einem der vier Mustertypen (Gesundheit, Schonung, An-
strengung und Burnout), für den sich die größte Pro lübereinstimmung ergibt, zuge-
ordnet werden.
Umgesetzt werden diese Überlegungen erstmals im Sommersemester 2022 im Rah-
men einer Lehrveranstaltung mit Studierenden des sechsten Semesters. Geplant ist,
dass die Studierenden diesen Fragebogen ausfüllen, sich mit diversen Lehrer*innen-
gesundheitsstudien auseinandersetzen, Ergebnisse von Lehrer*innenbefragungen mit-
tels AVEM zusammenfassen, die grundlegenden Kenntnisse über die vier Mustertypen
Masterstudium und Berufseinstieg 257
erwerben und erfassen, welche Auswirkungen je nach Mustertyp auf die Gesundheit
resultieren. Da das Curriculum für diese Lehrveranstaltung den Erwerb von Metho-
denkompetenz verlangt, geben die Studierenden die eigenen Daten in SPSS ein, die zu
einem gemeinsamen Daten le zusammengeführt werden. In angeleiteten Arbeitsschrit-
ten berechnen die Studierenden die elf Faktoren und erstellen eine deskriptive Analy-
se. Sie stellen ihre persönlichen Mittelwerte jenen der Gruppe gegenüber und interpre-
tieren das Ergebnis. Nach Berechnung der Mustertypen gibt es in der nachfolgenden
Re exionsphase Gelegenheit, sich mit dem eigenen Muster auseinanderzusetzen. Ein
Austausch mit den Kommiliton*innen wird ermöglicht, ist aber freiwillig. Eine nach-
folgende Aufgabe besteht darin, sich zu überlegen und schri lich festzuhalten, welche
Konsequenzen aus den gewonnenen Erkenntnissen gezogen und welche Vorsätze ge-
fasst werden. Die Re exionsaufgaben werden von der Veranstaltungsleitung nicht ge-
lesen, da im Vordergrund eine o ene und tiefgreifende Auseinandersetzung steht. Das
Ausfüllen eines Fragebogens am Ende der Lehrveranstaltung zur Evaluierung des Nut-
zens dieser Auseinandersetzung mit dem arbeitsbezogenen Verhaltens- und Belastungs-
erleben soll Rückschlüsse für weiterführende Überlegungen, wie die Re exion berufsre-
levanter, persönlichkeitsbildender Inhalte angestoßen werden kann, liefern.
3. Nutzung der Erkenntnisse für eine Optimierung der Induktionsphase
Die Untersuchung zeigt, dass sich für Masterstudierende mit gleichzeitigem Berufs-
einstieg und damit verbundener Induktionsphase vielfältige persönliche und beru i-
che Herausforderungen ergeben. Die befragten Primarstufenlehrpersonen (14 mit voller
Lehrverp ichtung) berichten in den Interviews von bis an die Belastbarkeitsgrenze ge-
henden beru ichen Schwierigkeiten vor allem in den Bereichen des Zeitmanagements
und der Organisation des Schulalltags. Zudem zeigt sich bei der Mehrheit der Befrag-
ten zum Befragungszeitpunkt – etwa drei Monate nach dem Dienstantritt – auch eine
Unzufriedenheit der Person mit sich selbst, die bis in die private Ebene hinein wirkt.
Betro en sind die Familie, Partnerscha und der Freundeskreis.
Gleichzeitig ist ein Ergebnis der Studie, dass es vor allem die unterstützenden so-
zialen Systeme sind, die den empfundenen Belastungen entgegenwirken und das beruf-
liche und private Wohlbe nden stärken. Hier setzt das Mentoring an, das im Rahmen
der verp ichtenden Induktionsphase (BGBl. 211/2013) 2019 implementiert wurde. Al-
lerdings lässt sich aus den Auswertungen der Interviews folgender Optimierungsbedarf
ableiten.
3.1 Sicherstellung der personalen Ressourcen für das Mentoring
Die Befragten schreiben einer begleitenden Einführung in den Schulalltag durch er-
fahrene Lehrpersonen und einem Wissens- und Erfahrungsaustausch in dieser Phase
der Selbsterprobung und -verwirklichung einen hohen Wert zu (Dreer, 2016). Die Be-
treuung scheint jedoch nicht sichergestellt. Eine befragte Person äußert: „Ich habe dies-
Gabriele Beer, Astrid Ebenberger, Sylvia Potzmader und Rudolf Beer
258
bezüglich schon sehr o mit meiner Direktorin gesprochen, in dem Bezirk, wo ich arbei-
te, gibt es keine Mentoren. Es gibt entweder zu wenige oder keine.“ (IP_11; auch IP_32).
3.2 Klärung der rechtlichen Lage
Zum Befragungszeitpunkt besteht Unsicherheit darüber, für welche Gruppe der Be-
rufseinsteigenden in dieser Übergangsphase zur PädagogInnenbildung NEU eine qua-
li zierte Begleitung überhaupt verp ichtend vorgesehen ist. Die Aussagen von Schul-
leitungen und den Verantwortlichen in der Bildungsregion sind kontrovers (IP_29)
und Unsicherheit entsteht: „(…) das Organisatorische war das Problem“ (IP_30; IP_28;
IP_32) (vgl. auch Prenzel et al., 2021).
3.3 Erhöhung der Betreuungszeiten
Neben den knappen personalen Ressourcen wird Zeitknappheit empfunden. Die Inter-
viewten geben Betreuungszeiten von null bis 120 Minuten in einer Regelmäßigkeit von
„nie“, „bisher einmal“ bis „bisher einmal, aber monatlich geplant“ an. Die Gespräche
sind meist terminisiert. Wird das Mentoring allerdings von einer Person an der Schule
übernommen, so handelt es sich überwiegend um beiläu ge Gespräche.
3.4 Frühzeitiger Start des Mentorats und Gewährleistung einer tatsächlichen
Unterstützung
„Ich kann nur sagen, dass es sinnvoll wäre, eine Mentorin vor Schulbeginn zu haben und
dass die Mentorin nicht eine Person aus der Schule ist, weil wir hatten ein Problem (…)
mit der Direktorin. Dann wäre es gut, wenn man das mit wem bespricht, der außer-
halb der Schule ist. (…) grundsätzlich nde ich das System Mentoring gut, aber so wie es
jetzt ist, noch nicht sehr gut.“ (IP_11; auch IP_33 u. a.) Die Frage, ob die Mentorin be-
ziehungsweise der Mentor und die zu betreuende Lehrperson an der gleichen Schule
unterrichten sollten, ist gesetzlich nicht näher ausgeführt (§ 39a(3) VBG). Hier erö -
net sich ein Handlungsspielraum. Einerseits sichert das Mentoring an derselben Schu-
le die Kenntnis über die vorliegenden Bedingungen und unterstützt eine an die Situa-
tion angepasste Begleitung, andererseits können Probleme wie das oben beschriebene
au reten.
3.5 Vertrauensvolle Beziehung
„(…) ich hab Gott sei Dank eine Mentorin erwischt, die (…) wirklich eine Ansprechpart-
nerin ist.“ (IP_2; auch IP_34) Die Qualität der Betreuung steht ganz wesentlich in Zu-
sammenhang mit einer vertrauensbasierten Beziehung zwischen den Beteiligten. Diese
Masterstudium und Berufseinstieg 259
wird erschwert durch die Betreuungs- und Bewertungsambivalenz. Eine Befragte äu-
ßert ihr Emp nden zur Begleitung so: „Gar nicht entlastend, (…) dieses Beobachtet-Wer-
den“ (IP_2) (vgl. auch Prenzel et al., 2021).
3.6 Qualifizierte Mentor*innen
„Und sie kennt sich noch nicht aus, sie hat keine Ahnung von einer Begutachtung, wie
man das schreibt, was da alles evaluiert wird.“ (IP_25) Eine hochwertige Betreuung
der Berufseinsteigerinnen und -einsteiger setzt gut ausgebildete und informierte Men-
tor*innen voraus. Das Rollenbild muss klar (§ 39a(3)) und das Handeln-Können gesi-
chert sein. In § 39a(1) und (4) VBG sind die Voraussetzungen für eine Berufung zur
Mentorin bzw. zum Mentor de niert. Derzeit übernehmen o engagierte Kolleg*innen
diese wichtige Rolle (IP_11). Ihr Beitrag wird als hilfreich und entlastend empfunden
und kann das fehlende oder unzureichende Mentoring mehr oder weniger kompensie-
ren (IP_28), aber nicht ersetzen. Professionelles Mentoring, „das ist wirklich sehr, sehr
schön“ (IP_18), denn „da kümmert sich wer um mich. Das ist eigentlich ein schönes Ge-
fühl, wenn man das so im Hinterkopf hat.“ (IP_32)
Zusammengefasst lassen sich aus den Ergebnissen der Studie folgende Vorschlä-
ge zur Optimierung der Berufseinstiegsphase ableiten: Die beru iche und hier vor al-
lem die zeitliche Belastung der Berufseinsteigenden ist hoch und eine professionelle
Begleitung durch eine quali zierte Lehrperson erwünscht. Die Betreuung muss im Sin-
ne einer besseren Orientierung und Belastungsreduktion transparent organisiert und
jedenfalls gesichert sein. Um den Einstieg in die Induktionsphase zu optimieren, muss
das Mentoring frühzeitig – idealerweise noch vor dem Schulstart – erfolgen.
Die Berufseinsteigenden geben an, trotz des empfundenen Zeitdrucks mehr Zeit für
begleitende Gespräche und Hospitationen einbringen zu wollen, um das professionelle
pädagogische Handeln ihrer Betreuerinnen und Betreuer beobachten und in regelmä-
ßigen Erfahrungsaustausch mit ihnen treten zu können, wobei der Austausch im Sin-
ne eines optimierten Zeitmanagements klar zu reglementieren sei. Gleichzeitig wird das
Gefühl einer Abhängigkeit geäußert, die wenig vertrauensbildend wirkt. Hier wird vor
allem die Bewertung durch die Mentor*innen als zusätzliche Belastung empfunden. Sie
erhöht den Druck auf die Berufseinsteiger*innen.
4. Transfer der Erkenntnisse hinsichtlich Fort- und Weiterbildung
Das teilweise hohe Belastungsemp nden der Lehrpersonen macht die Notwendigkeit
der Entwicklung einer hohen Resilienzfähigkeit – der individuellen Widerstandsfähig-
keit und Belastbarkeit – deutlich. Neben dem grundlegenden Beitrag der Ausbildung
und der Integration eines qualitätvollen Mentorings in das Noviziat können adäqua-
te Fortbildungsveranstaltungen ebenso wie entsprechende Weiterbildungsangebote die
Professionalisierung hinsichtlich eines salutogenen Lehrer*innenhandelns unterstützen.
Re exionsfähigkeit und Selbstre exibilität (Fröhlich-Gildho & Rönnau-Böse, 2011,
Gabriele Beer, Astrid Ebenberger, Sylvia Potzmader und Rudolf Beer
260
S.44) können im Zusammenhang mit Resilienz als Ressource und Copingstrategie ge-
nannt werden. Dementsprechend nden diese emenbereiche in Fort- und Weiterbil-
dungsangeboten bereits Eingang.
Hinter Titeln wie u. a. „Gesundheit in Balance – Resilienz, Stress positiv bewälti-
gen“, „Ein starkes Trio: Lachen, Humor und Gesundheit – Lache und das Leben lacht
zurück!“ oder „Wer innehält, bekommt von innen Halt / Stopp dem Stress und mehr
Mitgefühl bitte!“ und „Psychosoziale Gesundheit – achtsam und stark durch das Le-
ben“ stehen Angebote, die auf die Stärkung der persönlichen Resilienzstrategien, die
Verfügbarkeit von Selbstmanagementtechniken und die Entwicklung der Re exionsfä-
higkeit (KPH, 2020, S. 7) abzielen und durch Coaching- und Supervisionsangebote er-
gänzt werden.
5. Vom inhaltlichen Transfer zur nachhaltigen Transformation
Die Überlegungen, den Persönlichkeitsbildungsansatz in die Lehrer*innenausbildung
zu implementieren und in den Fort- und Weiterbildungsangeboten zu verdichten, fol-
gen u. a. den Ergebnissen der COACTIV-Studie des Max-Plank-Instituts (2007, S.106),
deren Kompetenzmodell Professionswissen (knowledge), Haltung, professionelle Über-
zeugung (beliefs) und psychologische Funktionsweisen, Selbstregulation (psychological
functioning) wie Distanzierungsfähigkeit und Copingstrategien (MPI, 2007, S.107) als
wesentliche Parameter des Lehrer*innen-Handels determiniert. Das daraus entwickel-
te „eigenscha stheoretische Persönlichkeitskonzept“ widmet sich „relativ stabilen Mus-
tern von Dispositionen, die für das Handeln, den Erfolg und das Be nden im Leh-
rerberuf bedeutsam sind“ (Mayr & Neuweg, 2006 nach Mayr, Hanfstingl & Neuweg,
2020, S.141). Dementsprechend empfehlen Mayr et al. eine Orientierung der Ausbil-
dungsangebote an den Aktionsfeldern Persönlichkeitsentwicklung, Selbstregulation, Pä-
dagogisches Handeln und Lau ahnwahl. Aufgrund der Integration in (verp ichtende)
Ausbildungsinhalte wird für die Studierenden eine Auseinandersetzung mit der eigenen
Persönlichkeit unumgänglich. Damit diese kritische Re exion ihren Transfer in einer
Persönlichkeitsstabilisierung oder sogar in einer Persönlichkeitstransformation ndet,
kann mit Coaching und persönlichen Beratungen u. a. auch zur Berufswahl unterstützt
werden (Mayr et al., 2020, S.143). In diesem Zusammenhang bietet es sich an, neben
den verp ichtenden Ausbildungscurricula Synergien mit zusätzlich vorhandenen, hoch-
schulinternen Angeboten und Expertinnen bzw. Experten für die Studierenden nieder-
schwellig nutzbar zu machen.
Im Lichte der Erkenntnisse aus der Potsdamer Lehrerstudie, wonach das Belas-
tungsemp nden von Lehrkrä en im weiteren Berufsleben progressiv zunimmt (Schaar-
schmidt, 2005, S.142), und der Studie zur Gesundheit und dem Gesundheitsemp nden
von Lehrpersonen in Österreich (Hofmann et al., 2012), die u. a. eine mit dem Dienst-
alter steigende Erschöpfung (S.35) und einen sich verschlechternden gesundheitlichen
Zustand der Lehrkrä e (S.20) konstatiert und die zeigt, dass die Distanzierungsfähig-
keit im Vergleich zum Dienstanfang abnimmt (S.38), scheint es nach den Erkenntnis-
Masterstudium und Berufseinstieg 261
sen um die Belastungssituation am Berufseinstieg höchst notwendig, Maßnahmen, die
einen nachhaltigen Transformationsprozess einleiten, zu setzen.
Wieweit das reiche Repertoire an Fort- und Weiterbildungsinhalten, das intensiv auf
Achtsamkeit und psychosoziale Gesundheit, Selbstre exion und Selbstwirksamkeit ab-
zielt, eine nachhaltige Veränderung bei Lehrkrä en bewirken kann, ist zu diskutieren.
Augenmerke sollten auf die positive Gestaltung und das positive Erleben des Berufs-
einstiegs gerichtet werden. Das beginnt in der Ausbildung bei der Entwicklung stabiler
Persönlichkeiten, einer Klarheit und Sicherheit in der Berufswahl und setzt sich fort in
einem passgenauen und an den Expertisen der Neueinsteigenden orientierten Ressour-
ceneinsatz. Es manifestiert sich in der Fokussierung auf den von einem qualitätsvollen
Mentorat begleiteten und in einem strukturierten Onboarding-Prozess ablaufenden Be-
rufseinstieg. Es ermöglicht zeitliche und inhaltliche Autonomie in der Weiterbildungs-
wahl und erö net dazu Ressourcen. Ein salutogenes Führen (Schaarschmidt, 2005 zit.
nach Hundeloh, 2014, S.41) durch die Schulleitung ergänzt die Resilienz fördernden
Maßnahmen.
Bildet das Zitat von Hermann Hesse (1941) „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber
inne, der uns beschützt und der uns hil , zu leben“ auch keine Evidenzen ab, kann es
doch als Leitgedanke übernommen werden und so zur Grundlage einer nachhaltig wir-
kenden, positiven Transformation des Lehrerseins führen.
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Anne Frey und Silvia Pichler
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase
(Induktion) in der österreichischen Lehrer*innenbildung im
Bundesland Vorarlberg
Zusammenfassung
Der Berufseinstieg in die Tätigkeit als Lehrperson gilt als besonders sensible Phase und da-
mit als sehr bedeutsam für die Professionalisierung von Lehrpersonen. Im Rahmen der Pä-
dagogInnenbildung NEU wurde in Österreich vor diesem Hintergrund eine weitere Akade-
misierung der Lehrer*innenbildung angestrebt und ein dreiphasiges Modell etabliert. Eine
wesentliche Neuerung ist die begleitete zweite Phase, die Berufseinstiegsphase, die als ein-
jährige Induktion konzipiert ist und seit dem Schuljahr 2019/20 umgesetzt wird. Spezi -
sche Fortbildungen und ein Mentoring sind die Hauptsäulen der Induktion. Der Beitrag be-
schreibt umfangreiche Begleitforschungen aus dem Bundesland Vorarlberg (Projekt INDUK).
Rekurrierend auf die für den Berufseinstieg relevanten Entwicklungsaufgaben zeigen sich in
einer auf Fragebogen basierten quantitativen Erhebung bei den beginnenden Lehrpersonen
in Bezug auf das Kompetenzerleben eine Steigerung und in Bezug auf das Belastungserle-
ben keine Veränderungen im ersten Dienstjahr. Das Mentoring wird von den Berufseinstei-
ger*innen und den Mentor*innen gleichermaßen als wichtig eingeschätzt und auf verschie-
denen – den Entwicklungsaufgaben entsprechenden – Lernebenen dialogisch durchgeführt.
Die Ergebnisse sprechen für einen wertvollen Beitrag der Induktion zur Professionalisierung
beginnender Lehrpersonen und damit zur Qualität der Lehrer*innenbildung in Österreich.
Schlüsselwörter: Induktion, PädagogInnenbildung NEU, Berufseinstieg, Mentoring, Entwick-
lungsaufgaben
INDUK – Accompanying research on the career entry phase (induction) in
Austrian teacher education in the federal state of Vorarlberg
Summary
ere is consensus that teachers’ career entry is a particularly sensitive phase and thus sig-
ni cant for professionalization. With the goal of advancing the academization of Austrian
teacher training, a three-phase model was established based on the reform driving expertise
PädagogInnenbildung NEU. Core element is the supervised second phase of teacher train-
ing implemented as a one-year induction, which was introduced in 2019/20. Speci c train-
ing and mentoring are seen as mainstays of induction. e article is based on extensive ac-
companying research carried out in the Austrian federal state Vorarlberg (project INDUK).
With reference to developmental tasks relevant for career entry, increasing experience of
competence and no change in stress perception during early career teachers’ rst year can
be shown. Mentoring is rated as important both by the new teachers and their mentors and
is carried out in a dialogical manner in correspondence with the identi ed developmental
tasks. e results indicate a meaningful contribution of the reformed induction phase to the
professionalization of beginning teachers and thus to the quality of teacher education in Aus-
tria.
Keywords: Induction, PädagogInnenbildung NEU, career entry, mentoring
Anne Frey und Silvia Pichler
266
1. Einleitung und Ausgangspunkt
Der Berufseinstieg in die Tätigkeit als Lehrer*in bietet immer wieder Anlass für Dis-
kussionen sowohl in Wissenscha und Forschung als auch in Gesellscha und Bil-
dungspolitik. Die Lehrer*innenbildung sieht sich dabei allzu häu g mit dem Vorwurf
von zu wenig Praxisnähe und zu starker fachlicher und theoretischer Ausrichtung der
Ausbildung und dem dann entstehenden Praxisschock beim Eintritt in den Beruf kon-
frontiert. Mindestens zwei Argumente sind hier anzuführen: Die Bedeutsamkeit theo-
retischen Wissens und die „Unvermeidbarkeit“ eines Übergangs vom Studium in den
Beruf. Ad 1: Zahlreiche Untersuchun gen namha er Wissenscha ler*innen betonen die
Wichtigkeit des theoretischen Wissens und der evidenzbasierten Lehramtsausbildung
an Universität und Pädagogischer Hochschule (Hascher, 2014; König, 2014; Te rhart,
2000, 2011). Das fachliche, das fachdidaktische sowie das pädagogisch-psychologische
Wissen (um auf die klassische Einteilung von Shulmann (1986) zu rekurrieren) sind
wesentliche Facetten professioneller Lehrer*innenkompetenz (Baumert & Kunter, 2006;
2011; Sc hnider, Fischer, Mettinger & Spiel, 2012; Voss, Kunina-Habenicht, Hoehne &
Kunter, 2015). Gerade vor dem Hintergrund einer gewachsenen Heterogenität und
dem Anspruch einer inklusiven Ausrichtung des Bildungssystems zeigt sich – neben
der sozialen Unterstützung – das Wissen darüber, was in herausfordernden pädago-
gischen Situationen zu tun ist, als wichtiger Entlastungsfaktor für Lehrpersonen (Oet-
jen, Martschinke, Elting, Baumann & Wissenbach 2021). Ad 2: Der Lehrer*innenberuf
ist so komplex, dass er in seiner Gesamtheit auch in einer noch so guten Ausbildung
nicht so erlernt und beherrscht werden kann, dass der Einstieg in die Berufstätigkeit
vollkommen reibungslos und ohne die für diese Phase spezi schen Herausforderungen
von statten gehen kann. Vielmehr ist die Professionalisierung eine ständige Aufgabe für
Lehrpersonen und ist als ein Kontinuum vom ersten Tag des Studiums bis zum letzten
Tag der Berufstätigkeit zu begreifen (Braunsteiner & Schnider, 2020). Diesen Erkennt-
nissen trägt die Akademisierung der Lehrer*innenbildung in Österreich Rechnung, die
unter dem Stichwort PädagogInnenbildung NEU ein umfassendes Reformpaket be-
inhaltet. Hierbei wurde zum einen die Ausbildung verändert,1 die ein vierjähriges Ba-
chelorstudium für das Lehramt vorsieht und einen konsekutiven einjährigen (Primar-
stufe) bzw. zweijährigen (Sekundarstufe) Master (Schnider et al., 2011). Die im Studium
fest integrierten Praxisphasen unterstreichen den Anspruch einer gleichsam theorie-
wie praxisorientierten Ausbildung der angehenden Lehrpersonen. Über Studienau au
und Studiendauer hinaus wurde aber auch der Berufseinstieg neu geregelt, bei dem nun
erstmalig eine einjährige Induktion vorgesehen ist, um den direkten Übergang von der
Ausbildung in den vollständig eigenverantwortlich zu gestaltenden Beruf als Lehrper-
son mit verschiedenen Maßnahmen zu begleiten (Dammerer, 2022; Holzinger, Kopp-
Sixt, da Rocha & Völkl, 2015; Schnider et al., 2011). Dabei stellen berufseingangsspezi-
sche Fortbildungen sowie ein Mentoring, also die Unterstützung des Berufseinsteigers/
der Berufseinsteigerin durch eine schon mindestens fünf Jahre tätige Lehrperson, die
zwei großen Säulen der Induktion dar. Der Artikel befasst sich mit dem Belastungs-
1 Einen Überblick über die Geschichte der Lehrer*innenbildung in Österreich liefern Hofmann,
Hagenauer und Martinek (2020).
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase (Induktion) 267
und Kompetenzerleben während dieser Phase sowie mit der Qualität der Begleitmaß-
nahmen (Mentoring und Fortbildungen) und stellt Ergebnisse aus den Forschungen in
Vorarlberg unter Berücksichtigung der Mentor*innen- und der Berufseinsteiger*innen-
perspektive dar.
2. Spezifische Anforderungen im Berufseinstieg
„Die Phase des Berufseinstiegs umfasst die Zeit der ersten beru ichen Tätigkeit im
Schulfeld, die im Rahmen einer Anstellung erfolgt und eigenverantwortlich ausge-
übt wird.“, wie Keller-Schneider (2020a, S.65) es umschreibt. Die schweiz erische Wis-
senscha lerin führt weiter aus, dass in Praxisphasen zwar das eigenverantwortliche
Unterrichten in mehr oder weniger starkem Ausmaß geübt wird, dass die „eigenver-
antwortliche Berufstätigkeit“ aber wesentlich umfassender ist und Aufgaben über das
Unterrichten hinaus bereithält (ebd.). Die erste Anstellung nach Abschluss der Ausbil-
dung2 markiert den Beginn des Berufseinstiegs, und dessen Ende kann nur subjektiv
empfunden werden als „wahrgenommene[s] Ankommen im Beruf“ (ebd.). Nach ihren
ausführlichen Forschungen lassen sich die Entwicklungsaufgaben im Berufseinstieg
theoretisch begründbar und empirisch belegt vier Bereichen zuordnen: der „Identitäts-
sti enden Rollen ndung“, der „Adressatenorientierten Vermittlung“, der „Anerkennen-
den Klassenführung“ und der „Mitgestaltenden Kooperation“ (Hericks, 2006; Keller-
Schneider, 2020a, b). Abbildung 1 gibt einen Überblick ü ber die spezi schen Aufgaben.
Abbildung 1: Modell der beru ichen Anforderungen: Entwicklungsaufgaben, Teilbereiche und
Einzelanforderungen nach Keller-Schneider (2020a, S.251, 2020b, S.66)
2 Die zurzeit in einigen Bundesländern Österreichs aufgrund des Lehrer*innenmangels gelten-
de Praxis der Anstellung von Bachelorstudierenden vor ihrem Abschluss wird in weiteren Ab-
schnitten des Beitrags noch einmal aufgegri en.
Anne Frey und Silvia Pichler
268
Die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben hängt dabei von Wahrnehmungs- und Ver-
haltensdispositionen ab (Keller-Schneider, 2009; 2020a, b), also der subjektiven Ein-
schätzung, ob eine Aufgabe als bewältigbar anzusehen ist, womit sich Keller-Schnei-
der zum einen auf das Kompetenzmodell der Lehrer*innenbildung (Baumert & Kunter,
2006, 2011) und zum anderen auf das transaktionale Stressmodell (La zarus & Folk-
mann, 1984) beru . „Professionalisierung erfolgt über eine aktive Ause inandersetzung
mit wahrgenommenen Anforderungen“ (Keller-Schneider, 2020b, S.66). Aufgrund der
Komplexität der Aufgaben wird der Berufseinstieg in den Lehrer*innenberuf auch als
besonders sensible Phase bezeichnet, da die Bewältigung der Aufgaben nur mit der Ak-
tivierung von persönlichen und sozialen Ressourcen, dem Rekurs auf eorie- und
Handlungswissen und die Regulation eigener Ansprüche erfolgen kann – was wiede rum
prägend für die weitere beru iche Entwicklung ist (Baer et al., 2011; Kunze & Hericks,
2002; Keller-Schnei der & Hericks, 2014, 2020; Terhart, 2000). Kompetenzentwicklung
und Belastungserleben im ersten Dienstjahr sind daher wichtige Marker für das Gelin-
gen des Berufseinstiegs, was sich in „Progression von Kompetenz und […] Stabilisie-
rung von Identität“ (Hericks, 2006, S.62) zeigt.
3. Umsetzung der Induktion in Vorarlberg
3.1 Angebote für die Ber ufseinsteiger*innen und Aufgab en der
Mentor*innen
Die Phase des Berufseinstiegs nimmt als Übergangsphase zwischen Studium und Be-
rufstätigkeit eine besondere Stellung ein und ist für speziell generierte Begleitmaß-
nahmen geradezu prädestiniert. Diese bestehen aus Fortbildungsangeboten und einem
Mentoring. In Österreich ist diese Phase aktuell auf ein Jahr ausgelegt und wird als In-
duktion bezeichnet. Fast die Häl e der Berufseinsteiger*innen (40,7 %) absolviert pa-
rallel das Masterstudium (Prenzel et al., 2021), wobei dieser Personenkreis in der Re-
gel eine verminderte Lehrverp ichtung hat. In einem vom Bund vorgegebenen Rahmen
wurde die Induktion in den Bundesländern regional adaptiert und umgesetzt. Am Bei-
spiel Vorarlbergs soll dies im Folgenden dargelegt werden. Die Fortbildungen bestehen
aus einem breiten Angebot klassischer emen, die gerade im Berufseinstieg als beson-
ders herausfordernd wahrgenommen werden, wie Schulrecht, Elternarbeit, Kon iktma-
nagement und Klassenführung. Insgesamt müssen aus einem spezi schen speziell für
Berufseinsteiger*innen entwickelten Angebot 24 Unterrichtseinheiten absolviert wer-
den, wobei nach einer Au eilung in Wahl- und P ichtbereiche im ersten und zweiten
Jahr der Umsetzung, die Veranstaltungen nun seit dem dritten Jahr (2021/22) in Gänze
frei gewählt werden können, da es insbesondere bei den sich gleichzeitig im Master be-
ndenden Berufseinsteiger*innen zu inhaltlichen Überlappungen kam. Die Konzeption
der Fortbildungen erfolgte unter Berücksichtigung der Wirkungsforschungen (Lipow-
sky, 2014) und bie tet beispielsweise mehrteilige Formate, die Praxisau räge und de-
ren gemeinsame Re exion in der Fortbildung ermöglichen (Pichler & Frey, 2021). Das
Mentoring (als zweite Säule der Induktion) wird von Lehrpersonen übernommen, die
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase (Induktion) 269
mindestens fünf Jahre im Dienst sind. Es gibt hier keine genauen Vorgaben in Bezug
auf Anzahl oder Länge von Gesprächen, die mit den Mentees durchzuführen sind, oder
in Bezug auf die Anzahl gegenseitiger Hospitationen, aber es liegt eine vom Gesetzge-
ber formulierte Pro l- und Aufgabenbeschreibung für die Mentor*innen vor. Danach
sollen die Mentor*innen die Mentees bei der Planung und Gestaltung von Unterricht
beraten, die Tätigkeiten im Unterricht und in der Erziehung analysieren und re ektie-
ren sowie die beru iche Entwicklung anleiten und unterstützen (VBG §39a). Konkre-
ter sind die Aufgaben in zwei wesentlichen Dokumenten gefasst: Die Mentor*innen ha-
ben die Entwicklung ihrer Mentees in einem Entwicklungspro l zu dokumentieren und
am Ende der einjährigen Begleitung ist ein Gutachten zu erstellen, auf dessen Grundla-
ge abschließend von der Schulleitung ein Bericht3 angefertigt wird, der über Erfolg und
Weiterverwendung des/der Mentee entscheidet. Damit sind die Mentor*innen zugleich
beratend und bewertend tätig, eine Doppelrolle, die im Bildungssystem aber keine Sel-
tenheit hat. Zeilinger und Dammerer (2022) betonen in diesem Zusammenhang, dass
das Gutachten „kein bloßes Bewertungs-, sondern unverzichtbares A rbeitsinstrument
im Mentoring-Prozess“ (ebd., S.235) darstellt, da es wesentliche Lehrer*innenkompe-
tenzen beinhaltet, diese operationalisiert und damit sowohl für die Mentees als auch für
die Mentor*innen einen konkreten Erwartungshorizont aufzeigt. Dies macht die Beglei-
tung einfacher und die Bewertung transparenter. Wie schon an anderer Stelle ausge-
führt (Frey & Pichler, 2020; 2022), lassen sich zwischen den im Entwicklungspro l bzw.
Gutachten genannten Beobachtungsfeldern und den Entwicklungsaufgaben von Keller-
Schneider (2020b) Bezüge herstellen. Die „Vermittlung des Lernsto s“ entspricht annä-
hernd der bei Keller-Schneider genannten „adressatenbezogenen Vermittlung“ und das
„erzieherische Wirken“ der „anerkennenden Klassenführung“. Die „Zusammenarbeit
mit Kolleg*innen und Erziehungsberechtigten“ korrespondiert mit der „mitgestaltenden
Kooperation“. Ein extra ausgewiesenes Beobachtungsfeld zur „Identitätssti enden Rol-
len ndung“ beinhalten Entwicklungspro l und Gutachten nicht, obwohl sich auch die-
se Aufgabe als eine wichtige erwiesen hat und die Berufseinsteiger*innen hier ähnlich
wie in den anderen Bereichen viel an Entwicklungsarbeit leisten (Frey & Pichler, 2020,
2022; Keller-Schneider, 2020a, b) und die Mentoringgespräche – wie eigene Untersu-
chungen zeigen – sich vielfach auf Aspekte der Rollen ndung beziehen (vgl. Frey &
Pichler, 2022 sowie Ergebnis- und Diskussionsteil dieses Beitrags).
3.2 Angebote für Mentor*innen
Um die Mentees in ihrem Entwicklungsprozess professionell zu unterstützen, braucht es
kompetente Mentor*innen (Dammerer, 2021), die wiederum ihre eigenen professions-
und aufgabenspezi schen Entwicklungsfelder haben (Keller-Schneider, 2022).
Der Hochschullehrgang „Mentoring: Berufseinstieg professionell begleiten (30
ECTS)“ der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg strebt einen breitangelegten Kom-
petenzau au an und quali ziert zur Betreuung von Berufseinsteiger*innen in der In-
3 Bildungsdirektion Vorarlberg (2019a-d). Dokumente zum Download unter https://www.
bildung-vbg.gv.at/jobs-karriere/Induktionsphase.html
Anne Frey und Silvia Pichler
270
duktionsphase. Die Teilnehmenden sollen dazu befähigt werden, in ihrer Rolle als Men-
tor*in der Aufgabe einer individuellen professionellen Begleitung gerecht zu werden.
Zielgruppe sind Lehrpersonen aller Schultypen mit mindestens fünf Jahren Unter-
richtserfahrung in der Schule.
Im Modul 1 „Professionsverständnis – Lehren und LernenI“ sind eine Auseinan-
dersetzung mit rechtlichen Gegebenheiten, mit der Rolle als Mentor*in und mit Me-
thoden zur Beobachtung, Analyse, Re exion und Evaluation von Unterricht curricu-
lar verankert. Im Modul 2 „Kommunikation – Begleiten und BeratenI“ liegt der Fokus
auf Gesprächsführung, Kon iktmanagement, Re exions- und Feedbackmethoden und
auf der Entwicklung einer individuellen Beratungsidentität bzw. -haltung. Die Modu-
le 3 und 4 vertiefen diese Inhalte. Professionelle Lerngemeinscha en (Bonsen & Rol ,
2006) werden als durchgängiges Lernsetting geführt. Diese zielen darauf ab, sich mit
kooperativen Strategien im Lehren und im kompetenzorientierten Lernen zu beschä i-
gen und sich vertiefend darüber auszutauschen (Curriculum, 2019).
4. Forschungsprojekt INDUK
Die Begleitforschungen (INDUK) zur neu gestalteten Berufseinstiegsphase (Induk-
tion) wurden an der Pädagogischen Hochschule Vor arlberg konzipiert und von der Bil-
dungsdirektion Vorarlberg und dem Land Vorarlberg4 unterstützt. Die umfangreichen
quantitativen und qualitativen Forschungen wurden in den Schuljahren 2019/20 und
2020/21 durchgeführt. Folgeuntersuchungen für das Jahr 2021/22 sind anberaumt. Die
Untersuchungen beleuchten das erste Berufsjahr und die begleitenden Maßnahmen aus
den Perspektiven der Berufseinsteiger*innen und der Mentor*innen mit jeweils unter-
schiedlichen Fragestellungen. Im Mittelpunkt stehen dabei das Kompetenz- und Belas-
tungserleben der Berufseinsteiger*innen und die Gestaltung des Mentorings.
4.1 Stichprobe, Untersuchungsdesign
Relevant für die Begleitforschungen ist die Gesamtheit aller neu in den Beruf einstei-
genden Lehrpersonen, die sich aufgrund ihres Dienstverhältnisses in der Induktions-
phase be nden. Ebenso relevant ist die Gruppe der Mentor*innen, die die Berufs-
einsteiger*innen in der Induktionsphase während eines Jahres begleiten. Durch die
Tatsachen, dass nicht alle betro enen Personen an der Befragung teilnehmen und auch
immer wieder Personen später im Jahr neu in den Beruf einsteigen, di erieren die Zah-
len der Studienteilnehmenden zu den einzelnen Befragungszeitpunkten, sowohl bei den
Mentees als auch bei den Mentor*innen.
Die Mentees wurden in zwei getrennten Kohorten aus den Schuljahren 2019/20 und
2020/21 in ihrem jeweils ersten Berufsjahr zu drei unterschiedlichen Messzeitpunk-
ten befragt: zwei Monate nach Beginn der Induktionsphase, nach den Semesterferien
(Schulhalbjahr) und am Ende des Schuljahres. Die Mentor*innen wurden parallel zu
4 Das Land Vorarlberg unterstützt die Forschungen nicht nur inhaltlich, sondern auch nanziell.
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase (Induktion) 271
den Mentees zu jeweils zwei Messzeitpunkten befragt: nach dem ersten Schulhalbjahr
und am Ende des gesamten Schuljahres. Außerdem wurden im Schuljahr 2019/20 am
Ende der Induktionsphase mit beiden Gruppen leitfadengestützte Interviews geführt.
Für das Schuljahr 2019/20 liegen zum ersten Messzeitpunkt Antworten von 109
Mentees vor. 83 % der Studienteilnehmenden sind weiblich und 17 % sind männlich,
jeweils ca. die Häl e unterrichtet in der Primarstufe bzw. der Sekundarstufe und 33 %
absolvieren berufsbegleitend ein Masterstudium. Diese Gruppe hat mehrheitlich auch
eine verminderte Lehrverp ichtung (Frey & Pichler, 2020). Zum zweiten Messzeitpunkt
mitten im Schuljahr liegen 88 Datensätze von Mentees und 68 Datensätze von Men-
tor*innen vor. Bei der Befragung am Ende des Schuljahres ießen Daten von 73 Men-
tees und 51 Mentor*innen in die Auswertung.
Im Schuljahr 2020/21 haben an der (von den Autorinnen dieses Beitrags überarbei-
teten) Befragung 63 Berufseinsteiger*innen teilgenommen. Davon sind 81 % weiblich
und 19 % männlich. 33 Personen arbeiten in der Primarstufe und 29 Personen in der
Sekundarstufe (eine Angabe fehlte). 47 % der Befragten absolviert berufsbegleitend ein
Masterstudium.
Tabelle 1: Anzahl ausgefüllte Fragebogen
Fragebogen-Antworten Jahr t1 t2 t3
Mentees 2019/20 91 88 73
2020/21 63 68 52
Mentor*innen 2019/20 68 51
2020/21 61 50
Abbildung 2: Untersuchungsdesign Forschungsprojekt INDUK
Juli
2020
MZP 3
Juni
2020
MZP 1 MZP 2
Nov.
2019
Feb.
2020
Juni
2021
Nov.
2020
Mrz.
2021
1. Kohorte 2. Kohorte
Leitfadengestützte
Interviews
Mentees und
Mentor*innen
Fragebogenpaket
Mentees und
Mentor*innen
MZP 2
Fragebogenpaket
Mentees
MZP 1 MZP 3
Fragebogenpaket
Mentees und
Mentor*innen
Fragebogenpaket
Mentees
Fragebogenpaket
Mentees und
Mentor*innen
Fragebogenpaket
Mentees und
Mentor*innen
Anne Frey und Silvia Pichler
272
4.2 Instrumente und Methoden
Das Hauptaugenmerk in den Befragungen lag auf den Entwicklungsaufgaben, die mit
dem Fragenbogen EA Best (Modell 2018, Keller-Schneider, Arslan, Maas & Hericks,
2019) erhoben wurden. Wie erwähnt enthält dieser Bogen die vier Entwicklungsaufga-
ben „Identitätssti ende Rollen ndung“, „Adressatenbezogene Vermittlung“, „Anerken-
nende Führung“ und „Mitgestaltende Kooperation in und mit der Institution Schule“,
zu denen jeweils mehrere Unterskalen existieren. Die Befragten gaben auf der Ebene
„ist mir wichtig“, „gelingt mir“ und „beansprucht mich“ zu insgesamt 46 Items Antwor-
ten (= insgesamt 138 Antworten). Der Bogen wurde bei den Mentees im klassischen
Vorher-Nachher-Design zum Beginn und am Ende des ersten Berufsjahres eingesetzt.
Des Weiteren wurden Persönlichkeitsvariablen erfasst wie die Lehrer*innenselbstwirk-
samkeit (Schwa rzer & Jerusalem, 1999) und die Big Five (Ramms tedt & John 2005),
um mögliche Zusammenhänge mit dem wahrgenommenen Kompetenz- und Beanspru-
chungserleben der Mentees zu identi zieren (vgl. Keller-Schneider, 2009).
Zum jeweils mittleren Messzeitpunkt lag der Fokus auf der (wahrgenommenen)
Qualität des Mentorings. Zur Erfassung wurde das Mentoring-Stil-Inventar von Bran-
dau, Studencnik, Schaupp und Kopp-Sixt (2018) als Ausgangspunkt genommen, das in
zwei Versionen (für Praktikant*innen und für Mentor*innen) vorliegt, allerdings für
den Einsatz in Praxisphasen des Studiums entwickelt wurde. Es wurde von den Au-
torinnen dieses Beitrags für den Berufseinstieg adaptiert. Das Mentoring-Stil-Inventar
wird mit fünf Skalen beschrieben: Professionelle Unterstützung, Partnerscha liche Kol-
legialität, Arbeits- und Lernebenen, Vertrauen und Direktivität. Für die Befragung im
Schuljahr 2020/21 wurden auf Basis von Faktorenanalysen die Skalen und Items des
Mentoring-Stil-Inventars intensiv überarbeitet und konsequenter an den Berufseinstieg
angepasst. Ergänzt wurde der Fragebogen mit modi zierten Items zur Mentoringbezie-
hung (in Anlehnung an Holzinger et al., 2015). In beiden Jahren wurden Daten zu den
spezi schen Induktionsfortbildungen durch die an der Pädagogischen Hochschule Vor-
arlberg üblicherweise verwendeten Fortbildungsevaluationen erhoben.
5. Ergebnisse der Begleitforschungen
Es liegen Ergebnisse aus den quantitativen Erhebungen für zwei Kohorten (Schuljahr
2019/20 und 2020/21) vor. Bei beiden Kohorten ist zu berücksichtigen, dass die Covid-
19-Pandemie die Fortbildungsmaßnahmen, den Schulbetrieb und das Mentoring we-
sentlich beein usst hat, die Induktionsphase also bisher noch nicht in der Reinform
statt nden konnte, wie sie ursprünglich geplant war. Des Weiteren ist regional zu be-
rücksichtigen, dass in Vorarlberg aktuell ein starker Lehrpersonenmangel herrscht, was
dazu führt, dass viele Studierende noch vor dem Abschluss ihres Bachelorstudiums
unterrichten und damit zum tatsächlichen Eintritt in die Berufstätigkeit rein rechtlich
nicht mehr in die Induktion fallen. Somit stehen ihnen die Begleitmaßnahmen auch
nicht mehr zu. Für die Forschungen bedeutet dies, dass die Grundgesamtheit der Be-
rufseinsteiger*innen, die nach dem Bachelorstudium in den Dienst treten und dann
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase (Induktion) 273
auch tatsächlich in der Induktionsphase sind, stark verringert ist und gegenüber den
neu unter Vertrag gestellten Lehrpersonen, die aufgrund vorheriger Lehrtätigkeit nicht
in die Induktion fallen, sogar eine Minderheit darstellt.
Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse aus zwei Jahren dargestellt, die trotz
der angeführten Umstände interessante Erkenntnisse für Wissenscha und Praxis lie-
fern und Ausgangspunkt für weitere Forschungen sowie Veränderungen in der Praxis
sein können.
5.1 Begleitende Fortbildungen in der Induktion
Für das Schuljahr 2019/20 liegen coronabedingt Daten nur zum ersten und 2020/21
nur zum zweiten Schulhalbjahr vor. So wurden im Wintersemester 2019/20 dreizehn
Veranstaltungstermine angeboten. Der an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg
für Fortbildungsevaluationen verwendete Fragebogen wurde insgesamt 370 Mal ausge-
füllt und retourniert. Die Daten, die Reaktionen der teilnehmenden Lehrpersonen zu
Zielen und Inhalten, zur Gestaltung durch die Referierenden und zur eigenen Lerner-
fahrung erfassen, elen insgesamt positiv aus. Die Einschätzungen dieser drei Bereiche
werden auf einer Skala von „1=ja, tri ganz zu“ bis „6=nein, tri gar nicht zu“ erfasst.
Die Mittelwerte aller dieser Nennungen zur entsprechenden Fortbildung liegen bei den
Veranstaltungen zwischen 1,13 und 1,63 (Pichler & Frey, 2021).
Im Schuljahr 2020/21 wurden die Evaluationen ab dem zweiten Halbjahr online er-
fasst. Insgesamt wurden siebenundzwanzig Termine angeboten, neun davon konnten
mit kleinen Gruppen als Präsenzveranstaltung durchgeführt werden. Evaluationsdaten
liegen zu achtzehn Terminen vor (insgesamt 208 Bogen). Die errechneten Mittelwer-
te liegen zwischen 1,07 und 2,68. Diese im Durchschnitt etwas schlechteren Ergebnisse
könnten mit den pandemiebedingten Änderungen und Online-Veranstaltungen zusam-
menhängen, was aber durch weitere Evaluationen erst geklärt werden kann. Insgesamt
kann man von einer positiven Bewertung der Fortbildungsmaßnahmen in beiden Jah-
ren sprechen.
5.2 Kompetenz- und Beanspruchungserleben
Die Berufseinsteiger*innen machten auf den Dimensionen „gelingt mir“, „ist mir wich-
tig“ und „beansprucht mich“ in einem umfangreichen Fragebogen zu den vier genann-
ten Entwicklungsaufgaben Angaben. Die Reliabilitäten zu den Skalen abgebildet über
Cronbachs Alpha sind wie schon in Kohorte 1 (Frey & Pichler, 2020) auch in Kohorte 2
sehr gut (siehe Tabelle 2).
Anne Frey und Silvia Pichler
274
Tabelle 2: Reliabilitäten der Skalen im EA Best (Modell 2018) in der vorliegenden Untersuchung
αSubskalen Items
Identitätsstiftende Rollenfi ndung beansprucht (N=55) .96 3 14
gelingt (N=56) .91
wichtig (N=58) .92
Adressatenbezogene Vermittlung beansprucht (N=53) .91 4 14
gelingt (N=52) .91
wichtig (N=56) .93
Anerkennende Klassenführung beansprucht (N=57) .91 2 8
gelingt (N=58) .83
wichtig (N=60) .85
Mitgestaltende Kooperation beansprucht (N=52) .93 3 10
gelingt (N=51) .90
wichtig (N=53) .88
Wie auch schon in der ersten Kohorte (Frey & Pichler, 2020) werden die Entwicklungs-
aufgaben (deskriptiv) als bedeutsame und wichtige Bereiche angesehen, wie Abbil-
dung 3 zeigt. Auch die eigene Kompetenz wird durchschnittlich eher hoch eingeschätzt.
Demgegenüber wird die Beanspruchung überwiegend niedriger wahrgenommen. Die
adressatenbezogenen Vermittlung wird im Vergleich zu den anderen Entwicklungsauf-
gaben als etwas schwerer umsetzbar und zugleich beanspruchender erlebt (deskriptiv).
Abbildung 3: Bewertung der Entwicklungsaufgaben (EA Best, Modell 2018) auf den Dimensionen
„ist mir wichtig“, “gelingt mir“ und „beansprucht mich“ zum zweiten Messzeitpunkt
(Ende des ersten Berufsjahres, N=50, Skala von „1 = wenig“ bis „6 = sehr“)
)"..
)"/-
*"'(
)"./
*"-'
*",+
*")'
*"+(
+"&/
+"*)
+"&.
+"*.
&(*,
*
)
(
'
# # #
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase (Induktion) 275
Im Vergleich Anfang und Ende des ersten Berufsjahres zeigten sich bei den Berufsein-
steiger*innen der ersten Kohorte signi kante Zuwächse an wahrgenommener Kompe-
tenz bei der „Identitätssti enden Rollen ndung“, bei der „Adressatenbezogenen Ver-
mittlung“ und bei der „Anerkennenden Klassenführung“ (Frey & Pichler, 2020). In der
zweiten Kohorte wurde der Zuwachs an Kompetenz bei der Skala „Adressatenbezoge-
ne Vermittlung“ signi kant (t(33) =-3.52, p =.001) (siehe Tabelle 3). Bei der wahrge-
nommenen Beanspruchung sind in beiden Kohorten keine signi kanten Veränderun-
gen (weder Zu- noch Abnahme) zu vermerken (Frey & Pichler, 2020 und Tabelle 4).
Tabelle 3: Statistische Kennwerte (Kohorte 2) zum Kompetenzerleben der Berufseinsteiger*innen
am Anfang und Ende des ersten Berufsjahres erfasst über den EA Best (Modell 2018)
(* T-Test signi kant p<.01)
Rollenfi ndung Vermittlung* Klassenführung Kooperation
N MW SD N MW SD N MW SD N MW SD
t1 32 4.48 .75 34 4.03 .84 34 4.62 .63 33 4.59 .93
t2 32 4.65 .67 34 4.40 .81 34 4.74 .78 33 4,78 .82
Tabelle 4: Statistische Kennwerte (Kohorte 2) zum Beanspruchungserleben der Berufs ein-
steiger*innen am Anfang und Ende des ersten Berufsjahres erfasst über den EA Best
(Modell 2018)
Rollenfi ndung Vermittlung Klassenführung Kooperation
N MW SD N MW SD N MW SD N MW SD
t1 32 3.76 1.34 34 4.05 .96 34 3.72 1.15 33 2.79 1.26
t2 32 3.72 1.17 34 4.06 1.05 34 3.92 1.26 33 2.74 1.23
Berechnungen mit Gruppenvariablen wie Geschlecht, Schulstufe oder begleiten-
des Masterstudium ergaben in den vorliegenden zwei Jahrgängen keine statistisch be-
deutsamen Unterschiede. Es sei aber an dieser Stelle angemerkt, dass dies in weiteren
Untersuchungen und größeren Stichproben weiterhin aufgegri en werden sollte, um
eventuell vorhandene Gruppenunterschiede doch noch zu identi zieren und daraus Er-
kenntnisse zu gewinnen.
Bei den Persönlichkeitsvariablen zeigten sich erwartete Zusammenhänge, die Selbst-
wirksamkeit und Gewissenha igkeit als relevante Größen für Kompetenz- und Bean-
spruchungserleben ausweisen (vgl. auch Keller-Schneider, 2009). Die Lehrer*innen-
selbstwirksamkeit wurde über den Bogen von Schwarzer und Jerusalem (1999) erfasst.
Recht starke und auch signi kante Zusammenhänge sind bei der Selbstwirksamkeit
und der „Rollen ndung“ sowie der „Kooperation“ zu sehen: Je höher die Selbstwirk-
samkeit, umso geringer das Beanspruchungserleben und umso höher die eingeschätzte
Kompetenz (für die statistischen Kennzahlen siehe Tabelle 5). Bei der Entwicklungsauf-
gabe „Vermittlung“ ist in Bezug auf die Beanspruchung ein signi kant negativer Zu-
sammenhang zu beobachten, d. h. je höher die Selbstwirksamkeit wahrgenommen wird,
umso niedriger ist das Beanspruchungserleben.
Anne Frey und Silvia Pichler
276
Bei den Persönlichkeitsvariablen (Big Five, erfasst über den BFI-K, Rammstedt &
John, 2005) wird der Zusammenhang zwischen Extraversion und der (wahrgenom-
menen) Kompetenz in Bezug auf die Entwicklungsaufgabe „Vermittlung“ signi kant.
Ebenso zeigen sich signi kante Zusammenhänge von Gewissenha igkeit mit Beanspru-
chung (negativ) und dem Gelingen (positiv) bei der „Rollen ndung“ und weitere posi-
tive Zusammenhänge zum Gelingen bei „Klassenführung“ und „Kooperation“ (für die
statistischen Kennzahlen siehe Tabelle 5).
Tabelle 5: Zusammenhänge zwischen Lehrerselbstwirksamkeit (zu t2 erfasst), Persönlich-
keits variablen (zu t1 erfasst) und den Entwicklungsaufgaben (in Bezug auf
B=Beanspruchungserleben und K=Kompetenzerleben)
Rollenfi ndung Vermittlung Klassenführung Kooperation
BKBKBKBK
Selbstwirksamkeit
(N=70) -.235* .547** -.097 .648** -.139 .433** -.085 .57**
Extraversion
(N=43) -.385* -.032 -.277 .238 -.309* .218 -.368* .087
Offenheit
(N=43) -.396** -.148 -.220 -.077 -.419** .064 -.428** .017
Neurotizismus
(N=43) .376* -.023 .122 -.135 .333* -.208 .227 .048
Verträglichkeit
(N=43) -.189 -.171 -.176 -.119 -.108 -.078 -.343* -.070
Gewissenhaftigkeit
(N=43) -.284 .162 -.061 .043 -.118 .232 -.265 .048
* Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifi kant.
** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifi kant.
5.3 Mentoring
Der Mentoring-Fragebogen (ursprüngliche Version von Brandau et al., 2018) wurde für
den Einsatz in der zweiten Kohorte stark überarbeitet und noch deutlicher an den Be-
rufseinstieg angepasst. Er besteht aus den Bereichen:
– Fakten zur Gesprächsdauer
– Inhalte der Besprechungen
– Arbeits- und Lernebenen im Mentoringprozess
– Einschätzung der Zusammenarbeit im Mentoringprozess
– Gestaltung des Bewertungsprozesses (Entwicklungspro l und Gutachten)
– Mögliche Herausforderungen im Mentoringprozess
– Einstellungen zum Mentoring allgemein
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase (Induktion) 277
Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse berichtet. Dabei wird auf eine genaue
Analyse der „Einschätzung der Zusammenarbeit im Mentoringprozess“ an dieser Stel-
le verzichtet, da sich das Instrument noch in der Entwicklung be ndet und aktuell in
einer dritten Version an einer größeren Stichprobe im Schuljahr 2021/22 eingesetzt
wird. Einige Analysen für den Einsatz in Kohorte 1 (Schuljahr 2019/20) nden sich bei
Frey und Pichler (2022).
5.3.1 Fakten zur Gesprächsdauer
Die Mentoringgespräche dauern in der Regel etwas mehr als eine halbe Stunde: Die
Mentor*innen schätzen die Besprechungen dabei mit durchschnittlich 44 Minuten et-
was länger ein als die Mentees mit 38 Minuten (jeweils gerundet). Die eigene Redezeit
in den Besprechungen wird von beiden Seiten in etwa gleich und mit knapp unter 50 %
als relativ ausgewogen wahrgenommen (48 % bei den Mentor*innen und 45 % bei den
Mentees). Damit zeichnet sich bei Kohorte 2 ein ganz ähnliches Bild wie bei Kohorte 1
(Frey & Pichler, 2021).
5.3.2 Inhalte der Besprechungen
Auf die Frage, w ie o bestimmte Inhalte in den Besprechungen vorkommen, sind die
Wahrnehmungen von Seiten der Mentor*innen und Mentees sehr ähnlich. Die im Fra-
gebogen aufgeführten Inhalte orientieren sich an den Entwicklungsaufgaben und an
den im Entwicklungspro l bzw. Gutachten beschriebenen Beobachtungsfeldern. Ins-
gesamt werden alle genannten emen fast gleichmäßig häu g angegebenen. Ten-
denziell etwas weniger häu g wird Unterricht konkret vorbesprochen (Mentor*in-
nen MW =4.12, SD= 1.52; Mentees MW= 4.03, SD =1.74), und aus der Sicht der
Mentor*innen wird tendenziell etwas seltener explizit mit dem Gutachten (MW= 3.7,
SD=1.27) bzw. dem Entwicklungspro l (MW=3.82, SD=1.27) gearbeitet. Am häu-
gsten (rein deskriptiv betrachtet) nden Re exionen zur Rolle der Lehrperson statt
(Mentor*innen MW=4.86, SD=.96; Mentees MW=4.76, SD=1.41), Planungen von
Unterricht (Mentor*innen MW = 4.83, SD = 1.39; Mentees MW =4.72, SD = 1.67)
und Fallbesprechungen (Mentor*innen MW = 4.8, SD = 1.25; Mentees MW= 4.70,
SD=1.40).
Abbildung 4 zeigt die Einschätzungen der Mentees und Mentor*innen im Vergleich.
Anne Frey und Silvia Pichler
278
Abbildung 4: Besprechungsinhalte – Vergleich Mentor*innen und Mentees (Skala von „1 = nie“
bis „7 = immer“, Items verkürzt dargestellt)
5.3.3 Arbeits- und Lernebenen im Mentoring-Prozess
In einem weiteren Fragenkomplex wurden die Mentor*innen und die Mentees um ihre
Einschätzung gebeten, auf welchen Ebenen im Mentoringprozess gearbeitet wird und
Lernzuwächse wahrgenommen werden. Bei den Mentees wurden die Items so formu-
liert, dass bei Zustimmung zum jeweiligen Item ein Kompetenzzuwachs abgebildet wer-
den sollte: „Durch die Besprechung mit meiner Mentor*in/meinem Mentor … weiß ich
jetzt besser/lerne ich kennen/wird mir ermöglicht/werde ich sicherer“. Die aufgeliste-
ten Bereiche beruhen zum Teil auf Items aus dem Mentoring-Inventar, wurden von den
Autorinnen dieses Beitrags aber um die Aspekte aus Gutachten und Entwicklungspro l
erweitert (z. B. „kann ich Sicherheit in meinem erzieherischen Wirken gewinnen“, „ler-
ne ich, gegenüber Eltern professionell aufzutreten“).
1234567
andere Themen
administrative Fragen
Bewertung - Entwicklungsprofil
Bewertung - Gutachten
Elternarbeit
fachliche Fragen
fachdidaktische Fragen
Klassenführung
Gestaltung des Lehrer/in-Schüler/in-Verhältnisses
Fallbesprechung
Reflexion zur Rolle als Lehrperson
Nachbesprechung zu einer konkreten Unterricht seinheit
Vorbesprechung zu einer konkr eten Unterrichtseinheit
Planung von Unterricht
Mittelwerte
Besprechungsinhalte
Vergleich der Einschätzungen von Mentees und Mentor*innen:
1 nie - 2 sehr selten - 3 selten - 4 manchmal - 5 oft - 6 sehr oft - 7 immer
Sicht Mentees Sicht Mentor*in
N Mentees 64-68 N Mentor*innen 58-60
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase (Induktion) 279
Abbildung 5: Arbeits- und Lernebenen: Einschätzungen der Mentees und Mentor*innen, auf
welchen Ebenen sie Kompetenzen gewonnen haben (Mentees) bzw. mit den
Mentees gearbeitet haben (Mentor*innen) (Items verkürzt dargestellt)
Es wird wiederum ersichtlich, dass in allen Bereichen (Entwicklungsaufgaben, Entwick-
lungspro l und Gutachten) gearbeitet wird und Wissenszuwachs, Lernerfolg und Kom-
petenzerweiterung statt nden. Man kann eine insgesamt hohe Zustimmung erkennen,
4
7
7
2
7
2
6
2
3
3
4
6
3
6
2
9
5
6
2
7
5
4
2
7
12
4
10
6
2
3
5
4
2
7
5
9
2
6
0
12
10
4
3
7
5
12
20
16
25
13
24
15
20
16
22
21
27
24
25
18
15
12
10
19
19
16
18
12
17
21
32
22
33
27
44
27
35
31
25
27
25
21
27
15
28
22
37
21
29
22
35
22
22
59
47
47
30
49
20
46
42
44
47
46
43
44
43
52
52
54
52
40
36
52
42
51
52
0 20406080100
mehr Wissen für erfolgreichen Unterricht
Mentees
Mentor*innen
kompetenter in Unterrichtssituationen
Mentees
Mentor*innen
Strategien zur besseren
UnterrichtsgestaltungMentees
Mentor*innen
Strategien zum Umgang mit
SchwierigkeitenMentees
Mentor*innen
kritische Reflexion Einstellungen/Haltungen
Mentees
Mentor*innen
Reflexion zur Lehrer*innenrolle
Mentees
Mentor*innen
Reflexion über innovatives Lernen
Mentees
Mentor*innen
Lehrer*innenvision verwirklichen
Mentees
Mentor*innen
Sicherheit im erzieherischen Wirken
Mentees
Mentor*innen
Professionalität in der Elternarbeit
Mentees
Mentor*innen
Sicherheit im Umgang mit Schüler*innen
Mentees
Mentor*innen
leichter Einstieg ins Kollegium
Mentees
Mentor*innen
trifft nicht zu trifft eher nicht zu trifft teils/teils zu trifft eher zu trifft zu
Angaben in % n: M entees 67-68 | Ment or*innen 58-60
Vergleich Mentees -Mentor*innen: Arbeits-und Lernebenen
Mentees: Bitte schätzen Sie ein, in welchem Ausmaß folgende Aussagen zutreffen. Durch die Besprechungen mit meiner
Mentorin/meinemMentor ...
Mentor*innen:Bitte schätzen Sie möglichstobjektiv ein, in welchem Ausmaß folgende Aussagen auf Ihre Mentoring
praxis zutreffen. Ich vermittle meinen Mentees ..., ich unterstütze meine Mentees ..., ich rege ... an, ...
Anne Frey und Silvia Pichler
280
dass in all den genannten Bereichen gearbeitet wurde (siehe Abbildung 5). Zudem sind
zwischen den Mentor*innen und den Mentees erneut relativ hohe Übereinstimmungen
zu verzeichnen. So stimmen beispielsweise 46 % der Mentees der Aussage zu, dass sie
Strategien zum Umgang mit Schwierigkeiten kennenlernen, und 42 % der Mentor*in-
nen stimmen der entsprechenden Aussage zu, dass sie solche Strategien mit den Men-
tees besprechen.
5.3.4 Gestaltung des Bewertungsproze sses im Mentoring (Arbeit mit
Entwicklungsprofil und Gutachten)
In einem eigenen Abschnitt des Fragebogens wurden Items zur Einschätzung des Be-
wertungsprozesses formuliert. Auch hier fällt eine hohe Übereinstimmung in den
Wahrnehmungen der Mentor*innen und der Mentees auf (siehe Abbildung 6). Bei
einer Skala von 1 (tri nicht zu) bis 5 (tri zu) wird der Bewertungsprozess von bei-
den Seiten als transparent (Mentor*innen MW=4.27, SD= .88, Mentees MW = 4.18,
SD = .97) und wertschätzend (Mentor*innen MW = 4.73, SD = .55, Mentees
MW = 4.62, SD = .60) bezeichnet. Außerdem wird bei der Beurteilung die Einschät-
zung des/der Berufseinsteigenden berücksichtigt und die Beurteilung wird sogar als ge-
meinsamer Aushandlungsprozess beschrieben. Eine Bewertung nach subjektiven Vor-
stellungen des Mentors/der Mentorin ndet nur „teil/teils“ statt und eine Bewertung
nur danach, ob besprochene Vorgaben eingehalten wurden, wird als „eher nicht zutref-
fend“ eingeschätzt. Auch diese Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass die Doppelrol-
le Bewerten und Begleiten nicht als problematisch oder belastend angesehen wird und
dass der Bewertungsprozess entwicklungsorientiert und im Dialog vollzogen wird.
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase (Induktion) 281
Abbildung 6: Bewertungsprozess: Einschätzungen der Mentees und Mentor*innen zum
Bewertungsprozess (Items verkürzt dargestellt)
5.3.5 Mögliche Herausforderungen im Mentoringpr ozess
Ein weiterer Abschnitt des Fragebogens hat das Ziel herauszu nden, welche Aspekte im
Mentoringprozess aus der Perspektive der Mentor*innen und aus der Perspektive der
Mentees eher schwer- oder eher leichtfallen, um mögliche Herausforderungen zu iden-
ti zieren.
12345
Beurteilung berücksichtigt Einschätzung und Bewertung des
Mentee
Beurteilung in gemeinsamen Aushandlungs- und
Reflexionsprozess
Wertschätzende Rückmeldung bei der Beurteilung
Bewertung nach klaren Kriterien
Beurteilung nach Einhaltung besprochener Vorgaben
Bewertung nach subjektiven Vorstellungen
Bewertung ohne Rücksprache mit den Mentees
Bewertungskriterien von Anfang an transparent
Mittelwerte
Bewertungsprozess
Vergleich der Einschätzungen von Mentees und Mentor*innen
1 trifft nicht zu - trifft eher nicht zu - trifft teils/teils zu - trifft eher zu - 5 trifft zu
Mentee Mentor*in
N Mentees 63-65 N Mentor*innen 60
Anne Frey und Silvia Pichler
282
Abbildung 7: Herausforderungen im Mentoring: Einschätzungen der Mentor*innen und
Mentees zur Frage, welche Aspekte des Mentorings eher leichtfallen/eher
schwerfallen (verkürzte Formulierung der Items; Verben aus Menteesicht/
Verben aus Mentor*innensicht; untere Items jeweils nur aus Menteesicht oder
Mentor*innensicht erstellt)
Man kann hier erkennen (siehe Abbildung 7), dass das Mentoring sowohl von den
Mentees als auch von den Mentor*innen als eine zu bewältigende Aufgabe wahrgenom-
men wird, da alle Werte rechts von der Mitte liegen, die meisten sogar deutlich. Zu-
dem sind wiederum hohe Übereinstimmungen in den Einschätzungen der Mentees und
Mentor*innen zu erkennen. Die Aufgaben, den „Austausch auf Augenhöhe“ wahrzu-
nehmen bzw. zu gestalten, und „eine vollwertige Lehrperson“ zu sein (Mentee-Perspek-
tive) bzw. den/die Berufseinsteiger*in als eine solche wahrzunehmen (Mentor*innen-
Perspektive), bilden (deskriptiv) etwas größere Unterschiede ab: Den Mentees fällt dies
schwerer, was mit der Entwicklungsaufgabe der Rollen ndung korrespondiert. Die be-
ru iche Identität be ndet sich entwicklungsgemäß im Au au. Gleichzeitig sehen die
-3-2-10123
Besprechungen inhaltlich gestalten
didaktisch-methodische Unterstützung geben
fachliche Unterstützung geben
in der Rolle als Mentor*/in sicher agieren
Rolle im Lehrerkollegium reflektieren
Schwächen ansprechen/besprechen
Elternarbeit Fragen stell en/unterstützen
Klassenführung Fragen stellen/unterstützen
Lehrer-Schüler-Verhältnisses fragen stellen/unterstützen
konkrete Fälle ansprechen/besprechen
Rolle als Lehrperson reflektieren/Reflexion anregen
administrative Fragen stellen/klären
Gutachten besprechen/damit arbeiten
Entwicklungsprofil besprechen/damit arbeiten
Vertrauen in Mentoringpartner*in
Offenheit gegenüber Mentoringpartner*in
begleitet und bewertet werden/begleiten und bewerten
Austausch auf Augenhöhe
vollwertige Lehrperson sein/sehen
Besprechungen mitgestalten/strukturieren
Zeit für Mentoring finden
kritisches Feedback erhalten/geben
Mittelwerte
Herausforderungen
Vergleich der Einschätzungen von Mentees und Mentor*innen
- 3 fällt mir schwer ..... + 3 fällt mir leicht
Mentee Mentor*in
N Mentees 63- 66 N Mentor*i nnen 56-60
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase (Induktion) 283
Mentor*innen die Gestaltung des Dialogs auf Augenhöhe als eine leichte Aufgabe an
und können damit die Mentees gut beim Hineinwachsen in die Rolle der Lehrperson
unterstützen. Kritische Feedbackgespräche führen, Schwächen ansprechen sowie die
Aufgabe, das Mentoring und die eigene beru iche Tätigkeit zeitlich zu managen, fal-
len den Mentor*innen (deskriptiv) ein wenig schwerer als die anderen Aufgaben. Be-
achtenswert ist auch, dass den Mentor*innen die Arbeit mit Entwicklungspro l und
Gutachten im Rahmen des Mentoringprozesses nicht au allend schwerfällt und die
Mentees erleben diese Arbeit sogar als leicht. Ebenso ist aus beiden Perspektiven die
Doppelaufgabe der Mentor*innen in Form von „begleiten und bewerten“ gut bewäl-
tigbar. Diese Ergebnisse liefern wichtige Hinweise für möglicherweise vermutete Belas-
tungen der Mentor*innen, die sich, zumindest in der vorliegenden Untersuchung, nicht
bestätigen lassen. Angemerkt sei noch, dass dieser Teil des Fragebogens prinzipiell auch
wie ein semantisches Di erenzial und damit individualisiert verwendet werden kann
z. B. im Rahmen von Selbstre exions- oder Coachingprozessen (Mentor*innenaus- und
-weiterbildung, Arbeiten in Professionellen Lerngemeinscha en).
5.3.6 Einstellungen zum Mentoring und Zufriedenheit insgesamt
Abschließend wurden die Mentor*innen und die Mentees gebeten, den Mentoringpro-
zess allgemein einzuschätzen und damit auch die Einstellungen zum Mentoring selbst
zu re ektieren.
Anne Frey und Silvia Pichler
284
Abbildung 8: Einschätzungen und Einstellungen der Mentees und Mentor*innen zum Mentoring
allgemein (verkürzte Formulierung der Items)
Diese Kategorie des Fragebogens stellt den eigenen Beitrag und den persönlichen wie
beru ichen Gewinn durch das Mentoring heraus, was jeweils von den Mentor*innen
wie von den Mentees als recht hoch eingestu wird (siehe Abbildung 8). Außerdem be-
stätigen sowohl Mentor*innen als auch Mentees, dass sie ein Mentoring für Berufsein-
steiger*innen sowie auch gegenseitige Hospitationen im Mentoringprozess für wichtig
halten. Mentor*innen und Mentees bewerten ihre Mentoring-Beziehung als gelungen.
Am Ende ihres ersten Dienstjahres wurden die Mentees noch einmal um eine allge-
meine Bewertung der Begleitmaßnahmen im Berufseinstieg befragt: Insgesamt geben
nahezu 80 % der Mentees an, dass sie sehr zufrieden (54 %) bzw. ziemlich zufrieden
(23 %) mit dem Mentoring waren (MW=6.08, SD=1.37, N=52, Skala von „1=über-
haupt nicht zufrieden“ bis „7=sehr zufrieden“). Mit den Fortbildungsveranstaltungen
zeigten sich 40 % zufrieden (davon 15 % sehr zufrieden und 25 % ziemlich zufrieden;
MW=4.87, SD=1.59, N=52, Skala wie eben).
12345
ZufUiedenheit mit den Beratungsangeboten
wichtig: Hospitation bei Mentee
wichtig: Hospitation bei Mentor*in
sehr angenehmes Verhältnis
berufliche Bereicherung durch Mentoring
persönliche Bereicherung durch Mentoring
Zufriedenheit: Was bringe ich ins Mentoring ein
Zufriedenheit: Was ins Mentoring eingebracht
ähnliches Verständnis von Mentoring
gelungene Mentoring-Beziehung
Mentor*in erleichtert den Berufseinstieg.
Mentor*in für Berufseinsteiger*in wichtig
Mittelwerte
Mentoring
Vergleich der Einschätzungen von Mentees und Mentor*innen
1 trifft nicht zu - trifft eher nicht zu - trifft teils/teils zu - trifft eher zu - 5 trifft zu
Mentee Mentor*in
N Mentees 66 N Mentor*innen 60
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase (Induktion) 285
5.3.7 Kompetenzen der Mentor*innen
In einem speziellen Fragebogenabschnitt wurden die M entor*innen am Ende des Schul-
jahres um eine Einschätzung gebeten, in welchem Ausmaß sie über verschiedene Kom-
petenzen verfügen. Die aufgeführten Kompetenzen orientieren sich an den im Curri-
culum des Hochschullehrgangs „Mentoring professionell begleiten“ der Pädagogischen
Hochschule Vorarlberg aufgeführten Lernzielen, wie beispielsweise eine wertschätzen-
de Gesprächsführung, Coachingmethoden und wissenscha licher Bezug in der Bera-
tung. Abbildung 9 zeigt die Angaben der Mentor*innen sortiert nach der eingeschätz-
ten Höhe der Kompetenz.
Abbildung 9: Einschätzung der Mentor*innen in Bezug auf ihre eigenen Kompetenzen sortiert
nach der eingeschätzten Höhe der Kompetenz (Erhebungszeitpunkt Kohorte 2,
Ende des Schuljahres, Items verkürzt dargestellt).
2.74
2.66
2.6
2.52
2.2
2.2
1.98
1.98
1.94
1.94
1.9
1.9
1.82
1.78
1.78
1.5
12345
Überblick: Diskurs Fachwissenschaft
Überblick: Diskurs Bildungswissenschaft
Überblick: Diskurs Fachdidaktik.
Unterrichtsreflexion: Bezug Theorie u. Wissenschaft
Kommunikation und Kooperation gestalten
Coachingmethoden
reflektiertes Verständnis für die Rolle als Mentor*in.
Begleit- und Beratungsprozessen gestalten
Methoden professionellen Feedbacks
schwierige Betreuungssituationen lösungsorientiert
reflektiertes Verständnis für Ziele und Methoden von…
gutes Konfliktmanagement
Auseinandersetzung: gesellschaftliche Entwicklung
Unterricht beobachten und analysieren
Trennung von Beratungs- und Bewertungsaufgaben
Methoden wertschätzender Gesprächsführung
Kompetenzen der Mentor*innen
1 in hohem Maße - 2 in eher hohem Maße - 3 in eher geringem Maße - 4 in geringem Maße
- 5 in keinem Maße / keine Erfahrung
N Mentor*innen 50
Anne Frey und Silvia Pichler
286
Es ist gut zu erkennen, dass die Mentor*innen ihre Fähigkeiten als hoch einstufen. Kor-
respondierend zu den anderen Ergebnissen schätzen sich die Mentor*innen auch in der
gleichzeitigen Bewältigung von Beratungs- und Bewertungsaufgaben als sehr kompe-
tent ein, was wiederum dafür spricht, dass diese Aufgaben im Rahmen des Mentorings
gut miteinander vereinbart werden können. Am niedrigsten schätzen die Mentor*in-
nen ihre Kompetenzen in Bezug auf ihre fachlichen, fachdidaktischen und bildungs-
wissenscha lichen Kenntnisse und in Bezug auf die Nutzung dieser Kenntnisse für die
Unterrichtsre exion. Damit ist eine stete Herausforderung der Lehrer*innenbildung an-
gesprochen, nämlich die Verzahnung von Wissenscha und Praxis und die Verdeutli-
chung des Nutzens von wissenscha lichen Erkenntnissen für die Erklärung des unter-
richtlichen Geschehens und als Basis für pädagogisches Handeln (u. a. Frey & Buhl,
2018; König, 2014; Terhart, 2011).
6. Zusammenfassung und Diskussion ausgewählter Ergebnisse
Die Erkenntnisse aus den Begleitforschungen zum Berufseinsti eg aus zwei untersuch-
ten Jahrgängen in Vorarlberg müssen vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die
Coronapandemie die Umsetzung der Induktion erheblich beein usst hat. Der Schulbe-
trieb wurde phasenweise komplett auf online umgestellt, wodurch völlig neue Aufgaben
und Verantwortungen auf die tätigen Lehrpersonen zukamen, die Ressourcen gebun-
den haben. Zudem wurden pandemiebedingt Fortbildungen und Mentoring reduziert
und zum Teil nur online durchgeführt.
Trotz dieser besonderen Umstände liefern die Ergebnisse im INDUK-Projekt wich-
tige Erkenntnisse, die für weiterführende Forschungen nutzbar gemacht werden kön-
nen und die Implikationen für die Praxis liefern sowie Anregungen für Diskussionen
bieten können. Im Folgenden werden zwei Aspekte herausgegri en: Die Entwicklungs-
aufgaben im Berufseinstieg und die Gestaltung des Mentorings mit dem Fokus auf ein
Mentoring verstanden als wechselseitigen Lernprozess sowie als Möglichkeit der Quali-
tätssicherung im Rahmen der Lehrer*innenbildung.
6.1 Entwicklungsaufgaben im Berufseinstieg: Kompetenz- und
Belastungserleben
Rekurrierend auf die im Berufseinstieg anstehenden Entwi cklungsaufgaben „Identitäts-
sti ende Rollen ndung“, „Adressatenbezogene Vermittlung“, „Anerkennende Klassen-
führung“ und „Mitgestaltende Kooperation“ (Keller-Schneider, 2020b) wurden in zwei
Kohorten das Kompetenz- und Belastungserleben der Berufseinsteiger*innen in Vor-
arlberg erhoben (EA Best, Modell 2018). In Bezug auf das Belastungserleben, das in
der Vorarlberger Untersuchung ähnliche Werte wie in den Referenzstudien von Kel-
ler-Schneider (2020b) und Keller-Schneider et al. (2019) aufweist, zeigen sich zwischen
dem Beginn und dem Ende des ersten Dienstjahres in beiden Kohorten keine signi-
kanten Veränderungen. Dies bedeutet, dass die wahrgenommene Beanspruchung in
INDUK – Begleitforschungen zur Berufseinstiegsphase (Induktion) 287
dieser Zeit nicht größer geworden ist. In Bezug auf das Kompetenzerleben konnten in
beiden Kohorten zum Teil signi kante Zuwächse ermittelt werden. In der ersten Ko-
horte wurden die – hohen – Kompetenzeinschätzungen durch die Mentees mit den
Einschätzungen der Mentor*innen in Bezug gesetzt, wobei sich zeigte, dass die Eigen-
und Fremdwahrnehmung in etwa deckungsgleich war (Frey & Pichler, 2020). Die Er-
gebnisse sprechen für eine intensive Entwicklungsarbeit der Berufseinsteiger*innen in
den von Keller-Schneider und Kolleg*innen für den Berufseinstieg als relevant de nier-
ten Entwicklungsfeldern.
Besonders interessant ist der positive Zusammenhang zwischen der wahrgenomme-
nen Qualität des Mentorings und der Kompetenzentwicklung, der in der ersten Ko-
horte untersucht wurde (Frey & Pichler, 2021), sowie die positive Bewertung des Men-
torings durch die Berufseinsteiger*innen (die höher ausfällt als die der Fortbildungen,
vgl. dazu auch Pichler & Frey, 2021). Diese Befunde deuten darauf hin, dass das Men-
toring gerade in der Phase des Berufseinstiegs einen wichtigen Beitrag zur Kompetenz-
entwicklung leistet.
6.2 Gestaltung des Mentorings in der Induktion
Mentoring als ko-konstruktiver Prozess: Auch wenn im Mentoring eine erfahrene Lehr-
person eine begin nende Lehrperson unterstützt und damit eine Verankerung im Exper-
ten-Novizen-Paradigma erfolgt, handelt es sich dabei um eine persönliche und auf Ver-
trauen und Wohlwollen basierende Beziehung, die die Professionalisierung der Mentees
zum Ziel hat (Wiesner, 2020; Ziegler, 2009). Braunsteiner und Schnider (2020, S. 17)
sprechen darüber hinaus von einer „wechselseitigen Beziehung“ und Höher (2014,
S. 88) regt dezidiert eine „Partnerscha auf Augenhöhe“ an, die wechselseitiges Ler-
nen ermöglicht. Frey & Pichler (2022, S.180) erörtern die Möglichkeit von „ko-kons-
truktiv[er]“ Arbeit an Prozessen, nicht zuletzt aufgrund der Expertise der frisch aus
dem Studium kommenden Berufseinsteiger*innen. „Berufseinsteigende sind […] nicht
nur als Unterstützende zu betrachten“ resümiert auch Keller-Schneider (2022, S. 137)
und hebt die spezi schen Kompetenzen und das Innovationspotential der vollwertig
und aktuell ausgebildeten beginnenden Lehrpersonen hervor (siehe auch Frey & Pich-
ler, 2022, S.180).
Mentoring als Qualitätssicherung: Das Hauptziel des Mentorings ist die Professio-
nalisierung der in den Beruf einsteigenden Lehrperson und um diesen Prozess gut und
e ektiv – also qualitätsvoll – zu gestalten, sind Kriterien notwendig, anhand derer sich
genau diese Qualität abbilden lässt (Dammerer & Zeilinger, 2022; Keller-Schneider,
2022; Zeilinger & Dammerer, 2022). Ohne solche Kriterien ist „die neu in den Beruf
einsteigende Lehrperson gefordert, sich einen eigenen Referenzrahmen zu scha en und
das eigene Anspruchsniveau darauf ausgerichtet zu regulieren“ (Keller-Schneider, 2016,
S.287). Die Induktion ist „zugleich auch ein Instrument der Qualitätsprüfung und der
Qualitätssicherung“ (Keller-Schneider, 2022, S.138) und damit sowohl bedeutsam für
jede einzelne Lehrperson als auch für das Bildungssystem in seiner Gesamtheit. Um
diesen Prozess nicht der Beliebigkeit zu überlassen, weder aufseiten der Berufseinstei-
Anne Frey und Silvia Pichler
288
ger*innen noch aufseiten der Mentor*innen, die sich einen je eigenen Referenzrahmen
mit individuellen Qualitätskriterien erscha en müssen, ist ein einheitlicher Qualitäts-
rahmen und ein standardisiertes Instrument, das diesen abbildet, von großer Wichtig-
keit. In der Induktion kann beispielsweise das auf Kompetenzmodellen basierende Gut-
achten diese Funktion erfüllen (Dammerer & Zeilinger, 2022; Zeilinger & Dammerer,
2022). Dabei geht es in erster Linie darum, im Sinne eines formativen Assessments die
Entwicklung der Berufseinsteigenden zielorientiert zu begleiten und zu fördern. Auch
die Forschungen aus dem hier beschriebenen Projekt INDUK weisen darauf hin, dass
die Aufgaben Begleiten und Bewerten, also die Gestaltung eines Mentorings auf Augen-
höhe und die gleichzeitige Beurteilung der Leistung anhand von Qualitätskriterien, gut
vereinbar sind.
Abschließend sei angemerkt, dass die Einführung einer begleiteten Berufseinstiegs-
phase im Rahmen der PädagogInnenbildung NEU eine wesentliche Neuerung in der –
damit dreiphasig angelegten – Lehrer*innenbildung Österreichs darstellt (Braunsteiner
& Schnider, 2020, Hofmann, Hagenauer, Martunek, 2020, Schratz, 2012) und auf je-
den Fall einen ausreichenden Zeitraum zur Etablierung erhalten sollte (insbesondere
vor dem Hintergrund der Pandemie). Die ersten Erkenntnisse aus Begleitforschungen
in einzelnen Bundesländern und auch österreichweit sprechen dafür, dass die Induktion
mit den Säulen Fortbildung und Mentoring einen wesentlichen Beitrag zur Professiona-
lisierung der Lehrpersonen leisten kann.
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Matthias Huber, Manfred Prenzel und Marko Lüftenegger
Der Einstieg in den Lehrberuf in Österreich – Ergebnisse einer
Evaluation der neuen Induktionsphase
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag widmet sich auf Basis einer umfangreichen, österreichweiten Studie
der Umsetzung der Induktionsphase und beleuchtet Potentiale und Herausforderungen beim
Einstieg in den Lehrberuf in Österreich. Der Datenkorpus umfasst eine quantitativ-orientier-
te Online-Befragung (N=1155), kombiniert mit 51 halbstrukturierten Interviews, die in allen
Bundesländern mit ausgewählten Lehrkrä en geführt wurden. Die Ergebnisse der Studie ge-
ben Einblicke in die unterschiedlichen Konstellationen der Induktion und veranschaulichen,
wie der Berufseinstieg von den involvierten Personen erlebt wird. Neben zentralen Proble-
men der Implementierung und entsprechenden Verbesserungsvorschlägen werden auch die
Potentiale des neuen Berufseinstiegs kritisch diskutiert.
Schlüsselwörter: Induktionsphase, Evaluation, Lehrer*innenbildung, Qualität, Berufseinstieg
The career start of teachers in Austria – results of an evaluation of the new
induction phase
Abstract
Based on a comprehensive, Austria-wide study, this article is dedicated to the implemen-
tation of the induction phase and sheds light on potentials and challenges when entering
the teaching profession in Austria. e data corpus comprises a quantitative online survey
(N=1155) combined with 51 semi-structured interviews conducted with selected teachers in
all provinces. e results of the study provide insights into the di erent constellations of in-
duction and illustrate how career entry is experienced by the people involved. In addition
to central problems of implementation and corresponding suggestions for improvement, the
potentials of the new career entry are also critically discussed.
Keywords: Induction phase, evaluation, teacher education, quality, career start
1. Einleitung
Der Berufseinstieg gilt im Allgemeinen als eine zentrale Stellgröße im Kontext der eige-
nen Bildungsbiogra e. Er markiert einen weiteren, subjektiv bedeutsamen Übergang in
der persönlichen Lebens- und Lerngeschichte, der mit neuen Lebensumständen, He-
rausforderungen, aber auch Entwicklungsmöglichkeiten einhergeht. Dementsprechend
wird der Übergang in die Berufswelt von den meisten Menschen als eine auch emo-
tional besondere Zeit erlebt und in weiterer Folge entsprechend gut erinnert (Huber,
2021).
Der Einstieg in den Lehrberuf gilt im Speziellen als eine für die Bildungsbiographie
von Lehrkrä en bedeutsame Phase: Zum einen nehmen die in der Berufseingangspha-
se gemachten Erfahrungen starken Ein uss auf die Entwicklung der eigenen Lehrer*in-
nenrolle und die Vorstellungen von (gutem und/oder schlechtem) Unterricht; zum an-
deren gilt der Berufseinstieg in das Lehramt als eine große Chance für die Entwicklung
Matthias Huber, Manfred Prenzel und Marko Lü enegger
294
eines adäquaten professionellen Selbstverständnisses, indem die eigenen Ideale, Ho -
nungen, Sorgen und Ängste auf die Realität von Unterricht und Schule bezogen werden
können (vgl. hierzu Lamy, 2014, S.19). Um diese Chance adäquat nutzen und gleich-
zeitig positiv konnotierte, konstitutive Erfahrungen im Rahmen des Berufseinstiegs
machen zu können, ist eine angemessene Begleitung und Unterstützung in dieser her-
ausfordernden Lebensphase besonders relevant. Dies gilt auch mit Blick auf weitere in-
dividuelle Risikofaktoren, wie bspw. den o berichteten Praxisschock, das damit ein-
hergehende Belastungserleben oder schlichtweg die Überforderung im Kontext neuer
Lebensumstände.
In Österreich wurde 2013 eine zwölfmonatige Induktionsphase als zentrale Kompo-
nente der PädagogInnenbildung NEU gesetzlich verankert, die mit einer Änderung des
Dienstrechts mit dem Schuljahr 2019/2020 erstmals wirksam wurde. Das Ziel der In-
duktionsphase ist es, durch eine berufsbegleitende Einführung von Lehrpersonen durch
Mentor*innen die Qualität der Lehrer*innenbildung insgesamt zu steigern. Im Gegen-
satz zum bisherigen Berufseinstieg (an Bundesschulen) über das Unterrichtspraktikum,
das als Praktikum ein Ausbildungsverhältnis vorsah, versteht sich die Induktionspha-
se als ein förmliches Dienstverhältnis mit entsprechender Entlohnung und Verantwor-
tung, das Lehramtsanwärter*innen prüfen und gleichzeitig quali zieren soll.1 Dieses
neue Berufseinstiegsmodell wurde im Schuljahr 2019/2020 erstmals im österreichischen
Schulwesen für alle Schulformen implementiert. Die vorliegende Evaluationsstudie
wurde im Anschluss vom Bundesministerium für Bildung, Wissenscha und Forschung
(BMBWF), in Absprache mit dem Qualitätssicherungsrat für Pädagog*innenbildung
(QSR) und mit der Unterstützung aller neun Bildungsdirektionen, initiiert und unter
der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Dr. Manfred Prenzel im Frühjahr 2020 durchgeführt
(vgl. hierzu auch Prenzel et al., 2021).
2. Qualitätsmerkmale für einen gelingenden Berufseinstieg
Die Qualität des Berufseinstiegs in das Lehramt hängt von unterschiedlichen indivi-
duellen und kontextuellen Ein ussfaktoren ab. So lässt sich bspw. ein Zusammenhang
zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und dem subjektiven Belastungserleben bereits bei
Lehramtsstudierenden während des Studiums beobachten (Lü enegger et al., 2019).
Cramer und Binder (2015) weisen in einem Reviewartikel mit Bezug auf die sog. Big-
Five-Persönlichkeitsmerkmale darauf hin, dass besonders neurotische Personen mit
einem geringen Selbstwertgefühl, irrationalem Perfektionismus oder pessimistischen
Einstellungen gefährdet sind, sich während des Berufseinstiegs ins Lehramt als sehr
hoch belastet zu erleben. Extravertierte Lehramtsanwärter*innen, die sich durch soziale
Fähigkeiten, einen großen Freundeskreis, sportliche Aktivitäten oder Vereinsmitglied-
scha en auszeichnen, weisen hingegen „ein größeres Potenzial mit Blick auf eine Ba-
1 Im gesamten Text werden die Begri e Anwärter*in und Mentee synonym verwendet. Die Be-
zeichnung Anwärter*in verweist darauf, dass sich die Vertragslehrpersonen der Induktionsphase
tatsächlich in einer Bewährungsphase be nden und erst die nale Beurteilung über die weitere
Anstellung resp. die Fortsetzung ihres Dienstverhältnisses entscheidet (siehe hierzu auch Kapitel
3).
Der Einstieg in den Lehrberuf in Österreich 295
lance zwischen Beruf und Privatleben und hinsichtlich sozialer Unterstützungssysteme
(Ressourcen) auf“ (Cramer & Binder, 2015, S.115). Auch selbstregulative Fähigkeiten,
wie bspw. individuelle Coping-Strategien (Baumert & Kunter, 2006) oder eine adäqua-
te Emotionsregulation (Keller & Becker, 2021), werden als relevant für den Berufsein-
stieg betrachtet, da sie das subjektive Belastungserleben und die Gefahr eines frühen
Burn-outs reduzieren. Allerdings gilt es hierbei auch kritisch zu hinterfragen, ob in-
dividuelle Voraussetzungen wie Persönlichkeitsmerkmale im Allgemeinen für die Eig-
nungsfeststellung von Lehrkrä en am Ende ihrer Ausbildung bzw. beim Berufseinstieg
herangezogen werden können, oder aber ob man diese während des Studiums über
entsprechende Lehrangebote kritisch zu re ektieren sucht.
Neben den Persönlichkeitsmerkmalen und den sozial-emotionalen Kompetenzen
von angehenden Lehrkrä en, die das Gelingen des Berufseinstiegs mitbestimmen, las-
sen sich auch kontextuelle Qualitätsmerkmale für einen erfolgreichen Einstieg in den
Lehrberuf beschreiben. Hierzu zählt die Qualität des Mentorats, die sich sowohl durch
die Ausbildung der Mentor*innen als auch in deren Begleitung der angehenden Lehr-
krä e widerspeigelt (Lawson et al. 2015; Richter et al., 2011). Richter et al. (2016) wei-
sen diesbezüglich darauf hin, dass im Besonderen eine informationsbezogene und emo-
tionale Unterstützung der Mentor*innen mit erhöhten Selbstwirksamkeitserwartungen
und geringerer emotionaler Erschöpfung der Anwärter*innen einhergeht. In einem en-
gen Zusammenhang steht dies auch mit der Auswahl der Mentor*innen nach verge-
benen Qualitätskriterien und deren bisheriger Ausbildung und Erfahrung (Hobson et
al., 2009). Da die Übernahme eines Mentorats mit einer Reduktion der Unterrichtsver-
p ichtung und einer nanziellen Vergütung einhergeht, gilt es diesen Aspekt auch im
Kontext der neuen Induktionsphase zu berücksichtigen.
Ein wesentliches Qualitätsmerkmal der Begleitung und Unterstützung der Anwär-
ter*innen ist das fachgleiche Mentoring, also die Zuteilung von Anwärter*in und Men-
tor*in über deren gemeinsame Fächer (Johnson, 2004; Smith & Ingersoll, 2004). Eine
solche Zuteilung ermöglicht sowohl die Unterstützung bei fachlichen und fachdidakti-
schen Fragestellungen als auch eine kritische Re exion der eigenen Entwicklungsmög-
lichkeiten unter Berücksichtigung des professionellen Selbstverständnisses als Lehr-
person. Als weiteres Kernkriterium im begleiteten Berufseinstieg von Lehrkrä en gilt
das Bereitstellen von ausreichend zeitlichen Ressourcen für die individuelle Betreuung,
etwa für die gemeinsame Vor- und Nachbesprechung des Unterrichts sowie für Hospi-
tationen (Hobson et al., 2009). Ebenso als Qualitätsmerkmale für den Einstieg in den
Lehrberuf gelten die soziale und emotionale Unterstützung durch die Mentor*innen
(Hascher et al., 2004), die persönlich bedeutsame Beziehung zwischen Anwärter*innen
und Mentor*innen (Marable & Raimondi, 2007) sowie die Regulation negativer Emo-
tionen der Anwärter*innen durch die sie begleitenden Mentor*innen (Porsch, 2018).
Auch die Europäische Kommission (2010) spricht allgemeine Empfehlungen für die
Gestaltung der Induktionsphase aus und verweist dabei auf spezi sche Rahmenbedin-
gungen für angehende Lehrkrä e. Besonders hervorzuheben sind in diesem Kontext
eine sichere und wertfreie Umgebung, ein reduziertes Arbeitspensum, Team- und Co-
Teaching, gemeinsames Arbeiten und Projektgruppen sowie ein adäquates Maß an (an-
geleiteter) Selbstre exion (European Commission, 2010).
Matthias Huber, Manfred Prenzel und Marko Lü enegger
296
3. Zur Umsetzung der Induktionsphase in Österreich
Die Umsetzung der Induktionsphase in Österreich wird mit Blick auf die Qualitäts-
merkmale und Empfehlungen für einen gelingenden Einstieg in den Lehrberuf über
das Vertragsbedienstetengesetz (VBG) bzw. das Landesvertragslehrpersonengesetzt
(LVG), welches das Dienst- und Besoldungsrecht sowie die Aufgaben und P ichten von
Lehrkrä en auf Bundes- und Landesebene in Österreich gesetzlich festlegt, in Para-
graf 39 und 39a bzw. 5 und 6 neu geregelt. Die folgenden Aspekte sind dabei für die
Ausgestaltung des begleiteten Berufseinstiegs zentral:2 Die zwölfmonatige Induktions-
phase dient zur berufsbegleitenden Einführung von Vertragslehrpersonen in das Lehr-
amt und ist durch eine Mentorin oder einen Mentor zu begleiten (§39(1)). Die Zu-
ordnung des Mentorats erfolgt dabei durch die Personalstelle (§39(2)). Im Mittelpunkt
stehen die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen Anwärter*in und Mentor*in,
wobei die angehenden Lehrkrä e den Unterricht von anderen Lehrkrä en beobachten
(Hospitationen) und spezielle Induktionslehrveranstaltungen an Pädagogischen Hoch-
schulen oder Universitäten besuchen sollen (§39(3)). Die Schulleitung muss in weiterer
Folge auf Grundlage eines Gutachtens der Mentor*in sowie auf Basis eigener Wahrneh-
mung über den Verwendungserfolg der Vertragslehrperson der Personalstelle berichten
(§39(5)), wobei den Anwärter*innen hierbei die Möglichkeit zur Stellungnahme gege-
ben sein muss (§39(6)). Abschließend erhalten die Anwärter*innen von der Personal-
stelle die Mitteilung, ob sie den in der Induktionsphase zu erwartenden Verwendungs-
erfolg entweder „durch besondere Leistungen erheblich überschritten“, „aufgewiesen“
oder eben „nicht aufgewiesen“ haben. Paragraf 39a regelt überdies die Aufgaben und
P ichten der Mentor*innen: Die Voraussetzung, um als Mentor*in tätig zu sein, ist eine
min. 5-jährige Berufserfahrung sowie die Absolvierung eines einschlägigen Hochschul-
lehrgangs (mit 60 ETCS) (§39a(1)). Die Zuordnung von Mentor*innen und Mentees ist
hierbei verp ichtend, wobei Mentor*innen gleichzeitig bis zu drei Vertragslehrpersonen
betreuen dürfen (§39a(2)). Zudem werden die zentralen Aufgaben des Mentorats wie
folgt beschrieben:
„Die Mentorin oder der Mentor hat die Vertragslehrperson in der Induk-
tionsphase bei der Planung und Gestaltung des Unterrichts zu beraten, mit
ihr deren Tätigkeit in Unterricht und Erziehung zu analysieren und zu re-
ektieren, sie im erforderlichen Ausmaß anzuleiten und sie in ihrer beru i-
chen Entwicklung zu unterstützen. Die Mentorin oder der Mentor hat den
Unterricht der Vertragslehrperson in der Induktionsphase im erforderlichen
Ausmaß zu beobachten. Die Mentorin oder der Mentor hat ein Entwicklungs-
pro l der Vertragslehrperson in der Induktionsphase zu erstellen und bis spä-
testens drei Monate vor Ablauf der Induktionsphase ein Gutachten zu deren
Verwendungserfolg zu erstatten.“ (§39a(5))
2 Die beiden Gesetzestexte gleichen sich dem Wesen nach. Daher wird in weiterer Folge auf das
VBG Bezug genommen.
Der Einstieg in den Lehrberuf in Österreich 297
Auch wenn im VBG bzw. LVG zentrale inhaltliche und organisatorische Rahmenbe-
dingungen des begleiteten Berufseinstiegs berücksichtigt werden und sich auch Indika-
toren für die Gewährleistung der oben beschriebenen Qualitätsmerkmale explizit wie-
der nden, so bleiben dennoch einige Leerstellen hinsichtlich der konkreten Umsetzung
und Ausgestaltung der Induktionsphase o en. Es nden sich bspw. keine Vorgaben
bzgl. des Umfangs des Dienstverhältnisses (der Anwärter*innen), zur Anzahl der in-
kludierten Unterrichtsfächer oder zu der Zuordnung von Mentor*innen nach fachlicher
Nähe. Ebenso fehlen Vorgaben bzgl. eines gleichen Schulstandortes von Anwärter*in-
nen und Mentor*innen sowie konkrete Vorgaben hinsichtlich des Ausmaßes der Unter-
stützung, Begleitung, Analyse und Re exion in der gemeinsamen Zusammenarbeit. Zu-
sammenfassend lässt sich somit festhalten, dass die gesetzlichen Vorgaben einen soliden
Bezugsrahmen für die Umsetzung der Induktionsphase ermöglichen, gleichzeitig aber
ausreichend Spielräume für die weitere Präzisierung und konkrete Ausgestaltung der je-
weiligen Betreuungskonstellationen sowie der individuellen Aufgaben und P ichten zu-
lassen.
4. Erkenntnisinteresse und Design der vorliegenden Studie
Unter Berücksichtigung der soeben skizzierten, gesetzlichen Spielräume bei der Umset-
zung der Induktion, der neuen Aufgaben und Zuständigkeiten in der Organisation, Be-
gleitung und Beurteilung der beteiligten Organisationen und Personengruppen sowie
mit Blick auf das neu zugeschnittene Format des Mentorings scheint es naheliegend,
die Induktionsphase systematisch zu evaluieren. Daher wurde in enger Abstimmung
mit dem BMBWF untersucht, wie die Induktionsphase landesweit implementiert wur-
de und wie deren Umsetzung zukün ig weiter verbessert werden kann. Das Ziel der
vorliegenden Studie war es dementsprechend, einerseits einen umfassenden und reprä-
sentativen Überblick über die aktuelle Umsetzung zu liefern, und anderseits konkrete
Hinweise auf sich abzeichnende Schwierigkeiten und Herausforderungen aus der Pers-
pektive der beteiligten Personen zu geben. Daraus ergeben sich für die formative Eva-
luation, wie sie im Folgenden zusammenfassend dargestellt wird, zwei übergeordnete
Fragestellungen (Prenzel et al., 2021, S.17f.):
1. Welche Daten hinsichtlich unterschiedlicher Bedingungen, Merkmale und Vertei-
lungen ermöglichen ein umfassendes Bild der aktuellen Umsetzung der Induktions-
phase in Österreich?
2. Was sind die zentralen Hindernisse, Schwierigkeiten und Probleme bei der Umset-
zung des Konzepts der Induktionsphase in Österreich?
Um diesem Erkenntnisinteresse gerecht zu werden, wurde ein multi-methodisches For-
schungsdesign, bestehend aus zwei sequenziellen Teilstudien, einer quantitativ-orien-
tierten Onlinebefragung und einer qualitativ-orientierten Interviewstudie, konzipiert.
(1) Die Onlinebefragung wurde mittels einer Fragebogenstudie (Survey) zwischen Feb-
ruar und März 2020 durchgeführt, wobei insgesamt 620 Mentor*innen und 535 Anwär-
ter*innen an der Befragung teilnahmen (N=1155). Neben personenbezogenen Daten
Matthias Huber, Manfred Prenzel und Marko Lü enegger
298
wurden in dem ca. 15-minütigen Fragebogen Angaben zum Anstellungs- und Betreu-
ungsverhältnis, die persönliche Einschätzung des Betreuungsverhältnisses, die per-
sönliche Einschätzung der Unterrichtstätigkeit sowie die Bewertung der Zusammen-
arbeit mittels Mehrfachantwortoptionen, Ratingskalen und Freitextantwort erfragt.
Neben der Bestimmung deskriptiver Kennwerte wurden interferenzstatistische Ana-
lysen, Reliabilitätsanalysen und exploratorische Faktorenanalysen durchgeführt (für
einen Überblick zu den Skalen inklusive Reliabilitätskoe zenten, siehe Prenzel et al.,
2021, S.28f.). (2) Die daran anschließende Interviewstudie stützt sich auf 51 halbstruk-
turierte Leitfadeninterviews, die zwischen März und April 2020 mit 27 Mentor*innen
und 24 Anwärter*innen geführt wurden. Die Auswahl der Interviewpartner*innen aus
ganz Österreich erfolgte dabei über ein mehrstu ges Zufallsziehungsverfahren. Die im
Durchschnitt 90-minütigen Interviews orientierten sich inhaltlich entlang sechs konse-
kutiver emencluster; neben personenbezogenen Daten wurden dabei wichtige Schrit-
te vor der Induktion, der Beginn, der erste Monat, die aktuelle Lage, weitere Entwick-
lungen sowie Möglichkeiten zur Verbesserung kritisch in den Blick genommen. Die
Interviews wurden in weiterer Folge mit der inhaltlich strukturierenden, qualitativen
Inhaltsanalyse ausgewertet (siehe hierzu Kuckartz, 2016).
5. Zentrale Ergebnisse der Evaluation
Im Folgenden werden die Ergebnisse der formativen Evaluation entlang der beiden
Teilstudien unter Berücksichtigung der zuvor skizzierten Qualitätsmerkmale zusam-
menfassend vorgestellt (für einen detaillierten Überblick der Ergebnisse siehe auch
Prenzel et al., 2021, Kapitel 2 & 3). Zu Beginn wird auf die wesentlichen Ergebnisse der
Onlinebefragung eingegangen, deren Ziel es war, einen repräsentativen Überblick der
Induktionsphase anhand standardisierter Fragemodi zu gewährleisten, wobei zuerst die
Perspektive der Anwärter*innen und danach jene der Mentor*innen präsentiert wird.
Die nachfolgende Ergebnisdarstellung der quantitativen Teilstudie basiert auf geschlos-
senen Fragen (Auswahl und Mehrfachauswahl von Antwortoptionen inklusive vierstu-
ger Ratingskalen zur Zustimmung oder Häu gkeit). Daran anschließend werden die
zentralen Ergebnisse der Interviewstudie im Überblick vorgestellt, dessen Zielsetzung es
war eine detailliertere Betrachtung von Bedingungen und Prozessen der neu implemen-
tierten Induktionsphase aus Sicht der beteiligten Anwärter*innen und Mentor*innen zu
ermöglichen. Dabei werden die Ergebnisse entlang der wichtigsten, induktiv bestimm-
ten Kategorien der Inhaltsanalyse vorgestellt.
5.1 Ergebnisse der Onlinebefragung
Bezugnehmend auf die Befragung der Anwärter*innen aus Primar- und Sekundarstu-
fe lässt sich hinsichtlich deren Unterrichtsdeputate eine sehr heterogene Verteilung fest-
stellen; im Durchschnitt unterrichten die Anwärter*innen rund 18 Stunden pro Wo-
che, wobei die Anstellungsverhältnisse zwischen 2 und 25 Stunden variieren und über
Der Einstieg in den Lehrberuf in Österreich 299
50 % der Anwärter*innen mehr als 20 Stunden pro Woche unterrichten. Ebenso hete-
rogen gestaltet sich die Verteilung der zu unterrichtenden Schulstufen und Schulklas-
sen. So unterrichten bspw. rund 76 % der Anwärter*innen der Sekundarstufe in vier
oder mehr verschiedenen Klassen und im Mittel in drei verschiedene Schulstufen; in
der Primarstufe unterrichten 31 % in einer Klassenstufe, 18 % in zwei, 17 % in drei, 26 %
in vier und 8 % in fünf oder mehr Klassenstufen. Damit zeichnen sich unterschiedli-
che Anforderungskonstellationen ab, die sich durch den Umfang der Unterrichtsstun-
den, unterschiedliche Lehrpläne sowie die Berücksichtigung unterschiedlicher Klassen
und Schüler*innenzahlen auszeichnen. Die wöchentliche Gesamtarbeitszeit unter Be-
rücksichtigung von Vor- und Nachbereitung liegt jedenfalls im Durchschnitt bei rund
36 Stunden, wobei Maximalwerte von bis zu 72 Stunden pro Woche von den Anwär-
ter*innen angegeben werden.
Die Frage nach der Übereinstimmung der zu unterrichtenden Fächer ergab, dass
rund 29 % der Primarstufenanwärter*innen und rund 41 % der Sekundarstufenanwär-
ter*innen gänzlich andere Fächer unterrichten als ihre Mentor*innen. Auch wenn in
der Primarstufe rund 47 % der Anwärter*innen von fachgleichem Mentoring berichten,
sind es in der Sekundarstufe lediglich 13 %, wobei hier zumindest rund 42 % angeben,
ein Fach mit ihrer Mentor*in zu teilen. Die von den Mentees angegebenen Betreuungs-
zeiten variieren unabhängig von der Schulform zwischen 0 und 180 Minuten, wobei
im Durchschnitt rund 22 Minuten pro Woche hierfür aufgewendet werden. Der zent-
rale Modus der Betreuung ndet über beiläu gen, persönlichen Austausch (rund 69 %)
statt. Demgegenüber geben nur 22 % der Anwärter*innen an bei ihrer bzw. ihrem Men-
tor*in zu hospitieren.
Die Inhalte der Betreuungsgespräche variieren zwar ein wenig, dennoch stehen bei
allen Anwärter*innen die Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung, die Klassenführung
und die Unterrichtmethoden im Zentrum des gemeinsamen Austausches; kaum thema-
tisiert werden die emen (Schul-)Recht und Semester- bzw. Jahresplanung.
Insgesamt schätzen die Anwärter*innen die Betreuung durch die Mentor*innen
übereinstimmend als sehr gut ein (MPrim = 3.34; SDPrim = 0.78; MSek = 3.30; SDSek =
0.82), wobei die Betreuungsqualität in engem Zusammenhang mit der fachlichen Pas-
sung steht: Bei fächergleichem Mentoring wird die Qualität der Betreuung höher einge-
schätzt als bei Konstellationen, in der nur ein Fach gemeinsam unterrichtet wird. Der
Unterschied wird am deutlichsten, wenn eine gänzlich fachfremde Betreuung statt n-
det. Abschließend wurden die Anwärter*innen gebeten, ihre Unterrichtskompetenz
nach einem halben Jahr Induktionsphase einzuschätzen. Die Selbstwahrnehmung fällt
insgesamt sehr positiv aus: Aus ihrer Perspektive können sie sehr gut mit den Schü-
ler*innen umgehen (MPrim = 3.63; SDPrim = 0.53; MSek = 3.44; SDSek = 0.76), haben
das Gefühl sich in Ihrer Rolle als Lehrkra zu entwickeln (MPrim = 3.76; SDPrim = 0.47;
MSek = 3.71; SDSek = 0.49) und fühlen sich im Unterricht nur selten überfordert (MPrim
= 1.73; SDPrim = 0.70; MSek = 1.82; SDSek = 0.79).
Der Großteil der befragten Mentor*innen (über 70 %) verfügt über mehr als 15 Jah-
re Unterrichtserfahrung als Lehrkra . Auch wenn die meisten Mentor*innen angeben,
sich für ihre Tätigkeit durch spezi sche Ausbildungsprogramme quali ziert zu haben
(bspw. über den Hochschullehrgang für Mentor*innen oder aber durch Weiterbildun-
Matthias Huber, Manfred Prenzel und Marko Lü enegger
300
gen zur Betreuungslehrer*in für das, von der Induktionsphase abgelöste, Unterrichts-
praktikum), berichten rund 20 % der Mentor*innen, für ihre Tätigkeit keine zusätzliche
Ausbildung absolviert zu haben. Im Durschnitt unterrichten die befragten Mentor*in-
nen rund 19 Stunden pro Woche, wobei die Standardabweichung (SDPrim = 6.24; SDSek
= 6.11) auf beträchtliche Unterschiede in den Lehrdeputaten hinweist und die Viel-
falt an Funktionen und Mehrfachaufgaben der Mentor*innen an den jeweiligen Schu-
len wiederspiegelt. Auch die Angaben zu den jeweiligen Betreuungszeiten im Men-
toring unterscheiden sich stark und reichen von einem Minimum von einer Minute
bis zu einem Maximum von 360 Minuten. Allerdings geben die befragten Mentor*in-
nen an, im Durchschnitt rund 52 Minuten pro Woche für die Betreuung ihrer Men-
tees aufzuwenden. Dabei wiederum berichtet ein Großteil der Befragten (über 80 %),
dass die Betreuung durch vereinbarte, persönliche Gespräche statt ndet und dass sie
auch Zeit nden, bei ihren Mentees zu hospitieren. Gleichzeitig verweisen rund 60 %
aller Mentor*innen darauf, dass die Anwärter*innen umgekehrt nicht bei ihnen hos-
pitieren. In diesem Zusammenhang ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass rund ein
Viertel der Mentor*innen in der Primarstufe und immerhin noch rund 11 % der Men-
tor*innen der Sekundarstufe an einem anderen Schulstandort als die zu betreuenden
Anwärter*innen tätig sind. Zudem betreuen rund 22 % aller befragten Mentor*innen
zwei oder mehr Mentees in der Induktion. Die zentralen Inhalte der Betreuung werden
von den Mentor*innen ähnlich gewichtet, wie zuvor von den Anwärter*innen; im Mit-
telpunkt stehen dabei in der Primarstufe die Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung,
Unterrichtsmethoden und Klassenführung und in der Sekundarstufe Unterrichtsmetho-
den, Leistungsbeurteilung und die Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung. Kaum bzw.
gar nicht thematisiert werden demgegenüber in allen Betreuungskonstellationen die Be-
urteilungskriterien der Induktionsphase sowie das eigene Anstellungsverhältnis. Die Di-
vergenz in den Angaben zur Betreuungszeit zwischen Mentor*innen und Anwärter*in-
nen lässt sich vermutlich darauf zurückführen, dass neben dem tatsächlichen Austausch
hier von den Mentor*innen auch organisatorische Tätigkeiten und der Verwaltungsauf-
wand zeitlich berücksichtigt werden.
Die Mentor*innen wurden auch gebeten eine Einschätzung zur Vorbereitung der
Anwärter*innen durch das Studium abzugeben. Dabei berichten über 70 % der Men-
tor*innen, dass sie der Ansicht sind, dass ihre Anwärter*innen durch das Studium fach-
lich gut auf das Unterrichten vorbereitet sind. Lediglich 20 % der Primarstufenmen-
tor*innen und rund 30 % der Sekundarstufenmentor*innen geben an, dass es noch eine
längere Einführungszeit für die Anwärter*innen brauchen würde, um für den Beruf in
der Schule bereit zu sein. Abschließend wurden auch die Mentor*innen aufgefordert
eine Selbsteinschätzung zu ihren Tätigkeiten nach einem halben Jahr Induktionspha-
se abzugeben, wobei sich auch hier eine positives Gesamtbild abzeichnet: Der Groß-
teil der befragten Mentor*innen bzw. über 90 % hat den Eindruck die Anwärter*innen
in der Induktionsphase angemessen unterstützen zu können. Viele Mentor*innen ge-
ben zudem an ihre Mentees so o es geht zu beraten (MPrim = 3.34; SDPrim = 0.66;
MSek = 3.57; SDSek = 0.62) und den Eindruck zu haben, ihnen mit ihrer Erfahrung be-
hil ich sein zu können (MPrim = 3.65; SDPrim = 0.53; MSek = 3.62; SDSek = 0.59). Mit
großer Übereinstimmung verweisen die Mentor*innen darauf, dass sie ein Vorbild für
Der Einstieg in den Lehrberuf in Österreich 301
ihre Mentees sind bzw. als solches dienen können (MPrim = 3.54; SDPrim = 0.53; MSek =
3.54; SDSek = 0.54). Allerdings geben über 70 % aller befragten Mentor*innen an, gerne
mehr Zeit für die Begleitung ihrer Mentees zur Verfügung zu haben.
5.2 Ergebnisse der Interviewstudie
In der Analyse der Interviews wurden drei zentrale Fragestellungen bzw. Hauptkatego-
rien bestimmt und in weiterer Folge mit Blick auf die Ausführungen der Mentor*innen
und Anwärter*innen entlang des gesamten Datenmaterials ausgewertet:
– Was sind die zentralen Problemlagen der Induktionsphase aus Sicht der beteiligten
Personen?
– Welche Verbesserungsvorschläge werden von ihnen für die Induktionsphase unter-
breitet?
– Welche zusätzlichen Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten lassen sich für
den Berufseinstieg von Junglehrer*innen identi zieren?
Als zentrale Problemlagen werden, absteigend nach Relevanz und Häu gkeit, die fol-
genden zehn emenfelder benannt. (1) Zeitliche Ressourcen, Zeitknappheit und Mehr-
fachbelastungen: Übereinstimmend betrachten Mentor*innen und Anwärter*innen den
Mangel an Zeit als das zentrale Problem der Induktionsphase, insbesondere wenn die
Anwärter*innen eine volle Lehrverp ichtung haben oder Mentor*innen mehrere Men-
tees betreuen. Die Folge sind pragmatische Arbeitsbündnisse, in denen wesentliche Be-
standteile einer begleiteten Induktion (wie bspw. die gemeinsame Vor- und Nachbe-
reitung des Unterrichts oder Hospitationen) zu kurz kommen. (2) Inkonsistente und
unzureichende Information: Zum einen wünschen sich Anwärter*innen und Mentor*in-
nen im Allgemeinen mehr und detailliertere Informationen (bspw. zu ihren Aufgaben
und P ichten, zum Stundenausmaß, zur Art der Betreuung oder aber zur Dokumen-
tation und Bewertung) und zum anderen muss der Zeitpunkt der Informationsweiter-
gabe bereits vor dem Beginn des eigentlichen Betreuungsverhältnisses liegen. (3) Fach-
fremdes Mentoring bzw. fachfremde Protagonist*innen: Die dritte zentrale Problemlage,
die in den Interviews mit besonderer Deutlichkeit angesprochen wird, betri die fach-
fremde Betreuung. Hierzu zählen auch jene Fälle, bei denen Anwärter*innen die In-
duktionsphase an einer Schulform durchlaufen, für die sie nicht ausgebildet wurden
(wie bspw. mit einem abgeschlossenem Sekundarstufenstudium an einer Volksschule
angestellt zu sein). (4) Inhalt und Gestaltung der Begleitseminare: Zum einen scheinen
die Seminare von den Anwärter*innen inhaltlich nicht als Unterstützung im Berufs-
einstieg wahrgenommen zu werden und zum anderen stellen Zeitpunkt und Dauer der
Seminare eine zusätzliche Belastung dar. (5) Das Bewertungs-Unterstützungs-Dilemma:
Dieses verweist auf die Problematik, dass die Mentor*innen einerseits ihre Mentees in
dieser schwierigen Lebensphase unterstützend begleiten und beraten sollen, anderseits
aber auch über ihren Verwendungserfolg ein mit Folgen verbundenes Gutachten ver-
fassen müssen. (6) Organisations- und Verwaltungsprobleme: Dies betri einerseits eine
fehlende oder zeitlich schlecht abgestimmte Kommunikation und Koordination der be-
Matthias Huber, Manfred Prenzel und Marko Lü enegger
302
teiligten Organisationen (Bildungsdirektionen, Pädagogische Hochschulen, Universitä-
ten) in der Induktionsphase sowie andererseits die generelle Unzufriedenheit mit den
aktuellen Ausbildungsstandards für Mentor*innen und Lehramtsstudierende. (7) Die
Rolle der Schulleitung: Mentor*innen und Anwärter*innen sprechen sich übereinstim-
mend gegen eine Doppelrolle der Schulleitung (als Mentor*in und Direktor*in) aus und
nehmen die Schulleitung insgesamt als zu passiv und wenig unterstützend in der Be-
gleitung der Mentees wahr. (8) Unterschiedliche Schulen und Schulformen: Vergleichbar
mit dem fachfremden Mentoring wird auch eine örtliche Trennung von Mentor*in und
Mentee als fast unüberwindbares Problem der Induktion wahrgenommen. (9) Gesamt-
belastung der Anwärter*innen: Dies betri die psychische Belastung und die emotio-
nale Überforderung der Anwärter*innen, zwei Aspekte, die besonders am Beginn der
Induktionsphase für viele zur Zerreisprobe wird. (10) Die persönliche Passung und Be-
ziehungseben zwischen Anwärter*innen und Mentor*innen: Obwohl dieser Aspekt ledig-
lich von den Anwärter*innen thematisiert wird, scheint es dennoch für die Unterstüt-
zung zentral zu sein und zudem eng mit dem Bewertungs-Unterstützungs-Dilemma
zusammenzuhängen.
Analog zu den Problemlagen unterbreiten die interviewten Anwärter*innen und
Mentor*innen, wiederum absteigend nach Relevanz und Häu gkeit, die folgenden neun
Verbesserungsvorschläge für die Induktionsphase: (1) Zeitliche Entlastung und mehr
gemeinsame Zeit für die Betreuung; (2) Verbesserung der Ausbildungs- und Seminar-
struktur; (3) Klare P ichten und Kriterien für Anwärter*innen und Mentor*innen; (4)
Detaillierte, transparente und einheitliche Information; (5) Modi kation des Bewer-
tungsverfahrens; (6) Frühzeitige Organisation und Vernetzung; (7) Entlastung durch
sukzessiver Einstieg; (8) andere Aufgaben für die Schulleitung; (9) Berücksichtigung
von Beziehungsebene und Persönlichkeit im Mentoring (für einen detaillierten Über-
blick zu den Verbesserungsvorschlägen siehe auch: Prenzel et al., 2021, S.97–106).
Abschließend sollen noch die Ressourcen und Ermöglichungsbedingungen des Ein-
stiegs in den Lehrberuf genannt werden, die außerhalb des eigentlichen Mentorings
bzw. außerhalb der Strukturen der Induktionsphase liegen und gewissermaßen eine
Kompensationsleistung für bestehende Mängel in der Induktionsphase darstellen. Ab-
steigend nach Relevanz und Häu gkeit lassen sich die folgenden acht Ressourcen be-
nennen: (1) Unterstützung vom (Fach-)Kollegium: Die wichtigste Ressource für den Be-
rufseinstieg von Junglehrer*innen ist ein unterstützendes und hilfsbereites Kollegium.
Besonders wenn Mentor*innen aufgrund von Zeitmangel oder Fach- bzw. Schulfremd-
heit ihre Mentees nicht ausreichend im Unterrichtsalltag unterstützen können, wird die
zentrale Bedeutung des Kollegiums für einen gelungenen Berufseinstieg deutlich. (2)
Praktika während des Studiums: Diesbezüglich besteht bei den Interviewten Einigkeit,
dass im Zuge von Ausbildungspraktika grundlegende Kompetenzen erworben werden,
auf die angehende Lehrpersonen während der Zeit des Berufseinstiges zurückgreifen
können und damit die Wahrscheinlichkeit von Überforderung ein Stück weit reduziert
werden kann. (3) Integration und Eingebundenheit in die Schulgemeinscha : Das schuli-
sche Umfeld und im Besonderen das Zugehörigkeitsgefühl zur Schulgemeinscha wirkt
sich auf emotionaler und sozialer Ebene ressourcenstärkend auf den eigenen Berufsein-
stieg aus. (4) Andere Junglehrer*innen und Mentees: Für die Anwärter*innen in der In-
Der Einstieg in den Lehrberuf in Österreich 303
duktionsphase sind die Austauschmöglichkeiten mit Gleichgesinnten unverzichtbar für
ihr eigenes Wohlbe nden und für ihre Entwicklung als Lehrperson; auch Lehrgemein-
scha en und Intervisionsgruppen von Mentees werden als besondere Ressource ge-
nannt, da sie eine andere Form der Selbstre exion ermöglichen. (5) Ansprechpersonen
außerhalb der Schule für Mentor*innen: Ähnlich wie bei den Vernetzungsmöglichkei-
ten der Mentees, pro tieren auch Mentor*innen durch den Austausch mit außerschuli-
schen Ansprechpersonen. Dies gilt im Besonderen, wenn es sich um andere Mentor*in-
nen handelt, die hier eine zusätzliche Sicherheitsfunktion übernehmen. (6) Erleben von
Kompetenz und Selbstwirksamkeit: Erfahrungen, in denen sich Anwärter*innen in ihrer
Rolle als Lehrkra als kompetent und selbstwirksam erleben, verbessern nicht nur das
eigene Selbstverständnis als Lehrperson, sondern verhindern in kritischen Phasen den
Abbruch der Induktionsphase. (7) Geographische Nähe zur Schule: Kurze Arbeitswege
tragen vor dem Hintergrund von Mehrfachbelastung und Überforderung zur Resilienz
angehender Lehrkrä e bei. (8) Zugänglichkeit von Lehr- und Lernmaterial: Die Verfüg-
barkeit (und auch Anwendbarkeit) von Unterrichtsmaterialien gilt als weitere Ressource
im Berufseinstieg, die allerdings o stark vom Schulstandort, persönlichen Netzwerken
und der Unterstützung des (Fach-)Kollegiums mitbestimmt wird.
6. Diskussion und Fazit
Unter Berücksichtigung der zu Beginn diskutierten Qualitätsmerkmale einer gelunge-
nen Induktion – die Qualität des Mentorats, das fachgleiche Mentoring, ausreichende
zeitliche Ressourcen, die sozial-emotionale Unterstützung durch die Mentor*innen, be-
deutsame Beziehungen während des Berufseinstiegs, eine wertfreie Umgebung in der
gemeinsamen Arbeit sowie angeleitete Selbstre exion – lassen sich abschließend folgen-
de Schlussfolgerungen ziehen:
In der Befragung wurde deutlich, dass mehr als die Häl e der Anwärter*innen über
20 Stunden in der Woche unterrichten und die wöchentliche Gesamtarbeitszeit inklusi-
ve Vor- und Nachbereitung in vielen Fällen über der gesetzlich vorgegebenen Höchst-
arbeitszeit liegt (z.T. bis zu 72 Stunden die Woche). Ebenso deutlich wurde, dass die
wahrgenommene Betreuungszeit für viele Befragte zu kurz sei; auch wenn die durch-
schnittliche Betreuungszeit rund 20 Minuten pro Woche beträgt, verweisen doch 30 %
der Anwärter*innen in der Sekundarstufe darauf, nur 2 Minuten pro Woche für den
Mentor*innenaustausch zur Verfügung zu haben. Gleichzeitig wünschen sich die meis-
ten Mentor*innen mehr Zeit für die Unterstützung ihrer Mentees. Dementsprechend
verwundert es auch nicht, dass die fehlenden zeitlichen Ressourcen das vorherrschen-
de ema in den Interviews sind. Eine zeitliche Entlastung der Anwärter*innen, bspw.
durch einen sukzessiven Einstieg in die Induktion oder durch eine Reduktion der vol-
len Lehrverp ichtung, würde Hospitationen ermöglichen, einer psychischen (Über-)Be-
lastung entgegenwirken und Junglehrer*innen erlauben, neuen Herausforderungen, wie
Elternarbeit, Disziplinproblemen und Classroom-Management etc., zeitlich adäquat zu
begegnen. Das zusätzliche Bereitstellen zeitlicher Ressourcen für Mentor*innen durch
explizit ausgewiesene Zeitfenster für die gemeinsame Arbeit mit ihren Mentees könnte
Matthias Huber, Manfred Prenzel und Marko Lü enegger
304
überdies ein qualitativ hochwertigeres Mentoring ermöglichen, in dem Feedback, Aus-
tausch, Unterrichtsvor- und Nachbereitungen sowie Hospitationen kontinuierlich statt-
nden. Das Fehlen zeitlicher Ressourcen und die Gefahr der Überbelastung wird durch
die Problematik des unterschiedlichen Schulstandortes und der Mehrfachbetreuung
noch verstärkt; so betreuen 20 % der Mentor*innen Mentees an anderen Schulstandor-
ten, mehr als 10 % der Anwärter*innen durchlaufen ihre Induktionsphase an mehr als
einem Schulstandort und wiederum 20 % der Mentor*innen betreuen zwei oder mehr
Mentees.
Mit Blick auf das fachfremde Unterrichten und das fachfremde Mentoring zeigt sich
zum einen, dass in der Sekundarstufe 9 % der Anwärter*innen gänzlich fachfremd und
mehr als die Häl e der Anwärter*innen mindestens ein fachfremdes Unterrichtsfach
unterrichten. Zum anderen haben nur rund 14 % aller Anwärter*innen eine fachglei-
che Mentor*in, wohingegen rund 40 % der Anwärter*ínnen ein gänzlich fachfremdes
Mentoring erhalten. Dies ist insofern problematisch, als dass in den Interviews deutlich
wurde, dass ein fachfremdes Mentoring keine Berücksichtigung inhaltlicher und fach-
didaktischer Fragen erlaubt und somit eine ganzheitliche Unterstützung und Begleitung
durch die fachfremden Mentor*innen nicht möglich ist. Um dem Problem der Bezie-
hungsebene und individuellen Passung ein Stück weit entgegenzuwirken und gleich-
zeitig eine Unterstützung auf fachlicher Ebene zu gewährleisten, wären ein fachgleiches
Mentoring (inklusive Schulzugehörigkeit) ein notweniges Kriterium für die Zuteilung
in der Induktionsphase.
Zum Zeitpunkt der Erhebung bestehen überdies gravierende Probleme in der In-
formationsau ereitung und -weitergabe sowie im Allgemeinen in der Kommunikation
zwischen den beteiligten Institutionen und Personen. Insgesamt braucht es mehr und
detailliertere Information, wobei neben der Transparenz besonders eine frühe Informa-
tionsweitergabe sinnvoll erscheint, bspw. durch entsprechende Onlineplattformen oder
gemeinsame Informations- und Vernetzungsveranstaltungen. In diesem Zusammen-
hang wird in den Interviews auch explizit eine verbindliche und detaillierte Beschrei-
bung von P ichten und Kriterien für alle Beteiligten gefordert. Zudem scheint eine
Au ösung des Bewertungs-Unterstützungs-Dilemmas sowie eine inhaltliche und orga-
nisatorische Verbesserung der Begleitseminare als notwendiger Schritt in der Ausgestal-
tung des neuen Berufseinstiegs zu sein. Um dem Bewertungs-Unterstützungs-Dilemma
ein Stück weit entgegenzuwirken, wäre eine kontinuierliche und prozessorientierte Be-
wertung der Mentees mit transparenten Bewertungskriterien womöglich zielführender
als ein nales Gutachten. Eine inhaltliche Restrukturierung der Begleitseminare unter
besonderer Berücksichtigung von (Selbst-)Re exion und Supervision würde zudem
dem tatsächlichen Unterstützungsbedarf von Junglehrer*innen gerecht werden und das
Mentoring zusätzlich entlasten.
Zusammenfassend lässt sich jedenfalls konstatieren, dass es erhebliche Unterschie-
de in den Ausgangslagen der Anwärter*innen gibt. So reduziert etwa ein hohes Lehr-
deputat die Spielräume für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts und die Zu-
sammenarbeit mit den Mentor*innen. Fachfremdes Unterrichten, aber mehr noch das
fachfremde Mentoring sind zentrale Problemfelder der Induktionsphase, auch wenn
hier die Ressourcen außerhalb des Mentorings als wichtige Kompensationsmechanis-
Der Einstieg in den Lehrberuf in Österreich 305
men wirkmächtig werden. Demgegenüber lässt sich die fehlende Zeit für den gemein-
samen Austausch und für die kritische Re exion des eigenen pädagogischen Handelns
ebenso wenig kompensieren wie die hohe psychische Belastung der Mentees. Dennoch
ist die Gesamteinschätzung der Betreuungsqualität in der Induktionsphase insgesamt
sehr hoch. Dies verweist nicht nur auf engagierte Anwärter*innen und ein wertschät-
zendes Kollegium, sondern besonders auf Mentor*innen, die ihre Unterstützung und
Begleitung der jungen Kolleg*innen ernst nehmen. Natürlich gibt es in der Induktions-
phase auch eine Reihe von Umsetzungsproblemen, was zum einen eine logische Kon-
sequenz bei der Implementierung eines neuen Ausbildungsmodells ist und zum ande-
ren durch die aktuelle Pandemiesituation (bspw. durch Personalausfälle oder veränderte
Stundenpläne) noch verstärkt wird. Dementsprechend kann diesen organisatorischen
und strukturellen Startschwierigkeiten auch relativ problemlos entgegengewirkt werden.
Mit Blick auf die Lehrer*innenbildung in Österreich kann jedoch abschließend die
Kompetenz der Anwärter*innen sowie ihre fachliche Ausbildung durch das Studium
positiv hervorgehoben werden. Durch Studium und Praktika scheinen angehende Lehr-
krä e ein breites Kompetenzpro l zu entwickeln, das es ihnen ermöglicht, im Kontext
herausfordernder Situationen zu wachsen und sich zu entwickeln. Dementsprechend
beurteilen fast alle Mentor*innen ihre Mentees als fachlich und pädagogisch ausrei-
chend kompetent und geeignet für den Lehrberuf. Dies macht deutlich, dass der neue
Weg über die Induktionsphase, trotz einer Reihe von Startschwierigkeiten, einer viel-
versprechenden Zukun entgegenblickt. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass diese
heikle Phase in der Bildungsbiogra e von Lehrkrä en auch zukün ig wissenscha lich
begleitet und evaluiert wird, um gegebenenfalls inhaltliche, organisatorische und struk-
turelle Rahmenbedingungen und Vorgaben der Induktionsphase sowie die ihr zugrun-
deliegenden Curricula der Lehrer*innenbildung an die Lebenswirklichkeit von Schule
und Unterricht anpassen zu können.
Acknowledgement
Für die Unterstützung bei der Umsetzung der Evaluationsstudie sei neben den Bil-
dungsdirektionen besonders folgenden Personen gedankt: Claude Muller, Brigitta Hö-
ger, Johannes Reitinger, Manuel Becker, Susanne Hoyer, Michael Hofer, Sophie Oczlon,
Lukas Mitterauer und Vasilios Symeonidis.
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Ausblick
Colin Cramer
Stand und Perspektiven der Professionalisierung von
Lehrpersonen und deren Erforschung
Zusammenfassung
Dieser Beitrag gibt einen knappen Überblick über den Stand der Professionalisierung von
Lehrpersonen in der institutionalisierten Lehrer*innenbildung sowie deren Erforschung
(Professionalisierungsforschung bzw. Lehrer*innenbildungsforschung) im deutschsprachigen
Raum. Ausgehend von der Beschreibung fortlaufender Reformanstrengungen zur Lehrer*in-
nenbildung wird der aktuelle Forschungsstand knapp skizziert. Desiderate und mögliche Per-
spektiven werden aufgezeigt, die kün ig bei der Professionalisierung und deren Erforschung
in Erwägung gezogen werden können.
Schlüsselwörter: Professionalisierung, Professionalisierungsforschung, Lehrer*innenbildung,
Lehrer*innenbildungsforschung, Reform
Abstract
is article provides a brief overview of the state of teacher professionalization in institution-
alized teacher education programs and of teacher education research in German-speaking re-
gions. Based on the description of ongoing reform e orts in teacher education, the current
state of research is outlined. Desiderata and possible perspectives are pointed out, which can
be considered in the future of professionalization in teacher education and its correspond-
ing research.
Keywords: Professionalization, research on professionalization, teacher education, teacher ed-
ucation research, reform
1. Reform der institutionalisierten Lehrer*innenbildung
Der Lehrer*innenberuf verbindet sich weltweit mit einer zentralen gesellscha lichen
Aufgabe hinsichtlich der Bildung und Erziehung der nachwachsenden Generation
(Cochran-Smith & Villegas, 2015).1 Folglich hat auch die institutionalisierte Lehrer*in-
nenbildung immer wieder bildungspolitische, seit der Jahrtausendwende auch vermehrt
ö entliche Aufmerksamkeit erfahren und ist fortwährend Reformmaßnahmen ausge-
setzt. Exemplarisch für die bundesdeutsche Diskussion kann vom bis heute stark re-
zipierten Bericht einer von der Kultusministerkonferenz eingesetzten Kommission zu
„Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland“ (Terhart, 2000) ausgegangen werden.
Während darin der fachwissenscha lichen Quali kation ein hohes Niveau zugeschrie-
ben wird, werden De zite bezüglich der fachdidaktischen Ausbildung konstatiert, die
stärker als Schnittstelle zwischen den fachwissenscha lichen und bildungswissenscha -
lichen Komponenten fungieren sollten. Die Struktur (Zweiphasigkeit) solle beibehalten
werden (Änderungen ließen keine Verbesserungen erwarten), ihr Potenzial müsse aber
besser als bislang genutzt werden: Anstelle eines Systemwechsels wurde eine Weiter-
1 Für Hinweise zu diesem Text bin ich Jana Groß Opho , Johannes König, Sebastian Röhl, Mar-
tin Rothland, Felix Schreiber und Ewald Terhart dankbar.
Colin Cramer
310
entwicklung der Institutionen und ihrer Prozesse, der Inhalte und des Personals an-
geregt. Besonderes Augenmerk lag auf der Betonung der Relevanz der bis dahin kaum
beobachteten Fort- und Weiterbildung (dritte Phase) als zentral für die berufslebens-
lange Professionalisierung, die stärker strukturiert und verp ichtend werden solle. Eine
systematische Quali kation des Personals in der zweiten und dritten Phase wurde ein-
gefordert. Beförderungen und Karrieren von Lehrpersonen sollten sich auch an deren
formale Quali kation und Kompetenz binden. Kernaufgabe der Berufstätigkeit sei die
Organisation von (auch eigenen) Lernprozessen. Die erste Phase solle an Universitäten
verbleiben (nicht an Fachhochschulen abwandern), aber alle Inhalte sollten sich kün ig
stärker am Berufsfeld ausrichten. Insbesondere sollten die Curricula nicht länger weit-
gehend beliebig sein. „Zentren für Lehrerbildung“ könnten zu einer besseren Organi-
sation des Studiums beitragen. Eine länderübergreifende, wissenscha liche Evaluation
wurde angeregt.
Zwei Dekaden später be ndet sich die Lehrer*innenbildung in Deutschland im An-
schluss an die erstmalige Verö entlichung von nationalen Standards (Kultusminister-
konferenz, 2004) und der Umstellung auf konsekutive Studienstrukturen durch die
„Qualitätso ensive Lehrerbildung (QLB)“ in einer historisch singulären Phase poten-
zieller innerer Reform durch die beteiligten Akteur*innen selbst. Doch alle bereits im
Jahr 2000 formulierten Strukturprobleme der Lehrer*innenbildung bestehen im We-
sentlichen weiterhin (vgl. Terhart, 2019), werden auch in der QLB (teils unter ande-
ren Begri en) weiter bearbeitet und sind o enbar auch durch enorme Investitionen
nicht substanziell abzuarbeiten: Ausbau der (universitären) Fachdidaktiken, Kohärenz
zwischen Phasen und Komponenten, Strukturierung der Fort- und Weiterbildung, Dis-
kussion um stärkeren Professionsbezug, systematische Quali kation des Personals, Ver-
stetigung aufgebauter Organisationsstrukturen (Zentren und Schools), Unklarheit be-
züglich der Curricula, eingeschränkte Karrierewege im Lehramt und systematische
Evaluation des Systems. Insgesamt ist zu konstatieren, dass die alten Strukturprobleme
der Lehrer*innenbildung weiterhin virulent sind. Dabei fokussiert sich die QLB weitge-
hend auf die erste Phase an Hochschulen, während die zweite und dritte Phase kaum
Beachtung nden – und dies, obwohl die Bildungsadministration gerade auf diese Insti-
tutionen weitreichende Zugri smöglichkeiten hat.
In Österreich zeigen sich trotz oder gerade wegen der umfassenden Reform „Leh-
rerInnenbildung NEU“ (ExpertInnengruppe, 2010) ähnliche Herausforderungen (Hof-
mann, Hagenauer & Martinek, 2020): Eine enge Kooperation zwischen Universitäten
und Pädagogischen Hochschulen in Bildungsclustern und damit auch eine intendierte
Stärkung von sowohl Wissenscha s- als auch Berufsfeldbezug in der Lehrer*innenbil-
dung ist konzeptionell angelegt, aber empirisch ergeben sich aufgrund der Historie bei-
der Hochschulformen ebenfalls Fragen bezüglich der Herstellung von Kohärenz. Insbe-
sondere zwischen der Lehrer*innenbildung für die Primarstufe (die vollständig in der
Zuständigkeit der Pädagogischen Hochschulen verblieben ist) und Sekundarstufe (die
in Verbünden von Universitäten und Pädagogischen Hochschulen gemeinsam getra-
gen wird) zeigen sich weiterhin große Di erenzen hinsichtlich der Ressourcen für For-
schung und folglich auch für den Forschungsbezug der Lehrer*innenbildung. Aufgrund
des regional großen Lehrpersonenmangels werden teils schon Lehramtsstudierende mit
Stand und Perspektiven der Professionalisierung von Lehrpersonen und deren Erforschung 311
Unterrichtsaufgaben betraut und vereinen ein Teildeputat an der Schule mit ihrem Stu-
dium, was mit Blick auf den erforderlichen, re exiven Distanzgewinn von der eigenen
Rolle als Schüler*in eine konsequente akademische Professionalisierung beeinträchtigen
dür e. Anfragen an die Kohärenz gibt es auch für die angestrebte integrative Bezug-
nahme der vier Komponenten (Fachwissenscha en, Fachdidaktiken, Bildungswissen-
scha en und Schulpraxis) aufeinander, die vor organisatorischen und paradigmatischen
Herausforderungen steht. Auf konstitutive Abstimmungsprobleme weist auch hin, dass
die im Zuge der Reformmaßnahmen intendierte, bundesweit einheitliche Eignungsab-
klärung derzeit noch standortspezi sch verschieden organisiert wird. Trotz der Beto-
nung der Notwendigkeit, die Lehrer*innenbildung berufslebenslang zu denken, und
trotz verstärkter Forschung (z. B. Müller, Kemethofer, Andreitz, Nachbaur & Soukup-
Altrichter, 2019), wird auch in Österreich der Fort- und Weiterbildung bislang eher we-
nig Beachtung geschenkt.
Vergleichsweise spät und auch infolge der sich europaweit abzeichnenden wechsel-
seitigen Anerkennung von Bildungsabschlüssen sah sich die Lehrer*innenbildung in
der Schweiz in den 1990er Jahren einem Reformdruck ausgesetzt. Die „Schweizerische
Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK)“ verständigte sich auf Empfeh-
lungen zur Lehrer*innenbildung (EDK, 1995), wonach diese entgegen einer starken se-
minaristischen Tradition nun generell auf Hochschulniveau an Universitäten und an
neu zu gründenden Pädagogischen Hochschulen (i.d.R. ebenfalls gymnasiale Maturität
als Eingangsvoraussetzung) erfolgen sollte, die dann ab 2001 ihren Betrieb aufnahmen
(Herzog & Makarova, 2020). Die formal vollzogene Tertiarisierung bzw. Akademisie-
rung der gesamten Lehrer*innenbildung steht vor der Herausforderung, dass insbeson-
dere die meist geringe Autonomie der eng an die kantonalen Bildungsverwaltungen an-
gebundenen und o mals kleinen Pädagogischen Hochschulen die Entwicklung ihrer
Forschungspro le hemmt. Insbesondere die Fort- und Weiterbildung ist noch stark von
der seminaristischen Tradition geprägt. So zeigen sich auch in der Schweiz unter spezi-
schen Vorzeichen ähnliche Herausforderungen, etwa bezogen auf das Verhältnis von
Wissenscha s- und Berufsfeldbezug oder die Abstimmung zwischen Institutionen.
2. Stand der Professionalisierungsforschung
Kaum ein Beruf ist so gut erforscht wie der Lehrer*innenberuf. Ein bedeutsamer Zweig
der einschlägigen Professionsforschung (research on teachers) ist die Erforschung der
Quali kationswege von (angehenden) Lehrpersonen in der Lehrer*innenbildungsfor-
schung bzw. Professionalisierungsforschung (research on teacher education). Der kaum
zu überblickende, internationale Forschungsstand wurde wiederholt in Handbüchern
zusammengefasst (Anderson, 1995; Cochran-Smith & Zeichner, 2005; Cochran-Smith,
Feimann-Nemser, McIntyre & Demers, 2008; Loughran & Hamilton, 2016; Clandinin
& Husu, 2017; Peters, 2021). Auch im deutschsprachigen Raum ist spätestens seit der
Jahrtausendwende (Oser & Oelkers, 2001) eine merkliche Zunahme einschlägiger Pu-
blikationen zu verzeichnen: Zuletzt wurde der Forschungsstand in der Neuausgabe des
„Handbuch Lehrerinnen- und Lehrerbildung“ (Cramer, Rothland, König & Blömeke,
Colin Cramer
312
2020) umfassend dargestellt. Vorliegend kann diese umfassende Befundlage nicht annä-
hernd wiedergegeben werden. So werden nachfolgend einige wesentliche Forschungsli-
nien als Ausgangspunkt für die Frage nach Perspektiven der Professionalisierung und
ihrer Erforschung knapp referiert.
Die grundsätzlichen Aufgaben des Berufs als allgemeine Zielperspektiven der Leh-
rer*innenbildung werden im Kern seit Jahrzehnten in ähnlicher Weise bestimmt und
erfahren nur eine moderate Revision. Unterricht gilt als das „Kerngeschä “ von Leh-
rer*innen. Weiterhin werden etwa in den „KMK-Standards“ als zentrale Aufgaben ge-
nannt: Erziehen; Diagnostik, Beurteilung und Förderung; Beratung; Lebenslanges Ler-
nen und Innovation. In der Beschä igung mit diesen Zielperspektiven werden in der
Forschung einschlägige Unterrichts- und Erziehungstheorien ebenso bemüht wie die
umfangreichen Erkenntnisse, die z. B. im Bereich der empirischen Unterrichtsforschung
vorliegen. Zentral bleibt hier aber die normative Leit gur der Bildungspolitik, die sich
auch kritischen Anfragen ausgesetzt sieht: So verbindet sich etwa der Figur des „er-
ziehenden Unterrichts“ (vgl. Benner, 2015) zufolge Unterricht immer auch mit Erzie-
hungsfragen, und Innovation bezieht sich gerade auch auf den Unterricht bzw. geht im
Kern von diesem aus.
Neben diese grundsätzlichen Aufgaben treten spezi sche Herausforderungen des Be-
rufs als Zielperspektiven der Lehrer*innenbildung, die stärker auch aktuelle Anforde-
rungen an den Beruf vor dem Hintergrund des gesellscha lichen Wandels sowie (bil-
dungs-)politischer Konjunkturen mit aufnehmen und auf die sukzessive Erweiterung
des Aufgabenspektrums hinweisen. Dies kann seit der Jahrtausendwende zunächst an
der Prominenz der emenfelder „Heterogenität“‚ dann „Inklusion“ und später „Digi-
talisierung“ nachvollzogen werden, samt der vielen, eigens hierfür eingerichteten oder
umdenominierten Professuren und damit auch am Umbau wissenscha licher Bezugs-
disziplinen der Lehrer*innenbildung, insbesondere der Erziehungswissenscha . Inso-
fern ist zu fragen, inwieweit sich aus diesen spezi schen Herausforderungen sukzessive
grundsätzliche Aufgaben herausbilden bzw. bereits entwickelt haben. Andere Heraus-
forderungen werden trotz ihrer zentralen Relevanz in der Berufsausübung in der For-
schung seltener bearbeitet (z. B. die emenbereiche (multi-)professionelle Koopera-
tion, Coaching und Mentoring) oder trotz ihrer großen Tradition marginalisiert (z. B.
Bildungsrecht, Berufsethos), während neuere Felder interdisziplinär erforscht (z. B. Ge-
sundheit und Beanspruchung) oder in einzelnen Fachdidaktiken intensiv bearbeitet
werden (z. B. Deutsch als Zweitsprache).
Verschiedene wissenscha liche Diskurse und Ansätze zur Professionalisierung ha-
ben sich teils exklusiv im deutschsprachigen Raum etabliert, die letztlich auch die Fra-
ge tangieren, in welcher Weise sich eorie und Praxis, respektive Wissen und Können,
Wissenscha s- und Berufspraxis usw. in der Lehrer*innenbildung zueinander verhalten
können oder sollten (Rothland, 2020). Solche Diskurse und Ansätze stellen verschie-
dene paradigmatische Ausgangspunkte für die Beschä igung mit Lehrer*innenbildung
dar: Es wird etwa nach der Rolle der Persönlichkeit gefragt oder ein Merkmalsansatz
bemüht, vom in der Unterrichtsforschung dominierenden Prozess-Produkt-Paradigma
her gedacht, auf systemtheoretische und symbolisch-interaktionistische Ansätze zuge-
gri en, das Expertise-Paradigma herangezogen, dieses in einen kompetenzorientierten
Stand und Perspektiven der Professionalisierung von Lehrpersonen und deren Erforschung 313
Ansatz weiterentwickelt oder auf Fragen der Wirksamkeit hin bezogen, eine struktur-
theoretische oder praxistheoretische Perspektive eingenommen, nach der Relevanz von
(Berufs-)Biogra e gefragt oder eine meta-re exive Perspektive eingebracht (Überblick:
Cramer et al., 2020; Helsper, 2021).
Die Geschichte der Lehrer*innenbildung wurde breit erforscht und ist wichtige Vo-
raussetzung zur Erklärung ihrer heutigen Strukturen und institutionellen Kontex-
te, die bereits zwischen Bundesländern (Deutschland und Österreich) sowie Kantonen
(Schweiz) in föderaler Zuständigkeit variieren, wenngleich zunehmend Verständigun-
gen über national gültige Standards zu beobachten sind. Die Diskussion fokussiert auf
das allgemeinbildende Schulwesen, während die Quali kation für berufsbildende und
förder-/sonderpädagogische Lehrämter vergleichsweise wenig erforscht ist. Aktuelle
Entwicklungen in der institutionalisierten Lehrer*innenbildung sind häu g im Kontext
umfangreicher Reformmaßnahmen zu sehen, wie etwa der „Qualitätso ensive Lehrer-
bildung“ (Deutschland), der „LehrerInnenbildung NEU“ (Österreich) oder der konse-
quenten Tertiarisierung (Schweiz) (Criblez, Bosse & Hascher, 2012). Strukturbezogene
Diskurse fragen etwa nach der Steigerung von Kohärenz zwischen den einzelnen Ele-
menten der Lehrer*innenbildung, für die auch bestimmte Akteursgruppen (Forschende,
Lehrende, Studierende, Fortbildende, Lehrpersonen im Beruf usw.) stehen, die bislang
etwa mit Blick auf ihre spezi schen Rollen und Überzeugungen hin wenig untersucht
wurden. Zu Kontextbedingungen wie der Finanzierung der Lehrer*innenbildung oder
deren Steuerung durch die Bildungsadministration und andere Stakeholder der Edu-
cational Governance liegen im komplexen Systemzusammenhang bislang noch weni-
ge Erkenntnisse vor.
So vielfältig wie die historische Entwicklung sind auch die heute gegebenen und
sich ständig reformierenden Quali kationswege für den Lehrer*innenberuf. In Deutsch-
land, Österreich und der Schweiz sind Universitäten und Pädagogische Hochschulen
für die Erstquali kation (erste Phase) von angehenden Lehrpersonen zuständig. Letzte-
re blieben in Deutschland nur in Baden-Württemberg erhalten und besitzen dort Pro-
motions- und Habilitationsrecht, während sie in der Schweiz als Motor der Akademi-
sierung bzw. Tertiarisierung der Lehrer*innenbildung erst vor der Jahrtausendwende
eingeführt wurden und – wie auch in Österreich – i.d.R. nur in spezi schen Koopera-
tionsprogrammen mit Universitäten zur Promotion führen können. Der Vorbereitungs-
dienst (Referendariat als zweite Phase) ist ein bundesdeutsches Spezi kum und ein
besonders aufwändiges System zur schulpraktischen Quali zierung und Berufseinfüh-
rung, für das mit den Studienseminaren eigene Institutionen mit sich fast ausschließlich
aus Lehrpersonen rekrutierendem Personal zuständig sind: Welche Vor- und Nachtei-
le die in Deutschland dreiphasige Lehrer*innenbildung hat, ist empirisch bislang kaum
bearbeitet worden. Korrespondierend zum anglophonen Raum hat sich die Forschung
zur Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen (in Deutschland: dritte Phase) auch be-
züglich der deutschsprachigen Lehrer*innenbildung in jüngster Zeit stark intensiviert
und es liegen zu dieser berufslebenslangen Quali kationsphase erste Erkenntnisse vor,
etwa zum vorgehaltenen Angebot, dessen Nutzung, zur Einschätzung der Teilnehmen-
den usw. (z. B. Richter & Richter, 2020). Kaum erforscht ist bislang hingegen, wie genau
sich Quali kationswege ausgehend von der Anwerbung über den Zugang samt ggf. der
Colin Cramer
314
Eignungsfeststellung über individuelle Studienverläufe hinweg bis hin zur Beurteilung
und Zerti zierung vollziehen. Schließlich gibt es auch noch wenig Forschung zu Quer-
und Seiteneinsteigenden in den Lehrer*innenberuf, die eine besondere Anforderung an
die grundständige Lehrer*innenbildung darstellen (Porsch, 2021).
Vier Komponenten lassen sich in der Lehrer*innenbildung unterscheiden: Fachwis-
senscha liche Studienanteile in den jeweiligen akademischen Bezugsdisziplinen ent-
sprechend der Unterrichtsfächer, fachdidaktische Anteile korrespondierend zu den
Fachwissenscha en, bildungswissenscha liche Anteile sowie Schulpraxis. Insbesonde-
re jenseits der fachwissenscha lichen Komponente, die nach wie vor den größten Um-
fang einnimmt und in der standortspezi sch nicht selten mehr als 20 Fächer studiert
und meist recht exibel kombiniert werden können, variieren Inhalte und Anforderun-
gen gerade in den drei für die Lehrer*innenbildung spezi schen Komponenten erheb-
lich. Innerhalb der und zwischen den Fachdidaktiken liegt angesichts divergierender
Fachbezüge und Traditionen kaum ein geteiltes Verständnis von Fachdidaktik vor (Cra-
mer, 2019). Die Bildungswissenscha en als zu studierender P ichtbereich speisen sich
aus einem weiten Spektrum an erziehungswissenscha lichen, pädagogisch-psychologi-
schen, soziologischen und philosophischen Anteilen, kon gurieren sich standortspezi-
sch höchst unterschiedlich und repräsentieren verschiedene Paradigmen und Denk-
traditionen. Die schulpraktische Komponente wird schließlich im Studienverlauf nicht
nur in variierenden Zuständigkeiten getragen, sondern kon guriert sich in Tages- und
Blockpraktika, Praxissemestern und Langzeitpraktika, der Praxis im Vorbereitungs-
dienst und schließlich in der Fort- und Weiterbildung höchst unterschiedlich. Die seit
der Jahrtausendwende expandierende Forschung zur Schulpraxis deutet auf die vielfäl-
tigen Suchbewegungen nach bestmöglichen Wegen der Professionalisierung hin: Die-
se Komponente erscheint regelrecht als Experimentierfeld, in dem nur wenige Erkennt-
nisse als gesichert gelten, etwa die besondere Relevanz einer adäquaten Begleitung der
Schulpraktika durch Mentor*innen für die Kompetenzentwicklung der Lehramtsstudie-
renden.
Eine Vielzahl an Konzepten und Methoden nden in der Lehrer*innenbildungspraxis
Anwendung. Der Umgang mit Forschungsergebnissen wird in Richtung einer Beschäf-
tigung mit Forschung (engagement with research) und/oder einer eigenen Forschungs-
tätigkeit (engagement in research) diskutiert, und es ist eine o ene Frage, inwieweit das
Konzept des „Forschenden Lernens“ je nach Konturierung tatsächlich Forschungspro-
zesse initiiert (Groß Opho & Pant, 2020) und damit ggf. auch zur o eingeforder-
ten Evidenzbasierung in der Lehrer*innenbildung beitragen kann. Das Konzept der
Aktionsforschung stellt dabei einen spezi schen Modus dar. Fallarbeit (Kasuistik) hat
große Verbreitung gefunden und rekurriert auf textbasierte, o mals auch auf video-
basierte Repräsentationen schulischer Unterrichtspraxis (Wittek, Rabe & Ritter, 2021).
Portfolioarbeit ndet Verbreitung und beansprucht als Re exionsinstrument oder zum
formativen Assessment geeignet zu sein, ohne dass stabile empirische Evidenz zu die-
sen Ansprüchen vorliegt (Feder & Cramer, 2019). Bereits vor Jahrzehnten intensiv er-
forschte Trainingsprogramme (z. B. Microteaching) werden neu entdeckt und simula-
tionsbasierte Trainings (virtual classrooms) treten hinzu. Sie beziehen sich meist auf
spezi sche Handlungsfelder (z. B. Klassenführung). Lernwerkstätten und außerschuli-
Stand und Perspektiven der Professionalisierung von Lehrpersonen und deren Erforschung 315
sche Lernorte nden sich curricular verankert. Da Lehrpersonen im Beruf teils auch als
Ausbildungslehrpersonen schulpraktische Phasen begleiten, werden Formate des Men-
toring und Coaching sowie der Beratung und Eignungsabklärung herangezogen. Stu-
dien zum impliziten Wissen oder Überlegungen zu einem heimlichen Curriculum in
der Lehrer*innenbildung sensibilisieren für die Grenzen bzw. die Entgrenzung institu-
tionalisierter Professionalisierung. Die Pluralität an Konzepten und Methoden spiegelt
Suchbewegungen und die fortwährende Unsicherheit wider, mit welcher institutiona-
lisierten Maßnahme welche Professionalisierungsprozesse unterstützt werden können.
Dabei ist gerade mit Blick auf die alltägliche (hochschulische) Lehrer*innenbildungs-
praxis wenig bekannt: Sie dür e der akademischen Lehre in anderen Studiengängen
entsprechen (vgl. Herzmann & Proske, 2020). Auch dort werden berufsfeldspezi sche
Praktika absolviert, Konzepte wie z. B. Portfolioarbeit eingesetzt, es wird an Fällen ge-
lernt usw.
Anders als noch zur Jahrtausendwende ist inzwischen eine recht genaue Beschrei-
bung der Lehramtsstudierenden (und ggf. späteren Referendar*innen) möglich. So
wird etwa zu deren Persönlichkeitsmerkmalen, pädagogischen Vorerfahrungen, Moti-
ven und Interessen, Leistungsmerkmalen oder Herkun smerkmalen geforscht (Cramer,
2016b). Ihr spezi sches Professionswissen, etwa ihr pädagogisches Unterrichtswissen,
ist Gegenstand von Forschung geworden. Auch Emotionen und insbesondere Über-
zeugungen („teacher beliefs“) von Lehrpersonen wurden mit Blick auf deren Relevanz,
etwa für das Handeln von Lehrpersonen, erforscht. Die Forschung zur Gesundheit und
Beanspruchung von Lehrpersonen hat Implikationen für die Lehrer*innenbildung.
Wenige Erkenntnisse gibt es zu Lehrer*innenbildenden sowie weiteren Entscheidungs-
tragenden, etwa zu deren (unsystematischen) Quali kationswegen oder zu ihren Über-
zeugungen. Wie weitere als relevant erachtete Stakeholder – z. B. Verantwortliche in
Akademien, Netzwerken, Sti ungen, Zentren und vor allem in der Bildungsadministra-
tion – bezüglich ihrer Eigenscha en, Ansichten und Rollen zu beschreiben sind, ist em-
pirisch noch weitgehend o en (Altrichter, Durdel & Fischer-Münnich, 2020). Der em-
pirische Zugang zu solchen Akteur*innen erweist sich als schwierig.
3. Perspektiven der Professionalisierung und
Professionalisierungsforschung
Trotz der geschilderten, fortwährenden Reformanstrengungen (vgl. 1.) und des enorm
gesteigerten Forschungsstandes (vgl. 2.) bleiben zentrale Aspekte der institutionalisier-
ten Lehrer*innenbildung weitgehend unbearbeitet. Ausgehend von diesen gleicherma-
ßen alten, wie auch gegenwärtigen Herausforderungen werden nachfolgend ausgewähl-
te Perspektiven für die Professionalisierung und deren Erforschung aufgezeigt.
Wissenscha s- und Berufsfeldbezug: Die andauernde Beschä igung mit dem Verhält-
nis von Wissenscha s- und Berufsfeldbezug, die sich traditionell mit Fragen des Ver-
hältnisses von eorie und Praxis, Wissen und Können, universitärer und schulischer
Praxis usw. verbindet (Rothland, 2020), kann nicht zugunsten einer rein wissenscha -
lichen oder rein berufsfeldbezogenen Lehrer*innenbildung hin aufgelöst werden. Jeder
Colin Cramer
316
Versuch, beide Welten nicht in ihrer spezi schen Dignität anzuerkennen, führt zu Brü-
chen im Professionalisierungsprozess. Die Professionsforschung sollte daher stärker als
bislang spezi sche Relationierungen wissenscha licher und schulpraktischer Momente
der Professionalisierung in den Blick nehmen (Schneider & Cramer, 2020) und ein Ein-
lassen auf die Spannungen zwischen unterschiedlichen Referenzsystemen ermöglichen
(Idel, 2021).
Curriculum und Zielperspektive: Die Inhalte des bildungswissenscha lichen Stu-
diums gelten traditionell als recht beliebig (Lüders, 2018) und unsystematisch (Terhart,
2012b). Auch bezüglich der Fachdidaktiken zeigt sich eine Breite an Selbstverständ-
nissen (Schreiber, Cramer & Randak, 2022). Umso erstaunlicher ist, dass die zuletzt
noch intensiver geführte Debatte um ein Kerncurriculum im bildungswissenscha li-
chen Studium (z. B. Kunina-Habenicht et al., 2012) kaum noch existiert. Im Gegenteil
werden immer neue (standortspezi sche) Ideen eingebracht, die sich in einem „Heim-
lichen Curriculum“ der Lehrer*innenbildung (Cramer, König & Grimm, 2020) mani-
festieren können. Inhalte werden standortspezi sch durch einen Kompromiss zwischen
den beteiligten Vertreter*innen der Fächer, Disziplinen usw. unter losem Rekurs auf
zentrale Vorgaben de niert. Zudem werden – je nach Konjunktur – bestimmte e-
menfelder (z. B. Inklusion, Digitalisierung) administrativ gesetzt. In den Fachdidaktiken
herrscht eine ähnliche Beliebigkeit und in den Fachwissenscha en sind Inhalte durch
deren disziplinäre Logik bestimmt. Welche Vor- und Nachteile bestimmte Inhalte aller-
dings bezogen auf die Professionalisierung haben, ist empirisch weitgehend ungeklärt.
Es ist fraglich, ob sich solche, der Professionalisierung per se zuträglichen Inhalte u. a.
angesichts der standortspezi schen Restriktionen überhaupt identi zieren lassen. Zu-
dem wurde bezogen auf die Lehrer*innenbildung bislang wenig diskutiert, inwieweit
sich das intendierte Curriculum überhaupt im implementierten und schließlich im er-
reichten Curriculum niederschlägt. Wenig hinterfragt ist auch, welche Zielperspektive
die Lehrer*innenbildung letztlich hat: O enbar soll derzeit zuvorderst die „employabi-
lity“ der Schüler*innen durch Lehrpersonen hervorgebracht werden, Lehrpersonen also
selbst für diese Aufgabe quali ziert werden. Angesichts der ö entlichen Prominenz von
emen wie Nachhaltigkeit, Bewahrung der Demokratie, Extremismus usw. stellt sich
aber auch die Frage, wie klassische, auf existenzielle Fragen bezogene „Bildungsinhalte“
in den lehrer*innenbildenden Curricula ihren Ort nden können. Schließlich ist auch
diskutabel, ob eine gewisse „unsystematische Beliebigkeit“ überhaupt problematisch ist
– sie könnte auch schlicht Ausdruck von Reichhaltigkeit, Pro lbildungen, konstituti-
ver Mehrperspektivität, spezi scher Expertise des Personals usw. an verschiedenen Leh-
rer*innenbildungsstandorten sein, die dort im besten Sinne „gelebt“ wird.
Kohärenz und Mehrperspektivität: Maßnahmen, die Elemente der Lehrer*innenbil-
dung (z. B. Phasen, Institutionen, Komponenten) curricular besser aufeinander abzu-
stimmen, sind nur begrenzt erfolgreich. Daher erscheint bedeutsam, die Frage nach
Kohärenz stärker als bislang auch bezüglich der informell-individuellen Kohärenz
(also bezogen auf die Kohärenzherstellung durch die Akteur*innen selbst) zu unter-
suchen (Cramer, 2020a). Die Lehrer*innenbildung kann angesichts der Pluralität der
Fächer, Disziplinen, Paradigmen, eorien, empirischen Zugänge usw., die Studieren-
den im Studium von mindestens zwei Fachwissenscha en, korrespondierenden Fachdi-
Stand und Perspektiven der Professionalisierung von Lehrpersonen und deren Erforschung 317
daktiken, verschiedenen Bildungswissenscha en und schulpraktischen Studien begeg-
nen, nicht allein einer spezi schen Professionalisierungslogik folgen. Die konstitutive
Mehrperspektivität, die sich aus der Anlage des Studiums ergibt, erfordert eine pro-
duktive Nutzung verschiedener Perspektiven auf Professionalität und deren Explikation,
damit im Sinne der Meta-Re exivität deren adäquate Betrachtung möglich wird (Cra-
mer, 2020b). Allein die Selektion „geeigneter“ Studierender, die Anbahnung von Pro-
fessionswissen oder die Unterstützung der Herausbildung eines professionsspezi schen
Habitus usw. ist nicht hinreichend, um professionell zu werden. Es besteht zudem keine
„höhere Regel“, die es erlaubt, die verschiedenen Perspektiven in eine Rangfolge ihrer
Wertigkeit zu bringen – und keine Notwendigkeit dazu. Die kritisierte „Beliebigkeit“
der Inhalte in der Lehrer*innenbildung könnte dann – positiv gewendet – auch Aus-
druck ihrer „Vielfalt“ sein.
Orientierungswissen: Es ist eine enorme Zunahme von Forschungsbefunden zu be-
obachten, die kaum in der Breite rezipiert werden (können). Orientierungswissen ist
bedeutsam, wie es etwa mit dem „Handbuch Lehrerinnen- und Lehrerbildung“ für viele
Bereiche der Professionalisierungsforschung vorliegt. Einführungsliteratur für die Hand
Studierender (z. B. Herzmann & König, 2016; Rothland, 2016) kann in Form klassi-
scher Buchpublikationen nur bedingt aktuell gehalten werden – international liegt eine
erste Enzyklopädie als „dynamic and living reference“ vor (Peters, 2021). In deutscher
Sprache gibt es mehrere Zeitschri en explizit zur Lehrer*innenbildung (u. a. Beiträge
zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung, journal für lehrerInnenbildung, Lehrerbildung
auf dem Prüfstand, Herausforderung Lehrer*innenbildung), aber keine einzige spezi-
sche Review-Zeitschri , in der mittels aggregierender Verfahren (z. B. systematic re-
views, Metaanalysen) Originalbeiträge hinsichtlich deren Güte geprü , au ereitet und
zusammengefasst werden. Dabei gilt gerade das Bereitstellen von Orientierungswissen
als ein wichtiger Ansatz der wissenscha sbasierten Professionalisierung (Scheunp ug &
Welser, 2018) und ist für meta-re exive Elaborationen von zentraler Bedeutung. Fragen
der Wissenscha skommunikation stellen sich besonders bezüglich der berufslebenslan-
gen Fort- und Weiterbildung. Orientierungswissen kann dazu beitragen, die „Allroun-
derbildung“ nicht noch weiter zu zersiedeln, sondern informell-individuelle Kohärenz
zu steigern. Orientierungswissen kann auch dazu beitragen, dass sich Forschende aus
angrenzenden Forschungsfeldern besser wahrnehmen und so mehr als bislang Bezug-
nahmen entstehen können (z. B. durch Kombination von Forschung zu Fortbildungen,
„educational leadership“ und „governance“).
Forschungsfelder: Es sind gerade die Phasen der Lehrer*innenbildung, in denen For-
schende i.d.R. nicht selbst lehren, die noch wenig erforscht werden: der Vorbereitungs-
dienst (in Deutschland) sowie die Fort- und Weiterbildung. Nur teilweise ist bekannt,
welches Angebot überhaupt vorgehalten wird und wie dieses genutzt wird, wie die Re-
zeption der Fortbildungsteilnehmenden ist und fast nichts ist über die Nachhaltigkeit
und die Rolle des informellen Lernens bekannt. Dies gilt auch für den Bereich der Qua-
li kation für Schulleitung und besondere Aufgaben (Tulowitzki & Kruse, 2020). Damit
sind gerade die für Schulentwicklung und Schulqualität höchst relevanten Bereiche des
„lifelong learning“ und „educational leadership“ in der Professionsforschung vernach-
lässigt worden, aber auch die Frage der „educational governance“ (Altrichter & Maag
Colin Cramer
318
Merki, 2016) wird mit Blick auf Professionalisierungsprozesse noch zu wenig herange-
zogen, und die genaue Funktion der verschiedenen Stakeholder in der Gesamtgemen-
gelage ist weitgehend unklar. Auch bezogen auf die Komponenten der Lehrer*innenbil-
dung ist die Forschung unterschiedlich ausgeprägt: Die Forschung zu schulpraktischen
Studien expandiert stark, bezieht sich aber häu g auf einzelne Standorte und spezi -
sche Maßnahmen, während zur Rolle der Fachwissenscha en in der Lehrer*innenbil-
dung kaum Forschung vorliegt.
Internationalität: Die Organisation und Gestaltung der Lehrer*innenbildung ist tra-
ditionell eine national, bundeslandspezi sch bzw. kantonal und teils sogar regional oder
standortspezi sch geführte Debatte. Auch in der Professionalisierungsforschung ist ins-
gesamt eine eingeschränkte Internationalität zu beobachten: Viele Bezugstheorien, An-
sätze und Begri e entstammen der deutschsprachigen Diskussion und wurden bislang
nicht in den anglophonen Diskurs eingeführt (z. B. strukturtheoretischer Ansatz). Dies
erschwert die Anschlussfähigkeit und damit auch die Möglichkeit, von einer internatio-
nalen Ausweitung des Diskurses zu pro tieren. Zwangsläu g ist damit auch die Sicht-
barkeit insbesondere der qualitativen Forschung international gering, womit für Tei-
le der Professionalisierungsforschung ein Entwicklungsfeld markiert ist. Gerade dort,
wo international lange Forschungstraditionen und umfangreiche Befunde vorliegen,
etwa zu „professional development“ oder „educational leadership“, entwickelt sich die
deutschsprachige Forschung noch zögerlich, was auf eine zurückhaltende Rezeption des
internationalen Diskurses schließen lässt. Eher selten wird explizit aufgearbeitet, wie
bestimmte Elemente der Lehrer*innenbildung international ausgestaltet sind und was
sich daraus letztlich für den deutschsprachigen Raum lernen lässt (zur Schulleitung z. B.
Tulowitzki, Grigoleit, Haiges & Lüthi, 2021).
Evidenzorientierung und Qualitätsdebatte: Zwar fordert insbesondere die Empirische
Bildungsforschung fortwährend eine stärkere Ausrichtung von Steuerungsentschei-
dungen an wissenscha lichen Erkenntnissen, die Bildungspolitik und Administration
nimmt diese aber nur zögerlich auf und die Akteur*innen im Handlungsfeld nehmen
Erkenntnisse selektiv wahr und stehen diesen eher skeptisch gegenüber (Groß Opho
& Pant, 2020). Insbesondere im Bereich der Fort- und Weiterbildung wird kaum auf
Evidenz Bezug genommen – an der Hochschule ndet dieser Rekurs statt, allerdings
bleibt dort weitgehend o en, welche Relevanz der Evidenz für das pädagogische Hand-
lungsfeld zukommt. Di us bleibt, auf welches genaue Verständnis von Evidenz jeweils
rekurriert wird und welche Annahmen eines Transfers, einer Transformation oder einer
Relationierung von wissenscha lichen Erkenntnissen und Handlungsentscheidungen
angemessen erscheint. Fraglich ist ein unbedingter und unre ektierter Evidenzglaube,
der etwa die Grenzen empirischer Evidenz – z. B. infolge der Replikationskrise – igno-
riert (vgl. Stark, 2017). Forschung zu den entsprechenden Überzeugungen (Merk, 2020)
zu Evidenz ist unerlässlich. Auch gibt es in und zwischen Institutionen und der Bil-
dungsadministration bislang kaum einen etablierten Austausch zur Frage, woran sich
Qualität in der Lehrer*innenbildung bemisst bzw. bemessen sollte. Und auch für die
Professionalisierungsforschung selbst gibt es keine explizite Debatte über deren Qua-
litätsstandards, die schon seit geraumer Zeit im anglophonen Raum geführt wird (Lin
Wang, Klecka, Odell & Spalding, 2010). Eine Evaluation des Lehrer*innenbildungssys-
Stand und Perspektiven der Professionalisierung von Lehrpersonen und deren Erforschung 319
tems erfolgt, wenn überhaupt konsequent, weiterhin nur auf Länderebene und nur teils
unter wissenscha licher Beteiligung. So ist über die Wirksamkeit spezi scher Maßnah-
men (König & Blömeke, 2020), aber auch der Lehrer*innenbildung insgesamt noch we-
nig bekannt (Hascher, 2014).
Begri ich-konzeptionelle Klärungen: Angesichts der hochgradigen Ausdi erenzie-
rung der Lehrer*innenbildung sind die standortspezi sch eingesetzten Konzepte und
Methoden, aber konform auch die Begri e und Konstrukte in der Professionalisie-
rungsforschung häu g unscharf. Es ist vielfach von „Containerbegri en“ oder „tangled
terms“ auszugehen: Meint „Digitalisierung“ etwa technische Bereitstellung, didaktische
Umsetzung oder gesellscha liche Transformation (Binder & Cramer, 2021)? Ähn-
lich unscharf sind prominente Begri e und Gegenstände wie „Heterogenität“ (Bud-
de, 2012), „Inklusion“ (Cramer & Harant, 2014), Konzepte und Methoden wie „For-
schendes Lernen“ (Groß Opho & Pant, 2020) und „Portfolioarbeit“ (Feder & Cramer,
2019) sowie für den Diskurs zentrale Begri e wie „Kohärenz“ (Cramer, 2020a) oder
„Re exivität“ (Neuweg, 2021), aber auch „Bildungswissenscha en“ (Terhart, 2012a)
oder „Fachdidaktiken“ (Schreiber et al., 2022) als Komponenten der Lehrer*innenbil-
dung sowie Zielperspektiven wie „Persönlichkeit“ (Rothland, 2021) sind di use Konst-
rukte. Der in ationäre Gebrauch solcher Begri e führt mitunter zu Abwehrreaktionen
unter Akteur*innen der Lehrer*innenbildung samt der scienti c community. Ein merk-
licher Fortschritt über isolierte Befunde hinaus dür e sich in der Forschung nur dann
einstellen, wenn auf der Grundlage geteilter Konzeptionen, Begri e, Gegenstände, Me-
thoden usw. geforscht wird. Hier sind größere Konsortien anzustreben, die sich auf ge-
teilte Konzeptionen (z. B. zur Portfolioarbeit) verständigen und diese dann mit geteilten
Instrumenten untersuchen.
Konzepte, Methoden und eorieentwicklung: Die institutionalisierte Lehrer*innen-
bildung bedient sich häu g der gleichen Konzepte und Methoden wie andere Quali-
zierungssysteme auch (Herzmann & Proske, 2020). In der Professionalisierungspra-
xis als innovativ geltenden Konzepten (z. B. Forschendes Lernen) oder Methoden (z. B.
Portfolioarbeit) werden große Potenziale zugeschrieben, während empirisch nur we-
nig über deren Mehrwert bekannt ist (z. B. Feder & Cramer, 2019). Es bedarf neben
einer konzeptionellen Schärfung einer Forschung, die ein realistisches Bild von Kon-
zepten und Methoden über spezi sche Einsatzszenarien und Standorte hinaus zeichnet
und diese theoretisch einordnet. Für die professionstheoretische Rahmung von Profes-
sionalisierungsprozessen ist allerdings seit der Grundlagendiskussion um Kompetenz-
orientierung versus Strukturtheorie (Baumert & Kunter, 2006; Helsper, 2007) nur ein
begrenzter eoriefortschritt zu beobachten. Insbesondere die Rezeption weiterer An-
sätze und Erweiterungen bestehender Diskurse (z. B. Blömeke, Gustafsson & Shavelson,
2015) aus dem internationalen Raum verläu zögerlich: Auf Basis der gängigen Ansätze
und Modelle wird immer detailreichere Forschung betrieben, die zwar viele interessan-
te Einzelheiten zu beleuchten vermag, aber die Grundlagen der etablierten Bezugstheo-
rien (Überblick: Helsper, 2021) o auch unre ektiert übernimmt und deren potenzielle
Limitationen kaum o enlegt. Deshalb wurde jüngst vorgeschlagen, die Potenziale und
Grenzen verschiedener Bezugstheorien und Rahmenmodelle für die Professionalisie-
rungsforschung in einem meta-re exiven Modus mit zu bedenken (Überblick: Cramer,
Colin Cramer
320
2020b). Dies ersetzt aber in keiner Weise die Notwendigkeit von eorieentwicklung in
der Professionalisierungsforschung.
Verordnete Reform vs. professionelle Autonomie: Während in anderen Disziplinen,
die auf eine Profession vorbereiten (idealtypisch: Medizin) erforderliche Veränderun-
gen des Studiums und der praktischen Professionalisierung zuvorderst aus dem sich
wandelnden Arbeitsfeld und aus der Disziplin selbst heraus angeregt werden, ist für
die Lehrer*innenbildung angesichts ihrer konstitutiven Mehrperspektivität obsolet ge-
worden, einen disziplinären Leitanspruch (z. B. aus der Erziehungswissenscha her-
aus) zu erheben (Cramer, 2016a). Zudem betonen Professionelle im Ausüben einer Pro-
fession ihre professionelle Autonomie, die auch im Lehrer*innenberuf etwa durch die
„pädagogische Freiheit“ zumindest in Teilen gegeben ist. Die Lehrer*innenbildung ist
allerdings traditionell staatlich reguliert, in Deutschland etwa durch nationale Stan-
dards (die auf Länderebene wenig Bindungswirkung haben) und Verordnungen gleich
mehrerer Landesministerien, Akteur*innen der kantonalen Bildungsverwaltung in der
Schweiz nehmen ebenso Ein uss auf die Studienprogramme wie auch verschiedene Sta-
keholder in Österreich. In der „politischen Arena Lehrer*innenbildung“ wird daher die
wissenscha liche Eigenlogik bei der Organisation der Quali kationswege beschränkt
und durch bildungspolitische Steuerungsmaßnahmen teilweise ersetzt, deren Beitrag
zur Qualitätsentwicklung empirisch unklar ist und gerade an Universitäten angesichts
der Freiheit in Forschung und Lehre ungewöhnlich stark regulierend wirkt. Eine Spitze
stellt etwa die Verp ichtung zum Führen eines Portfolios in mehreren deutschen Bun-
desländern dar, womit nun nicht mehr nur Outcomes de niert werden, sondern auch
eine Methode in der Lehrer*innenbildung zentral vorgeschrieben wird (vgl. Feder &
Cramer, 2019). Die gegründeten Zentren und Schools sind gerade in der QLB Motor
der von außen initiierten, inneren Reformmaßnahmen und bedeutsame Instanz in der
Governance der Lehrer*innenbildung (Bohl & Beck, 2020). So wurde etwa jüngst eine
stärkere „Institutionalisierung“ u. a. im Sinne einer Sichtbarkeit der Lehrer*innenbil-
dung in der Gesetzgebung, der Erweiterung ihres Aufgabenspektrums, der Betonung
ihres eigenständigen Forschungsau rages und ihrer Verantwortung für die wissen-
scha liche Nachwuchsförderung durch die zentralen wissenscha lichen Einrichtungen
und auch deren Mitsprache bei Personalentscheidungen forciert (Arnold et al., 2021).
In welchem Maße allerdings durch solche Lobbyarbeit eine stärkere Regulierung und
Zentralisierung erreicht werden kann und inwieweit diese Maßnahmen zum Erreichen
überwiegend noch zu de nierender Qualitätsindikatoren der Lehrer*innenbildung bei-
tragen, ist eine empirisch zu klärende Frage.
Personalentwicklung: Sowohl mit Blick auf das in der Lehrer*innenbildung tätige
Personal als auch bezüglich der wissenscha lichen Nachwuchsförderung im Bereich
der Professionsforschung besteht Entwicklungsbedarf. In der Lehrer*innenbildung wer-
den die großen Studierendenzahlen nach wie vor nur durch einen im Vergleich zu an-
deren Studiengängen überproportional großen Anteil an Hochdeputatsstellen, Lehr-
au rägen und Abordnungen aus dem Schuldienst realisiert, deren Stelleninhabenden
selbst nicht forschend tätig sind oder sein können. Damit besteht das Risiko, dass die
klassische Idee einer Einheit von Forschung und Lehre an der Universität in der Leh-
rer*innenbildung systematisch unterlaufen wird. Darunter könnten sowohl die bil-
Stand und Perspektiven der Professionalisierung von Lehrpersonen und deren Erforschung 321
dungswissenscha liche als auch die fachdidaktische Komponente in Forschung und
Lehre erheblich leiden, was empirisch zu untersuchen wäre. Es wird um disziplinäre
Eigenständigkeit gerungen und versucht, das Verhältnis auszutarieren (Cramer, 2019).
Eine andere Personalpolitik erscheint in der Lehrer*innenbildung notwendig: Mehr fes-
te Stellen, die von promoviertem Personal besetzt werden, können die Forschungsnähe
steigern, wobei sich Promotionen konsequent an den disziplinären Standards messen
müssen. Es besteht dann allerdings auch die Gefahr einer zu hochgradigen Speziali-
sierung dieses Personals, da gerade in der breiten Anlage des Lehramtsstudiums ein
Orientierungswissen von großer Bedeutung erscheint. Für entsprechende Förderpro-
gramme für „emerging researchers“ ist Sorge zu tragen, auch und gerade über temporä-
re Finanzierungsprogramme wie die QLB hinaus. Es müssen formale Mindeststandards
für die Personalauswahl diskutiert werden. Einschlägige Karrierewege jenseits der be-
amtenrechtlichen Lau ahnlogik sind im Lehramt ausgeblieben (z. B. systematische aka-
demische Quali kation für Aufgaben in der Lehrer*innenbildung).
4. Fazit
Die altbekannten Herausforderungen für die institutionalisierte Lehrer*innenbildung
können als Strukturprobleme – oder weniger de zitorientiert: konstitutive Strukturen –
nur schwer und allenfalls sehr langfristig durch gezielte Reformmaßnahmen bearbeitet
werden. Historisch gewachsene Strukturen können o enbar nicht einfach durch politi-
sches Handeln revidiert werden – im Gegenteil können politische Entscheidungen und
Reformen auch bestehende Strukturprobleme zementieren. So könnten politisch in bes-
ter Absicht initiierte Reformprogramme eher zum Erhalt des Status quo beitragen und
zugleich das, was (radikale) Innovationen auslösen, aber den Ist-Zustand gefährden
könnte, eher bremsen. Auch die Akteur*innen innerhalb der Institutionen tragen mit
ihren spezi schen Sichtweisen auf und Erwartungen an die Lehrer*innenbildung zu de-
ren Unbeweglichkeit bei, etwa wenn sie machtförmig aushandeln, wer was mit welchem
Anspruch und welchen Ressourcen darf. Es erscheint daher angemessen, die fortwäh-
rende Reform der Lehrer*innenbildung nicht idealistisch als ein nales Lösen, sondern
realistisch als ein kontinuierliches Bewusstmachen und Bearbeiten der Herausforderun-
gen zu verstehen, die sich mit den konstitutiven Strukturen verbinden. Hierfür kann
die Professionalisierungsforschung mit eorie und Empirie sensibilisieren und verhin-
dern, dass Belanglosigkeit gegenüber oder ein Ab nden mit den strukturell bedingten
und durch die Vielzahl an Akteur*innen verstärkten Herausforderungen eintritt. Eine
solche Forschung vergegenwärtigt sich immer neu den Bedingungen und Gegebenhei-
ten der Lehrer*innenbildung und leistet davon ausgehend spezi sche Beiträge zu einem
besseren Verständnis möglicher und kontinuierlicher Perspektiven und Wege der Pro-
fessionalisierung bzw. Quali zierung, auch über temporäre Reformmaßnahmen hinaus.
Problematisch sind dabei weniger die konstitutiven Strukturen der Lehrer*innenbil-
dung selbst – problematisch wäre es aber, die Strukturen nicht (mehr) zu hinterfragen,
die Maßnahmen nicht (mehr) zu erforschen, die Diskussion über das, was wichtig sein
könnte, nicht (mehr) zu führen.
Colin Cramer
322
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Autorinnen und Autoren
Altrichter, Herbert, em. o. Univ.-Prof. Dr., emeritierter Universitätsprofessor an der
Linz School of Education der Johannes Kepler Universität Linz, Seniorprofessor an der
Goethe Universität Frankfurt/Main. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Bildungsre-
form und Governance des Bildungswesens, Schulentwicklung, Lehrer*innenbildung.
E-Mail: herbert.altrichter@jku.at
Auferbauer, Martin, HS-Prof. Mag. PhD, Hochschulprofessor für Bildungssoziologie
und Diversität an der Pädagogischen Hochschule Steiermark sowie Lehrbeau ragter
und Projektmitarbeiter am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenscha der Karl-
Franzens-Universität Graz. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Bildungssoziologie,
Diversität, multiprofessionelle Kooperationen im Bildungswesen.
E-Mail: martin.auferbauer@phst.at
Bach, Andreas, Assoz. Prof. Dr., Assoziierter Professor an der Abteilung für Bildungs-
wissenscha , Schulforschung und Schulpraxis am Fachbereich Erziehungswissenscha /
School of Education der Paris Lodron Universität Salzburg. Arbeits- und Forschungs-
schwerpunkte: Lehrer*innenbildungsforschung, Schulpraktikumsforschung, Selbstwirk-
samkeitsüberzeugungen von Lehramtsstudierenden und Lehrpersonen.
E-Mail: andreas.bach@plus.ac.at
Beer, Gabriele, HS-Prof.in Mag.a Dr.in BEd, Hochschulprofessorin für Erziehungswissen-
scha en an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems. Arbeits- und For-
schungsschwerpunkte: empirische Bildungsforschung, Schulpädagogik, Professionalisie-
rung.
E-Mail: gabriele.beer@kphvie.ac.at
Beer, Rudolf, HS-Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr. BEd, Hochschulprofessor für vergleichen-
de Erziehungswissenscha an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems,
Mitherausgeber der pädagogischen Zeitschri Erziehung und Unterricht. Arbeits- und
Forschungsschwerpunkte: empirisch-quantitative Bildungsforschung, Schulpädagogik.
E-Mail: rudolf.beer@kphvie.ac.at
Berger, Fred, Univ.-Prof. Dr., Universitätsprofessor für Erziehungswissenscha an der
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Gene-
rationen-, Jugend- und Bildungsforschung.
E-Mail: fred.berger@uibk.ac.at
Bisanz, Andrea, Dipl. Päd.in MA, Primarstufenlehrerin und Hochschullehrende an der
Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems, Mitinitiatorin des Entrepreneur-
ship-Education-Programms „Jedes Kind stärken“. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:
Lehrer*innenfortbildung.
E-Mail: andrea.bisanz@kphvie.ac.at
Autorinnen und Autoren
328
Boxhofer, Emmerich, HS-Prof. Mag. Dr., Hochschulprofessor für Schulpädagogik,
Leitung des Instituts für Forschung und Entwicklung an der privaten Pädagogischen
Hochschule der Diözese Linz. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Persönlichkeits-
merkmale von Studierenden, Belastungserleben in den Pädagogisch Praktischen Stu-
dien.
E-Mail: emmerich.boxhofer@ph-linz.at
Brinkmann, Malte, Prof. Dr. phil., Universitätsprofessor für Allgemeine Erziehungswis-
senscha an der Humboldt Universität Berlin, Direktor des Interdisziplinären Zentrums
für Bildungsforschung sowie Sprecher der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilo-
sophie der DGfE. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Bildungs-, Erziehungstheorien,
Pädagogische Übung, qualitative Videographie und Unterrichtsforschung, Phänomeno-
logische Erziehungswissenscha .
E-Mail: malte.brinkmann@hu-berlin.de
Bruch, Sabine, HS-Prof.in Mag.a, Professorin für Bildungswissenscha en an der Päda-
gogischen Hochschule Oberösterreich, Doktorandin an der Johannes Kepler Universi-
tät Linz. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Inklusion, Lehrer*innenbildung, Profes-
sionalisierung im Lehrberuf.
E-Mail: sabine.bruch@ph-ooe.at
Busch, Karin, HS-Prof.in Mag.a, Dr.in, Hochschulprofessorin für Bildungs wissen scha en
an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich. Arbeits- und Forschungsschwerpunk-
te: Begabtenförderung, Lehrer*innenbildung, Professionalisierung im Lehrberuf.
E-Mail: karin.busch@ph-ooe.at
Carmignola, Matteo, Mag. Dr., Senior Lecturer an der Abteilung für Bildungswissen-
scha , Schulforschung und Schulpraxis am Fachbereich Erziehungswissenscha /School
of Education der Paris Lodron Universität Salzburg; Sekundarstufenlehrer und Supervi-
sor (in Ausbildung). Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Motivation von Schüler*in-
nen, Lehramtsstudierenden und Lehrpersonen, Implementation von Schulentwick-
lungsprojekten und Leadership von Schulführungskrä en.
E-Mail: matteo.carmignola@plus.ac.at
Cramer, Colin, Prof. Dr., Universitätsprofessor für Professionsforschung unter beson-
derer Berücksichtigung der Fachdidaktiken an der Eberhard Karls Universität Tübin-
gen, Studiendekan der Wirtscha s- und Sozialwissenscha lichen Fakultät. Arbeits- und
Forschungsschwerpunkte: Professionsforschung und Professionalisierungsforschung zum
Lehrerinnen- und Lehrerberuf.
E-Mail: colin.cramer@uni-tuebingen.de
Autorinnen und Autoren 329
Ebenberger, Astrid, Prof.in Dr.in MEd DMS, Hochschullehrende an der Kirchlichen Pä-
dagogischen Hochschule Wien/Krems. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Schulpäd-
agogik, Allgemeine Didaktik, Schulentwicklung, Englisch in der Primarstufe und in in-
klusiven Settings.
E-Mail: astrid.ebenberger@kphvie.ac.at
Eder, Ferdinand, Dr., Universitätsprofessor i.R. für Pädagogik, Fachbereich Erziehungs-
wissenscha an der Paris Lodron Universität Salzburg. Arbeits- und Forschungsschwer-
punkte: Schul- und Bildungsforschung, Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung
im Bildungswesen, Evaluation, beru iche Interessenforschung.
E-Mail: ferdinand.eder@sbg.ac.at
Fahrenwald, Claudia, HS-Prof.in Dr.in, Hochschulprofessorin für Organisationspädago-
gik mit Schwerpunkt Schulentwicklung, Pädagogische Hochschule Oberösterreich, Lei-
terin CEDI | Civic Education International – Forschungsstelle für zivilgesellscha liche
Bildung. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Demokratiebildung, Kulturelle Bildung,
Leadership, Interorganisationale Kooperation.
E-Mail: claudia.fahrenwald@ph-ooe.at
Frey, Anne, HS-Prof.in Dr.in, Hochschulprofessorin am Institut für Primarstufenbildung
und Lernentwicklung der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg. Arbeits- und For-
schungsschwerpunkte: Professionalisierung, Lehrer*innenbildung, Berufseinstieg, inklu-
sive Bildung.
E-Mail: anne.frey@ph-vorarlberg.ac.at
Gamsjäger, Manuela, Prof.in Mag.a, Dr.in, Professorin für Bildungswissenscha en an der
Pädagogischen Hochschule Oberösterreich und Leiterin des Zentrums für Pädagogisch
Praktische Studien am Standort Linz, Cluster Mitte, für die PH OÖ. Arbeits- und For-
schungsschwerpunkte: Partizipation, Demokratieerziehung, Lehrer*innenbildung.
E-Mail: manuela.gamsjaeger@ph-ooe.at
Hagenauer, Gerda, Univ.-Prof.in Dr.in, Universitätsprofessorin für Bildungswissenscha
an der Paris Lodron Universität Salzburg. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Emo-
tionen, Motivation und soziale Beziehungen in Schule, Hochschule und Lehrer*innen-
bildung, Mixed-Methods-Research.
E-Mail: gerda.hagenauer@plus.ac.at
Himmelsbach, Michael, Mag. DI Dr., Senior Lecturer in der Abteilung für Bildungs-
forschung der Linz School of Education. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Kom-
petenzerwerb in schulpraktischen Phasen, Portfolioarbeit, Lehrer*innenaus- und fort-
bildung.
E-Mail: michael.himmelsbach@jku.at
Autorinnen und Autoren
330
Huber, Matthias, HS-Prof. Mag. Dr., Hochschulprofessor für Erziehungswissenscha
und Bildungsforschung an der Pädagogischen Hochschule Kärnten. Arbeits- und For-
schungsschwerpunkte: Pädagogische Epistemologie und Anthropologie, Bildung und
Emotion, Lehrer*innenbildung, Mixed-Methods-Research.
E-Mail: matthias.huber@ph-kaernten.ac.at
Hyry-Beihammer, Eeva Kaisa, HS-Prof.in Dr.in, Hochschulprofessorin für Schul-
pädagogik an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich. Arbeits- und Forschungs-
schwerpunkte: Lehrer*innenforschung, empirische Unterrichtsforschung, narrative For-
schung.
E-Mail: eeva.hyry@ph-ooe.at
Jesacher-Rößler, Livia, Mag.a PhD, Projektmitarbeiterin (Postdoc) an der Leopold-
Franzens-Universität Innsbruck, stellvertretende Vorsitzende der ÖFEB-Sektion für
Schulforschung und Schulentwicklung. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Schulent-
wicklungs- und Leadershipforschung.
E-Mail: livia.roessler@uibk.ac.at
Kabbani, Mohamed Bassam, MMag. Dr., Koordinator der Fortbildung für Islamleh-
rer*innen in Wien, NÖ und Burgenland am Institut Islamische Religion IIR an der
Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems, Lektor am Institut der Orienta-
listik und Institut für Islamisch- eologische Studien iits, Universität Wien, Wissen-
scha licher Leiter des Universitätslehrgangs „Muslime in Europa“ am PGC der Univer-
sität Wien.
E-Mail: mohamed-bassam.kabbani@kphvie.ac.at
Katschnig, Tamara, HS-Prof.in Priv.-Doz.in Mag.a, Dr.in, Hochschulprofessorin für Fort-
und Weiterbildung an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems, davor
am Institut für Bildungswissenscha der Universität Wien. Arbeits- und Forschungs-
schwerpunkte: Fort- und Weiterbildung von Lehrkrä en, Übergänge.
E-Mail: tamara.katschnig@kphvie.ac.at
Kemethofer, David, HS-Prof. Mag. Dr., Hochschulprofessor für empirische Bildungs-
forschung an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich, Vorsitzender der ÖFEB-
Sektion für Schulforschung und Schulentwicklung. Arbeits- und Forschungsschwerpunk-
te: Schulleitungs- und Schulentwicklungsforschung.
E-Mail: david.kemethofer@ph-ooe.at
Kraler, Christian, Univ.-Prof. Mag. Dr., Universitätsprofessor für Lehrer*innenbildung
und Lernen an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Arbeits- und Forschungs-
schwerpunkte: Lehrer*innenbildungsforschung, Lernforschung, Grundlagen formaler
Bildung.
E-Mail: christian.kraler@uibk.ac.at
Autorinnen und Autoren 331
Krammer, Georg, HS-Prof. Mag. Dr., Hochschulprofessor für Empirische Bildungsfor-
schung und Angewandte Psychometrie am Institut für Praxislehre und Praxisforschung
der Pädagogischen Hochschule Steiermark. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Leh-
rer*innenbildung, Klassenführung, Persönlichkeit, Neuromythen, Open Science, Stu-
dienerfolg, Faking.
E-Mail: georg.krammer@phst.at
Lenz, Sonja, Mag.a, Senior Lecturer in der Abteilung für Bildungsforschung der Linz
School of Education. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Umgang mit Heterogenität
und Diversität, Lehrer*innenaus- und fortbildung, Neue Lehr- und Lernformen.
E-Mail: sonja.lenz@jku.at
Lü enegger, Marko, Assoz. Prof. Mag. Dr., Assoziierter Professor für Entwicklungs-
und Bildungspsychologie des Schulalters am Zentrum für Lehrer*innenbildung und
der Fakultät für Psychologie der Universität Wien. Arbeits- und Forschungsschwerpunk-
te: Motivationale und emotionale Aspekte des Lernens und Lehrens, Qualitätssicherung
im Bildungswesen.
E-Mail: marko.lue enegger@univie.ac.at
Martinek, Daniela, Assoz. Prof. Priv.-Doz. Mag.a, Dr.in, Bildungswissenscha erin, Rek-
torin der Pädagogischen Hochschule Salzburg. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:
Selbstbestimmte Lehr- und Lernprozesse, Motivation im Bildungsbereich, Weiterent-
wicklung förderlicher Schul- und Lernkultur.
E-Mail: Daniela.Martinek@phsalzburg.at
Mayr, Johannes, Univ.-Prof. i.R. Dr., Universitätsprofessor i.R. für Qualitätssicherung
und Qualitätsentwicklung im Bildungsbereich am Institut für Unterrichts- und
Schulentwicklung der Universität Klagenfurt. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:
Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu Lau ahnberatung, Lehrer*innenbildung, Klas-
senführung.
E-Mail: johannes.mayr@aau.at
Mühlbacher, Franziska, MEd, Universitätsassistentin und Dissertantin an der Paris Lo-
dron Universität Salzburg. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Emotionen, Team-
teaching.
E-Mail: franziska.muehlbacher@plus.ac.at
Müller, Matthias, MA, wissenscha licher Mitarbeiter am Institut für Erziehungswissen-
scha der FAU Erlangen-Nürnberg. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Lehrer*in-
nenbildung im internationalen Vergleich und im Kontext von (Flucht-)Migration.
E-Mail: matthias.mue.mueller@fau.de
Autorinnen und Autoren
332
Müller, Norina, MEd BEd, Wissenscha liche Mitarbeiterin (praedoc) am Zentrum für
Lehrer*innenbildung der Universität Wien. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: In-
klusive und Demokratische Schulentwicklung, Bildungs- und Gesellscha stheoretische
Perspektiven auf inklusive Schule.
E-Mail: norina.mueller@univie.ac.at
Nausner, Ernst, HS-Prof. Dr., Hochschulprofessor i.R. für Lehrerbildung und Profes-
sionsforschung am Institut für Forschung und Entwicklung der Privaten Pädagogischen
Hochschule Linz. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Flexible Frameworks im Wor-
ked Based Learning in der höheren Bildung, Lehrer*innenbildung, Klassenführung.
E-Mail: ernst.nausner@ph-linz.at
P anzl, Barbara, HS-Prof.in Mag.a, Dr.in, Hochschulprofessorin für Lehrerbildung und
Professionsforschung am Institut für Bildungsforschung der Pädagogischen Hochschule
Steiermark. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Forschungs- und Entwicklungsarbei-
ten zu Lehrerausbildung und Klassenführung.
E-Mail: barbara.p anzl@phst.at
Pichler, Silvia, HS-Prof.in MEd BEd, Hochschulprofessorin am Institut für Primarstu-
fenbildung und Lernentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg. Ar-
beits- und Forschungsschwerpunkte: Berufseinstieg, Professionalisierung, Lehrer*innen-
bildung.
E-Mail: silvia.pichler@ph-vorarlberg.ac.at
Potzmader, Sylvia, Prof.in Dr.in BEd MEd MA, Professorin für Erziehungswissenschaf-
ten an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems, (Montessori-)Pädago-
gin, Schülerberaterin, Praxislehrerin. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Unterricht
in interkulturellen und inklusiven Settings; Mehrsprachigkeit, Interkulturalität und Mi-
gration; sprachliche Bildung; Professionalisierung; Qualitätsentwicklung an Schulen.
E-Mail: sylvia.potzmader@kphvie.ac.at
Prenzel, Manfred, Univ.-Prof. Dr. phil. habil., Universitätsprofessor für Empirische Bil-
dungsforschung und Leiter des Zentrums für Lehrer*innenbildung an der Universität
Wien. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Unterrichtsforschung, internationale Ver-
gleichsstudien.
E-Mail: manfred.prenzel@univie.ac.at
Prorok, Judith, Mag.a, Leiterin des Instituts für Fortbildung und Schulentwicklung II
der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:
Fort- und Weiterbildung von Lehrkrä en.
E-Mail: judith.prorok@ph-ooe.at
Proyer, Michelle, Ass.-Prof.in Dr.in, Tenure-Track-Professorin für Inklusive Pädagogik
am Zentrum für Lehrer*innenbildung/Institut für Bildungswissenscha der Universität
Autorinnen und Autoren 333
Wien. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: international vergleichende Forschung im
Bereich Inklusion, partizipative Forschungsdesigns, Forschung an der Schnittstelle Kul-
tur und Behinderung.
E-Mail: michelle.proyer@univie.ac.at
Rabl, Martina, BEd MSc, Lehrerin in einer Praxismittelschule, Hochschullehrende der
Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems. Arbeits- und Forschungsschwer-
punkte: Lehrer*innenfortbildung, Umsetzung von Lehrplaninhalten in politischer Bil-
dung.
E-Mail: martina.rabl@kphvie.ac.at
Reitinger, Johannes, Univ.-Prof. Dr. phil. habil., Universitätsprofessor für Schulpädago-
gik an der Universität Wien, Vorsitzender der ÖFEB-Sektion für LehrerInnenbildung
und -bildungsforschung. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: partizipative Lernarran-
gements, Professionalisierung.
E-Mail: johannes.reitinger@univie.ac.at
Roßnagl, Susanne, Univ.-Ass.in, Mag.a, Dr.in, wissenscha liche Mitarbeiterin (Postdoc)
am Institut für Erziehungswissenscha en der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.
Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Pädagogische Generationen-, Transitions- und
Bildungsforschung.
E-Mail: susanne.rossnagl@uibk.ac.at
Rödel, Severin Sales, Dr. phil., wissenscha licher Mitarbeiter (Postdoc) am Institut
für Erziehungswissenscha en der Humboldt-Universität zu Berlin. Arbeits- und For-
schungsschwerpunkte: qualitative Unterrichtsforschung und Videographie, Phänomeno-
logische Lerntheorien, neuere Demokratietheorien und Bildung, Pädagogik und Popu-
lismus.
E-Mail: sales.severin.roedel@hu-berlin.de
Schauer, Gabriele, Mag.a Dr.in, Senior Lecturer am Institut für LehrerInnenbildung und
Schulforschung an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, stellvertretende Vor-
sitzende der ÖFEB-Sektion für LehrerInnenbildung und -bildungsforschung. Arbeits-
und Forschungsschwerpunkte: Professionalisierung sowie Kompetenzerwerb in der Lehr-
amtsausbildung, Professionelle Handlungskompetenzen von angehenden Lehrpersonen.
E-Mail: gabriele.schauer@uibk.ac.at
Schratz, Michael, Dr. phil., Univ.-Prof. für Schulpädagogik i.R., Gründungsdekan der
School of Education an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Sprecher der Jury
des Deutschen Schulpreises, Fritz Karsen Chair an der Humboldt Universität zu Berlin,
Wiss. Leiter des European Doctorate in Teacher Education. Arbeits- und Forschungs-
schwerpunkte: Professionalisierungs- und Leadershipforschung, Lernforschung.
E-Mail: michael.schratz@uibk.ac.at
Autorinnen und Autoren
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Schreiner, Claudia, Ass.-Prof.in Mag.a, Dr.in, Assistenzprofessorin an der Leopold-
Franzens-Universität Innsbruck. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: pädagogische
Diagnostik und Kompetenzmessung, Kompetenzorientierung und Bildungsstandards,
Chancengerechtigkeit und evidenzorientierte Qualitätsentwicklung.
E-Mail: claudia.schreiner@uibk.ac.at
Wanitschek, Isabel, BA MA, Hochschullehrende im Bereich Qualitätsmanagement und
Evaluation an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems, Doktorandin
der Bildungswissenscha an der Universität Wien, Sozialpädagogin. Arbeits- und For-
schungsschwerpunkte: Fortbildung von Lehrpersonen, empirische pädagogische For-
schung, Schulforschung.
E-Mail: isabel.wanitschek@kphvie.ac.at
Weber, Christoph, HS-Prof. Dr., Hochschulprofessor für empirische Bildungsforschung
mit dem Schwerpunkt Forschungsmethoden und Evaluation an der Pädagogische
Hochschule Oberösterreich, Leiter der Koordinations- und Servicestelle für Forschung
an der Pädagogische Hochschule Oberösterreich, Vorsitzender der ÖFEB-Sektion für
Empirische Pädagogische Forschung. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Bildungs-
ungleichheiten, Lehrer*innenbildung.
E-Mail: christoph.weber@ph-ooe.at