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Humboldt-Universität zu Berlin
Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät
Institut für Sozialwissenschaften
Bachelorarbeit
Nicht&mehr&als&eine&
Schachfigur?&
Die US-Taiwan-Politik unter Donald Trump
US Foreign Policy towards Taiwan under Donald Trump
!
!
Vorgelegt von: Selina Volz
Studiengang: BA. Sozialwissenschaften
Matrikelnummer: 592885
E-Mail: volzseli@hu-berlin.de
Abgabedatum: 15. Juli 2021
Zeichenzahl: 102.196 (ohne Leerzeichen)
Erstgutachten: Dr. Lukas Zidella (HU Berlin)
Zweitgutachten: Prof. Dr. Sabrina Habich-Sobiegalla (FU Berlin)
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ................................................................................................................. 1
2 Relevanz und Forschungsstand .............................................................................. 3
3 Hintergrund: Strategisches Viereck? ....................................................................... 6
3.1 Taiwan, China und die USA .................................................................................... 6
3.2 Die Bedeutung des Nordkorea-Konflikts ................................................................. 9
4 Theoretische Annahmen ........................................................................................ 13
4.1 Das Carrot and Stick-Spiel .................................................................................... 13
4.2 Issue Linkage/Linking ............................................................................................ 15
4.3 Carrot and Stick bei Issue Linking ......................................................................... 18
4.4 Übertragung der Thesen und Modelle auf den Untersuchungsgegenstand ......... 19
5 Methode ................................................................................................................. 23
5.1 Untersuchungsgegenstand ................................................................................... 23
5.2 Verfahren und Daten ............................................................................................. 24
6 Analyse .................................................................................................................. 34
6.1 Chinesisches Verhalten ........................................................................................ 34
6.2 US-Taiwan-Politik .................................................................................................. 41
6.3 Auswertung ........................................................................................................... 44
6.3.1 Betrachtung der Phasen ..................................................................................................... 45
6.3.2 Betrachtung von Schlüsselmomenten ................................................................................ 49
7 Fazit und Perspektiven .......................................................................................... 53
8 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 56
9 Anhang ................................................................................................................. 79
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Staatliches Verhalten im Carrot and Stick-Spiel ...................................... 14
Abbildung 2: Logik von Issue Linking ........................................................................... 17
Abbildung 3: Staatliches Verhalten bei Issue Linking ................................................... 19
Abbildung 4: Gegensätzlichkeit staatlichen Verhaltens gegenüber China und Taiwan 21
Abbildung 5: Issue Linking zwischen Taiwan und Nordkorea ...................................... 22
Abbildung 6: Gegenüberstellung AV und UV (Phasen) ................................................ 48
Abkürzungsverzeichnis
AIT
American Institute in Taiwan
(US-amerikanische de facto Botschaft in Taiwan)
DMZ
Demilitarisierte Zone, hier an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea
DPRK
Democratic Peoples Republic of Norea, Nordkorea
TECRO
Taipei Economic and Cultural Representative Office in the United
States (Taiwans de facto Botschaft in den USA)
THAAD
Terminal High Altitude Area Defense
(Raketenabwehrsystem der USA in Südkorea)
TRA
Taiwan Relations Act
VR China
Volsrepublik China
WHO
World Health Organisation, Weltgesundheitsorganisation
1
1
Einleitung
“We’re going to be working very closely together on North Korea. […]
[It’s] like a world-class chess match.”
1
(Donald Trump)
Mit diesen Worten beschreibt Donald Trump 2020 die amerikanisch-chinesisch
Zusammenarbeit und Strategie im Nordkorea-Konflikt: als Schachspiel, in dem
Schachfiguren strategisch bewegt werden, mit Verlier:innen und Gewinner:innen (The
White House 2020c). Doch wer oder was sind die Figuren, wer die Bauern, wer der die
strategischen Springer? Wer muss geopfert werden, wer darf überleben bei dem
Versuch, den Gegner aus der Reserve zu locken und am Ende als Einziger auf dem
Spielfeld zu verbleiben?
Forschung und Berichterstattung bringen immer wieder Taiwan mit einer Spiel- und
Handelsrhetorik in Verbindung und bezeichnen das Land als „chess piece“, „bargaining
chip“ oder „Taiwan card“, das in einem Tauschhandel eingesetzt werden kann, um einen
Deal zwischen den USA, China und Nordkorea zu erreichen (Boon und Sworn
2020:1504f.; Chen 2019:252; D. P. Chen 2020:398; deLisle 2018:25; Tay 2019). Ist
Taiwan damit eine der Schachfiguren? Die Hinweise hierfür haben in den letzten Jahren
deutlich zugenommen. Aus dieser Beobachtung ergeben sich verschiedene Fragen:
War Taiwan für die Trump-Administration nichts mehr als ein Gegenstand, den sie nach
Belieben hin- und herschieben konnten, ganz nachdem, welche Züge der Gegner spielte?
Wurde die Taiwan-Politik systematisch an chinesisches Verhalten, etwa im Nordkorea-
Konflikt, geknüpft und sind so das besondere Ausmaß der Taiwan-Zugewandtheit und
die Unbeständigkeit der unterstützenden Maßnahmen zu erklären?
Diese Arbeit versucht sich dem Zusammenhang zwischen US-amerikanischer
Außenpolitik gegenüber Taiwan (ab hier: Taiwan-Politik) unter dem Kabinett Trump mit
den amerikanischen Beziehungen zu China, insbesondere vor dem Hintergrund des
Nordkorea-Konflikts, zu nähern. Im Vordergrund steht dabei die folgende
Forschungsfrage:
Inwiefern hat die Trump-Administration ihre Taiwan-Politik systematisch an
chinesischem Verhalten im Nordkorea-Konflikt ausgerichtet?
1
Trump anlässlich eines Treffens mit dem chinesischen Vizepräsidenten Liu He über die US-
chinesische Zusammenarbeit (The White House 2020c).
Dabei soll nur das Vorhandensein eines solchen systematischen Einsatzes von Taiwan-
Beziehungen in der amerikanischen Außenpolitik geprüft, nicht aber der Erfolg der
Strategie bewertet werden.
Im Folgenden soll kurz die Relevanz der Fragestellung dargelegt werden, bevor in die
Situationen in Taiwan und Nordkorea und die Bedeutung der Konflikte für China und die
USA eingeführt werden soll. Anschließend soll sich den theoretischen Konzepten von
Carrot and Stick-Spielen und Issue Linking theoretisch genähert und auf den
Untersuchungsgegenstand übertragen werden. Nach einer Erläuterung der Methode
dieser Arbeit, sollen sowohl US-Taiwan-Politik als auch chinesisches Verhalten im
Nordkorea-Konflikt beschrieben und systematisiert werden, bevor sich anhand einer
qualitativen Untersuchung mit quantifizierten Anteilen der Beantwortung der
Forschungsfrage genähert werden soll. Nach einer abschließenden Diskussion der
Ergebnisse sollen zudem Perspektiven für künftige Forschungsbeiträge aufgezeigt
werden, die sich aus der vorliegenden Arbeit ergeben.
2
3
2
Relevanz und Forschungsstand
Die Relevanz der Arbeit ergibt sich aus thematischen, aber auch theoretisch-
methodischen Faktoren: Zum einen wurde das explizite Verbinden mehrerer, meist zum
Teil. ökonomischer Issues beziehungsweise Fälle bereits vielfach wissenschaftlich
behandelt
2
, während Untersuchungen zu nicht-explizitem und nicht-ökonomischen
Linkage sehr rar sind. Die Arbeit will damit an den bestehenden Forschungsstand zum
Thema Linkage anknüpfen und ihn ergänzen.
Zudem befinden sich die USA im Nordkorea-Konflikt in einem Dilemma: Während sie
über ein großes Interesse an der Denuklearisierung des Regimes verfügen, mangelt es
ihnen an Leverage Druck auf Pjöngjang auszuüben. China, auf dessen Hilfe die USA
aufgrund seiner hohen Einflussmöglichkeiten auf Nordkorea angewiesen sind, verfügt
dagegen nicht über dasselbe Interesse an der Denuklearisierung. Es ergibt sich ein
Spannungsfeld aus Macht- und Interessenungleichgewichten, in dem die USA
Handlungsoptionen außerhalb des Nordkorea-Konflikts finden muss, um China zur
Kooperation zu bewegen und die Denuklearisierung sicherzustellen.
Auch greifen bisherige Erklärungsansätze zu kurz, um Besonderheiten der Taiwan-
Politik unter dem Kabinett Trump vollständig zu erklären. Hierzu gehören nicht nur
strukturelle Verpflichtungen der USA als Schutzpatron Taiwans im Falle einer
Bedrohung durch China (Chen 2019:252, 265; Lee et al. 2020; McManus und Yarhi-Milo
2017:715) - insbesondere der an konkreten Ergebnissen und nicht Ideologien
orientierten (Außen-)Politik-Stils Trumps weist nicht auf eine Handlungsentscheidung
entlang rein staatlicher Solidarität hin (Boon und Sworn 2929:1501f; Hu 201837; Wolf
2017:99). Auch weitere Erklärungsansätze, wie der Einfluss des Taiwan-freundlichen
US-Kongresses oder die öffentliche Meinung in den USA und das Bedienen einer
populistischen beziehungsweise China-ab- und Taiwan-zugewandten Wähler:innen-
Basis werden von der Forschung – aufgrund der beschränkten außenpolitischen
Kompetenz des Kongresses beziehungsweise der Außerbetrachtlassung der
internationalen Ebene bei gleichzeitiger Komplexität und Brenzligkeit des Konflikts – als
unzureichend bezeichnet (Boon und Sworn 2020:1499ff.; Lin und Zhou 2018:190, 197).
2
s. z.B: Hoekman 1989; Morrow 1992; Musgrave 2011; Sebenius 1983; Spagnolo 1999; Trager
2011.
4
Das Fehlen systematischer Untersuchungen zu diesem Thema ist mit Blick auf die
politische Relevanz der Fragestellung erstaunlich. So brächten Hinweise darauf, dass
Washington das Ausmaß seiner Unterstützung Taiwans von chinesischem Verhalten
abhängig mache und im Austausch gegen Zugeständnisse Chinas auch zu Reduktionen
der Unterstützung bereit sein könnte, nicht nur immense Implikationen für die knapp 23,5
Millionen in Taiwan lebende Menschen mit. Auch würde das direkte Verknüpfen zwei der
weltweit brisantesten Konflikte, verstärkt durch die Unberechenbarkeit dieser
außenpolitischen Strategie, ein immens hohes Konfliktpotenzial für die Region und die
gesamte Welt bedeuten. Zudem kann der Umgang mit Taiwan als ein Indikator für die
Glaubwürdigkeit der Zusicherungen der USA an andere Verbündete verstanden werden
(Bergsten et al. 2009:176; Copper 2017:8; U.S.-China Economic and Security Review
Commission 2019:470). Dies wird besonders unter dem Hintergrund der Vielzahl
amerikanischer Verbündeter, der tiefen Involvierung Washingtons in Konflikte weltweit
und dem wachsenden Einfluss Chinas brisant.
Auch durch die Vielzahl der Hinweise auf einen strategischen Einsatz der Taiwan-Politik
durch das Kabinett Trump im Austausch für Zugeständnisse Chinas ist das Fehlen
systematischer Annäherungen an das Thema erstaunlich. Nicht nur die Begriffswahl
vieler Publikationen der letzten Jahre weist mit Bezeichnungen Taiwans als „strategic
liability“, „strategic asset“ (Lin und Zhou 2018), „instrument“ (D. P. Chen 2020:417;
Russel 2020), „chess piece“ (Tay 2019) oder “bargaining chip“ (deLisle 2018:25) und
Ausdrücken wie „playing the Taiwan card“ (Copper 2017:6; Hu 2018:82 u.A.),
„reaching“ beziehungsweise „making a deal“ (Boon und Sworn 2020; Chen 2019:252; D.
P. Chen 2020:398) oder „bargaining away“ (Chen 2019:252; deLisle 2018:25) auf ein
potentielles Einsetzen Taiwans gegenüber China hin. Auch Trumps Dealmaker-
Mentalität (Boon und Sworn 2020; Chen 2019:252) und eigene Äußerungen (deLisle
2018:25; Hu 2018; The White House 2020b) sprächen für einen Umgang mit Taiwan wie
mit einem austauschbaren Handelsgut. So warnten nicht nur die Taiwanische
Präsidentin Tsai Ing-wen selbst und der ehemalige US-Vertreter in Taiwan Bush (Bush
2016; Copper 2017:6), sondern auch zahlreiche Beiträge aus der Wissenschaft vor
einem Einsetzen Taiwans im Konflikt mit China (Boon und Sworn 2020:1504; D. P. Chen
2020:398; Hu 2018; Lin und Zhou 2018; Ruwitch 2020).
Forschungsbeiträge konnten außerdem eine Instrumentalisierung des US-chinesischen
Handelskriegs zur Sicherstellung der Kooperation Pekings im Nordkorea-Konflikt
nachweisen (André 2018:12; Hu 2018:63; Kim 2020:116; Sutter 2019:529; Wertz 2018;
5
E. Yang 2020:77), während auch Trump selbst einen solchen Zusammenhang einige
Male beschrieben hat (Bandow 2016; Landler 2017; Schwartz 2017; The White House
2017y, 2018g; Tweet vom 11.04.17). Damit liegt eine Anwendung dieser Strategie mit
anderen außenpolitischen Themen durch die Trump-Administration nahe.
Eine Reihe von Forscher:innen haben sich bereits der Frage gewidmet, ob und inwiefern
strategischer Einsatz der Taiwan-Politik in der US-amerikanischen Außenpolitik im
Nordkorea-Konflikt vorliegt (Bay 2017; Hu 2018:82; Restuccia 2018; Sautin 2017; Taylor
2017; United States Institute of Peace 2019:6), während auch Trump selbst etwa bereits
das Unterlassen eines Telefonats mit Tsai Ing-wen mit chinesischen Bemühungen im
Nordkorea-Konflikt in Verbindung gebracht hat (Chen 2019:269). Es konnte ein
Zusammenhang zwischen Trumps geäußerter Enttäuschungen über chinesisches
Verhalten im Konflikt mit einer Reihe darauffolgender Taiwan-zugewandter Handlungen
nachgewiesen werden (Glaser und Norkiewicz 2017:22; Sutter 2017:83, 2019:529),
ebenso wie zwischen dem Zurückhalten Taiwan-freundlicher Handlungen mit dem Ziel,
Chinas Kooperation bzgl. Nordkorea sicherzustellen (Sutter 2019:528). Keiner der
Beiträge hat jedoch das Thema unter den Gesichtspunkten des Issue Linkage untersucht.
Diese Arbeit will die vorliegende Forschungslücke nun schließen.
6
3
Hintergrund: Strategisches Viereck?
Im Folgenden werden kurz die diplomatischen Beziehungen zwischen Taiwan, China
und den USA historisch und politisch eingeordnet.
3.1
Taiwan, China und die USA
Taiwan und China
Der Status Taiwans ist umstritten. Während Peking die Insel als „untrennbarer Teil des
chinesischen Territoriums“ für sich beansprucht (Amt des Staatsrats für die
Angelegenheiten Taiwans und Presseamt des Staatsrats der VR China 2004) und –
unter der Missbilligung Pekings – weltweit lediglich 15 Staaten Taiwan anerkennen
(Stand: 22.05.21; MOFA ROC (Taiwan) 2021), wird die Republik seit 1949 de facto
unabhängig regiert (Schubert 2013). Obwohl die Volksrepublik China Taiwan niemals
regiert hat, betreibt China seine Taiwan-Politik vordergründig als eine Ein-China-Politik
unter der Leitprinzip One China, Two Systems. Die vermeintliche
„Rückgewinnung“ beziehungsweise Annexion der Insel stellt für Peking ein
Kerninteresse dar (Propper 2020:107). So verurteilt China sämtliche diplomatische
Beziehungen anderer Staaten mit Taiwan und versteht jegliche zugewandte Taiwan-
Politik als Affront gegenüber Peking und als Einmischung in innere Angelegenheiten
Chinas (z.B. Handelszeitung 2021; Koch und Riecke 2020; ZEIT ONLINE 2019).
Die Rolle der USA
Die USA erkannten Taiwan 1949 als offizielle Vertretung Chinas an und verhinderten als
Schutzmacht de facto die Annexion der Insel durch Peking. Seit der Truman-
Administration unterstützen und stabilisieren die USA den Zwei-Staaten-Zustand durch
militärische und ökonomische Unterstützung und sind damit tief in dem Konflikt involviert
(Gordon 1985:637; Schubert 2013:509). 1979 übertrugen die USA den Status der
offiziellen Vertretung Chinas von Taiwan auf die Volksrepublik China, was den Beginn
der Politik einer Strategic Ambiguity kennzeichnet, mit der durch bewusste Unklarheit
über das Verhalten der USA im Falle einer Invasion oder Unabhängigkeitsbestrebungen
provokante Handlungen beider Seiten verhindert werden sollen (Boon und Sworn
2020:1489). So können die Beziehungen zwischen den USA, China und Taipei als ein
Strategisches Dreieck bezeichnet werden, das seine Konstellation immer wieder ändern
kann und in dem Washington zur Zeit die Rolle des strategisch günstigen Pivot und
Balancers einnimmt (Hu 2013:32; Wu, Yu-Shan 2005). In dieser Konstellation ist eine
Annäherung der USA an Taiwan immer mit einer Provokation Pekings gleichzusetzen;
7
die Beziehungen beider Großmächte zu Taiwan sind Abbild eines indirekten Konflikts
(Boon und Sworn 2020:1498). Aufgrund der Bedeutung der Republik für die VR China
und Washingtons guten Beziehungen zu Taipei stellt Taiwan einen immensen Leverage
gegenüber China dar.
Washingtons Taiwan-Politik
Die USA unterhalten die weltweit substanziellsten und diversesten Beziehungen zu
Taiwan (Glaser et al. 2020b:24) und tragen damit erheblich zur Stabilität in der gesamten
Region bei. Basis bildet der Taiwan Relations Act (TRA) von 1979, der es Washington
ermöglicht, auch nach diplomatischer Aberkennung umfassende – wenn auch inoffizielle
– Beziehungen zu Taiwan aufrecht zu erhalten. Das Gesetz stellt Taiwans de facto, wenn
auch nicht de jure, Unabhängigkeit unter den Schutz Amerikas (American Institute in
Taiwan 1979). Allerdings sieht der TRA keine Verteidigung in jedem Falle vor, sondern
bleibt bei der Beschreibung von roten Linien unklar. Ergänzt wurde der TRA 1982 durch
die Six Assurances, vertragsähnliche Vereinbarungen zwischen der USA an Taiwan, die
postulieren, dass die USA ihre langfristige Position bezüglich des Status Taiwans nicht
ändern (Boon und Sworn 2020:1491). Durch diese maximale Flexibilität und Offenheit
amerikanischer Verpflichtungen gegenüber Taiwan, waren die US-Taiwan-Beziehungen
der letzten Jahrzehnte stark von den Interessen der jeweiligen Administration in
Washington geprägt. Während alle Präsidenten ihr Handeln entlang des Konzepts der
Strategic Ambiguity ausrichteten und bewusst mehrdeutig handelten (Boon und Sworn
2020:1492), bewegt sich der Trend in Richtung sich vertiefender Verbindungen mit
Taiwan (Glaser et al. 2020a:21).
So reiht sich die Unterstützung Taiwans nicht nur in die außenpolitische Strategie der
USA des Schutzes globaler Demokratien gegenüber Demokratien ein (Bergsten et al.
2009:177; Glaser 2015:72; U.S.-China Economic and Security Review Commission
2019), sondern bedient auch das Interesse Washingtons von Stabilität in der Region
(Chen at al. 2017; Hu 2018:77) und geopolitisch-strategischer Vorteile gegenüber China
(Boon und Sworn 2020:1497; Copper 2017:8; Glaser 2015:76f.; Lin und Zhou 2018:187;
Paul 2017:254).
Die Taiwan-Politik der Trump-Administration
Zwar blieb Washingtons Taiwan-Politik unter Donald Trump im Rahmen des TRA und
der Six Assurances, jedoch brachte sie auch einige Diskontinuitäten mit sich und hebt
sich so klar von der Strategie voriger US-Administrationen ab. Außerordentlich Taiwan-
8
zugewandt, wurde sie etwa als „turning point in history“ (Kubo 2019:74) und Trump als
der „most pro-Taiwan president in U.S. history“ (Thiessen 2020) bezeichnet. So war
Trump der erste Präsident, der keinen Hehl aus seiner Unterstützung für Taiwan machte
und Peking damit offen konfrontierte. Die Literatur spricht von einer so seit 1971 nicht
mehr dagewesenen Unterstützung und einem Bruch mit den vorigen Administrationen,
ob demokratisch oder republikanisch geführt (Blackwill und Zelikow o. J.:19; Boon und
Sworn 2020:1507; Chen 2019:251; D. P. Chen 2020:399). Dies spiegelt sich auch in den
Einstellungen der taiwanischen Bevölkerung wider, in der 2020 ein Großteil der
Befragten eine weitere Amtszeit Donald Trumps über die eines demokratischen Joe
Bidens präferierten (Smith 2020).
Die Zugewandtheit der Taiwan-Politik zeigte sich unter anderem an der Vielzahl der
amerikanischen Militärmanöver durch die Taiwan Straße oder dem Umfang der
Waffenverkäufe an die Republik (Gesamtwert 18 Millionen US-Dollar; in den 8 Jahren
unter Obama betrugen sie lediglich 14 Millionen; Sacks 2021). Zudem besuchten mit
Keith Krach und Alex Azar die seit 40 Jahren hochrangigsten Kabinettsmitglieder Taiwan
(Office of the President ROC (Taiwan) 2020; Wu 2020). Vor 2017 gab es lediglich sechs
Besuche dieser Art (Glaser et al. 2020a:22). Zudem verkündete Washington im Januar
2021 die Normalisierung des diplomatischen Austauschs der beiden Länder (U.S.
Department of State 2021).
Andere Autor:innen betonen hingegen die Unbeständigkeit, Unberechenbarkeit und
Inkonsistenz der Taiwan-Politik unter Trump (Copper 2017; deLisle 2018). So wird durch
die Inblicknahme der zeitlichen Perspektive deutlich, dass sich Washingtons Taiwan-
Zugewandtheit vor allem phasenweise zeigte. Auch in Taiwan herrschte anfänglich
großer Optimismus, nachdem Trump bereits vor Amtsantritt einen Gratulations-Anruf der
taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen entgegennahm, einen Affront in Peking auslöste,
und in Folge auch das Prinzip der Ein-China-Politik anzweifelte (BBC News 2016;
Copper 2017:5). Im Februar 2017 ruderte er jedoch wieder zurück (Copper 2017:6) und
zeigte erst ab Mitte 2018 wieder eine Taiwan-freundlichere Politik, die in einigen der
außerordentlichsten Akte der gesamten Amtszeit gegen Ende 2020 gipfelten.
US-Taiwan-Politik des Kabinett Trumps ist also nicht nur von außergewöhnlicher
Zugewandtheit, sondern auch Inkonsistenz geprägt. Eine genauere Betrachtung und
Klassifikation des phasenweisen Handelns der US-Administration im Taiwan-Konflikt soll
an späterer Stelle erfolgen.
9
Trump und Biden - Kontinuitäten und Türöffner
Auch wenn seit Januar 2021 Joe Biden, und nicht länger Donald Trump, amtierender
Präsident der USA ist, behält Taiwan seine strategische Bedeutung bei und auch die
Möglichkeit der außenpolitischen Nutzbarmachung der US-Taiwan-Politik besteht
weiterhin. Auch unter Biden stellt Taiwan einen Anlass für hohe Spannungen mit China
dar (Watt 2021), während die Denuklearisierung Nordkoreas wichtiges außenpolitisches
Ziel der Administration bleibt (Gallo 2021) und Biden statt, wie erwartet mit Trumps
Taiwan-Strategie zu brechen, deutliche Kontinuitäten zur Vorgänger-Administration an
den Tag legt (Everington 2021b, 2021a; Sacks 2021).
3.2
Die Bedeutung des Nordkorea-Konflikts
Der Konflikt
Kern des Nordkorea-Konflikts ist die Überzeugung Pjöngjangs, es könne das von den
USA bedrohte Überleben des Regimes nur mit nuklearen Waffen sichern, während die
USA und ihre Verbündete das nordkoreanische Atomwaffenprogramm ablehnen (Hilpert
und Meier 2018:8). Auf erste Hinweise auf die Anreicherung von Plutonium 1992 und
dem Austritt Nordkoreas aus dem Atomwaffensperrvertrag folgte 1994 eine erste
Nukleare Krise, woraufhin die Sechs-Parteien-Gespräche (u.A. mit den USA und China)
2005 zwar zu dem Versprechen der Denuklearisierung Nordkoreas führten,
nordkoreanische Nukleare Tests in 2006, 2009, 2013, 2016 und zuletzt 2017 und die
Nuklearen Krisen 2013 und 2017-18 aber nicht verhindern konnten (Hilpert und Meier
2018:9).
Trump und die Denuklearisierung
Kernpunkt des US-amerikanischen Engagements auf der Koreanischen Halbinsel ist die
Denuklearisierung des nordkoreanischen Regimes. Washington nimmt dabei die
führende Rolle im Gesamtengagement westlicher Staaten ein (Hyun 2017:58f.). Die
Trump-Administration war hierbei, wie bereits Vorgänger-Administrationen, auf
Verbündete in der Region, insb. China, angewiesen, das die engsten Beziehungen mit
Nordkorea pflegt und Haupthandelspartner des Regimes ist (Boc und Wacker 2018:28;
Meyskens 2019:499). Mit Sekundärsanktionen und verbalen Überzeugungsversuchen
verfügten sie aber über wenig Leverage, um Pekings Kooperation sicherzustellen
(Bandow 2016:5; Bay 2017; Eisenman und Kennedy 2019; Friedman 2017; Haas und
Philipps 2017; Liegl 2017:3; Mozur 2017).
10
Während Vorgänger-Administrationen noch auf Geduld und schrittweise
Denuklearisierung Nordkoreas setzten, erwies sich die Maximum pressure-Strategie der
Trump-Administration als deutlich offensiver und aggressiver (Min und Han 2020:181;
Overhaus 2018:22; Sutter 2019:528). Kern dieser Strategie waren gemeinsame
ökonomische Sanktionen im Rahmen neuer UN-Resolutionen, die auf Initiative
Washingtons beschlossen wurden (Congressional Research Service 2018:4; Hyun
2017:59). Zusätzlich beschloss die USA eigene zusätzliche Sanktionen gegenüber
Nordkorea und Sekundärsanktionen gegenüber Staaten, die gegen die UN-
Resolutionen verstoßen (Min und Han 2020:181). Die Lösung des Nordkorea-Konflikts
wurde für Trump so – neben den Beziehungen zu China – Anfang 2017 zur obersten
außenpolitischen Priorität (Glaser und Viers 2017) und nahm eine große Rolle in der
Frage um seine Wiederwahl durch eine sehr Nordkorea-kritischen und über die
Nuklearisierung des Regimes besorgten Wähler:innen-Basis ein (Poushter 2017).
Die Nukleare Krise 2017-18
Die Nukleare Krise 2017-18 lässt sich einteilen in eine Phase gegenseitiger
Provokationen und drohender Eskalation und eine Phase von Verhandlungen und deren
schlussendlichem Scheitern.
Im April 2017 erklärt Pjöngjang als Folge auf die scheinbare Stationierung von US-
Militärschiffen vor der Koreanischen Halbinsel, was sich später als Fehler in der
Kommunikation Washingtons herausstellt (Acosta und Browne 2017; BBC News 2017b),
die Bereitschaft zum Krieg, sollte das Verhalten der USA dies verlangen (Lederer 2021).
Auf eine Reihe gegenseitiger Drohungen und rhetorischer Entgleisungen (s. z.B. BBC
News 2017c; Ogura und Cullinane 2017) folgt im Mai die Inbetriebnahme des
Raketenabwehrsystems THAAD in Südkorea (Panda 2017) und im Juli anlässlich des
Unabhängigkeitstags der USA der erste erfolgreiche Langstreckenraketentests, was Kim
Jong-un als „gift for the American bastards“ bezeichnet (Revere 2019:2). Auf einen
nordkoreanischen Raketentest über Japan im August 2017 folgt ein Nuklearer Test
Anfang September (Revere 2019:3). Diese Phase ist geprägt von Drohungen, Vorwürfe
und Beleidigungen (s. z.B. BBC News 2017a; Dewan et al. 2017; Fox News 2017; Kim
2017; McCurry 2017; The White House 2017w), unter Anderem droht Trump damit,
Nordkorea vollständig zu zerstören, solle die USA sich oder seine Verbündete
verteidigen müssen (ABC News 2017), was die Maximum pressure-Strategie der Trump-
Administration einleitet. Die nächsten Monate sind so geprägt von ersten umfassenden
Sanktionen im Rahmen zweier UN-Resolutionen, der Einführung von
11
Sekundärsanktionen der USA, weiterer Raketentests Nordkoreas und einer Reihe von
Telefonaten und Treffen von Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping (s.
z.B.: Glaser und Norkiewicz 2018; The White House 2017d, 2017c; UN - Meetings
Coverage and Press Releases 2017b, 2017a).
Die von Peking initiierte Treffen Kim und Xis im März und Mai 2018, bei denen Nordkorea
seine Bereitschaft zur Denuklearisierung erklärt, läuten eine Phase des diplomatischen
Austauschs ein (Jiang und Westscott 2018; Manning 2018). Im Juni 2018 treffen sich
beim Gipfel von Singapur zwischen Kim Jong-un und Donald Trump erstmalig die
Staatsoberhäupter beider Länder, wobei sie eine Vereinbarung unterzeichnen, in der
Pjöngjang nun auch schriftlich die Bereitschaft zur Denuklearisierung erklärt (Au Yong
und Wei 2018; Rosenfeld 2018). Dennoch gibt es weiter Hinweise darauf, dass
Nordkorea weiterhin an seinem Nuklearen Programm arbeitet (BBC News 2018a;
Mitchell 2018; Reuters 2018b), während Trump im Februar 2019 einen zweiten Gipfel
mit Kim frühzeitig beendet und eine geplante Vereinbarung nicht unterschrieben wird
(Liptak und Diamond 2019). Ein dritter, geplanter Gipfel der beiden Staatsoberhäupter
findet nie statt (Cammarata 2019), während der historische DMZ-Gipfel zwischen Trump,
Kim und Südkoreas Präsidenten Moon, auf dem Trump nordkoreanisches Gebiet betritt,
von einigen Beobachter:innen als reines „Marketing-Event“ eingeordnet wird und keine
substantiellen politischen Entscheidungen mit sich bringt (Lee 2019). Kim und Xi treffen
sich in dieser Phase insgesamt fünfmal (Manning 2018; Revere 2019:6ff.).
Die Verhandlungen zur Denuklearisierung Nordkoreas enden schließlich mit dem
Scheitern des US-nordkoreanischen Stockholm-Gipfels im Oktober 2019, der
mangelndes Vertrauen beider Seiten in ernsthafte Absichten des anderen zutage bringt
und die USA ihr Ziel der Denuklearisierung nach amerikanischen Konditionen verfehlt
(Lee 2020; Spetalnick und Brunnstrom 2020).
China und Nordkorea
Die Nordkorea-Strategie Pekings der letzten Jahre kann als eine Mischung
diplomatischer Bemühungen und ökonomischer Sanktionen (Kong 2021:87) bezeichnet
werden, während China gleichzeitig das Konzept der „double suspension“, ein
gleichzeitiges Beenden Nuklearer Tests Nordkoreas und militärischer Manöver der USA,
bewarb (Meyskens 2019:500).
China verfügt, unter Anderem aufgrund enger wirtschaftlicher Beziehungen, über einen
enormen Hebel über Nordkorea und befindet sich so in der Position, auch im Prozess
der Denuklearisierung eine bedeutende Rolle einzunehmen (Boc und Wacker 2018:28;
12
Twomey 2006). Für Peking stellt die Denuklearisierung aber, im Gegensatz zu den USA,
nicht oberste Priorität dar (Boc und Wacker 2018:28; Kim 2013; Wang 2018:268;
Zhenqiang 2003). Wichtiger sind Regimestabilität im eigenen Land und Sicherstellung
der Macht der Kommunistischen Partei, die Verringerung des US-Einflusses in Ostasien
und Aufrechterhaltung des Status Quo in Korea (Wang 2018:268), während einige
schreiben, Peking habe ein nuklearisiertes Nordkorea bereits akzeptiert (Wang
2018:272, 275).
So widerspräche eine zu starke Sanktionierung und ein drohender Regimekollaps
Nordkoreas, der Instabilität und eine Flüchtlingswelle in den angrenzenden Staat
auslösen würde, Chinas eigenen Interessen (Lee und Kim 2017:37; E. Yang 2020:75).
Auch will China den Einfluss der USA im ostasiatischen Raum möglichst beschränken,
was einer zu offenen Unterstützung internationaler und von den USA initiierten
Sanktionen widerspricht. Zudem formuliert Peking die Überzeugung, Washingtons
Provokationen seien Auslöser für die Nuklearisierung Nordkoreas und die USA damit für
die Lösung des Konflikts verantwortlich (Lee und Kim 2017:36f.). Motivation zur
Kooperation Chinas nach amerikanischen Vorstellungen stellen somit lediglich eine
höhere Anerkennung auf internationaler Ebene und die Verhinderung stärkerer US-
Präsenz in der Region dar (Lee und Kim 2017:35).
Die Volksrepublik verfügte im Beobachtungszeitraum also sowohl über die Möglichkeit,
Nordkorea zu Zugeständnissen zu bewegen und damit amerikanische Bemühungen zu
Denuklearisierung zu unterstützen, als auch amerikanische Bemühungen zu
untergraben und den Denuklearisierungsprozess zu blockieren beziehungsweise ihn
nicht zu unterstützen. Die USA dagegen verfügte in der Dimension des Nordkorea-
Konflikts mit Sekundärsanktionen und verbalen Überzeugungsversuchen über zu wenig
Leverage, um Pekings Kooperation sicherzustellen (Bandow 2016:5; Bay 2017;
Eisenman und Kennedy 2019; Friedman 2017; Haas und Philipps 2017; Liegl 2017:3;
Mozur 2017).
13
4
Theoretische Annahmen
Nachdem nun Hintergründe zum Untersuchungsgegenstand erläutert wurden, sollen im
Folgenden dieser Analyse zentrale theoretische Konzepte erläutert werden.
4.1
Das Carrot and Stick-Spiel
Die vorliegende Analyse greift auf die theoretischen Grundannahmen Zagares (2020)
zurück, der Handlungslogiken zweier politischer Kontrahenten in einem in der
Spieltheorie verorteten Carrot and Stick-Spiel beschreibt. Seinen theoretischen
Ausführungen zugrundeliegende Logik ist, dass ein Staat beim Versuch, das Verhalten
eines zweiten staatlichen Akteurs zu beeinflussen, nicht nur über die Möglichkeit verfügt,
zwischen Abschreckungsmechanismen/Drohungen oder Versprechungen/Belohnungen
zu wählen, sondern auch darüber, eine Carrot and Stick–Strategie anzuwenden und
potentiell beide Handlungsformen einzusetzen (ebd.:105). Zagare klassifiziert das Carrot
and Stick-Spiel als Strategie der Zwangsdiplomatie, stellt es aber klassischen
Abschreckungsstrategien entgegen, die primär darauf abzielen, eine Aktion, die bereits
begonnen hat, zu unterbinden. Auslöser ist hiermit vielmehr der Wunsch eines Akteurs,
den Status Quo zu verändern (2020:106).
Zagare identifiziert Entscheidungen der beteiligten Akteure und die daraus folgenden
Konsequenzen als zentrale Komponenten im Carrot and Stick-Spiel. Spielinitiator
bezeichnet er als Manipulator, das Gegenüber als Target (2020:106); hier sollen die
Bezeichnungen Manipulator und Adressat verwendet werden. Die Spieler verfügen
immer über eine Präferenz bezüglich des Spielausgangs und damit auch über eine
Präferenz bezüglich des Handelns des Gegenübers (ebd.:108). Während die Präferenz
des Manipulators die Änderung des Status Quo und damit Kooperation des Adressaten
ist, präferiert der Adressat im isolierten Carrot and Stick-Spiel die Verhinderung von
Bestrafung beziehungsweise belohnendes Verhalten des Manipulators (ebd.:109f.).
Mögliche Verhaltensausprägungen sind dementsprechend jeweils das Handeln entlang
beziehungsweise entgegen der Präferenz des Gegenübers.
Ablauf des Carrot and Stick-Spiels
Das Spiel beginnt durch die Forderung des Manipulators zur Änderung des Status Quo
und die Inaussichtstellung von einer vom Adressaten präferierten beziehungsweise
nicht-präferierten Aktion (Zagare 2020:106f.). Dies hebt die cost of non-compliance bei
Verweigerung der Kooperation des Adressaten an (Greffenius und Gill 1992:40). Im
14
nächsten Schritt hat der Adressat die Möglichkeit, der Forderung nachzukommen und
wie vom Manipulator präferiert zu handeln oder alternativ die Kooperation zu verweigern
und entgegen der Präferenz des Manipulators zu handeln. Anschließend kann auch der
Manipulator wählen, ob er das Verhalten des Adressaten würdigt (ob positiver oder
negativer Art; also entsprechend bestraft beziehungsweise belohnt) oder unabhängig
vom Verhalten des Adressaten handelt (Zagare 2020:107f.). Damit das Verhalten des
Manipulators aber glaubwürdig bleibt und diese Strategie langfristig funktioniert, ist es
notwendig, dass der Manipulator entsprechend des Verhaltens des Adressaten reagiert
- also nicht etwa trotz Kooperation des Adressaten belohnendes Verhalten auslässt
beziehungsweise bestrafendes an den Tag legt oder bei Nicht-Kooperation bestrafendes
Verhalten unterlässt beziehungsweise belohnendes zeigt (Zagare 2020:107, 112).
Für die Anwendung einer glaubhaften und erfolgreichen Carrot and Stick-Strategie ist
also folgender Mechanismus zu erwarten:
A0: Ausprägung Verhalten des Adressaten →
gleichgerichtete Ausprägung Verhalten des Manipulators
und damit folgende Zusammenhänge:
A1: Von Manipulator präferiertes Verhalten des Adressaten →
Von Adressat präferiertes Verhalten des Manipulators
A2: Von Manipulator nicht-präferiertes Verhalten des Adressaten →
Von Adressat nicht-präferiertes Verhalten des Manipulators
Abbildung 1: Staatliches Verhalten im Carrot and Stick-Spiel
Der Adressat hat auch nach einer ersten Runde des Carrot and Stick-Spiels die
Möglichkeit, das eigene Verhalten zu wählen und eventuell anzupassen, um eine eigens
15
präferierte Reaktion durch den Manipulator zu erwirken beziehungsweise nicht-
präferiertes Verhalten abzuwehren (Zagare 2020:106f.).
Das Carrot and Stick-Spiel geht nicht von zwangsläufiger reziproker Reaktion aus, die
der Lösung eines Konflikts geringe Chancen zuspricht und stattdessen eine
Abwärtsspirale der zwischenstaatlichen Beziehung annimmt. In einem solchen Falle
wäre eine Verhaltensänderung des Adressaten mit dem Ziel, künftig präferiertes
Verhalten des Manipulators zu erwirken, ausgeschlossen (Greffenius und Gill 1992:39,
41).
Als Kette aus Aktion und Reaktion, ist in einer isolierten Situation immer zu erwarten,
dass der Manipulator auf das Verhalten des Adressaten in entsprechend-gerichteter
Ausprägung reagiert. Den in der Carrot and Stick-Strategie formulierten
Verhaltensmechanismus wird in dieser Ausarbeitung zwischenstaatlichen
Konfliktsituationen zugrunde gelegt. Es soll nicht untersucht werden, inwiefern er im
Untersuchungsgegenstand zu beobachten ist und stattdessen vielmehr dazu dienen, bei
Issue Linking zu erwartende Verhaltensausprägungen zu definieren.
4.2
Issue Linkage/Linking
Aufgrund der fehlenden systematischen Untersuchungen von Issue Linkage und der
bisher starken Fokussierung auf explizite und ökonomische Formen bezieht sich diese
Analyse für die theoretische Näherung des Konzepts auf eine Reihe von Publikationen.
Definitionen Issue und Issue Linkage
Nach Keohanye und Nye setzt sich die außenpolitische Agenda eines Staates aus allen
die jeweilige Regierung betreffenden Issues zusammen. Ein Issue
3
ist also jegliche für
die Außenpolitik eines Staates relevante Angelegenheit und kann in diversen
Themenfeldern verortet sein (2001:22f.). Issues bilden damit in einer interdependenten
Welt die Grundlage für zwischenstaatliche Beziehungen (Keohane 2001:21).
Unterschiedliche Akteure verfügen in verschiedenen Issues über unterschiedlich viel
Macht, was eine grundsätzliche Quelle für Einfluss darstellt (Keohane 2001:9).
3
Hier soll der englische Begriff Issue beibehalten werden. Im Deutschen existiert kein
äquivalent passender Begriff, weder Angelegenheit, Problem, Konflikt, Fall o.Ä. kann das
Konzept zureichend erfassen; Issue schließt aber all diese Begriffe mit ein.
16
Erstmalig aufgebracht von John Rosenau, fasste Issue Linkage ursprünglich die
Verzahnung internationaler und domestischer Politik (Rosenau 1961, 1967, 1969).
Heute bezeichnet das Konzept meist die bewusste Verknüpfung mindestens zweier
außenpolitische Issues durch einen Staat bei gleichzeitiger Behauptung, die Lösung
eines Issues könne nicht ohne die des andern erfolgen (Wiegand 2009:174). Dixon
bezeichnete das Konzept als „cross-sector matching“ und als Reaktion auf das Verhalten
eines Akteurs auf einer anderen, alternativen Issue-Dimension (1986:430, 432).
Linkage vs. Linking
Issues, Angelegenheiten von Außenpolitik, können bereits durch ihre Verortung im
internationalen Konfliktherd miteinander verzahnt sein, ohne dass aktiv eine
Verknüpfung hergestellt werden muss. So kann Issue Linkage sowohl als Zustand als
auch als Prozess verstanden werden. Leebron etwa unterscheidet zwischen substantial
und tactical linkage (Leebron 2002), Haas zwischen substantive und tactical
beziehungsweise fragmented linkage (Haas 1980). Issue Linkage ist kann damit als
Zustand beschrieben werden, in dem zwei oder mehrere Themen sich gegenseitig
beeinflussen, unabhängig davon, ob dieser Linkage aktiv hergestellt wurde oder in der
Natur der Themen liegt. Zum anderen bezeichnet Issue Linkage einen Prozess, also
eine Strategie des Knüpfens eigener Handlungen an Handlungen eines anderen
staatlichen Akteurs auf einer anderen Dimension (Keohane 2001:26). Ich finde diese
Unterscheidung, die begrifflich in der Literatur leider kaum Beachtung findet, wichtig,
weshalb Letzteres in dieser Arbeit als Issue Linking bezeichnet werden soll. Issue
Linking schließt nicht aus, dass ein Issue Linkage bereits vor Rückgriff darauf bestand –
das ist für diese Analyse zweitrangig – sondern beschreibt vielmehr die aktive
Entscheidung, das eigene Handeln entlang dieser Struktur, ob bestehend oder aktiv
geschaffen, auszurichten.
Motivation und Möglichkeiten
Zweck von Issue Linking ist das Herstellen zusätzlicher Macht, also der Fähigkeit, einen
Akteur ein präferiertes Verhalten vornehmen zu lassen, das er sonst nicht tun würde. Es
ist ein Versuch der Machtübertragung in eine Dimension, in der das Gegenüber über
weniger Macht verfügt (Oye 1979:3). So können Staaten Issues, in denen sie über ein,
im Vergleich zum anderen Akteur, hohes Maß an Leverage besitzen, einsetzen um Ziele
in Issues, in denen sie über ein geringes Maß an Leverage verfügen, zu erreichen
(Wiegand 2009:173).
Linkage-Initiator soll im Folgenden – analog zu den Bezeichnungen im Carrot and Stick-
17
Spiel – als Manipulator, der Akteur, auf dessen Handeln das Issue Linking abzielt, als
Adressat bezeichnet werden.
Issue Linking geschieht immer freiwillig (Dixon 1986:430) und kann eine lang erdachte
und konsistente Strategie sein, aber auch als spontane Aktion erfolgen (Dixon 1986:430;
Wiegand 2009:174). Die Strategie muss nicht explizit formuliert beziehungsweise
verbalisiert werden, eine Absprache, ein Deal, der beteiligten Akteure ist nicht nötig
(Maggi 2016:4; Wiegand 2009:174). Damit unilaterales, implizites Issue Linking eines
Staates aber wirkungsvoll ist, muss der Manipulator klar kommunizieren, der Linkage
muss deutlich werden (Wiegand 2009:174). Ebenso muss der Adressat die
Handlungspräferenzen des Manipulators kennen (Stein 1980:81). Die Issues müssen für
die beteiligten Akteure jeweils unterschiedlich viel wert sein (Keohane 2001:9; Wiegand
2009:176). Eine Ungleichverteilung von Macht der Akteure in den jeweiligen Issues ist
keine Voraussetzung für Issue Linking, begünstigt es aber (Oye 1979:13) .
Der Issue Linking zugrundeliegende Mechanismus
Der Manipulator kann, wie in Abbildung 2 dargestellt, entlang des Issue Linkings sein
Verhalten auf Ausweich-Issue Y an das Verhalten des Adressaten auf Ausgangs-Issue
X knüpfen. Der Adressat hat so die Möglichkeit, das eigene Verhalten auf dem
Ausgangs-Issue X zu wählen beziehungsweise im späteren Verlauf zu ändern, um auf
das Verhalten des Manipulators auf dem Ausweich-Issue Y einzuwirken und etwa eine
präferierte Reaktion begünstigen beziehungsweise nicht-präferiertes Verhalten
abzuwehren (Wiegand 2009:173).
Abbildung 2: Logik von Issue Linking
18
Die Anwendung der Strategie des Issue Linkings beschränkt das Aktionsrepertoire des
Manipulators im Ausweich-Issue Y ist nicht per se. Verfügbare und strategisch günstige
Handlungsoptionen richten sich vielmehr nach den involvierten Akteuren, betroffenen
Issues und entsprechenden Umständen. Der Manipulator muss sich also nicht zwingend
auf eine Handlungsform (militärisch, ökonomisch etc.) beziehungsweise eine
Handlungsrichtung (positiv/ negativ beziehungsweise vom Adressaten präferiert-/ nicht-
präferiert) beschränken (Wiegand 2009:174).
4.3
Carrot and Stick bei Issue Linking
Ein staatlicher Akteur kann beim Versuch, das Gegenüber zu einem präferierten
Verhalten in einem bestimmten Ausgangs-Issue X zu bewegen, die Strategie des Issue
Linkings anwenden und damit das eigene Verhalten – dessen Ausprägung bei
rationalem Handeln entlang des Carrot and Stick-Spiels definiert wird – auf einem
alternativen Ausweich-Issue Y ausführen. In diesem Fall wäre folgende Struktur zu
erwarten:
B0: Ausprägung Verhalten des Adressats im Issue X →
gleichgerichtete Ausprägung Verhalten des Manipulators im Issue Y
Vormals als „präferiertes Verhalten“ bezeichnetes Verhalten, soll im Folgenden als
„positives Verhalten“, „nicht präferiertes Verhalten“ als „negatives Verhalten“ bezeichnet
werden. Positives Verhalten meint also vom anderen Akteur als präferiertes
wahrgenommenes Verhalten und vice versa.
Dies erleichtert nicht nur den Lesefluss, sondern schließt auch die ausschlaggebende
Bewertung des Verhaltens des Adressaten durch den Manipulator mit ein. So wäre nicht
schlüssig, der Manipulator würde mit positivem Verhalten auf positives Verhalten des
Adressaten reagieren, solange er dieses als negativ wahrnimmt. Erst die positive
Bewertung durch den Manipulator macht das Verhalten des Adressaten zu einem
relevanten positiven Verhalten.
Daraus folgt, wie in Abbildung 3 dargestellt:
B1: Positives Verhalten des Adressats im Issue X →
Positives Verhalten des Manipulators im Issue Y
B2: Negatives Verhalten des Adressats im Issue X →
Negatives Verhalten des Manipulators im Issue Y
19
4.4
Übertragung der Thesen und Modelle auf den
Untersuchungsgegenstand
Nachdem nun grundsätzliche theoretische Zusammenhänge erläutert wurden, soll im
Folgenden der Untersuchungsgegenstand in das Konzept Issue Linking und den
zugrundeliegenden Carrot and Stick-Verhaltensmechanismus eingeordnet und zu
erwartende Zusammenhänge in den identifizierten Issues formuliert werden.
Als Linking-Initiator ist die USA in der vorliegenden Analyse als Manipulator zu
bezeichnen, China, auf dessen Handeln Linking abzielt, als Adressat. Ausgangs-Issue
ist der Nordkorea-Konflikt (Issue X), verknüpftes Issue der Konflikt in der Taiwan Straße
(Issue Y). Dies bedeutet nicht, dass die beiden Issues nicht bereits vor dem hier
postulierten Handeln der Trump-Administration entlang dieser Linkage-Struktur
miteinander verwoben sein konnten (und auch nicht ob etwaiges Issue Linking
erfolgreich war) – dieser Zusammenhang ist für die Untersuchung zweitrangig.
Linking Nordkorea - Mechanismus
Wird der Carrot and Stick-Spielen und Issue Linking zugrundeliegende Mechanismus
auf den Gegenstand dieser Arbeit übertragen, wäre zu erwarten, dass der Manipulator
USA auf chinesisches Verhalten im Nordkorea-Konflikt auf einem anderen Issue in
gleichgerichteter Ausprägung reagiert.
Es ist davon auszugehen, dass sowohl die USA als auch China über für ein Issue Linking
notwendiges Wissen über Verhaltenspräferenzen des Gegenübers verfügen. So macht
Washington sehr deutlich, welche Rolle es sich von China im Nordkorea-Konflikt
wünscht (z.B. Meyskens 2019:499; The White House 2017f, 2017aa), während Peking
Abbildung 3: Staatliches Verhalten bei Issue Linking
20
jegliches Taiwan-zugewandtes Verhalten als „Einmischung in innere
Angelegenheiten“ bezeichnet (z.B. ZEIT ONLINE 2019).
Wie bereits ausgeführt, ist - ausgenommen externer Faktoren - eine Reaktion des
Manipulators auf das Verhalten des Adressaten in andersgerichteter Ausprägung, also
eine positive Reaktion auf negatives Verhalten und vice versa, als nicht rational und
damit nicht plausibel zu fassen.
Somit ist folgender Zusammenhang zu erwarten:
C1: Positives Verhalten Chinas im Nordkorea-Konflikt (Issue X) →
Positives Verhalten der USA gegenüber China im Issue Y
C2: Negatives Verhalten Chinas im Nordkorea-Konflikt (Issue X) →
Negatives Verhalten der USA gegenüber China im Issue Y
Linking Taiwan - Mechanismus
Bei vorliegendem Issue Linking mit dem Issue Taiwan würde der Manipulator USA nun
erwarten, dass der Adressat China im Nordkorea-Konflikt wie von Washington
gewünscht handelt, um im Taiwan-Konflikt Zugeständnisse der USA zu erreichen
beziehungsweise nicht-erwünschtes Verhalten abzuwehren. Der zentrale in dieser
Arbeit zu untersuchende Mechanismus ist daher:
ZUV: Verhalten Chinas im Nordkorea-Konflikt → ZAV: US-Taiwan-Politik
Legt China positives Verhalten im Issue Nordkorea an den Tag, müsste die USA China
im Issue Taiwan entgegenkommen. Zeigt China dagegen negatives Verhalten im Issue
Nordkorea, müsste die USA ein nicht von Peking präferiertes Verhalten im Issue Taiwan
zeigen. Die USA würde so auf chinesisches Verhalten im Nordkorea-Konflikt mit
gleichgerichtetem Verhalten im Taiwan-Konflikt reagieren.
Es ergäbe sich folgende Struktur:
D1: Positives Verhalten Chinas im Nordkorea-Konflikt →
Positives Verhalten der USA gegenüber China im Taiwan-Konflikt
D2: Negatives Verhalten Chinas im Nordkorea-Konflikt →
Negatives Verhalten der USA gegenüber China im Taiwan-Konflikt
21
Da sich nun eine Taiwan-zugewandte Politik, also jegliche Annäherung an Taiwan,
gegen die Interessen Pekings richtet und Taiwan-abgewandte Politik, also das
Unterlassen dieser Annäherungen, im Interesse Pekings liegt, ist US-amerikanisches
Verhalten gegenüber Taiwan beziehungsweise China als Kontinuum zu betrachten.
Während auch hier die Annahme von Verhalten als Kontinuum gilt, ist für dichotome
Ausprägungen anzunehmen:
Positives Verhalten der USA gegenüber China =
Negatives Verhalten der USA gegenüber Taiwan
Negatives Verhalten der USA gegenüber China =
Positives Verhalten der USA gegenüber Taiwan
Positives Verhalten der USA gegenüber Taiwan
Es ist folgende Struktur zu erwarten:
E1: Positives Verhalten Chinas im NK-Konflikt →
Negatives Verhalten der USA gegenüber Taiwan
E2: Negatives Verhalten Chinas im NK-Konflikt →
Positives Verhalten der USA gegenüber Taiwan
Verhalten selbst ist schwer greif- und messbar, setzt sich aber aus einer Summe diverser
Akte zusammen. So zeigt sich positives Verhalten gegenüber Taiwan durch eine Reihe
von Akten der Taiwan-Zugewandtheit, negatives Verhalten als Reihe von Akten der
Taiwan-Abgewandtheit. Dafür ergibt sich bei der Übertragung des Modells des Issue
Linking auf den vorliegenden konkreten Untersuchungsgegenstand folgendes Modell:
Abbildung 4: Gegensätzlichkeit staatlichen Verhaltens gegenüber China und Taiwan
22
Erwartungen
Bei vorliegendem Issue Linking ist US-amerikanisches Handeln als Reaktion auf
chinesisches Handeln und dadurch eine zeitlich minimal nachgestellte Reaktion zu
erwarten. Das Vorliegen identischer oder ähnlicher Ausprägungen der US-Taiwan-Politik
nach chinesischem Verhalten jeweiliger Ausprägung (s. Tabelle) deutet somit auf ein
Verknüpfen der Issues Taiwan und Nordkorea durch die USA hin.
Ausprägung chinesischen Verhaltens im
Nordkorea-Konflikt (ZAV)
Ausprägung der US-Taiwan-Politik
(ZUV)
sehr positiv
sehr negativ
positiv
negativ
moderat
moderat
negativ
positiv
sehr negativ
sehr positiv
Abbildung 5: Issue Linking zwischen Taiwan und Nordkorea
23
5
Methode
Nach einer Feststellung des erwarteten Mechanismus bei vorliegendem Issue Linking
sollen im Folgenden Untersuchungsgegenstand definiert, Datenbasis und verwendete
Quellen erläutert und das Verfahren bei Messung der Variablen und der
schlussendlichen Prüfung der Forschungsfrage erläutert werden.
5.1
Untersuchungsgegenstand
Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Analyse ist der Zusammenhang zwischen
dem Issue Taiwan, konkret der US-Taiwan-Politik, und dem Issue Nordkorea, konkret
chinesischem Verhalten im Nordkorea-Konflikt.
Zeitlich soll der Zeitraum, in dem Donald Trump amtierender Präsident der USA war, in
den Blick genommen werden, also die Zeit zwischen dem 20. Januar 2017 und dem 20.
Januar 2021.
Als zentrale Akteure werden staatliche Akteure gefasst. Seitens der USA sind Präsident,
Vizepräsident und Außenminister als die einzigen außenpolitischen
Entscheidungsträger, bei denen ausreichend außenpolitische Kompetenzen für konkrete
Strategieformulierung und ein potentielles Issue Linking zusammenlaufen, zu fassen.
Sowohl die Situation in Nordkorea als auch in Taiwan bedeuten hohes Konfliktpotenzial,
was der Regierung in Relation zu anderen politischen Akteuren einen großen
Handlungsspielraum verschafft (Jäger 2017:37). Zudem wurde bis in die 90er Jahre
Taiwan-Politik vor Allem vom Kongress betrieben, ist aber immer mehr in die
Verantwortung der Exekutive gerückt (Glaser et al. 2020a:22). Während der Präsident
in Fragen der Außenpolitik traditionell eine zentrale Rolle einnimmt (Spanier und Uslaner
1994:25), machte sich Trump abnehmende Handlungskompetenzen von Kongress,
Bürokratie und State Department zu Eigen (Boon und Sworn 2020:1504; Goldgeier und
Saunders 2018:156). So ist der Kongress vernachlässigbar, der Außenpolitik
insbesondere durch Druck auf die Regierung und Gesetze betreibt, die einer
umfangreichen Ausgestaltung der Regierung bedürfen, um ihre Wirkung zu entfalten (Hu
2018:83; Lin und Zhou 2018:197). So ist der oftmals reaktive und in Form von
langfristigen Maßnahmen agierende Kongress kein zentraler Akteur in Fällen, die akutes
und schnelles Handeln voraussetzen wie dem hier zu untersuchenden (Zoellick 1999:23,
31). Auch die Bürokratie ist durch ihr primäres Handlungsfeld in der krisenfreien
Außenpolitik zu vernachlässigen (Spanier und Uslaner 1994:24, 124).
Auch bzgl. China ist die chinesische Regierung, also Staatschef und Außenminister, als
24
zentrale Entscheidungsträger in der Außenpolitik gefasst. So ist die politische Macht vor
allem in der Person Xi Jinpings und anderen hochrangigen Offiziellen höchst konzentriert
(Zhao 2020:85f., 90) und es liegt an führenden Persönlichkeiten, Nordkorea zur
Kooperation im Denuklearisierungsprozess zu bewegen. Bürokratie und Partei sind hier
lediglich für die Umsetzung und Beratung zuständig (Zhao 2020:86). Grundsätzlich ist
für die Analyse aber die Instanz wichtig, die Washington als China betrachtet und der sie
Kompetenzen zuspricht, im Nordkorea-Konflikt zu agieren.
5.2
Verfahren und Daten
Es kommt ein Methodenmix von qualitativen und quantitativen Ansätzen zum Einsatz:
Während die Bewertung einzelner Akte entlang von Phasen qualitativ erfolgt, werden die
Bewertungen in einem zweiten Schritt quantifiziert, um sie für den Vergleich und eine
quantitative Gesamtbewertung nutzbar zu machen.
Vorgehen bei Vorbereitung der Analyse
Verhalten ist als eine Summe von Akten zu fassen, die unterschiedliche Ausprägungen
annehmen können (und in der Summe die Ausprägung von Verhalten beschreiben).
Nach Erhebung und Klassifizierung der einzelnen Akte soll durch die
Gesamtbetrachtung der Akte von ZUV und ZAV jeweils Muster ausfindig gemacht und
chinesisches Verhalten im Nordkorea-Konflikt beziehungsweise US-Taiwan-Politik in
voneinander unabhängige Phasen eingeteilt werden. Diese Phasen sind nicht unbedingt
vom allgemeinen Geschehen im Nordkorea-Konflikt unabhängig, werden aber nicht
entlang der dortigen Geschehnisse gebildet.
Die Analyse anhand von Phasen ermöglicht einen systematischen Blick und das
Identifizieren von größeren Zusammenhängen in beiden langjährigen Konflikten und
verhindert gleichsam einen Selection Bias, die zu starke Fokussierung auf Details und
die Überbewertung einzelner Akte. Da Außenpolitik in dieser Arbeit als konstante
Strategie begriffen wird, die nicht nur in Zeiten der Extreme stattfindet, scheint eine
Betrachtung von Verhalten nur anhand einzelner Schlüsselereignisse – etwa
Nordkoreas Nuklearem Test im September 2017 – ohnehin nicht sinnvoll. So nimmt
diese Ausarbeitung an, dass Peking eine grundsätzlich konstante Nordkorea-Strategie
anwendet, während auch Issue Linking mit dem Zweck, Chinas Kooperation zu bewirken,
als längerfristige Strategie und nicht ad hoc-Handeln zu verstehen ist. Zudem soll die
Betrachtung in Phasen Ungenauigkeiten der zeitlichen Abfolge ausgleichen. So werden
einige Akte eventuell früher initiiert als sie ausgedrückt werden (Reisen US-Offizieller
25
nach Taiwan etwa werden früher geplant als sie tatsächlich stattfinden). Der Prozess der
Vorbereitung ist nicht für jeden Akt nachvollziehbar, dessen Recherche ohnehin die
verfügbaren Ressourcen übersteigen würde. Die Betrachtung von Verhalten in Phasen
soll dies ausgleichen.
Neben der Ausprägungs-Richtung des Aktes (positiv/negativ), ist es für eine eingehende
Betrachtung staatlichen Handelns unter der Annahme von Verhalten als Kontinuum auch
wichtig, die Stärke der Ausprägung zu berücksichtigen (Keohane 1986:8). So sind
beispielsweise militärischer Angriff und verbale Verurteilung negative Akte, wiegen aber
nicht gleichauf.
Verhalten soll, als Summe der Akte in einer Phase chinesischen beziehungsweise
amerikanischen Handeln, in fünf Ausprägungen gemessen werden: sehr positiv, positiv,
moderat, negativ und sehr negativ. Das detaillierte Messverfahren qualitativer Art mit
teils-quantifizierten Anteilen soll später ausgeführt werden.
Vorgehen bei der Analyse
Nach Messung der Phasen soll untersucht werden, ob die Phasen amerikanischen und
chinesischen Verhaltens einem festen Muster folgen und der potentielle Zusammenhang
in erwarteter Richtung vorliegt. Wie bereits ausgeführt, ist US-amerikanisches Verhalten
als Reaktion auf chinesisches Verhalten und damit als eine zeitlich minimal nachgestellte
Reaktion auf einzelne Akte mit wiederum einzelnen Akten. Für die Betrachtung von
phasenweisem Verhalten, nicht Einzelereignissen, bedeutet dies, dass gleichzeitiges
Auftreten von Phasen gleicher oder ähnlicher Ausprägungen von ZUV und ZAV auf ein
Verknüpfen beider hier behandelter Issues durch die USA hinweist.
Aufbauend auf der Analyse soll durch qualitative Betrachtung festgestellt werden, ob
sich einzelne Schlüsselmomente chinesischen Verhaltens auch in der amerikanischen
Taiwan-Politik niederschlagen beziehungsweise Schlüsselmomente der Taiwan-Politik
durch chinesisches Verhalten zu erklären ist. So soll sichergestellt werden, dass der
beobachtete Zusammenhang in postulierter Kausalrichtung vorliegt beziehungsweise
potentielles Issue Linking von der USA, nicht China, ausgeht.
ZUV: Chinesisches Verhalten im Nordkorea-Konflikt
Datenbasis
Grundsätzlich entspricht jegliches Verhalten Chinas, das auf das Ziel der
Denuklearisierung Nordkoreas über die Strategien maximalen Drucks und
diplomatischen Austauschs abzielt, der Präferenz der USA. Dies beinhaltet das
26
Mittragen von durch die USA initiierten Maßnahmen (z.B. UN-Resolutionen), jegliche
Akte, die Druck auf Nordkorea ausüben (etwa diplomatisch durch Drohungen und
Verurteilungen, ökonomisch oder militärisch) und Bemühungen, Nordkorea zu
diplomatischen Gesprächen zu bewegen.
Jedoch ist nicht möglich, für jeden Typ Akt per se festzulegen, ob ein einzelner Akt
Chinas im Nordkorea-Konflikt dem präferierten Verhalten der USA entspricht und damit
als positives Verhalten gewertet werden kann. Die Ausprägung diplomatischer
Gespräche etwa und Bewertung als positiver oder negativer Akt richtet sich immer nach
der konkreten Ausgestaltung. So läge es nahe, die Treffen zwischen Kim und Xi als
Bemühungen Chinas, Nordkorea zur Denuklearisierung zu bewegen, also in den Augen
der USA als positives Verhalten, zu bewerten, während dies auch als Versuch, den
eigenen Einfluss auszuweiten und die US-Strategie zu blockieren, verstanden werden
kann (E. Yang 2020:77).
Daher soll sich bei der Erhebung chinesischen Handelns im Nordkorea-Konflikt nicht nur
auf konkrete Akte Chinas (1) durch etwa Sanktionen nordkoreanischer Waren oder
illegalen Handel mit Nordkorea beschränkt werden. Zudem soll in offiziellen Statements
– durch Xi Jinping, den Außenminister und den Sprecher:innen der Regierung und des
Außenministeriums geäußerte Absichten beziehungsweise Bewertungen der Situation
als politische Akte (2) – wohlwissend, dass auch die Internationale Gemeinschaft, inkl.
USA, diese Äußerungen wahrnehmen und verarbeiten würde, – berücksichtigt werden.
Schlussendlich ist für die amerikanische Handlungsentscheidung gegenüber Taiwan
aber Washingtons Wahrnehmung und Bewertung chinesischen Handelns (3)
entscheidend. So sollen auch Statements der Regierung – konkret durch Trump, den
Vizepräsidenten, Außenminister
4
und den Sprecher:innen von White House und State
Department - in Reden und Pressekonferenzen erhoben werden, ebenso wie Twitter
Posts (Tweets) Donald Trumps. Dies ermöglicht eine bessere Einbettung und Bewertung
chinesischen Handelns. Da Trump großflächig politische Botschaften über den
Kurznachrichtendienst Twitter kommuniziert hat, wird hierdurch einen Einblick in
unmittelbare und ungefilterte Reaktionen erlangt – im Gegensatz zu etwa
Pressekonferenzen, in denen sich Trump oft ausweichender und diplomatischer äußerte
(s. z.B. U.S Department of State 2018). Diese Methode wurde etwa bereits bei der
4
Äußerungen kommissarischer Außenminister (Shannon und Sullivan) werden in dieser
Analyse aufgrund der sehr kurzen Amtszeit nicht berücksichtigt, ebenso wie Rex Tillersons, der
eine zum White House teils gegensätzliche Nordkorea-Strategie anwandte und u. A. deshalb
letztlich entlassen wurde (BBC News 2017d; Holland und Wroughton 2018; Mollman 2017).
27
Erhebung von Trumps Position gegenüber China im Nordkorea-Konflikt bei Glaser und
Viers (2017) herangezogen. Die Einbeziehung der Tweets und stärkeren Gewichtung
von Trumps Äußerungen ermöglicht außerdem die Berücksichtigung der besonderen
Stellung des Präsidenten im außenpolitischen Prozess.
Durch die Berücksichtigung dieser drei Komponenten soll ein akkurates Gesamtbild
chinesischen Verhaltens erfasst werden. So ist unmöglich festzustellen, ob chinesisches
Verhalten an sich in den Augen Washingtons positiv oder negativ ist. Verbale und
schriftliche Reaktionen seitens White House und State Department können eine
Einschätzung erleichtern, geschehen aber auch immer aus politischem Kalkül und
adressieren in vielen Fällen die eigene Wählerschaft. Deshalb ist die Erhebung der ZUV
als Puzzle verschiedener Dimensionen zentral.
Quellen
Aufgrund der Diversität der Daten sollen diese ebenfalls aus einer Reihe von Quellen
bezogen werden. Die Beschränkung auf wenige Quellen ist nicht möglich, da sonst die
Gefahr droht, einzelne Akte überzubewerten und andere wichtige gänzlich außen vor zu
lassen. Chinesisches Handeln im Nordkorea-Konflikt soll über Webversionen diverser
Zeitungen und bestehende wissenschaftliche Publikationen erfasst werden. Die
Webseite der UN Bibliothek liefert Daten über das Abstimmungsverhalten Chinas in der
UN (UN Digital Library o. J.). Es ist davon auszugehen, dass alle wichtigen und
öffentlichen verbalen Botschaften der chinesischen Regierung an Nordkorea, auch
Äußerungen in Pressekonferenzen o.Ä., auch in der Global Times – von der
amerikanischen Regierung als „foreign mission“ und somit offizielles Sprachrohr der
Regierung gehandhabt (Brunnstrom und Pamuk 2020) – wiederzufinden sind, weshalb
die Zeitung als Datenbasis für diese Dimension herangezogen werden soll (Global Times
o. J.). Entsprechende Archive zu Reden und Pressekonferenzen auf englischen
Webseiten der Regierung und des Außenministeriums erweisen sich nach Stichproben
leider als unvollständig.
Aussagen zur US-Wahrnehmung chinesischen Verhaltens sollen über archivierte
Webseiten des White House und State Departments der Trump-Administration erhoben
werden (The White House o. J.; U.S. Department of State o. J.). Auf die Tweets Donald
Trumps werden aufgrund der Löschung seines privaten Accounts @realDonaldTrump
über die Webseite The Trump Archive zurückgegriffen (Brown o. J.).
5
5
Aufgrund der fehlenden Möglichkeit, per Direktlink auf spezifische Tweets zu verweisen, wird
der Wortlaut aller verwendeten Tweets im Anhang ausgeführt. Im Text werden sollen lediglich
Datum des Postens genannt werden.
28
Operationalisierung
Aufgrund der Mehrdeutigkeit vieler Akte erscheint es nicht plausibel, eine quantitative
Analyse chinesischen Verhaltens vorzunehmen und die Summe positiver und negativer
Akte schlicht zu verrechnen. Stattdessen soll eine qualitative Messung der Daten
vorgenommen und jeder Akt vereinfacht als positiv oder negativ – also von den USA
präferiert oder nicht präferiert – bewertet werden, woraufhin bei Berücksichtigung der
Ausprägung und Frequenz der Akte zeitliche Phasen gebildet werden sollen. Die Phasen
können so folgende Ausprägungen annehmen: sehr positives Verhalten Chinas,
positives Verhalten Chinas, moderates Verhalten Chinas, negatives Verhalten Chinas,
sehr negatives Verhalten Chinas.
ZAV: US-Taiwan-Politik
Datenbasis
Die US-amerikanische Taiwan-Strategie umfasst auch an China gerichtete Akte, die
Taiwan indirekt betreffen. Da Fokus dieser Analyse aber die US-amerikanische Taiwan-
Politik ist, soll sich auf Akte fokussiert werden, die Taiwan unmittelbar involvieren
beziehungsweise sich direkt auf Taiwan beziehen. Etwa die Verurteilung chinesischer
Militärmanöver vor der Küste Taiwans durch die USA sind somit nicht Teil der
unmittelbaren Taiwan-Politik.
Bei der Betrachtung der US-amerikanischen Taiwan-Politik fällt die Bewertung dessen,
welches Verhalten beziehungsweise welcher Akt im Interesse Chinas liegt und welches
nicht, eindeutiger aus. Jegliche Annäherung an Taiwan, jeglicher zugewandte Akt durch
Washington ist als von Peking nicht präferiertes Verhalten zu werten, weshalb es bei der
Erhebung der ZAV-beschreibenden Daten genügt, sich auf die tatsächlichen Akte der
US-Regierung zu beschränken (entsprechend UV-Dimensionen 1 und 2) und die
Bewertung durch China (entsprechend UV-Dimension 3) außenvorzulassen. Eine
Existenz Taiwan-zugewandter Akte ist also als negatives Verhalten gegenüber China zu
werten, während bereits das Ausbleiben dieser Akte durch ausbleibende Versicherung
von Unterstützung Taiwan indirekt schadet und als positiver Akt gegenüber Chinas zu
werten ist. Vereinfacht ergibt sich:
Existenz Akte = positives Verhalten gegenüber Taiwan
= negatives Verhalten gegenüber China
Unterlassen von Akten = negatives Verhalten gegenüber Taiwan
= positives Verhalten gegenüber China
29
Aufgrund der zentralen Bedeutung sicherheitspolitischer Themen in den US-Taiwan-
Beziehungen und der provozierenden Wirkung auf China, die bei ökonomischen oder
kulturellen Angelegenheiten ausbleibt oder als deutlich schwächer zu erwarten ist, soll
sich auf sicherheitspolitische und diplomatische Akte begrenzt werden. Zudem werden
nur Akte berücksichtigt, die in der Kompetenz von White House und State Department
liegen. Aufgrund ihrer regelmäßigen Anwendung in der US-amerikanischen
Außenpolitik im Allgemeinen, der US-amerikanischen Taiwan-Politik im Allgemeinen
und der US-Taiwan-Politik der letzten Jahre, soll sich auf folgende Dimensionen
bezogen werden: Diplomatische Bemühungen, Verbale Unterstützung, Militärmanöver
und Genehmigungen von Waffenlieferungen.
Es wurde festgehalten, dass das Timing von Akten zur Kommunikation von Signalen
(gleich positiver oder negativer Art) von zentraler Bedeutung ist. Dennoch sollen auch
Akte in die Analyse aufgenommen werden, bei denen Washington den Zeitpunkt nicht
frei wählen kann, etwa bei Fragen zu Taiwan auf Presskonferenzen oder der
Genehmigung von Zwischenstopps Taiwan-Offizieller in der USA – so könnte
Washington diese Akte auch unterlassen, entscheidet sich zu diesem Moment aber aktiv
zur Ausübung in der jeweiligen Ausprägung.
Diplomatische Bemühungen beinhalten Gespräche zwischen hochrangigen US- und
Taiwan-Offiziellen, Besuche hochrangiger US-Offizieller in Taiwan und die
Genehmigung von Zwischenstopps der Präsidentin Taiwans in den USA, die allesamt
wichtiger Teil US-taiwanischer Kooperation sind und als Barometer für die Beziehung zu
Taiwan und China dienen (Jennings 2019; U.S.-China Economic and Security Review
Commission 2019).
Auch seltene verbale Unterstützung seitens des White House oder State Departments
stellen – insbesondere unter dem Hintergrund fehlender diplomatischer Anerkennung –
einen wichtigen symbolischen diplomatischen Akt dar. Hier werden Äußerungen von
Pressesprecher:innen, auch wenn sie im Sinne der Administration sprechen, aufgrund
fehlender Varianz und der Unmöglichkeit, ohne entsprechende Position der
Administration außerordentliche Unterstützung für Taiwan auszudrücken, nicht
berücksichtigt. Auch Beiträge, in denen es nicht konkret um Taiwan geht und nur
nebenbei erwähnt wird, werden außenvorgelassen, ebenso wie die Verkündung von
Gesetzesunterzeichnungen – diese stellen für sich keinen Akt der Zugewandtheit dar,
sondern dienen lediglich der Informationsübermittlung eines vom Kongress
ausgeführten Aktes. Auch Waffenlieferungen beziehungsweise die Genehmigung von
Waffenverkäufen, stellen einen konstanten Pfeiler der US-Außenpolitik weltweit und der
30
US-Taiwan-Politik dar (Bureau of Political-Military Affaira 2021; Hu 2018:84; Kan 2014;
Thrall und Dorminey 2018; U.S.-China Economic and Security Review Commission
2018:367). Hier sollen alle durch die Defense Security Cooperation Agency
veröffentlichen Genehmigungen verwendet werden.
Militärische Manöver sind ebenso als wichtiger Faktor der US-amerikanischen
Außenpolitik und der Taiwan-Politik zu verstehen (Masters 2019; Siedschlag u. a.
2007:122; U.S.-China Economic and Security Review Commission 2020:475f.).
Aufgrund ihrer besonderen Taiwan-unterstützenden Botschaft soll sich auf das
Durchfahren der von China beanspruchten Taiwan Straße durch die US Navy
beschränkt und etwa Flugmanöver außen vor gelassen werden (U.S.-China Economic
and Security Review Commission 2020:475f.).
Quellen
Akte diplomatischer Bemühungen sollen von Regierungswebseiten der Tsai- und
Trump-Administrationen und ergänzend diversen Zeitungsartikeln verschiedener
Online-Formate bezogen werden. Datenbasis für Akte verbaler Unterstützung sollen die
Webseiten des White House und State Department unter Trump darstellen (The White
House o. J.; U.S. Department of State o. J.). Die Webseite der Defense Security
Cooperation Agency, die alle genehmigten und an den Kongress gemeldeten
Waffenverkäufe veröffentlicht (Defense Security Cooperation Agency o. J.), soll als
Datenbasis für Genehmigungen von Waffenverkäufen dienen. Bezüglich Militärischer
Manöver stellen sich alle das Datum benennende Quellen der US Navy (Webseite,
Facebook- und Twitter-Kanal) wie auch Angaben auf der englischen Webseite des
Ministry of National Defense als unvollständig heraus. Deshalb soll sich auf Artikel der
Taiwan News, die auf Statements des Ministry of National Defense verweist, bezogen
werden (Taiwan News o. J.). Die Anzahl der hier protokollierten Manöver stimmt mit den
Informationen der U.S.-China Economic and Security Review Commission überein
(U.S.-China Economic and Security Review Commission 2020).
Operationalisierung
Die US-Taiwan-Politik (ZAV) soll qualitativ mit teilweiser Quantifizierung gemessen
werden. Dies ist im Gegensatz zu chinesischem Verhalten im Nordkorea-Konflikt (ZUV)
möglich, da Bedeutung und Wirkung (positiv beziehungsweise negativ) hier eindeutiger
feststellbar sind. US-amerikanisches Verhalten soll entlang des zeitlichen Auftretens der
einzelnen Akte in Phasen eingeteilt werden. Die Ausprägungen der jeweiligen Akte in
einer Phase geben so in der Summe die Ausprägung des Verhaltens in der jeweiligen
31
Phase an. Möglich sind: sehr positives Verhalten der USA, positives Verhalten der USA,
moderates Verhalten der USA, negatives Verhalten der USA, sehr negatives Verhalten
der USA.
Nicht jeder Akt des US-Verhaltens ist als gleich schwerwiegend zu erachten. So sind
diplomatische Bemühungen als Akte aufgrund fehlender offizieller diplomatischer
Beziehungen beider Länder und des seltenen Vorkommens mit dem höchsten Maß der
Taiwan-Zugewandtheit zu betrachten. Darauf folgen Akte der verbalen Unterstützung
durch die Regierung, die noch immer einen sehr hohen Grad der Provokation Pekings
darstellen. Die Genehmigung von Waffenlieferungen und Militärischen Manöver sind die
am häufigsten auftretenden Akte der US-Taiwan-Politik und werden so, trotz ihrer
solidaritätsbekundenden Funktion und provozierenden Wirkung, als weniger drastisch
betrachtet.
Quantifizierung
Da quantitative Häufung eines Aktes auch als Änderung in der Qualität betrachtet
werden muss (Hill 2003:286), werden in der Messung des Verhaltens nicht nur Stärke
beziehungsweise Grad der Ausprägung der Akte, sondern auch Frequenz berücksichtigt.
Er ergibt sich: Ausprägung des Verhaltens = Stärke der Akte + Frequenz der Akte
Um die Phasen der US-Taiwan-Politik anhand eines eigens entwickelten
Wertungssystems zu messen, soll folgendermaßen vorgegangen werden:
Im ersten Schritt wird die Ausprägung der Akte jeden Typs in den jeweiligen Phasen
gemessen. Dies geschieht qualitativ, um das Gesamtbild und darin auftauchende
Nuancen besser berücksichtigen zu können. Hierbei werden sowohl Stärke der
einzelnen Akte (eine Waffenlieferung über 11 Mrd. US-Dollar ist etwa anders zu
bewerten als eine über 1 Mrd.) wie auch Frequenz der Akte in der betreffenden Phase
berücksichtigt (s.1). Er ergibt sich:
(1): usX,A = sX,A + fX,A
(Bitte Legende auf folgender Seite beachten).
Die Gesamtheit der Akte eines Typs einer Phase (usX,A) können nun folgende Werte
annehmen:
• sehr negativ (-1): aktives Schaden Taiwans
• negativ (0): Abwesenheit von Akten der Taiwan-Zugewandtheit
32
• moderat (1): wenige beziehungsweise schwache Akte der Taiwan-
Zugewandtheit; gerade nötige Unterstützung
• positiv (2): viele beziehungsweise starke Akte der Taiwan-Zugewandtheit;
Ausdruck zusätzlicher Unterstützung, entweder durch Qualität der Akte oder
Frequenz oder beides
• sehr positiv (3): sehr viele beziehungsweise sehr starke Akte der Taiwan-
Zugewandtheit; Ausdruck starker zusätzlicher Unterstützung, entweder durch
Qualität der Akte oder Frequenz oder beides
Um einen Gesamtwert für die Ausprägung des Verhaltens der USA in der betreffenden
Phase zu erhalten, sollen nun die im ersten Schritt gebildeten Werte für die
Ausprägungen der Akte der betreffenden Phase kumuliert werden.
Da aber, wie bereits ausgeführt, verschiedene Akt-Typen ein unterschiedliches Maß an
Unterstützung bedeuten, werden diese Werte gewichtet multipliziert und daraufhin
kumuliert (s. 2 + 3). Für Diplomatische Bemühungen (D) geschieht das mit dem Faktor
3, für Verbale Unterstützung (V) mit dem Faktor 2, für Militärmanöver (M) und
Genehmigungen von Waffenlieferungen (W) jeweils mit dem Faktor 1. Es ergibt sich:
(2): usX,A_gewichtet = usX,A * bx
und daher:
(3): usA_gesamt = ∑
us!,#_gewichtet,
!∈{&,',(,)}
=
us&,#_gewichtet
+
us',#_gewichtet
+
us(,#_gewichtet
+
us),#_gewichtet
Legende
usX,A : US-Verhalten gegenüber Taiwan in Typ X in Phase A
usX,A_gewichtet : Gewichtetes US-Verhalten gegenüber Taiwan in Typ X in Phase A
usA_gesamt : US-Verhalten gegenüber Taiwan in Phase A
s X,A :Stärke der Akte des Typ X in Phase A
f X,A: Frequenz der Akte des Typ X in Phase A
bx : Bedeutungsstärke des Typ X
D: Diplomatische Bemühungen
V: Verbale Unterstützung
W: Genehmigung von Waffenlieferungen
M: Militärmanöver
A = {1,2,…}
33
Die kumulierten Werte geben so die Ausprägung der US-Taiwan-Politik (ZAV) in den
jeweiligen Phasen an. Sie kann nun in jeder Phase Werte zwischen -7 bis 21 annehmen,
wobei die folgenden Werteräume die jeweiligen Ausprägungen abbilden:
• sehr negativ: -7 ≤ usA_gesamt ≤ -1
• negativ: 0 ≤ usA_gesamt ≤ 5
• moderat: 6 ≤ usA_gesamt ≤ 11
• positiv: 12 ≤ usA_gesamt ≤ 17
• sehr positiv 18 ≤ usA_gesamt ≤ 21
Dieses Vorgehen ermöglicht eine Vergleichbarkeit untereinander und mit den Phasen
chinesischen Verhaltens (ZUV).
34
6
Analyse
Im Folgenden sollen nun die Ausprägungen chinesischen Verhaltens im Nordkorea-
Konflikt beziehungsweise der US-Taiwan-Politik entlang der eigens eingeteilten Phasen
beschrieben und bewertet und somit für die Analyse verwendbar gemacht werden, bevor
die Phasen beider Variablen gegenübergestellt und auf einen möglichen
Zusammenhang überprüft werden sollen.
6.1
Chinesisches Verhalten
Phase
1
chinesischen Verhaltens
Die erste Phase chinesischen Verhaltens im Nordkorea-Konflikt erstreckt sich über die
ersten hundert Tage der Amtszeit Donald Trumps vom 21.Januar 2017 bis zum 26.April
2017. In den ersten Monaten zeigt China – sicherlich auch den ausbleibenden
Geschehnissen im Nordkorea-Konflikt allgemein geschuldet – keinerlei Bestrebungen,
die DPRK zu Denuklearisierung zu bewegen. Beim Mar-a-Lago-Gipfel im April 2017
erklärt Peking die Denuklearisierung Nordkoreas zum eigenen Ziel, verspricht die
Umsetzung aller UN-Sanktionen und drückt allgemeine Bereitschaft zur
Zusammenarbeit mit der USA aus, was es in darauf folgenden Telefonaten zwischen Xi
und Trump wiederholt (Glaser und Viers 2017). Dies spiegelt sich auch in konkreten
Aktionen wieder: Während Peking bereits vor dem Gipfel nordkoreanische Raketentests
verurteilte, dabei aber stets alle beteiligten Parteien - also auch die USA – zur
Zurückhaltung aufforderte (Global Times 2017o, 2017d, 2017n), schwingt nun mehr Lob
für die US-Nordkorea-Politik mit (MOFA PRC (China) 2017b). Zudem warnt China im
Falle weiterer Raketentests mit zusätzlichen Maßnahmen und verbietet als Teil einer
UN-Resolution den Import von Kohle aus Nordkorea (Global Times 2017i; Time 2017).
Dies spiegelt sich in Äußerungen der US-Administration wider. So wird chinesisches
Verhalten lediglich einmal verurteilt (Tweet vom 17.03.17), während vor allem
Erwartungen und die Aufforderung zu mehr Unterstützung seitens Pekings ausgedrückt
werden (The White House 2017f, 2017aa, 2017ab, 2017ad, 2017j; Tweet vom 21.04.17).
Zudem zeigt sich viel Zuversicht bezüglich chinesischer Kooperation (The White House
2017ac, 2017g, 2017b; Tweets vom 12.04.17 und 13.04.17) wobei Washington auch
betont, dass es zu früh sei, um eine Beurteilung vorzunehmen (The White House 2017a,
2017b).
35
In Phase 1 zeigt sich China also zur Kooperation bereit, die bisher aber vor allem
verbaler Natur ist. Die US-Administration ist erwartungsvoll und scheint positiv gestimmt.
Das Verhalten Chinas im in Phase 1 lässt sich daher als positiv beschreiben.
Phase 2 chinesischen Verhaltens
Die zweite Phase chinesischen Verhaltens erstreckte sich vom 26. April 2017 bis inkl.
Juli 2017. Sie beginnt mit der Kritik Pekings am provokanten Auftretens der USA im
Nordkorea-Konflikt anlässlich der THAAD-Installation in Südkorea (Global Times 2017a)
und darauffolgender Kritik an Inbetriebnahme (Meick und Salidjanova 2017:5; Williams
2017). China schwächt amerikanische Erwartungen an Pekings zentraler Rolle in der
Lösung des Konflikts ab (Chinascope 2017) und fordert die USA dazu auf, Nordkorea
entgegenzukommen (People’s Daily Online 2018). Zwar einigen sich die USA und China
auf eine Verlängerung von Einreiseverboten und der Einfrierung von Vermögenswerten
nordkoreanischer Offizieller, aber China will sich in der UN nicht zu weiteren
Maßnahmen im Falle eines Nuklearen Tests Nordkoreas verpflichten (Glaser und
Norkiewicz 2017:22). Während China ab Juli die Grenze zur DPRK stärker kontrolliert
(Human Rights Watch 2017), zeigt es durch die Verurteilung folgender Raketentests bei
gleichzeitiger Unstimmigkeit mit Washington über Raketentyp (und damit Ausmaß des
Tests) einen zweischneidigen Umgang mit nordkoreanischen Provokationen (Glaser und
Norkiewicz 2017:23; MOFA PRC (China) 2017a).
Zwar würdigt die US-Administration auch weiter Chinas Bereitschaft zur Kooperation
(The White House 2017k), doch zuversichtliche Äußerungen über Chinas Handeln
werden zunehmend durch indirekte Aufforderungen und Ausdruck von Unzufriedenheit
abgelöst (The White House 2017h, 2017i; Tweets vom 29.05.17 und 20.06.17). Nach
dem ersten erfolgreichen Test einer Langstreckenrakete durch Nordkorea am 04. Juli
2017 werden die Verurteilungen chinesischen Verhaltens schärfer (The White House
2017k; Tweets vom 03.07.17 und 05.07.17), während Insider aus der Trump-
Administration von einer Unzufriedenheit und der Vorbereitung auf weitere Maßnahmen
gegenüber China berichten (Glaser und Norkiewicz 2017:23). Ein Telefonat zwischen Xi
und Trump scheint vorerst den Wind aus den Segeln zu nehmen, worauf aber sehr
deutliche Verurteilungen chinesischen Verhaltens nach dem zweiten Test einer
Langstreckenrakete im selben Monat folgen (Tweet vom 29.07.17a und 29.07.17b).
Damit zeigt sich China in diesem Zeitraum weiterhin kooperativ, schwächt aber
amerikanische Erwartungen ab und kritisiert teilweise das US-Vorgehen im Konflikt.
Auch Ausdruck von Zuversicht der USA wird zunehmend zu Aufforderung und
36
schließlich Kritik und Verurteilung. Chinesisches Verhalten in Phase 2 ist somit als
moderat zu bezeichnen.
Phase 3 chinesischen Verhaltens
Die dritte Phase chinesischen Verhaltens im Nordkorea-Konflikt dauerte von August
2017 bis inkl. Juni 2018 an. Der Nordkorea-Konflikt ist zu dieser Zeit geprägt von
Provokationen zwischen Washington und Pjöngjang, der Verabschiedung mehrerer UN-
Resolutionen gegenüber Nordkorea und dem Beginn diplomatischen Austauschs, was
sich auch an der Frequenz chinesischer Handlungen und amerikanischer Äußerungen
und Bewertungen niederschlägt.
So trägt China alle UN-Resolutionen gegen Nordkorea, teils auf Initiative Pekings
abgemildert, mit, obwohl das aufgrund tiefreichender Handelsbeziehungen umfassende
ökonomische Verluste bedeutet (Hyun 2017:60; UN Digital Library 2017a, 2017b, 2017c).
Die Häufigkeit von Telefonaten zwischen Trump und Xi und das Treffen beider
Staatschef im November 2017, gefolgt von der erneuten Erklärung zur Bereitschaft
enger Zusammenarbeit im Nordkorea-Konflikt, weisen auf eine höhere
Kooperationsbereitschaft Chinas hin, sind teils aber auch der Akutheit der Lage
geschuldet (Davenport 2017:28f.; Glaser und Norkiewicz 2017:20ff.; The White House
2017o, 2017p, 2018e, 2018f; Tweet vom 29.11.17). Peking verurteilt Raketentests auch
weiterhin (Global Times 2017k, 2017b, 2017h), unterstützt ein Statement der UN, der
den Raketentest über Hokkaido, Japan im August 2017 als „outrageous
threat“ bezeichnet (Glaser und Norkiewicz 2017:24), verurteilt aber auch immer wieder
US-Handeln, insbesondere die Stationierung des THAAD, amerikanische
Sekundärsanktionen, die sich auch gegen chinesische Firmen wenden und warnt die
USA vor nationalen Alleingängen abseits der beschlossenen UN-Resolutionen (AP
News 2017; Global Times 2017l, 2017f, 2017j, 2017m). Im September verbietet China
allen Banken die Zusammenarbeit mit nordkoreanischen Firmen, lässt chinesische
Geschäftsstellen auch anderer Branchen in Nordkorea schließen und beschließt diverse
Import- und Exportbeschränkungen und Sanktionen und damit so noch nie dagewesene
Maßnahmen (Chin 2017; Global Times 2017c; Reuters 2017). Ende des Monats äußert
Peking dagegen, China hätte ausreichend gehandelt und die Verantwortung läge nun
bei den USA und Nordkorea (Global Times 2017g, 2017e). Zudem häufen sich Hinweise
auf gegen UN-Sanktionen verstoßenden Verkauf von Öl an Nordkorea, was China
abstreitet (Merica und Labott 2017; MOFA Japan 2018b, 2018c; Yong-weon und Jin-
myung 2017).
37
Die – von Peking initiierte – Aufnahme diplomatischer Gespräche zwischen China und
Nordkorea und Kim Jong-uns darauffolgende Verkündung von Bereitschaft zur
Denuklearisierung dagegen zeigen Pekings grundsätzliche Bereitschaft zur Kooperation
und Unterstützung der USA (Manning 2018; Revere 2019:6). Im Nachgang legt China
eine Lockerung von Sanktionen und der Grenze zu Nordkorea an den Tag (Glaser und
Flaherty 2018:25; Wertz 2018:19). So begrüßt Peking zwar das Treffen von Trump und
Kim im Juni 2018 (Global Times 2018b), fordert danach aber die Lockerung von UN-
Sanktionen (Shepherd 2018).
Auch US-amerikanische Äußerungen sind in diesem Zeitraum nicht frei von
Verurteilungen und Vorwürfen, insbesondere aufgrund der noch immer bestehenden
Handelsbeziehungen mit Pjöngjang und gegen UN-Resolutionen verstoßender
Ölverkauf (The White House 2017x, 2017l, 2017m; Tweet vom 28.12.17). China handele
lediglich im eigenen Interesse, während bisherige Maßnahmen nicht ausreichend seien
und ergänzt werden müssten (The White House 2017e, 2018a; U.S. Department of State
2017). Dies sind allerdings auch die einzigen negativen Botschaften, die Washington zu
dieser Zeit sendet.; ein Großteil der Äußerungen sind von positiven Signalen durchzogen.
So betont Trump immer wieder die enge Kooperation mit Xi und bezeichnet die
wiederkehrenden Telefonate beider Staatschefs als konstruktiv (The White House 2017n,
2017z; Tweets vom 06.09.17, 29.11.17 und 10.03.18). Während insbesondere Chinas
Unterstützung der UN-Resolutionen und zusätzliche Handelseinschränkungen auf
positive Resonanz stoßen (The White House 2017x, 2017r; Tweet vom 05.08.17), drückt
Washington zu vielen Gelegenheiten Dankbarkeit und Wertschätzung aus (The White
House 2017u, 2017s, 2018r, 2018n; Tweet vom 10.03.18), wobei manchmal auch
Erwartung und eine Mentalität des Abwartens mitschwingt (The White House 2017q,
2017m, 2017v, 2018m; Tweet vom 16.11.17). Washington lobt Chinas strikteres
Vorgehen an der Grenze zur DPRK (The White House 2018s, 2018h; Tweet vom
27.04.18) und verbreitet nach dem ersten Kim-Xi-Gipfel positivgestimmte Nachrichten,
Optimismus und Wertschätzung (The White House 2018b, 2018j, 2018k; Tweet vom
28.03.18). Nach einer kurzen Phase der Kritik nach dem zweiten Treffen von Kim und
Xi, in der Trump Xi für die stockenden Vorbereitungen eines Gipfels zwischen Trump
und Kim verantwortlich macht und Unzufriedenheit mit Chinas lockerem Umgang an der
Grenze ausdrückt (Glaser und Flaherty 2018:24; The White House 2018i; Tweet vom
22.05.18), sind Äußerungen der Administration um das Trump-Kim-Treffen im Juni 2018
geprägt von außerordentlichem Lob für Chinas Nordkorea-Politik und die Unterstützung
bei der Möglichmachung des Treffens (The White House 2018l, 2018d, 2018t, 2018o).
38
So verhält sich China zwar abschnittsweise anders als gewünscht, kooperiert aber zum
größten Teil, wobei der intensive Austausch mit den USA und die Ermöglichung
diplomatischen Austauschs mit Nordkorea hervorzuheben sind. Die USA zeigt sich
dankbar: zwar kommt es weiterhin zu Verurteilung, Ausdruck von Unzufriedenheit und
Aufforderungen, mehr zu tun, jedoch überwiegen Lob, Dankbarkeit und Zuversicht
deutlich. Peking und Washington ziehen hier zum ersten Mal an einem Strang,
weswegen chinesisches Verhalten in Phase 3 als positiv bis sehr positiv zu bewerten ist.
Phase 4 chinesischen Verhaltens
Die vierte Phase chinesischen Verhaltens im Nordkorea-Konflikt dauerte von Juli 2018
bis inklusive Oktober 2019 an. Dies ist die längste der vorliegenden Phasen, es zeigen
sich aber weniger konkrete Handlungen durch China und bewertende Äußerungen der
USA als z.B. in Phase 3, was auch durch das abebbende Aggressionslevel im
Nordkorea-Konflikt und das Scheitern diplomatischen Austauschs, gipfelnd im
vorzeitigen Abbruch der Stockholm-Verhandlungen, zu erklären ist.
Während Peking verlauten lässt, es möchte auch weiterhin eine positive und konstruktive
Rolle im Denuklearisierungsprozess einnehmen, chinesische Unterstützung zusichert
(Jeong-ho und Leng 2019; The White House 2018x) und erneut strikter an der Grenze
zu Nordkorea vorgeht (Regan und Kwon 2019; Smith und Lee 2019), gibt es Hinweise
auf weiteren illegalen Öl- und Kohlenverkauf aus China an die DPRK (Cho und Taek-
sung 2020; MOFA Japan 2018a; Nichols 2020). Peking blockiert nicht nur UN-
Bestrebungen, Nordkorea und andere Akteure – darunter China – stärker für
Sanktionsverstöße zu bestrafen (Finnegan 2018; Lederer 2019; Reuters 2018a),
sondern fordert die UN auch dazu auf, bestehende Sanktionen zu lockern (Borger 2018;
MOFA PRC (China) 2019). China macht die USA für den fehlenden Fortschritt im
Denuklearisierungsprozess verantwortlich (BBC News 2018b) und vertieft durch zwei
weitere Gipfel von Kim und Xi und Treffen anderer Offizieller, z.B. der beiden
Außenminister, die Verbindungen mit Pjöngjang (Global Times 2018c; Manyin at al.
2020:31), was vor allem der strategischen Positionierung und Sicherstellung des
eigenen Einflusses in der Achse USA-Nordkorea-China dient (Revere 2019:7; E. Yang
2020:77). Peking zeigt sich in der Rolle des Mediators, schlägt sich weder auf die Seite
Nordkoreas noch der USA, ermutigt zu weiterem Austausch beider Staaten, betont aber
auch immer wieder, wie wichtig es sei, sich auf halbem Weg zu treffen und dass
Nordkorea nicht die einzige Partei sein könne, die sich auf den anderen zubewegt
(Global Times 2018a, 2019b, 2019a, 2019c, 2019d, 2019f, 2019e). So zeigt China in
39
dieser Phase ein kritischeres Verhalten gegenüber der USA und wird freundlicher
gegenüber Pjöngjang, während es bestehende Maßnahmen aber beibehält.
Washington würdigt chinesisches Handeln, dankt Peking bei vielerlei Gelegenheiten
(The White House 2018v, 2019g, 2019e, 2019h, 2019c, 2019f, 2019b; U.S. Department
of State 2018b) und äußert weiterhin Zuversicht über die Zusammenarbeit mit Xi (The
White House 2019a, 2019d; Tweet vom 03.12.18). Es drückt aber aber auch Zweifel an
ernsthaften Absichten Pekings aus und wirft ihm vor, kein gutes Verhältnis zwischen
Washington und Pjöngjang zu wollen und macht China für den fehlenden Fortschritt im
Nordkorea-Konflikt verantwortlich (BBC News 2018b; The White House 2018q, 2018p,
2018g; Tweet vom 29.08.18), während es sich Fortschritte selbst zuschreibt (The White
House 2018c). Washington bezeichnet chinesische Forderungen nach
Sanktionslockerungen als voreilig (Manyin et al. 2020:39) und betont die Notwendigkeit,
China müsse nun bisherige Maßnahmen beibehalten und auch weiterhin eine
unterstützende Rolle im Lösen des Konflikt spielen, wobei auch immer leichter Zweifel
an Pekings künftiger Rolle mitschwingt (The White House 2018u; U.S. Department of
State 2018a, 2019c, 2019b, 2019a).
China zeigt sich in dieser Phase allgemein noch kooperativ und behält beschlossene
UN-Sanktionen grundsätzlich bei. Die Treffen zwischen Kim und Xi weisen nun aber
immer mehr auf die Verfolgung eigener Interessen statt der Unterstützung der USA hin,
während Peking auch häufiger UN-Bestrebungen blockiert, die Lockerung von
Sanktionen fordert und die USA dazu aufruft, Nordkorea entgegenzukommen. Die
Äußerungen der US-Administration passen aufgrund der zahlreichen Würdigungen
chinesischen Handelns auf den ersten Blick nur bedingt hierzu. Diese werden aber
seltener und weniger aussagekräftig, beinhalten viele Floskeln und sind oft auf die
Person Xi Jinpings bezogen statt auf konkretes Handeln (s. z.B. The White House 2019e,
2019h). So klingen viele Äußerungen im Sinne klassischer Diplomatie möglicherweise
freundlicher als sie eigentlich sind (die Betonung z.B., China müsse Maßnahmen
beibehalten, zeigt auch, dass es daran Zweifel gibt). So ist chinesisches Verhalten in
Phase 4 als negativ zu bewerten.
Phase 5 chinesischen Verhaltens
Phase 5 chinesischen Verhaltens im Nordkorea-Konflikt dauerte von Oktober 2019 bis
zum Ende Trumps Amtszeit im Januar 2021. China macht hier die USA für das Scheitern
der Stockholm-Verhandlungen und des Denuklearisierungsprozesses verantwortlich,
und fordert die USA erneut dazu auf, Nordkorea entgegenzukommen, während es
40
bisherige Schritte Pjöngjangs würdigt (Global Times 2019g). Es gibt weitere Hinweise
auf illegalen Handeln mit Nordkorea (Nichols 2020; Zwirko 2020), während Peking weiter
für die Lockerung von UN-Sanktionen plädiert (Manyin et al. 2020:39). Chinesisches
Verhalten ist in dieser Phase aber vor allem geprägt durch Inaktivität und die
Abwesenheit zusätzlicher Unterstützung der USA.
Zu Beginn der Phase drückt Trump noch einmal Lob und Dank für Chinas Hilfe aus
(Manyin et al. 2020:41). Danach äußert sich Trump bis zum Ende seiner Amtszeit nicht
mehr positiv bzgl. Pekings Rolle im Nordkorea-Konflikt. Pompeo macht noch einmal
deutlich, dass für Fortschritte mit Pjöngjang chinesische Unterstützung notwendig wäre
(U.S. Department of State 2020d), während Trump sich offen enttäuscht von
chinesischem Verhalten zeigt, China als „not good“ bezeichnet (The White House 2020d)
und die selbst gestellte Frage „‘Would you be angry at China?‘“ beantwortet mit
„‘[Y]es,‘ but it depends.“ (The White House 2020a).
Bereits Ende Oktober 2019 macht sich also die Einsicht breit, dass alle Bemühungen,
auch bei chinesischer Hilfe, keine langfristigen Erfolge erzielen konnten. Es stellt sich
auf beiden Seiten zunehmende Inaktivität ein, während auch China keine zusätzlichen
Bemühungen unternimmt, den Denuklearisierungsprozess voranzutreiben. Die US-
Administration zeigt sich unzufrieden mit Pekings Rolle, Nordkorea erklärt sich nicht
mehr zum Austausch mit Washington bereit.
Chinesisches Verhalten in Phase 5 ist daher als negativ bis sehr negativ zu bewerten.
Zusammenfassende Bewertung der Phasen
Es ergeben sich folgende Ausprägungen chinesischen Verhaltens im Nordkorea-Konflikt:
• Phase CH1: positiv
• Phase CH2: moderat
• Phase CH3: positiv bis sehr positiv
• Phase CH4: negativ
• Phase CH5: negativ bis sehr negativ
41
6.2
US-Taiwan-Politik
Phase 1 der US-Taiwan-Politik
Phase 1 der US-amerikanischen Taiwan-Politik erstreckte sich vom Amtsantritt Trumps
am 21.01.17 bis inkl. Juni 2018. In dieser Zeit unternimmt Washington weder
nennenswerte diplomatische Bemühungen noch Maßnahmen verbaler Unterstützung.
Im Juni 2017 genehmigt das State Departement den Verkauf eines Waffenpakets von
insg. 1,36 Mrd. US-Dollar, was im Vergleich zu späteren Verkäufen keine allzu große
Summe ist (Defense Security Cooperation Agency 2017c, 2017b, 2017g, 2017d, 2017e,
2017f, 2017a). Die US-Navy unternimmt in 2017 fünf Manöver durch die Taiwan Straße,
in 2018 bis inkl. Juli kein einziges (U.S.-China Economic and Security Review
Commission 2020:476) – auch dies ist im Vergleich mit späterer Frequenz von Manövern
sehr wenig.
Die US-Taiwan-Politik in diesem Zeitraum ist in den Dimensionen Diplomatische
Bemühungen und Verbale Unterstützung also als negativ zu bewerten, bezüglich der
Genehmigung von Waffenlieferungen und Manövern der Navy als moderat. Es nimmt
somit den Wert 2 an und ist daher als negativ zu bezeichnen.
Phase 2 der US-Taiwan-Politik
Die zweite Phase der US-Taiwan-Politik erstreckte sich von Juli 2018 bis inkl. August
2019. Hier unternehmen die USA eine Reihe diplomatischer Annäherungen an Taiwan.
So genehmigt sie im August 2018 Zwischenstopps der taiwanischen Präsidentin Tsai
Ing-wen in Los Angeles und Houston (Office of the President ROC (Taiwan) 2018c,
2018a, 2018b; Salmonsen 2018). Dies ist zwar nicht der erste Zwischenstopp Tsais in
den USA – auch unter der Obama Administration wurde ihr das im Januar 2017
genehmigt – doch Tsais Rede in LA stellt das erste Mal in 15 Jahren dar, dass sich ein:e
taiwanische:r Präsident:in öffentlich äußern darf (Lee 2018). Tsai trifft unter anderem AIT
und TECRO – Personal, New Mexikos Gouverneurin Martinez, diverse
Kongressabgeordnete und Mitglieder des Senats und Repräsentantenhauses. Sie
besucht als erstes taiwanisches Staatsoberhaupt mit dem Raumfahrtzentrum der NASA
ein Bundesgebäude und darf auch Bereiche betreten, die führenden chinesischen
Raumfahrtexpert:innen bisher verschlossen blieben.
Zudem stellt das Treffen John Boltons und David Lees im Mai 2019 das erste Mal seit
1979 dar, dass sich die Sicherheitsberater beider Länder treffen (Strong 2019a).
42
Im Juli 2019 darf Tsai dann ein weiteres Mal im Zuge ihrer Karibik-Reise in New York
und Denver zwischenlanden (Chang 2019; Office of the President ROC (Taiwan) 2019).
Erneut trifft sie Personal von AIT und TECRO, den Colorado Gouverneur Polis, den
ehemaligen Vizeaußenminister Richard Armitage und Mitglieder von Senat und
Repräsentantenhaus. Sie führt eine Videokonferenz mit Nancy Pelosi, der Sprecherin
des Repräsentantenhauses, durch und hält eine Rede an der Columbia University.
Besuche amerikanischer Offizieller in Taiwan bleiben allerdings aus.
Verbale Unterstützung für Taiwan drückt Pence in einer Rede zur China-Politik der
Administration im Oktober 2018 aus, in der er auch die taiwanische Demokratie lobt (The
White House 2018w). Mit der Genehmigung mehrerer Waffenverkäufe im Gesamtwert
von 11,53 Mrd. unterstützt die Trump-Administration Taiwan in dieser Phase mehr als
zu jedem anderen Zeitpunkt ihrer Amtszeit (Defense Security Cooperation Agency 2018,
2019a, 2019d, 2019c, 2019b). Auch die Manöver der US Navy werden
wiederaufgenommen und belaufen sich auf zehn Stück, mit wenigen Ausnahmen also
monatlich, wobei in mehreren Monaten sogar zwei Schiffe gemeinsam durch die Taiwan
Straße segeln (DeAeth 2019; Everington 2019c, 2019a; Liao 2019; Strong 2018, 2019c;
Taiwan News 2018, 2019a, 2019b; Yang 2018, 2019).
Die US-Taiwan-Politik in Phase 2 ist so hinsichtlich diplomatischer Unterstützung als
positiv zu bewerten, bzgl. verbaler Unterstützung als moderat und in Dimensionen der
Genehmigung von Waffenverkäufen und Navy-Manövern als sehr positiv. Sie nimmt
somit den Gesamtwert von 14 an und ist als positiv zu betiteln.
Phase 3 der US-Taiwan-Politik
Die dritte Phase der US-Taiwan-Politik erstreckte sich von September 2019 bis inkl. März
2020. Diplomatische Bemühungen seitens der USA gibt es keine nennenswerten. Im
Oktober 2019 spricht Pence bei einer Rede erneut die Unterstützung der Administration
aus und lobt auch aufs Neue die taiwanische Demokratie (The White House 2019i).
Pompeo gratuliert Tsai im Januar 2020 zur Wiederwahl, was aber auch bereits frühere
Administrationen getan haben und daher keinen Akt der besonderen Taiwan-
Zugewandtheit darstellt (U.S Department of State 2016; U.S. Department of State
2020a). Waffenlieferungen werden keine genehmigt, während mit fünf Manövern fast
jeden Monat ein Schiff der US Navy durch die Taiwan-Straße patrouilliert, nie aber
mehrere Schiffe gemeinsam (Everington 2019b, 2020d; Strong 2019b; Taiwan News
2020a, 2020c).
Hinsichtlich Diplomatischer Bemühungen und Genehmigungen von Waffenverkäufen ist
43
die US-Taiwan-Politik in Phase 3 somit als negativ zu bewerten, bzgl. Verbaler
Unterstützungen und Militärmanövern dagegen als positiv und erweist sich mit einem
Gesamtwert von 6 als moderat.
Phase 4 der US-Taiwan-Politik
Die vierte Phase der US-Taiwan-Politik begann im April 2020 und endete mit dem
Ausscheiden Trumps aus dem Amt. Im August 2020 reist der Gesundheitsminister Alex
Azar nach Taiwan, was den hochrangigsten Besuch eines Mitglieds des Kabinetts seit
1979 und damit einen Meilenstein in den US-taiwanischen Beziehungen darstellt
(Hancocks und Griffiths o. J.; Office of the President ROC (Taiwan) 2020). Kurz darauf,
im September desselben Jahres, wird dies mit einem Besuch Keith Krachs, des
Unterstaatssekretärs für wirtschaftliches Wachstum, Energie und Umwelt, anlässlich
einer Gedenkveranstaltung des ehemaligen Präsidenten Taiwans Lee Teng-hui noch
überboten. Zwar geht es offiziell um ökonomische Angelegenheiten, die Treffen mit Tsai,
dem Vize-Premier Su Tsend-chang und weiteren Offiziellen tragen aber einen nicht zu
unterschätzenden symbolischen und diplomatischen Stellenwert. Im Januar 2021, kurz
vor Ende der Amtszeit, folgt schließlich die Normalisierung des diplomatischen
Austauschs seitens der USA. So bestehen nun keine Restriktionen für diplomatische
Kontakte mit Taiwan mehr (U.S. Department of State 2021) – auch dies ein Meilenstein
für die Beziehungen beider Länder. Kurz darauf führen die UN-Botschafterin der USA
Kelley Craft und Tsai Ing-wen dann eine Videokonferenz durch, die ursprünglich als
Reise Crafts nach Taiwan geplant war, dann aber doch abgesagt wurde (Office of the
President ROC (Taiwan) 2021; U.S. Department of State 2020g).
Auch hier gratuliert Pompeo Tsai im Mai 2020 zu ihrem Amtsantritt (U.S. Department of
State 2020f, 2020b). Während sich die Administration im März 2020 zudem noch vorsichtig
bezüglich eigener Bemühungen, die Weltgesundheitsorganisation zur Aufnahme Taiwans
zu bewegen, äußert
6
(Ching 2020), verurteilt die USA im Mai offen den Ausschluss Taiwans
aus der WHO und fordert die Weltgemeinschaft dazu auf, Taiwans Mitgliedschaft zu
unterstützen und die WHO, dem Inselstaat zumindest den Beobachterstatus zuzusprechen
(U.S. Department of State 2020c, 2020e). Hierdurch werden allgemeine Aussagen im
klassisch diplomatischen Sinn – wie durch Pence in den Phasen zuvor getroffen –
ergänzt durch Äußerungen, die auf konkrete Maßnahmen hinweisen,
6
Taiwan hat seit 2016 auch keinen Beobachter-Status mehr in der WHO inne. Der
Ausschluss erfolgte nach Druck seitens Pekings und im Rahmen Chinas Strategie, Taiwan
aus der Weltgemeinschaft auszuschließen (Chen und Cohen 2020).
44
Handlungsaufforderungen implizieren und die Regierung in Peking – trotz ausbleibender
direkter Reaktionen – stark provozieren dürften.
Waffenverkäufe werden wieder aufgenommen und in einem Umfang von insg. 5,888 Mrd.
US-Dollar – der zweithöchsten Summe in phasenweiser Betrachtung - genehmigt
(Defense Security Cooperation Agency 2020c, 2020f, 2020e, 2020b, 2020b, 2020g,
2020d, 2020a), während Militärische Manöver – hier insg. zehn an der Zahl – fortgesetzt
und in einigen Monaten auch mehrere beziehungsweise Doppel-Manöver gefahren
werden (Chang 2020; K. Chen 2020a, 2020b; Everington 2020b, 2020c, 2020a;
McCartney 2020; Strong 2020a, 2020a, 2020b; Taiwan News 2020b; S. Yang 2020).
Die US-Taiwan-Politik in Phase 4 ist hinsichtlich Diplomatischer Bemühungen und
Militärmanövern und Verbaler Unterstützung folglich als sehr positiv zu bewerten,
Genehmigungen von Waffenlieferungen als positiv und ergibt mit dem Gesamtwert 20
eine sehr positive Ausprägung.
Zusammenfassende Bewertung der Phasen
Durch die auf in der Methode beschriebene Berechnung der US-Taiwan-Politik in den
entsprechenden Phasen ergeben sich folgende Ausprägungen:
• Phase US1: negativ (Wert 2)
• Phase US2: positiv (Wert 14)
• Phase US3: moderat (Wert 6)
• Phase US4: sehr positiv (Wert 20)
6.3
Auswertung
Im Folgenden sollen nun das chinesische Verhalten gegenüber Nordkorea und die US-
Taiwan-Politik gemeinsam betrachtet und überprüft werden, ob zeitliches Auftreten und
Ausprägungen der Phasen beider Variablen entsprechend der im Theorie-Teil
spezifizierten Erwartungen auf ein Issue Linking hinweisen. Daraufhin soll eine
Betrachtung einzelner auffälliger Schlüsselmomente chinesischen Verhaltens
beziehungsweise amerikanischer Taiwan-Politik vorgenommen und untersucht werden,
ob sich auffällige Verhaltensmuster auch auf der jeweils anderen Dimension
niederschlagen.
45
Anmerkung: Es ist als unwahrscheinlich zu betrachten, dass die Trump-Administration –
im Falle eines potentiellen Knüpfens ihrer Taiwan-Politik an Chinas Nordkorea-Politik –
diesen Issue Linkage bereits zu Beginn ihrer Amtszeit herstellen würde. So ist
anzunehmen, dass die USA in den ersten Monaten evaluieren, wie Peking auf
Aufforderungen Washingtons reagiert, ohne unmittelbar positive/negative Signale auf
einer anderen Dimension zu senden, was sich deutlich an den sehr vagen Äußerungen
mit erwartungsvollem Unterton zeigt (The White House 2017b, 2017t, 2017ac, 2017a).
Issue Linking wird betrieben, wenn der Akteur erkennt, dass zusätzliche Macht
hergestellt werden muss. Folglich soll Phase 1 chinesischen Verhaltens (CH1) und damit
der gesamte Zeitraum vor dem 26. April 2017 in der Analyse nicht berücksichtigt werden.
6.3.1
Betrachtung der Phasen
Bei der Betrachtung der zeitlichen Dimension der Phasen von UV und AV, ungeachtet
der Ausprägungen, scheinen sie aufgrund ihres ungleichzeitigen Auftretens und
unterschiedlicher Länge der auf den ersten Blick nicht auf ein Issue Linking hinzuweisen
(s. Schaubild S. 48). So sind ZUV und ZAV in unterschiedlich viele Phasen einzuteilen,
während chinesisches Verhalten sich zu Beginn als unbeständiger mit kurzen Phasen
erweist, was für die US-Taiwan-Politik aber gegen Ende des Betrachtungszeitraums der
Fall ist. Auch umschließt etwa die Phase US1 fast vollständig die Phasen CH1, 2 und 3,
während US2 fast völlig gleichzeitig mit CH4 und US4 mit CH5 auftreten, die US-Taiwan-
Politik aber noch eine weitere Phase, US3, die nicht mit chinesischem Verhalten
desselben Zeitraums korreliert, dazwischen aufweist.
Wird nun auch die Ausprägungen chinesischen und amerikanischen Verhaltens in den
Blick genommen, (konkret: Nimmt die US-Taiwan-Politik die erwartete Ausprägung bei
entsprechender Ausprägung chinesischen Verhaltens der jeweiligen Phase an?), ergibt
sich ein gemischtes Bild.
So wäre im Falle eines Issue Linking bei moderatem Verhalten Chinas (CH2) auch
moderates Verhalten der USA zu erwarten. Stattdessen zeigen die USA zur selben Zeit
(und darüber hinaus) eine negative Taiwan-Politik (US1). So reagiert die USA auf
moderates Verhalten Chinas in Phase CH2 gegenüber China positiver als erwartet.
Während positiver bis sehr positiver Ausprägung chinesischen Verhaltens (CH3) ist eine
negative bis sehr negative US-Taiwan-Politik zu erwarten. Tatsächlich ist die US-
Taiwan-Politik hier hauptsächlich negativer Ausprägung (US1), was auf die Anwendung
der Strategie des Issue Linking hinweist.
46
Auch bei negativem Verhalten Chinas (CH4) zeigen die USA, wie erwartet, zu großen
Teilen eine positive Taiwan-Politik (US2). Erst ab September 2019 wird dies zu
moderatem Verhalten, was nicht auf einen Zusammenhang hinweist, bei der
phasenweisen Betrachtung aber aufgrund der Kürze von einem Monat vernachlässigt
werden kann. Während negativem bis sehr negativem Verhalten Chinas in CH5 ist eine
positive bis sehr positive US-Taiwan-Politik zu erwarten. Tatsächlich erweist sie sich das
erste halbe Jahr der CH5 als moderat (US3) und nimmt erst ab April 2020 eine positive
Ausprägung an (US4).
Nun soll kurz betrachtet werden, ob Zusammenhänge zwischen phasenweisen
Ausprägungen der US-Taiwan-Politik und entsprechender Phasen der chinesischen
Nordkorea-Politik zu erkennen sind.
Die negative Taiwan-Politik der USA bis inkl. Juni 2018 (US1) weist nicht auf
systematisches Issue Linking hin. China verhält sich, ausgenommen der CH1, zur
gleichen Zeit, bis Ende Juli 2017, moderat (CH2), wonach bei vorliegendem Issue
Linking auch eine moderate US-Taiwan-Politik zu erwarten wäre. Erst ab August 2018
verweisen chinesisches und amerikanisches Verhalten auf einen solchen
Zusammenhang (CH3 und 1) – was allerdings nicht erklärt, weshalb die USA bereits vor
positivem bis sehr positivem Verhalten Chinas (CH3) eine negative Taiwan-Politik an
den Tag legen.
7
Die amerikanische Taiwan-Politik von Juli 2018 bis August 2019 (US2)
erweist sich als positiv und tritt gleichzeitig mit negativem Verhalten Chinas (CH4) auf,
nach dem positives Verhalten zu erwarten wäre. US-Verhalten in US2 weist also auf eine
Handlungsentscheidung anhand chinesischen Verhaltens im Nordkorea-Konflikt hin,
nicht aber der Übergang zu einer moderaten Taiwan-Politik ab September 2019 (US3),
während China kontinuierlich negatives Verhalten an den Tag legt. Auch behält die USA
dieses Verhalten bis April 2020 bei, obwohl China negativ bis sehr negativ handelt. Im
Falle eines Issue Linkings wäre eine positive bis sehr positive US-Taiwan-Politik zu
erwarten. So ist in amerikanischem Verhalten in der CH3 kein strategisches Verknüpfens
der Taiwan-Politik mit chinesischem Verhalten im Nordkorea-Konflikt zu erkennen. Erst
die letzte Phase amerikanischer sehr positiver Taiwan-Politik (US4) weist bei
gleichzeitigem negativen bis sehr negativen Verhalten Chinas (CH5) auf Issue Linking
hin. Dennoch bleibt unklar, weshalb die Trump-Administration nicht bereits ab Oktober
7
Ein möglicher Erklärungsfaktor wäre, dass die USA auch hier und nicht lediglich bis April
2017, abwartet und versucht, China mit anderen Mitteln zur Kooperation zu bewegen
beziehungsweise die Strategie des Issue Linkings erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnt.
47
2019, sondern erst ab April 2020, entsprechende Signale über das Issue Taiwan senden
würde. Auch stellt sich die Frage, ob besonderes Ausmaß der Taiwan-Zugewandtheit zu
dieser Zeit chinesischem Verhalten entspricht, was an späterer Stelle diskutiert werden
soll.
Nach dieser Betrachtung des Zusammenhangs der Phasen chinesischen und
amerikanischen Verhaltens weisen einige Zusammenhänge auf ein Issue Linking beider
Dimensionen durch die Trump-Administration hin. Jedoch widersprechen auch
zahlreiche Momente dem in einem solchen Falle zu erwartenden Mechanismus, wie
etwa die negative US-Taiwan-Politik zwischen Mai und inkl. Juli 2017, während China
noch kein positives Verhalten im Nordkorea-Konflikt an den Tag legt. Auch lässt sich
ebenso wenig erklären, weshalb die USA bereits ab September 2019, bei zeitgleichem
negativem Verhalten Chinas, eine moderate Taiwan-Politik an den Tag legen, wie auch,
weshalb diese erst ab April 2020, sechs Monate nach dem Beginn negativen bis sehr
negativen Verhaltens Chinas, eine sehr positive Ausprägung annimmt.
So kann dies auch der vereinfachten Betrachtung in Phasen geschuldet sein.
Insbesondere zu Momenten mit geringer Datenbasis gestaltete es sich als schwierig
festzustellen, an welcher Stelle ein Richtungswechsel chinesischen beziehungsweise
amerikanischen Verhaltens stattfindet. Deshalb soll nun eine genauere, qualitative
Analyse vorgenommen, einzelne herausstechende Momente chinesischen Verhaltens
gegenüber Nordkorea und der US-Taiwan-Politik betrachtet und untersucht werden, ob
sich diese auch durch entsprechende Akte auf dem Verhaltensmuster des jeweils
anderen Akteurs abbilden. Es soll so geklärt werden, ob sich festgestellte Unstimmig-
und Unvollständigkeiten aus diesen Schlüsselmomenten ableiten lassen und auf diese
Weise die bisherigen, vereinfachten Ergebnisse ergänzen und starker Generalisierung
entgegenwirken zu können.
48
Abbildung 6: Gegenüberstellung AV und UV (Phasen)
49
6.3.2
Betrachtung von Schlüsselmomenten
Schlüsselmomente chinesischen Verhaltens
Im ersten Schritt soll untersucht werden, ob die USA auf ausgewählte Schlüsselmomente
chinesischen Verhaltens im Nordkorea-Konflikt wie im Falle eines Issue Linkings erwartet mit
Taiwan-Politik in entsprechender Ausprägung reagieren. Es sollen Momente besonders
negativen beziehungsweise besonders positiven Verhaltens Chinas in den Blick genommen
werden, konkret die Momente Juli 2017, September 2017, Ende März und April 2018, Mai
2018 und Juli beziehungsweise August 2018.
Nach dem erfolgreichen Test zweier Langstreckenraketen im Juli 2017, was Kim als „gift for
the American bastards“ (Revere 2019:3) bezeichnet, bestreitet China teilweise das Ausmaß
der Tests und schließt sich der allgemein scharfen Verurteilung der Tests nicht an, was starke
Kritik durch die USA nach sich zieht („…they do NOTHING for us with North Korea.“, Tweet
vom 29.07.17a und 29.07.17b). Dies schlägt sich aber keineswegs in den Akten
amerikanischer Taiwan-Politik nieder, es sind zur selben Zeit keinerlei positive Akte der
Taiwan-Zugewandtheit zu verzeichnen. Ein möglicher Erklärungsfaktor wäre der frühe
Zeitpunkt, wonach die Administration nun noch andere Druckmittel einsetzt, um China zu
Kooperation zu bewegen, abwartet und chinesisches Handeln beobachtet und Issue Linking
erst später initiiert. Dennoch weist dieser Moment nicht auf ein systematisches Verknüpfen
beider hier behandelter Issues hin.
Nach dem Nuklearen Test Nordkoreas Anfang September 2017 stimmt China, wie bereits im
vorigen Kapitel ausgeführt, der sehr umfassenden UN-Resolution gegen die DPRK zu, erlässt
eine Reihe eigener Sanktionen und verbietet Banken die Zusammenarbeit mit Nordkorea,
während chinesische Geschäftsstellen dort schließen müssen. China verhält sich, auch
sichtbar an der Vielzahl der Telefonate zwischen Trump und Xi, sehr kooperativ und agiert mit
einer Reihe eigener Maßnahmen nach Washingtons Vorstellungen. Washington entspricht mit
dem Verzicht auf Akte der Taiwan-Zugewandtheit in den darauffolgenden Monaten dem im
Falle von Issue Linking zu erwartenden Mechanismus. Aber – bereits vor September legte die
USA, ausgenommen einer Waffenlieferung im Wert von 1,36 Mrd. US-Dollar im Juni 2017,
keinerlei Taiwan-unterstützenden Akte an den Tag, die es nach dem Auftreten erwünschten
Verhaltens Chinas hätte unterlassen können. Somit kann auch hier kein eindeutiger
Zusammenhang der US-Taiwan-Politik mit chinesische Verhalten im Nordkorea-Konflikt
festgestellt werden.
Auch nach dem ersten Kim-Xi-Gipfel Ende März 2018 legt die Trump-Administration viel
Optimismus, Lob und Dank für Chinas Einsatz im Nordkorea-Konflikt an den Tag, das
Verhalten Chinas ist hier als sehr positiv zu bezeichnen. Erneut unternehmen die USA keinerlei
50
Taiwan-zugewandten Akte – was auf Issue Linking hinweist – die aber ohnehin (mit Ausnahme
der Waffenlieferung im Juni 2017) bis Juli 2018 gänzlich ausbleiben.
Auf das zweite Treffen zwischen Kim und Xi im Mai 2018 reagiert Washington dagegen sehr
negativ, macht China für die ausbleibenden Fortschritte verantwortlich und wirft ihm das
Ausspielen eigener Interessen gegenüber denen der USA vor. China verhält sich sehr negativ,
wohingegen auch zu diesem Zeitpunkt keine Akte der Taiwan-Zugewandtheit der USA zu
verzeichnen sind. Es ist kein Zusammenhang beider behandelter Issues zu beobachten.
Im Juli und August 2018 blockiert China nun zahlreiche UN-Bestrebungen für konsequentere
Strafen für Sanktionsverstöße, fordert die Lockerung bestehender Sanktionen, während es
Hinweise auf illegalen Handel chinesischer und nordkoreanischer Firmen gibt und Peking die
USA für den fehlenden Fortschritt im Denuklearisierungsprozess verantwortlich macht, was
mit zahlreichen Verurteilungen Washingtons einhergeht. Die USA lassen im Juli zwei Schiffe
durch die Taiwan-Straße fahren, genehmigt Tsai Ing-wen zwei Aufenthalte im August 2018
und genehmigt im darauffolgenden Monat die erste Waffenlieferung seit über einem Jahr. Dies
weist auf einen Zusammenhang chinesischer Nordkorea-Politik und US-Taiwan-Politik hin.
Schlüsselmomente der US-Taiwan-Politik
Im nächsten Schritt soll nun betrachtet werden, ob sich Schlüsselmomente der US-Taiwan-
Politik, also Momente besonders vieler und starker Taiwan-zugewandter Akte, konkret die
Zeiträume Mai bis August 2019 und ab Mai 2020, durch die Annahme eines Issue Linkings mit
chinesischem Verhalten im Nordkorea-Konflikt erklären lassen.
Die sehr positive US-Taiwan-Politik zwischen Mai und August 2019 deutet nicht auf einen
solchen Zusammenhang hin. Innerhalb von vier Monaten finden zum einen das Treffen
zwischen den Sicherheitsberatern Taiwans und den USA, zwei Zwischenlandungen Tsai Ing-
wens, eine Reihe von Militärmanövern und mehrere Genehmigungen von Waffenlieferungen,
darunter die zwei größten der gesamten Administration, statt. Hinsichtlich chinesischen
Verhaltens im Nordkorea-Konflikt gibt es dagegen wenige aussagkräftige Aktivitäten, also
weder verbale Verurteilungen Chinas durch Washington wegen etwa Inaktivität, noch
Schuldzuweisungen wegen des vorzeitig beendeten DMZ-Gipfels der drei Staatschefs Ende
Juni 2019 (Lemire et al. 2019). Möglich wäre, dass die Trump-Administration nun auch non-
verbal Peking für seinen fehlenden Einsatz und Unfähigkeit, die Denuklearisierungs-
Gespräche zu einem erfolgreichen Ende zu führen, bestraft und seine Taiwan-Politik hierfür
einsetzt. Aber auch dies könnte das Treffen Boltons und Lees und die Waffenlieferung im Mai
2019, die vor dem DMZ-Gipfel stattfanden, nicht erklären. Zudem ist die Datenlage dieser
Ausarbeitung zu dünn, um diesen Zusammenhang überprüfen zu können. Die zugewandte
51
Taiwan-Politik der USA zwischen Mai und August 2019 kann also nicht als Strategie des Issue
Linkings verstanden werden.
Bei der Betrachtung der US-Taiwan-Politik fallen besonders die Vielzahl und Stärke der
positiven Akte ab Mai 2020 ins Auge, darunter die Besuche Azars und Krachs in Taiwan, US-
Bemühungen, Taiwan in die WHO aufzunehmen und eine Reihe von Militärmanövern und
Waffenlieferungen. Auch widerspricht der Annahme eines Issue Linkings, da die Bemühungen
um eine Denuklearisierung Nordkoreas spätestens seit dem Scheitern der Stockholm-
Verhandlungen im Oktober 2019, nicht erst zum Mai 2020, abgeschlossen waren.
Eventuell gibt die Trump-Administration aber auch erst im April die Hoffnung auf die Lösung
des Nordkorea-Konflikts auf
8
und bestraft Peking nun im Nachgang dafür, dass es nicht genug
Einsatz an den Tag gelegt hat. Eventuell entspricht die Taiwan-Politik nach Mai 2020 aber
auch dem Maß, dem sie entsprechen würde, wenn die USA nicht darauf angewesen wären,
China nicht zu verärgern und dadurch die Kooperation im Nordkorea-Konflikt zu gefährden.
So hätte Washington diese grundsätzliche Taiwan-Zugewandtheit zurückgehalten, bis die
Denuklearisierung der DPRK zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen war.
Dennoch: Die Trump-Administration nimmt hier eine Reihe außerordentlicher Akte mit
extremem Provokationspotenzial Richtung Peking vor, während der Nordkorea-Konflikt vor
allem von Inaktivität Chinas und Trumps Frust über die Unfähigkeit Pekings,
Denuklearisierungs-Verhandlungen zu einem gewünschten Ende zu führen, nicht aber von
aktiven Bestrebungen Pekings, den Prozess zu unterlaufen, geprägt ist.
So kann eine Erklärung der übermäßig freundlichen Taiwan-Politik als Folge eines Issue
Linking mit Chinas Nordkorea-Politik nicht ausgeschlossen werden, doch die Datenlage dieser
Ausarbeitung ist zu dünn um einen solchen Zusammenhang systematisch zu verifizieren. Auch
können weitere Faktoren, wie etwa der beginnende Wahlkampf in den USA oder zunehmende
Provokationen Chinas, nicht isoliert und als Erklärungsfaktoren ausgeschlossen werden.
Auch die Normalisierung des diplomatischen Austauschs mit Taiwan und die ursprünglich als
Reise geplante Videokonferenz Tsai Ing-wens und Kelley Krafts wenige Tage vor dem
Ausscheidens Trumps aus dem Amt und so bereits, nachdem Joe Biden als künftiger
Präsident der USA feststand, deuten nicht auf Issue Linking hin. So steht für die Trump-
Administration lange fest, dass sie auf die letzten Meter Peking nicht mehr zu umfangreicher
Initiative zur Denuklearisierung Nordkoreas wird bewegen können. Eventuell dienen die
beiden Akte der außerordentlichen Taiwan-Zugewandtheit aber der Bestrafung Chinas für ihr
8
So ist aus einer Pressekonferenz im April 2020 vor Allem durch die Verwendung von
Vergangenheitsformen deutlich herauszulesen, dass Trump mit dem Nordkorea-Konflikt für den
Moment abgeschlossen hat (The White House 2020a), während er im Januar desselben Jahres noch
äußert „China is helping us with North Korea“ (The White House 2020b).
52
Verhalten im Nordkorea-Konflikt – doch auch hier ist die Datenlage zu dünn um alternative
Erklärungsfaktoren, wie etwa die Persönlichkeit Trumps und der Wunsch, etwas zu
hinterlassen oder Provokationen Pekings, zu vielfältig und schwer isolierbar, um dies zu
überprüfen. So deutet auch dieser Moment nicht auf das Anwenden strategischen Issue
Linkings hin.
53
7
Fazit und Perspektiven
In dieser Arbeit wurde sich auf Grundlage des theoretischen Konzepts des Issue Linkings der
Frage genähert, inwiefern die Trump-Administration ihre Taiwan-Politik an chinesisches
Verhalten im Nordkorea-Konflikt geknüpft hat. Es wurde qualitativ untersucht, ob ein
phasenweiser Zusammenhang zu erkennen ist, bevor sich der Betrachtung ausgewählter
Schlüsselmomente zugewandt wurde. Während im ersten Teil der Analyse Elemente von
Issue Linking gefunden werden konnten, ergeben sich auch nach fokussierter Betrachtung zu
viele Unklarheiten in amerikanischem Verhalten, die nicht durch den formulierten
theoretischen Ansatz erklärt werden können. Die Ergebnisse sollen im Folgenden kurz
zusammengefasst werden, bevor auf Perspektiven für künftige Forschungsbeiträge
eingegangen werden soll.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Bei der Analyse der Phasen chinesischen Verhaltens beziehungsweise der US-Taiwan-Politik
konnte teilweise ein Zusammenhang beobachtet werden. So legten die USA bei gleichzeitigem
positiven bis sehr positiven Verhaltens Chinas von August 2017 bis Juni 2018 eine im Falle
vorliegenden Issue Linkings zu erwartende negative Taiwan-Politik an den Tag, während sie
auf negatives Verhalten von Juli 2018 bis inkl. August 2019 mit positiver Taiwan-Politik auf
negatives Verhalten Pekings im Nordkorea-Konflikt reagierten. Dennoch widerspricht nicht nur
die negative Taiwan-Politik bei moderatem Verhalten Chinas von Ende April bis inkl. Juli 2017,
aber auch die moderate Taiwan-Politik von September 2019 bis inkl. März 2020 bei primär
sehr negativem Verhalten Chinas, der Annahme eines Issue Linkings.
Auch bei der fokussierten Analyse von ausgewählten Momenten besonders extremen
Verhaltens beider Akteure konnten keine eindeutigen Zusammenhänge nachgewiesen
werden. So weisen nicht nur die Abwesenheit von Taiwan-zugewandten Akten der USA in
Folge von sowohl Pekings starker Verurteilung des Nuklearen Tests Nordkoreas Anfang
September 2017, als auch des ersten Gipfels von Kim Jong-un und Xi Jinping im März 2018,
auf ein Issue Linking hin, sondern auch die Wiederaufnahme ebendieser Akte im Juli und
August 2018, als China Sanktionslockerungen fordert und UN-Bestrebungen blockiert.
Dennoch konnten weder im Juli 2017 trotz fehlender Kooperation Chinas im Nordkorea-
Konflikt, noch im Mai 2018 bei negativem Verhalten Chinas, die erwarteten Taiwan-
zugewandten Akte beobachtet werden. Auch die Reihe außerordentlich Taiwan-zugewandter
Akte von Mai bis August 2019 und mit den Besuchen mehrerer US-Offizieller, der Vielzahl an
Waffenlieferungen und Militärmanövern insbesondere ab Mai 2020 konnten bei allgemeiner
Inaktivität Chinas im Nordkorea-Konflikt auf Basis der theoretischen Annahmen nicht erklärt
werden.
54
Bei der Gesamtbetrachtung des Zusammenhangs chinesischen Verhaltens im Nordkorea-
Konflikt und der US-Taiwan-Politik zwischen Januar 2017 und Januar 2021 konnten somit
zwar einige Hinweise auf ein temporäres beziehungsweise momentanes Issue Linking beider
Gegenstände durch die USA gefunden werden. Dennoch konnte der erwartete
Zusammenhang an vielerlei Momenten nicht nachgewiesen werden, wodurch Issue Linking
als systematische Strategie ausgeschlossen werden muss. Die Trump-Administration hat ihre
Taiwan-Politik also nicht systematisch an chinesisches Verhalten im Nordkorea-Konflikt
geknüpft.
Perspektiven
Diese Studie konnte ein umfassendes Issue Linking weder vollständig nachweisen noch
gänzlich ausschließen. Dennoch wird deutlich, dass ein, zumindest temporäres, Knüpfen der
amerikanischen Taiwan-Politik an weitere außenpolitische Faktoren, wie etwa den Nordkorea-
Konflikt, plausibel ist, was Anknüpfungspunkte für weitere Analysen liefert. Im Folgenden
sollen daher Schwächen dieser Arbeit besprochen und Perspektiven für künftige
Forschungsbeiträge aufgezeigt werden.
Leider gestaltete sich die Datenbasis der ZUV, chinesisches Verhalten gegenüber Nordkorea,
insbesondere nach Abebben eines Großteils der Spannungen im Nordkorea-Konflikt, als sehr
dünn. Viele chinesische Quellen blieben aufgrund von Sprachbarrieren verschlossen, während
sich etwa englischsprachige Ausgaben offizieller Regierungswebseiten als unvollständig
erwiesen und daher nicht in die Analyse einbezogen werden konnten. Zudem sind viele
wertvolle Daten, z.B. Protokolle interner Gespräche der US-Regierung, nicht öffentlich
zugänglich, wodurch auf Quellen ausgewichen werden musste, die chinesisches Verhalten
beziehungsweise die Bewertung durch die USA nicht optimal abbilden.
Durch die Vielzahl von Bezugsquellen der Daten für die ZUV wurde versucht, diesem
Datenmangel entgegenzuwirken. Hierdurch wurde eine valide Messung aber leider oft
verkompliziert. So ergaben sich Ausprägungen verschiedener Akte oft als widersprüchlich;
nicht jede Äußerung der US-Administration passte – auch ohne neue Vorkommnisse – zur
vorigen, genauso wie auch China nicht immer perfekt konsistent handelte. Zudem können
konnte nicht sichergegangen werden, dass die Ausprägung jeden Aktes korrekt bewertet
wurde. So waren Treffen von Kim und Xi als grundsätzlich positiv zu werten, wobei später aber
auch teils negative Reaktionen der US-Administration zu verzeichnen waren. Daher ist
angesichts des Datenumfangs nicht auszuschließen, dass einzelne Akte falsch klassifiziert
wurden. Insbesondere verbale Äußerungen, also auch Bewertungen chinesischen Verhaltens
durch die USA, sind immer strategisch geleitet und können daher ein verzerrtes Bild darstellen.
Diese Ungenauigkeiten konnten dennoch durch die Menge der Daten ausgeglichen werden.
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Durch die Komplexität der Beziehungen zwischen USA, China und Taiwan, der Vielzahl
potentieller Einflussfaktoren auf die US-Taiwan-Politik und fehlende Ressourcen zur Isolation
ebendieser, konnte in dieser Arbeit auch in Momenten, in denen ein solcher Zusammenhang
plausibel schien, nicht mit Sicherheit ein Issue Linking des Nordkorea- und Taiwan-Konflikts
nachgewiesen werden.
Ein Ereignis ist selten das Resultat eines einzigen Auslösers (Bindra 2019:34) und es scheint
nur plausibel, dass die Trump-Administration sich in ihren Entscheidungen in der Taiwan-
Frage an einer Reihe von Faktoren orientiert hat. In künftigen Studien sind also unbedingt
Faktoren wie taiwanische innenpolitischer Vorgänge, die öffentliche Meinung in den USA und
insbesondere zunehmende chinesische Provokationen und Drohungen an Taiwan zu
berücksichtigen. So liefern die Kollision von qualitativer und quantitativer Zunahme Taiwan-
zugewandter Akte der USA zum Ende des Beobachtungszeitraums und offensiver und
aggressiver werdendes Auftreten Pekings gegenüber Taipei Hinweise auf eine Reaktion der
USA auf sino-taiwanische Beziehungen (Axe 2020; Lee et al. 2020; Reuters 2020; Tang 2020).
Zudem verweisen zahlreiche Hinweisen auf ein Verknüpfen der Taiwan-Politik nicht mit
chinesischem Agieren im Nordkorea-Konflikt, aber chinesischem Verhalten im sino-
amerikanischen Handelskrieg, auf die Notwendigkeit, ein Issue Linking zwischen Taiwan und
dem Handelskrieg zu untersuchen.
Trotz der vagen Ergebnisse bietet diese Arbeit einen validen Grundstein für weitere
Untersuchungen. So ergibt sich aus den Analyseergebnissen die plausible Annahme, dass
Staaten Issue Linking zumindest zeitweise als außenpolitische Strategie einsetzen. Die
Untersuchung weiterer staatlicher Beziehungen und Konfliktfelder weltweit aus der
Perspektive des Issue Linking kann interessante Einblicke liefern.
Issue Linking mit chinesischer Nordkorea-Politik kann zwar nicht als primärer Erklärungsfaktor
der US-Taiwan-Politik zwischen 2017 und 2021 angeführt werden, was jedoch nicht die
Brisanz der Unbeständigkeit der Taiwan-Politik verschiedener US-Administrationen und der
Frage der Glaubwürdigkeit und Langfristigkeit amerikanischen Engagements entkräftet.
Insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden geopolitischen Bedeutung Taiwans und
vor allem für die in Taiwan lebenden Menschen ergibt sich ein großes Potenzial für weitere