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Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen in der Digitalisierung

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Abstract

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung ist seit etwa Mitte der 2000er-Jahre die analoge Vinylschallplatte in einem robusten Nischenmarkt zu neuer Popularität gelangt. Der Beitrag analysiert dieses Warenobjekt aus einer kapitalismuskritischen Perspektive und ordnet es vier Warenformen der post-industriellen Ökonomie zu. Darauf aufbauend werden die der Vinylschallplatte inhärente Logik der Besonderung und damit zusammenhängende Singularisierungspraktiken aufgezeigt. Mit Blick auf unterschiedliche technische Ausstattungen mit Abspielgeräten und unterschiedliche Rezeptionsdispositive im Umgang mit Musik folgern die Autoren, dass mit der aktuellen Vinylkultur eine Spaltung der Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Die Kulturalität des Tonträgers verweist auf spezifische Verwobenheiten mit seinen Nutzern, was sich in vielschichtigen Praktiken, Narrativen und Mythen äußert. Der Beitrag argumentiert abschließend, dass die Vinylschallplatte ein Kristallisationspunkt für einen umfassenden, teils paradoxen gesellschaftlichen Diskurs über Modernisierungsprozesse ist, insbesondere über den Metaprozess der Digitalisierung. Beitrag in: Lund, H., Michel, B., & Zöllner, O. (2022). Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen in der Digitalisierung. In C. Schwarzenegger, E. Koenen, C. Pentzold, T. Birkner & C. Katzenbach (Hrsg.), Digitale Kommunikation und Kommunikationsgeschichte: Perspektiven, Potentiale, Problemfelder (S. 343–373). https://doi.org/10.48541/dcr.v10.13
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Die Vinylschallplatte als Zeichen- und
Handlungsträger gesellschaftlicher
Transformationen in der Digitalisierung
Lund, Holger; Michel, Burkard; Zöllner, Oliver
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Sammelwerksbeitrag / collection article
Empfohlene Zitierung / Suggested Citation:
Lund, H., Michel, B., & Zöllner, O. (2022). Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher
Transformationen in der Digitalisierung. In C. Schwarzenegger, E. Koenen, C. Pentzold, T. Birkner, & C. Katzenbach
(Hrsg.), Digitale Kommunikation und Kommunikationsgeschichte: Perspektiven, Potentiale, Problemfelder (S.
343-373). Berlin https://doi.org/10.48541/dcr.v10.13
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Empfohlene Zitierung: Lund, H., Michel, B., & Zöllner, O. (2022). Die
Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher
Transformationen in der Digitalisierung. In C. Schwarzenegger, E. Koenen,
C. Pentzold, T. Birkner & C. Katzenbach (Hrsg.), Digitale Kommunikation und
Kommunikationsgeschichte: Perspektiven, Potentiale, Problemfelder (S. 343–373).
https://doi.org/10.48541/dcr.v10.13
Zusammenfassung: Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung ist seit etwa
Mitte der 2000er-Jahre die analoge Vinylschallplatte in einem robusten Nischen-
markt zu neuer Popularität gelangt. Der Beitrag analysiert dieses Warenobjekt
aus einer kapitalismuskritischen Perspektive und ordnet es vier Warenformen
der post-industriellen Ökonomie zu. Darauf aufbauend werden die der Vinyl-
schallplatte inhärente Logik der Besonderung und damit zusammenhängende
Singularisierungspraktiken aufgezeigt. Mit Blick auf unterschiedliche technische
Ausstattungen mit Abspielgeräten und unterschiedliche Rezeptionsdispositive
im Umgang mit Musik folgern die Autoren, dass mit der aktuellen Vinylkultur
eine Spaltung der Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Die Kulturalität des Ton-
trägers verweist auf spezische Verwobenheiten mit seinen Nutzern, was sich in
vielschichtigen Praktiken, Narrativen und Mythen äußert. Der Beitrag argumen-
tiert abschließend, dass die Vinylschallplatte ein Kristallisationspunkt für einen
umfassenden, teils paradoxen gesellschaftlichen Diskurs über Modernisierungs-
prozesse ist, insbesondere über den Metaprozess der Digitalisierung.
Lizenz: Creative Commons Attribution 4.0 (CC-BY 4.0)
Holger Lund, Burkard Michel & Oliver Zöllner
Die Vinylschallplatte als Zeichen- und
Handlungsträger gesellschaftlicher
Transformationen in der Digitalisierung
1 Entdeckungszusammenhang: Ökonomische Resilienz des Analogen
Seit 2006 kennt der Markt für Vinylschallplatten in Deutschland – aber
auch in vielen anderen westlichen Ländern – nur eine Richtung: stetig steigende
Absatzzahlen (Discogs.com, 2019). Die Abbildungen 1a und 1b zeigen diesen Trend
für den Tonträgermarkt in Deutschland für die Jahre 2003 bis 2016, wobei sich der
starke Anstieg in Abb. 1a in der relationierten Gesamtschau (Abb. 1b) erkennbar
relativiert (Bundesverband Musikindustrie, 2018, S. 15–16). Denn es handelt sich,
der hohen Steigerungsrate für Vinylverkäufe von fast 700 Prozent im Zeitraum
von 2007 bis 2016 zum Trotz, in der Gesamtschau des Tonträgermarktes um einen
Nischenmarkt, wenngleich um einen dynamisch wachsenden.
2017 wurden in Deutschland 3,3 Millionen Vinylschallplatten verkauft. Es ist
also eine gewisse Renaissance dieses analogen Tonträgers zu beobachten. „Es fällt
bei der Analyse der internationalen Marktdaten insgesamt auf, dass es eine hohe
Korrelation zwischen steigenden Streamingumsätzen und Zuwächsen im Vinyl-
Segment bei gleichzeitigen Verkaufsrückgängen bei CDs gibt“ (Tschmuck, 2017).
Je höher der Streaminganteil ausfällt, desto höher fällt zugleich der Zuwachs im
Vinylsegment aus. „Die digitale Revolution hat also nicht nur zum Siegeszug des
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Abbildungen 1a/1b: Tonträgermarkt in Deutschland 2003 bis 2016
Quelle: Bundesverband Musikindustrie, 2018, S. 15–16
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Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen
zugangsbasierten Musikvertriebsmodells geführt, sondern gleichzeitig auch ihre
Antithese in Form des Vinyl-Booms hervorgebracht“ (Tschmuck, 2017).
Offensichtlich befördert die Digitalisierung zugleich eine Reanalogisierung,
wie sie die Renaissance von Vinyl darstellt (Kreye, 18./19.03.2017). Dieser liegen
zentrale mediale Bedürfnisse zugrunde. Im Zuge der Dematerialisierung von Mu-
sik entlang der medialen Kette von der analogen Schallplatte über die digitale
Compact Disc (CD) hin zum Kodierformat MPEG-1 Audio Layer III (MP3) und zum
internetbasierten Streaming, die eine weitgehende Lösung vom physischen Ton-
träger mit sich bringen (Elster, 2015; Halkier et al., 2011), benennen viele Vinyl-
freunde neben dem klanglichen Erlebnis gerade das Haptische und Visuelle von
Musik im analogen Vinylformat als Kaufgrund. Im Kontext des Streaming, das als
technischer Distributionsweg in weiten Teilen der Welt die Musikrezeption am
deutlichsten prägt, tauchen nun neue Fragen auf, wie sie die New Yorker Autorin
Liz Pelly unlängst gestellt hat: „Will our digitally connected music world result in
a globally informed pop monoculture, created at the whim of Western streaming
companies?“ (Pelly, 2018). Sie verweist auf die Tatsache, dass Streamingdienste
einen Mangel oder sogar das Fehlen von jeglichem Kontext herstellen, indem sie
historische und gegenwärtige Musik unterschiedslos auf einem Niveau präsen-
tieren und zudem geographische Unterschiede auslöschen. Es werde Musik aus
dem Nirgendwo und aus einer Nullzeit geboten. Ein Gespür für historische und
kulturelle Differenzen sei hierbei nicht zu entwickeln. Nicht zuletzt auch klang-
lich – aufgrund restriktiv standardisierter Anforderungen an das Mastering – ent-
stehe so eine Monokultur aus 50 Millionen oder mehr Songs, wie sie etwa von der
Plattform Spotify abrufbar sind (Spotify.com, 2020).
Die Historizität der Musiktitel und ihre Kontexte, ihre raumzeitliche Bestimm-
barkeit und ihre Kontextualisierung als Album – mithin also die klassischen Fra-
gen nach dem Wann und Woher – entfallen zunehmend. Dies wird als Dezit
seitens der (jüngeren) Hörenden durchaus wahrgenommen (Pelly, 2018). Jede
Vinylschallplatte hat hingegen eine raumzeitliche Verortung: Nicht nur auf-
grund der gedruckten Urheber-Credits, Labelangaben, Jahreszahlen etc. auf dem
Etikett und auf der Hülle, sondern, sollte letztere verloren gegangen sein, auch
im sogenannten „Dead Wax“, dem Bereich zwischen Laufendrille und Etikett, der
Angaben zur Herstellung eingraviert enthält, mittels derer eine raumzeitliche
Verortung erfolgen kann.
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Zur raumzeitlichen Verortung kommt ein Anachronismus des Analogen im digita-
len Zeitalter hinzu, denn anders als beim Streaming muss die einzelne Schallplatte
dinglich besorgt werden, recht aufwändige Abspielgeräte müssen vorhanden sein
und der Abspielvorgang muss sorgfältig händisch gesteuert werden. Der Zugang
ist also erschwert, voller Aufwand und erfordert sogar eine gewisse Geschicklich-
keit. Warum nehmen immer noch und immer mehr Nutzerinnen und Nutzer diese
Erschwernisse auf sich? An dieser Stelle erscheint es sinnvoll, Richard Sennetts
Überlegungen zur Widerständigkeit des Analogen hinzuzuziehen. „Ich behaupte“,
schreibt Sennett in Der Tastsinn (1998), „dass die Verminderung der Widerstände
in der alltäglichen Umgebung unsere Verbindung mit der Wirklichkeit schwächt.
Leichte Handhabung zersetzt unser Engagement, eine physische Welt ohne Wi-
derstände reduziert die angespannte Aufmerksamkeit“ (Sennett, 1998, S. 484). Die
Widerständigkeit des Analogen fördert somit die geistige Fokussiertheit. Men-
schen geraten auf diese Weise „mit der Welt in Berührung, erfassen sie buchstäb-
lich in all ihrer Rauheit, Härte und Schwierigkeit. Dieses unwegsame Feld ist der
Ort, an dem Ausdruck entsteht“ (Sennett, 1998, S. 483). Dieser Ausdruck, so ließe
sich ergänzen, steht für tieferes Erleben (Herwig, 2014).
Gegen die fehlende örtliche und historische Bindung von Streaming, gegen
fehlende Haptik und Visualität der Musik erfolgt also mit der Wiederentdeckung
des Vinyls eine Rematerialisierung in ein bewährtes mediales Format, das alles
Fehlende enthält. Damit steht die Vinylschallplatte paradigmatisch für Phänome-
ne des Medienwandels im Rahmen der Digitalisierung von Kommunikation. Der
analoge Tonträger zeigt Dezite der Digitalität auf und ist darin deutlich mehr
als nur ein nostalgischer Trend oder ein retromanischer, wenn auch „enjoyably
perverse act of swimming against the tide of history“ (Reynolds, 2011, S. 125).
Vielmehr steht die Vinylplatte für eine post-digitale Haltung (Lund, 2017), die auf
bewusste Reanalogisierung setzt. Diese Haltung gliedert sich ein in einen größe-
ren Mega-Trend der Post-Digitalität, dessen ästhetisch-mediale Aspekte mittler-
weile auch viele lebenspraktische Bereiche umfassen, nicht zuletzt Bildprodukti-
on, Design, Film und Publishing (vgl. Kulle, Lund, Schmidt et al., 2015-ongoing).
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Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen
2 Ökonomisierung, Warencharakter und Singularität
Mit ihrer sozio-ökonomischen Theorie des enrichissement (dt.: Be- oder An-
reicherung) haben Boltanski & Esquerre (2018) eine Kapitalismustheorie entwi-
ckelt, die sich passgenau auf die Renaissance von Vinyl anwenden lässt. Im Sinne
dieses Ansatzes steht die Vinylschallplatte nicht nur paradigmatisch für eine Ent-
wicklung, die der digitalen Ökonomie entgegenläuft, sondern erscheint in ihren
unterschiedlichen Ausformungen zugleich als Teil einer analog-dinglich orien-
tierten Bereicherungsökonomie. Dieser als Kritik der Ware untertitelte Ansatz der
Kapitalismustheorie nimmt seinen Ausgangspunkt von der Gegenwartsdiagnose,
dass es ab dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts in den durch Deindustria-
lisierung geprägten Ländern Westeuropas zu einer tiefgreifenden Veränderung
gekommen sei, wie Werte geschaffen werden (Boltanski & Esquerre, 2018, S. 15).
Nicht mehr die industrielle Massenproduktion sei das herrschende ökonomische
Paradigma, sondern die „Ausbeutung einer einzigen Quelle“, nämlich der Quelle
der „Vergangenheit“ (Boltanski & Esquerre, 2018, S. 16). Damit ist gemeint, dass
mehr oder weniger jedes Ding einem Prozess der Anreicherung unterworfen wer-
den kann, indem es in ein „narratives Dispositiv“ eingebunden wird, das seine
„Substanz aus der Vergangenheit“ (Boltanski & Esquerre, 2018, S. 97, 99) bezieht.
Eine solche Ökonomie der Vergangenheit beruht also nicht vorrangig auf der in-
dustriellen und serienmäßigen Produktion von Standardprodukten, die im Neuzu-
stand vermarktet werden, sondern auf der Aufwertung bereits vorhandener Dinge,
wie etwa Antiquitäten oder – wie man heute sagt – Vintage-Objekten. (Boltanski &
Esquerre, 2018, S. 99)
Boltanski & Esquerre (2018) denieren enrichissement als post-industrielle Ökono-
mie und als Zusammenspiel von (1) Standard-, (2) Trend-, (3) Sammler- und (4) Anla-
geform, vor allem in den Bereichen Luxus, Tourismus, Kunst, Kultur und Immobilien
– und in deren Querbeziehungen. Die Bereicherungsökonomie verfüge dabei
nicht über dieselbe Sichtbarkeit wie die digitale Ökonomie, die häug als radikale Wen-
de präsentiert wird, wodurch allerdings leicht in Vergessenheit gerät, dass es in dieser
digitalen Ökonomie teilweise um Dinge geht und dass der Akzent, der dabei auf die Dis-
kontinuitäten gelegt wird, die Kontinuitäten zurücktreten lässt, denen sie [die digitale
Ökonomie] ihre Entwicklung ebenfalls verdankt. (Boltanski & Esquerre, 2018, S. 417)
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In der Digitalisierung verüchtigen sich die Dinge also, gehen aber mitnichten
vollständig verloren, sondern bleiben vielmehr im Hintergrund weiterhin exis-
tent und ökonomisch wie auch kulturell bedeutsam. Eines dieser Dinge, eine die-
ser Kontinuitäten im Zeitalter der Diskontinuitäten, ist die Vinylschallplatte. Ihre
vier einzelnen Warenformen stellen sich unterschiedlich dar.
(1) Industrielle Standardform: Vinyl ist eine neue industrielle Standardform für
Veröffentlichungen (gewichtigerer) Pop Acts geworden, für Dance- und
Clubmusik ebenso wie für Jazz, Avantgarde oder Wiederveröffentlichungen
von Aufnahmen jeglicher Stile aus dem Bestandskatalog. Davon künden nicht
zuletzt weltweit neu errichtete Vinylpresswerke (Harris, 07.01.2015; Gin, 2019)
– neben Europa und den USA auch in nicht-westlichen Ländern, wie etwa Vinil
Brasil in Brasilien (2017) oder Nora Istanbul in der Türkei (2018). Pikanterweise
hat selbst Sony 2018 in Japan eine neue Schallplattenfabrik in Betrieb genom-
men, also jene Firma, die einst die CD erfolgreich als angeblich medial-qualita-
tiv überlegene Standardform gegen die vormalige industrielle Standardform
Vinyl in Stellung gebracht hatte (Sax, 2016, S. 9). Als eine erneute Standard-
form konnte sich Vinyl in der Gegenwart jedoch nur deshalb bewähren, weil
es als Trendform entsprechend Aufmerksamkeit gewinnen konnte.
(2) Trendform: Zu den zentralen modischen ‚Hipsterutensilien‘ gehören neben zur
Schau gestellten Bärten und Truckercaps (Greif, 2010; 2016, S. 211–221) seit den
2010er-Jahren weltweit auch Schallplatten. So sehr, dass nicht einmal unbe-
dingt ein Plattenspieler vorhanden sein muss: Die Platten werden oftmals nicht
angehört, sondern sind Dekorationsobjekte eines bestimmten Lifestyles oder
dienen als Souvenirs und Fandevotionalien. Geschätzt ca. 15 bis 30 Prozent
der weltweit produzierten Schallplatten erleiden das Schicksal dauerhaften
Ungehörtseins – weil sie als Remittenden zerstört bzw. recycelt werden, vor
allem jedoch, weil sie nicht fürs Anhören erworben worden sind, sondern um
des Besitzen-Wollens an sich (Devine, 2019, S. 30; Oliphint, 28.07.2014; Peltsch,
2020). Im November 2018 wurde von einem der Autoren ein junges Paar in
einem Kasseler Second-Hand-Plattenladen gesichtet, das nach eigener Aussage
zum ersten Mal überhaupt in einen Plattenladen ging, und zwar mit dem Ziel,
eine Platte aufzulegen und davon ein Instagram-Foto zu machen. Die analoge
Trendform wird in digitale Verwertungslogiken eingebunden, wenn hier auch
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Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen
auf der Metaebene der Selbstdarstellung (Suler, 2016, S. 78–79).
Vom „Hipsterutensil“ hat es die Schallplatte in den letzten zehn Jahren,
zusammen mit der Mainstreamwerdung des Hipsters (Touboul, 21.02.2019),
selbst in den Mainstream geschafft: Die Unternehmen Postbank (12.10.2016)
und Ferrero (29.10.2017) werben in ihren Werbespots gleichermaßen mit
Vinyl- und entsprechender Audiokultur (Abb. 2a und 2b), deren empfundene
Wertigkeit wohl auf ihre Finanz- bzw. Süßwarenprodukte übergehen soll.
Andere Unternehmen, etwa Teppichhändler, tun es ihnen gleich und verwei-
sen auf die Trendform Schallplatte.
(3) Anlageform: Der Newsletter des weltgrößten Online-Marktplatzes Discogs.com
titelte im November 2018 mit der Überschrift: „Sound Investment: What We
Know About The High-End Vinyl Market“ und stellt einige exemplarische
Vinylschallplatten vor, deren Preise in letzter Zeit explodiert sind (Cannon,
2018). Einzelne Schallplatten konnten bei Auktionen bereits bemerkenswerte
Spitzenwerte erzielen, etwa 2015 das sog. White Album der Beatles mit der in
das Cover geprägten Zählnummer 000001, ein Exemplar aus dem Besitz des
Schlagzeugers Ringo Starr, das für 790.000 US-Dollar versteigert worden ist
(Kreps, 05.12.2015). Dabei handelt es sich, typisch für die Bereicherungsöko-
nomie, um eine rein narrative Wertbildung, denn das Exemplar weist außer
der Nummer und der beinahe mythisch aufgeladenen Aura des Vorbesitzers
keinerlei Besonderheiten auf: Es entspringt der industriellen Standardform,
in der es hunderttausendfach identisch gepresst worden ist.
Aussagekräftiger als solche exzeptionellen Spitzenwerte sind die Langzeitent-
wicklungen im oberen Preissegment, die stark aufwärts weisen (Cannon, 2018).
2018 sind über Discogs.com erstmals fünf Platten in einem Monat für über
10.000 US-Dollar verkauft worden. Vinyl entwickelt sich also zur Anlageform,
ist dabei jedoch nicht nur Rarität und Wertspeicher, sondern wird auch Speku-
lationsobjekt – alles in allem ein solider Investitionsgegenstand. Der Discogs.
com-Newsletter prägt hierfür das schöne doppeldeutige Wortspiel „sound
investment“ (Cannon, 2018).
(4) Sammlerform: Die Vinylschallplatte konnte sich nur zu einer Anlageform
entwickeln, weil sie sich im Lauf der Zeit und speziell seit den 2010er-Jahren
zunehmend zu einem Sammelobjekt entwickelt hat (Shuker, 2010). Ein Beleg
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H. Lund, B. Michel & O. Zöllner
Abbildung 2a: Standbild aus dem Werbelm „Postbank Privatkredit“, 2016
Quelle: Postbank (2016), eigener Screenshot
Abbildung 2b: Standbild aus dem Werbelm „Ferrero Küsschen“, 2017
Quelle: Idents Austria (2017), eigener Screenshot
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Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen
dafür ist die am deutschen Zeitschriftenmarkt sehr erfolgreiche Sammler-
zeitschrift Mint: Magazin für Vinyl-Kultur (mintmag.de, 2019). Sie erscheint seit
2016 und wächst stetig in Auage und Umfang, was in Zeiten der Printkri-
se und des Niedergangs des Musikjournalismus bemerkenswert ist. Allein
2018/2019 sind vier ehedem sehr bedeutende Musikzeitschriften eingestellt
worden: Intro, Groove, Spex und Juice. Kurz zuvor waren im deutschsprachi-
gen Raum bereits die Magazine electronic beats, skug und de-bug vom Markt
genommen worden. Der Musikjournalismus verschwindet, der Sammlerjour-
nalismus hingegen erblüht, so lässt sich schlussfolgern – wiewohl Mint vor
diesem Hintergrund zunehmend auch an Aktualität orientierte Branchen-
und Musikberichterstattung übernimmt.
Interessanterweise ereilt die Vinylschallplatte als Sammelobjekt hier narrativ
erneut das Schicksal des Ungehörtseins, denn gesammelt wird oftmals, wie
bereits angemerkt, nicht primär zum Abspielen, wie schon der Titel der Zeit-
schrift Mint zum Ausdruck bringt: Er nimmt auf die klassische Sammlerform
und -klassizierung „mint“ („ungespielt“) Bezug. Man kommt nicht umhin, an
Sammler ungestempelter Briefmarken („postfrisch“) und prägefrischer Münzen
ohne Umlaufspuren (also der Erhaltungskategorie „mint“ im eigentlichen Sinne)
zu denken. Sammeln erfolgt in dieser Logik, ohne das ersammelte Objekt seiner
eigentlichen Bestimmung entsprechend zu nutzen: Die gespeicherte Musik als
performative Kategorie steht in einem Gegensatz zu nichtmusikalischen Prakti-
ken der Dinglichkeit (Devine, 2019, S. 20–22). Diese Sammelhaltung von Objekten
dient dem Beseitigen von Leerstellen im Besitz – und eben nicht dem Hören
(Boltanski & Esquerre, 2018, S. 317; 340–341).
Die musikalische Rezeption, sofern gewünscht, erfolgt bei neueren Veröffentli-
chungen oft über beigelegte CD-Versionen oder herunterladbare MP3-Dateien.
Nicht zu vergessen ist dabei der hohe Schauwert von Vinylschallplatten und
insbesondere ihrer oft kunstvollen Covergestaltungen (Behrens, 2001; Düllo,
2005b), der mit dem Trend zu sammlerfreundlichen exklusiven Luxuseditionen
(farbiges Vinyl, Printbeigaben) intensiviert wird. Konsequent erscheint es in
diesem Zusammenhang, dass die Zeitschrift Mint selbst längst Objekt der Sam-
melpassion wird. Das Magazin hat ausverkaufte Ausgaben, die ihrerseits schon
hoch gehandelt werden: Für frühe vergriffene Nummern wurden 2018 auf der
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Auktionsplattform eBay.com bis zu 40 Euro pro Heft (statt ca. 5 Euro) erfolgreich
geboten (Abb. 3).
Abbildung 3: Angebot für Heft 1 der Zeitschrift Mint: Magazin für Vinyl-Kultur auf der
Auktionsplattform eBay, Dezember 2018
Quelle: Mint-Magazin Heft 1 (2018) (eigener Screenshot)
Wie solide die Vinylschallplatte als Sammlerform ist, zeigt auch der Markt für
Wiederveröffentlichungen. Während sonst bei der Sammlerform nur das Ori-
ginal, also die Erstpressung zählt (Burgess, 2016, S. 151) und selten die Kopie,
also die Nachpressungen bzw. Folgeauagen, können bestimmte Wiederveröf-
fentlichungen, Bootlegs (illegale Ausgaben bzw. Konzertmitschnitte) oder sogar
Counterfeits (Fälschungen) selbst sehr rasch Gegenstand des Sammelns und ent-
sprechender Wertsteigerung werden, sofern eine ausreichend starke Rarizie-
rung gegeben ist (Bartmański & Woodward, 2015, S. 109–117). Wie gesund die
Vinylschallplatte als Sammlerform ist, zeigt nicht zuletzt die Sektion für Künst-
lerschallplatten (seit ca. 15 Jahren) auf der Kunstmesse Art Basel innerhalb der
Sektion „Editionen“. „Vinyl Goes Art“ könnte man als Slogan für die Entwicklung
der (Künstler-)Schallplatte formulieren: Kunst ist nach wie vor die am stärksten
nobilitierte Sammlerform (Hauser, 1974, S. 540- 551; Thornton, 2008, S. 1–40) –
und die Schallplatte passt sich hier ein.
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Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen
Das Warenobjekt Vinyl gewinnt also in allen kategorialen ökonomischen For-
men – Standardform, Trendform, Sammlerform, Anlageform – an Bedeutung. Die
emergente Vinylkultur erscheint dabei als Teil einer analog-dinglich orientierten
Bereicherungsökonomie und damit als Teil einer nicht zu unterschätzenden Ge-
genbewegung zur digitalen Ökonomie. Das besondere Potential von Schallplatten,
ökonomisch und ästhetisch, ist zugleich eine aufschlussreiche Kritik an der Digi-
talisierung, ihrer Ökonomie und Ästhetik. Es lässt sich schließen, dass die durch
Standardisierung, Massenproduktion und Funktionalität geprägte Ökonomie der
industriellen Moderne im Begriff ist, abgelöst oder zumindest herausgefordert zu
werden – so lautet denn auch die Ausgangsthese von Andreas Reckwitz‘ Überle-
gungen zur Gesellschaft der Singularitäten (2017).
Die spätmoderne Ökonomie ist mehr und mehr an singulären Dingen, Diensten und
Ereignissen ausgerichtet, und die Güter, die sie produziert, sind zunehmend solche,
die nicht mehr rein funktional, sondern auch oder allein kulturell konnotiert sind
und affektive Anziehungskraft ausüben. Wir leben nicht mehr im industriellen,
sondern im kulturellen Kapitalismus. (Reckwitz, 2017, S. 7–8; Hervorh. i. Orig.)
Wie Boltanski & Esquerre (2018) konstatiert auch Reckwitz die neue Ökonomie
nicht lediglich bei der Zirkulation materieller Güter, sondern auch bei Verhaltens-
weisen, Orten, ja dem Selbst (Reckwitz, 2017, S. 290–291). Anders als die beiden Fran-
zosen legt Andreas Reckwitz jedoch die Tiefenlogik hinter bzw. unter den in ähn-
licher Weise festgestellten Oberächenphänomenen frei: Es sei dies die Logik der
Singularisierung, der Besonderung. Sie markiere einen „gesellschaftlichen Struktur-
wandel“, der „darin besteht, dass die soziale Logik des Allgemeinen ihre Vorherr-
schaft verliert an die soziale Logik des Besonderen (...), also das, was als nichtaustausch-
bar und nichtvergleichbar erscheint“ (Reckwitz, 2017, S. 11; Hervorh. i. Orig.). Dabei
erstrecke sich die Logik der Singularität auf die gesamte Lebensführung: „wie man
wohnt, was man isst, wohin und wie man reist, wie man den eigenen Körper oder den
Freundeskreis gestaltet. Im Modus der Singularisierung wird das Leben nicht einfach
gelebt, es wird kuratiert“ (Reckwitz, 2017: 9; Hervorh. im Orig.).
Mit der Logik des Strebens nach Singularitäten lässt sich auch das Wiederauf-
leben der Vinylkultur plausibel erklären und differenziert beschreiben: Obwohl
Schallplatten vor ihrem Revival massenindustriell hergestellte Standardprodukte
waren, erfahren sie nun im Zuge ihrer Renaissance unterschiedliche Singularisie-
rungspraktiken: Die Wiederentdeckung der eigenen Plattenbestände aus Kind-
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H. Lund, B. Michel & O. Zöllner
heit und Jugend kann als ein Akt der biographischen Singularisierung verstanden
werden, als Verknüpfung von bestimmten Platten mit einzigartigen Erlebnissen
oder Phasen der eigenen Vergangenheit. Aber auch der Kauf einer Schallplatte
kann durch den besonderen Modus des Erwerbs – bspw. auf dem Flohmarkt oder
im Second-Hand-Laden – einen Akt der Singularisierung darstellen, wenn nämlich
die Gebrauchsspuren auf dem Cover als authentische Spuren des Vorbesitzers und
seiner Geschichte gelesen werden oder der Fund auf dem Flohmarkt als besondere
Entdeckung einer Trouvaille verklärt und zu einer wiedererzählbaren – singulären –
Geschichte geformt wird. Charakteristisch für Singularitätspraktiken – also für Prak-
tiken, die Singularität hervorbringen oder für den Umgang mit singulären Gütern
– ist nach Reckwitz somit ihre Performativität: „Singuläre Entitäten werden nicht
primär instrumentell ge- und vernutzt (zweckrationales Handeln) (...), sondern bie-
ten sich im Modus der Performativität dar“ (Reckwitz, 2017, S. 72; Hervorh. im Orig.).
Unter zweckrationalen Gesichtspunkten ist das Auegen einer Schallplatte – v.a. im
Vergleich mit der CD und dem Anklicken einer Playlist – umständlich. Unter Singu-
laritätsgesichtspunkten wird diese Praktik zur Performance.
Obwohl es sich bei der Singularisierung um eine „tiefgreifende Transformati-
on“ (Reckwitz, 2017, S. 15) der bisherigen Logik der industriellen Moderne handelt
und sie „sämtliche Dimensionen des Sozialen“ umfasst (Reckwitz, 2017, S. 12, Her-
vorh. i. Orig.), betrifft sie (noch) nicht alle Teile der Gesellschaft in gleicher Wei-
se (Reckwitz, 2017, S. 274). Sie setzt vielmehr besondere Ressourcen voraus und
verschafft ihren sozialen Trägergruppen Distinktionsgewinne (Reckwitz, 2017,
S. 283, 351), wodurch es zur Herausbildung von Klassenschranken entlang der un-
terschiedlich verteilten Singularisierungschancen und -kompetenzen (Reckwitz,
2017, S. 350–351) kommt. In diesem Sinne wäre somit eine kulturelle Spaltung der
Gesellschaft in Singularisierungsgewinner und -verlierer zu konstatieren.
3 High- vs. Low-End und die technisch-soziale Spaltung der Gesellschaft
Die zu sehende kulturelle Spaltung der Gesellschaft schlägt sich auch in
einer technischen Spaltung nieder: in der Art, wie und mit was für Geräten Musik
gehört wird. Das Schema in Abb. 4 stellt die High- vs. Low-End-Orientierung der
Soundwiedergabequalität im Zeitverlauf seit Beginn der 1980er-Jahre dar. Auf-
fällig ist, dass der mittelpreisige Sektor verschwindet. Stattdessen erfolgt eine
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Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen
stärkere Orientierung entweder zu High- oder zu Low-End hin. Die einen Kon-
sumentinnen und Konsumenten hören ihre Musik in zunehmend schlechterer
Wiedergabequalität (etwa klangreduzierte MP3-Dateien über billige Ohrstöpsel-
Kopfhörer, Smartphones und Minianlagen), die anderen mit zunehmend aus-
gefeilter und teurer Technik (über Hi-Fi-Anlagen und -Komponenten für teils
mehrere zehntausend Euro, bei denen Goldkabel noch die allerkleinste Klangnu-
ancierung sicherstellen sollen). Vor diesem Hintergrund ist das hier dargelegte
technikbasierte Modell zugleich eines der sozio-ökonomischen Spaltung.
Abbildung 4: High- vs. Low-End-Orientierung der Soundwiedergabequalität im Zeitverlauf
Quelle: eigene Darstellung
Nachdem die analoge High-Fidelity mitsamt der Schallplatte als Medium in den
1970er-Jahren immer weiter verfeinert und perfektioniert worden ist, stiegen
Anfang der 1980er-Jahre die Konzerne Sony und Philips mit der CD und den
mit ihr verbundenen Produktversprechen überlegener Klangqualität (High
End) und Unzerstörbarkeit (ewige Haltbarkeit) in den Markt ein (Schrey, 2017,
S. 173). Digitale Medien und digitales Equipment galten in dieser Frühphase
der Digitalisierung analogen Medien und ihrem Equipment quasi prinzipiell
als überlegen. Ab Anfang der 2000er-Jahre prägte das neue Digitalformat MP3
zunehmend die Hörgewohnheiten und Klangerwartungen vieler Konsumen-
tinnen, worauf sich die Klangqualität vieler CDs erheblich verschlechterte, da
für den breiten Markt weniger Wert auf adäquate Abmischung und qualitati-
ves Mastering gelegt wurde, woraufhin sich digitale Speichermedien mitsamt
ihrem Peripherie-Equipment in einer stetigen qualitativen Abwärtslinie be-
wegten (Krukowski, 2017, S. 125–160). Bisheriger qualitativer Tiefpunkt dieser
356
H. Lund, B. Michel & O. Zöllner
Entwicklung der Wiedergabe auditiver Quellen dürfte das Streaming sein mit
einer neuen, stark nachgefragten Hörstruktur mit einem Mono-Lautsprecher
pro Zimmer (Lohrmann, 2019, S. 125; Dettweiler, 10.12.2019), oft gekoppelt an
Chatbots-Speaker (wie Amazons Echo/Alexa) oder gar der oft stark von digi-
talen Aussetzern geplagten Bluetooth-Übertragung per Smartphone. Der neue,
die kommenden Jahre gültige Bluetooth LE Audio-Standard senkt nochmals die
Bitrate. Musik wird so auf der technisch-medialen Ebene immer mehr zerlegt
(in den Datencode von Nullen und Einsen), vereinfacht, komprimiert und redu-
ziert (insbesondere in der MP3-Kodierung), bis sie in einem datenskelettösen
Format erscheint (Lund, 2018). Diese Entwicklung informationeller Entleerung
kann als regressiv bezeichnet werden. Die Regression geht mit einem eher dis-
traktiven Hörverhalten breiter Konsumentengruppen einher. Am deutlichsten
wird dieses Hörverhalten mit der neuen interruptiven Gewohnheit, kaum ein
Musikstück je zu Ende zu hören.
Umgekehrt verhält es sich auf dem Markt der analogen Tonträger und sei-
nes Equipments. In den 1980er-Jahren, speziell seit der Marktreife der CD, wurde
die Hi-Fi-Technik kaum mehr weiterentwickelt; qualitativ stagnierte der analo-
ge Sektor daher mehr oder weniger über Jahrzehnte. Erst um 2006 wendet sich
das Blatt mit der Renaissance der Vinylschallplatte. Audiophilie im Medium und
im Equipment wird die Devise und soll eine möglichst hochqualitative analoge
Wiedergabe von Musik sicherstellen (Bosse, 2019; Crone, 03.01.2020). Diese Ten-
denz zur neuerlichen Klangliebhaberei wird (in ihren Marktnischen) durchaus
ins Extreme getrieben, wenn es etwa Geräte zum privaten Stromtuning für 5.000
Euro zu kaufen gibt, die lediglich eine möglichst gleichbleibende Stromfrequenz
sicherstellen sollen, um solcherart kleinere Schwankungen an der Steckdose aus-
zugleichen und „dynamischen Strom“ zu ermöglichen (Mint, 2019, Beiheft). Diese
Entwicklung audiophiler Qualitätsoptimierung lässt sich als progressiv bezeich-
nen; sie ist mit einem eher konzentrierten Hörverhalten assoziiert.
Die Kritik an der Digitalisierung fußt auf der erwähnten Widerständigkeit des
Analogen. Doch keineswegs ist diese ältere technische Produktions- und Speicher-
form nur in seiner Vergangenheit festgeschrieben, sondern wird weiterentwickelt.
Deutlich ablesbar ist dies nicht nur an der Varianz neuer Abspielgeräte bzw. deren
Re- oder Neuproduktion, sondern auch klanglich: Zum einen an einem neuen High-
Fidelity-Boom mit zahlreichen Peripheriegeräten, von dem die Münchener und
Zürcher „High End“-Messen zeugen (highendsociety.de, 2019), zum anderen an
357
Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen
den Bereichen des Masterings und des Vinylschnittes, also den letzten Stufen der
Klangbearbeitung im Produktionsprozess von Schallplatten (Bartmański & Wood-
ward, 2015, S. 75–82; Ketterer, 2014a; 2014b). Mit der Entstehung von signature
mastering als einer Kunstform, die den mastering engineer in einen (auch nament-
lich identizierbaren) mastering artist transformiert, entwickelt sich die Herstel-
lung einer Schallplatte selbst immer mehr zu einer künstlerischen Disziplin (Lund,
2018). Dasselbe gilt für den Bereich des Vinylschnittes. Auch hier vollzieht sich ein
Wandel zum signature cut, dem signierten Kunstwerk im traditionellen Sinne nicht
unähnlich. Diese Prozesse auf der Materialebene der Schallplatte und ihrer Peri-
pheriegeräte loten die Potenz und Potentialitäten des Analogen aus.
Die Gesamtentwicklung der High- vs. Low-End-Orientierung haben wir als
eine technisch-soziale Spaltung der Gesellschaft bezeichnet. Dies insofern, als
ein qualitativ mittleres Hörverhalten wegbricht und die Gesellschaft auseinan-
derdriftet in Menschen, die – weniger anspruchsvoll und aufwändig – Musik im
günstigen oder kostenlosen Flat-Abo eines Streamingdienstes eher distraktiv
hören (die große Mehrheit), und solche, die dies konzentriert tun (eine kleine
Minderheit), die jedoch eine audiophile Elite darstellen, die oft auch über größe-
re ökonomische und/oder kulturelle/subkulturelle Kapitalressourcen verfügen
(Bourdieu, 2014; 2015, S. 49–80; Thornton, 2008). Das immer wieder benannte Ver-
schwinden der Mittelschicht, die Spaltung der Gesellschaft in eine große Masse
und eine kleine, privilegierte und qualitätsorientierte Elite: auch in der Produkti-
on, Aneignung und Konsumtion von Musik-Tonträgern wird sie technisch-medial
und ökonomisch-sozial greifbar.
4 Vinylschallplatte und Vinylkultur
Die Vinylschallplatte ist Ausdruck vielfältiger Narrative, die auf zentrale
Themen und Praxen (in) der Gesellschaft verweisen. Ein Narrativ, das rund um
den Tonträger und seine Renaissance eine regelrechte „Kultur“ postuliert, also
ein System von Praxen der Bedeutungsproduktion, ist das der Vinylkultur. Es
ndet sich prominent im Untertitel der bereits vorgestellten deutschen Zeit-
schrift Mint und ist das Sujet der bis dato umfassendsten Studie zur Kulturalität
der Vinylschallplatte (Bartmański & Woodward, 2015). Diese auf ethnograschen
Feldbeobachtungen und qualitativen Interviews mit Musikern, Disc-Jockeys,
358
H. Lund, B. Michel & O. Zöllner
Labelbetreibern und Sammlern basierende Monograe kann im Folgenden als
Strukturierung der emergenten Vinylkultur dienen.
Zentral für die Verortung der Vinylschallplatte in alltagskulturellen Prozessen
und Praktiken erscheinen fünf Aspekte: in historischer Perspektive (1) die Evolu-
tion der Vinylschallplatte als Medienformat; in medienwissenschaftlicher Sicht-
weise (2) die lebensweltlichen Praktiken des Umgangs mit und des Hörens von
Platten (Orte, Situationen, Vergesellschaftungen); in einem genuin kulturwissen-
schaftlichen Ansatz (3) die besonderen Eigenschaften und erfahrungsbasierten
Verwobenheiten des analogen Tonträgers und seiner Dinglichkeit mit seinen
Nutzern; in einer semiotischen Perspektive (4) Vinyl als Totem und positiver Fe-
tisch für Sinnkonstruktionen; und (5) seine Mythisierung. Aus diesen Aspekten
resultiert insgesamt der Objekt-Raum-Nutzungs-Nexus einer „Vinylscape“, also
einer umfassenderen kulturellen „Landschaft“ rund um die Vinylschallplatte.
Mit deren Exploration gehen Bartmański & Woodward (2015) auf den „Scape“-
Ansatz von Appadurai (1990) zurück, sehen die „Vinylscape“ allerdings relativ
oberächlich als einen Raum, in dem analoge Schallplatten „communicative and
aesthetic roles in urban contexts“ vollführen (Bartmański & Woodward, 2015,
S. 140). Denkt man diesen Ansatz weiter, wäre die Vinylschallplatte noch konkre-
ter sowohl der von Appadurai (1990) entworfenen „mediascape“ (der Landschaft
des Medialen) als auch der „technoscape“ (der Landschaft der Technologien)
zuzuordnen und, wie wir mit Blick auf ökonomische Bedingungen weiter oben
dargelegt haben, ebenso der „nancescape“ (der Landschaft der globalen Kapital-
ströme und Investitionen). Die analoge Schallplatte ist gerade in der Phase ihrer
Renaissance in der Digitalität ein komplexes Bedeutungsbündel.
(1) Evolution des Medienformats: Durch ihre raumzeitliche Verortbarkeit mit
Datierungen und den beschriebenen vielfältigen Urheberangaben kann
jede einzelne Vinylschallplatte als Dokument (record) gelesen werden – eine
Lesart, die im Englischen begrifich-konnotativ offensichtlicher angelegt ist
(Bartmański & Woodward, 2015, S. 1–15). In einem umfassenderen Sinne, der
das Speicherformat Vinylschallplatte an sich als Dokument begreift, ist in
sie eine Entwicklungsgeschichte der Medialität eingeschrieben, mit der sich
Gesellschafts- und Kulturwandel verstehen lassen: von der Walzenmatritze
über die Schellack-, Vinyl- und digitale Kompaktschallplatte (CD) hin zum
Download und zum Streaming und (teilweise) wieder zurück. Der widerstän-
359
Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen
dige Dokumentsinn des analogen Vinylformats und seiner Renaissance im
Zeitalter der Digitalität ist oben bereits ausgeführt worden. Er bringt eine
gegenläuge Haltung zur semimateriellen Pixeldigitalität von Nullen und
Einsen zum Ausdruck, auch wenn diese Widerständigkeit eher auf einem
robusten Nischenmarkt verortet ist. Dies ist aber auch als Kritik an der sich
rapide digitalisierenden Gegenwart lesbar: als Sehnsucht nach einer stärker
auf materieller Haptik basierten und vielleicht auch langsamer verstrei-
chenden Zeit. Aus den Zumutungen durch digitale Institutionen – etwa der
Geschwindigkeit und Überwachungslogik von sozialen Online-Netzwerken
– resultiert in der „Metamoderne“ (van den Akker & Vermeulen, 2017) ein
Unbehagen vieler Menschen der Gegenwart gegenüber. Es handelt sich beim
Dokument Vinylschallplatte also um eine Auseinandersetzung mit dem Nar-
rativ der permanenten technischen Innovation bzw. der Vektor-Ideologie des
scheinbar stets nur nach vorne und nach oben weisenden Fortschritts. „Tur-
ning cultural products into les is a convenient reduction, but a reduction
nonetheless, one curiously compatible with the hyper-accelerated culture of
‘progress’” (Bartmański & Woodward, 2015, S. 31).
Übersehen werden beim Blick auf das solchermaßen zum Kritiknarrativ
überhöhten industriellen Warenobjekt Vinylschallplatte allerdings meist
seine materiellen Produktionsbedingungen, die stark von der Gewinnung,
Beschaffung, Verarbeitung und Distribution extrem umweltschädlichen
Polyvinylchlorids und vieler Zusatzstoffe abhängig sind. Bei der CD oder den
vorgeblich entmaterialisierten, aber dennoch letztlich speicherbasierten di-
gitalen Formaten verhält es sich ähnlich; hinzu kommt bei allen technischen
Plattformen ein Stromverbrauch mit allen seinen Folgekosten, der beim
Streaming besonders hoch ausfällt (Devine, 2019). Die Vinylschallplatte setzt
also traditionelle kapitalistische Produktions-, Zirkulations- und Konsum-
tionsprozesse fort, die zudem auf einer weltweit verortbaren Ausbeutung
von Ressourcen (Rohstoffen und Arbeit) fußen. Die Kritik an einer unhinter-
fragten Modernisierungsideologie, die bei manchen Vinylnutzern in ihrem
bewussten Rückgriff auf ein älteres, zwischenzeitlich obsolet geglaubtes Me-
dienformat impliziert wird, hat also den Preis einer partiellen Ausblendung
relevanter ökologischer Faktoren und (post-)kolonialer Kritiken. Im Sinne
eines „technologischen Nihilismus“ (Gertz, 2018) ist die Vinylschallplatte
360
H. Lund, B. Michel & O. Zöllner
somit teilweise auch ein Narrativ des Rückschritts oder der Leugnung – und
genau darin vielleicht ein realistisches Dokument der Gegenwart.
(2) Lebensweltliche Praktiken: Das Vinyl-Revival ndet statt im Sinne eines Kreis-
laufs der Konsumprodukte. Die Langspielplatte wird dabei als Träger neuer
Bedeutungen und Mediator veränderter Praktiken im Umgang mit Musik und
Objekten rekonguriert (Halkier et al., 2011, S. 16, 29). Die Widerständigkeit
des Mediums drückt sich auch in seiner Umständlichkeit aus. Vinylschallplat-
ten zu besorgen, zu sammeln und aufzulegen ist ökonomisch wie zeiträum-
lich aufwändig und unbequem (Bartmański & Woodward, 2015, S. 35–60),
läuft also den zentralen Versprechungen der Digitalisierung entgegen
(Zöllner, 2019, S. 87). Doch gerade auf dieser selbst gewählten Umständlich-
keit fußen kulturelle Rituale in der Lebenswelt von Schallplattennutzerinnen
und -nutzern.
Mit dem zur Sammelleidenschaft mutierten Kaufen alter wie neuer Schall-
platten (Shuker, 2010) ist eine vielfältige Begleit- bzw. Fachpublizistik assozi-
iert: in Form von Zeitschriften, Katalogen, Sammlerguides für spezialisierte
Musikgenres und Labels, voluminösen Schallplattenlexika (Lotz et al., 2019;
Wonneberg, 2016) und kollaborativen Online-Datenbanken, von denen Dis-
cogs.com wohl am prominentesten sein dürfte (Zandt, 2016). Zu neuer Blüte
haben es dabei auch räumlich-soziale Institutionen wie Schallplattenbörsen
und -läden für Neu- und Second-Hand-Ware gebracht. Sie machen (neben
dem ökonomisch durchaus bedeutenden Online-Versandhandel) das Schall-
plattensammeln erst möglich und vernetzen Vinylfreunde. Insbesondere Lä-
den fungieren in einer urbanen Gegend oft als „dritte Orte“ neben Wohnung
und Arbeitsstätte und werten ein Quartier auf (Jeffres et al., 2009).
Als ganz wesentliche Ausgestaltung der passionierten Praxis des Schallplat-
tensammelns hat sich das sog. „Digging“, also das Kramen oder Graben nach
seltenen Platten in Läden oder auf Plattenbörsen und Flohmärkten weiter
entwickelt. Als eine Art „Archäologie“ moderner Artefakte (Bartmański &
Woodward, 2015, S. 38; Schmauder, 2011) ermöglicht es den „Diggern“ nicht
nur, ihre Sammlung auszubauen, sondern auch die eigene Kennerschaft auf
speziellen Sammelgebieten zu demonstrieren und sich mit anderen Samm-
lerinnen und Sammlern auszutauschen. Expertise ist hier eng mit Coolness
und Hipstertum verknüpft (Düllo, 2005a; Greif, 2010; 2016; Leland, 2004).
361
Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen
„Even if you are a lone digger, vinyl places are inevitably social places”
(Bartmański & Woodward, 2015, S. 43). Die Suche nach wie auch die Kenntnis
von raren und rarizierten Vinylschallplatten gründet auf kulturellem bzw.
subkulturellem Kapital und vermehrt es. Der Erwerb teurer Tonträger ist
allerdings vom ökonomischen Kapital der „Digger“, also ihrem persönlichen
Budget abhängig (Bourdieu, 2014; 2015, S. 49–80), worüber manche Samm-
lerinnen und Sammler regelrecht in Wettbewerb treten. Gesellschaftliche
Bedingungen und Spaltungen reproduzieren sich, ähnlich wie beim techni-
schen Equipment, auch hier.
In diesem erhöhten Beschaffungsaufwand, also relativ hohen Transakti-
onskosten, drückt sich nicht nur eine Wertschätzung des Warenobjekts
Schallplatte aus, sondern auch eine implizite Wertschätzung der auf ihr
gespeicherten Musik. Dies spiegelt sich wiederum in Praktiken des Musikhö-
rens. Der im Vergleich zu digitalen Medien und Plattformen kompliziertere
Rezeptionsvorgang beim Schallplattenhören ist oft ritualistisch ausgeformt.
Für diese ästhetische Alltagspraxis nehmen sich viele Menschen besonders
markierte Zeit (auch als bewusste Auszeit vom Alltag). Sie ist, wie bereits
angedeutet, von einem eher konzentrierten Hörverhalten gekennzeich-
net („slow listening“ nach Bartmański & Woodward, 2015, S. 31; „focused
listening“ nach García Quiñones, 2016, S. 186; „thick listening“ nach Kru-
kowski, 2017, S. 119). Auch in ihm drückt sich eine gelegentlich ostentative
Überlegenheit der Vinylhörerinnen und -hörer aus, die Teil ihres kulturellen
bzw. subkulturellen Kapitals ist und nicht zuletzt ihr soziales Prestige und
ihre Distinktion fördert (Bourdieu, 2014; 2015; Eisenberg, 1987, S. 18–20). Die
Lebenswelt der Vinylfans ist also in erheblichem Maße von Distinktionspro-
zessen geprägt, die auch subkulturelle Szenebildungen, also eine Abhebung
vom Mainstream, implizieren (Elster, 2015, S. 270). Eine Vielzahl kleiner und
kleinster Plattenlabels für teils sehr spezialisierte Musikgenres verstärkt
diese Prozesse (Bartmański & Woodward, 2020).
(3) Verwobenheit von Materialität und Nutzenden: Die Medialitätsebene der Vinyl-
schallplatte verweist auf den Zusammenhang des materiellen Formats, der
Rezipienten und des Rezeptionsvorgangs. „Perhaps most importantly, vinyl’s
affordances as an analogue medium allow for distinctively engaging listening
experiences and aural sensations” (Bartmański & Woodward, 2015, S. 47). Der
362
H. Lund, B. Michel & O. Zöllner
von vielen Menschen als besonders „warm”, „organisch“ oder im Kontrast zu
digitalen Formaten als „überlegen“ empfundene Klang der Vinylschallplat-
te (Elster, 2015, S. 273) ist im Kontext audiophiler Qualitätserwartungen zu
sehen. Ironischerweise scheinen es gerade die Fehler bzw. die Unperfektheit
analoger Tonkonserven – ihre Nebengeräusche, ihr „noise“ – zu sein (Kru-
kowski, 2017, S. 205–208), die den Gewohnheiten und Prägungen menschli-
chen Hörens besonders nahekommen (und anderer Art sind als die Sound-
artefakte, die sich aus der Komprimierung und Reduktion digitaler Formate
ergeben). Vinyl kann, durchaus auch masteringbedingt, diversere Klangspek-
tren und ein druckvolleres, dynamischeres Klangspektrum erzeugen, etwa im
situativen Verwendungsnexus Disc-Jockeys/Danceoor. Es hat nicht zuletzt
in einer solchen sozialen Lokalität – unter Berücksichtigung spezischer
Wahrnehmungspraktiken (Malbon, 1999, S. 130) – eine eigene und andere
Klangästhetik als digitale Quellen. Der Vinylklang mag nicht per se besser
sein – es kommt vielmehr auf seine Einbettung in Nutzungskontexte und
Erwartungshaltungen an. Viele Hörerinnen und Hörer haben die sonischen
Charakteristika der Vinylschallplatte, also ihre klanglichen Limitationen, ihr
Rauschen, Rumpeln und Knistern, als Referenzmerkmale ihrer subjektiven
auditiven Wahrnehmung abgespeichert. Die scheinbare Perfektion des digita-
len Klanges ist für sie in diesem Sinne nicht unbedingt eine Verbesserung.
Die Analogizität der Schallplatte und ihres Klangbildes ist also stets auch als
Affordanz des Speicherformats zu sehen, als sein „Aufforderungscharakter“.
Hier drückt sich ein „Wechselspiel zwischen Akteuren und den im Alltag
verfügbaren Objekten“ aus, das „das Auftreten bestimmter Verhaltensweisen
wahrscheinlicher“ macht (Zillien, 2008, S. 161). Die Vinylschallplatte enthält
quasi eine Anweisung, wie sie in welchen Kontexten wahrzunehmen und
zu hören ist. Diese Wahrnehmungs- und Gebrauchsmuster werden von den
Nutzerinnen und Nutzern teils überhöht.
Shuker (2010) geht davon aus, dass die vielfältigen Bedeutungen des materi-
ellen Objekts Vinylschallplatte sich besonders in einer ihm zugeschriebenen
hohen Authentizität niederschlagen. Diese Authentizität ist im Sinne einer
nostalgisch verstandenen Echtheit der mechanischen Aufführungspraxis (dem
‚Originalklang von früher‘) wie auch der Anrufung einer Authentizität der
eigenen Existenz des Sammlers über seine Lebensspanne hinweg zu verstehen
(Shuker, 2010, S. 65–72). Die Vinylschallplatte erscheint demnach als Mittel der
363
Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen
Sinnproduktion und eines Strebens nach persönlicher Erfüllung. Yochim & Bid-
dinger (2008) gehen in diesem Kontext speziell auf die mit der analogen Schall-
platte verbundene Ewigkeitsmetapher ein, die sich im Vintage-Gefühl vieler
Nutzer und Sammler ausdrückt: die Schallplatte als erhabenes, altehrwürdiges
Objekt, mit dessen dauerhafter Materialität man im übertragenen Sinne die
Zeitläufte und damit den Tod überwinden und ein Erbe hinterlassen kann.
Paradoxerweise war es die digitale Compact Disc, die bei ihrer Markteinfüh-
rung Anfang der 1980er-Jahre eine größere, quasi „ewige“ Dauerhaftigkeit
versprochen hatte. Yochim & Biddinger (2008, S. 192–193) verweisen auf
die Stärke der Vinylschallplatte, ihre Nutzer soziotemporale Netzwerke
imaginieren zu lassen, innerhalb derer an die Besitzer auch nach ihrem Tod
erinnert werden kann. Eine sorgfältig kuratierte Schallplattensammlung
erscheint solchermaßen als Ausdruck der transzendenten Orientierung von
Sammlerinnen und Sammlern. Dies ist ein Aspekt, der bei einer rein auf
Streaming basierten, also dematerialisierten Musiksammlung weitgehend
verloren geht: Eine persönliche Playlist kann nicht vererbt werden wie eine
Tonträgersammlung; sie stellt kein Eigentum im engeren Sinne dar.
(4) Totemisierung und Fetischisierung: Die Vinylschallplatte weist als Objekt in
ihrer Zeichenhaftigkeit über sich hinaus, sie ist „viel mehr (…) als ein Ton-
träger“ (Kreye, 18./19.03.2017, S. 11). In ihrem auratischen Überschuss an
Zeichen und Bedeutungen, der über die primäre Nutzung als Musikquelle
und sogar die Lebensspanne von Besitzern hinausweist, kann die Schallplatte
also als ein Totem identiziert werden. Als Totem verweist sie auf Lebenssti-
le, Gruppenzugehörigkeiten, Expertise und die Auadung von spezischen
Orten mit Bedeutungen (Bartmański & Woodward, 2015, S. 138).
Längst wird Vinyl auch außerhalb von Plattenläden und Clubs als Zeichen
von Coolness und Hipness verwendet, etwa in der Werbung oder Preisaus-
zeichnung für gänzlich unmusikalische Waren und Dienstleistungen, wie
wir oben dargelegt haben (Abb. 5). Für musikalische Szenen wie etwa die DJ-
Kultur (Poschardt, 2001), innerhalb derer die Vinylschallplatte ein regulärer
Gebrauchsgegenstand ist, erscheint dieses Objekt in seiner Totemhaftigkeit
geradezu als konstitutiv. Die Vinylschallplatte ist dort ein Arbeitsmittel und
als solches ein Ausweis von Professionalität.
364
H. Lund, B. Michel & O. Zöllner
Abbildung 5: Vinylschallplattenform als Preisauszeichnungstafel für Textilien und
Modeschmuck
Quelle: eigenes Foto (Stuttgart 2019)
Als Warenobjekt, das produziert, gehandelt und getauscht wird, ist die Schall-
platte bei Sammlern durchaus als Fetisch zu sehen: negativ betrachtet als
obsessives Objekt der (Kauf-)Begierde und des Leidens, das sich als Warenfe-
tisch unter Umständen in eine Sucht verkehren kann (Bosse, 2017), positiv
gesehen aber auch als Ressource der Mobilisierung kulturellen Ausdrucks, der
Begeisterung und freudigen Passion (Bartmański & Woodward, 2015, S. 133;
Eisenberg, 1987, S. 17–18). Die Schallplatte ist ein „geliebtes Objekt“, das von
Individuen mit persönlichen und kulturellen Bedeutungen aufgeladen wer-
den und somit der Identitätsbildung dienen kann (Habermas, 1999, S. 177).
Insbesondere das Original, also die zuweilen rare Erstpressung, besitzt einen
(positiven) Fetischcharakter und prägt die Szene der Sammelnden bzw. der
Vinylkultur (Burgess, 2016, S. 151; Bartmański & Woodward, 2015, S. 133).
365
Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen
Mit ihrer teils ökonomischen, teils pathologischen und teils symbolischen
Auadung passt sich das Waren- und Sehnsuchtsobjekt Vinylschallplatte
in die Konsumgesellschaft ein. Mithin ist die Schallplatte ein Ausdruck der
Gegenwart der Digitalität und ihrer Bruchlinien, in denen sich eine „analoge
Nostalgie“ formiert: eine Sehnsucht nach dem besonderen Einzelstück, dem
Haptischen und dem Unperfekten (Schrey, 2017, S. 21–22).
(5) Mythisierung: In semiotischer Perspektive lässt sich der auratische Zeichen-
überschuss, durch den die Schallplatte, wie wir dargelegt haben, viel mehr
als ein Tonträger ist, auch als Mythos begreifen. Roland Barthes beschreibt
in seinen Mythen des Alltags (2010 [zuerst 1957]) den Mythos als eine „Rede“
(Barthes, 2010, S. 251), die sich einer primären Sprache „bemächtigt“ (Bar-
thes, 2010, S. 259) und deren Zeichen als Zeichenträger einer sekundären
Botschaft verwendet (Abb. 6a). Dass auch technische Objekte zu Zeichenträ-
gern einer mythischen Botschaft werden können, hat Barthes in seiner po-
pulär gewordenen Analyse des Citroën DS darlegt (Barthes, 2010, S. 196–198).
Auch technisch-funktionale Objekte vermitteln also zunächst eine primäre
Bedeutung: zum einen die ihrer Funktionalität, zum andern aber auch eine
sozial-ästhetische Botschaft. So kommunizierte in der prädigitalen Ära der
von Dieter Rams und Hans Gugelot um 1962 für die Firma Braun entworfene
Plattenspieler SK 61 (hierzu näher Terstiege, 2019) zum einen „Ich bin ein
Plattenspieler“ (und kein Toaster), zum andern signalisierte er den Zeitge-
nossen von 1962 in Abgrenzung von vorgängigen Plattenspielermodellen
seinen besonderen ökonomischen, technologischen und stilistischen Wert,
wodurch er sich als Statussymbol einer Nachkriegsmoderne eignete. Genauso
gab auch in vordigitalen Zeiten eine Plattensammlung auf einer primären Be-
deutungsebene Auskunft über die Milieuzugehörigkeit, das kulturelle Kapital
oder die politische Gesinnung der Sammlerinnen und Sammler.
Im Zuge der Digitalisierung und der Renaissance der Vinylkultur tritt diese
primäre Bedeutungsebene in den Hintergrund und wird von einer sekundären
Bedeutungsebene, der des Mythos überlagert. Der Braun-Plattenspieler SK 61
ist nun nicht mehr Ausdruck hoher technologischer Innovationskraft, sondern
kommuniziert nunmehr sehr viel deutlicher (freilich nur für diejenigen, die diese
Bedeutung auch decodieren können): „Ich bin analog (und keine dubios-digitale
366
H. Lund, B. Michel & O. Zöllner
Abspieleinheit)!“ – und: „Ich bin eine Design-Ikone des Mid-Century-Style!“ (Abb.
6b). Und die Plattensammlung kommuniziert in der Gegenwart weniger bestimm-
te Musikrichtungen, Bands oder Interpreten, sondern vielmehr „Ich höre Vinyl!“.
Auf dieser zweiten, mythischen Bedeutungsebene ist auch die oben skizzierte
Begebenheit von dem jungen Paar zu verstehen, das sich im Plattenladen beim
Auegen einer Platte für Instagram fotograerte: Nicht die primäre, funktionale
Bedeutung der Schallplatte war von Interesse, der Interpret oder der Musikstil,
sondern die Teilhabe am Mythos der sekundären Bedeutungsebene.
Doch worin besteht der Mythos der Vinylkultur, was ist seine Bedeutung?
Barthes (2010) macht deutlich, dass die begrifiche Fixierung und Benennung
dieser mythischen Bedeutung die Analyse vor eine Herausforderung stellt, da
sie „wirr, ein aus unscharfen, unbegrenzten Assoziationen bestehendes Wissen“
Abbildung 6a: Semiologisches System mythischer Materialobjekte (Schema)
Quelle: eigene Darstellung (nach Barthes, 2010, S. 259)
Abbildung 6b: Semiologisches System des Braun Plattenspielers SK 61 (Schema)
Quelle: eigene Darstellung (in Anlehnung an Barthes, 2010, S. 259)
367
Die Vinylschallplatte als Zeichen- und Handlungsträger gesellschaftlicher Transformationen
sei (Barthes, 2010, S. 264). Die Vielzahl seiner möglichen Erscheinungsformen
erleichtere jedoch seine Dechiffrierung (Barthes, 2010, S. 265). So drückt sich
der Mythos der Vinylkultur möglicherweise nicht nur in Plattenspielern und
Schallplatten aus, sondern vielleicht ebenso im Wiederaueben anderer analo-
ger Techniken, bspw. im Bereich der Fotograe (Polaroid) oder generell in einer
Rückwendung zum Mid-Century-Style, wie er in der TV-Serie Mad Men (2007–
2015) retrospektiv dargestellt wurde. Tentativ lässt sich dieser Mythos eventuell
als Sehnsucht nach einem ungebrochenen technologischen Fortschrittsopti-
mismus beschreiben, wie er für die Kindheit und Jugend der Baby-Boomer-Ge-
neration prägend war. Was die Attraktivität eines solchen Mythos über unsere
digitalisierte Gegenwartsgesellschaft aussagt, bleibt eine zu diskutierende Frage.
5 Conclusio
Alles in allem ist die Vinylschallplatte als „Ikone der Moderne“ bzw. Me-
tamoderne zu identizieren, deren vielschichtige Zeichen-, Bedeutungs- und
Handlungsebenen zu analysieren sind (Bartmański & Woodward, 2015, S. 167).
Der Wiederaufstieg der analogen Vinylschallplatte ist eine Rematerialisierung
des Musikkonsums und damit eine logische Konsequenz der vorangegangenen
Entmaterialisierung. Die Vinylschallplatte weist als Medium Bedeutungen auf,
die über ihre Inhalte und ihre Materialität weit hinausweisen. Sie besitzt einen
auratischen Überschuss an Zeichen, fungiert als Fetisch und strahlt als Totem
auch in nicht-musikalische Praxen aus. Solchermaßen ist die analoge Vinylschall-
platte ein Kristallisationspunkt für einen umfassenden, teils paradoxen gesell-
schaftlichen Diskurs über Modernisierungsprozesse, insbesondere über den Me-
taprozess der Digitalisierung.
Der Marktwiedereintritt der Vinylschallplatte kann im größeren Kontext
der Popkultur in Anlehnung an Reckwitz (2012, S. 20) als eine Absage an das
„gesellschaftliche Regime des ästhetisch Neuen“, also den Zwang zu perma-
nenter Innovation gewertet werden. Reynolds (2011) sieht in diesem argumen-
tativen Zusammenhang einen kulturellen Retrotrend („Retromania“) sowohl
musikalisch-inhaltlicher Art (Rückgriff auf alte Formen des musikalischen
Ausdrucks) als auch formaler Art (nostalgischer Rückgriff auf alte Datenträger,
wenn auch in neuer Fertigung). Die gesellschaftliche Perspektive eines solchen
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H. Lund, B. Michel & O. Zöllner
Rückwärtsblicks in politisch und technologisch unsicheren Umbruchszeiten
ist dabei keineswegs außer Acht zu lassen. Die Metamoderne wird mit Hilfe
des Materialobjekts Vinylschallplatte umkodiert und neu interpretiert. Darin
könnte sich eine mythische Sehnsucht nach einem ungebrochenen technologi-
schen Fortschrittsoptimismus ausdrücken. Es zeichnen sich an diesem Waren-
objekt also Umrisse eines neuen Historismus ab, auf ökonomischer Ebene mög-
licherweise aber auch eine neue „postdigitale Wirtschaft“ (Sax, 2016, S. xviii).
Prof. Dr. Holger Lund ist Professor für Mediendesign/Kunst- und Kulturwissenschaften an
der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Ravensburg, lund@dhbw-ravensburg.de
Prof. Dr. Burkard Michel ist Professor für Werbung und Marktkommunikation und Dekan der
Fakultät Electronic Media an der Hochschule der Medien Stuttgart, michel@hdm-stuttgart.de
Prof. Dr. Oliver Zöllner ist Professor für Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation
und Digitale Ethik an der Hochschule der Medien Stuttgart, zoellner@hdm-stuttgart.de
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Presentation
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Post-Produced Music – New Sound Aesthetics by Mastering and Vinylcut Since the last few years one can listen to a new sound on vinyl records, especially with bass related club music. Records from genres like (Dirty) Grime, (Post) Dubstep, Trap, Juke, BlipHop, Future Bass and Drum & Bass but as well in Sound Art show a new kind of deepness, spatiality and presence in sound, never heard before. This phenomenon has to do with achievements in mastering and vinyl cut, created by mastering engineers, which rather tend to be mastering artists, developing signature sounds and emphasizing the creative part of mastering. These sounds, often perceived like kinetic soundscapes or sonic sculptures, show the new relevance of post-production in music, parallel to the new relevance of post-production in film, where more and more filmic elements are pushed to post-production. Three signature mastering engineers and their aesthetic will be considered: Rashad Becker, Taylor Dupree, and Matt Colton. Along with the new role of post-production a new aesthetic is rising, an aesthetic of “fucked up”, as mastering engineer Matt Colton puts it: “maybe it sounding wrong is better than it sounding right”. The paper will give insight into new developments in the field of high end music production, relating them to cultural developments (extinction of club culture), economic developments (the music market and its rules and restrictions) and questioning if these vinyl productions are a new kind of “museum of (club) sound”. Text in German. cf. https://www.mediendesign-ravensburg.de/post-produktive-musik/
Article
Full-text available
Under the imperativist title “Make It Real and Get Dirty!” the analysis considers the development of several strategies of post-digital aesthetics in music video. A first look will be taken at examples for an interrelation between post-digitality and realness—the latter term here used to describe a material, tangible reality. Then an attempt will be made to more closely define the semantic range of the post-digital, before finally the development of post-digital aesthetics in music video is followed from a historical viewpoint based on a choice of various characteristic videos. Digitality forces entities to disassemble, since they have to be fed into binary digital code. The integrity of any entity is necessarily shattered to allow for digital processing and representation. How to respond to this process? Several aesthetic strategies have been developed within the post-digital like a) a return to analog synthesizers and a bric-a-brac aesthetic in both music and video, b) the simulation of analogicity by digital means, for example by digital simulations of analog synthesizers or bric-a-brac aesthetics, c) the creation of “handmade-digital” hybrids, and d) a phenomenon that could be labeled hyper-digitality. Here, digitality is exposed very openly and points to the inadequacies attached to the digital. What is the result of these strategies? Often enough a paradox attempt to achieve an unfragmented, true and real analogicity through the means of digitality, which, of course, fragments truth and realness by default. But that is not everything . . . Quote: Lund, Holger (2017): „Make It Real and Get Dirty! On the Development of Post-digital Aesthetics in Music Video.“ Kulle, Daniel/Lund, Cornelia/Schmidt, Oliver/Ziegenhagen, David (eds.): Post-digital Culture, http://www.post-digital-culture.org/hlund-eng
Chapter
Soweit wir auch schauen in der Gesellschaft der Gegenwart, ob lokal oder global, was sich ausbreitet, ist nicht das Allgemeine, es ist das Besondere. Was immer mehr gefördert und eingefordert wird, an was sich die Hoffnungen und Sehnsüchte heften, ist nicht das Standardisierte und Regulierte, sondern das Einzigartige, das Singuläre.
Book
https://rowman.com/ISBN/9781786607034/Nihilism-and-Technology What if I told you that there was a device that could entertain you, keep you healthy, make money for you, find friends for you, and attack enemies for you? We are of course capable of doing all of these things on our own, so why would we want a device to do these things for us? Why do we want devices at all? Nolen Gertz examines these questions by bringing together philosophies of technology and philosophies of nihilism. Rather than debating whether technologies are making us better or making us worse, nihilism can allow us to ask instead why we are so quick to praise or blame technologies, why we are so quick to outsource our responsibility, our freedom, our humanity, to technologies. By investigating how we use technologies, from Netflix and Chill to Fitbit and Move to Twitter and Rage, we can diagnose how technologies are nihilistic and how our nihilism has become technological. Nietzsche challenged us to confront the death of God. Now we must confront the death of Google.
Book
Recent years have seen not just a revival, but a rebirth of the analogue record. More than merely a nostalgic craze, vinyl has become a cultural icon. As music consumption migrated to digital and online, this seemingly obsolete medium became the fastest-growing format in music sales. Whilst vinyl never ceased to be the favorite amongst many music lovers and DJs, from the late 1980s the recording industry regarded it as an outdated relic, consigned to dusty domestic corners and obscure record shops. So why is vinyl now experiencing a 'rebirth of its cool'? Dominik Bartmanski and Ian Woodward explore this question by combining a cultural sociological approach with insights from material culture studies. Presenting vinyl as a multifaceted cultural object, they investigate the reasons behind its persistence within our technologically accelerated culture. Informed by media analysis, urban ethnography and the authors' interviews with musicians, DJs, sound engineers, record store owners, collectors and cutting-edge label chiefs from a range of metropolitan centres renowned for thriving music scenes including London, New York, Tokyo, Melbourne, and especially Berlin, what emerges is a story of a modern icon.