Content uploaded by Johannes Kiess
Author content
All content in this area was uploaded by Johannes Kiess on May 13, 2022
Content may be subject to copyright.
EFBI POLICY
PAPER
DIE LANDTAGSWAHLEN 2019 IN
SACHSEN IM KONTEXT DER SOZIAL-,
WIRTSCHAFTS- UND INFRASTRUKTUR AUF
GEMEINDEEBENE
MARIUS DILLING, JOHANNES KIESS
ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT
FÜR DEMOKRATIEFORSCHUNG IN SACHSEN
3 | 2021
Kontakt: Pia Siemer
T: +49 341 97-37892 | M: pia.siemer@uni-leipzig.de
ABSTRACT
Wahlergebnisse variieren teilweise deutlich zwischen den Wahlkreisen
und Regionen eines politischen Gemeinwesens. Viele Analysen diffe-
renzieren entsprechend bereits am Wahlabend und berichten detail-
liert über Hochburgen der verschiedenen Parteien. Von besonderem
Interesse ist dabei, welche strukturellen Unterschiede in einem Land
sich auch im Wahlergebnis niederschlagen. Das dritte EFBI Policy
Paper untersucht anhand der sächsischen Landtagswahl 2019, ob sich
sozial-, wirtschafts- und infrastrukturelle Unterschiede im Freistaat
in Wahlergebnissen niederschlagen. Es lässt sich unter Verwendung
von Daten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung
(BBSR) und des Statistischen Landesamts zeigen, dass die Zweit-
stimmenergebnisse tatsächlich mit der sozialen und wirtschaftlichen
Struktur sowie der infrastrukturellen Versorgung einer Gemeinde
zusammenhängen. Am ehesten trifft dies auf die Ergebnisse der AfD,
der Grünen und der Linken zu. Aber auch die Ergebnisse der anderen
Parteien lassen sich entlang sozial-, wirtschafts- und infrastruktureller
Variablen deuten. Gleichzeitig wird deutlich, dass Erklärungen kom-
plizierter als eine einfache Stadt-Land-Dichotomie sind. Die Ergeb-
nisse verweisen auf die Relevanz sozialraumnaher Forschung, um
lokale und regionale Spezifika der politischen Kultur zu verstehen.
Research Centre Global Dynamics
ReCentGlobe
FÜR DEMOKRATIEFORSCHUNG IN SACHSEN
2|UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
EXECUTIVE SUMMARY
Für Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sowie zivilgesellschaft-
liche Akteure auf kommunaler Ebene ist das lokale sozial-, wirt-
schafts- und infrastrukturelle Umfeld handlungsrelevant. Demokra-
tiestärkende Arbeit und politische Entscheidungen sind abhängig
von Bedingungen und Stimmungen vor Ort. Umfragedaten und Stu-
dien, die für Deutschland oder allenfalls das Bundesland repräsen-
tativ sind, können hierfür nur Anhaltspunkte bieten. Strukturdaten
auf Gemeindeebene, wie sie das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und
Raumforschung (BBSR) und das Statistische Landesamt des Frei-
staates Sachsen zur Verfügung stellen, können an dieser Stelle hel-
fen, Ungleichheiten, Bedarfe und eventuell auch Lösungsansätze auf
Gemeindeebene zu identifizieren.
Es zeigt sich zunächst, dass sich jeweils für alle Parteien Gemeinden
identifizieren lassen, in denen sie bei Wahlen besonders erfolgreich
abschneiden bzw. eher randständig bleiben. Welche Parteien beson-
ders erfolgreich sind, wird dabei bestimmt durch die Bedingungen,
unter denen Menschen leben, die politischen Entscheidungsspiel-
räume in ihrem Lebensumfeld und die lokalen politischen Traditio-
nen. Unsere Ergebnisse belegen zudem, dass die Erfolge und Miss-
erfolge der jeweiligen Parteien mit den unterschiedlichen sozial-,
wirtschafts- und infrastrukturellen Bedingungen der Gemeinden in
Zusammenhang stehen. Dabei ist entscheidend, ob Unterschiede auch
als Ungerechtigkeiten wahrgenommen werden, als Infragestellung
des Grundsatzes gleichwertiger Lebensverhältnisse in der Bundesre-
publik Deutschland. Solcherart Wahrnehmungen können in politische
Stimmungen Eingang finden und das politische Gemeinwesen belas-
ten. Mit der vorliegenden Analyse der sozial-, wirtschafts- und infra-
strukturellen Daten möchten wir der Zivilgesellschaft und den Kom-
munen nützliche Informationen bieten, um die politischen Effekte der
beschriebenen Unterschiede und Ungleichheiten sowie lokale Konti-
nuitäten und Dynamiken besser verstehen und bearbeiten zu können.
Unser Interesse gilt hier nicht der Vorhersage von Wahlergebnissen
auf Wahlkreis- oder Landesebene, sondern den sozial-, wirtschafts-
und infrastrukturellen Einflussfaktoren dieser Wahlentscheidungen
selbst. Diese Faktoren beschreiben wir im vorliegenden Policy Paper
und können auf dieser Basis folgende zentrale Ergebnisse herausstel-
len:
— Das Zweitstimmenergebnis auf Gemeindeebene aller im sächsi-
schen Landtag vertretenen Parteien lässt sich zu einem relevanten
Teil, aber bei weitem nicht vollständig durch das sozial-, wirt-
schafts- und infrastrukturelle Umfeld vor Ort erklären. Als beson-
ders wichtige Prädiktoren erweisen sich die Arbeitslosenquote und
das Geschlechterverhältnis in einer Gemeinde. Ob eine Gemeinde
wächst oder schrumpft ist ebenfalls ein wichtiger Faktor für die
Wahlentscheidung. Aber auch die Infrastruktur, der Zugang zu
Orten des täglichen Bedarfs und kommunale Gestaltungsmöglich-
keiten sind als weitere Faktoren zu nennen.
— Die Ergebnisse der AfD, der Grünen und der Linken lassen sich
auf Basis unserer Daten und Modellierung am besten voraussagen.
— Erfolgreich ist die AfD in Sachsen vor allem in Orten mit einer
hohen Arbeitslosenquote, einem niedrigen Frauenanteil sowie lan-
gen Wegen zu Stationen des täglichen Bedarfs (Apotheke, Super-
markt, Grundschule, ÖPNV-Haltestelle). Auch sind diese Orte
durch ein Mehr an Fort- gegenüber Zuzügen und ein Mehr an Ster-
befällen gegenüber Geburten gekennzeichnet. Es wird deutlich,
dass die AfD in schrumpfenden Gemeinden erfolgreich ist.
— In einem gänzlich anderen Kontext stehen die Wahlerfolge von
Bündnis90/Die Grünen und der Partei Die Linke: Sie sind vor
allem in städtischen und infrastrukturell besser angebundenen
Gemeinden mit wenig Menschen in Arbeitslosigkeit erfolgreich.
Dieser Befund betrifft durchaus nicht nur die beiden größten Städ-
te in Sachsen, Leipzig und Dresden, ist hier aber besonders sicht-
bar.
— In ländlichen, kleineren Gemeinden ist die CDU vor allem in
wachsenden Gemeinden mit hoher Fahrtzeit zum nächsten IC/
EC/ICE-Bahnhof – also eher abseits von Leipzig und Dresden –
erfolgreich. Gegenüber der AfD sind es also in der Analyse sozi-
alstrukturelle Faktoren, die den Ausschlag für die CDU geben.
Gegenüber der Partei Die Linke und Bündnis90/Die Grünen ist es
eher die Anbindung an überregionale Infrastruktur, die den Unter-
schied macht.
— Für alle Parteien gilt, dass – unabhängig von Sonderfällen – lang-
fristige Entwicklungslinien des Ortes eine Rolle spielen, die in
den herangezogenen Daten teilweise ihren Ausdruck finden. Dies
verweist auf die Relevanz des politischen Klimas vor Ort und die
Bedeutung, die lokale Politikerinnen und Politiker spielen. Hier
kann die am Else-Frenkel-Brunswik-Institut durchgeführte, sozi-
alräumlich orientierte Forschung einen wichtigen Beitrag leisten,
Dynamiken und Kontinuitäten zu verstehen.
3|UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
Mit der vorliegenden Untersuchung soll der Zusammenhang zwi-
schen Sozial-, Wirtschafts- und Infrastruktur und Wahlentscheidun-
gen der Bürgerinnen und Bürger auf der Ebene der Gemeinden in
Sachsen analysiert werden.1 Die Analyse stützt sich dabei auf lokale
Strukturdaten, die das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumfor-
schung (BBSR) und das Statistische Landesamt des Freistaates Sach-
sen zur Verfügung stellen. Diese Daten erlauben die Erfassung von
Stadt-Land-Unterschieden sowie von sozial-, wirtschafts- und infra-
strukturellen Faktoren hinsichtlich der Erklärung von Wahlergebnis-
sen auf Gemeindeebene. Vor allem aber, und darauf kommt es uns im
Folgenden besonders an, ermöglichen uns diese Daten, den Aspekt
des politischen Gestaltungsspielraums in den Blick nehmen. Daneben
baut unsere Untersuchung auf Ergebnissen bereits vorliegender Stu-
dien auf, die wir im Folgenden kurz diskutieren.
In den letzten Jahren erfuhren die Wahlergebnisse der AfD besonde-
re Aufmerksamkeit. So wurde bereits mehrfach festgestellt, dass die
AfD in jenen Wahlkreisen und Regionen häufiger gewählt wird, die
durch Alterung, Abwanderung und wirtschaftliche Benachteiligung
geprägt sind, da in diesen Regionen auch eine geringere Zufriedenheit
mit der Demokratie vorzufinden ist (Franz et al. 2018; Meisner 2019;
Brachert et al. 2020). Zudem scheinen eine hohe Arbeitslosenquote,
ein geringer Anteil an Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft
sowie ein im bundesweiten Vergleich geringerer Anteil von Menschen
mit höherer Bildung in einem Kreis die Wahlchancen dieser antide-
mokratischen Partei zu erhöhen (Giebler und Regel 2017). Während
diese Zusammenhänge weitestgehend bestätigt sind, existieren zur
Erklärung der Wahlergebnisse darüber hinaus eine Reihe von Ansät-
zen, die teilweise kontrovers diskutiert werden.
Der Zusammenhang zwischen prekären Lebensumständen (z.B.
niedrige Bildung, Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen) sowie den
Transformationsprozessen strukturschwacher Regionen (Überalte-
rung, weniger Geburten als Sterbefälle und Abwanderung) einerseits
und Wahlentscheidungen andererseits wird häufig mit Verweis auf die
Modernisierungverliererthese diskutiert (Spier 2010, Lengfeld 2017;
Decker et al. 2010). Daneben hat Armin Schäfer (2012, 2015; Schä-
fer et al. 2013) nachgewiesen, dass auch die Wahlbeteiligung zwi-
schen Stadtteilen unterschiedlichen Wohlstands sehr stark variiert. In
ärmeren liegt sie deutlich unter jener in wohlhabenden Quartieren.
Die Studienlage bezüglich der Parteienpräferenz erscheint allerdings
unklar: Lengfeld (2017) und Schröder (2018) sprechen objektiven
Deprivationsfaktoren in Bezug auf AfD-Wählerinnen und -Wähler
einen signifikanten Einfluss ab, während Lux (2018) zu einer gegen-
teiligen Einschätzung gelangt. Eine Studie vermutet zudem, „dass
die demografische Entwicklung in den weniger verdichteten Räumen
auch ein Gefühl der Perspektivlosigkeit mit sich bringt, wodurch Ver-
trauen in etablierte Parteien zu erodieren droht“ (Franz et al. 2018, S.
136, S. 144). Zunehmende Benachteiligung berichten eher Menschen
in kleineren Gemeinden und hier für die Bereiche öffentlicher Perso-
nennahverkehr, ärztliche Versorgung, Polizeipräsenz, Einkaufsmög-
lichkeiten sowie Bildungseinrichtungen (für Sachsen: Infratest dimap
2019). Das subjektive Gefühl, „irgendwie abgehängt zu sein“, und
objektiv ungleiche Lebensverhältnisse sind natürlich nicht vollstän-
1 Die individuelle Wahlentscheidung wird durch eine Vielzahl von Faktoren
beeinflusst. Für einen Überblick einflussreicher theoretischer Ansätze der
Wahlforschung siehe im Anhang die Rubrik „klassische Ansätze der Wahlfor-
schung“.
dig losgelöst voneinander: Salomo (2019) konnte zeigen, dass durch
einen zunehmenden Überhang an Männern in einer Region – einem
Teilaspekt demografischer Homogenität – das Gefühl induziert wird,
bei der Partnerwahl demografisch abgehängt zu sein. Dieses Gefühl
äußere sich in der Folge auch in ethnozentrischen Einstellungen
und einer Unzufriedenheit mit der Demokratie. Von demografischer
Homogenität – dem Zusammentreffen ungünstiger Bevölkerungs-
entwicklungen wie hoher Abwanderungsraten, einer stark alternden
Bevölkerung und eines Überhangs von Männern im heiratsfähigen
Alter – sind vor allem ländliche Regionen betroffen (ebd.). In einer
Analyse der sächsischen Landtagswahl 2004 konnten Kroehnert und
Klingholz (2007) außerdem zeigen, dass Männer nicht nur überpro-
portional häufig die NPD gewählt haben, sondern sich partnerlose
Männer allgemein überproportional häufig benachteiligt fühlen.
Zu den Strukturfaktoren treten häufig lokale politische und kulturelle
Milieus und Traditionen. Verschiedene Arbeiten haben gezeigt, dass
die AfD dort besonders erfolgreich ist, wo früher schon die NPD
(Richter und Bösch 2017) oder noch früher die NSDAP erfolgreich
war (Davide et al. 2019). Kontinuitätslinien lassen sich auch für die
Milieus der SPD in Industrierevieren sowie der CDU (und ihrer Vor-
gängerparteien) vor allem in katholischen Gemeinden und Regionen
nachweisen. Auch wenn das sozial-, wirtschafts- und infrastrukturel-
le Umfeld lediglich den Kontext für individuelle Einstellungen und
Wahlentscheidungen darstellt (Berg und Üblacker 2020, S. 33), hat
eine klassische Studie der empirischen Sozialforschung bereits vor
fast 90 Jahren nachweisen können, dass politische Einstellungen und
damit auch das Wahlverhalten durch dieses Umfeld beeinflusst wird
(Jahoda et al. 1933).
Dass ein geringer Anteil an Menschen ohne deutsche Staatsbürger-
schaft die Wahlchancen antidemokratischer Parteien erhöht, wird
in der Literatur mit Verweis auf die sogenannte Kontakthypothese
begründet (Allport 1954; Pettigrew und Tropp 2006). Diese besagt,
dass der Kontakt zu Fremdgruppen Vorurteile gegenüber denselben
verringert. Parteien wie die AfD mobilisieren solche Vorurteile und
sind infolgedessen dort besonders stark, wo bereits vor ihrem Antritt
zur Wahl Vorurteile verbreitet waren. Anknüpfend an die Kontakthy-
pothese könnte auch die demokratische Kultur eine Rolle spielen, wie
es die bereits erwähnten historischen Kontinuitäten politischer Kul-
tur nahelegen: Dort, wo die Abwertung Anderer bereits verbreitet ist
und demokratische Normen nicht mehr selbstverständlich sind, bleibt
der Widerspruch gegen antidemokratische Parteien in der Folge oft
schwach.
Die vorliegende Analyse besitzt auch eine demokratiepolitische Rele-
vanz: Das Grundgesetz beinhaltet hinsichtlich der konkurrierenden
Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern ein Gestaltungsrecht des
Bundes, um im Bundesgebiet „gleichwertige Lebensverhältnisse“
(GG Art. 72 Abs. 2) herzustellen. Auf dieser Grundlage werden bspw.
Infrastrukturprojekte in strukturschwächeren Regionen durch den
Bund finanziert oder subventioniert.
Auch die Europäische Union ist der zumindest tendenziellen Anglei-
chung von Strukturbedingungen verpflichtet und finanziert ent-
sprechende Förderprogramme (Kohäsionspolitik). Für den Freistaat
Sachsen sind in Artikel 7 der Verfassung des Freistaates ebenfalls
grundsätzliche Rechte unter anderem bezüglich Bildung, angemesse-
nem Wohnraum und Arbeit verankert, die einen Ausgleich zwischen
FORSCHUNGSSTAND, ANSATZ UND
ZIELSETZUNG
4|UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
den Regionen bezüglich der Lebensverhältnisse notwendig machen.
Nichtsdestotrotz existieren zwischen den Regionen deutliche Unter-
schiede bspw. hinsichtlich der Verdienst- und Bildungsmöglichkei-
ten, aber auch im Hinblick auf Angebote der Nahversorgung. Bei der
Betrachtung dieser Unterschiede spielt auf jeder politischen Ebene
– Land, Bund und Europa – das Gerechtigkeitsempfinden der Bür-
gerinnen und Bürger eine wichtige Rolle. So können Ungleichheiten
als ungerecht empfunden werden und sich Menschen in schwächeren
Regionen abgehängt und als Bürgerinnen und Bürger zweiter Klas-
se fühlen. Wahrnehmungen dieser Art haben Einfluss auf politische
Stimmungen vor Ort und können das politische Gemeinwesen belas-
ten – insbesondere dann, wenn der empfundene Mangel an Anerken-
nung von politischen Entscheidungsträgern nicht ernst genommen
wird und Investitionen ausbleiben. Eine Folge daraus ist, dass „der
Politik“ grundsätzlich die Gestaltungsfähigkeit (oder der Wille zur
Gestaltung) abgesprochen wird und zunehmende Aggressionen zu
sozialer Regression – Ausgrenzung und Abwertung anderer, Konfor-
mismus, Resignation – führen.
DATENGRUNDLAGE: LANDTAGSWAHL
2019 UND STRUKTURDATEN
Die folgende Analyse bezieht sich auf die Gemeindeebene. Für diese
liegen Daten der sächsischen Landtagswahl 2019 vor (Landeswahl-
leiter 2019). Damit können wir in einem ersten Schritt die Wahler-
gebnisse grafisch darstellen. Das BBSR stellt für ganz Deutschland
Strukturdaten auf Verwaltungsgemeinschaftsebene bereit (www.
inkar.de), während das Statistische Landesamt des Freistaates Sach-
sen den Statistischen Bericht zur Sächsischen Gemeindestatistik
(2020) zur Verfügung stellt. Die Sozial-, Wirtschafts- und Infrastruk-
turdaten des BBSR und des Statistischen Landesamtes haben wir mit-
tels des jeweiligen Verwaltungsgemeinschaftsnamens2 und des Amt-
lichen Gemeindeschlüssels (AGS) mit den Daten der Wahlergebnisse
auf Gemeindeebene zusammengeführt. Auf Grund fehlender Werte in
der Sächsischen Gemeindestatistik liegen uns für die nachfolgenden
Berechnungen Daten für 334 der 419 Gemeinden vor.3
In unserer Untersuchung beziehen wir uns auf das Zweitstimmener-
gebnis einzelner Parteien, also das Ergebnis der Listenwahl, nicht
die Wahlerfolge der Direktkandidaten. Entsprechend wurden aus der
amtlichen Statistik die relativen Stimmenanteile für die fünf im säch-
sischen Landtag vertretenen Parteien errechnet: die Alternative für
Deutschland (AfD), Bündnis90/Die Grünen (Grüne), die christlich-de-
mokratische Union (CDU), Die Linke sowie die Sozialdemokrati-
sche Partei Deutschlands (SPD). Diese prozentualen Stimmenanteile
setzten wir in Relation zu sozial-, wirtschafts- und infrastrukturellen
Kennzahlen. Für jede der 2019 in den sächsischen Landtag eingezo-
genen Parteien wurde anschließend eine Regressionsanalyse durch-
geführt. Mit diesem Verfahren können die Zusammenhänge der Ein-
flussfaktoren mit dem Zweitstimmenergebnis in Relation zueinander
betrachtet werden (siehe Rubrik: statistische Grundbegriffe).
Als sozialstrukturelle Faktoren berücksichtigen wir die Größe der
Gemeinden anhand ihrer Gesamtbevölkerung, den Anteil der in der
Gemeinde wohnhaften Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft,
2 Die Daten des BBSR lagen teilweise auf Verwaltungsgemeinschaftsebene
und nicht auf Gemeindeebene vor. Das bedeutet beispielhaft, dass das BBSR
Informationen über den Anteil der Haushalte mit einem Breitbandausbau von
mindesten 50 mBit/s für die Verwaltungsgemeinschaft Pulsnitz bereitstellt. Die-
sen Wert haben wir auf die Teilgemeinden Großnaundorf, Lichtenberg, Ohorn
und Steina übertragen.
3 Für 85 der 419 politisch selbstständigen Gemeinden in Sachsen liegen keine
Informationen zum Anteil an Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft
vor (siehe auch Abbildung 15 im Anhang). Für diese Gemeinden ist laut
Statistischem Landesamt der „Zahlenwert unbekannt oder geheim zu halten“
(Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen 2021). Das betrifft vor allem
sehr kleine Gemeinden. Darüber hinaus liegen für mehrere Variablen keine
aktuellen Werte für die Gemeinde Kitzscher bereit (Statistisches Landesamt des
Freistaates Sachsen 2020). Das betrifft den Schuldenstand der Gemeinde, die
Steuereinnahmekraft sowie den Personalstand im öffentlichen Dienst. Für die
Gemeinde Kitzscher haben wir daher die Werte aus dem letzten Berichtsstand
von 2019 händisch ergänzt (Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen
2019).
den natürlichen Saldo je 1000 Einwohnerinnen und Einwohner (Ver-
hältnis der Geburten und Sterbefälle), das Verhältnis der Fort- und
Zuzugsrate je 1000 Einwohnerinnen und Einwohner sowie den Frau-
enanteil für das Berichtsjahr 2019. Diese Indikatoren bilden wichtige
Elemente der Sozialstruktur ab und zeigen auf, ob es sich in zeitlicher
Nähe zur Landtagswahl 2019 um bevölkerungsreiche oder kleine,
wachsende oder schrumpfende Gemeinden handelt.
Als wirtschaftsstrukturelle Faktoren gehen in unsere Analyse der
Schuldenstand und die Steuereinnahmekraft jeweils je Einwohnerin
und Einwohner sowie der Anteil der Erwerbslosen im erwerbsfähigen
Alter und die Zahl der Gemeinde-Beschäftigten (Personalstand) je
1000 Einwohnerinnen und Einwohner ein.4 Mit Ausnahme der Zah-
len zur Arbeitslosigkeit entstammen diese Daten dem Berichtsjahr
2019. Bei den Zahlen zur Arbeitslosigkeit handelt es sich um jene aus
dem Jahr 2017 – die aktuellsten verfügbaren Daten beim BBSR zur
Arbeitslosigkeit auf der Ebene der politisch selbständigen Gemein-
den und Verwaltungsgemeinschaften. Diese Kennzahlen spiegeln zum
einen die lokale Wirtschaftskraft bzw. das Einkommen der Menschen
wider, zum anderen aber auch die Gestaltungskraft der öffentlichen
Verwaltung.
Schließlich berücksichtigen wir eine Reihe von Indikatoren für die
Infrastruktur, darunter die Breitbandversorgung (Anteil der Haushal-
te mit mind. 50 mBit/s), die Erreichbarkeit von Autobahn und IC/EC/
ICE-Bahnhof sowie die gewichtete Luftliniendistanz zu wichtigen
Stationen des täglichen Bedarfs als Index (Apotheke, Grundschule,
Supermarkt und ÖPNV-Haltestelle). Die zugrunde liegenden Daten
stammen aus dem Jahr 2017 und sind damit die aktuellsten, die das
BBSR für die politisch selbständigen Gemeinden und Verwaltungs-
gemeinschaften zur Verfügung stellt. Des Weiteren beziehen wir mit
ein, ob ein Gymnasium in der Gemeinde vorhanden ist (2019). Wie
bereits erwähnt, verweist die Literatur zum Thema darauf, dass die
Verfügbarkeit dieser und weiterer Infrastruktur die Wahrnehmungen
der Lebenssituation der Bürgerinnen und Bürger und damit ihre Ein-
stellungen sowie Wahlentscheidungen beeinflusst. Für eine Übersicht
der verwendeten Indikatoren und ihre Lage- und Streuungsmaße siehe
Tabelle A1 im Anhang. Die Ergebnisse aller im Folgenden vorgestell-
ten Berechnungen sind ebenfalls im Anhang in Tabelle A2 noch ein-
mal mit statistischen Details zusammengefasst.
4 Die Korrelation des – ursprünglich mit einbezogenen – Ist-Aufkommens der
Gewerbesteuer mit der Größe der Gemeinde (gemessen an der Gesamtbevölke-
rung) ist sehr hoch. Das deutet auf ein mögliches Problem der Multikollineari-
tät hin, auf welches auch der Varianzinflationsfaktor hinweist. Da wir die Grö-
ße der Gemeinde für eine nicht verzichtbare Kontrollvariable für Wahlverhalten
betrachten, lassen wir das Ist-Aufkommen der Gewerbesteuer unberücksichtigt.
5|UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
WAHLERGEBNISSE UND STRUKTURELLE
ERFOLGSBEDINGUNGEN BEI DER
LANDTAGSWAHL 2019
ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND (AFD)
Abbildung 1 bietet einen Überblick über die Wahlergebnisse der AfD
auf Gemeindeebene mit einer großen Spannbreite von 17,3 bis 48,4 %.
In den beiden größten Städten Sachsens, Dresden und Leipzig, liegen
die Werte niedriger als in den meisten ländlichen Gemeinden. In den
Gemeinden um Räckelwitz (Kreis Bautzen) liegt der Anteil ebenfalls
niedrig, in anderen ländlichen Gemeinden reicht der Anteil dagegen
bis auf knapp 50 % heran. Dies gibt einen ersten Hinweis darauf, dass
neben groben Unterscheidungen wie „Stadt/Land“ auch lokale Beson-
derheiten eine Rolle spielen. Dennoch lassen sich Muster identifizie-
ren. In Abbildung 2 haben wir die relative Stärke der Zusammenhänge
des Zweitstimmenanteils der AfD auf Gemeindeebene mit den oben
angeführten Indikatoren dargestellt. Es zeigt sich allem voran, dass
die AfD in Gemeinden stark ist, deren Bevölkerungszahl vergleichs-
weise niedrig ist und weiter schrumpft (die Zahl der Geburten liegt
unter der Zahl der Todesfälle und mehr Menschen ziehen aus dem Ort
weg als hinzu) und die einen Überhang an Männern aufweisen. Über-
raschend ist hingegen, dass der Anteil der Menschen ohne deutsche
Staatsbürgerschaft bei der gleichzeitigen Betrachtung aller anderen
Faktoren keinen Einfluss auf die Zweitstimmenabgabe zu Gunsten
der AfD aufweist. Der einfache Zusammenhang mit dem AfD-Zweit-
stimmenanteil (bivariate Korrelation r=-.16***) und bisherige Ergeb-
nisse in der Literatur würden dies nahelegen. Bezieht man jedoch die
Größe der Gemeinde mit ein, so ist dieser Effekt zu vernachlässigen.
Der wirtschaftliche Einflussfaktor mit dem stärksten Zusammenhang
ist die Zahl der Arbeitslosen in der jeweiligen Gemeinde: Je mehr
Arbeitslose gemeldet sind, desto höher fällt das AfD-Ergebnis aus.
Eine geringere Erklärungskraft, haben der Schuldenstand und die
Anzahl der Angestellten in der Gemeinde. Auch wenn der Effekt in
beiden Fällen nicht sehr groß ist (und sich bei letzterem mit einem
Abbildung 2: Regressionsanalyse AfD
Abbildung 1: Zweitstimmenanteil der AfD bei der sächsischen Landtagswahl 2019 in Prozent
6|UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
p-Wert von 0.092 an den Grenzen der statistischen Bedeutsamkeit
bewegt), bleibt anzunehmen, dass dort, wo relativ wenig Personal im
öffentlichen Dienst zur Verfügung steht und Politik sowie Verwaltung
weniger leistungsfähig sind, eher die AfD gewählt wird. Die beobach-
teten Indikatoren für eine ökonomische Schieflage einer Gemeinde
zeichnen ein Bild, dass vor dem Hintergrund der Modernisierungs-
verliererthese überrascht: Die Summe der eingenommenen Steuern
steht in keinem Zusammenhang mit dem AfD-Zweitstimmenanteil
(die Modernisierungsverliererthese würde ein niedrigeres Steuerauf-
kommen als AfD-begünstigenden Faktor nahelegen); ein hoher Schul-
denstand der Gemeinde verringert, wie bereits erwähnt, tendenziell
sogar das Ergebnis der AfD (die Modernisierungsverliererthese wür-
de das Gegenteil nahelegen). Nur der Effekt einer höheren Arbeitslo-
sigkeit spricht für die Modernisierungsverliererthese.
Auch die Infrastrukturindikatoren deuten darauf hin, dass die AfD
eher dort erfolgreich ist, wo die Versorgung weniger gut ausgebaut
ist: je größer die Entfernung zu Stationen des täglichen Bedarfs
(Apotheke, Grundschule, Supermarkt und ÖPNV-Haltestelle), desto
höher der Zweistimmenanteil der AfD. Auch andere infrastruktu-
relle Faktoren, wie z.B. der Breitbandausbau (Zusammenhang zum
AfD-Zweitstimmenanteil r=-.24***) und die Fahrtzeit zur nächsten
Autobahn-Anschlussstelle (r=.20***), lassen erkennen, dass die AfD
in Regionen, die als „abgehängt“ apostrophiert werden, erfolgreich
ist. Allerdings besitzen diese Faktoren in der multiplen Regression
keine statistische Bedeutsamkeit, da die Effekte durch andere Fakto-
ren verdeckt werden. Dagegen wirkt sich eine hohe Entfernung zum
nächsten Fernverkehrs-Bahnhof leicht negativ auf das Ergebnis der
AfD aus. Das Vorhandensein eines Gymnasiums in der Gemeinde
hängt durchschnittlich mit einem niedrigeren Zweitstimmenanteil der
AfD zusammen. Das R² (ein Maß für die durch das Modell aufgeklär-
te Varianz) liegt in diesem Modell bei 0,36 (ein Wert von 1 würde eine
vollumfängliche Erklärung bedeuten).
BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN
Für Bündnis90/Die Grünen zeigt Abbildung 3, dass sie besonders in
den Städten höhere Zweitstimmenanteile erreichen. Dies trifft ins-
besondere auf Dresden und Leipzig, aber auch auf kleinere Städte
wie Chemnitz, Freiberg oder Görlitz zu. Auch die in Abbildung 4
dargestellte relative Stärke unterschiedlicher Einflussfaktoren birgt
ein eindeutiges Ergebnis: Die Größe der Gemeinden, der Anteil von
Bewohnerinnen und Bewohnern ohne deutsche Staatsbürgerschaft
und der Frauenanteil hängen mit dem Zweitstimmenanteil der Grünen
zusammen. In großen Gemeinden, wo zudem viele Menschen ohne
deutsche Staatsbürgerschaft und Frauen wohnen, finden sich antei-
Abbildung 3: Zweitstimmenanteil der Grünen bei der sächsischen Landtagswahl 2019 in Prozent
Abbildung 4: Regressionsanalyse Bündnis 90/Die Grünen
7|UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
lig auch mehr Wählerinnen und Wähler der Grünen. Hinsichtlich der
wirtschaftlichen Faktoren zeigt sich ein starker Zusammenhang zwi-
schen niedriger Arbeitslosigkeit und dem Anteil der Zweitstimmen-
abgabe zu Gunsten der Grünen. Die anderen wirtschaftsstrukturellen
Variablen sind hingegen unbedeutend.
Infrastrukturell gesehen steht der hohe Wähleranteil der Grünen
in Zusammenhang mit geringer Distanz zu Stationen des täglichen
Bedarfs (Apotheke, Grundschule, Supermarkt und ÖPNV-Haltestel-
le), einer geringeren Fahrtzeit zum nächsten IC/EC/ICE-Bahnhof und
zur nächsten Autobahn-Anschlussstelle. Der Breitbandausbau besitzt
ebenfalls einen moderaten positiven Effekt auf den Zweitstimmenan-
teil der Grünen. Auch das Vorhandensein eines Gymnasiums wirkt
sich positiv auf die Ergebnisse der Grünen aus. Sie sind also vor allem
in urbanen und infrastrukturell gut angebundenen Gemeinden erfolg-
reich. Dies sind, wahrscheinlich in Folge des wirtschaftlichen Wachs-
tums, ebenfalls Gebiete mit erhöhtem Zuzug, nicht zuletzt auch aus
dem Ausland. Insgesamt ist im Vergleich festzustellen: Dort wo die
Grünen stark sind, ist die AfD schwach und vice versa. Das R² liegt
für dieses Modell bei 0,59, was bedeutet, dass wir die Varianz des
Zweitstimmenanteils für die Grünen mit diesem Modell gut erklären
können.
CHRISTLICH DEMOKRATISCHE UNION (CDU)
Für die Zweitstimmenergebnisse der CDU gibt Abbildung 5 einen
Überblick auf Gemeindeebene. Auch wenn die Partei insbesondere in
Leipzig eher schwach abschneidet und ihre stärksten Ergebnisse eher
im ländlichen Raum erzielt, ist der Gegensatz zwischen Stadt und
Land nicht ganz so prononciert wie bei Grünen und AfD. So schnitt
die CDU etwa in Chemnitz und auch in kleineren Städten im Vergleich
zum landesweiten Mittel durchaus gut ab. Die CDU erreicht außer-
dem dort gute Ergebnisse, wo die AfD – trotz den für sie „günstigeren
Bedingungen“ des ländlichen Raums – nicht punkten kann. Dies zeigt
sowohl ein allgemeiner Vergleich der Karten als insbesondere auch
ein Blick auf Räckelwitz und die umliegenden Gemeinden im Land-
kreis Bautzen. Mit über 80 % weist die kleine Gemeinde Räckelwitz
einen für Sachsen sehr hohen Anteil von Personen mit römisch-katho-
lischer Konfession auf.5 Wir können einen Zusammenhang an dieser
Stelle nicht weiter überprüfen, nehmen die hohe römisch-katholische
Konfessionszugehörigkeit aber als Hinweis auf eine politische und
kulturelle Besonderheit dieser und der umliegenden Gemeinden.
Ähnlich wie die AfD scheint die CDU in hinsichtlich ihrer Bevölke-
5 Auf der Website https://ergebnisse2011.zensus2022.de/datenbank/
online stehen für alle Gemeinden in Deutschland Zahlen auf Basis des Zensus
2011 zur Verfügung.
Abbildung 5: Zweitstimmenanteil der CDU bei der sächsischen Landtagswahl 2019 in Prozent
Abbildung 6: Regressionsanalyse CDU
8|UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
rungszahl kleineren Gemeinden zu profitieren (siehe Abbildung 6).
Erwähnenswert ist gerade im Vergleich mit den anderen Parteien und
vor allem im Vergleich mit der AfD, dass ein positiver Saldo der Fort-
zugs- und Zuzugsrate sowie ein positives Verhältnis von Geburten
und Todesfällen – also wachsende Gemeinden – mit der CDU-Zwei-
stimme assoziiert sind. In Bezug auf den Schuldenstand der Gemein-
de ist festzuhalten: Ein höherer Schuldenstand ist mit einem höheren
CDU-Stimmenanteil assoziiert. Dieser Effekt fällt allerdings ver-
gleichsweise gering aus.
Auffallend stark ist der Zusammenhang eines höheren CDU-Zweit-
stimmenanteils mit einer längeren Fahrtzeit zum nächsten IC/EC/
ICE-Bahnhof. Das heißt, die CDU ist erfolgreich in kleineren, aber
wachsenden Gemeinden, die weit von Fernverkehrsanschlüssen ent-
fernt liegen. Insgesamt erklären die in die Analyse eingegangenen
Faktoren die Wahlergebnisse weniger gut als die der Grünen und der
AfD. Lag das R2 bei diesen bei 0,59 bzw. 0,36, liegt dieser Wert für
die Berechnung für die CDU bei 0,31. Das ist allerdings immer noch
ein guter Wert, wenn man bedenkt, dass insbesondere individuelle
Einstellungen in unserer Datenbasis oder auch die Strahlkraft der
Kandidatinnen und Kandidaten vor Ort nicht explizit berücksichtigt
werden konnten.
DIE LINKE
Die Linke erreicht in Leipzig, aber auch in einigen kleineren Gemein-
den ihre besten Ergebnisse (siehe Abbildung 7). Auch in Chemnitz
und Dresden ist die Partei relativ erfolgreich, während es auf dem
Land Gemeinden gibt, in denen der Anteil der Zweitstimmen bei der
Landtagswahl 2019 sogar bei unter 5 % lag.
Auf sozialstruktureller Ebene sind sowohl die Größe der Gemeinde
und ein höherer Frauenanteil positiv mit dem Zweitstimmenanteil der
Linken assoziiert (in diesem Zusammenhang ist das starke Ergebnis
in Leipzig zu sehen; siehe Abbildung 8). Das Verhältnis von Geburten
und Todesfällen steht hingegen in einem negativen Zusammenhang
mit dem Ergebnis der Linken: Je mehr Todesfälle im Verhältnis zu
Geburten, desto höher ist der Zweitstimmenanteil der Linken.
Auch wirtschaftliche Faktoren hängen mit der Zweitstimme für die
Linken zusammen: Die Anzahl der Arbeitslosen ist positiv mit der
Stimmabgabe zu Gunsten der Linken assoziiert. Da wir keine Indi-
vidualdaten untersuchen, kann hieraus jedoch nicht geschlossen wer-
den, dass es die Menschen in Arbeitslosigkeit sind, die Die Linke eher
gewählt haben. Was festgehalten werden kann, ist jedoch, dass in den
Abbildung 7: Zweitstimmenanteil der Partei Die Linke bei der sächsischen Landtagswahl 2019 in Prozent
Abbildung 8: Regressionsanalyse Die Linke
9|UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
sächsischen Gemeinden, in denen 2017 eine höhere Arbeitslosigkeit
vorlag, bei der Landtagswahl 2019 eher Die Linke gewählt wurde.
Für die Infrastruktur ist festzuhalten: Eine hohe Fahrtzeit zur nächsten
Autobahn-Anschlussstelle steht in einem negativen Zusammenhang
mit dem Zweitstimmenergebnis der Linken, während das Vorhan-
densein eines Gymnasiums mit einem höheren Zweitstimmenergeb-
nis einhergeht. Ungefähr in dem Ausmaß, in dem die AfD von einem
niedrigen Personalstand in den Gemeinden zu profitieren scheint, pro-
fitiert die Linke von einem größeren Personalstand (auch hier liegt
der p-Wert mit 0,082 an der Grenze der statistischen Bedeutsamkeit).
Unser statistisches Modell erklärt die Varianz des Wahlergebnisses
der Linken auf Gemeindeebene weniger gut als im Falle der Grünen
– das R2 beträgt aber immerhin noch 0,36, wie auch im Falle der AfD,
und wir können zumindest einen großen Anteil der Varianz des Wahl-
ergebnisses zwischen den Gemeinden statistisch aufklären.
SOZIALDEMOKRATISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS (SPD)
Schließlich stellen wir in Abbildung 9 den Zweitstimmenanteil der
SPD auf Gemeindeebene dar. Es zeigen sich verhältnismäßig hohe
Stimmenanteile in den Großstädten, insbesondere mit Blick auf
Westsachsen kann aber von einem Stadt-Land-Gefälle in diesem Fall
kaum gesprochen werden. Insbesondere im Süden von Leipzig sowie
in Südwestsachsen gibt es kleine SPD-Hochburgen. Im Vergleich zu
anderen, vor allem westdeutschen Bundesländern ist der Zweitstim-
menanteil der SPD aber insgesamt niedrig. Die von uns herangezo-
genen sozial-, wirtschafts- und infrastrukturellen Variablen erklären
Wahlerfolg oder -misserfolg der SPD am wenigsten (Abbildung 10;
R2 = 0,24).
Trotzdem liefert das Ergebnis aber Anhaltspunkte: Ein höherer Frau-
enanteil begünstigt die Stimmabgabe für die SPD. Während keiner der
hier betrachteten wirtschaftlichen Faktoren Einfluss auf den Zweit-
stimmenanteil hat, zeigt sich, dass infrastrukturelle Hürden wie eine
hohe durchschnittliche Fahrtzeit zu Autobahn-Anschlussstellen als
auch eine hohe Distanz zu Apotheken, Grundschulen, Supermärkten
und ÖPNV-Haltestellen negativ mit den SPD-Zweitstimmenanteilen
in Sachsen zusammenhängen.
Abbildung 10: Regressionsanalyse SPD
Abbildung 9: Zweitstimmenanteil der SPD bei der sächsischen Landtagswahl 2019 in Prozent
10 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
DISKUSSION
Zusammenfassend zeigen unsere Berechnungen, dass bei der Wah-
lentscheidung in Sachsen unterschiedliche sozial-, wirtschafts- und
infrastrukturelle Faktoren teils stark mit den Zweitstimmenergeb-
nissen der hier betrachteten Parteien zusammenhängen. Neben der
Größe der Gemeinde erwiesen sich vor allem das Geschlechterver-
hältnis sowie Indikatoren, ob eine Gemeinde wächst oder schrumpft,
und Indikatoren des Ausbaus der Infrastruktur vor Ort – wie etwa
das Vorhandensein eines Gymnasiums als auch die Distanz zu Sta-
tionen des täglichen Bedarfs – als wichtige Merkmale. Die Anzahl
der Arbeitslosen (im Jahr 2017) in einer Gemeinde hatte ebenfalls
einen eindeutigen Einfluss darauf, welche Parteien einen hohen
Zweitstimmenanteil bei der sächsischen Landtagswahl 2019 erreich-
ten. Insbesondere der nachgezeichnete, deutliche Zusammenhang
des AfD-Zweitstimmenanteils in den beobachteten Gemeinden mit
der dortigen Arbeitslosenquote weist in dieselbe Richtung, in die
bereits Giebler und Regel (2017) argumentierten. Das heißt nicht,
das Arbeitslose häufiger die AfD wählen. Vielmehr neigen in Regi-
onen mit höherer Arbeitslosigkeit mehr Menschen dazu, diese Partei
zu wählen. Anders verhält es sich mit dem Anteil an Menschen ohne
deutsche Staatsbürgerschaft: Sie sind nicht der kausale Grund, warum
bestimmte Parteien gewählt werden (sie selbst sind bei einer Land-
tagswahl nicht wahlberechtigt). Sie sind aber auch ein Indikator für
prosperierende Regionen – ein Faktor, den wir durch andere Faktoren
bereits erfassen. Bemerkenswert ist auch der Hinweis darauf, dass
in Gemeinden mit größerem Personalbestand (relativ zur Bevölke-
rung) die AfD niedrigere Ergebnisse einfährt – wenngleich sich dieser
Befund an der Grenze der statistischen Bedeutsamkeit bewegt.
Bei der Linken scheint es hingegen genau umgekehrt zu sein: Sie pro-
fitiert eher von einem größeren Personalstand.
Hier könnte eine Erhebung weiterer Indikatoren kommunaler
Handlungsmöglichkeitensowie deren subjektive Wahrnehmung durch
die Bürgerinnen und Bürger eventuell weitere Erkenntnisse bringen.
Gegen den Erfolg antidemokratischer Parteien, das zeigen auch ande-
re Studien zu Demokratiezufriedenheit, kann ein starker öffentlicher
Dienst und damit einhergehend eine gute Serviceleistung für die Bür-
gerinnen und Bürger eine wirksame Stellschraube sein. Ein weiterer
möglicher Ansatz betrifft den Ausbau der Infrastruktur: Die Distanz
zu Apotheken, Grundschulen, Supermärkten und ÖPNV-Haltestellen
erwies sich als starker Prädiktor für AfD-Zweitstimmenanteile. Dass
sowohl eine Überalterung (weniger Geburten als Sterbefälle), die
Abwanderung (Saldo der Fort- und Zuzüge) als auch verschiedene
Indikatoren von Strukturschwäche (Distanz zu Stationen des tägli-
chen Bedarfs; kein Gymnasium) die AfD-Zweitstimmenabgabe in
sächsischen Gemeinden erklärt, weist auch in Richtung der Moderni-
sierungsverliererthese. Dort wo sich Menschen (teilweise berechtigt)
abgehängt fühlen, steigen Frustration und Aggressionen. Das Vertrau-
en in die Institutionen des politischen Gemeinwesens sinkt, antidemo-
kratische Akteure erfahren Zulauf.
Gegen die Modernisierungsverliererthese spricht jedoch teilweise,
dass die AfD zwar in schrumpfenden, nicht aber unbedingt ökono-
misch abgehängten Gemeinden gewählt wird: Wir konnten keinen
Zusammenhang zur Steuereinnahmekraft beobachten – im Sinne der
Modernisierungsverliererthese wäre ein negativer Zusammenhang zu
erwarten gewesen – und wir haben einen zwar kleinen, aber dennoch
Tabelle 1: Vergleich des standardisierten Einflusses der ökologischen Faktoren
11 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
signifikanten negativen Zusammenhang mit dem Schuldenstand der
Gemeinden beobachten können. Eine höhere Verschuldung geht also
mit niedrigerem Ergebnis für die AfD einher, obwohl das Gegenteil
zu erwarten gewesen wäre. Von größerer Relevanz erscheint also eher
das Erleben, abgehängt zu sein, welches auch mit der Infrastruktur vor
Ort zusammenhängen dürfte, und weniger eine materielle Schieflage.
Dieser Befund reiht sich ein in eine Reihe vergleichbarer Ergebnisse
aus der Rechtsextremismusforschung (Decker et al 2020; Rippl und
Baier 2005; Yoxon et al. 2019).
Wie bereits erwähnt, erwies sich der Frauenanteil bzw. das Geschlech-
terverhältnis als guter Prädiktor für den Zweistimmenanteil aller
untersuchten Parteien – mit Ausnahme der CDU. Frauen wählen
tendenziell seltener die AfD, weshalb diese vermutlich in Gemein-
den mit einem positiven Verhältnis von Frauen gegenüber Männern
rein arithmetisch weniger Stimmen erreicht. Darüber hinaus verweist
dieses Ergebnis auf Salomos (2019) Einschätzung zum Zusammen-
hang demografischer Probleme, subjektiver Deprivation und ethno-
zentrischen Einstellungen. Auch das Umfeld könnte eine Rolle spie-
len, wenn nämlich in durch Vielfalt geprägten Städten mit höherem
Frauenanteil – trotz auch dort vorhandener Vorurteile – die soziale
Norm eher gegen die Stimmabgabe für eine antidemokratische Par-
tei spricht. Diese Vermutung leitet außerdem auf eine weitere Ebene
über. Der Frauenanteil steht nämlich vermutlich auch für eher urba-
ne Räume, höhere Aufstiegsorientierung, jüngeres Durchschnittsalter
und weitere Faktoren, die tendenziell weniger mit der Stimmabgabe
für die AfD assoziiert sind. Anders gesagt: es ist vermutlich nicht
einfach der Anteil von Frauen, sondern das gesamte soziokulturelle
Milieu, das durch diesen Indikator angezeigt wird.
Als Gegenpol zur AfD zeigen sich in der räumlichen Verteilung, aber
auch bei den relevanten Einflussgrößen vor allem die Grünen und
teilweise Die Linke (siehe auch Franz et al. 2019). Bei den anderen im
Landtag vertretenen Parteien sind die Differenzen weniger ausgeprägt
bzw. scheint es zusätzlich lokale Faktoren zu geben, die wir nicht
oder nur indirekt berücksichtigen konnten. Das trifft zum Beispiel auf
die relative Stärke der SPD in Westsachsen zu oder auch die verhält-
nismäßige Stärke der Linken in einigen kleineren Gemeinden. Auch
für die CDU ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich, warum man-
che Gemeinden trotz etwa der Konkurrenz durch die AfD weiterhin
„schwarz“ wählen. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass die
CDU im Gegensatz zur AfD im ländlichen Raum vor allem in wach-
senden Gemeinden gewählt wird. Zusätzlich – wie bei den Linken
auch – sind vermutlich spezifische kulturelle oder politische Tradi-
tionen vor Ort, lokal beliebte Politiker und Politikerinnen oder eine
gute Vernetzung und Verankerung der Partei vor Ort von Relevanz.
Dies ließe sich auch mit historischen Ansätzen in Verbindung bringen,
die für den Erfolg von Parteien lange zurückreichende Traditionen
auf Grund von weiterhin existenten Milieus verantwortlich machen
(erinnert sei beispielsweise an den überproportional großen Anteil der
römisch-katholischen Konfessionsangehörigen in einigen Gemeinden
des Landkreises Bautzen). Die Arbeiterbewegung im „roten Sachsen“
wäre so eine mögliche Erklärung für abweichend relativ hohe Ergeb-
nisse der SPD in bestimmten, traditionell industriellen Regionen;
ehemalige Hochburgen der NSDAP oder der NPD und eine Kontinu-
ität zu den Einstellungen und dem Wahlverhalten bezüglich der AfD
wären ein weiteres Beispiel (Cantoni et al. 2019).
Für die großstädtischen und jüngeren Milieus ist schließlich eine ten-
denziell höhere Wechselbereitschaft zu vermuten. Hohe Ergebnisse
für eine Partei (Grüne oder Linke) könnten hier tendenziell weniger
stabil sein, als sie dies in schrumpfenden und ländlichen Gemeinden
mit anderer Altersstruktur sind. Dass Zweitstimmenanteile auch ein
Ausdruck von lokalen Milieus und entsprechenden Einstellungen sind,
zeigte zuletzt Reuband (2021), der einen statistischen Zusammenhang
zwischen regionalen AfD-Wahlpräferenzen und der COVID-19-In-
zidenz während der zweiten Infektions-Welle zwischen November
2020 und Januar 2021 in Sachsen beobachtete. Hier ist auch davon
auszugehen, dass sowohl eine höhere COVID-19-bezogene als auch
eine „klassische“ Verschwörungsmentalität bei AfD-Wählerinnen und
-Wählern eine Rolle spielt (siehe hierzu auch Decker et al. 2021).
Es ist also ratsam, sozial-, wirtschafts- und infrastrukturellen Fak-
toren einer Wahlentscheidung – wie wir sie in diesem Policy Paper
betrachtet haben – nicht isoliert, sondern auch immer im Kontext von
individuellen Einstellungen sowie kulturellen und politischen Milieus
in einer Gemeinde zu betrachten.
Die hier vorgestellten Ergebnisse lassen sich so in verschiedene Rich-
tungen interpretieren und es lassen sich eine Reihe weiterführender
Vermutungen aufstellen. Um den (langfristigen) Erfolg bestimmter
Parteien in bestimmten sozialen Räumen zu verstehen (siehe dazu
auch Geilen und Mullis 2021), sind – neben quantitativen Einstel-
lungsuntersuchungen, die jedoch in einem solch großen Umfang
kaum realisierbar sind – qualitative Untersuchungen ein nahelie-
gendes Mittel. Durch solche Tiefenbohrungen, die versuchen, lokal
dominante Deutungsmuster, politische Einstellungen und Narrative
zu identifizieren, lassen sich auch die beschriebenen Diskrepanzen
und gerade das statistisch nicht „aufklärbare“ der höheren oder nied-
rigeren Ergebnisse einzelner Parteien erklären. Am Else-Frenkel-Br-
unswik-Institut für Demokratieforschung haben wir mit einer Reihe
solcher sozialräumlich ausgerichteten Forschungsprojekte begonnen,
um diese Forschungslücke zu schließen. Diese Projekte richten sich
nicht in erster Linie auf die Erklärung von Wahlergebnissen, sondern
fokussieren spezifische Problemlagen im Freistaat Sachsen. In der
folgenden Rubrik „Vorstellung der sozialräumlichen Forschung am
EFBI“ stellen wir zwei Projekte kurz vor.
12 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
SOZIALRÄUMLICHE FORSCHUNG AM EFBI
Das an der Universität Leipzig angesiedelte Else-Frenkel-Bruns-
wik-Institut setzt – neben der bevölkerungsrepräsentativen Einstel-
lungsforschung (siehe Leipziger Autoritarismus Studien) und der
Dokumentation und dem Monitoring antidemokratischer Tendenzen
in Sachsen – auf sozialraumnahe, partizipative Forschung in exem-
plarischen Sozialräumen. Bereits laufende Forschungsprojekte sind
„Emanzipatorische Handlungsräume und Antifeminismus im
Erzgebirge“ und „Wurzen – Zivilgesellschaftlicher Aufbruch auf
umstrittenem Terrain?“. Außerdem ist in der zweiten Jahreshälfte der
Beginn eines sozialraumnahen Projektes zur Verschwörungsmenta-
lität und eines zu sozioökonomischen Transformationsprozessen in
weiteren Modellregionen Sachsens geplant.
EMANZIPATORISCHE HANDLUNGSRÄUME UND ANTIFEMI-
NISMUS IM ERZGEBIRGE
Antifeminismus fungiert als Brückenideologie zwischen verschiede-
nen extrem rechten Bewegungen und Parteien, erfüllt diese Funkti-
on aber auch bis hinein in christlich-fundamentalistische Teile der
Gesellschaft. Auf Grund der breiten Akzeptanz antifeministischer
Einstellungen wird diese Problematik häufig unterschätzt. Im sächsi-
schen Erzgebirge – wo etwa die antifeministische „Lebensschutzbe-
wegung“ ein Beispiel einer solchen Verbindung darstellt – befassen
sich auch zivilgesellschaftliche Engagierte kritisch mit diesem
Phänomen. Zusammen mit diesen engagierten Personen soll die
Bedeutung antifeministischer Dynamiken für zivilgesellschaftliches
Engagement, für Prozesse der Demokratisierung und Emanzipation
erforscht werden, wobei gleichzeitig ein Reflexionsraum für Enga-
gierte geschaffen werden soll.
WURZEN – ZIVILGESELLSCHAFTLICHER AUFBRUCH AUF
UMSTRITTENEM TERRAIN?
Die Stadt Wurzen im Landkreis Leipzig hat durch hohe Zahlen
rechtsextremer Straftaten und eine ausgeprägte Neonazi-Szene über-
regionale Bekanntheit erlangt. Weniger Aufmerksamkeit haben bisher
die verschiedenen zivilgesellschaftlichen Akteure und Akteurinnen,
Gruppen und Initiativen erfahren, die sich in diesem Terrain bewe-
gen. In diesem Forschungsprojekt untersucht das EFBI die Potentiale
und Hindernisse zivilgesellschaftlicher Akteure und Akteurinnen, die
Demokratie gegenüber rechts-autoritären Kräften zu stärken. Gleich-
zeitig soll auch hier ein Reflexionsraum geboten werden, der sowohl
die Dynamik der Stadt als auch die Erfahrungen der Aktiven vor Ort
miteinbezieht.
STATISTISCHE GRUNDBEGRIFFE
KORRELATIONEN
Als Korrelation wird in der Statistik ein ungerichteter, linearer Zusam-
menhang zwischen zwei Merkmalen bezeichnet. Dieser Zusammen-
hang liegt im Wertebereich zwischen -1 und 1. Positive Werte bedeu-
ten, dass bei einer Zunahme des einen Merkmals auch die Ausprägung
des anderen Merkmals ansteigt. Negative Werte sind umgekehrt zu
interpretieren: Eine Zunahme des einen Merkmals bewirkt eine
Abnahme des anderen. Bei einem Wert von 0 besteht kein Zusam-
menhang. Der Wert 1 würde einen perfekt positiven Zusammenhang
beschreiben, was bedeutet, dass immer, wenn das eine Merkmal vor-
handen ist, auch das andere vorliegt. Wichtig ist jedoch, dass die Kor-
relation keine Rückschlüsse auf Kausalität im Sinne von Merkmal X
bewirkt Merkmal Y zulässt.
LINEARE REGERESSION
Im Unterschied zur Korrelation liegt bei der Regression die Annahme
der Kausalität vor, das heißt, wir nehmen an, dass ein unabhängi-
ges Merkmal X das andere anhängige Merkmal Y beeinflusst. Diese
Annahme muss letztlich theoretisch begründet werden, häufig muss
zumindest in Betracht gezogen werden, dass es auch eine Wechselwir-
kung geben könnte. Multiple Regressionsmodelle erlauben die gleich-
zeitige Betrachtung des Einflusses mehrerer unabhängiger Merkmale
auf das abhängige Merkmal Y. Die Koeffizienten der unabhängigen
Variablen geben die – in diesem Fall lineare – Stärke des errechneten
Einflusses an. Grundsätzlich sind auch Effekte möglich, bei denen
eine sehr niedrige und eine sehr hohe Ausprägung des Merkmals X
einen ähnlichen Effekt auf Y hat. Beta-Koeffizienten, wie wir sie in
diesem Policy Paper verwenden, sind standardisierte Werte, die den
Vergleich ursprünglich unterschiedlich skalierter Variablen vereinfa
chen (z.B. Alter von 18 bis 90 Jahren und Arbeitslosenquote zwischen
4 und 12 %). Statistisch signifikante Werte müssen immer auch dar-
auf überprüft werden, inwiefern sie inhaltlich bedeutsam sind. Unter
anderem liegt das daran, dass Signifikanz bei sehr hohen Fallzahlen
leicht erzeugt werden kann. Ob ein Effekt aber auch im Vergleich
mit anderen Faktoren bedeutsam ist, unterliegt der Interpretation.
Schließlich ist auch darauf zu achten, dass Regressionsmodelle – wie
alle statistischen Modelle – nur einen Teil der Wirklichkeit abbilden
können. Meist steht nur eine Auswahl an Variablen zur Verfügung,
die Variablen stellen selbst Abstraktionen dar und hängen oft auch
voneinander ab. Ein statistisches Modell, dass den Wahlerfolg einer
Partei vollständig erklärt, ist somit nicht zu haben.
UMFRAGEDATEN VS. WAHL- & STRUKTURDATEN
Im Gegensatz zur Leipziger Autoritarismus Studie oder dem Sach-
sen-Monitor verwenden wir in diesem Policy Paper keine stichpro-
benbasierten Umfragedaten, welche die individuellen Einstellungen
der Befragten über standardisierte Fragebögen erfassen sollen. Wir
verwenden stattdessen öffentlich zugängliche Strukturdaten der amt-
lichen Statistik des Landeswahlleiters, des Statistischen Landesamtes
des Freistaates Sachsen sowie des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und
Raumforschung (BBSR). Bei den Strukturdaten handelt es sich somit
um keine Schätzungen, sondern in aller Regel um Vollerhebungen
über bestimmte Merkmale (bspw. die absolute Anzahl aller in Sach-
sen lebenden Menschen zu einem gegebenen Zeitpunkt oder alle gül-
tigen Stimmen bei der letzten Landtagswahl).
13 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
KLASSISCHE ANSÄTZE DER
WAHLFORSCHUNG
RATIONAL-CHOICE-ANSATZ
Für die ökonomische Rational-Choice-Theorie bildet Anthony Downs
Werk An Economic Theory of Democracy (1957) bis heute die theo-
retische Grundlage. Er geht idealtypisch davon aus, dass der Mensch
seine Wahloptionen mit dem Ziel der Nutzenmaximierung abwägt.
Downs’ Idealtypus ist ein vollständig informierter, rational (sowie
tendenziell egoistisch, siehe hierzu Downs 1957, S. 37) handelnder
Akteur (vgl. auch Arzheimer und Schmitt 2014, S. 338 ff.). Diese
Entscheidung zu Gunsten der „rationalsten“ Wahl lässt sich am Bei-
spiel eines einfachen Zweiparteiensystems gut veranschaulichen: Der
Nutzen der Partei B wird vom Nutzen der Partei A subtrahiert – ist der
Wert positiv, so entscheidet sich der homo oeconomicus für Partei A,
ist er negativ, so entscheidet er oder sie sich für Partei B. Bei Gleich-
stand enthält sie oder er sich (Downs 1957, S. 38 f.). Daraus resultiert
allerdings das sogenannte Wahlparadoxon: Die Informationskosten,
die die Wählerin oder der Wähler erbringen muss, um rational ent-
scheiden zu können, welche Partei ihr oder ihm mehr nutzt, stehen
im Missverhältnis zum Einfluss, den die einzelne Stimme in einer
Massendemokratie hat (Arzheimer und Schmitt 2014, S. 351). Die
rationale Wahl wäre demnach, sich zu enthalten, aber offenbar tut dies
der überwiegende Teil der Menschen nicht.
MIKROSOZIOLOGISCHER ANSATZ
Eine Gruppe von Forscherinnen und Forscher legte mit People’s
Choice (Lazarsfeld et al. [1944] 1960) und Voting (Berelson et al.
1954) einen anderen einflussreichen, ebenfalls mikrosoziologischen
Ansatz zur Erklärung des individuellen Wahlverhaltens vor, der als
Columbia School bezeichnet wird. Dieser orientiert sich – im deut-
lichen Gegensatz zum Menschenbild des Rational-Choice-Ansatz –
an der Vorstellung eines homo sociologicus (Dahrendorf 1959). Die
zentrale Annahme lautet, dass die individuelle Wahlentscheidung
maßgeblich durch die soziale Umgebung – Familie, Kolleginnen und
Kollegen, Bekannte sowie Freundinnen und Freunde – beeinflusst
wird. Politische Einstellungen und Wahlentscheidungen folgen sozi-
alen Charakteristika (Lazarsfeld et al. [1944] 1960, S. 27). Schoen
(2014, S. 175) weist darauf hin, dass der Ansatz an Simmels (1890)
Überlegungen zu sozialen Kreisen anschließt: Gibt es Schnittpunkte
verschiedener sozialer Kreise, in denen sich das Individuum befindet,
so kann es zu sogenannten „cross-pressures“ (Lazarsfeld et al. [1944]
1960, S. 56), also widersprüchlichen Eindrücken der politischen Sozi-
alisation, kommen. Individuen, die solchen „cross-pressures“
unterschiedlicher Parteipräferenzen ihres sozialen Umfeldes ausge-
setzt sind, entwickeln weniger starke Parteiloyalitäten, als es diejeni-
gen tun, die sich in wenigen, homogeneren sozialen Kreisen befinden
(Schoen 2014, S. 177). In sich weiter ausdifferenzierenden modernen
Gesellschaften ist deshalb damit zu rechnen, dass traditionelle Mili-
eubindungen (z.B. des Arbeitermilieus oder des katholischen Milieus)
tendenziell abnehmen. Damit erhöht sich der Anteil an Wechselwäh-
lerinnen und -wählern (sogenannte Volatilität), insbesondere bei jün-
geren Menschen (Kiess und Portos i.E.).
MAKROSOZIOLOGISCHER ANSATZ
Eine makrosoziologische Perspektive bietet der Cleavage-Ansatz von
Lipset und Rokkan (1967). Dieser erklärt die Herausbildung der bis
heute bestehenden westlichen Parteiensysteme entlang der Konfliktli-
nien (Cleavages) Zentrum und Peripherie, Staat und Kirche, Land
und Industrie sowie Kapital und Arbeit. Diese gesellschaftlichen
Konfliktlinien entwickelten sich entlang zentraler historischer Ereig-
nisse wie etwa der Reformation, der Nationalstaatsbildung oder der
Industrialisierung. Für die empirische Wahlforschung prognostiziert
der Ansatz ein einigermaßen stabiles Wahlverhalten entlang dieser
Konfliktlinien (Schoen 2014, S. 181; 185).
SOZIALPSYCHOLOGISCHER ANSATZ
Ein sozialpsychologisches Konzept mit großem Erklärungspotential
(Schoen und Weins 2014, S. 301) ist das ebenfalls zu den Klassikern
zählende Ann-Arbor-Modell (Campbell et al. 1954; Campbell et al.
1960). Die Erklärung des Wahlverhaltens über politische Einstellun-
gen – ein Ansatz der heute nahezu selbstverständlich erscheint – geht
auf The Voter Decides (Campbell et al. 1954) zurück. Die Forscher-
gruppe aus Ann Arbor im US-Bundestaat Michigan arbeitete zunächst
drei zentrale politische Einstellungen heraus, die die Wahlentschei-
dung beeinflussen: die Parteiidentifikation, die Einstellung zu Sach-
fragen (die sogenannte issue-Orientierung) sowie die Einstellung zu
Kandidaten im politischen Wettbewerb (Schoen und Weins 2014, S.
244). Die Parteiidentifikation ist als langfristig und verhältnismäßig
stabile gefühlsmäßige Bindung an Parteien zu verstehen, aber nicht
an eine formale Parteienmitgliedschaft gebunden (ebd., S. 245; 262).
Weisen alle für das Modell relevanten Einstellungen auf dieselbe
Wahlentscheidung, so lässt sich das Wahlverhalten der einzelnen Per-
son gut vorhersagen – eine Vorhersage, die entsprechend schwieriger
ist, wenn widersprechende Einstellungen vorliegen (ebd., S. 247).
14 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
LITERATUR
— Allport, Gordon W. (1954). The Nature of Predjudice. Reading,
MA: Addison-Wesley.
— Arzheimer, Kai, und Anette Schmitt (2014). Der ökonomische
Ansatz. In Handbuch Wahlforschung, Hrsg. Jürgen W. Falter und
Harald Schoen (S. 331–404), Wiesbaden: Springer Fachmedien
Wiesbaden.
— Berelson, Bernard, Paul, F. Lazarsfeld und William N. McPhee
(1954). Voting. A Study of Opinion Formation in a Presidential
Campaign. Chicago: University of Chicago Press.
— Berg, Lynn und Jan Üblacker (2020). Räumliche Aspekte rechter
Orientierung. Auf dem Weg zu einem konzeptionellen Rahmen. In
Lynn Berg und Jan Üblacker (Hg.), Rechtes Denken, rechte Räu-
me? (S. 17–46), Bielefeld: transcript.
— Brachert, Matthias, Everhard Holtmann und Tobias Jaeck (2020).
Einflüsse des Lebensumfelds auf politische Einstellungen und
Wahlverhalten. Eine vergleichende Analyse der Landtagswahlen
2019 in drei ostdeutschen Bundesländern. Berlin: Forum Berlin,
Friedrich-Ebert-Stiftung.
— Campbell, Angus, Gerald Gurin und Warren E. Miller (1954). The
Voter Decides. Evanston/Illinois: Row, Peterson and Company.
— Campbell, Aangus, Phillip E. Converse, Warren E. Miller und
Donald E. Stokes (1960). The American Voter. New York: Wiley.
— Cantoni, Davide, Felix Hagemeister und Mark Westcott (2019).
Persistence and Activation of Right-Wing Political Ideology. Col-
laborative Research Center Transregio 190, Discussion Paper No.
143.
— Dahrendorf, Ralf (1959). Homo Sociologicus. Ein Versuch zur
Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rol-
le. Opladen: Westdeutscher Verlag.
— Decker, Oliver, Marliese Weissmann, Johannes Kiess und Elmar
Brähler (2010). Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellun-
gen in Deutschland. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung.
— Decker, Oliver, Johannes Kiess, Julia Schuler, Barbara Handke,
Gert Pickel und Elmar Brähler (2020). Die Leipziger Autorita-
rismus-Studie 2020: Methode, Ergebnisse und Langzeitverlauf.
In Autoritäre Dynamiken. Neue Radikalität – alte Ressentiments,
Hrsg. Oliver Decker und Elmar Brähler (S. 27–88), Gießen: Psy-
chosozial-Verlag.
— Decker, Oliver, Johannes Kiess, Clara Schliessler, Marius Dilling,
Nele Hellweg und Elmar Brähler (2021). Verschwörungsmentali-
tät, COVID-19 und Parteipräferenz. Ergebnisse einer repräsenta-
tiven Befragung. EFBI Policy Paper 2021-1.
— Downs, Anthony (1957). An Economic Theory of Democracy. New
York: Harper.
— Franz, Christian, Marcel Fratzscher und Alexander S. Kritikos
(2018). AfD in dünn besiedelten Räumen mit Überalterungspro-
blemen stärker, DIW-Wochenbericht Nr. 8, S. 135–145.
— Franz, Christian, Marcel Fratzscher und Alexander S. Kritikos
(2019). Grüne und AfD als neue Gegenpole der gesellschaftlichen
Spaltung in Deutschland, DIW-Wochenbericht Nr. 34, S. 592–602.
— Geilen, Lucas und Daniel Mullis (2021). Polarisierte Städte: Die
AfD im urbanen Kontext. Eine Analyse von Wahl- und Sozialdaten
in sechzehn deutschen Städten, Geogr. Helv., 76(2), S. 129–141.
— Giebler, Heiko und Sven Regel (2017). Wer wählt rechtspopu-
listisch? Geografische und individuelle Erklärungsfaktoren bei
sieben Landtagswahlen, Wiso-Diskurs Band 16, Bonn: Fried-
rich-Ebert-Stiftung.
— Infratest dimap (2019): Landtagswahl 2019 Sachsen, Umfragen zu
den Lebensverhältnissen, wahl.tagesschau.de/wahlen/2019-
09-01-LT-DE-SN/umfrage-lebensverhaeltnisse.shtml [zuletzt
geprüft am 16.06.2021].
— Jahoda, Marie, Paul F. Lazarsfeld und Hans Zeisel (1933). Die
Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziografischer Versuch. Leip-
zig: Hirzel.
— Kiess, Johannes, und Martín Portos (im Erscheinen): E pur si muo-
ve! Young people, issue salience and volatility in nine European
countries.
— Kröhnert, Steffen, und Reiner Klingholz (2006). Not am Mann:
von Helden der Arbeit zur neuen Unterschicht? Lebenslagen jun-
ger Erwachsener in wirtschaftlichen Abstiegsregionen der neuen
Bundesländer. Berlin: Berlin-Institut für Bevölkerung und Ent-
wicklung.
— Landeswahlleiter (2019). Landtagswahl 2019 – endgültiges amt-
liches Ergebnis nach Wahlbezirken. Statistisches Landesamt des
Freistaates Sachsen. Online verfügbar unter: https://www.wah-
len.sachsen.de/download/LW19_endgErgebnisse_WBZ.xlsx
[zuletzt geprüft am 14.05.2021], Kamenz.
— Lazarsfeld, Paul, F., Bernard Berelson und Hazel Gaudet ([1944]
1960). The People‘s Choice. How the voter makes up his mind in
a presidential campaign. New York: Columbia University Press.
— Lengfeld, Holger (2017). Die ‚Alternative für Deutschland‘: Eine
Partei für Modernisierungsverlierer? Kölner Zeitschrift für Sozio-
logie und Sozialpsychologie 69(2), S. 209-232.
— Lipset, Seymour Martin, und Stein Rokkan (1967). Cleavage
Structures, Party Systems, and Voter Alignments. An Introduc-
tion. In dies., Party Systems and Voter Alignments: Cross-Party
Systems and Voter Alignments: Cross-National Perspectives (S.
1–64). New York, London: Collier-Macmillan.
— Lux, Thomas (2018). Die AfD und die unteren Statuslagen. Eine
Forschungsnotiz zu Holger Lengfelds Studie Die „Alternative für
Deutschland“: eine Partei für Modernisierungsverlierer? Kölner
Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 70(2), S. 255-
273.
— Meisner, Matthias (2019). AfD profitiert von Abwanderung.
Zurückbleibende Bewohner sich leerender Landstriche verlieren
das Vertrauen in Politik und Demokratie – sie werden konservati-
ver und autoritärer, Tagesspiegel vom 1.9.2019.
— Pettigrew, Thomas F. und Lind R. Tropp (2006). A meta-analytic
test of intergroup contact theory. Journal of Personality and Social
Psychology 90 (5), S. 751–783
— Reuband, Karl-Heinz (2021). Regionale AfD-Milieus und die
Dynamik der Corona-Ausbreitung – Eine Analyse auf der Basis
kreisfreier Städte und Landkreise in Sachsen. MIP Zeitschrift für
Parteienwissenschaften 27(1), S. 1–14.
— Richter, Christoph und Lukas Bösch (2017). Demokratieferne
Räume? Wahlkreisanalyse zur Bundestagswahl 2017. IDZ – Insti-
tut für Demokratie und Zivilgesellschaft.
— Rippl, Susanne und Dirk Baier (2005). Das Deprivationskonzept
in der Rechtsextremismusforschung. Kölner Zeitschrift für Sozio-
logie und Sozialpsychologie 57(4), S. 644–666.
— Salomo, Katja (2019). The residential context as source of depri-
vation: Impacts on the local political culture. Evidence from the
East German state Thuringia. Political Geography 69, S. 103–117.
— Schäfer, Armin (2012). Beeinflusst die sinkende Wahlbeteiligung
15 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
das Wahlergebnis? Eine Analyse kleinräumiger Wahldaten in deut-
schen Großstädten. Politische Vierteljahresschrift 53, S. 240–264.
— Schäfer, Armin (2015). Der Verlust politischer Gleichheit. Warum
die sinkende Wahlbeteiligung der Demokratie schadet (Schriften
aus dem Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Band
81), Frankfurt am Main.
— Schäfer, Armin, Robert Vehrkamp und Jérémie Felix Gagné
(2013). Milieus und soziale Selektivität der Wahlbeteiligung bei
der Bundestagswahl 2013, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.
— Schoen, Harald (2014). Soziologische Ansätze in der empirischen
Wahlforschung. In Handbuch Wahlforschung, Hrsg. Jürgen W. Fal-
ter und Harald Schoen (S. 169–240), Wiesbaden: Springer Fach-
medien Wiesbaden.
— Schoen, Harald und Cornelia Weins (2014). Der sozialpsycho-
logische Ansatz zur Erklärung von Wahlverhalten. In Handbuch
Wahlforschung, Hrsg. Jürgen W. Falter und Harald Schoen (S.
241–330), Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.
— Schröder, Martin (2018). AfD-Unterstützer sind nicht abgehängt,
sondern ausländerfeindlich. SOEPpapers 975/2018. Berlin: DIW.
— Simmel, Georg (1890). Über soziale Differenzierung. Soziologi-
sche und psychologische Untersuchungen. Leipzig: Duncker und
Humblot.
— Spier, Tim (2010). Modernisierungsverlierer? Die Wählerschaft
rechtspopulistischer Parteien in Westeuropa. Wiesbaden: VS Ver-
lag für Sozialwissenschaften.
— Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen (2019). Regi-
onaldaten Gemeindestatistik Sachsen. Gemeindestatistik 2019
für Kitzscher, Stadt. Online verfügbar unter: https://www.
statistik.sachsen.de/Gemeindetabelle/jsp/GMDAGS.jsp?-
Jahr=2019&Ags=14729220 [zuletzt geprüft am 14.05.2021].
Kamenz.
— Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen (2020). Sta-
tistischer Bericht. Sächsische Gemeindestatistik. Z II 1 – j/20.
Kamenz.
— Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen (2021). Bevöl-
kerung des Freistaates Sachsen am 31. Dezember 2017 bis 2019
nach Gemeinden und Staatsangehörigkeit. Kamenz.
— Yoxon, Barbara, Johannes Kiess und Steven van Hauwaert (2019).
Picking on immigrants: a cross-national analysis of individual-le-
vel relative deprivation and authoritarianism as predictors of
anti-foreign prejudice. Acta Politica 54(3), S. 479–520.
16 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
ANHANG
Abbildung 11: Arbeitslose je
1000 Einwohnerinnen und Ein-
wohner im erwerbsfähigen Alter
(2017).
Abbildung 12: Schuldenstand
je Einwohnerin und Einwohner
EUR (2019).
17 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
Abbildung 13: Steuereinnahme-
kraft je Einwohnerin und Ein-
wohner in EUR (2019).
Abbildung 14: Personal im
Kernhaushalt der Gemeinde je
1000 Einwohnerinnen und Ein-
wohner (2019).
18 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
Abbildung 15: Anteil an Men-
schen ohne deutsche Staatsbür-
gerschaft in Prozent (2019). Für
85 der 419 politisch selbststän-
digen Gemeinden in Sachsen
liegen keine Informationen zum
Anteil an Menschen ohne deut-
sche Staatsbürgerschaft vor. Sie-
he hierzu Fn. 3.
Abbildung 16: Natürlicher Saldo
(Verhältnis Geburten und Sterbe-
fälle) (2019).
19 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
Abbildung 17: Anteil der Haus-
halte mit einem Breitbandan-
schluss von mind. 50 mBit/s in
Prozent (2017).
Abbildung 18: Überschuss der
Zu- bzw. Fortzüge insgesamt je
1000 Einwohnerinnen und Ein-
wohner (2019).
20 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
Abbildung 19: Geschlechterver-
hältnis (2019).
Abbildung 20: Index der Ein-
wohnerinnen und Einwohner
gewichteten Luftliniendistanz zu
Supermarkt, Apotheke, Grund-
schule, Haltestelle des ÖPNV
(2017).
21 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
Abbildung 21: Durchschn.
PKW-Fahrtzeit zur nächsten
BAB-Anschlussstelle in Minuten
(2017).
Abbildung 22: Durchschn.
PKW-Fahrtzeit zum nächsten
IC/EC/ICE-Bahnhof in Minuten
(2017).
22 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
Tabelle A1: Lage- und Streuungsmaße der Variablen auf Gemeindeebene
23 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
Tabelle A2: Regressionsmodelle
24 |UNIVERSITÄT LEIPZIG | ELSE-FRENKEL-BRUNSWIK-INSTITUT POLICY PAPER 03 | 2021
IMPRESSUM
Gesamtkoordination:
Marius Dilling, Johannes Kiess
Gestaltung:
Pia Siemer
Redaktion:
Tilman Meckel, Pia Siemer
Druck:
Merkur Druck Leipzig
www.efbi.de
Das Projekt wird finanziert durch Mittel auf Grundlage des vom
Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts.