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Bericht zur Grabung Spitzelofen 2021 - Mnr. 77130.21.01

Authors:
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Bericht zur Grabung Spitzelofen 2021
Abb. 1: Marmorsteinbruchrevier Spitzelofen, Kalkbrennofen (GO 22), Grabungsschnitt 2021 (Foto: Paul Bayer).
Stephan KARL und Paul BAYER
März 2022
1. Grunddaten
Maßnahmennummer: 77130.21.01
Maßnahmenbezeichnung: Spitzelofen 2021 – Grabung
Bundesland: Kärnten
Politischer Bezirk/Verwaltungsbezirk: Wolfsberg
Gemeinde: St. Georgen im Lavanttal
Katastralgemeinde: Steinberg
Grundstücksnummer: 587/3
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2. Anlass, Durchführungszeitraum und Verlauf
Im Zuge der archäologisch-topografischen Kartierung des römerzeitlichen Marmorsteinbruchreviers Spitzelofen
am Westabhang der Koralpe in den Jahren von 2015–2016 und 2019–2020 wurden neben den eigentlichen
Steinbrüchen und Halden zahlreiche weitere Geländeobjekte (GO) dokumentiert, deren Interpretation allein aus
dem oberflächlich sichtbaren Geländebefund nicht immer eindeutig erschlossen werden konnte (Abb. 1).
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Dazu
zählen drei große Gruben (GO 22, 23 und 25) mit einem Durchmesser von 6 bis 7 m, die hangabwärts von einem
Wall umschlossen waren. Im Gegensatz zu den sicher als Kalkbrennöfen anzusprechenden Geländeobjekten im
Bereich des Sattels des Kalkkogels war an dieser Kategorie keine deutlich ausgeprägte Unterbrechung des Walls
zu erkennen, die auf eine verstürzte Befeuerungsöffnung (Feuerkanal, Schnauze) hingewiesen hätte. Hinweise
auf Wangenmauern einer vor der Ofenkammer liegenden Ofenküche waren ebenfalls in der relativ
gleichmäßigen Außenböschung des Walls nicht erhalten. Auffällig war auch, dass diese drei Gruben im
Gegensatz zu den Kalkbrennöfen am Sattel des Kalkkogels ziemlich abseits der eigentlichen Marmorhalden
dieses Steinbruchreviers lagen. Es gab jedoch, wie bei GO 22, oberflächlich Reste von hitzeausgesetzten
Gneissteinen und Holzkohlestückchen (Fnr. 24; siehe Abb. 3), wodurch eine Interpretation als Ofen bzw.
Grubenmeiler nahelag. Die drei großen Gruben wurden schließlich als „mögliche Grubenmeiler“ angesprochen.
Abb. 2: Gesamtplan des Marmorsteinbruchreviers Spitzelofen, Lage des Geländeobjekts GO 22 am Nordabhang
des Kalkkogels, im Zuge der topografischen Aktivitäten 2015–2020 als möglicher Grubenmeiler interpretiert
(nach Karl 2021, Taf. 12).
Für die Klärung der Frage, ob es sich bei diesen großen Gruben tatsächlich um Grubenmeiler handelt, wurde das
Geländeobjekt GO 22 für eine archäologische Feststellungsgrabung ausgewählt. Dieses Objekt liegt talseitig an
einer im Gelände kaum mehr erkennbaren Trasse eines Erschließungswegs zur untersten Abbaustufe im
Bruchgebiet Spitzelofen (Nr. 4 nach der aktuellen Topografie). Anhand der relativchronologischen Abfolge der
1
Karl 2021, 37–65.
3
Steinbrüche gehört diese Abbaustufe mit zwei dokumentierten Steinbrüchen (GO 40 und 41) zur letzten Phase
der römisch-kaiserzeitlichen Marmorgewinnung. Neben der Feststellung der Objektfunktion bestand daher auch
der Hintergedanke, über dieses Objekt – falls es sich tatsächlich um einen Grubenmeiler handelt – Hinweise auf
eine Datierung der späten Abbauphase zu gewinnen, da Holzkohle für den Betrieb der zahlreichen
Schmiedeessen in Steinbruchrevieren zum Zwecke des laufend anfallenden Nachspitzens und Reparierens der
Steinbruchwerkzeuge erforderlich war.
Die Feststellungsgrabung wurde zwischen dem 4. und 6. Oktober 2021 – abgebrochen durch Schlechtwetter –
und am 10. und 17. Oktober 2021 durchgeführt (Bereichsbezeichnung: Grabungsschnitt 2021). Der
Grabungsschnitt wurde mit einer Breite von ca. 1 m und einer Länge von ca. 5 m, ausgehend vom bergseitigen
flachen Plateau des erschlossenen Trassenverlaufs bis etwa zur Mitte der Grubensohle, in Böschungsfallrichtung
der Grube in etwa NNW–SSO-Richtung angelegt (Abb. 3). Der nördliche (tiefste) Rand des Grabungsschnitts
reichte bis zum Wurzelstock einer mittig in der Grube wachsenden Fichte (Abb. 1). Der Schnitt besaß so einen
Höhenunterschied von ca. 2,58 m (von 980,66 m bis 983,24 m ü.A.). Nach Abschluss der Grabung am 17.
Oktober 2021 wurde im Einverständnis mit dem Grundeigentümer der Grabungsschnitt vorläufig mit Vlies
abgedeckt und mit Steinen beschwert, um zuerst das Ergebnis der naturwissenschaftlichen Datierung der
zahlreich gewonnenen Holzkohlestücke abzuwarten. Die insgesamt fünftägige Grabung wurde von den Autoren
durchgeführt; unterstützt durch Kerstin Bauer (3 Tage), Robert Pritz (3 Tage) und Meinhard Ranzinger (1 Tag).
Abb. 3: Spitzelofen, Lageplan des Grabungsschnitts 2021 im Bereich des Geländeobjekts GO 22, eingezeichnet
der Mauerbefund des Kalkbrennofens mit angenommener Ofenkammer (Plan: Stephan Karl).
3. Topografie und Bodenverhältnisse
Das Marmorsteinbruchrevier Spitzelofen liegt am Westabhang der Koralpe, in etwa 980 m bis 1080 m ü.A., auf
einem vom Kleinalpl (1759 m ü.A.) in Richtung der kleinen, bereits am Bergfuß liegenden Ortschaft Ragglbach
4
(552 m ü.A.) herabziehenden Hügelrücken, der den Namen Steinberg trägt. Der römerzeitliche Abbau erschließt
hier das Vorkommen eines weißen bis hellgrauen, zuweilen gelbstichigen, grobkristallinen Marmors in teilweise
massig vorliegenden Bankungen. Dieser Marmorzug erhebt sich in einer schroffen Felsformation, dem
eigentlichen Spitzelofen im Nordosten (höchster Punkt 1066,60 m ü.A.), und einer markanten Geländerippe,
dem Kalkkogel, im Südwesten (höchster Punkt 1088,49 m ü.A.). Beide Bereiche ragen auffällig aus der nach
Nordwesten zum Kaltwinkelgraben abfallenden Umgebung heraus.
Das Geländeobjekt GO 22 liegt am Nordhang des Kalkkogels (ca. 981/982 m ü.A.), im geologischen Hangschutt
aus Marmor-, Amphibolit- und Gneisblöcken dieser Felsformation. Geologisch befindet sich das Objekt auf
Höhe der Gneise (sog. Übergangsgneis, ein Paragneis) im Liegenden des Marmorzugs (Abb. 4).
Abb. 4: Geologische Kartierung der beiden Bruchgebiete am eigentlichen Spitzelofen und am Kalkkogel (nach
Michael Weißl in Karl 2021, Taf. 60).
Im Zuge der Grabung wurde auch das unmittelbare Gelände um das Geländeobjekt GO 22 genauer prospektiert
und topografisch neu aufgenommen, um den Verlauf des Walls besser als auf den bisherigen Plänen, die auf
einem Aufnahmemaßstab von 1 zu 500 basierten, wiederzugeben. Die talseitige Wallkrone ist nahezu
5
kreisförmig mit einem Durchmesser auf Mitte der Krone gemessen von ca. 7,2 m. Eine leichte Einsenkung dieser
Wallkrone ist nördlich des Zentrums zu erkennen. Bei dieser genaueren Aufnahme konnten einzelne
fingernagelgroße Stückchen von pulverförmigem Löschkalk am Fuß der talseitigen Böschung erkannt werden
(Abb. 3), die bisher nicht aufgefallen waren. Die Ansprache des Geländeobjekts als Kalkbrennofen war
spätestens ab diesem Moment klar.
4. Technischer Bericht
Die Dokumentation der archäologischen Befunde wurde auf drei Arten durchgeführt: digitale Vermessung und
daraus resultierende Plangrundlage mit AutoCAD (danach Migration in das GIS-Projekt „Spitzelofen“,
basierend auf ArcGIS Desktop Advanced), digitale Fotografie (Nikon Z 5) und Structure-from-Motion (Agisoft
Metashape) sowie schriftliche Beschreibung aller stratigrafischen Schichten mit Handskizzen. Die Grabung
erfolgte nach dem Single-Layer-Prinzip mit Harris Matrix.
Für die tachymetrische Vermessung wurde eine Totalstation verwendet (Leica TS06). Die Einpassung in das
Landeskoordinatensystem erfolgte über die während der archäologisch-topografischen Kartierung von
2015/2016 (Mnr. 77130.15.01 / 77130.16.01) im Steinbruchrevier versetzten Fixpunkte; siehe dazu den Bericht
zur archäologisch-topografischen Aufnahme des römerzeitlichen Steinbruchgebietes Spitzelofen/Kalkkogel /
Spitzelofen 2015/2016 / Topografie / Bericht – Teil B.
Der gesamte Grabungsschnitt wurde nach Aufdecken der kompakten Verfüllung mit Löschkalkbrocken und
anderen Steinen (SE 20) sowie nach Aufdecken der beiden Bodenhorizonte (SE 24 und SE 28) mit jeweils
Resten ihrer Feuerstelle (SE 25 und SE 27) mittels Structure-from-Motion aufgenommen.
5. Befund
Der Grabungsschnitt 2021 lag auf einer Höhe von 980,66 m bis 983,24 m ü.A., wobei im Inneren des Schnitts
eine Tiefe von 979,56 m ü.A. erreicht wurde (Abb. 15). Nach Abtragen der Vegetationsnarbe wurde zuerst ein
Oberboden (SE 16) in einer Stärke von 10 bis 20 cm abgebaut. Dieser bestand aus einer ockerfarbenen bis
mittelbraunen, sandig-lehmigen Schicht in einer lockeren Konsistenz. Sie enthielt einige Bruchsteine in Größen
von 10 bis 30 cm, mehrheitlich aus glimmerreichen Gneisen, einzelne aus verwitterten Marmoren und
Amphiboliten. Zur Grubensohle wurde diese Schicht durch verstärkte humose Durchdringung dunkelbrauner,
insbesondere zwischen dem Wurzelwerk der am Profilrand wachsenden Fichte. In der Schicht fanden sich
vereinzelt hitzeausgesetzte, rötlich verfärbte Gneissteine, Holzkohle- und Löschkalkstückchen und verbrannte
Lehmbröckchen (Fnr. 32).
Unter dem Oberboden SE 16 und nach dem Entfernen der in den Grabungsschnitt hineinreichenden Wurzeln der
Fichte zeichnete sich in der Grubensohle eine Schicht mit erhöhtem Anteil an Löschkalkstückchen ab (SE 18).
Im südlichen Bereich lag ihr partiell eine Erosionsschicht (SE 17) auf, die sich bergwärts bis zum oberen etwas
flacheren Bereich am südlichen Grabungsrand fortsetzte (Abb. 5a). Diese ockerfarbene, sandig-lehmige
Erosionsschicht SE 17 mit einer Stärke von 15 bis 35 cm besaß eine etwas festere Konsistenz als SE 16.
Einzelne Bruchsteine in Größen von 10 bis 50 cm lagen in dieser Schicht, wiederum mehrheitlich aus Gneisen,
nur wenige waren aus dem verwitterten Marmor bzw. selten aus Amphibolit. Teilweise lagen die
plattenförmigen (schiefrigen) Gneissteine in Böschungsfallrichtung (Rutschlage). In der Schicht fanden sich
vereinzelt Holzkohlestückchen (Fnr. 33), während Löschkalkstückchen nicht angetroffen wurden. In der
Grubensohle wurde hingegen eine verstärkt löschkalkhaltige Erosionsschicht (SE 18) in einer Stärke von 20 bis
35 cm freigelegt. Diese hellbraune, durch das Eindringen humoser Anteile zum Teil dunkelgrau verfärbte,
kiesig-sandige Schicht in lockerer Konsistenz besaß einen hohen Anteil an kleinsten Löschkalkstückchen (ca. 20
%), darunter auch einige hitzeausgesetzte Gneissteine und nur unzureichend durchgeglühte Marmorsteine einer
Ofencharge. Die unregelmäßig gebrochenen Steine besaßen eine Größe von 20 bis 30 cm. Neben den
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Löschkalkstückchen fanden sich in dieser Schicht auch vermehrt Holzkohlestückchen und verbrannte
Lehmbröckchen (Fnr. 35).
Abb. 5: Spitzelofen, Grabungsschnitt 2021; (a) Erosionsschichten SE 17 und SE 18 mit Anteil von
Löschkalkstückchen nach Abtragen des Oberbodens SE 16; (b) Erosionsschicht mit abgerutschten Steinen SE 19
und kompakte Verfüllung SE 20 aus Löschkalk, nur unzureichend durchgeglühten Marmorsteinen und
hitzeausgesetzten Gneissteinen der Ofenmauer; (c) Ofenmauer M 21, direkt an die Baugrubenwand IF 22
angebaut, darüber geologischer Hangschutt SE 23, im Ofeninneren massive harte Bodenlage aus Löschkalk SE
24; (d) Abtiefung in der Ofenkammer auf Boden SE 28 (Fotos: Paul Bayer).
Unter der Erosionsschicht SE 17 und zum Teil auch unter SE 18 wurde eine weitere Erosionsschicht (SE 19)
aufgedeckt, die am südlichen Grabungsrand beginnt und bis zum Fuß der Grubenböschung hangabwärts verlief
(Abb. 5b). Diese ockerfarbene kiesig-sandige Schicht in einer Stärke von 10 bis 25 cm war von mittelfester
Konsistenz und beinhaltete einige Bruchsteine hauptsächlich aus Gneisen in Größen von 10 bis 30 cm. Im
tieferen Bereich konzentrierten sich plattenförmige Gneissteine, die durch die Erosionsbewegung hangabwärts
von der Mauerkrone M 21 abgetragen wurden. Im Zuge dieser Erosion wurden auch die dazwischenliegenden,
durch Hitze rotbraun verfärbten, sandigen Verwitterungsprodukte der Steine wie auch die verbrannten
Substanzen der Lehmbindung von M 21 verlagert, wodurch diese Schicht im unteren Bereich deutlich rotbraun
verfärbt war (Abb. 10). In diesem rotbraun verfärbten Bereich waren auch einige handgroße Stücke von
Löschkalk und einzelne nur unzureichend durchgeglühte Marmorsteine eingebettet. Ein Eisennagel (SpO-43) –
der einzige Kleinfund dieser Grabung – stammt hingegen vom oberen Bereich dieser Erosionsschicht SE 19.
Hinweise auf eine Befestigung der den südlichen Bereich des Grabungsschnitts querenden Trasse konnten weder
in SE 16 noch in SE 19 festgestellt werden. Unter SE 19 kam schließlich die bereits erwähnte Mauer der
Ofenkammer eines Kalkbrennofens (M 21) zum Vorschein.
SE 19, wie auch die löschkalkhaltige Erosionsschicht SE 18, lagen einem kompakten Schichtpaket auf, mit dem
die Ofenkammer in einer Mächtigkeit von 60 bis 80 cm verfüllt war. Diese Verfüllungsschicht SE 20 war von
besonders fester Konsistenz, da der ursprüngliche Hauptbestandteil, der Branntkalk, in diesem Gemisch aus
Steinen der Ofenmauer und lehmigen Substanzen (von der Lehmbindung der Mauer wie auch der
anzunehmenden Ofencharge-Abdeckung) zum Teil hydraulisch aushärtete. Diese Verfüllung konnte beim Abbau
nur Stein für Stein einzeln herausgehackt werden. Sie bestand im Wesentlichen aus fast reinen Löschkalkstücken
in Größen bis 20 cm (Fnr. 41; Abb. 6a), nur unzureichend durchgeglühten Bruchsteinen aus Marmor in Größen
bis 40 cm, in einem zumeist hellblaugrauen bzw. roten Farbstich (Fnr. 41; Abb. 6b), Stücken aus einem
ausgehärteten Gemisch aus Löschkalk und lehmigen bzw. aschigen Substanzen, die im Zuge der Arbeitsprozesse
abgelagert worden sind (Fnr. 41; Abb. 6c), sowie aus einzelnen hitzeausgesetzten Gneissteinen in Größen von 10
bis 30 cm, die offensichtlich aus der Ofenmauer herrührten (Fnr. 41; Abb. 6d).
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Abb. 6: Referenzproben (Fnr. 41) von Steinen aus der Verfüllung SE 20; (a) die zwei Formen von Löschkalk,
links Weißkalkteig, rechts pulverförmiges Weißkalkhydrat; (b) nur unzureichend durchgeglühte Marmorsteine
unterschiedlicher Verfärbung; (c) mit lehmigen Substanzen verbackenes Löschkalkgemisch; (d)
hitzeausgesetzter Bruchstein aus schiefrigem Gneis und anhaftenden Kalkresten (Fotos: Paul Bayer).
In diesem Füllmaterial fanden sich noch einige Holzkohlestückchen (Fnr. 39, 42) und verbrannte
Lehmbröckchen (Fnr. 37). Andere Bereiche dieser Verfüllung waren wiederum recht locker, vor allem dort, wo
die nur unzureichend durchgeglühten Bruchsteine aus Marmor im Kristallgefüge aufgelöst und zu Marmorgrus
zerfallen waren. Je tiefer diese Verfüllung jedoch abgebaut wurde, desto härter wurde sie.
Die erwähnten Löschkalkstücke (Calciumhydroxid, Ca(OH)
2
) zeigten grundsätzlich zwei Erscheinungsformen
(Fnr. 41; Abb. 6a). Einerseits waren sie durch die Bodenfeuchtigkeit „trocken“ gelöscht, wodurch ein
pulverförmiges Weißkalkhydrat entstanden war, andererseits waren sie zu einem (bei der Auffindung immer
noch) weichen und schmierfähigen Kalkbrei oder Weißkalkteig (Grundlage für Sumpfkalk) in jenen Bereichen
ausgebildet, wo offenbar stets Wasser anstand.
In den erwähnten verunreinigten, durch den Löschkalkanteil ausgehärteten Stücken (Fnr. 41; Abb. 6c) ließen
sich einige verschlackte Einschlüsse feststellen (Abb. 7). Einerseits sind es dunkelgraue bis schwarze, porige
Einschlüsse von eher runder Form und klingend harter Konsistenz (Abb. 7a), andererseits gelblichbraune,
blasige Substanzen von amorpher Form (Abb. 7b). Eine naturwissenschaftliche Bestimmung dieser Einschlüsse
ist vorgesehen.
Verglaste Oberflächen an der Wandung der Ofenmauer M21 oder an Bruchsteinen der Verfüllung SE 20 konnten
nicht nachgewiesen werden. wie sie sonst aus Befunden von Kalbbrennöfen bekannt sind.
2
Jedoch liegen an der
talseitigen Abböschung des Ofens einige Bruchsteine aus Amphibolit, die stark von Sprüngen durchzogen sind
und auch deutlich Verglasungen zeigen. Diese Steine stammen sicherlich aus der Ofenmauer, möglicherweise
aus dem Bereich der Ofenschnauze zur Feuerkammer, die der größten Hitze ausgesetzt war.
2
Walser 2021, 13.
8
Abb. 7: Verschlackte Einschlüsse in Referenzproben (Fnr. 41) von verunreinigen Löschkalkstücken aus der
Verfüllung SE 20 (Fotos: Paul Bayer).
Kleinste, sehr sandige und weiche, verbrannte Lehmbröckchen (Verwitterungsprodukte des Gneises) waren in
der gesamten Verfüllung SE 20 versprengt (Fnr. 37; Abb. 8). Sie dürften entweder von der Lehmbindung des
Mauerwerks der Ofenmauer stammen bzw. aufgrund der deutlichen Einschlüsse von Kalkspatzen eher von der
Lehmabdeckung der Ofencharge. Für eine solche Abdeckung könnten sandig-lehmige Verwitterungsprodukte
der anstehenden Gneise verwendet worden sein, die aufgrund der Arbeitsumgebung mit dem Staub von
Branntkalk verunreinigt wurden.
Abb. 8: Verbrannte, mit Kalkspatzen durchsetzte Lehmbröckchen (Fnr. 37) aus der Verfüllung SE 20 (Foto: Paul
Bayer).
Nach Abbau der kompakten Verfüllung SE 20 wurde auf Höhe von 979,70 m ü.A. eine unreine Löschkalklage
(SE 24) freigelegt, die als Bodenniveau angesprochen werden kann (Abb. 5c). Diese ockerfarbene Schicht in
einer Stärke von 8 bis 9 cm und von extrem harter Konsistenz bestand aus einer Ablagerung aus
Löschkalkstückchen (Kalkspatzen) und lehmig/aschigen Substanzen, die durchgehend als nahezu wasserdichte
Schicht verbacken waren. Auf diesem Bodenniveau konnte in der Nordostecke des Grabungsschnitts eine
annähernd rechteckig in den Schnitt hineinreichende Holzkohleschicht (SE 25) in einer Stärke von 4 cm und auf
einer Fläche von 15 x 31 cm dokumentiert werden (Abb. 10a und Abb. 14). In dieser Schicht waren noch
größere Holzkohlestücke in Form von Holzscheiten enthalten, die auf dem Boden SE 24 lagen und mit diesem
untrennbar verbacken waren; z. T. war das Holz gesprungen und die Bodenmasse drang während des Brands in
die Risse ein und erstarrte dort. Für eine dendrochronologische Bestimmung wurde versucht, diese Stücke
möglichst zur Gänze zu bergen (Fnr. 44; Abb. 9).
9
Abb. 9: Holzkohlestücke in Form von einzelnen Holzscheiten (Fnr. 44) aus Schicht SE 25, die von Kalkspatzen
durchsetzten, rotbraunen anhaftenden Schichtreste gehören zum Boden SE 24 (Fotos: Stephan Karl).
Im Zuge des Freilegens dieser unreinen Löschkalklage SE 24 wurde eine weitere Befundeinheit in der
Ofenkammer deutlicher, die beim Abbau von SE 20 zu wenig Beachtung fand. An der Ofenmauer befand sich
ein aus mehreren Steinlagen bestehender Schichtrest aus nicht durchgeglühten Marmorsteinen (SE 26), der im
Zuge der Befüllung des Ofens eingebracht und aufgrund der für ein Durchglühen ungünstigen Lage im unteren
Zwickel der zylindrisch zu rekonstruierenden Ofenkammer dort einfach belassen wurde. Dieser Schichtrest war
120 cm hoch und an der Ofenwandung abgeböscht, mit einer Tiefe auf Bodenhöhe von ca. 50 cm. Die in diesem
Zwickel eingebrachten Bruchsteine besaßen eine Größe von 30 bis 50 cm und waren aus einer relativ reinen
Varietät des grobkristallinen Spitzelofener Calcitmarmors. Stratigrafisch reichte dieser Schichtrest tiefer als die
Löschkalklage SE 24, die direkt daran anschloss (Abb. 16).
Unter der Löschkalklage SE 24 wurde schließlich das ursprüngliche Bodenniveau der Ofenkammer auf einer
Höhe von 979,58 m ü.A. erreicht (IF 22), das auf einem graubraunen, sandigen Boden (SE 28) mit zahlreichen
kleinen Bruchsteinen aus Gneis in Größen von 10 bis 20 cm auflag (Abb. 5d). Es handelt sich bereits um den
gewachsenen Boden, in dem die Baugrube (IF 22) für die Ofenkammer eingetieft war. Oberflächlich war dieser
Boden durch den Löschkalk und durch die Hitze beim Brand extrem hart verbacken und teilweise rötlich
verfärbt. Unter dieser verfestigten „Haut“ war der Untergrund nach ca. 5 cm von lockerer Konsistenz. Unter der
Lage mit nicht verglühten Marmorsteinen SE 26 (wie auch unter SE 27), wo kein Branntkalk auf den Boden
einwirken konnte, war dieser gleich von lockerer Konsistenz. Auf dem Boden SE 28 lag – wiederum im
Nordosteck – eine weitere Holzkohleschicht (SE 27) auf, diesmal in einer Stärke von 6 cm, die nun auch etwas
weiter als SE 25 und viertelkreisförmig in den Grabungsschnitt hineinreichte (Abb. 10a und b). Sie wurde auf
einer Fläche von 45 x 52 cm dokumentiert. Im Gegensatz zu SE 25 bestand diese Holzkohleschicht aus kleinst
zerbrochenen Holzkohlestückchen, die zu größeren Brocken locker verbunden waren (Fnr. 47). Durch diese
Feuerstelle und dem gewachsenen Boden darunter, ergibt sich auch, dass der Ofen über keine Ofenbank verfügt,
10
d. h. die Feuerkammer (Feuerkanal) lag nicht vertieft in der Sohle der Ofenkammer.
3
Die Feuerkammer musste
daher direkt auf der Sohle der Ofenkammer errichtet worden sein; Spuren des Gewölbes für eine solche
Feuerkammer waren in diesem verfestigten Boden nicht zu erkennen.
Abb. 10: Spitzelofen, Grabungsschnitt 2021; (a) Nordostecke mit Holzkohleschicht SE 27, darüber im Profil die
Holzkohleschicht SE 25; (b) Ostprofil, am rechten Bildrand ist die Lage aus nicht durchgeglühten
Marmorsteinen SE 26 an der Ofenwandung M 21 sichtbar, darüber die im unteren Bereich, rötlich verfärbte
Erosionsschicht SE 19 (Fotos: Paul Bayer).
Abb. 11: Holzkohlebrocken aus einzelnen kleinen Holzkohlestückchen (Fnr. 46) aus Schicht SE 27 (Foto: Paul
Bayer).
Wie erwähnt war die Baugrube für die Ofenkammer (IF 22) in den gewachsenen Boden des mäßig steil
abfallenden nördlichen Abhangs eingetieft worden. Dieser Nordabhang besteht mehr oder weniger aus dem
geologischen Hangschutt des Kalkkogels, zumeist aus Gneisblöcken und ihren Verwitterungsprodukten. Das
Interface für die Baugrube dieser Kammer ist kreisrund anzunehmen, zum Hang hin besaß es eine senkrechte
Begrenzung, seine Sohle war waagrecht. Hangaufwärts dieser Grube wurde der gewachsene Boden SE 23 unter
der Erosionsschicht SE 19 freigelegt (Abb. 5c). Diese Schicht folgt in etwa der Hangneigung. Es handelt sich um
eine ockerfarbene, sandige Schicht von mittelfester Konsistenz, die einige Bruchsteine aus Gneisen in Größen
von 10 bis 20 cm beinhaltete. Im südlichen Bereich gab es eine nicht weiter signifikante Anhäufung von Steinen
mit Größen von 30 bis 40 cm.
3
Zu Ofenkammern ohne Ofenbank vgl. Vaschalde 2012, 138; Gerber 2002, 21; mit Beispielen (auch aus der römischen Kaiserzeit); siehe auch
den neuzeitlichen Kalkbrennofen bei Brilon: Zeiler 2018.
11
An der bergseitigen senkrechten Begrenzung des Grubeninterfaces wurde die Mauer der Ofenkammer auf einer
Länge von 90 cm freigelegt (M 21; Abb. 12). Im dokumentierten Grabungsschnitt besaß die Mauer eine Stärke
von max. 95 cm und war noch 196 cm hoch erhalten. Am Interface ist abzulesen, dass die Mauer an dieser Stelle
mind. 40 cm höher lag. Aufgrund der Form des Geländeobjekts ist der Mauerzug der Ofenkammer als
kreisförmig anzunehmen (Abb. 3). Der Innendurchmesser beträgt 5,5 m; ein Wert, der über den gängigen Maßen
von 3 bis 5 m liegt.
4
Die Mauer wurde in Trockenbauweise aus plattenförmigen Steinen des geschieferten Gneises mit etwas sandiger
Lehmbindung errichtet. Einzelne Marmorsteine fanden ebenfalls Verwendung. Das Mauerwerk weist eine eher
unregelmäßige Struktur auf, die kaum lagerhaftes Versetzen zeigt. Einzelne längliche Steine wurden offenbar als
Bindersteine verlegt. Im untersten Bereich waren größere Gesteinsblöcke aus Gneis versetzt (bis zu 70 cm groß).
Es gibt kein Fundament, sondern die Mauerunterkante liegt in etwa der ausgehobenen Baugrubensohle auf (Abb.
16). Die Wand selbst war bis auf den unteren Bereich, der durch die nicht durchgeglühte und an Ort und Stelle
belassene Marmorsteinlage SE 26 abgedeckt war, rötlich verfärbt. Die hohen Temperaturen beim mehrtägigen
Brennen des Kalks von 900 bis 1200 °C dürften das Mauerwerk in diesem zerrütteten Aussehen hinterlassen
haben; eingestürzte Kalköfen sind auch keine Ausnahme
5
.
Abb. 12: Spitzelofen, Grabungsschnitt 2021, Mauer der Ofenkammer M 21 (Foto: Paul Bayer).
4
Gerber 2002, 22.
5
Zeiler 2018, 181.
12
6. Fundspektrum
Der Grabungsschnitt 2021 erbrachte neben den Material- und Steinproben sowie den geborgenen
Holzkohlestücken nur einen einzigen Kleinfund: ein Eisennagel mit abgebrochenem Stift (SpO-43) aus der
Erosionsschicht SE 19 (Abb. 13). Derartige Nagelformen können kaum datiert werden. Erwähnenswert ist, dass
im Zuge des Surveys mittels Metallsonde (Mnr. 77130.21.02) eine Konzentration derartiger langer Nägel
(eventuell für Holzkonstruktionen) gerade im Bereich des Kalkbrennofens festgestellt werden konnte.
Abb. 13: Spitzelofen, Grabungsschnitt 2021, einziger Fund: ein Eisennagel (SpO-43) aus der Erosionsschicht SE
19; Maßstab 1:1 (Foto: Paul Bayer, Zeichnung: Stephan Karl).
Naturwissenschaftliche Untersuchungen
Holzartbestimmung
Die aus den beiden Feuerstellen SE 25 (Tab. 1) und SE 27 (Tab. 2) geborgenen Holzkohlestücke wurden für eine
mögliche dendrochronologische Altersbestimmung und für eine Holzartbestimmung dem Institut für
Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe an der Universität für Bodenkultur Wien (Michael Grabner und
Elisabeth Wächter) übergeben: „Die Proben konnten wegen der geringen Jahrringanzahl (30) nicht
dendrochronologisch bearbeitet und datiert werden. 17 Proben konnten als Tanne (Abies alba) bestimmt werden.
Die Holzarten der restlichen Proben konnten aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes und der Größe der
Fragmente nicht genau bestimmt werden.“
6
Nr. Boku Nr. Holzart WK JR Anmerkung
SpO-44/1
Sol 01
Nadelholz
keine
großes Stück
SpO-44/2
Sol 02
Tanne
keine
ca.30
C14
-
Probe entnommen
SpO-44/3
Sol 03
Tanne
keine
SpO-44/4
Sol 04
Tanne
keine
SpO-44/5
Sol 05
nicht bestimmbar
keine
-
mehrere Fragmente
SpO-44/6
Sol 06
nicht bestimmbar
keine
-
SpO-44/7
Sol 07
Tanne
keine
ca. 9
SpO-44/8
Sol 08
nicht bestimmbar
keine
-
SpO-44/9 Sol 09 nicht bestimmbar keine - dünne Schicht sehr stark abgebaut,
ev. Rinde
SpO-44/9a
Sol 09a
Nadelholz
keine
ca. 9
kleines Stück
SpO-44/10
Sol 10
Tanne
keine
SpO-44/11
Sol 11
Tanne
keine
Tab. 1: Holzartbestimmung der Holzkohlen aus der Feuerstelle SE 25.
6
Nach dem Bericht von Michael Grabner und Elisabeth Wächter vom 17. Januar 2022.
13
Nr. Boku Nr. Holzart WK JR Anmerkung
SpO-46/12
Sol 12
nicht bestimmbar
keine
-
mehrere Holzfragmente
SpO-46/12a
Sol 12a
Tanne
keine
Ast oder Stamminneres
SpO-46/13
Sol 13
Tanne
keine
SpO-46/14
Sol 14
nicht bestimmbar
keine
-
wie Sol 12
SpO-46/15
Sol 15
nicht bestimmbar
keine
-
SpO-46/16
Sol 16
Tanne
keine
SpO-46/17
Sol 17
nicht bestimmbar
keine
-
wie Sol 12
SpO-46/18
Sol 18
nicht bestimmbar
keine
-
wie
Sol 12
SpO-46/19
Sol 19
nicht bestimmbar
keine
-
wie Sol 12
SpO-46/20
Sol 20
Tanne
keine
C14
-
Probe entnommen
SpO-46/21
Sol 21
nicht bestimmbar
keine
-
wie Sol 12
SpO-46/22
Sol 22
Tanne
keine
SpO-46/23
Sol 23
nicht bestimmbar
keine
-
wie Sol 12
SpO-46/24
Sol 24
nicht bestimmbar
keine
-
Reste
SpO-46/24a
Sol 24a
Tanne
keine
-
2 Stück
SpO-46/24b
Sol 24b
kein Holz
keine
-
ev. Knochen
SpO-46/25
Sol 25
nicht bestimmbar
keine
-
Reste
SpO-46/25a
Sol 25a
Tanne
keine
ca. 2
4 Stück
Tab. 2: Holzartbestimmung der Holzkohlen aus der Feuerstelle SE 27.
Radiokarbondatierung
Da der Kalkbrennofen anhand typologischer Aspekte aufgrund der über die Jahrhunderte nahezu unveränderten
bzw. nur leicht variierenden Grundform kaum zu datieren ist, wurden zwei Holzkohlestücke von den beiden
Feuerstellen SE 25 und SE 27 für eine Altersbestimmung anhand des
14
C-Gehalts an das VERA Labor (Vienna
Environmental Research Accelerator) der Universität Wien gesendet (Tab. 3). Die Bestimmung ergab eine
neuzeitliche Zeitstellung des Kalkbrennofens.
7
Nr. SE Boku Nr. Holzart Labornr.
14
C Alter
[BP]
δ
13
C AMS
[‰]
14
C-Gehalt [F
14
C]
Cal 2-sigma
(95,4 %
Wahrscheinlichkeit)
[cal]
SpO-
44/2
25 Sol 02 Tanne VERA-
7326
278
± 37
-28,9
± 0,4
0,9660
± 0,0045
AD 1489–1953
89,5 %: AD 1489–1670
4,9 %: AD 1780–1798
1
,
0
%
:
1946
1953
SpO-
46/20
27 Sol 20 Tanne VERA-
7327
159
± 37
-25,4
± 0,7
0,9804
± 0,0044
AD 1663–1953
56,8 %: 1663–1825
19,7 %: 1830–1895
19
,
0
%
:
1903
1953
Tab. 3: Radiokarbondatierung von zwei Holzkohlestücke aus den beiden Feuerstellen SE 25 und SE 27.
7. Wissenschaftliche Bewertung der Ergebnisse
Im Zuge einer Feststellungsgrabung wurde im Jahr 2021 ein Geländeobjekt im römerzeitlichen
Marmorsteinbruchrevier Spitzelofen am Westabhang der Koralpe näher untersucht, das während der
archäologisch-topografischen Kartierung von 2015 bis 2020 als möglicher Grubenmeiler interpretiert worden
war. Das Objekt gehört mit zwei anderen zu einer Gruppe, die sich von jener der sicher als Kalkbrennöfen
anzusprechenden Geländeobjekte in diesem Steinbruchrevier in ihrer Lage, Größe und Form absetzen. Es
7
Ergebnisse nach dem Bericht von Monika Bolka vom 14. März 2022.
14
handelt sich um große Gruben mit Durchmesser von 6 bis 7 m, die hangabwärts von einem Wall umschlossen
waren, keine sichtbare Unterbrechung des Walls aufwiesen und abseits der Marmorhalden dieses
Steinbruchreviers lagen. Das betreffende Geländeobjekt liegt in tiefer Lage am Nordabhang des Kalkkogels, dem
südwestlichen Bruchgebiet des Reviers, an einem in diesem unwegsamen Gelände kaum mehr auszumachenden
Erschließungsweg zur untersten Abbaustufe des zweiten Bruchgebiets am eigentlichen Spitzelofen.
Die Grabung erschloss in diesem Geländeobjekt einen Kalkbrennofen von ungewöhnlicher Größe. In einem bis
etwa zur Mitte der Grube reichenden Grabungsschnitt von 1 x 5 m wurde ein Teil der hangseitigen Mauer und
des Bodens der Ofenkammer samt Feuerstelle freigelegt. Die aus Gneissteinen errichtete Mauer in einer Stärke
von ca. 1 m besaß eine durch die Hitze rötlich verfärbte Wand. Der Boden der Ofenkammer, eingetieft in den
geologischen, hauptsächlich aus Gneissteinen bestehenden Hangschutt des Kalkkogels, war durch den Löschkalk
und durch die Hitze extrem hart verbacken und teilweise ebenfalls rötlich verfärbt. Zusammen mit dem Verlauf
des talseitigen Walls ergibt sich eine in den Hang gesetzte Ofenkammer mit zylindrischem Mantel über einem
annähernd kreisrunden Grundriss. Der innere Durchmesser beträgt 5,5 m; die erhaltene Höhe der bergseitigen
Mauer beträgt fast 2 m. Am Interface ist abzulesen, dass die Mauer an dieser Stelle mind. 40 cm höher lag. Die
ursprüngliche Höhe der Ofenkammer ließ sich nicht mehr exakt eruieren, jedoch ist davon auszugehen, dass die
bergseitig liegende, direkt daran vorbeiführende Trasse, die sich als leichtes Plateau im Gelände abzeichnet, zum
Befüllen des Ofens genutzt wurde. Die Ofenkammer dürfte demnach nicht unwesentlich höher als dieses
Plateau, vielleicht 3 m, gewesen sein. Ein Kalkbrennofen besteht in der Regel neben der Ofenkammer noch aus
der Ofenbrust mit dem Feuer- oder Schürloch, der sog. Schnauze, und einem Bereich vor der Schnauze, der sog.
Ofenküche. Letztere sind außerhalb des Grabungsschnitts talseitig gegen Norden anzunehmen. Die Ofenkammer
war in Feuerkammer und Brennkammer mit der Ofencharge unterteilt. Die Feuerkammer musste bei diesen
periodisch genutzten Feldöfen vor jedem Brand, ausgestattet mit einem Gewölbe, dem sog. Himmel, neu in der
Ofenkammer errichtet werden. Zumeist nutzte man dafür eine gemauerte Ofenbank, die das Gewölbe trug. Von
einer solchen Ofenbank konnten bei der Freilegung des Bodens keine Spuren nachgewiesen werden. Eine solche
ist in diesem Befund auch sicherlich auszuschließen, da die unterste Nutzungsschicht mit Brennrückständen des
Holzfeuers in der ehemaligen Feuerkammer direkt auf dem gewachsenen Boden auflag, der über die gesamte
Ofenkammer ein annähernd waagrechtes Niveau bildete.
Insgesamt konnten zwei Nutzungsschichten festgestellt werden; beide jeweils durch Brennrückstände in der
Feuerkammer in Form von 4 bis 6 cm starken Holzkohleschichten gekennzeichnet. Die obere Nutzungsschicht
lag auf einer 8 bis 9 cm starken, extrem verfestigten Ablagerungsschicht aus Löschkalkstückchen und
lehmig/aschigen Substanzen, die als „neuer“ Boden verwendet wurde. Die Ofenkammer wurde dafür auch nicht
komplett ausgeräumt. In dem für die Hitzeausbreitung ungünstigen Zwickel zwischen Boden und Ofenmauer
beließ man mehrere, nicht ausreichend durchgeglühte Steinlagen aus Marmorsteinen, die offenbar zur ersten
Ofencharge gehören, da die Steine direkt dem gewachsenen Boden ohne jegliche Löschkalkstückchen auflagen.
Wie viele einzelne Brennvorgänge pro Nutzungsschicht stattfanden und in welchem Abstand die zwei
Nutzungsschichten aufeinander gefolgt waren, kann nicht entschieden werden.
Durch eine Radiokarbondatierung der beiden Holzkohleschichten konnte eine neuzeitliche Zeitstellung des
Kalkbrennofens nachgewiesen werden. Anhand der Datierung der untersten (ersten) Nutzungsschicht dürfte der
Ofen frühestens in der 2. Hälfte des 17. Jhs. in Betrieb genommen worden sein. Den möglichen
Nutzungszeitraum über die Mitte des 19. Jhs. zu erstrecken, erscheint eher unwahrscheinlich, da ab 1859 diese
Forstflächen in den Besitz von August Theodor Schütte übergingen und in den jüngeren Quellen keine Hinweise
zu einer Kalkbrennerei auf eigenem Grund vorhanden sind. Die Größe des Kalkbrennofens könnte auf einen
Gemeinschaftsofen hinweisen, der von mehreren Familien betrieben wurde, oder auf ein größeres Bauprojekt in
der näheren Umgebung. Die Marmorsteine für die Ofencharge wurden wahrscheinlich in einer Halde im
Bruchgebiet Spitzelofen gewonnen, die entlang der erwähnten, beim Ofen vorbeiführenden Trasse in etwa 170 m
zu erreichen war. Diese Lage abseits der Marmorhalden könnte auch mit der ebenfalls beschwerlichen Arbeit des
Herbeischleppens von ausreichend Brennholz zusammenhängen, denn für einen Brand wurde gewichtsmäßig
sogar mehr Holz verbrannt als Steine.
15
8. Fundverbleib
Das Fundmaterial wird von der Dr. Gudmund Schütte Forst- und Gutsverwaltung (Dipl.-Ing. Dominik
Habsburg-Lothringen), St. Andrä 14, 9433 Sankt Andrä im Lavanttal verwahrt.
9. Literatur
Gerber 2002: Christophe Gerber, Fours à chaux, four à fer et charbonnières dans le Jura bernois vestiges archéologiques médiévaux et
modernes découverts entre Moutier et Roches sur le tracé de l'autoroute A16, 1995–1997 (Bern, Stuttgart, Wien 2002).
Karl 2021: Stephan Karl, Das römerzeitlich genutzte Marmorsteinbruchrevier Spitzelofen / Kärnten – Montanarchäologische Forschungen.
Mit Beiträgen von Paul Bayer, Michael Grabner, Manfred Hainzmann, Roland Haubner, Andreas G. Heiss, Kathrin Layr, Daniel Modl,
Walter Prochaska, Susanne Strobl, Borut Toškan, Elisabeth Wächter, Michael Weißl und Silvia Wiesinger, Fundberichte aus Österreich,
Beiheft 1 (Wien 2021).
Reber 2018: Daniel Reber, Zwei römische Kalkbrennöfen im Dorfzentrum von Oensingen, Archäologie und Denkmalpflege im Kanton
Solothurn 23, 2018, 11–24.
Vaschalde 2012: Christophe Vaschalde, Les fours à chaux du Midi méditerranéen de la France, objets de nouvelles méthodes en archéologie
médiévale, Debates de Arqueología Medieval 2, 2012, 129–154.
Walser 2021: Christoph Walser, Ferrera – Ausserferrera, Kalkbrennofen (Parz. 78). Ereignisbericht, Archäologischer Dienst Graubünden,
https://friiischtailer.ch/wp_2021/wp-content/uploads/2021/09/GR_Kalkbrennofen_Innerferrera.pdf
Zeiler 2018: Manuel Zeiler, »Viele Hunde sind des Kalkbrenners Tod« – ein neuzeitlicher Kalkbrennofen bei Brilon, Archäologie in
Westfalen-Lippe 2018, 178–181, https://doi.org/10.11588/aiw.2019.0.76886.
10. Autoren des Berichts
Dr. Stephan Karl
Dr.-Emperger-Weg 14; 8052 Graz
stephan.karl@chello.at
Paul Bayer, BA BA MA
Peinlichgasse 8; 8010 Graz
paulbayer@gmx.net
16
11. Gesamtplan
Abb. 14: Spitzelofen, Grabungsschnitt 2021, Kalkbrennofen (GO 22), Gesamtplan (Plan: Stephan Karl).
17
12. Detailpläne
Abb. 15: Spitzelofen, Grabungsschnitt 2021, Ost- und Südprofil, Orthoansichten (Plan: Stephan Karl).
Abb. 16: Spitzelofen, Grabungsschnitt 2021, Ost- und Südprofil samt Schnitt durch den nördlichen Wall und
Abböschung (Plan: Stephan Karl).
18
13. Stratigrafische Abfolge
Abb. 17: Spitzelofen, Grabungsschnitt 2021, stratigrafische Abfolge (Grafik: Stephan Karl)
19
14. Fundkatalog
Im folgenden Katalog sind alle stratifizierten Funde des Grabungsschnitt 2021 angeführt, wobei es sich – bis auf
den Eisennagel SpO-43 – ausschließlich um entnommene Material- bzw. Referenzproben handelt.
SE 16 – Oberboden
Fnr. 32: hitzeausgesetzte Gneissteine, Holzkohle- und Löschkalkstückchen, verbrannte Lehmbröckchen.
SE 17 – Erosionsschicht
Fnr. 33: Holzkohlestückchen.
Fnr. 34: Materialprobe.
SE 18 – Löschkalkhaltige Erosionsschicht
Fnr. 35: hitzeausgesetzte Gneissteine, Holzkohle- und Löschkalkstückchen, verbrannte Lehmbröckchen.
Fnr. 36: Materialprobe.
SE 19 – Erosionsschicht
SpO-43: Fnr. 43 (Metallsondenfund); Nagel, Stift z. T. abgebrochen; L erh. 3,2 cm; Kopf 9 x 6 mm; Qs Stift 3 x 4 mm; Gew. 2,0 g; T-
förmiger Kopf, Stift mit langrechteckigem Querschnitt.
SE 20 – Verfüllung
Fnr. 37: hitzeausgesetzte Gneissteine, Holzkohle- und Löschkalkstückchen, verbrannte Lehmbröckchen.
Fnr. 38: Materialprobe.
Fnr. 39: Holzkohlestückchen.
Fnr. 40: Materialprobe.
Fnr. 41: Referenzsteine (Löschkalk, unzureichend durchgeglühte Marmorsteine, etc.).
Fnr. 42: Holzkohlestückchen.
Fnr. 45: Verkohltes Aststück aus dem Bereich der Ofenwandung.
SE 25 – Holzkohleschicht
Fnr. 44: Holzkohlestücke.
SE 27 – Holzkohleschicht
Fnr. 46: Holzkohlestücke.
SE 28 – Gewachsener Boden
Fnr. 47: Materialprobe, Bereich unter SE 27.
Fnr. 48: Materialprobe, Bereich unter SE 24.
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  • Mit Beiträgen Von Paul
  • Michael Bayer
  • Manfred Grabner
  • Roland Hainzmann
  • Andreas G Haubner
  • Kathrin Heiss
  • Daniel Layr
  • Walter Modl
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  • Borut Strobl
  • Elisabeth Toškan
  • Wächter
Mit Beiträgen von Paul Bayer, Michael Grabner, Manfred Hainzmann, Roland Haubner, Andreas G. Heiss, Kathrin Layr, Daniel Modl, Walter Prochaska, Susanne Strobl, Borut Toškan, Elisabeth Wächter, Michael Weißl und Silvia Wiesinger, Fundberichte aus Österreich, Beiheft 1 (Wien 2021).
Les fours à chaux du Midi méditerranéen de la France, objets de nouvelles méthodes en archéologie médiévale
Vaschalde 2012: Christophe Vaschalde, Les fours à chaux du Midi méditerranéen de la France, objets de nouvelles méthodes en archéologie médiévale, Debates de Arqueología Medieval 2, 2012, 129-154.
Referenzsteine (Löschkalk, unzureichend durchgeglühte Marmorsteine
  • Fnr
Fnr. 41: Referenzsteine (Löschkalk, unzureichend durchgeglühte Marmorsteine, etc.).
48: Materialprobe, Bereich unter SE 24
  • Fnr
Fnr. 48: Materialprobe, Bereich unter SE 24.