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Unternehmen: Diktaturen oder Demokratien? Debatten zur Reform der Unternehmensverfassung

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Abstract

Die US-amerikanische Philosophin Elizabeth Anderson behauptet, dass Unternehmen Diktaturen sind: Die Kapitaleigner herrschten über die Beschäftigten. Kritik an solchen Verhältnissen gäbe es kaum. Das läge daran, dass eine in den Wirtschaftswissenschaften dominierende neoliberale Theorie der Firma diktatorische Unternehmensgovernance legitimiere. Im vorliegenden Beitrag werden folgende Fragen behandelt: Gleichen Unternehmen tatsächlich Diktaturen; und gilt dies auch für die mitbestimmten Unternehmen in Deutschland? Trifft der Vorwurf der Legitimation von Unternehmensdiktatur die neueren Theorien der Wirtschaftswissenschaften? Welche Vorschläge für demokratische Regierungs- oder Governancemodelle (Unternehmensverfassungen) gibt es? Modelle wie das von Isabell Ferreras und von Nell-Breuning gehen weit über die gegenwärtige Aufsichtsratsmitbestimmung hinaus. Ein wesentliches Ziel des Beitrages besteht darin, die Diskussion über die Frage der Unternehmensverfassung weiterzuführen und Debatten um Arbeitnehmer-Mitbestimmung, Corporate Governance, Unternehmenstheorie und Demokratietheorie miteinander in Beziehung zu setzen.
Werner Nienhüser
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Unternehmen: Diktaturen oder Demokratien? Debatten zur Reform der
Unternehmensverfassung
Zusammenfassung
Die US-amerikanische Philosophin Elizabeth Anderson behauptet, dass Unternehmen
Diktaturen sind: Die Kapitaleigner herrschten über die Beschäftigten. Kritik an solchen
Verhältnissen gäbe es kaum. Das läge daran, dass eine in den Wirtschaftswissenschaften
dominierende neoliberale Theorie der Firma diktatorische Unternehmensgovernance
legitimiere. Im vorliegenden Beitrag werden folgende Fragen behandelt: Gleichen
Unternehmen tatsächlich Diktaturen; und gilt dies auch für die mitbestimmten Unternehmen
in Deutschland? Trifft der Vorwurf der Legitimation von Unternehmensdiktatur die neueren
Theorien der Wirtschaftswissenschaften? Welche Vorschläge für demokratische Regierungs-
oder Governancemodelle (Unternehmensverfassungen) gibt es? Modelle wie das von Isabell
Ferreras und von Nell-Breuning gehen weit über die gegenwärtige
Aufsichtsratsmitbestimmung hinaus. Ein wesentliches Ziel des Beitrages besteht darin, die
Diskussion über die Frage der Unternehmensverfassung weiterzuführen und Debatten um
Arbeitnehmer-Mitbestimmung, Corporate Governance, Unternehmenstheorie und
Demokratietheorie miteinander in Beziehung zu setzen.
Schlagwörter: Unternehmensverfassung, Mitbestimmung, Unternehmensdiktatur,
Wirtschaftsdemokratie, Organisationsdemokratie
Firms: Dictatorships or democracies? - Debates on corporate governance reform
Abstract
The US-american philosopher Elizabeth Anderson claims that companies are dictatorships:
the capital owners rule over the employees. There is hardly any criticism of such conditions.
The reason for this is that a neoliberal theory of the firm dominates in economics and
legitimizes dictatorial corporate governance. The following questions are dealt with in this
article: Are firms actually similar to dictatorships; and does this also apply to companies
falling under the German laws of co-determination? Do more recent economic theories also
legitimize corporate dictatorship? How do proposals for democratic models of corporate
governance look like? Models like that of Isabell Ferreras and of Nell-Breuning go beyond
the current system of employee-boardlevel representation. An essential aim of the article is to
put forward the discussion about corporate governance or constitution and to bring debates
1
Werner Nienhüser, Prof. Dr., Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Arbeit, Personal und Organisation,
Universität Duisburg -Essen, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, E-Mail: werner.nienhueser@uni-due.de
Der Beitrag ist in der
Zeitschrift "Industrielle Beziehungen"
erschienen in Heft 3, Jg. 28, 2021, Seite 283-316
Preprint-Version 5/2021
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about employee participation, corporate governance, theory of the firm and democratic theory
together.
Keywords: Corporate Governance, co-determination, corporate dictatorship, economic
democracy
JEL: B1, D00, D21, G3, J54
1 Ausgangspunkt: Unternehmen sind Diktaturen
Die US-amerikanische Philosophin Elizabeth Anderson vergleicht Unternehmen mit Staaten
(Anderson, 2017; 2019a; 2019b) und behauptet, dass Unternehmen eher Diktaturen als
Demokratien ähneln. In einem Interview heißt es kurz und bündig: Die moderne Firma ist
eine Diktatur (Anderson, 2019b). Die Verfassung und Organisationsstruktur von
Unternehmen sehe keine Beteiligung der Regierten vor. In Unternehmen gälte bei Einsetzung
der Unternehmensleitung eine Art Klassenwahlrecht. Diese undemokratische Form des
Wahlrechts gilt in den westlichen Demokratien seit rund hundert Jahren als überwunden. Die
wichtigsten unternehmerischen Entscheidungen, insbesondere diejenigen über die
Verwendung des Kapitals, seien den Kapitaleignern bzw. deren Repräsentanten vorbehalten.
Auf der Ebene von Staaten würden wir uns, so Anderson, gegen eine solche diktatorische
Verfassung und entsprechende Praktiken wehren (2019a, S. 25). Gegen diktatorische
Verhältnisse in Unternehmen gäbe es dagegen kaum Widerstand. Dies läge nicht zuletzt
daran, dass die in den Wirtschaftswissenschaften dominante und den öffentlichen Diskurs
prägende neoliberale Theorie der Firma eine diktatorische Unternehmensverfassung
rechtfertige (ähnlich argumentiert Isabelle Ferreras 2017).
Diese Behauptungen bilden den Ausgangspunkt des vorliegenden Beitrages. Zu fragen ist:
Gleichen Unternehmen tatsächlich Diktaturen? In welchem Maße ist dies der Fall, und gilt die
These nur für die USA, aber nicht für Deutschland mit seinen Mitbestimmungsgesetzen?
Damit stellt sich auch die Frage nach den Wirkungen unterschiedlicher
Unternehmensverfassungen und damit nach Theorien der Unternehmung. Anderson kritisiert,
wie wir noch sehen werden, vor allem die neoklassische, mikroökonomische Theorie als
ideologisch, das heißt, Unternehmensdiktaturen rechtfertigend. Trifft dieser Vorwurf in
ähnlicher Weise auch für neuere Theorien der Wirtschaftswissenschaften zu? Und schließlich:
Reicht das deutsche Modell der Mitbestimmung aus, um den Vorwurf auszuräumen, dass
Unternehmen Diktaturen sind? Wie sehen alternative Regierungs- oder Governancemodelle
(Unternehmensverfassungen) aus, die über die gegenwärtige Mitbestimmung der
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen hinausgehen?
Häufig werden solche Fragen unter Verwendung des Begriffs Mitbestimmung diskutiert,
der sich in der Regel nur auf die Beteiligung der Arbeitnehmerschaft bezieht. Wenn wir
dagegen den weitergehenden und allgemeineren Begriff der „Regierungsbeteiligung“ in
3
Analogie zu Diskussionen über staatliche Verfassungen und Regierungsformen verwenden,
dann erweitert dies unseren Blick deutlich. Dann stellt sich die allgemeinere Frage, wer mit
welchen Rechten der „Unternehmensregierung“ angehört bzw. angehören soll und auf welche
Weise über die Beteiligung entschieden wird oder werden soll. In der Betriebswirtschaftslehre
bzw. in den Wirtschaftswissenschaften generell werden solche Fragen seit Langem behandelt.
Im Kern geht es um das Problem, ob andere Gruppen als die Kapitaleigner, etwa
Arbeitnehmerinnen oder Konsumentinnen, an wichtigen unternehmerischen Entscheidungen
beteiligt werden sollen. Diskursdominierend ist derzeit die Vorstellung, dass die Gruppe der
Kapitaleigner (shareholder) allein entscheidet - oder zumindest bei wesentlichen
Entscheidungen den Ausschlag geben sollte. In den Wirtschaftswissenschaften werden zum
Teil unter dem Begriff „shareholder value“ - mehr oder weniger normativ geladene Theorien
als Begründung für diese Form von Unternehmensregierung in Anschlag gebracht. Auch
einflussreiche politische Institutionen wie die OECD (2015) propagieren eine Form von
Governance, die die wesentlichen Entscheidungsrechte der Kapitalseite zuweist.
Die Frage der Beteiligung an Unternehmensregierungen wird umso wichtiger, je größer und
vor allem mächtiger Unternehmen werden und je mehr sie unser aller Leben beeinflussen.
Anders als noch zu Zeiten von Adam Smith haben wir es nicht mehr nur mit meist kleinen,
nicht mehr als zehn Beschäftigte aufweisenden Unternehmen zu tun, deren Macht gegenüber
einem absolutistischen Staat gering war (vgl. hierzu Anderson, 2019a). Heute beschäftigen
große Unternehmen nicht selten viele Hundertausende von Arbeitskräften, und sie verfügen
oftmals über mehr Finanzkraft als viele Staaten. Wal-Mart, Apple und Shell etwa sind finanz-
stärker als z. B. Russland, Belgien oder Schweden (Global Justice Now, 2018). Die
Eigentümer der Unternehmen und deren Leitungen verfügen über erhebliche ökonomische
und politische Macht (vgl. z. B: Attac, 2016; Bode, 2018; Corporate Reform Collective, 2014;
Rügemer, 2018). Die Macht ist zudem bei relativ wenigen großen Konzernen konzentriert.
Vor allem Finanzunternehmen verfügen über ein erhebliches Machtpotenzial. Sie
kontrollieren den Untersuchungen von Peetz et al. (Peetz, Murray & Nienhüser, 2013; Peetz
& Murray, 2017) zufolge 68 Prozent des Kapitals der 200 weltweit größten Unternehmen und
damit den größten Teil des produktiven Kerns in den jeweiligen Ökonomien.
Die Entscheidungen und Handlungen solcher mächtigen korporativen Akteure betreffen
nahezu alle Menschen. Unternehmen und Betriebe sind Orte der Zuteilung von
Lebenschancen. Unternehmensleitungen kontrollieren einen großen Teil der Möglichkeiten
zur Verwertung unserer Arbeitskraft, sie beeinflussen unsere Karriere- und
Einkommensmöglichkeiten sowie unsere materielle Absicherung nach dem Ende des
Erwerbslebens. Damit beeinflussen unternehmerische Entscheidungen den gesamten
Lebensverlauf von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen sowie deren Familien bzw.
Lebensgemeinschaften. Aber nicht nur die Interessen von Erwerbspersonen sind berührt,
sondern auch diejenigen der Konsumierenden. Da die Produktion und Verteilung von Gütern
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und Dienstleistungen massiven Einfluss auf natürliche Ressourcen, auf das Klima usw.
nimmt, ist die Frage danach, welche Entscheidungen Unternehmen treffen, geradezu
überlebenswichtig. Zugleich ist festzustellen, dass diejenigen, deren Leben von den
Entscheidungen und Handlungen der Unternehmen massiv beeinflusst wird, kaum
Möglichkeiten haben, an diesen Entscheidungen mitzuwirken. Dem möglichen Einwand, dass
Menschen kaum an einer solchen Mitwirkung interessiert sind, kann man mit einem Hinweis
auf empirische Befunde begegnen: Erwerbstätige wie Nichterwerbstätige wünschen sich mehr
Mitbestimmung in Unternehmen und Betrieben. So sprechen sich in einer telefonischen
Befragung von rund 3.200 zufällig ausgewählten Personen 64 Prozent dafür aus, dass
Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleich viel Einfluss haben sollen (weitere 3 Prozent wünschen
sich, dass Arbeitnehmer Einfluss-Übergewicht bekommen) (Nienhüser, Hoßfeld, Glück &
Gödde, 2018, S. 90).
Ich werde im Folgenden Unternehmen als politische Systeme betrachten, die analog zu
Staaten über eine Verfassung verfügen, über Regierung und Regierte, über Bürgerinnen und
Bürger, Bürgerrechte, Wählerinnen und Wähler, Gewählte etc. Aus dieser Sicht stellen sich
dann Fragen wie: Wer soll die Unternehmen leiten; wie wird darüber entschieden und wer
darf darüber entscheiden? Inwieweit werden insb. Arbeitnehmerinnen, aber auch
Konsumenten und andere Anspruchsgruppen, an wichtigen Entscheidungen beteiligt?
Unternehmen als politische Systeme zu konzeptualisieren, ist keineswegs neu. In jüngster Zeit
hat diese Perspektive u.a. durch die Publikationen von Elizabeth Anderson (2019a) und
Isabelle Ferreras (2017) erneut Aufmerksamkeit bekommen. Andersons Kritik, dass
Unternehmen Diktaturen seien, mündet in der relativ allgemeinen Forderung, Unternehmen
sollten von Diktaturen in Demokratien umgewandelt werden. Ferreras wird konkreter und
schlägt ein Zwei-Kammern-System für die Unternehmensleitung vor. Die erste Kammer,
soviel sei hier vorweggenommen, besteht aus Vertretern der Kapitaleigner (der Kapital-
Investoren), die zweite Kammer aus Vertretern der Beschäftigten (den Arbeits-Investoren).
Wichtige Entscheidungen, so Ferreras, bedürfen der Mehrheit in jeder Kammer. Im Vergleich
zu diesem Vorschlag nehmen sich viele der derzeitigen, von den Gewerkschaften oder ihnen
nahestehenden Organisationen kommenden Forderungen zum Ausbau der Arbeitnehmer-
Mitbestimmung eher bescheiden aus. Vor allem in den „liberal market economies“ wie etwa
den USA oder Großbritannien (Hall & Soskice, 2001) stehen Forderungen nach einer
demokratischeren Unternehmensverfassung im Widerspruch zur aktuell vorherrschenden
Unternehmensverfassung. In den „coordinated market economies“ wie etwa Deutschland,
Österreich oder den skandinavischen Ländern, in denen vor allem die großen Unternehmen
zum Teil über mitbestimmte Unternehmensleitungen verfügen, ist dieser Widerspruch
weniger eklatant. Ich werde auch zeigen, dass Reformvorschläge, wie sie Anderson und
Ferreras formulieren, in der Diskussion in Deutschland und Österreich keineswegs etwas
Neues sind, sondern dass ähnliche Ideen bereits spätestens in den 1960er Jahren Teil des
Diskurses um die Unternehmensmitbestimmung waren.
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Bei Überlegungen über die „richtige“ Unternehmensverfassung oder -regierungsform greift
man unvermeidlich - explizit oder implizit auf eine Unternehmenstheorie und Hypothesen
über die Wirkungen unterschiedlicher Regierungssysteme zurück. Sowohl Anderson (2019a)
als auch Ferreras (2017) weisen darauf hin, dass viele Menschen solche diktaturähnliche oder
zumindest autoritäre Zustände bei der Regierung von Staaten kritisch sehen, nicht akzeptieren
und sich möglicherweise dagegen wehren würden. Eine Erklärung, warum dies auf der Ebene
der Unternehmen nicht oder nicht im selben Maße der Fall ist, sehen beide
Wissenschaftlerinnen in der Art und Weise, wie wir uns Unternehmen vorstellen. Unsere
Vorstellungen würden dabei von Unternehmenstheorien der Wirtschaftswissenschaften
geprägt, die letztlich eine kapitaldominierte autoritäre „Privatregierungs-Form“ nahelegten
und rechtfertigten. Ich werde daher auch auf die Begründungen der Wirtschaftswissenschaften
eingehen und zeigen, dass ein Governance-Modell propagiert oder gerechtfertigt wird, das
einer Diktatur zumindest mehr ähnelt als einer Demokratie.
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Gleichwohl gibt es
Theoriealternativen, die alternative Unternehmensverfassungen nahelegen. Daher ist auch zu
fragen auch wenn ich auf diese Frage nur kurz eingehe -, warum sich eine bestimmte
Theorievariante durchgesetzt hat und hartnäckig hält.
Zur Vorgehensweise: In Abschnitt 2 werde ich zunächst klären, anhand welcher Maßstäbe
man einschätzen kann, ob Unternehmen mehr oder weniger diktatorisch (oder demokratisch)
sind. Kurz eingehen will ich auch auf die Frage, warum es sinnvoll ist, über eine
Demokratisierung von Unternehmen nachzudenken. In Abschnitt 3 stelle ich die Frage nach
der Geltung der These „Unternehmen sind Diktaturen“. Anschließend wende ich mich der
Frage nach den Unternehmenstheorien zu (Abschnitt 4). Es wird sich zeigen, dass die
dominante Vorstellung in den Wirtschaftswissenschaften die einer kapitaldominierten
Unternehmung ist. Anschließend (Abschnitt 5) diskutiere ich unterschiedliche Ansätze
alternativer Governance-Formen und Schritte in Richtung auf Reformen. Insgesamt ist mein
Beitrag eher reformistisch ausgerichtet, die Vorschläge schließen überwiegend an vorhandene
Institutionen an. Die Vorschläge sind eher darauf ausgerichtet, den Kapitalismus zu biegen
und weniger darauf, ihn zu brechen (vgl. Naphtali., 1928, S. 12).
Nicht jede der aufgeworfenen Fragen kann hier in der Tiefe behandelt werden, die jede
einzelne für sich genommen verdient hätte. Mir geht es darum, die Diskussion über die Frage
der Unternehmensverfassung weiterzuführen und Diskussionen um
Arbeitnehmer-Mitbestimmung, Corporate Governance, Unternehmenstheorie und
Demokratietheorie miteinander in Beziehung zu setzen. Dass einige meiner Ausführungen
eher skizzenhaft bleiben müssen, nehme ich in Kauf; vielleicht ist es sogar ein Vorteil, wenn
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Vgl. dazu auch die Übersicht über die wichtigsten Unternehmenstheorien in der Volkswirtschaftslehre Weise,
Brandes, Eger und Kraft (2005), ich erweitere hier die Liste der Theorien vor allem um die in der
Betriebswirtschaftslehre.
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es mir weniger auf die Details und stärker auf grundsätzliche Überlegungen zur
Demokratisierung von Unternehmen ankommt.
2 Begründungen für und wider eine Demokratisierung von Unternehmen
Wie lässt sich die Forderung nach Demokratisierung der Unternehmen begründen? Ein
wesentliches Argument für Demokratie bezieht sich auf ihre positiven Funktionen für die
Gesamtheit der Mitglieder des jeweiligen demokratischen Systems. Im herrschenden
politischen Diskurs der westlichen Demokratien wird nur von wenigen in Frage gestellt, dass
demokratische Gesellschaften lernfähiger sind, die Bedürfnisse ihrer Mitglieder besser
befriedigen und daher auch überlebensfähiger sind als weniger demokratische Gesellschaften
(ich greife im Folgenden zum Teil auf Ausführungen bei Nienhüser, 2013 zurück, die sich
wiederum u.a. auf Etzioni, 1975 stützen). Bezogen auf die Unternehmens- bzw. Betriebsebene
stehen in der Diskussion oft solche Folgen von Demokratie oder Partizipation im
Vordergrund, die positiv funktional für die Arbeitsleistung sind: bessere soziale Beziehungen,
effektivere Zusammenarbeit der Arbeitenden, Steigerung der Arbeitszufriedenheit und der
Arbeitsmotivation. Für eine auch für die Kapitalverwertung positive Funktionalität von
organisationaler Demokratie spricht die Metaanalyse von Weber et al (2019). Die Analyse,
die 60 quantitative empirische Studien einbezieht, zeigt deutliche, positive statistische
Zusammenhänge zwischen “organisational democracy“ und psychologisch relevanten
Ergebnisvariablen: In demokratischen Organisationen sind Arbeitszufriedenheit und
Motivation höher, das soziale Verhalten und das Klima sind besser (Weber et al., 2019). Je
stärker die strukturell verankerte Mitbestimmung (z. B. Mitbestimmung im Aufsichtsrat) ist,
desto besser fallen die Ergebnisse aus.
Wenn man die positiven Wirkungen von staatlicher Demokratie und von Partizipation in
Unternehmen und Betrieben berücksichtigt, dann ist es zumindest auf den ersten Blick
überraschend, dass große Teile der Wirtschaftswissenschaften und der Unternehmerverbände
die Auffassung vertreten, dass Unternehmen (anders als Staaten) nicht (oder weniger)
demokratisch strukturiert und gesteuert werden sollten. Man nimmt an, dass Unternehmen am
erfolgreichsten sind, wenn vorrangig die Ansprüche der Kapitaleigner erfüllt werden. Die
Bedürfnisse anderer Anspruchsgruppen (insbesondere der Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen, aber auch der Verbraucherinnen, der Bürgerinnen usf.) werden, so wird
unterstellt, am besten und gleichsam automatisch befriedigt, wenn man Unternehmen am Ziel
einer möglichst hohen Kapitalrendite, am shareholder value, ausrichtet. Wenn man das Ziel
einer hohen Kapitalrendite verfolgt und erreicht, dann, so das Versprechen dieses Ansatzes,
erreicht man auch die Ziele anderer Anspruchsgruppen. Vertreten wird letztlich eine Art
Trickle-Down-Theorie bezogen auf Einzelwirtschaften. Wenn man davon ausgeht, dass diese
Theorie stimmt, dann wäre es richtig weil für alle am besten , wenn die Ansprüche aller
anderen Gruppen dem Ziel der Kapitalrendite, also den Interessen der Kapitaleigner,
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untergeordnet würden (zur Darstellung und Kritik dieses als Shareholder-Modell
bezeichneten Denkens vgl. u.a. Vitols, 2011; Davis, 2020). Zwar wird im Gedankengebäude
des Shareholder-Ansatzes durchaus gesehen, dass es der Mobilisierung und Unterstützung der
Beschäftigten bedarf, um innovativ zu sein und mit raschen Umstrukturierungen auf
Marktveränderungen reagieren zu können. Innovationen, das wird zugestanden, kann man
nicht erzwingen; daher sei ein Mindestmaß an Demokratie sinnvoll, konkret in Form der
Mitbestimmung der Arbeitnehmenden. Allerdings wollen die Vertreter des Shareholder-
Ansatzes eine Dominanz der Kapitalseite beibehalten. Ihre Vorstellung von Mitbestimmung
meint eher Mitwirkung im Sinne von Informations- und Beratungsrechten. Die Betriebsbürger
und -bürgerinnen sollen nur auf ihren Arbeitsplatz bezogene, relativ schwache Rechte haben.
Die Rechte sollen zudem nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern freiwillig durch das
Management gewährt sein und damit jederzeit wieder einseitig entzogen werden können.
Darüber hinaus ist in diesem Denkgebäude eine kollektive Repräsentation von Interessen der
Arbeitnehmer auf Unternehmensebene negativ konnotiert. Aus Sicht eines aufgeklärten
Managements liegt es daher nahe, sich gegen „echte“, gesetzlich verankerte repräsentative
Mitbestimmung zu wehren und sich für eine freiwillige individuelle Mitbestimmung am
Arbeitsplatz einzusetzen. Wir werden später noch sehen, dass in der Managementliteratur
genau solch eine Art von Mitbestimmung freiwillig, auf Arbeitsplatzebene, jederzeit
einseitig durch das Management aufkündbar propagiert wird. Flankiert wird diese
Vorstellung von den dominierenden wirtschaftswissenschaftlichen Unternehmenstheorien.
Eine Begründung von Unternehmensdemokratie allein über positive Folgen für Motivation,
Zufriedenheit, Innovation etc. wäre eine individualistisch-einzelwirtschaftlich verkürzte Sicht.
Die Forderung nach Demokratie kann menschenrechtlich begründet werden und damit nicht
mehr nur einzel- oder gesamtwirtschaftlich-utilitaristisch. Die Vorstellung, man könne und
solle Unternehmen nicht demokratisch strukturieren, widerspricht nicht nur dem Ziel einer
umfassenden Demokratisierung der Gesellschaft, sondern ist, so behaupte ich, zudem lang-
fristig ökonomisch-gesamtwirtschaftlich schädlich. Das bedeutet, dass man nicht diejenigen
Unternehmen als erfolgreich bezeichnen sollte, die ihre Profite (u.U. auf Kosten vieler
anderer) maximieren, sondern vielmehr diejenigen, die qualitativ hochwertige, langlebige,
ressourcenschonende Produkte unter umweltverträglichen Bedingungen produzieren, die gute
Arbeits- und Entlohnungsbedingungen bieten, die sicher auch eine angemessene, nicht
unbedingt „maximale“ Kapitalrendite gewährleisten und den Wert des Unternehmens
erhöhen, ohne dass dies zu Lasten des Gesamtwohls geht. Daher ist eine Diskussion
notwendig über die Ziele, die Strukturen und Abläufe in Unternehmen, die nicht einseitig auf
Ansprüche einer bzw. weniger Gruppen fixiert, sondern pluralistisch-demokratisch verfasst
sowie auf ein breiteres Zielbündel und eine langfristige, umfassende Lern- und
Entwicklungsfähigkeit (Etzioni, 1968; Kirsch & Scholl, 1983) angelegt sind.
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3 Sind Unternehmen Diktaturen oder Demokratien?
Anderson (2019a) sieht Unternehmen als Diktaturen an. Sie zeigt an Beispielen, wie
tyrannisch Arbeitgeber in den USA mit ihren Beschäftigten umgehen: Wal-Mart verbietet
Angestellten, während der Arbeitszeit private Gespräche zu führen, Apple durchsucht
Mitarbeiter von Einzelhandelsgeschäften beim Verlassen des Betriebs, Tyson hindert Arbeiter
daran, während der Arbeitszeit die Toilette aufzusuchen, die Hälfte aller Arbeitnehmer ist
mindestens einmal von ihrem Arbeitgeber auf Drogenkonsum getestet worden, Millionen
würden von ihrem Arbeitgeber „unter Druck gesetzt, bestimmte politische Anliegen oder
Kandidaten zu unterstützen“ (Anderson, 2019a, S. 25). Anderson sagt, dass wir gegen solche
repressiven Praktiken protestieren würden, wenn diese von Seiten unserer Regierung kämen
(2019a, S. 25). In Betrieben würden wir wegen des Risikos, entlassen zu werden, schweigen.
Zudem fehlten uns die richtigen Worte, über Herrschaftsverhältnisse in Betrieben zu
sprechen. Das läge auch daran, dass uns die vorherrschende Vorstellung von Betrieben die
in den Wirtschaftswissenschaften nach wie vor dominante und den öffentlichen Diskurs
prägende neoliberale Theorie der Firma - den Blick dafür verstelle, dass wir es bei
Unternehmen mit einer nicht-demokratischen Regierungsform zu tun hätten.
Andersons Urteil über die Regierungsform von Unternehmen fällt eindeutig aus: Sie „.. ist
eine Form von Regierung, in der die Chefs die Arbeiter regieren. Die meisten Regierungen
der Betriebe in den Vereinigten Staaten sind Diktaturen, in denen Bosse auf eine Art und
Weise regieren, die den Regierten im Großen und Ganzen keine Rechenschaft schuldet. Sie
regieren die Arbeitnehmer nicht bloß, sie beherrschen sie“ (Anderson, 2019a, 29f.;
Hervorhebungen im Original). Anderson fordert eine Demokratisierung der Betriebe, ohne
allerdings zu sagen, wie eine solche Regierungsform genau ausgestaltet sein soll und wie man
sie durchsetzen kann.
Dass Betriebe Diktaturen sind, ist eine sehr starke These. Ich will zunächst einige Kriterien
anführen, mit deren Hilfe man Unternehmen daraufhin analysieren kann, ob bzw. in welchem
Maße Diktaturähnlichkeit vorliegt. Ein weiterer Punkt, der zu klären ist: Anderson bezieht
sich auf Unternehmensverfassungen ohne Mitbestimmung der Arbeitnehmer, wie sie in den
USA und anderen angelsächsischen Ländern (z. B. UK und Australien) institutionalisiert sind.
Daher ist zu prüfen, ob die These der Diktaturähnlichkeit auch für Verfassungen deutscher
Unternehmen gilt, da hier die Mitbestimmung der Arbeitnehmer relativ weitreichend ist
(Waddington & Conchon, 2016; Gold & Waddington, 2019). Bei der Anwendung des
Diktaturbegriffs darf nicht ignoriert werden, dass Menschen in staatlichen Diktaturen um ihr
Leben fürchten müssen, wenn sie Widerstand leisten oder auch nur Kritik gegenüber der
Regierung üben. Angriffen auf Leib und Leben ausgesetzt sind Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen in deutschen Unternehmen (in Deutschland) wohl nur in extremen
Ausnahmefällen. Das Arbeitsrecht, unabhängige Gerichte und Richterinnen, die in vielen
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Betrieben und Unternehmen vorhandenen Mitbestimmungsorgane und die Gewerkschaften
sowie Tarifverträge bieten Schutz auch wenn dieser nicht ausreichend sein mag. Gleichwohl
sind Unternehmen in Deutschland eingebettet in einen demokratischen staatlichen Kontext,
der auch die Unternehmensverfassungen und den Umgang mit den Beschäftigten nicht
unbeeinflusst lässt. Daher müssen wir klären, welche Elemente wir zur Abgrenzung zwischen
demokratischen und diktatorischen Unternehmensverfassungen und -strukturen heranziehen
und wie weit und bezogen auf welche Merkmale Unternehmen von einem demokratischen
politischen System entfernt sind.
3.1 Definitionskriterien zur Abgrenzung von Demokratien
Was charakterisiert Demokratien? Eine in den Politikwissenschaften verwendete Definition
lautet so:
Demokratie ist eine rechtsstaatliche Herrschaftsform, die eine Selbstbestimmung für
alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger im Sinne der Volkssouveränität ermöglicht,
indem sie die maßgebliche Beteiligung von jenen an der Besetzung der politischen
Entscheidungspositionen (und/oder an der Entscheidung selbst) in freien,
kompetitiven und fairen Verfahren (z. B. Wahlen) und die Chancen einer
kontinuierlichen Einflussnahme auf den politischen Prozess sichert und generell eine
Kontrolle der politischen Herrschaft garantiert. Demokratische Partizipation an der
politischen Herrschaft findet damit ihren Ausdruck in den Dimensionen der
politischen Freiheit, der politischen Gleichheit und der politischen und rechtlichen
Kontrolle“ (Lauth, 2006, S. 96).
Ein zentrales Merkmal von Demokratien ist demnach die gleiche Beteiligung aller an den
wesentlichen Entscheidungen, sei es direkt oder indirekt (über Wahlen repräsentativer
Entscheidungsorgane). Politische Gleichheit heißt: Es muss das Prinzip „Ein Mensch = eine
Stimme“ gelten. Politische Freiheit konkretisiert sich darin, dass grundsätzlich jedermann und
jederfrau wählbar ist und dass sich Menschen zu Parteien, Gewerkschaften etc.
zusammenschließen dürfen. Rechtliche Kontrolle meint, dass die Rechte gesetzlich garantiert
und rechtlich durchsetzbar sind, was Gewaltenteilung voraussetzt (in Anlehnung an Lauth,
2006, S. 98).
Elizabeth Anderson (2019a) zieht zum Teil sehr ähnliche Maßstäbe heran, um ihre These zu
begründen. Man solle sich, so sagt sie, einen Staat bzw. eine Regierung mit folgenden
Merkmalen vorstellen (Anderson, 2019a, S. 79f.) und daran dann Unternehmen messen (ich
fasse hier ihre Ausführungen in vier Punkten zusammen):
1. Die Regierung ist Eigentümer sämtlicher Produktionsmittel. „Außer der Arbeit selbst
besitzt die Regierung alle Produktionsmittel in der Gesellschaft, die sie regiert“; eine
solche Regierungsform könne man „kommunistisch“ nennen (Anderson, 2019a,
S. 80).
2. Es gibt eine hierarchische Struktur, die von der Regierung ohne Beteiligung der
Regierten festgelegt wird. Bei der Ausgestaltung der Über- und Unterordnung und bei
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der Entwicklung und Erteilung der Anweisungen werden die Bürgerinnen und Bürger
nicht einbezogen; die vorgesetzten Personen sind nicht gewählt und können durch die
Untergebenen nicht abgesetzt werden. Es gibt keine Einspruchsmöglichkeit gegen
Anweisungen „von oben“. Vorgesetzte Personen sind ihren Untergebenen nicht
rechenschaftspflichtig. Rechtliche Möglichkeiten, sich gegen die Anweisungen zu
wehren, sind kaum vorhanden. Es ist den Mitgliedern der oberen hierarchischen
Ebenen z. B. erlaubt, die Körperbewegungen und die Kommunikation der Mitglieder
unteren Ebenen zu kontrollieren, es können Kleidervorschriften erlassen werden etc.
3. Die Regierung hat das Recht zu belohnen und zu bestrafen. Die Regierung bestimmt
die Einkommen seiner Mitglieder und verfügt daher über erhebliche
Belohnungsmacht. Die Höhe des jeweiligen Einkommens hängt davon ab, in welchem
Maße die von der Regierung vorgegeben Ziele erfüllt werden. Bestrafungen finden
auch in der Form von Exilierung statt. Exilierung oder Emigration sind mit massiven,
oft negativen Folgen für die Beherrschten verbunden.
4. Die Regierung verfügt über einen Propagandaapparat, Gegenpropaganda kann
negativ sanktioniert werden.
Staaten, die diese vier Merkmalsausprägungen aufweisen, würde man wohl kaum als
Demokratien bezeichnen, sondern als despotische oder diktatorische Systeme. Ziehen wir die
Kriterien von Lauth (2006) heran, dann würden die von Anderson genannten
Merkmalsausprägungen der Privatregierungen/Unternehmen bedeuten: Die Selbstbestimmung
für alle Bürgerinnen und Bürger wäre nicht gegeben, eine maßgebliche Beteiligung an der
Besetzung der Regierung durch freie Wahlen nicht gewährleistet; Möglichkeiten, auch durch
Meinungsäußerungen und Gegenöffentlichkeit den politischen Prozess zu beeinflussen, wären
kaum gegeben; Rechte wären nicht gesetzlich garantiert und könnten einseitig entzogen
werden (siehe auch Lauth, 2006, S. 98).
3.2 Gilt die These von Anderson auch für mitbestimmte Unternehmen?
Ich prüfe nun anhand der vier Kriterien von Anderson, ob und inwieweit deren Ausprägungen
auch für Deutschland (und insb. für die mitbestimmten Unternehmen) die Behauptung
rechtfertigen, Unternehmen seien oder ähnelten Diktaturen.
Kriterium 1: Die Regierung ist Eigentümer sämtlicher Produktionsmittel. Auch in
Deutschland haben die Unternehmensleitungen die Verfügungsrechte über die
Produktionsmittel. Genossenschaften, in denen die Mitglieder Eigentümer sind, stellen
lediglich einen sehr kleinen Teil der Unternehmen (Statistisches Bundesamt, 2019). Und nur
1,3 Prozent der Betriebe beteiligen ihre Mitarbeiter (2,7 Prozent aller Beschäftigten) am
Kapital (Gunkelmann & Stöwhase, 2019). 9,7 Mio. Menschen in Deutschland verfügen über
Aktienbesitz. Davon sind jedoch nur 4,2 Mio. (knapp 7 Prozent der Erwachsenen) direkte
Eigentümer. Hinzu kommt rund 1 Mio. Belegschaftsaktionäre (Deutsches Aktieninstitut,
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2020, S. 7). Ein nennenswerter Einfluss über Besitzanteile an Unternehmen ist für die
Mehrheit der Bevölkerung damit in weiter Ferne.
Kriterium 2: Es gibt eine hierarchische Struktur, die von der Regierung ohne Beteiligung der
Regierten festgelegt wird. Dies gilt auch für Deutschland. Eine Beteiligung bei der Besetzung
der Unternehmensleitung findet nur in wenigen großen Unternehmen statt, und hier auch nur
sehr eingeschränkt. Bis auf die Ausnahme des Montanbereiches gibt es keine echte
paritätische Aufsichtsrats-Mitbestimmung. Die Montanmitbestimmung erfasst nur noch ca. 30
Unternehmen mit 70 Tsd. Beschäftigten. Das 1976er Mitbestimmungsgesetzt kommt für 651
Unternehmen zur Anwendung (Ehrenstein, 2020). Die Unternehmen, die unter das
Drittelbeteiligungsgesetz fallen, beschäftigen ein gutes Drittel aller Arbeitnehmer (Emons,
Steinhaus & Kraft, 2021). Dabei ist allerdings nicht nur in Betracht zu ziehen, für wie viele
Unternehmen und Beschäftigte die Gesetze gelten, sondern auch, inwieweit diese angewandt
werden. So ignoriert rund die Hälfte der Unternehmen, die eine Drittelbeteilung der
Arbeitnehmer implementiert haben müssten, die Gesetzesvorschrift schlichtweg (Sick, 2015);
immer mehr Unternehmen entziehen sich auch durch Wahl einer europäischen Rechtsform der
deutschen Mitbestimmung (Sick, 2020; zu den Zahlenangaben siehe auch die Webseiten der
Hans-Böckler-Stiftung, www.boeckler.de). Mitbestimmungsrechte über Betriebsräte gibt es in
rund 9 Prozent aller Betriebe (für insgesamt 40 Prozent aller Beschäftigten) (Ellguth &
Kohaut, 2020). Hinzu kommen noch 16 Prozent der Betriebe und 19 Prozent der
Beschäftigten mit einer anderen Art von Mitarbeitervertretung (Ellguth & Kohaut, 2019),
wobei solche Organe nicht rechtlich abgesichert sind, sie können vom Arbeitgeber einseitig
eingeführt und aufgelöst werden. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gelten nicht
für die Besetzung von Leitungsgremien und andere grundsätzliche unternehmerische
Entscheidungen. Insbesondere Fragen der Verfügung über Eigentum werden ausgeklammert,
etwa über Investitionen oder Verkäufe von Betrieben oder des gesamten Unternehmens.
Grundsätzlich muss zwar der Aufsichtsrat in solchen Fällen zustimmen, aber außer in den
rund 30 Montanunternehmen hat gesetzesbedingt die Kapitalseite immer die Mehrheit
sofern das Unternehmen überhaupt unter die Mitbestimmungsgesetze fällt. - Gemessen an
Kriterium 2, gelten für die Gesamtheit auch der deutschen Unternehmen diktatorische
Verhältnisse.
Kriterium 3: Die Regierung hat das Recht zu belohnen und zu bestrafen. Sicher gibt es in
Deutschland (die bei Kriterium 2 behandelte) institutionalisierte Mitbestimmung über
Betriebsräte und mitbestimmte Aufsichtsräte sowie durch die Gewerkschaften ausgehandelte
Tarifverträge. Unternehmensleitungen verfügen aber auch in Betrieben oder Unternehmen mit
vergleichsweise starker Mitbestimmung und Tarifvertragsbindung über Freiräume bei der
Festlegung von Gehältern und Prämiensystemen. Auch über den Zugang zu Weiterbildung
können Unternehmensleitung die Karrieremöglichkeiten und damit Einkommenschancen
gestalten (Nienhüser, 1999). Über das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann den
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Beschäftigten mehr oder weniger „gute“ Arbeit zugewiesen werden. Nicht zuletzt steht auch
die Entlassung als Machtressource zur Verfügung. Ohne Zweifel sind die Arbeitnehmer in
Deutschland mit mehr gesetzlich garantierten Rechten ausgestattet als in den USA. Sie haben
arbeitsrechtlich garantierte Möglichkeiten, sich z. B. gegen Entscheidungen von Vorgesetzten
oder auch gegen Kündigungen zur Wehr zu setzen. Aber diese Möglichkeiten sind nur
eingeschränkt gegeben; wie bereits erwähnt, werden noch 40 Prozent der Beschäftigten von
Betriebsräten vertreten und nur noch 52 Prozent sind durch einen Branchen- oder
Firmentarifvertrag geschützt (Ellguth & Kohaut, 2020). Auch die von Anderson
angesprochenen Möglichkeiten der Unternehmensleitungen, die Körperbewegungen, die
Kommunikation und die Kleidung und das Aussehen der Beschäftigten zu kontrollieren, sind
zwar in Deutschland arbeitsrechtlich beschränkt - aber wesentlich weniger beschränkt als auf
Ebene des Staates in der Beziehung zwischen Regierung und Bürgerinnen und Bürgern. So
kann ein Arbeitgeber von seinen Beschäftigten verlangen, Dienstkleidung zu tragen, z. B. von
Flug- oder Hotelpersonal (Däubler, 2015, Kapitel 12.2).
3
„Exilierung“ (Kündigung) ist in der
Regel auch bei Gegenwehr des Exilierten und des Betriebsrates durchsetzbar. Zudem kann
man den Beschäftigten die Arbeitsbedingungen so verschlechtern, dass sie selbst kündigen
oder Aufhebungsverträgen zustimmen (siehe dazu z. B. Rügemer & Wigand, 2014).
Deutliche Indizien für die Übermacht der Kapitalseite sind erstens auch die Fälle, die
beschreiben, was Arbeitnehmern passiert, wenn sie versuchen, einen Betriebsrat zu gründen
oder wie Betriebsräte in ihrer Arbeit behindert werden (Behrens & Dribbusch, 2020). Hier
bedienen sich Unternehmen einer regelrechten Armee von Rechtsanwaltskanzleien (Behrens
& Dribbusch, 2014; Rügemer & Wigand, 2014). Solche Dienste dürften sich Arbeitnehmer
kaum leisten können. Zum zweiten sehe man sich die Liste von Maßnahmen an, die in der
Diskussion um die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern (Rechtsausschuss des EU-
Parlaments, 2019, S. 104) genannt werden. Der Antrag zur Änderung der Richtlinie enthält
eine lange und m. E. erhellende Liste von Maßnahmen, die Unternehmen verboten sind zu
ergreifen. Man kann annehmen, dass diese Liste deswegen entstanden ist, weil man solche
Praktiken von Unternehmen beobachtet. Die Liste in Artikel 19 trägt die Überschrift: „Verbot
von Repressalien“. Die Maßnahmen reichen von „Suspendierung, Entlassung oder
vergleichbare Maßnahmen“ über „Gehaltsminderung, Änderung der Arbeitszeiten“ und
„Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen“ bis hin zur „Rufschädigung,
insbesondere in den sozialen Medien“ und „Erfassung des Hinweisgebers auf einer schwarzen
Liste auf Basis einer informellen oder formellen sektor- oder branchenspezifischen
Vereinbarung mit der Folge, dass der Hinweisgeber sektor- oder branchenweit keine
Beschäftigung mehr findet“ (eine solche Liste mit Repressalien findet sich auch im Ende
2020 vorgelegten Referentenentwurf zu einem Gesetz in Deutschland Bundesministerium der
3
Staaten, die Kleiderordnungen vorschreiben, sind ein Fall für Organisationen wie etwa „Human Rights
Watch“.
13
Justiz und für Verbraucherschutz, 2020). Eine derartige Verbotsliste mag nur ein schwacher
Beleg für die Existenz der genannten Sanktionen sein. Sie zeigt aber mindestens das latent
vorhandene und vermutlich auch im Bewusstsein vieler Beschäftigter präsente Drohpotenzial
von Unternehmen auf.
Kriterium 4: Die Regierung verfügt über einen Propagandaapparat, Gegenpropaganda kann
negativ sanktioniert werden. Vor allem große Unternehmen verfügen über Public-Relations-
Abteilungen, die z. B. durch Imagewerbung, Pressemitteilungen etc. mit der Öffentlichkeit
und intern über vielfältige Medien kommunizieren. Gegenpropaganda ist den „Regierten“ nur
sehr beschnkt erlaubt bzw. materiell kaum möglich. Standardwerke wie das „Handbuch der
Public Relations“ (Fröhlich, Szyszka & Bentele, 2015; PR-Journal, 2019) zeigen deutlich,
dass in erster Linie um Propaganda geht, die das Bild des Unternehmens in der Wahrnehmung
der Beschäftigten und der Öffentlichkeit beeinflussen soll. Ein Ranking der größten PR-
Agenturen in Deutschland nach ihrem Honorarumsatz im Jahr 2018 gibt einen Eindruck vom
finanziellen Volumen des Propagandaapparats: Die drei größten Agenturen erwirtschafteten
2019 zusammen Honorarumsätze in Höhe von rund 195 Mio. Euro (PR-Journal, 2019). Zieht
man weitere Statistiken heran, dann kann man grob schätzen, dass von den gesamten Kosten
für Unternehmenskommunikation im Umfang von 32 Mrd. Euro etwa zehn Prozent auf Public
Relations für Unternehmen entfallen, während klassische Werbung den größten Teil ausmacht
(FAMAB, 2017; FAMAB Research, 2016).
Anders als in den USA, in denen keine Betriebsräte existieren, haben in Deutschland
Betriebsräte - als in schwacher Weise „Regierungsbeteiligte - grundsätzlich die Möglichkeit,
Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Allerdings kann man annehmen, dass den Betriebsräten
Mittel in dem Umfang, wie dies für die Unternehmensleitungen der Fall ist, nicht zur
Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass soziale Medien nur von rund einem Viertel der
Betriebsräte genutzt werden (Carstensen, 2016). Zudem sind einer Öffentlichkeitsarbeit
Grenzen gesetzt, die letztlich durch die Interessen der Kapitalseite (nicht zuletzt unter
Berufung auf das Geschäftsgeheimnis) bestimmt werden (s.a. Demuth, 2016).
Fassen wir zusammen. Wenn wir die Kriterien von Anderson heranziehen, kommt man zu
dem Ergebnis, dass Unternehmen in Deutschland den US-Unternehmen hinsichtlich der
Merkmalsausprägungen in der Tendenz ähneln, auch wenn der Diktaturcharakter in
Deutschland längst nicht so ausgeprägt ist. Gleichwohl ist die Governance-Struktur deutscher
Unternehmen weit davon entfernt, als demokratisch bezeichnet werden zu können.
4 Theorien der Unternehmung - theoretische Begründungen für Governance-
Strukturen
Anderson (2019a) und Ferreras (2017) zufolge sehen viele Menschen diktatorische oder
zumindest autoritäre Zustände bei der Regierung von Staaten kritisch. Eine Ursache dafür,
14
dass dies bezogen auf Unternehmen nicht oder nicht im selben Maße der Fall ist und eine
öffentliche Diskussion kaum stattfindet, liegt nach Ansicht beider Wissenschaftlerinnen in
gängigen Vorstellungen darüber, wie Unternehmen regiert werden sollen. Diese
Vorstellungen würden von Unternehmenstheorien der Wirtschaftswissenschaften geprägt und
reproduziert, die letztlich eine kapitaldominierte autoritäre „Privatregierungs-Form“
nahelegten und rechtfertigten. Ich werde im Folgenden die Grundzüge gängiger volks- und
betriebswirtschaftlicher Theorien und Begründungen skizzieren. Es wird sich zeigen, dass ein
Governance-Modell propagiert oder gerechtfertigt wird, das einer Diktatur zumindest mehr
ähnelt als einer Demokratie.
4
Gleichwohl gibt es Theoriealternativen, die alternative
Unternehmensverfassungen nahelegen. Daher ist auch zu fragen auch wenn ich auf diese
Frage nur kurz eingehe -, warum sich eine bestimmte Theorievariante durchgesetzt hat und
hartnäckig hält.
Anderson (2019a) behauptet, dass die mikroökonomische Theorie der Unternehmung
Unternehmensdiktaturen rechtfertigt. Es sei vor allem die Marktgläubigkeit und die Ignoranz
der historischen Entwicklung von marktbeherrschenden Konzernen, die dieser Theorie
innewohnten und die ihr einen ideologischen Charakter gäben. Anderson diskutiert keine
Alternativen zur mikroökonomischen Theorie. Meiner Einschätzung nach gibt es weitere
Unternehmenstheorien, die nicht alle eine durch die Kapitalseite beherrschte
Unternehmensregierung nahelegen oder gar rechtfertigen.
Welche Vorstellungen über die Governance-Struktur herrschen in den
Wirtschaftswissenschaften vor, wie sind diese begründet? Es gibt sehr unterschiedliche
Vorstellungen bzw. unterschiedliche Theorien der Unternehmung. Ich ziehe zur
Unterscheidung insb. das Kriterium des wesentlichen Koordinationsmechanismus heran. Wie
werden Handlungen koordiniert? Vereinfachend kann man drei Mechanismen unterscheiden:
erstens Koordination durch Preise auf Märkten, zweitens durch Autorität und Hierarchie,
drittens durch demokratische Prozesse (Wahlen, Verhandlung)?
5
Daneben und in Verbindung
mit der Annahme über den Koordinationsmechanismus sind die Annahmen über Rationalität
wichtig. Die Annahme, dass Märkte in dem Sinne funktionieren, dass sich auf ihnen ein
Gleichgewichtszustand einstellt, beruht ganz wesentlich auf der irrealistischen Prämisse eines
allwissenden homo oeconomicus. Wenn wir dagegen von der realistischen Annahme
ausgehen, dass Menschen nicht alles wissen und zukünftige Zustände nur unter genuiner
Unsicherheit prognostizieren können, dann müssen wir zumindest mit der Möglichkeit
4
Vgl. dazu auch die Übersicht über die wichtigsten Unternehmenstheorien in der Volkswirtschaftslehre Weise et
al. (2005), ich erweitere hier die Liste der Theorien vor allem um die in der Betriebswirtschaftslehre
vorhandenen Ansätze.
5
In Anlehnung an die Arbeiten von Ouchi (1980) wäre darüber nachdenken, ob Koordination durch Normen als
eigener Mechanismus ergänzt werden muss (s. ähnlich Etzioni 1971). Auf jeden Fall wird deutlich, dass es neben
Markt und Hierarchie weitere Mechanismen gibt, die zumindest von einem Teil der Wirtschaftswissenschaften
übersehen oder für irrelevant gehalten werden.
15
rechnen, dass Märkte und die Koordination über Preise versagen und andere
Koordinationsmechanismen auch ökonomisch vorteilhaft sein könnten. In den
Wirtschaftswissenschaften ist die zuletzt genannte realtheoretische Sicht nach wie vor
deutlich weniger verbreitet (s. a. Nienhüser & Matiaske, 2021).
4.1 Theoriegruppe 1: Koordination vorrangig durch Preise, starke Rationalität
Die Theorien dieser ersten Gruppe haben zwei Annahmen gemeinsam: zum einen, dass Preise
Handlungen auf Märkten koordinieren, zum anderen die Annahme vollständiger Rationalität
der Akteure. Man mag darüber streiten, ob auf der Neoklassik basierende Theorien überhaupt
als Unternehmenstheorien zu bezeichnen sind, denn sie sagen so gut wie gar nichts über die
innere organisationale Struktur nichts über einen hierarchischen oder nicht-hierarchischen
Aufbau, nichts über eine Verfassung oder ähnliche Regelwerke. Aussagen über Hierarchie
oder ähnliche Strukturen sind theorieimmanent bedingt nicht nötig und nicht möglich; in
diesen Modellen bzw. Vorstellungen treten sich lediglich ein Arbeitsnachfrager (der
„Unternehmer“ oder „Arbeitgeber“) und ein Arbeitsanbieter („Arbeitnehmer“) gegenüber.
Wer einen Vertrag (der ebenfalls als rechtliche Institution in den meisten Modellvorstellungen
nicht vorkommt) abschließt, hat diesen so gewollt, Zwang gibt es in dieser Denkwelt nicht,
weil beide Seiten unendlich viele Alternativen haben. Beide handeln freiwillig, der stumme
Zwang der ökonomischen Verhältnisse“ (Marx, 1980, S. 765) wird ignoriert. Dass jemand
verhungern könnte (was nur für die westlichen Industrieländer ein Extremfall ist), wenn er
oder sie keine Arbeit mehr hat, spielt keine Rolle - weil jede/r sofort wieder Arbeit findet
(sofern man bereit ist, zum Marktlohn, der immer der richtige, gleichgewichtige und
wohlfahrtsoptimale ist, zu arbeiten). Hierarchie in Unternehmen ist in diesem Modell nicht
existent, weil Anweisungen, Befehle oder Kontrollen nicht erforderlich sind. Alle Akteure
werden als Gewinn- bzw. Nutzenmaximierer gedacht. Das Ziel einer Unternehmung ist:
Gewinnmaximierung. Managementprobleme gibt es nicht. Interessengegensätze sind
bedeutungslos (vgl. zu dieser Theorierekonstruktion die Ausführungen bei Weise, Brandes,
Eger & Kraft, 2005). Daher stellen sich Fragen der Demokratie überhaupt nicht, das heißt, die
Frage etwa, wer die Leitung des Unternehmens einnimmt (wer regiert) oder wie man
bestimmt, wer die Unternehmensleitung bildet. Diese Theorie, die ich hier als Basistheorie
bezeichne, wird nach meiner Einschätzung nach wie vor in vielen
wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen an vielen Universitäten gelehrt, vor allem in den
volkswirtschaftlichen Einführungsvorlesungen (vgl. dazu Peukert, 2018).
Ausgehend von dieser Basistheorie haben sich Varianten entwickelt, die zumindest die
Existenz von Unternehmen als soziale Gebilde nicht vollständig ignorieren und damit etwas
näher an (wenn auch immer noch fern) der Realität sind. In der Betriebswirtschaftslehre wäre
eine zu starke Realitätsferne der Annahmen vermutlich schwierig, da für sie konstitutiv ist,
sich mit real existierenden Unternehmen zu befassen. Hier geht man in der Regel davon aus,
16
dass zwar Preise koordinieren, aber mag Hierarchie als Koordinationsmechanismus nicht
völlig ignorieren. Die Rationalitätsannahmen lockert man ebenfalls häufig auf.
4.2 Theoriegruppe 2: Koordination durch Preise und Hierarchie, gespaltene oder schwächere
Rationalität
Die Teamtheorie
6
(vgl. z. B. Alchian & Demsetz, 1972) gehört zu denjenigen
mikroökonomischen Theorien, die die Struktur von Unternehmen zu erklären versuchen. Ihre
Vertreter stellen sich ein Unternehmen als Team vor. Menschen arbeiten auf Basis freiwilliger
Verträge zusammen, um den gemeinsamen und individuellen Gewinn zu maximieren. In
dieser Theorierichtung wird die Annahme vollständiger Rationalität gleichsam aufgespalten.
Zum einen nimmt man an, dass Menschen sich nutzen- bzw. gewinnmaximierend verhalten -
was bedeutet, dass sie über sämtliche Informationen über alle Alternativen, über alle Folgen
der Alternativenwahl etc. verfügen. Zum anderen unterstellt man aber Informationsprobleme
bezogen auf die Bewertung von Leistungen: Man nimmt an, dass sich Menschen egoistisch
verhalten, sich „drücken“ und täuschen, indem sie etwa lediglich vorgeben, eine Leistung
erbracht zu haben. Insofern gibt es einen Konflikt zwischen denen, die arbeiten und denen, die
sich drücken. (Eine Theorie, die zugleich die Annahme der vollständigen Rationalität
benötigt, um Maximierungsverhalten zu begnden, andererseits aber unvollständige
Rationalität annimmt, nämlich Informationsprobleme bezogen auf die Erbringung der
Arbeitsleistung, erscheint mir wenig überzeugend. Aber dieser Punkt soll hier nicht weiter
Gegenstand der Kritik sein.)
Ausgehend von den Informationsproblemen in Verbindung mit der Annahme, dass Menschen
„Arbeitsleid“ zu vermeiden versuchen, lässt sich begründen, warum es ein Management gibt:
Es ist im Interesse aller, dass jemand die Erbringung der Arbeitsleistung überwacht. Wie die
Überwacherinnen und Überwacher bestimmt werden, darüber ist wenig zu erfahren. Der
zentrale Koordinationsmechanismus ist auch in dieser Theoriewelt der Markt bzw. der
Preismechanismus, ergänzt allerdings durch Koordination über Hierarchie. Andere Formen
der Koordination wie in Kooperativen oder Unternehmen in Arbeiterselbstverwaltung
wirksam - werden explizit als ineffizient erklärt (Alchian & Demsetz, 1972).
Wie sieht es in der Betriebswirtschaftslehre aus? Hier gibt es ein deutlich breiteres Spektrum
an Theorien. Gleichwohl bildet die Unternehmenstheorie von Erich Gutenberg nach wie vor
eine wesentliche Grundlage für einführende Lehrbücher (Hermann, 2021; Wöhe, Döring &
Brösel, 2016). Arbeitnehmer werden in diesem Gedankengebäude allerdings - anders als noch
bei Erich Gutenberg kaum mehr als sich rational verhaltende Akteure gesehen. Die
Beschäftigten sind in erster Linie Lieferanten von Arbeitsleistung, aber nicht diejenigen, die
6
Die Theorie der Verfügungsrechte operiert mit ähnlichen Argumenten.
17
in irgendeiner Weise Einfluss auf die Ziele des Unternehmens, die Zusammensetzung der
Leitung etc. nehmen könnten oder sollten. Das Management hat die Aufgabe, die
Produktionsfaktoren gewinnmaximierend zu kombinieren. Interessengegensätze sind mit
ähnlichen Begründungen wie in der neoklassischen Theorie bedeutungslos.
In den letzten drei Jahrzehnten hat sich - nicht nur in der Volkswirtschaftslehre, sondern auch
in den Wirtschaftswissenschaften insgesamt - die Transaktionskostentheorie (vgl. z. B.
Williamson, 1981; Williamson, 1995) etabliert und die Gutenbergsche Unternehmenstheorie
in den Hintergrund gedrängt. Transaktionen sind die Grundeinheiten der Analyse der
Transaktionskostentheorie (vgl. Williamson, 1985, S. 41). Eine Transaktion meint die
Übertragung von sogenannten Verfügungsrechten an Gütern und Dienstleistungen.
Transaktionen können über Märkte oder mittels Organisationen abgewickelt werden. Die
Theorie nimmt an, dass unter bestimmten Bedingungen marktliche Koordination versagt und
Transaktionen insb. über eine hierarchische Struktur abgewickelt werden müssen. Marktliche
Koordination funktioniert dann, wenn jeder der beiden Transaktionspartnerinnen eine sehr
große Anzahl von Alternativen zur Verfügung steht. Ist diese Bedingung nicht gegeben, dann
versagt der Markt bzw. verursacht Transaktionskosten. Warum das so ist, hängt mit den
Verhaltensannahmen der Theorie zusammen: Die Transaktionskostentheorie geht von
beschränkter Rationalität aus (vgl. Williamson, 1985, Kap. 2). Hieraus ergeben sich Probleme
für die Vertragsgestaltung und -durchsetzung. Zum Beispiel kann ein Arbeitgeber nicht sicher
sein, dass „sein“ Arbeitnehmer die versprochene Arbeitsleistung erbringt, daher bedarf es
ähnlich wie in der Teamtheorie der Überwachung oder anderer Absicherungen. Zudem weiß
der Arbeitgeber nicht, welche Arbeitsleistung an welchem Ort in welchem Umfang er künftig
benötigt. Also ist es funktional, dass sich der Arbeitnehmer dem Direktionsrecht des
Arbeitgebers unterwirft, das heißt, der Arbeitsvertrag bleibt zu einem Teil unspezifiziert und
wird durch Anweisungen von Vorgesetzten ad hoc ausgefüllt. Auch die Annahme qualitäts-,
insb. qualifikationshomogener Arbeitskräfte, von der in der mikroökonomischen Basistheorie
nach wie vor ausgegangen wird, gibt man auf. Es kann z. B. die Situation auftreten, dass ein
Arbeitnehmer sich über viele Jahre an einer Maschine oder in eine Software eingearbeitet hat,
die es nur in diesem Unternehmen gibt (betriebsspezifisches Wissen). Dann liegt eben keine
Situation mit sehr vielen Alternativen mehr vor, weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer
können ohne Weiteres den Vertragspartner wechseln. Es entstehen beiden Tauschparteien
Transaktionskosten und beide dürften ein Interesse an einem langfristigen Arbeitsvertrag
haben. Das Vorliegen eines langfristigen Vertrages, in Verbindung mit dem Direktionsrecht
des Arbeitgebers, bedeutet letztlich eine Koordination über Hierarchie. Somit erklärt die
Theorie auch, unter welchen Bedingungen Unternehmen als hierarchische Gebilde entstehen
eben dann, wenn Märkte versagen, insbesondere, wenn betriebsspezifische Investitionen
getätigt werden. Warum kommt es nun nicht zur Erfindung bzw. Herausbildung anderer
institutioneller Arrangements, etwa einer demokratischen Koordination? Die Antwort: Solche
Formen können sich im Wettbewerb nicht durchsetzen.
18
So behauptet etwa Tirole (2017), dass alle Unternehmensformen (Regierungsformen), die
nicht dem Shareholder-Modell folgen, zum Scheitern verurteilt sind. Zwar konstatiert Tirole,
dass es sehr unterschiedliche Governance-Modelle gibt, die für Unternehmen in Frage kämen;
er nennt z. B. Genossenschaften, mitbestimmte Unternehmen wie etwa in Deutschland und
das Modell der Arbeiterselbstverwaltung. „We can .. imagine a multitude of organizations in
which stakeholders share power in different configurations (each with more or less voting
power on the board of directors), creating various forms of joint management” (Tirole, 2017,
S. 175). Die Vielfalt von Formen bewertet Tirole als positiv. „In reality, a healthy economy
requires a range of modes of governance, so that the structure of each business is adapted to
the challenges posed by its particular context” (S. 176). Wenn man nicht eingreife, setze sich
die beste Form durch. Das sei überraschenderweise, wie Tirole meint die von
Kapitalvertretern dominierte Form:
„The mode of organization we observe is therefore the result of competition between
different governance models (if this competition is not distorted by fiscal or
regulatory incentives favoring a particular form). So we might be surprised that
economic activity is overwhelmingly organized around firms that entrust supervising
rights to a single stakeholder the investors, to whom the management is formally
accountable. These investors are, moreover, usually external to the firm“ (Tirole,
2017, S. 176f.).
Obwohl Dysfunktionalitäten dieser Form zu beobachten seien, sei diese Form verbreitet.
Tirole fragt: „Why is business typically governed this way?“ (S. 177). Seine Antwort auf
diese Frage ist wie folgt: Unternehmen benötigen Finanzmittel und daher Investoren, die
diese Mittel bereitstellen. Investoren sind um so eher bereit, ihr Geld einem Unternehmen zur
Verfügung zu stellen, je mehr das Unternehmen von Vertretern ihrer Interessen dominiert
wird. Ein Unternehmen, das „decision-making power to the employees“ (S. 178) gibt, wäre
für Investoren nicht attraktiv, weil diese erwarteten, dass die Beschäftigten ihre Macht dazu
nutzten, sich aus dem investierten Kapital höhere Löhne zu zahlen, ihre Arbeitsleistung zu
reduzieren oder Freunde und Bekannte einzustellen. Letztlich wäre daher eine
kapitaldominierte Governance auch im Interesse der Beschäftigten, denn wenn Investoren
ausblieben, gefährde dies das Unternehmen und die Arbeitsplätze. Dem kann man
entgegenhalten, dass man Arbeitnehmer auch als Investoren sehen könnte. Sie investieren ihr
Arbeitsvermögen im Unternehmen. Und welche Folgen hätte eine kapitaldominierte Form für
die Investoren von Arbeitsvermögen? Müssten sie nicht annehmen, dass das Management und
die Kapitalseite sich opportunistisch verhalten und ihre Machtposition ausnutzen? Das
Management könnte sich in Kooperation mit den Kapitaleignern zu hohe Gehälter zahlen, es
könnten zu viele Dividenden relativ zu den Löhnen ausgeschüttet und zu wenig in die
langfristige Substanz investiert werden. All dies ginge zu Lasten der Beschäftigten, sie
würden in solche Unternehmen weniger investieren, letztlich wäre damit das gesamte
Unternehmen gefährdet. Wenn also die Kapitalgeber ihre Einkommensquelle nicht gefährden
wollen, dann wäre es doch in ihrem Interesse, dass eine arbeitnehmerdominierte
19
Governancestruktur vorherrscht. Wenn man diese Überlegungen nicht für völlig absurd hält,
dann müsste man zu folgendem Ergebnis kommen: Es bedarf einer pluralistischen, die
Interessen beider Investorengruppen gleichgewichtig berücksichtigende
Unternehmensverfassung. Durch die Verfassung müsste ein Machtgleichgewicht geschaffen
werden, das auch negatives opportunistisches Verhalten in Grenzen hält. Tiroles Behauptung,
die kapitalinvestorendominierte Governanceform sei eben effizient, weil vom Markt so
selektiert und gut für alle, erscheint mir aus folgendem Grund wenig überzeugend: Als
Selektionskriterium ist sicher nicht nur Effizienz wirksam, sondern auch die Machtstruktur
der Gesellschaft. Tirole erwähnt selbst, dass Eingriffe in den Markt zu anderen Ergebnissen
führen könnten, und Eingriffe müssen m.E. auch nicht per se als negativ bewertet werden.
Dass kapitaldominierte Unternehmen effizienter sind, weil der Markt immer die effizienteste
Lösung übriglässt (was sich daran zeige, dass diese Unternehmensform am häufigsten
vorzufinden ist), wird z. B. von Marglin (1974) bezweifelt. Er argumentiert, dass
Unternehmen mit ihrer hierarchischen Struktur nicht nur allgemein der Koordination von
Handlungen dienen. Kapitalisten wählen nicht die Unternehmensorganisation, die am
effizientesten ist, sondern diejenige Form, die zum einen funktional für die Erzeugung von
Mehrwert ist, zum anderen aber ebenso für die Aneignung des Mehrwerts und die
Sicherstellung der Herrschaftsform. Salopp formuliert: Die Größe des produzierten Kuchens
ist wichtig, aber entscheidend ist, wie groß das Stück für den Kapitalisten ist. - Ob
Unternehmen demokratisch ausgestaltet werden könnten und sollten, ist allerdings kaum
Gegenstand der marxistischen Theorie. Auch wenn die betriebliche Ebene in dieser Theorie
nicht unwichtig ist (in der Labour Process Theory stehen die Unsicherheit des
Arbeitsvertrages und der Betrieb sogar im Zentrum; vgl. etwa Thompson & Newsome, 2004),
setzt diese Theorierichtung vorrangig auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene an. Aus dieser
Perspektive geht es um Beteiligung an Entscheidungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene,
um umfassende Wirtschaftsdemokratie in Form einer Staatsregierung der arbeitenden Klasse
und weniger um Entscheidungen im Betrieb (Unternehmensdemokratie).
Alles in allem scheint eine hierarchische, autoritäre Struktur in den
Wirtschaftswissenschaften, aber auch in der öffentlichen Diskussion immer noch als „taken
for granted“, als selbstverständlich angenommen und als positiv bewertet zu werden.
4.3 Theoriegruppe 3: Koordination durch Preise, Hierarchie und ggf. Kooperation (über
Wahlen etc.), schwächere Rationalität
Bei Anderson findet man keinen Hinweis auf Alternativen zu mikroökonomischen
Unternehmenstheorien. Dabei sind Theorien, die man unter die Kategorie Behavioral Theory
of the Firm (Cyert & March, 1963; March & Simon, 1958) fassen kann bzw.
Weiterentwicklungen dieser Theorieschule ausdrücklich als Kritik an mikroökonomischen
Annahmen und als realtheoretische, alternative Erklärungskonzepte entwickelt worden.
20
Massiv kritisiert wird von dieser Theorieschule vor allem das Konzept der starken
Rationalität. Wenn man dieses Konzept durch eine realistische Vorstellung menschlichen
Verhaltens aufgibt, dann folgt daraus unter anderem, dass andere Koordinationsinstrumente
als nur Preise und Märkte zweckmäßig sein können, neben Hierarchie (Autorität)
insbesondere demokratische Prozesse und Verhandlungen. Bereits 1962 hat March mit
seinem Aufsatz “The Business Firm as a Political Coalition” (March, 1962) deutlich gemacht,
dass er Unternehmen als Konfliktsysteme ansieht, in denen sehr unterschiedliche Interessen
bei Machtungleichheit der Akteure verhandelt werden. Ähnlich argumentiert Herbert Simon
(1962) in einem Beitrag, in dem er die Ressourcenallokation als wesentlichen
Entscheidungsgegenstand in Organisationen in den Vordergrund rückt. Simon nennt die
Mechanismen, die bei solchen Entscheidungen wirksam sind und weist darauf hin, dass in
Organisationen auch darüber entschieden werden müsse, welchen Mechanismus man zur
Anwendung bringen möchte. Zudem kritisiert er, dass die Ökonomik lediglich einen von
mehreren Mechanismen betrachtet und damit eine Verengung der Sichtweise vornimmt:
“As a general rule, economics and administration have limited their investigations to
particular, and distinct, classes of mechanisms and processes for resource allocation.
Economics discovered the institution of the market, the price mechanism as a
market-regulating process, and marginal analysis as a means of calculation.
Administration discovered the institution of the formal organization, the mechanisms
of authority and interpersonal influence to secure co-ordination, and planning as a
means of decision making. The business firm became the boundary - I am tempted to
say, the no man's land-between economics and administration. In our society - and
perhaps even more generally in Western society of the last century
market mechanisms have been largely responsible for allocating resources among
firms and among sectors of the economy, while authority and influence mechanisms
have been largely responsible for allocating resources within firms. To these two
classes of allocative mechanisms we can add two more: democratic political
processes and bargaining, which have received some attention in both economics
and administration. Viewing these four mechanisms as functional equivalents, all
concerned with resource allocation, raises all sorts of possibilities for investigation,
and suggests numerous hypotheses, both normative and descriptive, about allocation.
It also suggests a possible framework for classifying and interpreting the
developments that have been taking place in the theory of the firm” (Simon, 1962,
1f.; Hervorhebungen W.N.).
Mit dem Zitat dürfte auch deutlich werden, dass es innerhalb der Gruppe der
Unternehmenstheorien schon seit vielen Jahrzehnten Ansätze gibt, die ausdrücklich politische
Prozesse und auch Demokratie als Koordinationsmechanismus und entsprechende Strukturen
hervorheben (vgl. dazu auch die Kritik von Ortmann, 1976 an der
verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie). Innerhalb der Managementforschung
und auch in der Betriebswirtschaftslehre in Deutschland sind solche Ansätze durchaus
verbreitet. Ich will hier nur wenige Beispiele nennen (vgl. zu weiteren politischen Ansätzen
auch Nienhüser, 2004). So ist die innerhalb der Organisationstheorie zu verortende und auch
als Unternehmenstheorie zu verstehende Resource-Dependence-Perspektive ausdrücklich
21
politisch angelegt; der Machtmechanismus steht im Vordergrund (Pfeffer & Salancik, 1978).
Die Arbeiten von Kirsch und Scholl (1977; 1983), Dorow (1982), Sandner (1989), in den
letzten Jahren z. B. das Lehrbuch zur Unternehmensführung von Ungericht (2012) oder die
Arbeiten von Scherer et al. (Scherer, Palazzo & Matten, 2014) sind nur einige Beispiele dafür,
dass die Perspektive „Unternehmen sind politische Systemedurchaus verbreitet ist. Die
Demokratie- und Governance-Frage ist von der Forschungsgruppe um Werner Kirsch schon
vor rund 40 Jahren gestellt worden (Kirsch & Scholl, 1977; Kirsch & Scholl, 1983; Kirsch,
Scholl & Paul, 1984). Allerdings gab es auch von diesen Autoren nur wenige Vorschläge zur
Demokratisierung von Unternehmen.
7
Aber auch im organisationstheoretischen Feld
außerhalb der (betriebswirtschaftlich ausgerichteten) Managementforschung sind Vorschläge
zur Demokratisierung von Unternehmen zwar vorhanden, aber nicht sehr zahlreich. Viele der
Texte befassen sich zudem weniger mit Profit-Organisationen als vielmehr mit kleinen
Kooperativen oder NGOs (vgl. z. B. die Texte in Atzeni, 2012; Parker, Cheney, Fournier &
Land, 2014). Ausdrücklich auf eine Reform von Profitunternehmen vom Typ „Corporation
Ltd“ angelegt ist die Publikation des Corporate Reform Collective (2014). Ein Kapitel des
Buches trägt den Titel „Towards New Corporate Forms“, diskutiert und propagiert werden
hier alternative Governance-Formen, insb. Genossenschaften, Unternehmen in Arbeitnehmer-
Besitz oder Selbstverwaltung, aber auch Unternehmen in staatlichem Besitz.
4.4 Zwischenfazit
Halten wir soweit fest: Viele Theorien (bzw. ihre Vertreter) verteidigen die kapitaldominierte
Form der Unternehmensregierung. Zugleich gibt es in den Wirtschaftswissenschaften (und in
den anderen Sozialwissenschaften) durchaus Theorien, die Unternehmen als politische
Systeme sehen und die zum Teil auch eine Demokratisierung von Unternehmen als
Möglichkeit diskutieren. Warum das Konzept einer kapitaldominierten
Unternehmensregierung nach wie vor dominiert, kann hier nicht im Detail analysiert werden.
Ein Grund könnte darin bestehen, dass die Proponenten der kapitaldominierten Form eine
hohe Reputation genießen, zum Teil Wirtschaftsnobelpreisträger sind (wie von den hier
genannten Autoren Williamson und Tirole).
5 Reformansätze
Ich werde in diesem Abschnitt drei große Gruppen von Reformansätzen behandeln. Dies sind
erstens Vorschläge aus der betriebswirtschaftlichen Managementlehre. Sie haben gemeinsam,
7
Nicht vergessen darf man die Arbeiten der „Arbeitsorientierten Einzelwirtschaftslehre (AOEWL)“
Projektgruppe im WSI (1974), in denen eine andere, arbeitnehmerorientierte Betriebswirtschaftslehre sowie eine
Demokratisierung der Unternehmen und eine überbetriebliche Wirtschaftsdemokratie gefordert wurde. Heute
spielt diese Perspektive aus meiner Sicht: bedauerlicherweise in der Betriebswirtschaftslehre kaum mehr eine
Rolle Hartz (2015). Bei einer weitergehenden Diskussion über die Demokratisierung von Unternehmen kann
man sie aber nicht ignorieren.
22
dass sie tendenziell auf der Ebene der individuellen Arbeitsplätze ansetzen und eher wenig in
die vorhandene kapitaldominierte Unternehmenserfassung eingreifen wollen. Zweitens stelle
ich Forderungen zur Ausweitung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer vor. Diese
setzen an den vorhandenen Mitbestimmungsgesetzen an und gehen überwiegend von der
gegebenen Grundstruktur aus, das heißt, auf der Ebene von Betrieben von einem Betriebsrat
und auf Unternehmensebene von einer Organstruktur, wie sie insbesondere in den großen
Kapitalgesellschaften mit Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand vorgeschrieben ist.
Die dritte Gruppe von Ansätzen beinhaltet die Forderung nach einer anderen Organstruktur
von Unternehmen, die die vorhandene Organe (Hauptversammlung, Aufsichtsrat, Vorstand)
ablösen will und auf eine echte Demokratisierung zielt und nicht nur auf die Erweiterung der
vorhandenen (als unterparitätisch eingeschätzten) Mitbestimmung.
5.1 „Das demokratische Unternehmen“ – Beiträge aus der Managementlehre
In der Managementlehre gibt es mittlerweile Ansätze, die explizit organisationale Demokratie
fordern und Hierarchie als Koordinationsmechanismus in Frage stellen. Bereits 2003 ist das
Buch von Gratton (2003) mit dem Titel „The democratic enterprise. Liberating your business
with individual freedom and shared purpose“ erschienen. In jüngster Zeit hat u.a. der von
Sattelberger, Welpe und Boes (2015) herausgegebene Band Das demokratische
Unternehmen. Neue Arbeits- und Führungskulturen im Zeitalter digitaler Wirtschaft
Aufmerksamkeit erfahren. Auch die Studie von Zeuch (2015) über die Praxis demokratischer
(oder weniger undemokratischer) Unternehmen kann man zu den Arbeiten der
Managementlehre zählen. Während das Buch von Zeuch fallstudienempirisch angelegt ist,
sind die Werke von Gratton (2003) und Sattelberger et al. (2015) stärker konzeptionell
ausgerichtet, wenngleich auch sie Fallstudien und empirische Beispiele zur Illustration
heranziehen. Sehen wir uns diese Ansätze als stellvertretend für die Managementlehre an,
rekonstruieren ihr Bild von Unternehmen und bewerten wir sie vor dem Hintergrund der oben
genannten Demokratiekriterien.
Gratton nennt sechs Grundsätze eines demokratischen Unternehmens:
1. The relationship between the organization and the individual is adult-to-adult.
2. Individuals are seen primarily as investors actively building and deploying their
human capital.
3. Individuals are able to develop their natures and express their diverse qualities.
4. Individuals are able to participate in determining the conditions of their
association.
5. The liberty of some individuals is not at the expense of others.
6. Individuals have accountabilities and obligations both to themselves and the
organization” (Gratton, 2003, S. 35).
Gratton untersucht sieben Unternehmen darauf hin, inwieweit diese gemessen an den sechs
Kriterien demokratisch sind. Die Grundlage ihrer Diagnose bilden jeweils Befragungen von
Beschäftigten und Führungskräften. Sehen wir uns die Fragen näher an. Was ist z. B. mit
23
einer „adult-to-adult“-Beziehung gemeint? Den Befragten wird folgendes Statement zur
Zustimmung oder Ablehnung vorgelegt: „I get a great deal/quite a lot of informal feedback
from my boss“. Der Anteil an Zustimmung durch die Befragten variiert bei den sieben
Unternehmen zwischen 30 und 60 Prozent der Befragten (Gratton, 2003, 46, Figure 3.1.). Ein
weiteres Beispiel aus der Befragung: Beim fünften Grundsatz geht es um Fairness. Gefragt
wird z. B.: „My pay is fair compared with others doing a similar job in my organization“
(S. 55, Figure 3.5.). Hier stimmen bei den sieben Unternehmen zwischen 30 und 50 Prozent
(S. 55, Figure 3.5) zu. Je höher der Prozentanteil an Zustimmungen bei solchen Fragen ist,
desto höher ist der Demokratisierungsgrad.
Die Fragen erfassen dabei im Wesentlichen die wahrgenommene Beziehung zwischen den
Beschäftigten und dem Arbeitgeber. Auf die strukturelle Seite von Demokratie, d. h., auf die
Verankerung von gesetzlich vorgeschriebenen oder vertraglich vereinbarten
Mitarbeitervertretungen etwa oder auf Wahlen der „Regierung“, geht Gratton nur sehr kurz
ein. Sie erwähnt Betriebsräte als Institutionen, die in europäischen Ländern üblich seien.
Allerdings wolle sie dieses Thema in ihrem Buch nicht behandeln: „While a structural form of
democracy is a legitimate form of democracy in organizations, it is not the form to which this
book is addressed, as it fails to meet the third condition of selection: that is it can be made
practical within a relatively short period of time” (Gratton, 2003, S. 34). Sehr überzeugend ist
dieses Ausschlussargument meiner Auffassung nach nicht, wenn man das Ziel hat, den
Demokratiegrad von Unternehmen zu erfassen und zu erhöhen. Hinzu kommt zum einen, dass
eine adult-to-adult-Beziehung oder Bedingungen, die den Beschäftigten erlauben, ihre Natur
zu verwirklichen („to develop their natures“), nicht so ohne weiteres und nicht in kurzer Zeit
realisierbar sein drüften. Zum anderen könnte man Betriebsräte und andere strukturelle
Veränderungen in der Unternehmensverfassung über gesetzliche Maßnahmen - Mehrheiten
vorausgesetzt - sehr rasch implementieren. Es geht Gratton meiner Meinung nach nicht um
die Länge der Zeit für eine Implementierung, sondern um die Frage, ob die Machtverhältnisse
es erlauben, Änderungen durchzusetzen. Machtfragen und grundsätzliche Änderungen der
Governance-Form will Gratton vermutlich nicht diskutieren, weil sie kaum in den Diskurs der
Mainstream-Managementlehre passen.
Gratton nennt in weiteren Kapiteln ihres Buches die Mittel, mit denen man die sechs
Grundsätze eines demokratischen Unternehmens realisieren kann bzw. soll. Dies sind die
Mittelkomplexe „individual autonomy“, „organizational variety“ und „shared purpose“.
Individuelle Autonomie bezieht sich auf die Individuen, die darüber entscheiden, in ihr
Humankapital zu investieren. Sie sollen sich als Investoren sehen (Gratton, 2003, S. 82ff.).
Die Unternehmen sollen ein entsprechendes Denken und Handeln z. B. mit einem „360°
feedback“-Verfahren unterstützen, auch durch Hinweise auf erfolgreiche Mitarbeitende als
„role models“ und mit flexiblen Arbeitszeitmodellen. Organizational variety bezieht sich auf
Maßnahmen wie Projektarbeit, interne Jobbörsen, personalisierte Sozialleistungen,
24
Weiterbildung und ähnliche Praktiken, wie man sie üblicherweise in neueren
personalwirtschaftlichen Lehrbüchern findet. Shared purpose ist zu verstehen als die
Schaffung einer Kultur, in der man einander vertraut und gemeinsame Ziele verfolgt. An einer
Stelle des Buches heißt es: „One of the guiding principles of democracy in these pioneering
companies is that individual autonomy is the realization of equality in influencing the
outcomes of decision making. … Forging variety and autonomy subtly shifts the locus of
power within the organization (Gratton, 2003, S. 191) Als Beispiel führt Gratton an, dass
Mitarbeiter auch dann das Team wechseln können, wenn die Teamleiterin sich dagegen
aussprechen sollte. Erwachsene (adult) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten solche
Entscheidungen selbst treffen. Alles in allem empfiehlt Gratton Maßnahmen, die man als
Empowerment bezeichnen könnte. Strukturell soll nichts geändert werden.
Nun mag man einwenden, dass das Buch von (2003) schon recht alt ist und neuere Konzepte
weiter gehen. Sehen wir uns das Buch Das demokratische Unternehmen“ (Sattelberger et al.,
2015) näher an. Die Autorinnen und Autoren der einzelnen Beiträge vertreten sehr
unterschiedliche Positionen. Ich konzentriere mich hier auf die Beiträge der
Managementlehre, insb. auf die der Herausgebenden des Bandes. Für Sattelberger zeichnen
sich demokratische Unternehmen erstens durch Experimente mit Führung aus, etwa Führung
auf Zeit, Wahl von Vorgesetzten etc. Demokratie bedeute zweitens Souveränität“, das heißt,
Mitbestimmung am Arbeitsplatz, etwa über die eigenen Arbeitszeiten. Drittens seien
Vielfalt und Chancenfairness“, Nicht-Diskriminierung, eine divers zusammengesetzte
Belegschaft etc. wichtig. Viertens schließlich geht es Sattelberger zufolge um ein „gesundes
Unternehmen“, „z. B. um das Ausbalancieren von Belastungen bei der Arbeit, die Verteilung
des Erwirtschafteten auf die Stakeholder und das organische Zusammenwirken von
Wirtschaft und Gesellschaft“ (Sattelberger, 2015, 11f.). Sattelberger bemüht Begriffe wie den
des „Unternehmensbürgers“ (er verweist hier auf die Arbeiten von Fritz Vilmar und
Thorsrud/Emery). Betriebsräte und Gewerkschaften verlören an Macht, Arbeitgeber und
Gewerkschaften würden „immer nervöser“ und führten „klassische Duopol-Diskussionen und
verteidigen ihre Pfründe“ (Sattelberger, 2015, 17 und 18). Den Leserinnen und Lesern wird
der Gedanke nahegelegt, dass diese Verhältnisse ihre rechtlichen Ketten sprengen (müssen)
und so heißt es auch im Text von Sattelberger: Das Ich betritt wieder den Platz.
Unternehmen und Gewerkschaften verlieren an Macht, der Co-Unternehmer gewinnt neue
Freiheiten. Dafür braucht man Anpassungen in der Gesetzgebung: im
Sozialversicherungsrecht, im Arbeitsrecht, im Arbeitsschutz und im
Betriebsverfassungsrecht“ (Sattelberger, 2015, S. 17; Hervorhebungen habe ich weggelassen,
W.N.) In Sattelbergers Ausführungen vermischen sich beschreibende und normative
Aussagen (Das Ich betritt .. den Platz ist das so, soll das so sein, wird das so kommen, ist
das gut?). Auf empirische Belege verzichtet der Autor nahezu vollständig. Etliche Aussagen
stehen unvermittelt, wenn nicht sich widersprechend, nebeneinander. So wertet Sattelberger
einerseits die institutionalisierte Mitbestimmung als einengend: „Meine Vision ist, dass die
25
Welt der Arbeit um einen zukunftsfähigen Akteur reicher wird. Dieser Akteur ist das
Individuum. Bisher gab es nur die Unternehmer oder das Management mit Kontrollrechten
und die Gewerkschaften oder Betriebsräte mit Schutzrechten. Das Individuum als Subjekt
spielt in der Arbeitswelt noch kaum eine Rolle. Der einzelne Mitarbeiter wird entweder
geschützt oder kontrolliert als Objekt. Das ist Entmündigung. Gleichzeitig gibt es neue
Impulse für die Mitbestimmung des Individuums. Die ersten Wissenschaftler diskutieren die
Verankerung von individuellen Freiheitsrechten des Arbeitnehmers im Grundgesetz, zum
Beispiel die Meinungsfreiheit im Unternehmen“ (Sattelberger, 2015, S. 17). Andererseits lobt
er die „Diskussion, wie sich die Genossenschaftsbewegung revitalisieren lässt“, auch
Stiftungsmodellen schreibt er ein demokratisches Potenzial zu (Sattelberger, 2015, S. 16).
Beide Formen setzen jedoch auf der Strukturebene an und stellen keineswegs die von
Sattelberger durchaus zu Recht geforderte „Mitbestimmung in der ersten Person“ (Müller-
Jentsch, 2008, S. 198) sicher. Sattelberger sieht offenbar auch nicht, dass die Gewerkschaften
und die Genossenschaftsbewegung eng verbunden sind (Kerber-Clasen, 2012; Walk, 2019),
siehe auch (Hartz, Hühn, Rybnikova & Tümpel, 2019).
Ziehen wir als letztes Beispiel aus demselben Herausgeberinnen-Band (Sattelberger et al.,
2015) den Beitrag von Welpe und Theurer heran (2015, S. 79f.). In dem Aufsatz heißt es:
„Mit organisationaler Demokratie in Unternehmen sind Strukturen gemeint, die allen
Mitgliedern einer Organisation Einfluss auf das Unternehmen, die Arbeit im Unternehmen
und die Formen der Zusammenarbeit gewähren.“ Dabei gehe es um drei Formen: Beteiligung
von Mitarbeitern an (Management-)Entscheidungen, um die finanzielle Beteiligung der
Mitarbeiter und um eine „soziale und psychologische Beteiligung“ (S. 80). In einem
Diagramm spannen die Autorin und der Autor zwei Dimensionen auf: den Grad der
Einflussnahme (auf der Koordinate) und die Frequenz der Ausübung der Einflussnahme (auf
der Abszisse). In diesem zweidimensionalen Raum verorten sie Maßnahmen oder Instrumente
wie etwa den „Rat der Weisen“, die Soziokratie“, das „World-Cafe“ und
„Urlaubsautonomie“ (S. 81). Mitbestimmung im Aufsichtsrat und über den Betriebsrat kommt
hier bemerkenswerterweise nicht vor. Eine Begründung dafür findet sich nicht; man kann nur
vermuten, dass die Autorin und der Autor solche Institutionen gedanklich nicht in Verbindung
mit Demokratie bringen.
Sehen wir uns ein drittes Beispiel für eine Publikation an, in der eine Demokratisierung von
Unternehmen gefordert wird. Der Autor Andreas Zeuch ist Unternehmensberater. Er gibt
seinem Buch den aufmerksamkeitsheischenden Titel Alle Macht für Niemand
8
und
beschreibt in acht Fallstudien bereits praktizierte Ansätze einer Demokratisierung von
8
Der Titel erinnert an das Stück der Polit-Rock-Gruppe „Ton Steine Scherben“ mit dem Titel „Keine Macht für
Niemand“. Ein kleiner textlicher Appetithappen aus dem von Rio Reiser und R.P.S. Lanrue geschriebenen Song:
Reißen wir die Mauern ein, die uns trennen. / Kommt zusammen, Leute. Lernt euch kennen. / Du bist nicht
besser als der neben dir. / Keiner hat das Recht, Menschen zu regier'n(Ton Steine Scherben 1972). - Einer
repräsentativen Demokratie wird hier nicht das Wort gesungen.
26
Unternehmen (Zeuch, 2015). Zeuch sieht Unternehmen und ihre Verfassung in Analogie zu
Staaten. Unternehmensdemokratie beziehe sich auf die „demokratische Verfassung innerhalb
von Unternehmen“ (Zeuch, 2015, S. 57). Die dargestellten Fälle realisieren allerdings
Unternehmensdemokratie nicht in vollem Maße, das heißt in dem Sinne, dass wir eine echte
Regierungsbeteiligung, Wahlen mit gleichem Stimmrecht und Beteiligung an allen
Entscheidungen finden. Zum großen Teilen behandeln die Fälle Mitbestimmung am
Arbeitsplatz, nur zum Teil geht es um repräsentative Demokratie (über Betriebs- und
Aufsichtsrat), allerdings verfügen nur zwei der acht untersuchten Unternehmen über einen
Betriebsrat. Fragen der Verfügung über das Kapital, etwa bei Investitionsentscheidungen,
Gewinnverwendung oder die Übertragung des Firmenvermögens in eine Stiftung werden
wenig systematisch behandelt. Das Buch und die dargestellten Fälle sollen eher positive
Beispiele zeigen und die betriebliche Praxis zu Experimenten mit demokratischen Formen
ermutigen. Sie dienten der „Inspiration“; mit diesem Begriff überschreibt der Autor das
gesamte Kapitel der Falldarstellungen (Zeuch, 2015). Die Vorschläge, die Zeuch für die
Realisierung von Demokratie macht, sind gemessen daran, dass es um weitreichende und
strukturell verankerte Demokratie geht, eher bescheiden und umfassen vieles aus der
bekannten Palette der Organisationsentwicklung. Genannt werden der „Dialog“ (die
„Teilnehmer sitzen im Stuhlkreis“, Zeuch, 2015, S. 220), „Open Space“ „Systemisches
Konsensieren“ und „Unternehmenstheater“ (Zeuch, 2015, S. 220230). Auch das
Soziokratie-Konzept führt Zeuch an, das zumindest offen ist für strukturelle Änderungen
der Unternehmensverfassung. So könnten Funktionsträger öffentlich und im „Konsent“
gewählt werden. Dies kann man eng definieren und praktizieren, indem Teamleitende von den
Team-Mitgliedern gewählt werden. Man könnte das Prinzip aber auch weiter in dem Sinne
verstehen, dass alle zentralen Entscheidungs-, Aufsichts- und Exekutivgremien über
demokratische Wahlen besetzt werden. Diskutiert werden diese Möglichkeiten bei Zeuch
allerdings nicht.
Halten wir soweit fest: Bei den genannten Vorschlägen zur „Demokratischen Organisation“
aus der Managementlehre sind die zentralen wirtschaftlichen Entscheidungen nach wie vor
einer Arbeitnehmer-Mitbestimmung weitgehend entzogen Die Verhältnisse für die Mitglieder
von Unternehmen bzw. die Beschäftigten mögen verbessert werden, wenn man die
Maßnahmen realisiert, die unter dem Etikett „Demokratie“ genannt werden. Systematische
Vorschläge für eine wirkliche Regierungsbeteiligung und eine entsprechende Verfassung sind
nicht zu erkennen.
27
5.2 Ausweitung der Arbeitnehmer-Mitbestimmung
Die folgende Übersicht zeigt die bestehenden Mitbestimmungsrechte sowie einige
Ansatzpunkte zu ihrer Sicherung und Ausweitung.
9
Ebene der
Mitbestim-
mung (MB)
Stärke und Art der Mitbestimmungsrechte
Arbeitsplatz
Eher geringe Rechte, insb. in Form von
Informations- und Anhörungsrechten, aber
z. B. kein individuelles Streikrecht
Betrieb
Starke Rechte, insb. im Bereich „sozialer
Angelegenheiten“; kaum MB in
wirtschaftlichen Angelegenheiten; wenig
Einfluss bei strategischen Entscheidungen
Unternehmen
Beschränkung der MB auf Bestellung des
Vorstandes und zustimmungspflichtige
Geschäfte, in der Regel hat die
Kapitalseite die Mehrheit in den Organen
Gesamt-
wirtschaft
Mitbestimmung (Wirtschaftsdemokratie)
Abb. 1: Ansatzpunkte zur Ausweitung der gegenwärtigen Arbeitnehmer-Mitbestimmung
Ich konzentriere mich im Folgenden auf solche Vorschläge, die auf der Unternehmensebene
(die Unternehmens“regierung“) ansetzen, das heißt bei der derzeitigen Struktur auf der Ebene
der Leitungsorgane wie Aufsichtsrat und Vorstand. Demokratisierung darf die anderen
Ebenen vom Arbeitsplatz bis zur Betriebsebene (Mitbestimmung über den Betriebsrat) damit
nicht ausklammern; aus Platzgründen gehe ich hierauf nur kurz ein.
Auf der Ebene des individuellen Arbeitsplatzes bestehen eher schwache Rechte. Die
vorhandenen Rechte, insb. Informations- und Anhörungsrechte, gelten für alle Beschäftigten.
Auf der Ebene der Betriebe haben wir relativ starke Mitbestimmungsrechte bei den sog.
„sozialen Angelegenheiten“ (insb. geregelt in §78 BetrVG), aber wenig Rechte bei
wirtschaftlichen Entscheidungen. Letztlich beschränkt sich die Mitbestimmung des
Betriebsrates auf den Umgang mit den Folgen unternehmerischer Entscheidungen. Zudem
verfügt nur weniger als ein Zehntel aller betriebsratsfähigen Betriebe über einen Betriebsrat
(siehe zu diesem Punkt weiter oben). Die geltenden Gesetze über die Mitbestimmung im
Aufsichtsrat auf Unternehmensebene werden in der gegenwärtigen Diskussion vor allem
wegen der folgenden vier Problembereiche kritisiert: (i) Nur große Kapitalgesellschaften
unterliegen der Unternehmensmitbestimmung. Echte Parität im Aufsichtsrat gilt nur für die
Unternehmen des Montanbereichs (Kohle- und Stahlunternehmen). Nach dem
Mitbestimmungsgesetz von 1976 hat der von der Anteilseignerseite gestellte
Aufsichtsratsvorsitzende bei Stimmengleichheit ein Doppelstimmrecht, und nach dem
9
Bei der folgenden Darstellung orientiere ich mich zum Teil an der Publikation von Nienhüser (2015).
28
Drittelbeteiligungsgesetz ist die Arbeitnehmerseite mit einem Drittel der Sitze immer in der
Minderheit. (ii) Bei allen drei Gesetzen liegen die Beschäftigungs-Schwellenwerte so hoch,
dass die Mehrheit der Unternehmen und Beschäftigten von den Mitbestimmungsgesetzen
nicht erfasst wird. (iii) Der Aufsichtsrat muss nur bei relativ wenigen wichtigen
Unternehmensentscheidungen zustimmen; der Vorstand entscheidet überwiegend allein über
die Geschäfte. (iv) Personengesellschaften und deutsche Unternehmen mit ausländischen
Rechtsformen unterliegen nicht der Mitbestimmung. Eine gesamtwirtschaftliche
Mitbestimmung, etwa in Form von überbetrieblichen Wirtschafts- und Sozialräten (vgl. dazu
auch Demirović, 2008), die Einfluss nehmen könnten auf die Entscheidungen der
Unternehmen, ist derzeit in der Bundesrepublik nicht gegeben.
Mitbestimmungsrechte bestehen also derzeit vor allem auf der betrieblichen Ebene, sofern ein
Betriebsrat vorhanden ist, und auf der Unternehmensebene, sofern es sich bei dem
Unternehmen um eine größere Kapitalgesellschaft handelt. Bei wirtschaftlichen Sachverhalten
bzw. bei zentralen unternehmerischen Entscheidungen sind die Rechte relativ schwach. Auch
auf der individuellen Ebene gibt es eher schwache Rechte. Auf der gesellschaftlichen Ebene
finden wir keine Arbeitnehmermitbestimmung.
Im Folgenden betrachte ich diejenigen Vorschläge näher, die sich auf die
Unternehmensregierung, auf die Leitungsorgane, beziehen. Grundsätzlich kann man die
Vorschläge zur Reform der Unternehmensmitbestimmung in strukturkonservative und
strukturreformierende Ansätze unterscheiden. Strukturkonservative Vorschläge setzen bei der
gegenwärtigen Struktur an, wie sie bei Kapitalgesellschaften mit Hauptversammlung,
Aufsichtsrat und Vorstand gegeben ist, und sehen keine grundsätzlichen Veränderungen
dieser Struktur vor. Strukturreformierende Vorschläge zielen dagegen auf eine grundsätzliche
Veränderung des Institutionengefüges; zum Teil greifen sie auch das Problem auf, dass nicht
nur Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Kapitaleigner bzw. -geber Stakeholder eines
Unternehmens sind, sondern auch andere Anspruchsgruppen, etwa Konsumentinnen und
Konsumenten, in die Unternehmensregierung einbezogen werden sollten.
5.2.1 Strukturkonservative Ansatzpunkte zur Ausweitung der Mitbestimmung (auf
Unternehmensebene)
Ein immer wieder geäußerter Vorschlag besteht darin, den Geltungsbereich des Montan-
Mitbestimmungsgesetzes von 1951 über den derzeitigen Bereich hinaus auf all diejenigen
Unternehmen zu erweitern, die mindestens die Voraussetzungen des
Drittelbeteiligungsgesetzes erfüllen. Ein weiterer Ansatzpunkt besteht darin, die
Unternehmensmitbestimmung auch auf Personengesellschaften anzuwenden (Bontrup, 2011).
Häufig findet man Forderungen, die derzeitigen Schwellenwerte abzusenken, etwa von 500
auf 250 Beschäftigte für das Drittelbeteiligungsgesetz (vgl. Gewerkschaftsbund, 2014); im
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (2021) wird für das Mitbestimmungsgesetz 1976
29
eine Absenkung von derzeit 2000 Beschäftigten auf 1000 gefordert. Andere
Reformvorschläge zielen darauf ab, die Möglichkeiten zur Umgehung der
Mitbestimmungsregelungen einzuschränken (Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen,
2021). Derzeit können Unternehmen der deutschen Mitbestimmung entgehen, indem sie ein
Unternehmen mit ausländischer Rechtsform mit Verwaltungssitz bzw. unselbständiger
Niederlassung in Deutschland oder eine deutsche Personengesellschaft, deren persönlich
haftender Gesellschafter eine ausländische Kapitalgesellschaft ist, gründen (Sick & Pütz,
2011). Eine weitere Forderung besteht in einem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestkatalog
zustimmungspflichtiger Geschäfte. Der Aufsichtsrat kann festlegen, dass insb. diejenigen
Geschäfte, die von besonderer Bedeutung für das Unternehmen sind, seiner Zustimmung
bedürfen. Derzeit besteht keine gesetzliche Verpflichtung, einen Katalog
zustimmungspflichtiger Geschäfte festzuschreiben. Zustimmungspflichtig könnten Geschäfte
dann sein, wenn sie einen festzulegenden finanziellen Rahmen überschreiten bzw.
strategische Bedeutung haben, etwa Käufe und Verkäufe von Beteiligungen,
Kreditaufnahmen und -vergaben sowie die Errichtung oder Schließung von
Produktionsstätten (Gewerkschaftsbund, 2014). Der Antrag der „Grünen“ (2021) fordert für
das Mitbestimmungsgesetz 1976, dass es bei einem Abstimmungspatt im Aufsichtsrat bei
Entscheidungen über „Betriebsschließungen, -verlagerungen oder Massenentlassungen ein
Schlichtungsverfahren eingeleitet werden muss. Mit Hilfe „externen Sachverstands (soll) nach
Perspektiven für nachhaltige Beschäftigung und wirtschaftlichen Erfolg vor dem Hintergrund
der sozial-ökologischen Transformation gesucht werden“ (Antrag der Fraktion Bündnis
90/Die Grünen, 2021, S. 3, Punkt 7b). - Letztlich setzen alle bisher genannten
Reformvorschläge an der gegebenen Struktur von Aufsichtsrat und Vorstand an. Die beiden
folgenden Konzepte sehen dagegen grundsätzliche Veränderungen dieser Governance-
Struktur vor.
5.2.2 Strukturreformierende Ansatzpunkte zur Ausweitung der Mitbestimmung (auf
Unternehmensebene)
5.2.2.1 Demokratische Unternehmensverfassung I: Bikamerale Unternehmensverfassung
Isabelle Ferreras (2017) schlägt ein bikamerales System der Unternehmensregierung vor.
10
Sie sieht wie Anderson (2019a) die gegenwärtige Unternehmensverfassung als diktatorisch
oder despotisch an: „Capitalism grants capital investors despotic power over labor
investors …” (Ferreras, 2017, S. 1f.). Ferreras teilt zudem Andersons Auffassung, dass die
mikroökonomische Theorie der Unternehmung das despotische Governance-System
rechtfertigt. Sie stellt dieser Theorie eine politische Theorie der Unternehmung entgegen, die
nicht nur der Beschreibung und Erklärung dienen soll, sondern auch im normativen Sinne
10
Ferreras hat Grundzüge ihres Vorschlags bereits 2004 in ihrer Master Thesis formuliert.
30
eine alternative Unternehmensverfassung beinhaltet. Der erklärende Teil dieser politischen
Theorie wird bei Ferreras kaum ausgearbeitet. Sie geht zwar knapp auf vorliegende Ansätze
(etwa auf March, 1962) ein, ihr Hauptanliegen ist aber der normative Entwurf einer
alternativen Unternehmensverfassung.
Ferreras schlägt ein Zweikammern-System als Governance-Modell vor. Die Kammer der
Kapitalseite und die der Arbeitnehmerseite wählen im Unternehmen das Exekutiv-Komitee
(ein Organ analog zum Vorstand, wenn wir das deutsche System als Bezugspunkt
heranziehen). Die Repräsentanten der Kammer der Kapitalseite (Chamber of Representatives
of the Capital Investors) werden durch die Shareholder gewählt, wobei jede Aktie einer
Stimme entsprechen soll. Die Kammer der Arbeitnehmer (Chamber of Representatives of the
Labor Investors) werden durch die Arbeitnehmer (die „investors in person“) gewählt; hier
gilt, dass jede Person eine Stimme hat (siehe dazu auch die grafische Darstellung bei Ferreras,
2017, S. 141). Bei jeder wesentlichen Entscheidung (bei Policy-Fragen) des Exekutiv-
Komitees bedarf es der Mehrheit in jeder der beiden Kammern (Ferreras, 2017, S. 141f.).
Hinsichtlich der absoluten Anzahl der Kammermitglieder legt Ferreras sich nicht fest, sondern
verweist auf die Forschung über die optimale Größe von „governing boards“ (S. 144). Beide
Kammern sollten allerdings dieselbe Anzahl von Sitzen haben. Denn bei einer
unterschiedlichen Anzahl von Sitzen würde man selbst bei gleichem Stimmgewicht beider
Kammern den einzelnen Mitgliedern derjenigen Kammer mit relativ weniger Sitzen eine
geringere Bedeutung beimessen (S. 145).
Ferreras diskutiert auch die Frage, wer zu den Kammern wahlberechtigt ist. Ferreras zählt
z. B. Leiharbeiter oder Beschäftigte von Werkvertragsfirmen mit zur Wählerschaft der
Arbeits-Investoren-Kammer. Interessenvertreterinnen etwa von Umweltschutzverbänden oder
Konsumentinnen sollten dagegen nicht zu den Kammern wahlberechtigt oder wählbar sein:
Um Fragen des Umweltschutzes oder der Gesundheit müsse sich der Staat kümmern
(Ferreras, 2017, S. 177).
Gewerkschaften haben in Ferreras‘ Modell die Funktion, bei den Wahlen zu den Kammern zu
mobilisieren und Kandidaten aufzustellen etc. Eine Quote von Vertretern der Gewerkschaften
in der Arbeits-Investoren-Kammer sieht Ferreras‘ Vorschlag nicht vor. Gleichwohl überlegt
sie an einer Stelle in ihrem Buch (S. 151), ob es nicht sinnvoll wäre, nur solche Kandidaten in
die Kammer zu wählen, die von den Gewerkschaften dazu legitimiert sind. An einer anderen
Stelle weist sie darauf hin, dass es ihrem Vorschlag nicht darum ginge, Gewerkschaften mehr
Macht zu geben (S. 172). Sehr deutlich sind die Ausführungen von Ferreras zu diesen Fragen
nicht.
Insgesamt geht Ferreras‘ Vorschlag für eine bikamerale Unternehmensverfassung deutlich
über die deutsche Unternehmensmitbestimmung hinaus und würde m. E. paritätische Rechte
der Arbeitnehmer- und Kapitalseite gewährleisten. Der Vorschlag ist zudem grundsätzlich
31
konzeptionell offen für die Einbeziehung weiterer Stakeholder-Gruppen, auch wenn Ferreras
selbst vorschlägt, z. B. Interessenvertreterinnen von Umweltschutzverbänden nicht
einzubeziehen.
5.2.2.2 Demokratische Unternehmensverfassung II: Unternehmensversammlung wählt
Unternehmensrat wählt Unternehmensleitung
Vorschläge, die dem Konzept von Ferreras recht ähnlich sind, wurden in Deutschland bereits
in den 1960er Jahren detailliert ausformuliert und diskutiert. Die Stiftung Mitbestimmung (ein
Vorläufer der heutigen Hans-Böckler-Stiftung) hatte das Wirtschaftswissenschaftliche Institut
des DGB beauftragt, ein Modell wirtschaftlicher Mitbestimmung zu entwickeln (Hagedorn,
2016, S. 136). Eine Gruppe von Professoren legte 1968 einen Vorschlag vor (Boettcher et al.,
1968); dieser wurde auch als „Professoren-Modell“ bekannt (Schwerdtfeger, 1973, S. 139f.).
Das Modell sieht eine rechtsformunabhängige Mitbestimmung der Arbeitnehmer und der
„Öffentlichkeit“ in allen Angelegenheiten des Unternehmens vor. Die Hauptversammlung soll
durch eine mit Vertretern von Arbeit, Kapital und Öffentlichkeit besetzte
Unternehmensversammlung ersetzt werden. Damit ging dieser Vorschlag deutlich weiter als
die Montanmitbestimmung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund lehnte den Vorschlag ab, weil
er als politisch nicht durchsetzbar eingeschätzt wurde; auch wollte man den Mitgliedern eine
Abkehr von der Forderung nach Anwendung des Montanmitbestimmungsmodells auf alle
Unternehmen nicht zumuten (Hagedorn, 2015, S. 107).
Besonders deutlich werden die Konturen des Modells in den Publikationen von Oswald von
Nell-Breuning (vgl. z. B. Nell-Breuning, 1967; vgl. ausführlich Boettcher et al., 1968, einen
Überblick über die Entwicklung der Position von Nell-Breuning gibt Hagedorn, 2015). Nell-
Breuning argumentiert ethisch-normativ auf Grundlage der Katholischen Soziallehre.
Unternehmen werden als soziale Gebilde verstanden. Da sowohl Kapital als auch Arbeit nötig
sind zur Produktion, seien beide Faktoren gleich viel wert, wobei Nell-Breuning in erster
Linie nicht produktionsfaktorbezogen argumentiert, sondern die Interessen der Menschen (im
Unternehmen) in den Vordergrund stellt. Nell-Breuning meint, dass die Struktur bzw.
Verfassung der Aktiengesellschaft keine Verfassung für das gesamte Unternehmen sei - weil
das Unternehmen etwas anderes und mehr sei als die Aktiengesellschaft. Die
Aktiengesellschaft sei eine Organisation des Kapitals und damit nur ein Teil des
Unternehmens.
32
Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer ist „… in die Organe des Eigentümers, des
Inhabers des Unternehmens hineingebaut. Eine richtig durchkonstruierte
Mitbestimmung müsste genau dem entsprechen, was ein Unternehmen ist. Es ist
etwas anderes als der Verein der Aktionäre; es ist auch etwas anderes als die
Belegschaft. Darum soll das Unternehmen auch seine eigenen Organe haben, klar
unterschieden von den Organen des Vereins der Aktionäre hier und den Organen der
Belegschaft dort. Schlagwortartig können wir es so ausdrücken: die Mitbestimmung
darf nicht in den Eigentümer hineingebaut werden, sondern der Eigentümer muss in
die Mitbestimmung eingebaut werden“ (Nell-Breuning, 1969, S. 111, ich habe das
Zitat an die Regeln der neuen Rechtschreibung angepasst, W.N.).
Das Modell der Unternehmensverfassung nach Nell-Breuning sieht so aus: Die Kapitalseite
(z. B. diejenigen, die Mitglieder der Hauptversammlung sind) und die Arbeitnehmerseite (alle
Beschäftigten im Unternehmen) wählen jeweils eine bestimmte, für beide Seiten gleiche
Anzahl von Repräsentanten in eine sog. Unternehmensversammlung. Zudem könnten mit
einer Mehrheit von beiden Seiten noch „Vertreter des öffentlichen Interesses oder der
Interessen der Allgemeinheit“ (Nell-Breuning, 1967, S. 65) in die Versammlung gewählt
werden. Die Unternehmensversammlung wählt den Unternehmensrat, der in etwa dem
Aufsichtsrat entspricht. Der Unternehmensrat wählt dann die Unternehmensleitung
(Vorstand). Es bedürfte keiner besonderen Legitimation von bestimmten Mitgliedern der
Leitung mehr, das heißt, der Arbeitsdirektor oder in diesem Zusammenhang besser:
Personalvorstand, wird gewählt wie jedes andere Mitglied der Unternehmensleitung auch.
Diese Unternehmensverfassung sollte nicht nur für große Kapitalgesellschaften gelten,
sondern für alle Unternehmen (Nell-Breuning, 1967, S. 65). Die Unternehmensleitung hätte
mehr Autonomie als im Vorschlag von Ferreras, da nicht bei allen wichtigen Entscheidungen
die Zustimmung von anderen Gremien eingeholt werden muss.
11
Anders als bei Ferreras‘
Konzept sieht Nell-Breunings Modell ausdrücklich vor, Vertreter des öffentlichen Interesses
oder der Allgemeinheit mit in die Unternehmensversammlung zu wählen.
5.2.3 Zwischenfazit zu den beiden Vorschlägen zur Unternehmensverfassung.
Wie sind diese Vorschläge zu bewerten? Erstens ist ihre Reichweite sehr hoch, sie gelten
nicht nur für Kapitalgesellschaften. Grundsätzlich erfassen sie Unternehmen jeder Größe,
sobald diese Arbeitnehmer beschäftigen. Das Problem, dass bei den bisherigen
Unternehmensverfassungsmodellen bestimmte Entscheidungen dem Einfluss der
Arbeitnehmerseite entzogen sind, ist gelöst, auch die Parität wird über das Wahlsystem
sichergestellt. Die Vorschläge sehen vor (wie bei Nell-Breuning) oder schließen zumindest
nicht aus, dass neben den Interessen von Kapital und Arbeit auch die von Konsumenten und
11
Sehr ähnliche Vorschläge wie die von Ferreras und von Nell-Breuning finden sich auch in einigen weiteren
Arbeiten (vgl. z.B. Ulrich 1977; Weitzig 1979). Bontrup (2018) hat ein Modell vorlegt, das ebenfalls Parallelen
zum Nell-Breuning- und Ferreras-Modell aufweist und darüber hinausgehend eine interessante Form der
Überführung von Gewinnbestandteilen in Unternehmensbesitz (neutrales Kapital) vorsieht. Auf die
Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Modelle kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden.
33
ggf. weiteren Gruppen repräsentiert werden können. Die Rolle der Gewerkschaften wird in
beiden Vorschläge als sehr wichtig angesehen. Man müsste u. a. tiefergehend analysieren,
welche Effekte welche Verfassungsstruktur auf den Einfluss der Gewerkschaften und den
der anderen Anspruchsgruppen - hat. Eine solche Analyse ist schon deswegen wichtig, um die
Durchsetzungschancen der Vorschläge einschätzen zu können.
6 Fazit und offene Fragen
Die Diskussion über mehr Demokratie in Unternehmen ist derzeit so lebendig wie seit
Längerem nicht mehr (siehe auch den u. a. von Isabell Ferreras initiierten Aufruf
https://democratizingwork.org, den bisher mehr als 6000 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler unterschrieben haben). Die These „Unternehmen sind Diktaturen“ wirft die
Frage auf, wie wir uns die Unternehmensregierungen wünschen. Nicht alle Vorschläge zur
Demokratisierung von Unternehmen sehen eine wirkliche Regierungsbeteiligung aller
wichtigen Stakeholder vor. Die Vorschläge aus der betriebswirtschaftlichen Managementlehre
zielen kaum auf eine substanzielle Demokratisierung. Es wäre wohl auch überraschend, wenn
in der Betriebswirtschaftslehre, die als Kapitalverwertungslehre konzipiert ist, mehr als nur
eine kleine Minderheit Vorschläge machte, die die Macht der Kapitalseite begrenzte. Die
Vorschläge zur Reform der Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat sind eher
strukturkonservativ sie verbessern eine Unternehmensverfassung, die letztlich, um die
Formulierung von Nell-Breuning aufzugreifen, die lediglich in die Organe der Kapitaleigner
hineingebaut ist und damit nicht mehr (und nicht weniger) ist als eine Ergänzung zu einer
kapitaldominierten Form der Unternehmensregierung.
Die Arbeit von Anderson, vor allem aber die konkreten Vorschläge von Ferreras und von
Nell-Breuning liefern mehr als nur Anregungen, grundsätzlicher und zugleich konkreter über
die Ausgestaltung der Unternehmensverfassung zu diskutieren. Sie begnügen sich nicht mit
Detailverbesserungen der bestehenden Mitbestimmungsgesetze, sondern beinhalten Entwürfe
für eine stärker demokratische Unternehmensverfassung.
Auf etliche Fragen und relevante Diskursstränge bin ich nicht eingegangen. Nicht diskutiert
habe ich hier etwa Verfassungen, wie sie Genossenschaften aufweisen. Auch Vorschläge zur
Beteiligung der Beschäftigten am Kapital des Unternehmens habe ich nicht behandelt.
Genauer zu diskutieren wären Ansätze wie New Work und Soziokratie. Und gewichtiger noch
dürfte sein, dass Fragen der überbetrieblichen Wirtschaftsdemokratie hier weitgehend
ausgeklammert wurden. Die Diskussion all dieser potenziellen Ansatzpunkte für eine
Demokratisierung ist aus Platzgründen hier nicht leistbar. Generell gilt m.E., dass eine
Demokratisierung von Unternehmen notwendig, aber keinesfalls hinreichend ist für eine
Demokratisierung der Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt.
Nicht zuletzt bleibt zu klären, welche Umsetzungschancen die Vorschläge haben. Rechtliche
Hürden gibt es weniger durch das Grundgesetz. Es sind vor allem Regelungen im Europa-
34
Recht (vgl. dazu insbesondere die Analysen von Fisahn, 2018), die einer nicht-
kapitaldominierten Unternehmensverfassung oder zumindest einer anderen Wirtschaftsform
entgegenstehen könnten. Unüberwindbar sind diese Hürden naturgemäß nicht. Die Frage, wie
die machtpolitische Situation einzuschätzen oder zu ändern ist, muss hier allerdings
unbeantwortet bleiben.
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Article
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Our meta‐analytic review investigates how employee participation in democratic enterprises is related to psychological outcomes. We gathered 60 studies through a systematic literature search of quantitative field studies (published between January 1970 and May 2017) and extracted 138 effect sizes related to three indicators of organisational democracy (OD) and 15 psychological outcomes. The overall findings suggest that employees’ individually perceived participation in organisational decision making (IPD) had a stronger relation to job satisfaction (ρ = .25), job involvement/work motivation (ρ = .36), prosocial work behaviours (ρ = .24), civic and democratic behaviours (ρ = .21) and perceived supportive climate (ρ = .44) than the other two OD indicators: structurally anchored employee participation (SAEP) and employee participation in collective ownership (EO). This was not the case for value‐based commitment: the relations of SAEP (ρ = .40), EO (ρ = .34), and IPD (ρ = .46) with commitment were nearly equal. Mediation analyses indicated that IPD partially mediated most of the effects of SAEP and EO on the outcomes mentioned. The cross‐sectional database and a small number of studies for some of the outcomes are the main limitations of this study.
Chapter
This book brings together classic writings on the economic nature and organization of firms, including works by Ronald Coase, Oliver Williamson, and Michael Jensen and William Meckling, as well as more recent contributions by Paul Milgrom, Bengt Holmstrom, John Roberts, Oliver Hart, Luigi Zingales, and others. Part I explores the general theme of the firm's nature and place in the market economy; Part II addresses the question of which transactions are integrated under a firm's roof and what limits the growth of firms; Part III examines employer-employee relations and the motivation of labor; and Part IV studies the firm's organization from the standpoint of financing and the relationship between owners and managers. The volume also includes a consolidated bibliography of sources cited by these authors and an introductory essay by the editors that surveys the new institutional economics of the firm and issues raised in the anthology.
Article
The British Academy proposes that some of the manifest failures of shareholder capitalism can be addressed by requiring corporations to declare a purpose – a profitable solution to the problems of people and planet that does not cause additional problems – and creating a set of supporting mechanisms to ensure the pursuit of purpose. Shareholder capitalism has a lot to answer for, arguably including the opiod and obesity epidemics, the hazards to people and democracy posed by profit‐driven tech firms, and catastrophic climate change. Moreover, the forces that orient public corporations toward share price are powerful and pervasive, while public corporations are disappearing in the US and the UK under the weight of outside pressures. If we want the corporations that remain to behave themselves, the surest path is more democracy: greater worker control from below, and more effective state regulation from above.
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Mit dem Beitrag wird die jährliche Berichterstattung zur Tarifbindung und betrieblichen Interessenvertretung mit Daten für 2019 fortgesetzt. Zunächst wird die Tarifbindung der Betriebe nach Branche und Betriebsgröße dargestellt. Dabei wird auf die nach wie vor vorherrschenden Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland abgestellt. Seit 1996 hat die Flächentarifbindung in beiden Landesteilen eine deutlich rückläufige Tendenz. Auch für die betriebliche Ebene der Mitbestimmung ist in der langen Sicht ein abnehmender Deckungsgrad zu konstatieren. Allerdings deutet sich für Ostdeutschland zuletzt eine Trendwende und damit eine Annäherung an westdeutsche Verhältnisse an. Abschließend wird in der gemeinsamen Betrachtung der betrieblichen und sektoralen Ebene der Interessenvertretung auf die ausgedehnten betrieblichen Vertretungslücken sowie die „weißen Flecken“ in der Tarif- und Mitbestimmungslandschaft hingewiesen.
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Dieser Beitrag präsentiert die Ergebnisse der 3. WSI-Befragung zur Be- und Verhinderung von Betriebsratswahlen. Die Befragung wurde unter lokalen Gewerkschaftsorganisationen durchgeführt. Sie wurde 2019 abgeschlossen und schließt an zwei ähnliche Studien der Jahre 2012 und 2015 an. Die Befunde bestätigen, dass die Gründung eines Betriebsrats ein umstrittenes Unterfangen ist. Die Be- und Verhinderung der Wahl von Betriebsräten durch Arbeitgeber findet sich insbesondere bei inhabergeführten kleinen und mittleren Betrieben. Der Beitrag reflektiert zunächst das bestehende System der industriellen Arbeitsbeziehungen in Deutschland und stellt sodann die Erhebung und ihre Resultate vor. Abschließend wird diskutiert, welche Gründe ausschlaggebend dafür sein könnten, dass etwa die Hälfte der befragten Gewerkschaftseinheiten keinen Fall arbeitgeberseitiger Einmischung in Betriebsratswahlen berichtet, während die andere Hälfte zum Teil mehrere Aktivitäten zur Verhinderung von Betriebsratswahlen bzw. zur Behinderung der Betriebsratsarbeit zu Protokoll gibt.
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Der Beitrag schreibt die jährliche Berichterstattung des IAB in den WSI-Mitteilungen zur Tarifbindung und betrieblichen Interessenvertretung mit Daten für 2018 fort. Zunächst wird die Tarifbindung der Betriebe nach Branche, Betriebsgröße und Bundesland dargestellt. Dabei wird auf die nach wie vor vorherrschenden Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland abgestellt. Seit 1996 hat die Flächentarifbindung in beiden Landesteilen eine deutlich rückläufige Tendenz, auch wenn die Entwicklung in jüngster Zeit weniger eindeutig verläuft. Ergänzt werden die Ergebnisse zur Tarifbindung durch Informationen zum Betriebsrat und zu alternativen Formen der betrieblichen Mitarbeitervertretung. Auch für den Betriebsrat ist in der langen Sicht ein abnehmender Deckungsgrad zu konstatieren. Allerdings scheint dieser Trend 2018 gebrochen. Die verschiedenen nicht gesetzlich legitimierten Vertretungsformen zeichnen sich in erster Linie durch ihre geringe Stabilität aus. Abschließend werden in einer gemeinsamen Betrachtung der betrieblichen und sektoralen Ebene der Interessenvertretung die ausgedehnten betrieblichen Vertretungslücken so wie die „weißen Flecken“ in der Tarif- und Mitbestimmungslandschaft ausgewiesen.
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Zwar erhielt das Thema Mitarbeiterkapitalbeteiligung in jüngster Zeit wieder mehr Aufmerksamkeit, über Umfang und Tiefe der Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer in Deutschland ist aber wenig bekannt. Mithilfe des IAB-Betriebs-Panels wird analysiert, wie sich die Zahl der Betriebe, die Beteiligungen anbieten, und die Zahl der an diesen Programmen beteiligten Mitarbeiter entwickelt haben. Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Rückgang der Teilnahmequoten bis 2009, während sie in den letzten Jahren jedoch eher konstant sind.