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> Gesundheit: Geschlechterspezik wichtig
> Heimversorgung Dialysepatienten
> Fortschritte Diabetes Versorgung
> Ermöglichen, Lernen,
Zusammenarbeiten
> Schlaganfälle vermeiden
Dr. Uwe K. Preusker
Dr. Mani Rai
Prof. Dr. Herbert Rebscher
Dr. Florian Reuther
Prof. Dr. Eberhard Wille
Herausgegeben von Rolf Stuppardt
Der Herausgeberbeirat:
ISSN 2193-4479
D 24953
10. Jahrgang
Ausgabe 12 | 2021
www.welt-der-krankenversicherung.de
Bettina am Orde
Prof. Dr. Dr. Alexander P.F. Ehlers
Roland Engehausen
Ulf Fink
Birgit Fischer
Dr. Rainer Hess
Dr. Gerald Gaß
Dr. Marc-Pierre Möll
Claus Moldenhauer
Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery
Dr. Robert Paquet
Welt der Krankenversicherung 12/2021 • 297
Editorial
Ziemlich zackig, spielräumig und frohen Mutes
Punktlandungen werden in unserem Lande gemeinhin sel-
tener. Der Ampel-Koalition ist sie mit der Vorlage der Koaliti-
onsvereinbarung gelungen. 22 Arbeitsgruppen, rund 300
Fachpolitiker haben den Entscheidern vorgearbeitet und ein
Schweigegelübde erstaunlich weitgehend eingehalten. Die
sonst so beliebte Methode des Durchstechens von innen
nach außen und von außen nach innen, war dieses Mal nicht
von Erfolg gekrönt. Da konnte auch das Rauschen im Blätter-
wald nichts dran ändern. Das ist in einer halbwegs offenen
Gesellschaft eine Leistung an sich. So viel zum professionel-
len Vorgehen. Ziemlich zackig also.
Was nun inhaltlich auf 177 Seiten unter der Überschrift
„Mehr Fortschritt wagen“ vorgelegt wurde, ist nicht unbe-
dingt der revolutionäre Prototyp aus einem Guss, den man
bis zur Messeeröffnung hätte verstecken müssen, aber er
spiegelt das Farbenspektrum der ungleichen Parteien und
das Perspektiven-Spektrum von Gesellschaft und Wirtschaft
recht gut wider. Da können viele was mit anfangen. Da das
Ganze bereits an prominenter Stelle, nämlich in Zeile 157,
mit der lockeren Haltungsbotschaft „Lust auf Neues“ zu ha-
ben, verknüpft ist, wird Aufbruchstimmung demonstriert
und Erwartung geweckt, die mir etwas mächtiger wirken als
Inhalt und Stringenz der Vereinbarungspakete. Aber das ist
angesichts der Stimmungslage und der Katastrophenkom-
munikation im Lande auch gar nicht so verkehrt, geht damit
doch der frische Wind des frohen Mutes einher. Mehr als nur
dekoriert wirkt das mit den ebenfalls dringenden und öfter
wiederholten Botschaften, es schneller, effektiver, transpa-
renter, partizipativer, transformatorischer, verwaltungsdigita-
lisierter und mit mehr Schranken im Grauzonenbereich des
Lobbyismus angehen zu wollen.
Spielräumig wird es schließlich im Abschnitt Pflege und
Gesundheit ab Seite 80 bis Seite 88, gut 8 Seiten von 177
also. Die so unterschiedlichen Koalitionäre wollen in eine
moderne sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflege-
politik aufbrechen, was nicht ganz neu ist, aber prominent
platziert. Man will zwar dabei die Lehren aus der anhalten-
den Pandemie ziehen, kommt darauf aber nicht richtungs-
weisend zurück, in dem beispielsweise der Stellenwert von
Gesundheit, die seit 2020 so ziemlich alles überlagert hat,
ressort- oder konzernübergreifend hervorgehoben wird.
Health in all Policies eben, wie man vermuten könnte, dass
Corona, Klimawandel und vieles andere mehr das gelehrt
hätte. Der Bezug zu Corona erschöpft sich dann auch weit-
gehend unter Bezugnahme auf die Pflege, die das inhaltliche
Einstiegskapitel ausmacht, weil die Koalitionäre berechtigter-
weise Leistung und Einsatz anerkennen wollen.
Vieles liest sich wie ein Aufbruch in die richtige Richtung.
Es sind vorwiegend gute Absichtserklärungen und keine fer-
tigen und gegenfinanzierten „Gebrauchsanweisungen“. An-
kommen wird es daher auf Auslegungen, Interpretationen
und schließlich aufs „Kleingedruckte“. Wichtig dabei werden
Ergebnisorientierung, Transformationswege und Finanzie-
rungsoptionen sein, daran mangelt es besonders, der Druck
auf die Krankenkassenbeiträge wird mächtig werden. Doch
dafür gibt es seit einigen Monaten verschiedene Lösungs-
vorschläge, denen man sich bedienen kann. So haben wir
mit 60 Autorinnen und Autoren in dem Herausgeberband
„Zukunft Gesundheit – regional, vernetzt und patientenori-
entiert“ Lösungen und Reflektionen darauf vorgestellt, die
aus den sehr unterschiedlichen Erfahrungen an sehr unter-
schiedlichen Stellen unseres Gesundheitswesens und eines
langen Berufslebens generiert wurden. Wir werden das an-
wendungsorientiert zu vertiefen haben, um den Koalitions-
vereinbarungen eine praktische Anwendungsperspektive zu
verleihen und die Spielräume auszufüllen.
Angesichts der herausfordernden Lage wünsche ich ge-
sunde und friedliche Festtage
Ihr Rolf Stuppardt
Welt der Krankenversicherung 12/2021 • 299
Inhalt
297 Editorial: Ziemlich zackig, spielräumig
und guten Mutes
Die Ampel-Koalitionäre haben ihren Zeitplan
eingehalten und eine Koalitionsvereinbarung
vorgelegt. Herausgeber Rolf Stuppardt hat sich das
mal angesehen und kann die Befindlichkeitsaus-
sage der Vereinbarungspartner, „Lust auf Neues“ zu
haben, nachempfinden. Wie so oft, wird es in der
Umsetzung auf Interpretationen und Kleinge-
drucktes ankommen. Und da gibt’s Lösungen.
300 Die Zukunft Gesundheit ist auch
geschlechtsspezifisch
Männer und Frauen sind biologisch und physiolo-
gisch unterschiedlich, das ist so banal wie klar.
Aber was bedeutet das für die gesundheitliche
Versorgung, für Medizin und Forschung, für die
Krankenkassen, für die Leistungs- und Richtlinie-
nentscheidungen? Ist es nicht Zeit für mehr
Diversität in Medizin und Gesundheitsversorgung?
Über diese Fragen und die Haltung der BKK VBU
dazu sprach Rolf Stuppardt mit Andrea Galle.
306 Vorhofflimmern frühzeitig erkennen,
Schlaganfälle vermeiden
Schlaganfälle verhindern und rechtzeitig behan-
deln gilt weltweit als große gesundheitspolitische
Herausforderung, weil hier Hauptursachen für
erworbene Behinderungen im Erwachsenenalter
liegen und großer volkswirtschaftlichen Schaden.
Ein Hauptrisikofaktor für einen Schlaganfall ist das
Vorhofflimmern. Eine gezielte Präventionsstrategie
wäre hier für Betroffene, Behandler und Kranken-
kassen wichtig. Über eine solche Strategie
diskutieren Florian Brandt, Marc Kreise und Oliver
Harks.
310 Fortschritte in der Diabetes-Versorgung
verankern
Die Fortschritte in der Anwendung moderner
digitaler Tools bieten enorme Chancen in der
Prävention und Behandlung für alle Menschen mit
insulinpflichtigem Diabetes. Sie schaffen mehr
Zielgenauigkeit, Compliance, Adhärenz und
Therapiezufriedenheit. Insofern wird deutlich, dass
die Versorgungsstrategie Diabetes nachhaltig
patientenzentriert ausgestaltet werden muss.
Dr. Annette Mehler und Rolf Stuppardt fassen dazu
Diskussionen von und mit Expertinnen und
Experten zusammen.
317 Heimversorgung von Dialysepatienten in
Zeiten der Pandemie – eine gemeinsame
Verantwortung
Heimdialysepatienten stellen eine Hochrisiko-
gruppe dar, welche in pandemischen Zeiten
schneller und fokussierter Versorgungslösungen
benötigt. Zu dem verstärkten Einsatz von
Heimtherapien bei der vulnerablen Patienten-
gruppe können neben den strukturellen ebenfalls
die technologischen Lösungen wesentlich
beitragen. Dies diskutieren Dr. Agnieszka Raddatz
und Denise Vetter mit Blick auf den Status quo und
den Handlungsbedarf.
323 Aller guten Dinge sind drei
Dr. Hans Unterhuber, langjähriger Chef der SBK,
verabschiedet sich Ende des Monats in den
Ruhestand. Wir haben das gewürdigt und er hat
uns noch drei Herzensangelegenheiten mit auf
den Weg gegeben: Ermöglichen, Lernen, Zusam-
menarbeiten.
324 Leistungs- und Vertragswelt
325 Recht und Gesetz
326 Europa und Internationales
327 Köpfe, Karrieren, Funktionen
328 Impressum
306 • 12/2021 Welt der Krankenversicherung
Vorhofflimmern früh-
zeitig erkennen,
Schlaganfälle ver-
meiden
Der Schlaganfall gilt als eine der
häufigsten Todesursachen welt-
weit. Etwa 20–30 Prozent aller
Schlaganfälle sind hierbei mit einem Vor-
hofflimmern (VHF), einer weit verbreite-
ten und oftmals asymptomatischen
Herzrhythmusstörung, assoziiert. Die
frühzeitige Identifikation von VHF ist so-
mit äußerst wichtig, da nur so rechtzeitig
eine Therapie eingeleitet und Schlagan-
fälle verhindert werden können. Die gän-
gigen diagnostischen Verfahren sind je-
doch zu aufwändig für großangelegte
Screenings und haben zudem eine be-
grenzte Effektivität. Das Versorgungspro-
gramm „RhythmusLeben“ bietet hierzu
eine innovative Alternative, die eine ein-
fache Identifikation unentdeckter VHF-
Leiden in einem umfangreichen Risiko-
kollektiv bei gleichzeitig hoher diagnosti-
scher Genauigkeit ermöglicht. Die zent-
ralen Bestandteile sind eine klinisch
validierte Screening-App (Sensitivität:
91,5 Prozent; Spezifität: 99,6 Prozent), ein
angeschlossenes telemedizinisches Zen-
trum sowie ein ärztlich begleitetes
14-Tage-EKG. Das 14-Tage-EKG wird hier-
bei nur im Falle einer auffälligen App-
Messung (Verdachtsdiagnose) durchge-
führt, die telekardiologisch verifiziert
wurde. Sofern sich der VHF-Verdacht be-
stätigt, kann die notwendige Therapie
zur Schlaganfallprophylaxe eingeleitet
werden. Eine differenzierte gesundheits-
ökonomische Modellrechnung kommt
zu dem Ergebnis, dass das Versorgungs-
programm insgesamt zu Einsparungen
in der GKV führt.
Hintergrund
Mit etwa 5,9 Mio. Todesfällen im Jahre
2010 ist der Schlaganfall weltweit die
Das Thema Schlaganfall und seine Verhinderung und rechtzei-
tige Behandlung gilt weltweit als große gesundheitspolitische
Herausforderung und als eine Hauptursache für erworbene
Behinderungen im Erwachsenenalter. Seine Folgen richten
zudem einen großen volkswirtschaftlichen Schaden an. Ein
Hauptrisikofaktor für einen Schlaganfall ist das Vorhofflimmern.
Eine gezielte Präventionsstrategie wäre hier für Betroffene,
Behandler und Krankenkassen wichtig. Über eine solche Strate-
gie diskutieren unsere Autoren im nachfolgenden Beitrag.
Florian Brandt1,
Saarbrücken
Marc Kreiser2,
Jena
Oliver Harks3,
Düsseldorf
1 Health Innovation Manager, IKK Südwest, Saar-
brücken
2 Leiter Marketing und Produktmanagement,
Preventicus GmbH, Jena
3 Bereichsleiter Versorgungsmanagement, GWQ
ServicePlus AG, Düsseldorf
Welt der Krankenversicherung 12/2021 • 307
Florian Brandt, Marc Kreiser, Oliver Harks
Florian Brandt, Marc Kreiser, Oliver Harks
zweithäufigste Todesursache.4 Alleine in
Europa starben im Jahr 2013 über
430.000 Menschen an den Folgen der
Durchblutungsstörung im Gehirn, hier-
von knapp 60.000 in Deutschland.5 Wei-
terhin ist die Herz-Kreislauf-Erkrankung
eine Hauptursache für erworbene Be-
hinderungen im Erwachsenenalter und
führt hieraus resultierend auch zu ei-
nem hohen volkswirtschaftlichen Scha-
den.6 Etwa 20–30 Prozent aller Schlag-
anfälle sind mit einem Vorhofflimmern
(VHF) assoziiert,7 das mit einem Lebens-
zeitrisiko von etwa 25 Prozent als eine
sehr weit verbreitete Herzrhythmusstö-
rung gilt.8 Da VHF oft nur sporadisch
und ohne jegliche Symptome auftritt,
ist es gegebenenfalls schwer zu erken-
nen und zu diagnostizieren.9 Die früh-
zeitige Identifikation von VHF ist jedoch
äußerst wichtig, da nur so rechtzeitig
eine Therapie eingeleitet und Schlagan-
fälle verhindert werden können.
Wie kann VHF frühzeitig erkannt
werden?
Die herkömmliche Methode zur Diag-
nose von VHF ist eine Untersuchung der
Herzaktivität mittels Elektrokardio-
gramms (EKG).
Reguläre EKG-Messungen haben je-
doch eine begrenzte Effektivität bei der
Erkennung von VHF, da die beschriebe-
nen Symptome oftmals nicht dauerhaft
auftreten. Selbst ein Langzeit-EKG, bei
dem der Aufzeichnungszeitraum übli-
cherweise 24 Stunden beträgt,10 ist in
vielen Fällen zu kurz. Einige Studien be-
legen, dass die diagnostische Genauig-
keit bzw. die VHF-Erkennungsrate mit
einer Ausweitung des Messzeitraums
auf bis zu 14 Tage kontinuierlich zu-
nimmt.11 Darüber hinaus sind die gängi-
gen EKG-Messverfahren zu aufwändig
für regelmäßige Screenings von großen
Bevölkerungsgruppen und daher nicht
geeignet, um systematisch auch asym-
ptomatische Fälle zu identifizieren. Da-
mit VHF in solchen Fällen nicht erst
durch einen Schlaganfall erkennbar in
Erscheinung tritt,12 sind einfache, kos-
tengünstige und gleichzeitig zuverläs-
sige Methoden zur frühzeitigen Erken-
nung von VHF mit einer Eignung für
großangelegte Screenings dringend
notwendig. Eine solche Möglichkeit
stellt Preventicus Heartbeats dar. Pre-
venticus Heartbeats ist eine Screening-
App und zertifiziertes Medizinprodukt
der Klasse IIa mit eigens entwickelten
Algorithmen, die zuverlässig VHF erken-
nen kann. Unter Nutzung des LED-Blit-
zes und der Smartphone-Kamera er-
fasst Preventicus Heartbeats, basierend
auf dem Verfahren der Photoplethys-
mografie, auf dem auch handelsübliche
Pulsoxymeter basieren, optisch den
Herzrhythmus. Dazu positioniert der
Anwender die Kamera des Smartpho-
nes auf der Kuppe eines beliebigen Fin-
gers. Die Blutzellen reflektieren das aus-
gesendete Blitzlicht und die vom Herz-
schlag ausgehenden Pulswellen erzeu-
gen Reflektionsschwankungen, die von
der Kamera erkannt werden. Auf diese
Weise wird der Herzrhythmus Schlag für
Schlag gemessen, analysiert und in ei-
nem EKG-vergleichbaren Ergebnisbe-
richt zusammengefasst. Auffällige Er-
gebnisse werden zur Bestätigung auto-
matisch aus der App heraus an ein an-
geschlossenes telemedizinisches Zent-
rum (Herzklinik Ulm) übermittelt. Dort
werden die Messergebnisse zunächst
durch medizinisches Fachpersonal
technisch geprüft und anschließend
durch einen Telekardiologen ärztlich ve-
rifiziert. Für die betroffenen Anwender
ist dies in der App durch die Mitteilung
„ärztlich bestätigte Verdachtsdiagnose
VHF“ ersichtlich. Das Messverfahren so-
wie die hieraus resultierenden Ergebnis-
berichte sind in Abbildung 1 beispiel-
haft dargestellt.
Die Preventicus-Algorithmen unter-
scheiden zwischen normalem und irre-
gulärem Herzrhythmus. Dies betrifft die
folgenden Herzrhythmusstörungen: Er-
kennung von Hinweisen auf absolute
Arrhythmie mit Verdacht auf Vorhofflim-
mern, Erkennung von Hinweisen auf
Extrasystolen sowie Ermittlung der
Herzfrequenz mit Hinweisen auf Brady-
kardien und Tachykardien, ohne deren
Abb. 1: Messung des Herzrhythmus mit der Preventicus Heartbeats App und hieraus
resultierende Ergebnisberichte
Quelle: Preventicus GmbH.
4 Vgl. Lozano R, Naghavi M, Foreman K et al.
(2012): Global and regional mortality from 235
causes of death for 20 age groups in 1990 and
2010: a systematic analysis for the Global Bur-
den of Disease Study 2010, in: Lancet 380, S.
2.095-2.128.
5 Vgl. Eurostat (2016): Pressemitteilung: Todes-
ursachen im Jahr 2013 – Über 1 Million Perso-
nen starben in der EU an einem Herzinfarkt
oder Schlaganfall.
6 Vgl. Murray CJL, Vos T, Lozano R et al. (2012):
Disability-adjusted life years (DALYs) for 291
diseases and injuries in 21 regions, 1990 –
2010: a systematic analysis for the Global Bur-
den of Disease Study 2010, in: Lancet 380, S.
2.197-2.223.
7 Vgl. Grond M, Jauss M, Hamann G, et al.
(2013): Improved detection of silent atrial
fibrillation using 72-hour Holter ECG in pa-
tients with ischemic stroke: a prospective
multicentre cohort study, in: Stroke 44, S.
3.357-3.364; Kishore A, Vail A, Majid A, et al.
(2014): Detection of atrial fibrillation after
ischemic stroke or transient ischemic attack:
a systematic review and meta-analysis, in:
Stroke, 45, S. 520-526.
8 Vgl. Lloyd-Jones DM, Wang TJ, Leip EP et al.
(2004): Lifetime risk for development of atrial
fibrillation: the Framingham Heart Study, in:
Circulation, 110, S. 1.042-1.046. Untersucht
wurde das Lebenszeitrisiko für VHF (inklusive
Vorhofflattern) bei Frauen und Männern zwi-
schen 40 und 95 Jahren.
9 Vgl. Jaakkola J, Mustonen P, Kiviniemi T et al.
(2016): Stroke as the first manifestation of
atrial fibrillation, in: PLoS One, 11,e0168010.
10 Im EBM ist eine Mindestaufzeichnungsdauer
von 18 Stunden definiert. Vgl. GOP 03322,
04322, 13252 und 27322.
11 Vgl. Turakhia MP, Hoang DD, Zimetbaum P et
al. (2013): Diagnostic utility of a novel leadless
arrhythmia monitoring device, in: Am J Car-
diol, 112, S. 520-524; Quer G, Freedman B,
Steinhubl SR (2020): Screening for atrial fibril-
lation: predicted sensitivity of short, intermit-
tent electrocardiogram recordings in an as-
ymptomatic at-risk population, in: Europace,
22, S. 1.781-1787.
12 Vgl. Jaakkola J, Mustonen P, Kiviniemi T et al.
(2016): Stroke as the first manifestation of
atrial fibrillation, in: PLoS One, 11, e0168010.
weitere diagnostische Differenzierung.
Die Technologie ist patentiert und kli-
nisch validiert mit einer Sensitivität bzw.
308 • 12/2021 Welt der Krankenversicherung
Vorhofflimmern frühzeitig erkennen, Schlaganfälle ver meiden
Richtig-Positiv-Rate zwischen 89,9 Pro-
zent und 91,5 Prozent sowie einer Spe-
zifität bzw. Richtig-Negativ-Rate zwi-
schen 99,1 Prozent und 99,6 Prozent (je
nachdem, ob wahlweise die 1-Minuten-
Messung oder die genauere 5-Minuten-
Messung durchgeführt wird).13 Die dia-
gnostische Genauigkeit ist insofern als
exzellent zu bewerten.14 Die App kann
über die jeweilige Vertriebsplattform für
Anwendungssoftware auf das Smart-
phone heruntergeladen und dort instal-
liert werden. Zur Nutzung wird lediglich
ein handelsübliches Smartphone (And-
roid oder iOS) benötigt. Die Beschaf-
fung von etwaigem Zubehör ist nicht
erforderlich, was die Tauglichkeit für
großangelegte und regelmäßige Scree-
nings steigert.
Wie können hierdurch Schlag-
anfälle verhindert werden?
Wenn eine VHF-Verdachtsdiagnose vor-
liegt, sollte möglichst zeitnah eine ärztli-
che Abklärung erfolgen und therapeuti-
sche Schritte zur Schlaganfallprophy-
laxe eingeleitet werden. Hierzu ist die
Verdachtsdiagnose zunächst im Rah-
men eines Arztbesuchs15 vor Ort abzusi-
chern. Dies erfolgt im Rahmen der kar-
diologischen Diagnostik mit Hilfe eines
ärztlich angeleiteten Langzeit EKG.16
Durch den Patienten verursachte Mess-
fehler sollen hierbei möglichst ausge-
schlossen werden.
In der Versorgungspraxis kann die
Verfügbarkeit der damit zusammenhän-
genden ärztlichen Leistungen jedoch
zum Problem werden. Insbesondere im
fachärztlichen Bereich, und damit auch
in der kardiologischen Versorgung,
müssen oftmals lange Wartezeiten in
Kauf genommen werden,17 was zu ei-
nem diskontinuierlichen Versorgungs-
prozess führt und damit das Risiko von
Abbrüchen innerhalb „Patient Journey“
birgt. Insgesamt gefährdet dies den Prä-
ventionserfolg. Um diesem Problem der
Diskontinuität entgegenzuwirken, wird
die Screening-App „Preventicus Heart-
beats“ in der GKV nicht isoliert angebo-
ten, sondern ist, im Sinne eines Blended
Care Ansatzes, in das umfassende Ver-
sorgungsprogramm „RhythmusLeben“
eingebettet. Das Programm sieht ent-
sprechend vor, dass sich ein Termin zur
Durchführung der ärztlichen EKG-Diag-
nostik unmittelbar an eine Verdachtsdi-
agnose in der App anschließt. Das erfor-
derliche Langzeit-EKG wird hierbei bis
zu 14 Tage aufgezeichnet und geht in-
sofern weit über die übliche 24-Stun-
den-Aufzeichnung in der Regelversor-
gung hinaus. Als Messgerät wird ein ex-
terner EKG-Loop-Rekorder der Getemed
Medizintechnik AG genutzt, der kardiale
Ereignisse (z. B. Bradykardie, Tachykardie
oder VHF) durch einen integrierten Al-
gorithmus automatisch erkennt (sog.
Event-Triggering) und auffällige Mes-
sungen direkt zum behandelnden Arzt
überträgt. Vor diesem Hintergrund stellt
das Event-Triggering eine notwendige
Bedingung für einen Betrachtungszeit-
raum von bis zu 14 Tagen dar, da die
automatisierte Vorselektion von poten-
ziell relevanten Messphasen Ärzte über-
haupt erst in die Lage versetzt, trotz
knapper zeitlicher Ressourcen, einen
derart langen Messzeitraum zu analysie-
ren. Abbildung 2 zeigt den Ablauf im
RhythmusLeben-Versorgungspro-
gramm.
Sofern sich die Verdachtsdiagnose im
Zuge der ärztlichen Diagnostik bestä-
tigt, kann die Therapie zur Schlaganfall-
prophylaxe geplant werden. Hierzu
empfiehlt die einschlägige medizini-
sche Leitlinie zunächst die Abschätzung
des individuellen Schlaganfallrisikos mit
Hilfe des sog. CHA2DS2-VASc-Risi-
koscores, der durch die Vergabe von
Punkten für die Erfüllung bestimmter
Risikotatbestände (z. B. Erreichen defi-
nierter Altersschwellen oder Vorliegen
anderer risikoerhöhender Erkrankun-
gen) ermittelt wird.18 Ab einem Score ≥
2 ist regelmäßig eine Orale Antikoagula-
tion (OAK), d. h. eine Gabe von Medika-
menten zur Hemmung der Blutgerin-
nung indiziert, während bei einem dar-
unter liegenden Score eine bloße
Anpassung des Lebensstils ausreichen
kann. Bei indizierter OAK, kann diese
das Schlaganfallrisiko, im Sinne einer
primärpräventiven Langzeitprophylaxe,
um etwa 70 Prozent verringern.19
Abb. 2: RhythmusLeben-Versorgungsprogramm
Quelle: Preventicus GmbH.
13 Vgl. hierzu und zum Folgenden: Brasier N,
Raichle CJ, Dörr M et al. (2019): Detection of
atrial fibrillation with a smartphone camera:
first prospective, international, two-center,
clinical validation study (DETECT AF PRO), in:
Europace, 21, S. 41-47.
14 Vgl. AUC-Klassifikation gem. Šimundić AM
(2009): Measures of diagnostic accuracy: basic
definitions, in: EJIFCC, 19, S. 203-211 i. V. m. der
gemessenen Fläche unter der Grenz wert-
optimierungskurve (AUC under ROC-curve)
gem. Krivoshei L, Weber S, Burkard T et al.
(2017): Smart detection of atrial fibrillation, in:
Europace, 19, S. 753-757.
15 I. d. R. bei einem Facharzt für Innere Medizin
und Kardiologie.
16 Hierbei handelt es sich um den „Goldstan-
dard“ zur VHF-Abklärung i. S. d. Leitlinien der
europäischen Gesellschaft für Kardiologie. Vgl.
hierzu auch Hindricks G, Potpara T, Dagres N
et al. (2021): 2020 ESC Guidelines for the diag-
nosis and management of atrial fibrillation
developed in collaboration with the European
Association for Cardio-Thoracic Surgery
(EACTS): The Task Force for the diagnosis and
management of atrial fibrillation of the Euro-
pean Society of Cardiology (ESC) Developed
with the special contribution of the European
Heart Rhythm Association (EHRA) of the ESC,
in: Eur Heart J, 42, S. 373-498.
17 Ärzteblatt v. 27.01.2020: Wartezeit auf Fach-
arzttermin im Schnitt mehr als drei Wochen;
PraktischArzt v. 21.12.2018: Wartezeit Arztter-
min – bei diesen Ärzten dauert es am längs-
ten.
18 Vgl. hierzu und zum Folgenden: Hindricks G,
Potpara T, Dagres N et al. (2021): 2020 ESC
Guidelines for the diagnosis and manage-
ment of atrial fibrillation developed in collab-
oration with the European Association for
Cardio-Thoracic Surgery (EACTS): The Task
Force for the diagnosis and management of
atrial fibrillation of the European Society of
Cardiology (ESC) Developed with the special
contribution of the European Heart Rhythm
Association (EHRA) of the ESC, in: Eur Heart J,
42, S. 373-498.
19 Vgl. Birkemeyer R, Müller A, Wahler S, von der
Schulenburg JH (2020): A cost-effectiveness
analysis model of Preventicus atrial fibrillation
screening from the point of view of statutory
health insurance in Germany, in: Health Eco-
Welt der Krankenversicherung 12/2021 • 309
Florian Brandt, Marc Kreiser, Oliver Harks
Gesundheitsökonomische
Implikationen
Der Schlaganfall ist eine Hauptursache
für erworbene Behinderungen im Er-
wachsenenalter, was sich belastend auf
die Sozialversicherungssysteme und
auch die volkswirtschaftliche Gesamt-
produktivität auswirkt. Hinzu kommen
die direkten Kosten der notwendigen
medizinischen Behandlung, z. B. für
Krankenhausbehandlungen, ambulant-
ärztliche Versorgungsleistungen oder
Arzneimittel. Diese liegen im deutschen
Durchschnitt bei etwa 43.200 Euro.20
Eine Übersichtsarbeit zur diesbezügli-
chen Studienlage kommt sogar zu dem
Schluss, dass sich die mit dem ischämi-
schen Schlaganfall assoziierten, diskon-
tierten Lebenszeitkosten auf durch-
schnittlich 51.800 Euro belaufen.21 Dem-
gegenüber stehen in einem gesund-
heitsökonomischen Kosten-Nutzen-Ver-
gleich insbesondere die folgenden Kos-
ten:
− RhythmusLeben-Programmkosten:
45,22 Euro p. a. für die App-Nutzung
(inkl. ggf. notwendiger telekardiolo-
gischer Ergebnisverifizierung durch
die Herzklinik Ulm zzgl. einmalig
297,50 Euro für das 14-Tage-EKG (inkl.
Vergütung der ärztlichen Leistung
und nur bei auffälligem App-Scree-
ning-Ergebnis).
− Kosten der OAK (nur bei ggf. frühzei-
tiger VHF-Erkennung): Gem. Lauer-
taxe jährlich zwischen 28,81 Euro
(VKA) und 1.081,16 Euro (NOAK), je
nach Medikament und Dosierung.22
Im Durchschnitt werden jährliche
Kosten von ca. 800 Euro angenom-
men (ohne Berücksichtigung von et-
waigen Rabatten).23
Für eine App-Nutzung ist eine empi-
risch fundierte Zielgruppendefinition
von besonderer Wichtigkeit. Ansonsten
können die Programmkosten so hoch
liegen, dass die Programmkosten, ins-
besondere für die App-Nutzung, so
hoch werden, dass diese durch den
„ROI“ nicht mehr (über-)kompensiert
werden können. Zudem würde die,
wenn auch relativ geringe, Falsch-Posi-
tiv-Rate entsprechend stärker ins Ge-
wicht fallen. Das RhythmusLeben-Pro-
gramm richtet sich daher speziell an Ri-
sikopatienten (Alter ≥ 65 Jahre oder ≥
55 Jahre und zwei Risikoerkrankungen
(z. B. Bluthochdruck oder Diabetes)), die
nicht bereits unter OAK-Therapie ste-
hen. Eine gesundheitsökonomische
Modellrechnung kam unter den gege-
benen Bedingungen zu dem Ergebnis,
dass bei einer Kohorte von 10.000 „typi-
schen“ Nutzern, 60 Schlaganfälle in der
Lebenszeitbetrachtung, bzw. 32 Schlag-
anfälle innerhalb von vier Jahren, ver-
hindert und darüber hinaus ein Einspar-
potenzial in der GKV von durchschnitt-
lich 129 Euro pro Teilnehmer (diskon-
tiert über die Lebenszeit) im Vergleich
zur Nichtdurchführung des Versor-
gungsprogramms bzw. Regelversor-
gung realisiert werden kann.24
Fazit und praktische Umsetzung
Viele Schlaganfälle können durch eine
frühzeitige Diagnose und Therapie von
VHF verhindert werden. Die reguläre
VHF-Diagnostik ist jedoch zu aufwändig
für großangelegte Screenings und zu-
dem nicht effektiv, insbesondere wenn
VHF nur sporadisch auftritt. Das Versor-
gungsprogramm „RhythmusLeben“ bie-
tet für dieses Problem eine innovative
Lösung, deren zentrale Bestandteile
eine klinisch validierte Screening-App
(Preventicus Heartbeats), ein ange-
schlossenes telemedizinisches Zentrum
(Herzklinik Ulm) sowie ein ärztlich be-
gleitetes 14-Tage-EKG sind. Das 14-Tage-
EKG wird hierbei nur im Falle einer auf-
fälligen App-Messung (Verdachtsdiag-
nose) durchgeführt, die von der Herzkli-
nik Ulm telekardiologisch verifiziert
wurde. Sofern sich der VHF-Verdacht
bestätigt, kann die notwendige Thera-
pie zur Schlaganfallprophylaxe eingelei-
tet werden. Eine differenzierte gesund-
nomics Review, 10:16. Vgl. hierzu weiter-
führend: Hart RG, Pearce LA, Aguilar MI (2007):
Meta-analysis: antithrombotic therapy to pre-
vent stroke in patients who have nonvalvular
atrial fibrillation, in: Ann Intern Med, 146, S.
857–867; López-López JA, Sterne JAC, Thom
HHZ et al. (2017): Oral anticoagulants for pre-
vention of stroke in atrial fibrillation: system-
atic review, network meta-analysis, and cost
effectiveness analysis, in: BMJ, 359, j5058.
20 Vgl. Birkemeyer R, Müller A, Wahler S, von der
Schulenburg JH (2020): A cost-effectiveness
analysis model of Preventicus atrial fibrillation
screening from the point of view of statutory
health insurance in Germany, in: Health Eco-
nomics Review, 10:16.
21 Vgl. Düvel JA, Damm O, Greiner W (2018):
PCV55 – Economic burden of stroke in Ger-
many: A systematic review, in: Value in Health,
21:S101.
22 Vgl. KBV (2020): Direkte Orale Antikoagulan-
zien – Nicht valvuläres Vorhofflimmern, in:
WirkstoffAktuell, 06/2020.
23 Vgl. Birkemeyer R, Müller A, Wahler S, von der
Schulenburg JH (2020): A cost-effectiveness
analysis model of Preventicus atrial fibrillation
screening from the point of view of statutory
health insurance in Germany, in: Health Eco-
nomics Review, 10:16. Birkemeyer et al. neh-
men aufgrund auslaufender Patente überdies
eine Reduktion der NOAK-Kosten auf 55 %
des aktuellen Niveaus an.
24 Vgl. ausführlich zur Berechnung sowie den
dort getroffenen Annahmen: Birkemeyer R,
Müller A, Wahler S, von der Schulenburg JH
(2020): A cost-effectiveness analysis model of
Preventicus atrial fibrillation screening from
the point of view of statutory health insur-
ance in Germany, in: Health Economics Re-
view, 10:16.
heitsökonomische Modellrechnung
kommt zu dem Ergebnis, dass das Ver-
sorgungsprogramm insgesamt zu Ein-
sparungen in der GKV führt.
Das Versorgungsprogramm „Rhyth-
musLeben“ wurde von der PREVENTI-
CUS GmbH, der GWQ ServicePlus AG
und der IKK Südwest initiiert. Es ist in ei-
nem Selektivvertrag nach § 140 |a SGB V
normiert, dem bundesweit alle gesetzli-
chen Krankenkassen über die GWQ Ser-
vicePlus AG beitreten können, um ihren
Versicherten eine entsprechende Be-
handlung zu ermöglichen und die sys-
temweite Präventionswirkung zu stär-
ken. n