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Rechte Mobilisierung durch soziale Medien: Die „Freien Sachsen“ und die Covid-Pandemie

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Abstract

Rechte Bewegungen und Parteien nutzen sozialen Medien gezielt und fast virtuos, vergleicht man sie etwa mit den herkömmlichen Parteien. Die Erstürmung des Kapitols in den USA kann als ein Fanal für die Rolle sozialer Medien für die Mobilisierung rechter Bewegungen gelten. Aber auch die rechtsextremen Ausschreitungen von Chemnitz 2018 oder die Terroranschläge von Christchurch, Halle oder Hanau zeigen, wie mediale Mechanismen zur Mobilisierung rechter Akteure beitragen und wie diese Hasskulturen auch zu realen Taten führen können. Medien sind zwar nicht die Ursache dieser Bewegungen, aber sie bieten Möglichkeiten, Wirkungen zu erzielen, die in einer analogen Welt in dieser Wucht nicht möglich waren. Die „Freien Sachsen“ mobilisieren über ihren Telegram-Kanal sogenannte „Spaziergänge“ an einer Vielzahl von Orten in ganz Sachsen, relativ flexibel, ohne dafür einen großen logistischen oder finanziellen Aufwand betreiben zu müssen. Die potentiellen Teilnehmer:innen sind lose organisiert über den Telegram-Kanal, dem jede/r problemlos mit einem Klick beitreten kann. Inzwischen erreichen die Betreiber mit ihrem Kanal fast 150 000 Abonnenten, dazu kommen potentielle User:innen, die über das Teilen mit anderen Personen oder Gruppen erreicht werden können. Darunter ist eine Vielzahl von Kanälen, die selbst wiederum Zehntausende von Usern aufweisen. Wie schon bei den Ereignissen von Chemnitz 2018 werden Social Media-Kanäle gezielt zur Mobilisierung genutzt. Protest und Hass, die sich im Netz aufschaukeln, finden ihren Weg wortwörtlich auf die Straße. Im vorliegenden Beitrag wird ein Blick auf die Social Media-Aktivitäten der Kleinstpartei „Freie Sachsen“ geworfen, um ihre Medienstrategie nachzuzeichnen und in den Kontext strategischer Nutzung neuer sozialer Medien durch rechte Akteure einzuordnen.
1
Working Paper (Stand 31.1.2022) Institut für Soziologie, TU Chemnitz
Rechte Mobilisierung durch soziale Medien: Die „Freien Sachsen“
und die Covid-Pandemie
Susanne Rippl
1. Einleitung
Rechte Bewegungen und Parteien nutzen sozialen Medien gezielt und fast virtuos,
vergleicht man sie etwa mit den herkömmlichen Parteien. Die Erstürmung des Kapitols
in den USA kann als ein Fanal für die Rolle sozialer Medien für die Mobilisierung
rechter Bewegungen gelten. Aber auch die rechtsextremen Ausschreitungen von
Chemnitz 2018 oder die Terroranschläge von Christchurch, Halle oder Hanau zeigen,
wie mediale Mechanismen zur Mobilisierung rechter Akteure beitragen und wie diese
Hasskulturen auch zu realen Taten führen können.
Medien sind zwar nicht die Ursache dieser Bewegungen, aber sie bieten
Möglichkeiten, Wirkungen zu erzielen, die in einer analogen Welt in dieser Wucht nicht
möglich waren. Die „Freien Sachsen“ mobilisieren über ihren Telegram-Kanal
sogenannte „Spaziergänge“
1
an einer Vielzahl von Orten in ganz Sachsen, relativ
flexibel, ohne dafür einen großen logistischen oder finanziellen Aufwand betreiben zu
müssen. Die potentiellen Teilnehmer:innen sind lose organisiert über den Telegram-
Kanal, dem jede/r problemlos mit einem Klick beitreten kann. Inzwischen erreichen die
Betreiber mit ihrem Kanal fast 150 000 Abonnenten, dazu kommen potentielle
User:innen, die über das Teilen mit anderen Personen oder Gruppen erreicht werden
können. Darunter ist eine Vielzahl von Kanälen, die selbst wiederum Zehntausende
von Usern aufweisen.
1
Die unangemeldeten Demonstrationen werden als „Spaziergänge“ bezeichnet, um sich strafrechtlichen Konsequenzen zu entziehen. Bei
der Ankündigungen der Spaziergänge wird explizit darauf verwiesen, dass man selbst nicht Organisator sei, sondern jeweils Bürger:innen
vor Ort.
2
Wie schon bei den Ereignissen von Chemnitz 2018 werden Social Media-Kanäle
gezielt zur Mobilisierung genutzt. Protest und Hass, der sich im Netz aufschaukelt,
findet seinen Weg wortwörtlich auf die Straße.
Im vorliegenden Beitrag wird ein Blick auf die Social Media-Aktivitäten der Kleinstpartei
„Freie Sachsen“ geworfen, um ihre Medienstrategien nachzuzeichnen und in den
Kontext strategischer Nutzung neuer sozialer Medien durch rechte Akteure
einzuordnen.
2. Wer sind die „Freien Sachsen“? Akteure und Programm
Die „Freien Sachsen“ sind eine Kleinstpartei, die im Februar 2021 gegründet wurde,
mutmaßlich mit dem Motiv einem potentiellen Verbot zu entgehen, da die Regelungen
für Parteiverbote deutlich schärfer ausfallen als für andere politische
Zusammenschlüsse. Bereits im Juni hat das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV)
Sachsen die »Freien Sachsen« als Partei mit erwiesen rechtsextremistischen
Bestrebungen eingestuft
2
. Der Vorstand der Partei setzt sich aus bekannten
Rechtsextremisten aus dem Raum Chemnitz und dem Erzgebirgskreis zusammen,
dazu gehören Martin Kohlmann, Vorsitzender und Chemnitzer Rechtsanwalt und
Robert Andres (Schatzmeister), beide führende Mitglieder der ebenfalls
rechtsextremen Bürgerbewegung Pro Chemnitz2. Pro Chemnitz und insbesondere
Martin Kohlmann mobilisierten 2018 maßgeblich im Kontext der rassistischen
Ausschreitungen von Chemnitz. Zudem gehört zum Vorstand Stefan Hartung, ein
langjähriges und politisch engagiertes NPD-Mitglied. Zweiter stellvertretender
Parteivorsitzender der Freien Sachsen ist der Reiseunternehmer Thomas Kaden, der
im Zusammenhang mit Querdenker- und anderen verschwörungsideologischen
Veranstaltungen als Aktivist und Busunternehmer auftrat. Zum engeren Kreis gehört
auch der nordrhein-westfälische Neonazi Michael Brück. Der aus Dortmund
übergesiedelte Brück war stellvertretender Landesvorsitzender der neonazistische
Kleinstpartei Die Rechte in NRW. Er ist in der Anwaltskanzlei von Kohlmann
angestellt und befasst sich aktuell mit Medienarbeit für die Freien Sachsen“. Schon
die personelle Aufstellung verrät, dass man sich ganz explizit rechts neben der AfD
platzieren möchte. Ziel ist die Sammlung rechter Bewegungen in der Region.
„Zielstellung ist eben nicht, eine weitere politische Organisation als Konkurrenz zu
2
https://www.verfassungsschutz.sachsen.de/download/Freie_Sachsen_vom_LfV_Sachsen_als_rechtsextremistische_Bestre
bung_eingestuft.pdf; im Januar 2022 folgt das Bundesamt für Verfassungsschutz der Einschätzung und misst der
Kleinstpartei überregionale Bedeutung bei
3
bereits Bestehenden zu sein, sondern allen bestehenden Gruppen und auch einzelnen
Aktivisten ein gemeinsames Dach zu bieten, unter dem die Kräfte wirkungsvoll
gebündelt und Aktivitäten (z.B. Demonstrationen, Netz- und Öffentlichkeitsarbeit)
koordiniert werden … Niemand muss mit seiner bisherigen Gruppe, Partei oder Verein
brechen Doppelmitgliedschaften sind möglich und erwünscht!“
3
. Stefan Hartung
verkörpert in diesem Kontext den Schulterschluss mit der NPD. Ziele sind unter
anderem die Besetzung von Bürgermeister- oder Landratspositionen, die im Juni 2022
in Sachsen neu zu besetzen sind
4
. Hierzu wird eigens ein Leitfaden auf der Homepage
bereitgestellt.
Zentrales Mobilisierungsthema ist die Kritik an den staatlichen Corona-Maßnahmen.
Ähnlich wie Pegida wird versucht, über ein in der Gesellschaft verbreitetes Unbehagen
gegenüber dem Krisenmanagement der Regierung Stimmung zu machen. Durch
sichtbare Aktionen und Demonstrationen wird mediales Aufsehen erreicht.
Programmatisch ist die Partei aber breiter aufgestellt. Volkstümlicher Ankerpunkt ist
wie im Namen angedeutet - die Forderung nach mehr Autonomie für Sachsen, für eine
Stärkung der sächsischen Heimat. Man „bekennt sich zur deutschen Nation, betrachtet
aber die derzeitige, staatliche Organisationsstruktur der Bundesrepublik Deutschland
kritisch“
5
. So tauchen an verschiedenen Stellen im „Programm“
6
Forderungen auf, die
die vorhandene staatliche Ordnung grundsätzlich in Frage stellen. Zum Beispiel soll
„Die Sächsische Regierung (soll) freiwillige Zusammenschlüsse von Sachsen zur
gemeinsamen Aufrechterhaltung der Sicherheit fördern“. Desweiteren soll der Einfluss
Westdeutscher zurückgedrängt werden, ein emotional besetztes Thema. Diese seien
„geregelt in ihre Heimatländer zurückzuführen“
7
. Wirtschaftlich wird ein schwacher
Staat gefordert: „Grundsätzlich hat sich der Staat aus den Angelegenheiten der kleinen
und mittelständischen Unternehmen herauszuhalten“
8
. Ähnlich sollen staatliche
Sicherungssysteme weitgehend abgebaut werden und der Eigenverantwortung der
Bürger übergeben werden. Es finden sich auch skurrile Aussagen, wie die Forderung:
„Das sächsische Königshaus ist bei der Gestaltung der Zukunft Sachsens
angemessen einzubinden“. Das Wappen der „Freien Sachsen“ ist dementsprechend
das des Königreichs Sachsen. Paradox erscheint die Hinwendung zu autoritären
3
https://freie-sachsen.info
4
https://freie-sachsen.info/2021/leitfaden-buergermeisterwahlen/
5
https://freie-sachsen.info/wofuer-wir-stehen/
6
Siehe FN 5
7
Siehe FN 5
8
Siehe FN 5
4
staatlichen Systemen wie auch der Visegard-Staaten etwa oder Russland bei
gleichzeitiger Kritik am angeblich „undemokratischen“ Staat in Deutschland.
Gegenüber der Einwanderungspolitik wird die Forderung geäußert: „Die durch den
Merkelschen Rechtsbruch ausgelöste demographische Katastrophe ist unabhängig
davon rückgängig zu machen“. Ohne die Begrifflichkeiten zu verwenden, wird hier klar
auf das Narrativ der „Umvolkung“ angespielt mit der Forderung der Rückführung von
Migrant:innen.
Mit der Offenheit gegenüber allen rechten Akteuren in Sachsen, positioniert man sich
klar rechts der AfD. Mit der Organisation der „Spaziergänge“, denen eine Vielzahl
unterschiedlichster Personen bis in die Mitte der Gesellschaft problemlos folgen,
gelingt es Rechtsextremismus und rechtsextreme Akteure erfolgreich in der
sächsischen Gesellschaft zu platzieren und zu normalisieren.
3. Soziale Medien als Mobilisierungsmaschine
Digitale Möglichkeiten der Kommunikation und der Verbreitung von Nachrichten haben
die potentielle Reichweite und die Effekte von Aktivitäten zahlenmäßig kleinerer
Gruppierungen oder gar einzelner Akteure enorm verändert (Rippl/Seipel 2022).
Jede/r kann potentiell Autor:in sein, klassische Gatekeeper-Funktionen etwa von
Journalisten fallen auf Social Media Plattformen praktisch weg der Moderation durch
die Betreiber der Plattformen gelingt es kaum, Inhalte zu kontrollieren, die z.B. hate
speech oder verfassungsfeindliche Inhalte verbreiten. Neben dieser Veränderung auf
der Angebotsseite haben sich auch die verbreiteten Inhalte und die damit verknüpften
Merkmale verändert (vgl. Sponholz 2019, 2021). Auf den Internet-Plattformen
existieren Möglichkeiten z.B. durch Likes, Kommentare, Sharing-Funktionen, Emojis
oder die Verwendung von Hashtags mit den Inhalten zu interagieren, wodurch
potentiell Schwarmeffekte entstehen können. Es kann zur viralen Verbreitung von
Informationen unabhängig von deren Quelle kommen, insbesondere emotional negativ
aufgeladene Informationen werden durch diese Logiken oder durch die Algorithmen
einiger Plattformen verstärkt, wodurch Crowd-Effekte entstehen. Da die Nutzer:innen
nur lose sprich virtuell verknüpft sind und die Vernetzung nicht über feste
Mitgliedsstrukturen strukturiert ist, können potentiell sehr viele Menschen erreicht
werden.
5
Die verschiedenen Plattformen und Messenger-Dienste lassen sich je verschiedenen
Zonen des Internets zuordnen, die sich in ihrer öffentlichen Sichtbarkeit, ihrer
Exklusivität und im Maß der Kontrolle oder Moderation unterscheiden und
dementsprechend unterschiedliche Funktionen erfüllen. Weniger sichtbare und kaum
kontrollierte Dienste dienen meist der internen Vernetzung einer bereits homogeneren
Nutzerschaft. Hier spielt der Aspekt der Organisation und Vernetzung eine wichtige
Rolle oder auch der Rekrutierung neuer Mitglieder und letztlich der Selbststärkung und
Selbstvergewisserung durch geteiltes Wissen und geteilte Wahrheiten. Dienste wie
Telegram oder die Microblogging-Plattform Gettr, die von den „Freien Sachsen“
genutzt werden, erfüllen diese Funktionen. In diesen Zonen des Netzes ist von Echo-
Kammer-Effekte auszugehen, da der Nutzer:innenkreis zunehmend homogener wird,
es somit wenig Gegenrede und Irritation gibt und Selbst-Verstärkungseffekte auftreten.
So entstehen virtuelle Communities, die Identität stiften, die eigene Sicht der Dinge
bestärken und für die User:innen als positive Gemeinschaft wahrgenommen werden.
Seemann (2017) spricht in diesem Zusammenhang von einem „digitalem Tribalismus“.
Das Thema aktuell die Corona-Pandemie und der korrupte Staat sind Dreh- und
Angelpunkt des Stammes und gleichzeitig das wesentlichste Abgrenzungsmerkmal
zum „Mainstream“, demgegenüber er sich häretisch verhält. Dadurch wird eine starke
Kohäsion und Homogenisierung nach innen erwirkt, aber vor allem eine starke
Abgrenzung nach außen (Seemann 2017). Fake News sind quasi der „Nährstoff“, das
Schmiermittel dieser „Stämme“, da sie ein wichtiges Abgrenzungsmittel darstellen, da
man nur selbst als virtuelle Gemeinschaft Kenntnis von „den wahren Hintergründen“ –
den Absichten etwa der Pharma-Lobby oder den autoritären Absichten von „denen da
Oben“.
Fielitz und Marcks (2019, 2020) unterscheiden zwei Phänomenbereiche: zum einen
organisierte Aktivitäten rechter Bewegungen, hier wird das Netz strategisch genutzt
und zum anderen emergente Phänomene, die sich aus der Struktur und der Dynamik
des Netzes selbst ergeben. Diese werden nicht direkt gesteuert, stehen aber dennoch
mit den Aktivitäten rechter Akteure im Netz in Zusammenhang. Im Bereich politischer
„Organisation“ gewinnt diese indirekte digitale Kommunikation auf Basis lockerer
Verbindungen (weak ties) ohne formale Mitgliedschaften und geteilte
Weltanschauungen an Bedeutung. Das sich hieraus entwickelnde Handeln wird als
„connective action“ bezeichnet (Bennett/Segerberg 2012; Sponholz 2019, 2021).
Diese Mobilisierungsform beruht auf Interaktionen anhand einzelner Streitfragen
6
(issues) im Netz. Es bedarf dazu keiner geteilten Weltanschauung, sondern allein eine
gemeinsame Betroffenheit bezogen auf ein Thema. Eine Mischung strategisch
platzierte Inhalte im Netz, verbunden mit daraus folgenden Effekten lässt sich für die
Telegramaktivitäten der „Freien Sachsen“ beobachten. Ein Großteil der
Posts/Aktivitäten stammen vom Betreiber des Kanals, wobei primär das Themenfeld
„Corona“ im Fokus steht. Neben der Skandalisierung von Polizeieinsätzen werden
„Spaziergänge“ „dokumentiert und Termine „weitergegeben“. Hierbei wird immer
darauf verwiesen, dass man selbst kein Organisator der Spaziergänge sei, vielmehr
seien es Bürger vor Ort, die diese „Spaziergänge“ organisieren. Zitat: „Verantwortlich
sind jeweils Bürger vor Ort, wir stellen eine Zusammenfassung zur Verfügung, sind
aber nicht Organisator der Versammlungen bzw. „Spaziergänge“. Es wird suggeriert
es handele sich um eine reine Bürgerbewegung, wobei die Aktivitäten bekannter
Rechtsextremisten im Umfeld der jeweiligen Demonstrationen auf eine Vernetzung
und strategische Nutzung des Telegram-Kanals mit seinen Untergruppen schließen
lässt. Emergente Effekte ergeben sich durch die breite digitale Verteilung der
Information weit über die bescheidene Mitgliederzahl der Partei „Freie Sachsen“
hinaus. Der Telegramkanal der „Freien Sachsen“ hat kontinuierlich Abonnent:innen
hinzugewonnen (aktuell Ende Januar 2022 fast 150000). Insbesondere seit der
Verschärfung der Corona-Verordnung in Sachsen im Herbst 2021 folgten mehr
Personen dem Kanal. Bei allen anderen Netzauftritten der Freien Sachsen etwa auf
der Homepage, auf Facebook, Gettr oder Youtube wird aktiv für den Kanal geworben.
Inwieweit es sich bei den Followern allerdings tatsächlich um Sachsen handelt, ist
offen, da die Herkunft der User:innen nicht belegbar ist. Dennoch wird von Seiten der
„Freien Sachsen“ darauf hingewiesen man hätte 3-4 Prozent der Sachsen mobilisiert
was immer noch weit unter einer gefühlten Mehrheit“ liegt. Vergleicht man die Zahl
der Follower allerdings mit den Kanälen anderer politischer Parteien in Sachsen sind
die Nutzerzahlen dort deutlich geringer. Aus dieser Perspektive muss man durchaus
von einer sehr erfolgreichen Mobilisierung sprechen (vgl. Abb. 1). Zudem gibt es
zahlreiche regionale Ableger des Hauptkanals, denen wiederum tausende User:innen
folgen (vgl. Abb. 2). Es ist allerdings davon auszugehen, dass sich die User:innen
deutlich überschneiden. Inwieweit es sich insgesamt auf den verschiedenen Kanälen
um reale Follower handelt, ist schwer zu prüfen.
7
Abbildung 1: Follower des Telegram-Kanals „Freie Sachsen“
Quelle: https://tgstat.com/channel/@freiesachsen (Zugriff 27.1.2022)
Abbildung 2: Regionale Kanäle der Freien Sachsen
Quelle: Telegram-Kanal „Freie Sachsen“, 3.1.2022
Verfolgt man die Posts, die im Januar veröffentlicht wurden, zeigt sich zahlenmäßig,
dass insbesondere in der Phase der sogenannten „Spaziergänge“ (montags und
dienstags) besonders viele Beiträge gepostet werden (vgl. Abb. 3).
8
Abbildung 3: Posts im Januar
Quelle: https://tgstat.com/channel/@freiesachsen (Zugriff 27.1.2022)
Insgesamt wurden im Januar 2022 ca. 100 Posts pro Woche veröffentlicht, man kann
also von einer hohen Aktivität sprechen.
Hauptthemen dieser Posts sind die Corona-Mnahmen, die Impfthematik und der
„Widerstand“ in Form der sogenannten „Spaziergänge“. Nur sehr vereinzelt finden sich
thematisch andere Posts, etwa zum Thema Ukraine, so wird in einem Post am 23.1.
2022 die Forderung „Raus aus der Nato“ erhoben, wobei US-Präsident Biden als
Organisator des Konfliktes bezeichnet wird. Der Großteil der Posts besteht aus Videos
und Kommentaren zu den sogenannten Spaziergängen. Es wird gezielt und
permanent eine Vielzahl von Videos aus verschiedensten Orten in Sachsen quasi in
Reihe gepostet, womit der Eindruck einer landesweiten Massenbewegung entsteht.
Es wird zudem suggeriert, dass die Medien gezielt niedrigere Zahlen als die
tatsächlichen berichten.
Das ist der Hauptcontent des Kanals. Es finden sich auch Weiterleitungen anderer
Seiten, wobei die größten Anteile hier vom rechten Kanal Compact und von der Bild-
Zeitung stammen
9
. Es finden sich auch Vernetzungen zu anderen bekannten rechten
9
https://tgstat.com/channel/@freiesachsen; Zugriff 27.1.2022
9
Akteuren und Seiten wie Sven Liebich, Attila Hildmann, Oliver Janich oder Lutz
Bachmann etc, ebenso zu einer Vielzahl verschwörungstheoretischer Seiten.
Abbildung 4: Hauptinhalt der Posts: die sogenannten „Spaziergänge“
10
Emotionalisierung und Eskalation
Durch das Narrativ des Widerstandes gegenüber einem autoritären, korrupten und
gewalttätigen Regime wird gezielt eine aufgeladene emotionale Stimmung erzeugt.
Bewusst werden immer wieder Bezüge zu 1989 hergestellt. Nicht zufällig finden die
„Spaziergänge“ montags statt und es wird wie 1989 von „Montagsprotesten“
gesprochen. In den Kommentaren unter verschiedenen Posts wird deutlich, wie stark
sich die Follower als Teil einer Widerstandsbewegung und Opfer eines
Unrechtssystems wahrnehmen. Die Bildung einer virtuellen Gemeinschaft, die sich
selbst bestärkt ist hier gut nachzuzeichnen. Es finden sich keinerlei abweichende oder
kritische Kommentare es findet reine Selbstvergewisserung statt. Die Inhalte der
Kommentare folgen einer Logik, die Bucher und Barth (2019) beschrieben haben. Der
Post gibt eine Triggermeldung, die Eskalation findet dann in der
Anschlusskommunikation in den Kommentaren statt (Bucher/Barth 2019; Rippl/Seipel
2022).
Beispiel ist der Post: Lagebesprechung Urban. Polizeigewalt nur Einzelfälle? Vom
27.1. 2022. Hier finden sich verschiedene Kommentare, die sich aus den Narrativen
der neuen Rechten bedienen und Umsturzfantasien beinhalten. Hier seien einige O-
Töne der User-Kommentare dokumentiert dort:
„Das Parteiensystem gehört abgeschafft – ein Souverän muss her AfD Verräter am
Volk. Auch nur politischer Abfall wie die sogenannten Altparteien Blockflötenparteien
Lasst uns den Genozid und den Faschismus stoppen Volksverräter wir müssen
zur Staatskanzlei .. und all diese Handlanger nach Hause schicken darum dürfen wir
uns nach dem Sturz der Faschisten in Berlin kümmern ich fürchte es endet im
Bürgerkrieg. Wird nicht anders gehen dieses System kannst du nicht gewaltfrei
verändern“.
Pörksen und Detel (2012, S. 24) sprechen von „Erregungsgemeinschaften“. Auch
Bucher und Barth (2019) verweisen auf die Bedeutung emotionalisierter
Kommunikation und Eskalationsspiralen im Internet sie zeigen wie die AfD gezielt
Themen emotionalisiert z. B. durch ein spezifisches Framing ihrer Posts auf Facebook,
wobei Ironie und Anspielungen eine besondere Rolle spielen. Durch andeutende
Formulierungen entstehen Anschlussstellen, die von den User:innen durch „emotional“
aufgeladene Kommentare verstärkt werden.
11
Das Narrativ des Widerstandes ist zentral in einer Mehrzahl aller Posts. Man
kennzeichnet sich selbst als „Elite“ von Personen, die die „wahren Hintergründe“
erkannt haben. Das Regime antwortet mit einer „Welle von Gewalt und Brutalität“
(siehe Abb. 5). Immer wieder wird die Unrechtmäßigkeit der staatlichen Ordnung
betont und die Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns als Notwehr stilisiert ähnlich der
Freiheitsbewegung der Ostdeutschen 1989. Auf den Demonstrationen selbst wird
deutlich, dass Gewalt als „Notwehr“ akzeptiert wird.
Abbildung 5: „Spaziergänge“ als Widerstandsbewegung
Die Parallelen die zu 1989 gezogen werden, zeigt auch der Post zur Rede des Vize-
Landrates von Bautzen, der am 26.1. 2022 die Nicht-Durchsetzung der Impfpflicht für
Pflegekräfte in Bautzen verkündete. Dieser Auftritt wird mit der Rede Genschers von
12
Prag 1989 verglichen. Dies wird visuell durch ein Video, das beide Ereignisse zeigt,
unterstützt (vgl. Abb. 6).
Abbildung 5: Rede des Bautzener Vize-Landrats - im Vergleich mit Genscher 1989
Wichtig für die emotionalisierte Kommunikation ist ein klares Feindbild, das auf dem
Kanal der „Freien Sachsen“ zumeist durch den sächsischen Ministerpräsidenten
Kretschmer personifiziert wird. Immer wieder wird gefordert, ihn zu „verhaften“. Er wird
als Despot bezeichnet, der ein autoritäres Regime führe. Im Subtext werden dabei
Parallelen zur NS-Zeit gezogen. So ist die Rede von einer Corona-Staatspolizei, die
kurz „CoStaPo“ genannt wird, wobei die Ähnlichkeit zum Wort „Gestapo“ nicht zu
übersehen ist. Die Polizei wird durchgängig als Miliz bezeichnet, zudem ist von
berüchtigten Kampfeinheiten die Rede. In einem Post vom 4. 1. 2022 wird die
Bezeichnung „Miliz“ ausführlich begründet (vgl. Abb. 6). Die Polizei schütze nicht mehr
die Bürger, sondern diese sei quasi-militärisch ausgerüstet und würden im Innern
13
gegen die Bürger eingesetzt. Der parallele Subtext zu Diktaturen ist nicht zufällig
gewählt.
Abbildung 6: Begründung der „Freien Sachsen“, warum die Polizei als Miliz
bezeichnet wird (4.1.2022)
Entsprechend dieser Sichtweise, dass die Polizei friedliche Bürger angreife, finden
sich immer wieder gepostete „Dokumentationen“ von Polizeigewalt gegen friedliche
Demonstrierende. Diese Posts zielen darauf das Widerstands-Narrativ emotional zu
verstärken. Bezüglich eines Todesfalls bei einem „Spaziergang“ in Bernau wird gezielt
ein Zusammenhang zu Polizeigewalt suggeriert, obwohl die Person gar nicht durch
den Einsatz der Polizei zu Tode kam
10
.
Abbildung 7: Emotionalisierung durch Fake-News und Halbwahrheiten (27.1.2022)
10
https://www.bz-berlin.de/berlin/umland/tod-nach-corona-spaziergang-musiker-boris-pfeiffer-starb-an-herzinfarkt
14
Es finden sich kontinuierlich emotionalisierende Posts, die angebliche Gewalt gegen
friedlich demonstrierende Bürger durch die Polizei zeigen und die Rechtswidrigkeit
dieser Einsätze suggerieren (vgl. Abb. 8). Es wird teilweise der Eindruck
bürgerkriegsartiger Situationen erweckt. Das Szenario eines Staates der
unrechtmäßig gewaltsam gegen seine Bürger vorgeht ist geeignet medial
Gegengewalt zu legitimieren.
Abbildung 8: Emotionalisierende Posts zu Polizeigewalt
15
4. Fazit
Die „Freien Sachsen“ zeigen beispielhaft wie rechte Akteure soziale Medien effektiv
und geschickt nutzen, um Mobilisierung zu betreiben und wie sie dabei weit in die
Gesellschaft vordringen. Die Menschen die den „Freien Sachsen“ sympathisieren oder
sich an „Spaziergängen teilnehmen tolerieren zumindest, dass es sich um einen
rechtsextremen Akteur handelt, dessen Fahne sie vor sich tragen.
Die Merkmale digitaler Kommunikation tragen dazu bei, die Vernetzung und
Ausbreitung einer personell kleinen Bewegung zu beschleunigen und weit in
unterschiedlichste Gruppen der Gesellschaft zu tragen. Der finanzielle und logistische
Aufwand ist denkbar gering. Die Verknüpfung geschieht über lose Netzwerke und
mehr oder weniger anonym. Die User-Namen in den Netzwerken müssen keine
Klarnamen sein. Gezielt werden Social Media-Kanäle wie Telegram oder Gettr
genutzt, die wenig bis keine Moderation durchführen und sich staatlichem Zugriff
entziehen. Die Schwelle sich einer solchen digitalen Bewegung zumindest
anzuschließen ist gering. Der gepostete Inhalt dient der weiteren emotionalen
Mobilisierung. Hintergrundnarrativ der Posts ist ein Szenario, nachdem die
Teilnehmer:innen der „Spaziergänge“ sich als Widerstandskämpfer:innen fühlen
können, die gegen eine diktatorische Staatsmacht auf die Straße gehen. Dabei werden
immer wieder Parallelen zum Jahr 1989 und zur DDR-Diktatur gezogen, vereinzelt
auch zur NS-Diktatur. Emotionalisiert wird durch das Subnarrativ der Polizeigewalt
16
gegen friedlich demonstrierende Bürger und Bürgerinnen. Der Polizei und der
sächsischen Regierung wird Rechtsbruch unterstellt und es wird juristische
Hilfestellung bei möglichen gerichtlichen Verfahren angeboten. Der Kanal weist eine
hohe Homogenität der Inhalte auf, besonders das Widerstandsnarrativ regt dazu an,
dass Menschen sich als Gemeinschaft fühlen, die sich gegen einen äußeren Feind
verteidigen müssen. Ein Mechanismus der nach Innen stärkt. Widerspruch findet auf
diesen Kanälen nicht statt. Reposts beziehen sich auf einen engen Kreis von anderen
Medien, die keine abweichenden Informationen enthalten. Auch in den Kommentaren
findet sich kein Diskurs, sondern emotionalisierte Selbstbestätigung bis hin zu
Umsturzphantasien. Ohne dass in den Posts selbst ein Umsturz offen angesprochen
wird, haben die verwendeten Begrifflichkeiten einen klaren Subtext, wenn von
Despoten, einem autoritären Regime, Milizen und Widerstand die Rede ist. Hier ist es
nicht schwer die implizite Stoßrichtung der Aktionen zu deuten, die den Akteur:innen
quasi nahegelegt wird. Entsprechende Anschlusskommunikation wird in den
Kommentaren so angestoßen. Es stellt sich die Frage, was dem Widerstand folgen
soll, wenn er sich - wie suggeriert - gegen ein Unrechtsregime wendet? Auch wenn die
weiteren Optionen nicht ausgesprochen werden.
Auf den Spaziergängen und im Netz sammeln sich Personen mit einer großen Distanz
zur existenten staatlichen Ordnung Personen, die sich klar rechts der AfD
positionieren gemischt mit Menschen, die damit zumindest kein Problem haben. In
vielen Kommentaren wird die AfD als schwach und ähnlich den anderen Parteien
gesehen. Die Corona-Pandemie fungiert dabei als Aufhänger für die Mobilisierung
eines Wutbürgertums, das sich zu großen Teilen grundsätzlich gegen den Staat
positioniert, ein Milieu, das sich nicht erst seit der Pandemie in Sachsen ausbreitet.
Ein hierfür empfängliches Milieu findet sich in den ländlichen Regionen, wie es sich in
den stabilen Wahlergebnissen für rechte Parteien immer wieder manifestiert hat. Die
„Freien Sachsen“ orchestrieren diese Sammlung. Hier verfängt die Botschaft der
„Freien Sachsen“ die „Heimat“ zu schützen“ und den Status der Sachsen als einer
besonders freiheitsliebenden Spezies zu zelebrieren. Auftritte sächsischer
Politiker:innen, die auf die Protestierenden zugehen wie der sächsische
Ministerpräsident Michael Kretschmer, der Vize-Landrat von Bautzen oder der
Freiberger Baubürgermeister Reuter bestärken die Akteure in ihrer Agenda. Solche
Auftritte werden als Siege im Netz gefeiert. Wie bereits bei Pegida führt die Strategie
17
des „Zuhörens“ zu einer Stärkung der Bewegung. Die Gefahr von
Radikalisierungsprozesse in solchen Echokammern ist hoch.
Quellen:
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(Hrsg.), Mediale Emotionskulturen (S. 57-81). Bern, Berlin, Bruxelles, New York, Oxford: Peter
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Fielitz, M. & Marck, H. (2019): Digital Fascism: Challenges for the Open Society in Times of Social Media.
Berkeley Center for Right-Wing Studies Working Paper Series. Berkeley, CA: UC Berkeley:
Center for Right-Wing Studies. Online verfügbar unter:
https://escholarship.org/uc/item/87w5c5gp, Zugriff am 30.04.2021
Prksen, B. & Detel, H. (2012): Der entfesselte Skandal. Das Ende der Kontrolle im digitalen Zeitalter.
Kln: Herbert von Halem.
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Sponholz, L. (2019): Hate Speech in Sozialen Medien: Motor der Eskalation? In: H. Friese, M. Nolden &
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Handlungsoptionen (S. 15-37). Wiesbaden: Springer.
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Chapter
Full-text available
HanS-Jürgen bucHer / cHriStof bartH Zwischen Hatespeech und Deliberation: affektive Öffentlichkeiten und politische Kommunikation in den sozialen Medien Die öffentliche Diskussion um Hass-Kommentare im Internet macht deutlich, dass Emo-tionalisierungen ein wesentliches Merkmal politischer Online-Diskurse geworden sind. Da dieser Aspekt in der politischen Kommunikationsforschung bislang eher am Rande behandelt wurde, setzt der Beitrag an dieser Forschungslücke an. Dafür werden erstens die vorhandenen Ansätze zur Erklärung des Zusammenhangs von Emotionen und Medien gesichtet, zweitens wird mit dem Konzept der Emotionalisierung als Diskurspraxis ein analytischer Ansatz eingeführt, der drittens exemplarisch auf Facebook-Diskurse ange-wendet wird.
Article
Full-text available
The Logic of Connective Action explains the rise of a personalized digitally networked politics in which diverse individuals address the common problems of our times such as economic fairness and climate change. Rich case studies from the United States, United Kingdom, and Germany illustrate a theoretical framework for understanding how large-scale connective action is coordinated using inclusive discourses such as “We Are the 99%” that travel easily through social media. in many of these mobilizations, communication operates as an organizational process that may replace or supplement familiar forms of collective action based on organizational resource mobilization, leadership, and collective action framing. in some cases, connective action emerges from crowds that shun leaders, as when Occupy protesters created media networks to channel resources and create loose ties among dispersed physical groups. in other cases, conventional political organizations deploy personalized communication logics to enable large-scale engagement with a variety of political causes. The Logic of Connective Action shows how power is organized in communication-based networks, and what political outcomes may result.
Chapter
Der digitale Medienwandel hat den Begriff und die Gestalt von Hate Speech strukturell verändert. So ist Hate Speech – als bewusste, intentionale Kommunikationsform von Diskriminierung – in den social media nicht nur eine Frage der Inhalte, die von sozialen Akteur*innen produziert werden, sondern das Ergebnis eines soziotechnischen Prozesses. Basierend auf der Theorie der Medienlogik (Dijck und Poell,.Media and Communication 1:2–14, 2013) wird in diesem Aufsatz dargestellt, wie die Dynamik der Online-Netzwerkplattformen Twitter und Facebook verwendet wird, um Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder Behinderung herabzuwürdigen, sie zu diskriminieren und Gewalt gegen diese anzustiften. Hate Speech wird hierbei durch eigene sozialmediale Formate, wie memes oder emojis, aber auch durch network objects wie Hashtags oder Handlungen wie flagging vollzogen. Aus den Interaktionen entstehen wiederum Netzwerke, die zeigen, wie Hate Speech verbreitet wird. Die strukturellen Veränderungen erfordern von Seiten der kommunikationswissenschaftlichen Forschung und der Politik eine Berücksichtigung der Medienlogik der Online-Netzwerkplattformen.