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Group Violence Intervention. Ein geeigneter Ansatz zur Prävention sogenannter „Clankriminalität“?

Authors:
  • State Office of Criminal Investigation, North Rhine-Westphalia, Germany
  • State Office of Criminal Investigation, North Rhine-Westphalia, Germany
  • State Office for Criminal Investigation of North Rhine-Westphalia

Abstract

Bei „Group Violence Intervention (GVI)“ handelt es sich um einen US-amerikanischen Ansatz zur Reduzierung von Gewaltstraftaten durch Gruppen, der zugleich auf Abschreckung und Unterstützungsangebote durch mehrere Akteurinnen und Akteure setzt. Im Rahmen eines Forschungsprojekts untersucht die „Kriminalistisch-Kriminologische Forschungsstelle (KKF)“ des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) die Übertragbarkeit dieses und anderer Ansätze auf das Phänomen der sogenannten „Clankriminalität“.
36 forum kriminalprävention 1/2021
GEWALTPRÄVENTION
Alexander Werner, Kai Seidensticker &
Maximilian Querbach
Bei „Group Violence Intervention (GVI)“ handelt es sich um einen US-ameri-
kanischen Ansatz zur Reduzierung von Gewaltstraftaten durch Gruppen, der
zugleich auf Abschreckung und Unterstützungsangebote durch mehrere Ak-
teurinnen und Akteure setzt. Im Rahmen eines Forschungsprojekts unter-
sucht die „Kriminalistisch-Kriminologische Forschungsstelle (KKF)“ des Lan-
deskriminalamtes Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) die Übertragbarkeit dieses
und anderer Ansätze auf das Phänomen der sogenannten „Clankriminalität“.
Group Violence Intervention
Ein geeigneter Ansatz zur Prävention sogenannter
„Clankriminalität“?
Forschungsprojekt des LK A NRW
Zur Bekämpfung der Kriminalität
großfamiliärer Strukturen (sogenann-
te „Clankriminalität“) werden bisher
insbesondere repressive Strategien
umgesetzt. Die teilweise abgeschot-
teten Strukturen arabischsprachiger
und anderer Großfamilien sind für Au-
ßenstehende nur schwer durchdring-
bar.
1
Somit stoßen herkömmliche Stra-
tegien der Kriminalprävention vielfach
an ihre Grenzen. Es stellt sich die Fra-
ge, welche Ansätze und Konzepte
dazu geeignet sein können, der „Clan-
kriminalität“ präventiv zu begegnen.
In jüngerer Zeit wurden von verschie-
denster Seite Handlungsempfehlun-
gen zur vorbeugenden Bekämpfung
von „Clankriminalität“ entwickelt und
teilweise implementiert. Diese sind
bislang jedoch noch nicht empirisch
fundiert.
Die Kriminalistisch-Kriminologi-
sche Forschungsstelle (KKF) des Lan-
deskriminalamtes Nordrhein-Westfa-
len (LKA NRW) führt daher in einem
durch das Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) ge-
förderten Projekt eine Bestandsauf-
nahme und Analyse nationaler und in-
ternationaler Präventionsansätze im
Zusammenhang mit der Kriminalität
großfamiliärer Strukturen durch. Ers-
te Recherchen ergaben, dass explizi-
te Programme zur Prävention clan-
basierter Kriminalität derzeit nicht
existent sind. Eine Ausnahme bil-
det hier z. B. die NRW-Initiative „Kur-
ve kriegen“, die zwar nicht explizit
clanspezifisch ansetzt, dennoch den
Zugang zu mehreren Kindern und
Eltern aus arabischsprachigen Groß-
familien ermöglichte.
2
Die Erhebung
und Auswer tung der Ansätze erfolgt
mehrstufig in Form von Datenbank-
recherchen, Konzept- und Evaluati-
onsauswertungen, Interviews und
Workshops mit Experten/-innen aus
1 Vgl. Rohe /Jaraba ( 2015), S. 105. 2 IM NRW ( 2020), S. 3.
37
forum kriminalprävention 1/2021
GEWALTPRÄVENTION
Praxis und Forschung sowie einer dar-
auf aufbauenden, Kriterien geleiteten
Analyse hinsichtlich des Erfolgs- und
Übertragbarkeitspotenzials ausge-
wählter Ansätze. Abschließend sollen
aus den daraus gewonnenen Erkennt-
nissen Handlungsempfehlungen und
Präventionsstrategien für die Praxis
entwickelt werden.
GVI-Grundkonzept
Im Zuge der Bestandsaufnahme
potenziell geeigneter internationa-
ler Präventionsansätze wird u. a. das
„Group-Violence-Intervention-Konzept
(GVI) untersucht, das Gruppen anstel-
le von Einzelpersonen adressiert.
Bei GVI handelt es sich um ein krimi-
nalpräventives Konzept, das Mitglie-
der krimineller, insbesondere gewalt-
tätig agierender Gruppen fokussiert
und zugleich auf Abschreckung und
Unterstützungsangebote durch meh-
rere Akteurinnen und Akteure setzt.
Dazu gehören regelmäßig Strafverfol-
gungsbehörden, die Bewährungshilfe,
staatliche und nichtstaatliche soziale
Einrichtungen sowie das soziale Um-
feld der Gruppenmitglieder. Die po-
tenziellen Adressatinnen und Adres-
saten werden zu sogenannten Call-Ins
geladen, in deren Rahmen Sprecherin-
nen und Sprecher der Institutionen
klare Botschaften an die Zielgruppen
artikulieren. Dabei kann es sich um Ap-
pelle, Hilfsangebote oder die Andro-
hung von Sanktionen handeln. Das
Call-In ist das Kommunikationsmedi-
um, um die Zielgruppe zu erreichen,
und das Herzstück von GVI.3 Direkt ad-
ressiert werden dabei einzelne Vertre-
terinnen und Vertreter o. g. Gruppen,
die z. B. Bewährungsauflagen oder der
Führungsaufsicht unterliegen, um bei
Nichteinhaltung von Auflagen oder
Weisungen ggf. mittels Zwangsmaß-
nahmen intervenieren zu können. Die
ausgewählten Gruppenangehörigen
fungieren zudem als Übermittler/-in-
nen der Botschaften, die die Gesamt-
gruppe adressieren.4 Als Erfolgsfaktor
wurde dabei eine unmissverständli-
che und direkte Kommunikation zwi-
schen Akteurinnen und Akteuren und
den Zielgruppen identifiziert.
Pulling Levers Focused
Deterrence Strategy
Auch unter der Bezeichnung Pul-
ling Levers Focused Deterrence Stra-
tegy bekannt, wurde das GVI-Kon-
zept in den USA und anderen Staaten
mehrfach als Grundgerüst für Projek-
te täterorientiert-gruppenbezoge-
ner Kriminalprävention umgesetzt.5
GVI basiert auf dem problem-orient-
ed Policing-Ansatz und konzentriert
die Anstrengungen mehrerer Akteu-
re jeweils auf ein bestimmtes Krimi-
nalitätsproblem bzw. eine konkre-
te Gruppe, die in einem bestimmten
geografischen Raum, z. B. einer Kom-
mune, wiederholt gemeinschaf tlich
straffällig wird. Dabei fokussiert die
Strategie i. d. R. Gewalthandeln aus
der Gruppe. Es existieren allerdings
auch Varianten, die sich auf den ille-
galen Handel mit Betäubungsmitteln
konzentrieren.6
Die Grundstrategie setzt auf einen
präventiven Effekt, indem den Grup-
penmitgliedern konkrete, unmittel-
bare juristische Konsequenzen für die
Begehung weiterer Straftaten ange-
kündigt werden (Deterrence). Dies ge-
schieht in der Annahme, dass die an-
gedrohten negativen Folgen die von
den Gruppenmitgliedern empfun-
denen Vorteile weiterer Delinquenz
überwiegen. Gleichzeitig wird das An-
gebot unterbreitet, denjenigen Grup-
penmitgliedern zu helfen, die bereit
sind, von strafbaren Handlungen ihrer
Gruppe Abstand zu nehmen. Zudem
werden alle Strafverfahren im jewei-
ligen Gruppenkontext bei der Polizei,
der zuständigen Staatsanwaltschaft
und dem Gericht gebündelt und un-
ter Ausschöpfung des strafprozess-
rechtlichen Rahmens priorisiert be-
handelt (Focused). Daneben wird das
Konzept durch weitere Maßnahmen
flankiert. Je nach spezifischem Krimi-
nalitätsphänomen, der Situation der
Gruppenmitglieder oder den einge-
bundenen Akteurinnen und Akteuren
können dies z. B. regelmäßige Meldun-
gen bei Polizeidienststellen, Drogen-
tests, Durchsuchungen, aufsuchende
Sozialarbeit, Nachbarschaftswachen
und -befragungen oder andere lokale
Aktivitäten sein (Pulling Levers).7
Als wesentlicher Bestandteil von
GVI gilt die direkte und regelmäßi-
ge Kommunikation mit dem Gegen-
über, damit sowohl die angedrohten
Konsequenzen als auch die konkreten
Hilfsangebote im Bewusstsein der Ad-
ressatinnen und Adressaten haften
bleiben. Dabei soll transparent und
unmissverständlich kommuniziert
werden, welche Grenzüberschrei-
tungen zu welchen konkreten Kon-
sequenzen führen und welche Per-
sonen bestimmte Hilfsangebote, z. B.
der Suchttherapie, Berufsausbildung,
Arbeit, Wohnungsvermittlung o. a. in
Anspruch nehmen können.
8
Auch für
die Hilfsangebote gilt, auf Basis ver-
traglicher Vereinbarungen zwischen
den Projektpartnern, dass identifizier-
te Gruppenmitglieder von den ent-
sprechenden Trägern priorisiert un-
terstützt werden.9
Schließlich adressiert GVI auch de-
viante Jugendgangs oder organisier-
te Banden. Interventionsmaßnahmen
zielen in der Regel auf eine Gruppe als
Ganzes ab. Da die formelle Sozialkon-
trolle häufig wenig Eindruck auf die
Mitglieder krimineller Gruppen macht,
bezieht GVI regelmäßig deren soziales
Umfeld, wie Familienangehörige, Le-
benspartnerinnen und Lebenspartner
oder andere Teile der Community, mit
ein, um die auf die Gruppenmitglieder
ausgeübte, informelle Sozialkontrolle
zu erhöhen und durch die Sichtbarma-
chung der Kooperation mit dem sozia-
len Umfeld die Legitimität staatlicher
Akteurinnen und Akteure zu stärken.
10
Das Wunder von Boston
Das GVI-Konzept entstand im Rah-
men des Boston Gun Project in den
1990er-Jahren und war auf die Präven-
tion von Schusswaffengewalt durch
Straßengangs ausgerichtet. Entwi-
ckelt wurde es mithilfe von Wissen-
schaftlerinnen der Harvard Universi-
ty und erhielt in seiner ersten Form
den Namen Operation Ceasefire.11 Auf-
grund seines mutmaßlich herausra-
genden Er folges wurde das Projekt
auch außerhalb der USA als das „Bos-
ton Miracle“ bekannt.12
Die Evaluation des Projektes be-
scheinigt der Operation Ceasefire un-
ter anderem einen stabilen Rückgang
von Tötungsdelikten zum Nachteil Ju-
gendlicher um 63 % sowie von Angrif-
fen mit Schusswaffen um 25 %.13 Seit-
dem wurde GVI in den USA mehrfach
als Grundgerüst für weitere Projekte
gruppenbezogener Kriminalpräven-
tion umgesetzt.14 Die überwiegende
Mehrheit der evaluierten GVI-Adaptio-
nen verzeichnet ebenfalls signifikan-
te Rückgänge der jeweils adressierten
Kriminalitätsphänomene. Trotz der in-
ternationalen Verbreitung des Ansat-
zes, besteht noch immer ein Defizit
3 NNSC (2 016), S . 6 1 f. 4 Ebd., S. 9 f. 5 Braga/Weisburd
(2012) , S. 40 f f., vgl. Braga e t al. (20 19), S. 5. 6 Braga/ Weis-
burd (2 012), S. 3 8. 7 Kenned y (1997). 8 Braga /Weisburd
(2012) , S. 27. 9 NNSC (2016 ), S. 60. 10 Ebd., S. 43 f f. 11 NIJ
(200 1). 12 The Guardi an vom 06.12.2018, unt er: https://
www.theguardian.com/cities/2018/dec/06/bostons-
miracle-how-free-nappies-and-a-little -mentoring-are-
curbing (St and: 18. Januar 20 21). 13 NIJ (20 01), S. 5 7 f.
14 NNSC ( 2016).
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GEWALTPRÄVENTION
an Untersuchungen zur Übertragbar-
keit von GVI auf Kriminalitätsprobleme
und Bedingungen in Europa.15
GVI-Adaptionen in Europa
Innerhalb Europas wurde das GVI-
Konzept bisher in drei Standorten
adaptiert und getestet. Unter ande-
rem in London, Glasgow und kürzlich
in Malmö. Die jeweiligen Standorte
zeichneten sich durch eine nicht ein-
zudämmende Gewaltkriminalität im
Kontext von Ganggewalt aus. Im Fol-
genden sollen die verschiedenen Ad-
aptionen und deren Ergebnisse skiz-
ziert werden.
In Glasgow gab es bereits seit den
90er-Jahren große Probleme mit Ju-
gendgangs, die auf der Straße Territo-
rialkämpfe untereinander austrugen.
Anders aber als in den Vereinigten St aa-
ten oder in Schweden, waren gewalttä-
tige Auseinandersetzungen mit Stich-
waffen das Hauptproblem. Um dem
effektiv entgegenzuwirken wurde zu-
nächst die Scottish Violence Reduction
Unit (VRU) im Jahr 2005 gegründet, die
sich auf die Erarbeitung von Präventi-
onsmaßnahmen von Gewaltkriminali-
tät, besonders im Kontext der Gangs,
fokussieren sollte.
16
Daran anknüpfend
initiierte die VRU 2008 eine Adaption
der Cinncinnati Initiative to Reduce Vio-
lence, die wiederum auf der in Boston
pilotierten Operation Ceasefire basier-
te.
17
Unter Einbezug mehrerer öffent-
licher Partner/-innen, unter anderem
Polizei, Sozialdienste und Bewährungs-
hilfe, wurde in Glasgow die Community
Initiative to Reduce Violence (CIRV) ge-
gründet. Zu Beginn wurden zunächst
das Personenpotenzial innerhalb der
Gangs identifiziert und über die frei-
willige Teilnahme an den Call-Ins be-
nachrichtigt. Innerhalb der Projekt-
laufzeit von drei Jahren nahmen bis zu
400 Gangmitgliedern daran teil. Trotz
eines anschließenden Rückgangs der
Gewaltkriminalität unter den teilneh-
menden Gangmitgliedern18 wurde das
Projekt 2011 eingestellt. Gründe hier-
für lagen in einem fehlenden politi-
schen Willen und dem fehlenden Inte-
resse anderer Partner/-innen, weiter
am Projekt teilzunehmen. Ebenso fehl-
ten eine wissenschaftliche Begleitung
und eine unabhängige Evaluation des
Projektes, was zusätzlich die Nach-
weisbarkeit der Effektivität schmäler-
te und eine länger fristige Finanzierung
verhinderte.19
Aufgrund steigender Gewaltver-
brechen im Kontext von Gangkrimi-
nalität wurde 2014 der Versuch einer
GVI-Adaption in London gestartet. Mit
dem Fokus auf geschätzte 180 Gangs
mit einem Personenpotenzial von
3500 Mitgliedern wurde unter Lei-
tung des Mayor of London Office for
Policing and Crime (MOPAC) eine Zu-
sammenarbeit mit dem National Net-
work for Safe Communities (NNSC) zur
Übertragung von GVI in den drei Be-
zirken Lambeth, Haringey und West-
minster in London initiiert. Das Pro-
jekt startete 2015 unter dem Namen
Shield und endete 2017.20 Dabei wur-
den jedoch nicht die erhoff ten positi-
ven Ergebnisse erzielt. Mehrere Fakto-
ren, besonders im organisatorischen
Rahmen, beeinflussten eine erfolgrei-
che Adaption maßgeblich. So bestand
Uneinigkeit der verschiedenen Part-
ner/-innen darüber, ob ein US-Pro-
gramm angemessen übertragen wer-
den könnte, angesichts der weitaus
geringeren Gewaltkriminalität, der
eher flexibleren und fluktuierenden
Bandenstrukturen und verschiede-
ner rechtlicher Voraussetzungen in
London. Ebenso stellte sich die unter-
schiedliche Interpretation des Ansat-
zes durch die jeweiligen involvierten
Praktiker/-innen in der Umsetzung
als problematisch heraus, dem durch
eine frühere Begleitung des NNSC hät-
te begegnet werden können. Darüber
hinaus gestaltete sich die Ressourcen-
und Rollenverteilung sowie die Kom-
munikation untereinander schwierig,
um sich auf ein standardisiertes prak-
tikables Modell zu einigen.21
Nach den anfänglichen Schwie-
rigkeiten wurde jedoch die verstärk-
te und verbesserte Zusammenarbeit
zwischen den Akteursgruppen positiv
bewertet. Zur Effektivität des Projek-
tes konnten keine konkreten Aussa-
gen getroffen werden. Zwar war in-
nerhalb der Bezirke ein Rückgang der
Gewaltkriminalität unter den Gangs zu
verzeichnen, jedoch konnte dies nicht
unmittelbar auf Shield zurückgeführt
werden. Innerhalb der untersuchten
Shield-Teilnehmer/-innen konnte kein
signifikanter Unterschied im Rück-
gang der Gewaltkriminalität zur Kon-
trollgruppe festgestellt werden, was
vor allem mit der sehr geringen Zahl
teilnehmender Gangmitglieder an den
Call-Ins begründet wurde.22
Kürzlich wurde das GVI-Konzept
in Schweden getestet. In den Städ-
ten Stockholm, Göteborg und Malmö
zeichnete sich eine negative Entwick-
lung der gewalttätigen Gangkrimi-
nalität ab. In diesem Kontext kam es
immer häufiger zu Schießereien, Bom-
benanschlägen, Drive-by-Shootings
zwischen rivalisierenden Gangs sowie
Anschlägen auf Polizeistationen. Mit
dem stetigen Anstieg der Gewalt be-
kam das lange vernachlässigte Phäno-
men stärkere kriminalpolitische Rele-
vanz und wurde als eine der größten
Herausforderungen innerhalb sozial
benachteiligter Viertel angesehen.23
Im Zuge dessen, versuchte die Stadt
Malmö in Zusammenarbeit mit der ört-
lichen Polizei, den sozialen Diensten,
dem Strafvollzug und der Bewährungs-
hilfe sowie der lokalen Gemeinschaft,
einen neuen Weg einzuschlagen. Das
GVI-Konzept wurde als innovative und
vielversprechende Lösungsstrategie
angesehen, um der Gewalt entgegen-
zuwirken. 2017 begann die Kollaborati-
on der Stadt Malmö mit dem NNSC, um
das Projekt vor Ort zu begleiten und zu
pilotieren. Das Projekt startete eben
-
so 2017 unter dem Namen Sluta Skjut
(Stop Shooting).24 Den eigentlichen
Maßnahmen ging zunächst eine Iden-
tifizierung und Kategorisierung der
verschiedenen Individuen und deren
Vernetzung innerhalb der kriminellen
Gruppierungen voran, bei der 213 Per-
sonen in Malmö identifiziert wurden,
wobei nur diejenigen Gangmitglieder,
die bereits aufgrund von Gewaltdelik-
ten verurteilt wurden, mit dem Pro-
gramm adressiert werden sollten.25
Trotz unterschiedlicher Gege-
benheiten und Voraussetzungen in
Schweden, im Vergleich zu den USA,
wurde die Adaption als Erfolg angese-
hen. Sowohl die Zusammenarbeit und
die Kommunikation als auch die Rol-
len- und Aufgabenverteilung der Ak-
teurinnen und Akteure funktionier-
ten gut untereinander.26 Obwohl die
Anzahl der Gewalttaten mit Schuss-
waffengebrauch und Sprengsätzen
in Malmö seit 2017 stetig sank,27 konn-
te dies dennoch nicht konkret auf den
Einsatz von Sluta Skjut zurückgeführt
werden. Die nachweisliche Effektivität
und eventuellen langfristigen positi-
ven Effekte des Projektes bedürfen
noch zukünftiger wissenschaftlicher
Untersuchungen.
Als mögliche langfristige Einschrän-
kung einer erfolgreichen Adaption
der Maßnahme wurde die stetige Fluk-
tuation innerhalb und zwischen den
Gangs angesehen. Teilweise wechsel-
ten Gangmitglieder während des Pro-
15 Braga e t al. (20 19), S. 24. 16 http://www.svru.co.uk/
about- us/ 17 Graham ( 2016), S. 14. 18 Will iams et al . (2014 ).
19 Graha m (2016 ), S. 16. 20 Davi es et al. ( 2016) , S. 6 f.
21 Ebd., S. 14 ff. 22 Ebd., S. 25. 23 R ostam i (2017) , S. 365 f.
24 Iver t et al. (2 020 ), S. 7 ff. 25 Snowd en (20 20) , S. 10.
26 Ivert e t al. (20 20), S. 62. 27 https://malmo.se/Fakta-
och-statistik /Facts-and-stat istics-in-english/Sa fety-
and-security.html (St and: 23. J anuar 20 21).
39
forum kriminalprävention 1/2021
GEWALTPRÄVENTION
jektzeitraums zu anderen Gruppie-
rungen, womit sich die Strukturen
der Gruppen veränderten und sank-
tionierende Maßnahmen vom einzel-
nen Individuum auf die Gruppe nicht
immer übertragbar waren.28
Die größten Probleme traten aber
vor allem durch parallel geschaltete
Maßnahmen auf. Besonders die im No-
vember 2019 durch die Polizei gestar-
tete Operation Rimfrost, die auf die
Beschlagnahmung von Waffen und
ebenso auf die Eindämmung schwe-
rer Gewaltkriminalität abzielte, wurde
von den Sluta-Skjut-Akteuren als kont-
raproduktiv angesehen. Während der
laufenden Operation Rimfrost konn-
ten keine Maßnahmen im Rahmen der
GVI-Adaption durchgeführt werden.
Ebenso wurden von mehreren betei-
ligten Akteurinnen und Akteuren, auch
aus der Polizei selbst, ein Vertrauens-
verlust der adressierten GVI-Zielgrup-
pe durch die Maßnahmen gesehen.29
Das Projekt endete 2019 und wird zur-
zeit auf eine Verlängerung hin geprüft.
Ist das GVI-Konzept auf
Deutschland übertragbar?
An die Nutzung von GVI sind
verschiedene Voraussetzungen ge-
knüpf t, wobei nachfolgend zunächst
kurz die für eine Umsetzung relevan-
ten, strukturellen Unterschiede zwi-
schen Schweden und Deutschland dis
-
kutiert werden. Diese Unterschiede
können als Herausforderung für eine
erfolgreiche Umsetzung verstanden
werden oder einer solchen gar entge-
genstehen. Schweden bietet sich für
einen Vergleich besonders an, da GVI
dort ebenfalls im Zusammenhang mit
der Bekämpfung von Clankriminalität
umgesetzt wurde.30
Für Schweden31 kann festgestellt
werden, dass die jeweiligen Staatsan-
wälte/-innen praktisch die gleiche Un
-
abhängigkeit genießen wie die Rich-
ter/-innen. Die Entscheidung darüber,
ob in einem Straf verfahren Anklage er-
hoben wird oder nicht, obliegt diesen
eigenverantwortlich. Staatsanwalt-
schaf t und Polizei können selbstständig
im Strafbefehlsverfahren Geldstrafen
verhängen. In den Fällen, in denen die
Polizei die Ermittlungen leitet, ist diese
auch befugt, das Verfahren selbststän-
dig einzustellen. Trotz der grundsätz-
lichen Geltung des Legalitätsprinzips
scheint ein Abweichen hiervon regel-
mäßig praktiziert zu werden.32
In Deutschland regelt die Strafpro-
zessordnung (§ 160 StPO ff.) die Zustän-
digkeiten von Staatsanwaltschaft und
Polizei zur Erforschung des Sachver-
halts einer Straftat, zur Anklageerhe-
bung und zur Verfahrenseinstellung.
Die Möglichkeiten eines Absehens
von Strafe, auch bei kleineren Delik-
ten, liegen grundsätzlich nicht im Er-
messensspielraum der Polizei. Das
sogenannte Diversionsverfahren hin-
gegen ermöglicht es zumindest der
Staatsanwaltschaft – in Jugendstraf-
sachen und ohne Zustimmung des Ge-
richts – ein außergerichtliches Verfah-
ren anzustreben, um eine frühzeitige
Stigmatisierung der Jugendlichen zu
verhindern. Hier kommen als außerge-
richtliche Maßnahmen beispielsweise
der Täter-Opfer-Ausgleich, Schadens-
wiedergutmachung, gemeinnützige
Arbeit, die Auferlegung von Geldbu-
ßen oder Suchtberatungsgespräche
in Betracht.
Betrachtet man die Institution der
Bewährungshilfe in Schweden, wird
deutlich, dass diese über weitrei-
chende Befugnisse ver fügt, die von
der Durchführung von Ermittlungen
über die Vollstreckung von Sanktio-
nen ohne Freiheitsentzug bis hin zur
Überwachung von entlassenen Häft-
lingen und der Durchführung elektro-
nischer Aufenthaltsüberwachung zur
Umsetzung kürzerer Haf tstrafen rei-
chen. Die Bewährungshilfe ist in die
individuelle Sanktionsplanung einge-
bunden und entscheidet über die Pla-
nung längerfristiger Strafen und die
Durchführung individueller Maßnah-
men vor der Haftentlassung. Mit dem
Ziel der Steigerung prosozialen Ver-
haltens und der Senkung der Rück-
fälligkeit kann die Bewährungshilfe
spezifische Interventionen bei zu Frei-
heits- oder Bewährungsstrafen verur-
teilten Personen initiieren.
33
Dazu zäh-
len beispielsweise die Auferlegung
und Überwachung gemeinnütziger
Arbeiten durch zu Bewährungsstra-
fen verurteilte Personen.34
In Deutschland gibt es ein solch
weitreichendes, einheitliches Konzept
nicht. Neben der Bewährungshilfe, die
vor allem für die Betreuung von und
Aufsicht über Personen mit Bewäh-
rungsstrafen oder nach einer beding-
ten Entlassung zuständig ist, sind So-
zialarbeiterinnen und Sozialarbeiter
vor allem im psychosozialen Bereich
tätig und teilweise auch mit dem Tä-
ter-Opfer-Ausgleich betraut. Anders
als in Schweden steht der Strafcharak-
ter der Bewährungshilfe und -aufsicht
in Deutschland nicht so stark im Fo-
kus. Hilfe zur Resozialisierung, der Aus-
gleich von Defiziten und die Verbesse-
rung von Lebensperspektiven stehen
hier im Zentrum der Tätigkeit.35
Die Möglichkeiten für Gespräche
mit den betreffenden Personen(grup-
pen) sowie die Androhung von Sank-
tionen sind in Deutschland, im Ver-
gleich zu den hier angesprochenen
Ländern, eher begrenzt. Regelmäßig
würde hier eine Ansprache der Polizei,
vergleichbar der bereits praktizierten
Gefährderansprache, in Betracht kom-
men. Hierbei ermahnt die Polizei po-
tenzielle Gefahrenverursacherinnen
und -verursacher, eine Störung der
öffentlichen Sicherheit zu unterlas-
sen und weist auf polizeiliche Maßnah-
men hin, die auf ein nicht gesetzes-
konformes Verhalten folgen können
36
.
Allerdings bleibt fraglich, ob eine An-
drohung von Sanktionen hier eine
feststellbare Wirkung erzielen kann.
Insbesondere muss die Frage gestellt
werden, welche Sanktionen – über die
bereits bekannten – angedroht wer-
den können, die auf die betroffenen
Personen eine einschüchternde Wir-
kung haben und damit weitere Delin-
quenz verhindern können. Eine Bün-
delung der Verfahren bei zustän digen
Schwerpunktstaatsanwaltschaf ten
(Focused) hingegen ist gut denk bar
und wird in Deutschland bereits teil-
weise, z. B. im Bereich Cybercri me37
oder Jugendkriminalität
38
, prakti ziert.
Das Aufzeigen von Hilfsangeboten
hingegen scheint ein gangbarer Weg
zu sein, der allerdings ebenfalls be-
reits in Teilen beschritten wird. Hier
muss die Frage gestellt werden, wel-
che Hilfen angeboten werden können,
die für die betroffenen Personen als
attraktiv bewertet werden und in wel-
chem Umfang diese Hilfsmaßnahmen
garantiert werden können bzw. ob
von solchen Hilfsmaßnahmen über-
haupt Abstand genommen werden
kann, wenn die betroffenen Perso-
nen erneut abweichendes Verhalten
zeigen. Anders gefragt: Ist eine Ver-
wehrung von Hilfe überhaupt vertret-
bar? Falls ja, ab welchem Punkt?
Ist das GVI-Konzept auf
„Clan kriminalität“ übertragbar?
Bei der Übertragbarkeit des
GVI-Konzepts auf die sogenann-
28 Ivert e t al. (20 20), S. 64. 29 Ebd., S . 70 f. 30 City of Go t-
henbur g, Anger ed dist rict a dminis trat ive of fice ( 2020 ),
S. 1. 31 Große Strafrechtskommission des Deutschen
Richt erbund es (20 08), S. 57–59. 32 Eb d. 33 Boijsen/Tallving
(2017) , S. 4. 34 Ebd. 35 Ebd. 36 Kreuter-Kirchhof (2014),
S. 258. 37 https://www.sta-koeln.nrw.de/aufgaben/
geschaefte-s tak_1_zac/index.php (S tand : 29. Janua r
2021). 38 ht tps://polizei.nrw/haeuser-de s-jugendrechts-
in-nordrhein-westfalen ( Sta nd: 29. Ja nuar 20 21).
40 forum kriminalprävention 1/2021
GEWALTPRÄVENTION
te „Clankriminalität“ muss diese zu-
nächst in ihrer phänomenologischen
Ausprägung betrachtet werden. Da-
bei fällt auf, dass eine konkrete Be-
schreibung des Gegenstandes nur
sehr schwer möglich ist. Handelt es
sich bei Clankriminalität um jegliche
Kriminalität von Clanmitgliedern, von
Gruppen von Clanmitgliedern oder
nur um Kriminalität, die unter Ausnut-
zung einer familiären Struktur began-
gen wird? Bisher scheint, aufgrund
der zumeist starken sozialen und kul-
turellen Rückzugstendenzen und der
unbekannten Clanstrukturen, keine
fundierte Aussage über die Krimina-
lität der Familienclans möglich,
39
was
auch die Ausrichtung von Kriminalprä
-
vention erschwert. GVI beispielsweise
richtet sich zumeist auf die Präventi-
on von Gewalthandeln aus einer Grup-
pe in einer eng umgrenzten geogra-
fischen Bezugsgröße. Dabei liegt der
Fokus auf Jugendgangs und organi-
sierten Banden mit einer relativ ho-
mogenen Altersstruktur und einer
zumeist mehrheitsgesellschaftlichen
Sozialisation.
Zwar scheint Clankriminalität teil-
weise aus jugendtypischer Krimina-
lität zu bestehen, jedoch deckt dies
nicht die gesamte Bandbreite des
Phänomens ab. Darüber hinaus gilt
es zu diskutieren, ob Clans und de-
ren strukturelle Prägung mit Ju-
gendgangs oder organisierten Ban-
den vergleichbar sind. Insbesondere
ist hier fraglich, ob das Element der
familiären Bindung und der Aspekt,
dass die Akteurinnen und Akteure
zumeist in die Clanstrukturen hinein-
geboren werden, hinreichend abge-
bildet und in das GVI-Konzept einge-
bunden werden können. Auch hierzu
ist noch keine abschließende Posi-
tionierung möglich, da Wissen über
Clanstrukturen nur in Ansätzen vor-
liegt. Bisher muss von einer großen
ordnungsstrukturellen Diversität in-
nerhalb des Clanmilieus ausgegan-
gen werden und zudem nicht von ei-
ner homogenen Altersstruktur der
Gruppe, wie diese bei GVI fokussiert
wird.40 Insofern kann die beabsich-
tigte nachhaltige Wirkung von GVI
auf potenziell deviante Strukturen im
Kontext von Clankriminalität durch-
aus bezweifelt werden, da nicht von
vollständig deviant verfestigten Fa-
milienstrukturen ausgegangen wer-
den kann. Darüber hinaus ist eine De-
stabilisierung von nahezu vollständig
familiär geprägten und gleichzeitig
diversifizierten und schwer nachvoll-
ziehbaren Strukturen mit den exemp-
larisch aufgeführten Maßnahmen des
GVI-Konzeptes mehr als fraglich.
Fazit
Zusammenfassend zeigt sich, dass
mehr of fene Fragen als befriedigende
Antworten bleiben. Wir können fest-
halten, dass es weiterer Forschung
bedarf, um das Verständnis der Di-
mensionen von Straßengangs und
insbesondere großfamiliärer Struk-
turen sowie der angemessenen ge-
sellschaftlichen Reaktionen zu ver-
bessern. Eine wirksame Reaktion
erfordert ein gutes Verständnis der
Ursachen, der organisationsstruktu-
rellen Dimensionen, der operativen
Muster des betreffenden Kriminali-
tätsproblems und der Verteilung der
Verantwortlichkeiten zwischen ver-
schiedenen Akteursgruppen. Trotz
fehlender direkter Übertragbarkeit
des Gangphänomens der USA und
dem entwickelten GVI-Konzept auf
das Phänomen der Clankriminalität
in Deutschland kann die enge Zusam-
menarbeit verschiedener Akteurs-
gruppen und die gemeinsame Abstim-
mung repressiver wie auch präventiv
sozialer Maßnahmen auf ein fokussier-
tes Ziel hin übertragen werden. Mul-
tidimensionale Probleme verlangen
ebenso multidimensionale Lösungen
und diese können nicht allein in der
polizeilichen Repression liegen, son-
dern müssen kontextbezogen durch
Hinzuziehung sozialer Träger und der
lokalen Gemeinschaft bei der Erarbei-
tung von Lösungsstrategien und der
damit zu treffenden Maßnahmen er-
arbeitet werden. Die Teilkomponen-
ten der Group Violence Interventi-
on können zumindest einen Anstoß
für künftige Projekte in Deutschland
zur Prävention von Clankriminalität in
Deutschland geben.
Die Autoren sind Mitarbeiter der Kriminalistisch-Krimino-
logische n For schungsstelle ( KKF) des LKA N RW:
Alexande r Wer ner ist Krimina lbeamter und studi erte
Kriminologie und Polizeiwissenschaft.
Kontakt: stephanalexander.werner@polizei.nrw.de
Kai Seide nsticker ist Krim inalbeamter und s tudierte
Krimi nologie und Polize iwissenschaf t sowie Management
(Human Resources).
Kontakt: kai.seidensticker@polizei.nrw.de
Maxim ilian Querbach ist w issenschaft licher Mitarbeit er
und studierte Soziologie und Kriminologie.
Kontakt: maximilian.Querbach@polizei.nrw.de
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Chapter
In dieser Einführung wird dafür plädiert, die sogenannte ‚Clankriminalität‘ als soziales Problem zu begreifen. Dies eröffnet verschiedene Anknüpfungspunkte für weitere Auseinandersetzungen. Im Gegensatz zu anderen Erkenntnisdimensionen, z. B. ein Phänomen schlicht als „Kriminalität“ zu bezeichnen, wird hierbei ein Bezug zu bestehen den Wertvorstellungen, Normen und Moral der problematisierenden Gesellschaft hergestellt und hinterfragt. Auffällig beim Phänomenkomplex ‚Clankriminalität‘ ist zum Beispiel, dass nicht nur das Handeln (hier: Kriminalität), sondern auch die soziale Gruppe, der viele der handelnden Personen zugerechnet werden, öffentlich problematisiert werden. Zudem wird auf die definitorische Herausforderung von ,Clankriminalität‘ und damit verbundene Problematiken verwiesen. Es wird ein Überblick über die Konjunktur des öffentlichen Diskurses über ;Clankriminalität‘ gegeben und Kritik an frühen Auseinandersetzungen mit dem Phänomen (auch an solchen des Verfassers selbst) geübt. Weiterhin werden umstrittene Deutungen des Phänomenkonstrukts angesprochen, zu denen vor allem die Phänomenbezeichnung, seine Entstehungszusammenhänge und die soziostrukturellen und soziokulturellen Merkmale der Community mardinstämmiger Großfamilien gehören, die in der Literatur bis heute umstritten sind und im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und diskursiv verbreiteten Annahmen, weiter diskutiert werden. Abschließend werden drei Aspekte hervorgehoben, die wiederkehrend, d. h. über viele Beiträge des Sammelbands hinweg, auftauchen: 1. Sogenannte ‚Clankriminalität‘ weist offenbar kaum phänomenspezifische Alleinstellungsmerkmale gegenüber anderen Kriminalitätsphänomenen auf. Verglichen mit organisierter oder mit verschiedenen Phänomenbereichen der Allgemeinkriminalität verbleiben lediglich die öffentliche Wahrnehmbarkeit (und Wahrnehmung) einzelner Erscheinungsformen von ‚Clankriminalität‘ sowie die geteilte Zuwanderungsgeschichte der betroffenen Community. 2. Die Angehörigen dieser Community sind, durch ihre Gruppenzugehörigkeit oder deren Zuschreibung, einer Vielzahl von Konflikten ausgesetzt. 3. Die, ohnehin sehr heterogene, Community mardinstämmiger Großfamilien ist im Wandel begriffen.
Article
Full-text available
Der Beitrag analysiert erste Befunde einer Interviewstudie zum Phänomen der Kriminalität großfamiliär geprägter Strukturen und potenzieller Präventionsansätze. Zunächst wird in diesem Zusammenhang die grundlegende Problematik fehlender Evidenz zur Phänomenologie und einer fehlenden wissenschaftlich einheitlichen Definition beleuchtet. Daran anknüpfend werden die aktuellen wissenschaftlichen und polizeilichen Erkenntnisse im Kontext der ersten Auswertungen der Interviewstudie diskutiert. Anhand der phänomenologischen Einordnung werden Ergebnisse zur potenziellen Zielgruppe und präventiver Maßnahmen der Kriminalität großfamiliär geprägter Strukturen erläutert. Abschließend wird auf die Herausforderungen aktueller und zukünftiger Präventionsmaßnahmen im Kontext des Phänomens eingegangen und ein Ausblick auf die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten für Forschung und Praxis gegeben. This article analyses the initial findings of an interview study concerning the phenomenon of criminality in extended family structures and potential prevention approaches. The paper begins by highlighting the fundamental problem of a lack of evidence on the phenomenology and the absence of a scientifically standardiseddefinition. Current scientific findings and police data are subsequently discussed. Based on the phenomenological classification, results concerningthe potential target group and preventive measures regarding the criminality inextended family structures are outlined. Finally, the challenges of current and future preventive measures regarding the phenomenon are discussed.
Article
Full-text available
Over the past 30 years, Sweden has witnessed a growth in criminal gangs. Gun violence among young males is also on the rise and have only recently gained wide political attention. Street gangs and gun violence are two prevalent, partially overlapping phenomena that constitute social challenges. Empirically supported legal, policy and practica! frameworks are needed in Order to reduce the prevalence of gangs and gang violence in Sweden. The first step is to recognize that gangs and gang violence are an emerging societal problem and to identify its root causes, organizational dimensions, and operational patterns. In this note, Swedish street gangs and gang violence are briefly discussed.
Chapter
This chapter compares and contrasts two focused deterrence pulling levers strategies in two cities, 4000 miles apart: London, England, and St. Paul, Minnesota. Based on qualitative interviews with key stakeholders in both cities and analysis of secondary data, the chapter examines program efficacy, issues of fidelity in Group Violence Intervention, innovation in transforming theory into practice, and context-specific challenges to directing gang-violence cessation. The community-police nexus in gang intervention and possible “spillover effects” of focused deterrence strategies on vicariously treated gangs are discussed. The chapter explores how and why “pulling levers” failed in London but succeeded in St. Paul, with implications for research, policy, and practice.
Article
Youth gang-related violence is a public health concern in Glasgow. The Community Initiative to Reduce Violence aims to address violence and weapon carriage among gang-related youths in a deprived area of Glasgow. It offers access to diversionary activity, personal development, and employment preparedness in exchange for adherence to a "no violence, no weapon" pledge. A preliminary post hoc before-and-after quasi-experimental design compared rates of criminal offending (including violent and non-violent offences) for the 167 male youths (aged 16-29) who engaged with the initiative with data for one or two years follow-up for age-matched gang-involved youths from an equally deprived area. Violent offending reduced over the time of the CIRV intervention. In the cohort followed for 2-years the rate reduction was greater in the intervention group (52%) than the comparison group (29%). The reduction in rate of physical violence was not significantly different between intervention and comparator group; however, the rate of weapons carrying was reduced more in the intervention group than the comparison group (84% vs 40% respectively in the 2-year follow-up cohort). The study suggests that adopting a public health approach with gang-related youth was associated with reduced weapon carriage, which can prevent consequences for victims, offenders, and society.
Group Violence Intervention London: An Evaluation of the Shield Pilot
  • T Davies
  • L Grossmith
  • P Dawson
Davies, T., Grossmith, L. & Dawson, P. (2016): Group Violence Intervention London: An Evaluation of the Shield Pilot. London: MOPAC.
Glasgow's community initiative to reduce violence
  • William Graham
Graham, William (2016): Glasgow's community initiative to reduce violence. Transnational Criminology 11: 14-16.
Is "Sluta skjut" the silver bullet to reduce violent crime in Malmö? Malmö: Malmö University
  • Suzanne Snowden
Snowden, Suzanne (2020): Is "Sluta skjut" the silver bullet to reduce violent crime in Malmö? Malmö: Malmö University.