BookPDF Available

Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen -Wissens- stand und Forschungsbedarf für die Antidiskriminierungsforschung Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen -Wissensstand und Forschungsbedarf für die Antidiskriminierungsforschung Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Autor*innen

Authors:

Abstract

Kurzüberblick: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/forschungsprojekte/DE/Expertise_DiskrRisiken_DiskrSchutz_GesWesen.html;jsessionid=7C0A90470F5BBEB7FCF5755A60ABB809.intranet241?nn=304476
Diskriminierungsrisiken und
Diskriminierungsschutz im
Gesundheitswesen – Wissens-
stand und Forschungsbedarf
für die Antidiskriminierungs-
forschung
Susanne Bartig, Dorina Kalkum, Ha Mi Le, Aleksandra Lewicki
Diskriminierungsrisiken und
Diskriminierungsschutz im
Gesundheitswesen Wissensstand
und Forschungsbedarf für die
Antidiskriminierungsforschung
Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Autor*innen:
Susanne Bartig, Dorina Kalkum, Ha Mi Le, Aleksandra Lewicki
4
5
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis 7
1. Einleitung 9
2. Schutz vor Diskriminierung im Gesundheitswesen
im deutschen Recht 11
2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen für die Durchsetzung von Diskriminierungsverboten 11
2.2 Behandlungsverträge 13
2.3 Außergerichtliche Beschwerdestellen im Gesundheitswesen 14
3. Forschungsstand 17
3.1 Das Gesundheitswesen als Dienstleister 17
3.1.1 Ethnische Herkunft und rassistische Diskriminierung 17
Interpersonale Diskriminierung 18
Unterschiede in der Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung 19
Kommunikationsbarrieren als institutionelles Diskriminierungsrisiko 23
Unzureichender Einsatz von Dolmetscher*innen 24
Fehlende mehrsprachige Informationen 26
Mangelnde diversitätssensible Versorgungsangebote und fehlende interkulturelle
Kompetenzen 26
Diskriminierung anhand des aufenthaltsrechtlichen Status 28
Unterschiedliche Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung 29
Laufende Forschungsprojekte 30
Fazit 31
3.1.2 Geschlecht und Geschlechtsidentität 32
Diskriminierung durch Behandlungsunterschiede zwischen Frauen und Männern 32
Diskriminierung bei Geburtshilfe und Schwangerschaft 34
Reproduktive Autonomie und Abtreibung 35
Spezische Diskriminierungsrisiken von Trans*Personen 36
Institutionelle Diskriminierung von Trans*Personen 36
Spezische Diskriminierungsrisiken von Inter*Personen 37
Laufende Forschungsprojekte 38
Fazit 38
3.1.3 Religion 39
Unzureichende Berücksichtigung religiöser Grundpichten 40
Fazit 41
6
3.1.4 Behinderung 41
Diskriminierungsrisiken durch mangelnde Barrierefreiheit im Zugang
zumGesundheitssystem 42
Spezische Barrieren beim Behandlungszugang von Menschen
mitpsychischenErkrankungen 44
Diskriminierungserfahrungen bei der Inanspruchnahme von Leistungen
desGesundheitssystems 44
Diskriminierungserfahrungen in Form der Vorenthaltung von Behandlungen 45
Diskriminierungsrisiken durch mangelndes Fachwissen und
kommunikativeKompetenzen 46
Institutionelle Diskriminierungsrisiken in der stationären Gesundheitsversorgung 48
Diskriminierungsrisiken im Zusammenhang mit COVID-19 49
Laufende Forschungsprojekte 49
Fazit 49
3.1.5 Alter 50
Diskriminierungsrisiken aufgrund negativer Altersstereotype 51
Diskriminierende Kommunikation 52
Diskriminierungsrisiken aufgrund von Altersrationierung 52
Institutionelle und strukturelle Diskriminierungsrisiken aufgrund des
höherenLebensalters 53
Unterschiede in der Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems 55
Diskriminierungsrisiken im Zusammenhang mit COVID-19 55
Fazit 56
3.1.6 Sexuelle Identität 56
Institutionelle Diskriminierung 56
Weitere Diskriminierungsformen 57
Fazit 57
3.1.7 Sozioökonomischer Status 58
3.1.8 Gewicht 59
3.2 Das Gesundheitswesen als Arbeitgeber 59
3.2.1 Ethnische Herkunft 60
3.2.2 Geschlecht und Geschlechtsidentität 61
3.2.3 Weitere Merkmale 62
3.2.4 Fazit: Diskriminierung im Gesundheitswesen als Arbeitgeber 63
3.3 Zusammenfassung 64
Diskriminierungsrisiken durch mangelnde Barrierefreiheit im Gesundheitssystem 64
Diskriminierungsrisiken in der Interaktion zwischen dem Gesundheitspersonal
undden Patient*innen 65
Diskriminierungsrisiken aufgrund mangelnden Fachwissens 65
Institutionelle Diskriminierungsrisiken 65
Überblick zu den identizierten Forschungslücken 66
4. Danksagung 69
5. Literaturverzeichnis 70
7
Abkürzungsverzeichnis
AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
BGG Behindertengleichstellungsgesetz
DRG Diagnosis Related Groups
EU Europäische Union
FRA Agentur der Europäischen Union für Grundrechte
G-BA Gemeinsamer Bundesausschuss
GG Grundgesetz
HHVG Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz
LGBT Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender (lesbisch, schwul, bisexuell und trans*)
LSVD Lesben- und Schwulenverband in Deutschland
TSG Transsexuellengesetz
TSVG Terminservice- und Versorgungsgesetz
UN United Nations (Vereinte Nationen)
8
9Einleitung
1. Einleitung
1 Wir danken unserer studentischen Mitarbeiterin Theresa Schwass für ihre Unterstützung bei der Recherche.
Gesundheit ist ein wichtiges Gut und steht in einem engen Zusammenhang mit dem Genuss von verschie-
denen Grundrechten. Dennoch kommt es – wie in anderen Lebensbereichen auch – im Gesundheitswesen
zu Diskriminierung. So zeigt etwa die Studie Diskriminierungserfahrungen in Deutschland, dass 26,4Prozent
der Personen, die in den letzten zwei Jahren Diskriminierung erfahren haben, diese (auch) im Bereich Ge-
sundheit und Pege erlebten (Beigang et al. 2017, Seite 121). Auswertungen im Rahmen des Innovations-
samples des Sozio-oekonomischen Panels, einer repräsentativen Wiederholungsbefragung in Deutsch-
land, kommen mit rund 29 Prozent zu einem ähnlichen Ergebnis (Antidiskriminierungsstelle des Bundes
2018).
Ausgangspunkt von Diskriminierung sind Kategorisierungen von Menschen, mit denen bestimmte Stereo-
typen verbunden werden (Aronson et al. 2008). Welche Kategorien für Diskriminierung relevant sind,
hängt davon ab, welchen Gruppenzugehörigkeiten oder –zuschreibungen gesamtgesellschaftlich und
häug auch historisch Bedeutung zugeschrieben wird. Infolgedessen handelt es sich dabei um sozial
konstruierte, nicht um natürlicherweise existierende und objektiv eindeutig abgrenzbare Kategorien.
Kategorisierungen werden von Dritten häug ohne Bezug zur Selbstidentikation der betroffenen Person
vorgenommen, beispielsweise ausschließlich auf Basis des Aussehens.
Unter Diskriminierung verstehen wir in dieser Studie die Benachteiligung von Menschen ohne sachliche
Rechtfertigung anhand ihrer (vermeintlichen) Zugehörigkeit zu einer sozial konstruierten Kategorie von
Personen. Diskriminierung kann interpersonal, also ausgehend von Personen, oder institutionell erfolgen.
Institutionelle Diskriminierung erfolgt durch Gesetze, bürokratische Verfahren, Routinen, Abläufe, All-
tagsnormen, Verhaltenscodices oder Regelungen und durch ihre nicht unmittelbar sichtbaren oder inten-
dierten subtilen Wirkungsweisen, die in der Benachteiligung bestimmter Personen(gruppen) resultieren.
Quantitative oder qualitative Unterschiede bei der Nutzung von Gesundheitsleistungen zwischen ver-
schiedenen Bevölkerungsgruppen können mit diskriminierenden Effekten der Funktionsweise des Ge-
sundheitswesens zusammenhängen. Ein Beispiel hierfür ist die Ökonomisierung des Gesundheitssystems,
die sich durch Zeit- und Personalmangel nachteilig auf die gesundheitliche Versorgung der Patient*innen
auswirken kann. So entstehen Benachteiligungen nicht nur durch einzelne Mitarbeiter*innen des Ge-
sundheitssystems, sondern oftmals durch institutionelle Faktoren. Leider ist gerade die Rolle institutionel-
ler Faktoren bei Diskriminierungen im Gesundheitswesen bisher unzureichend untersucht.
Die vorliegende Expertise zu „Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswe-
sen – Wissensstand und Forschungsbedarf für die Antidiskriminierungsforschung“ konzentriert sich auf
Forschungsergebnisse zu Deutschland aus den Jahren 2010 bis 2020. Dies umfasst sowohl Publikationen in
wissenschaftlichen Zeitschriften und Sammelbänden als auch Berichte von zivilgesellschaftlichen und
internationalen Organisationen. Die Ergebnisse wurden dort, wo entsprechende Forschung fehlt, durch
ältere oder internationale Studien ergänzt.1 Inwieweit Ergebnisse aus anderen Ländern dabei auf Deutsch-
land übertragbar sind, bleibt oftmals unklar. Der Verweis auf internationale Studien soll in erster Linie
dazu dienen, Forschungslücken in Deutschland aufzuzeigen. Neben der sozial- und rechtswissenschaft-
lichen Literaturanalyse wurden zudem sieben Interviews mit Expert*innen aus der Praxis sowie aus medi-
zinischen, gesundheits- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit Benachteiligungen im
Gesundheitswesen auseinandersetzen, zur Einordnung des Forschungsstands und zur Ausarbeitung des
10 Einleitung
Forschungsbedarfs realisiert (vergleiche Seite 69). Die telefonisch durchgeführten Interviews wurden auf-
gezeichnet, transkribiert und anschließend inhaltsanalytisch ausgewertet.
Der Fokus dieser Expertise liegt auf der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung (inklusive
Rehabilitationseinrichtungen). Nicht betrachtet werden das weitere Pegewesen (das heißt ambulante
Gesundheits- und Krankenpege sowie die ambulante und stationäre Altenpege und Pege von Menschen
mit Behinderung), Prävention und Gesundheitserziehung, Amts- und Betriebsärzt*innen sowie das Sys-
tem der Kranken- und Pegeversicherung. Auch können im Rahmen dieser Expertise nicht die gesund-
heitlichen Auswirkungen von Diskriminierung untersucht werden.
Leitfragen bei der Literaturanalyse waren folgende:
Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es bereits zu Diskriminierungsrisiken für Patient*innen
und Beschäftigte im Gesundheitswesen?
Was ist bekannt hinsichtlich des Ausmaßes von Diskriminierung? In welcher Form und in welchen
Bereichen tritt Diskriminierung auf? Welche Personen(gruppen) sind betroffen?
Welche Befunde gibt es zu institutioneller Diskriminierung im Gesundheitswesen?
In welchen Bereichen bezüglich welcher Merkmale oder welcher Mechanismen bestehen
Forschungslücken?
Im Folgenden wird zunächst die Frage behandelt, in welchen Bereichen antidiskriminierungsrechtliche
Regelungen auf das Gesundheitswesen Anwendung nden. Hierfür werden die Rechtsgrundlagen iden-
tiziert und etwaige Regelungslücken sowie Umsetzungsdezite aufgezeigt. Anschließend werden die
vorliegenden Befunde nach den im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützten Diskrimi-
nierungsmerkmalen ethnische Herkunft, Geschlecht beziehungsweise Geschlechtsidentität, Religion
beziehungsweise Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität sowie den in Deutschland
nicht durch das AGG geschützten Merkmalen sozioökonomischer Status und Körpergewicht dargestellt.2
Der Studienbericht endet mit einem Kapitel, welches den Forschungsstand noch einmal kurz und merk-
malsübergreifend zusammenfasst. Diese Strukturierung wurde gewählt, um die gesammelten Informatio-
nen Forschenden und anderen Interessierten möglichst übersichtlich zugänglich zu machen.
2 Sozioökonomischer Status und Gewicht wurden wegen ihrer Prominenz in aktuellen öffentlichen Debatten in die Expertise
aufgenommen. So ist der Merkmalsgrund sozialer Status in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie seit 2020 im
Landesantidiskriminierungsgesetz von Berlin geschützt. Es gibt jedoch zahlreiche weitere nicht im AGG geschützte Merkmale, die
mit Benachteiligung verbunden sind und diskutiert werden könnten.
11Schutz vor Diskriminierung im Gesundheitswesen im deutschen Recht
2. Schutz vor Diskriminierung
im Gesundheitswesen im
deutschen Recht
2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen für die
Durchsetzung von Diskriminierungsverboten
Im folgenden Abschnitt werden die rechtlichen Rahmenbedingungen zu Diskriminierung beim Zugang
und bei der Versorgung im Gesundheitswesen dargestellt. In der rechtswissenschaftlichen Literatur geht
es anders als in der sozialwissenschaftlichen selten darum, explizite Forschungsfragen zu beantworten.
Die Darstellungen erstrecken sich zumeist auf einen Überblick der rechtlichen Grundlagen. Das folgende
Kapitel behandelt hierbei rechtliche Aspekte, die auf das gesamte Gesundheitswesen anwendbar und nicht
den einzelnen AGG-Kategorien zuzuordnen sind. Letztere nden sich im weiteren Verlauf der Expertise
unter den einzelnen Kapiteln zu den Merkmalsgründen. In diesem Kapitel werden ebenfalls das privat-
rechtliche Konstrukt der Behandlungsverträge sowie das außergerichtliche Beschwerdewesen im Gesund-
heitswesen dargestellt.
Ein „Recht auf Gesundheit“ lässt sich aus Art.2Abs.2Grundgesetz (GG) und aus dem Sozialstaatsprinzip
aus Art.20Abs.1GG ableiten. Ob dieses Recht über ein Abwehrrecht gegen Gesundheitsbeeinträchtigun-
gen hinausgeht, ist jedoch umstritten (Quaas et al. 2018, Rn. 6–9). Dies wird im rechtswissenschaftlichen
Diskurs in Deutschland damit begründet, Begriffe von Krankheit und Gesundheit seien offen, ießend
und infolgedessen wandelbar. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nach umfasst das Gesund-
heitswesen alle Tätigkeiten und Organisationen, die die Beseitigung oder Besserung eines krankhaften
Zustands bezwecken, sowie diejenigen, die den Zweck haben, die Gesundheit von Einzelnen oder der All-
gemeinheit vor unmittelbar drohenden Gefahren zu schützen (BSGE 15, 190: 18, 231). Die vorliegende Ex-
pertise behandelt das Recht auf Gesundheit im Sinne eines Rechts auf Gesundheitsversorgung. Pestalozza
(2007) will ein verfassungsrechtliches Recht auf Gesundheit anerkennen und stützt dies auf strukturelle
Änderungen im Verständnis von Art. 2 Abs. 1 GG und den interpretatorischen Einuss der Gewährleis-
tungen aus dem internationalen Recht. Es ist vor allem das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), das
darüberhinausgehend dem Staat die Picht aufgibt, „ein tragfähiges Gesundheits- und Krankenversiche-
rungssystem“ einzurichten (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages 2015, Seite 4).
Eindeutiger sieht es auf Ebene der Europäischen Union und internationaler Abkommen aus. So legte die
Weltgesundheitsorganisation bereits in der Präambel ihrer Verfassung von 1946 das Recht eines jeden
Menschen auf „das für ihn erreichbare Höchstmaß an […] Gesundheit“ fest. Diesem Verständnis von
Gesundheit folgt der Art. 12 des Pakts über soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte der Vereinten
Nationen von 1966 (IPwskR). Der Zugang zur Gesundheitsversorgung stellt demnach ein Menschenrecht
dar. Hier ist festgelegt:
12 Schutz vor Diskriminierung im Gesundheitswesen im deutschen Recht
„(1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an
körperlicher und geistiger Gesundheit an.
(2) Die von den Vertragsstaaten zu unternehmenden Schritte zur vollen Verwirklichung dieses Rechts
umfassen die erforderlichen Maßnahmen
a) zur Senkung der Zahl der Totgeburten und der Kindersterblichkeit sowie zur gesunden
Entwicklung des Kindes;
b) zur Verbesserung aller Aspekte der Umwelt- und der Arbeitshygiene;
c) zur Vorbeugung, Behandlung und Bekämpfung epidemischer, endemischer, Berufs- und sonstiger
Krankheiten;
d) zur Schaffung der Voraussetzungen, die für jedermann im Krankheitsfall den Genuss
medizinischer Einrichtungen und ärztlicher Betreuung sicherstellen.
(Art. 12 IPwskR)
Art. 35 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union legt fest, dass jeder Mensch, der in der Euro-
päischen Union lebt, das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung nach
Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepogenheiten hat. Hierbei wird bei der Festle-
gung und Durchführung der Politik und Maßnahmen der Union in allen Bereichen ein hohes Gesund-
heitsschutzniveau sichergestellt.
Notwendige Voraussetzung für die Sicherstellung des Gesundheitsschutzes ist der diskriminierungsfreie
Zugang zu medizinischer und pegerischer Infrastruktur und den Dienstleistungen, die neben der ärztli-
chen und therapeutischen Behandlung auch Arzneimittel und Medizinprodukte umfassen. Elsuni (2013)
unterscheidet hierfür mehrere Fallkonstellationen von Diskriminierung im Gesundheitswesen: beim Zu-
gang zum Gesundheitswesen, im Rahmen von Behandlungsverhältnissen, im Rahmen der Diagnoseerstel-
lung und im Rahmen von standardisierten Verfahren. Dies sind die Situationen, in denen Diskriminierung
zwischen Gesundheitspersonal und Patient*innen stattnden kann.
Im Genfer Gelöbnis von 2017 verpichten sich Ärzt*innen dazu, „nicht zu[zu]lassen, dass Erwägungen von
Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politi-
scher Zugehörigkeit, sexueller Orientierung oder sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwi-
schen [ihre] Pichten oder [ihre] Patientin oder [ihren] Patienten treten“. Das Genfer Gelöbnis schränkt
somit die Freiheit und das Recht der Ärzt*innenschaft aus der (Muster-)Berufsordnung3 der Bundesärzte-
kammer, eine Behandlung abzulehnen, ein. Darüber hinaus wird die Freiheit und das Recht, eine Behand-
lung abzulehnen, durch das AGG eingeschränkt. Im Folgenden werden darüber hinaus mögliche Benach-
teiligungen aufgrund des Körpergewichts und des sozioökonomischen Status untersucht, die bislang nicht
vom Schutzbereich des AGG umfasst werden.
3 (Muster-)Berufsordnung-Ärzte der Bundesärztekammer (Stand 2018): https://www.bundesaerztekammer.de/recht/berufsrecht/
muster-berufsordnung-aerzte/
13Schutz vor Diskriminierung im Gesundheitswesen im deutschen Recht
2.2 Behandlungsverträge
Besucht ein*e Patient*in ein*e Ärzt*in, wird ein Vertrag zwischen den Parteien eröffnet. Rechtsgrundlage
für Behandlungen ist der sogenannte Behandlungsvertrag gem. § 630a BGB, bei dem es sich um ein schuld-
rechtliches Vertragsverhältnis handelt, auf die die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
anwendbar sind. Unabhängig davon kommt es von beiden Parteien in der Regel auch zu einem Schuld-
verhältnis mit einem Dritten: der Krankenkasse. Die Krankenkasse wird hierbei jedoch nicht gleich-
wohl Partei des Behandlungsvertrags. Zwischen Ärzt*innen und Patient*innen gilt grundsätzlich die
Vertragsfreiheit, die erlaubt, Vertragspartner*in und Vertragsgegenstand frei zu bestimmen. Jedoch
können der Vertragsfreiheit rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Diese Bestimmungen gelten auch
für Verträge über psychologische Psychotherapien oder über ambulante Pege, Heilpraktiker*innen-
und Logopädieverträge.
Das AGG dient der Umsetzung von vier EU-Antidiskriminierungsrichtlinien (vergleiche BT-Drs. 16/1780,
Seite 1), die 2000 und 2004 vom Rat der Europäischen Union beschlossen wurden. Im Einzelnen handelt es
sich um die Antirassismusrichtlinie (2000/43/EG), die Rahmenrichtlinie Beschäftigung (2000/78/EG), die
„Gender-Richtlinie“ (2002/73/EG) und die Richtlinie zur Gleichstellung der Geschlechter auch außerhalb
der Arbeitswelt (2004/113/EG). Die Richtlinien geben in ihrem jeweiligen Geltungsbereich Denitionen
für die unterschiedlichen Arten von Diskriminierung vor und sollen die gesellschaftliche Wirklichkeit
in den EU-Mitgliedstaaten verändern, das heißt, Diskriminierungen nicht zu verbieten, sondern wirksam
zu beseitigen. Nach § 3 Abs. 1 Seite 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person
wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in
einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Für den allgemeinen Zivilrechts-
verkehr konkretisiert § 19 Abs. 1 AGG dieses Verbot. §19 Abs.1AGG schützt vor rassistischer Benachteiligung
sowie vor Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, Weltanschau-
ung, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und
Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleich-
baren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen, das sind sogenannte Massengeschäfte,
oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung
hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen. Ohne Ansehen
der Person ist ein Geschäft, wenn die Anbieter*in den Vertrag im Rahmen ihrer Kapazitäten grundsätzlich
mit jeder zahlungswilligen und zahlungsfähigen Person abschließen würde.
Die Einordnung des Behandlungsvertrags unter die Voraussetzungen des Massengeschäfts ist in der Lite-
ratur umstritten, die Rechtsprechung war bisher kaum damit befasst. Entscheidend ist hierbei, ob es sich
um ein Schuldverhältnis handelt, bei dem das Ansehen der Person eine nachrangige Bedeutung hat. Als
Argument gegen den Massengeschäftscharakter des Behandlungsvertrags wird das Nähe- und Vertrauens-
verhältnis zwischen Ärzt*innen und Patient*innen angeführt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
(2020) ist der Auffassung, dass der medizinische Behandlungsvertrag als ein dem Massengeschäft vergleich-
barer Vertrag nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG einzuordnen ist und damit in den Schutzbereich des AGG fällt. Es
handelt sich um Verträge, bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine
nachrangige Bedeutung hat und die typischerweise zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von
Fällen geschlossen werden. Mögliche Personalisierungen führen nicht dazu, dass kein massengeschäfts-
ähnlicher Vertrag vorliegt (Elsuni 2013, Seite 32; Franke und Schlichtmann 2018, Rn. 35; Thüsing 2018,
Rn. 41).
14 Schutz vor Diskriminierung im Gesundheitswesen im deutschen Recht
Infolgedessen können Patient*innen, die aufgrund der im AGG genannten Merkmale diskriminiert wer-
den, Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Schadensersatz und Entschädigung nach dem AGG geltend
machen. Vereinzelt liegen Klagen zur Durchsetzung von AGG-Ansprüchen von Patient*innen vor, wie bei-
spielsweise zum Mitführen eines Blindenführhundes in einer Physiotherapiepraxis (BVerfG, Beschluss der
2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2020 – 2 BvR 1005/18 –, Rn. 1–50). Die rechtswissenschaft-
liche Forschung erschöpft sich zumeist in einer Darstellung der rechtlichen Dogmatik. Die tatsächliche
rechtliche Durchsetzung der rechtlichen Ansprüche, sei es vor Gericht oder vor anderen Beschwerdestellen
sollte weiter untersucht werden. Auch wäre eine systematische Erfassung aller Gerichtsentscheidungen,
die das AGG betreffende Ansprüche verhandeln, aus untersuchender Perspektive dringend geboten.
2.3 Außergerichtliche Beschwerdestellen im
Gesundheitswesen
Die Durchsetzung des Rechts auf Nichtdiskriminierung ist für Patient*innen nicht einfach. Oftmals ist der
Klageweg nicht geeignet oder die Patient*innen streben ihn nicht an, weil sie vielmehr Rat und Orientie-
rung suchen. Aus diesem Grund haben außergerichtliche Beschwerdewege im Gesundheitswesen einen
herausragenden Stellenwert in der Bearbeitung von Diskriminierungssituationen und werden im Folgen-
den dargestellt.
Seit 2004 gibt es das Amt der*des Patientenbeauftragten, das mit dem Gesetz zur Modernisierung der
gesetzlichen Krankenversicherung geschaffen wurde. Die Person wird von der Bundesgesundheitsminis-
ter*in vorgeschlagen und von der Bundesregierung berufen, und zwar jeweils für die Zeit, bis ein neuer
Bundestag zusammentritt. Die gesetzliche Grundlage ist hierbei § 140h Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes
Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung und weist den Patientenbeauftragten die Aufgabe zu, die
Belange von Patient*innen in allen relevanten politischen Bereichen zu vertreten. Die*der Patientenbe-
auftragte der Bundesregierung hat jedoch keine Möglichkeit, Patient*innen in Einzelfällen zu beraten.
Die*der Patientenbeauftragte vertritt die Belange von Patient*innen in allen einschlägigen gesetzlichen
Maßnahmen und informiert über die unterschiedlichen Angebote, an die sich Patient*innen bei Bera-
tungsbedarf wenden können.
Eine weitere Anlaufstelle bildet die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD). Hierbei handelt es
sich um eine gemeinnützige GmbH, die Patient*innen neutral und unabhängig zu Patient*innenrechten
berät.
Auch die gesetzlichen Krankenkassen sind grundsätzliche Ansprechpartnerinnen für ihre Versicherten. Sie
sind gesetzlich dazu verpichtet, ihre Versicherten zu informieren, und müssen den Versicherten durch
Aulärung, Beratung und entsprechende Leistungen Unterstützung anbieten.
Das im Februar 2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz verpichtet Krankenhäuser bundesweit zur
Einrichtung eines patientenorientierten Beschwerdemanagements. Dazu gehört die Einrichtung von Be-
schwerdemöglichkeiten, die Information der Patient*innen vor Ort über diese Angebote sowie eine zügige
und transparente Bearbeitung der Anliegen. In einigen Ländern, beispielsweise in Rheinland-Pfalz, Hessen
und Berlin, sind Patientenfürsprecher*innen im Krankenhaus, auch Ombudspersonen genannt, gesetzlich
vorgeschrieben. Im vom*von der Patientenbeauftragten herausgegebenen Leitfaden für Patientenfürspre-
cher*innen an Krankenhäusern (Geschäftsstelle der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der
Patientinnen und Patienten 2020) wird der aktuelle Stand der Regelungen zu Patientenfürsprecher*innen
nach Bundesländern dargestellt. Einheitliche Regelungen für die Berufung, Organisation und Tätigkeit
von Patientenfürsprecher*innen existieren vor dem Hintergrund der Regelungsbefugnis der Länder nicht.
15Schutz vor Diskriminierung im Gesundheitswesen im deutschen Recht
Die Kammergesetze der Länder regeln die Einrichtung von Berufskammern. Dazu gehören im Gesund-
heitswesen die Ärzt*innenkammer, die Zahnärzt*innenkammer, die Kammer für Psychologische Psy-
chotherapeut*innen und Kinder- und Jugendpsychotherapeut*innen. Die Kammern sind sogenannte
Einrichtungen der Selbstverwaltung der Berufsstände und ihnen gehören alle Angehörigen des jeweiligen
Berufsstandes an. Die Kammern sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert und überneh-
men die Aufgabe, die Berufspichten der Kammerangehörigen zu überwachen, die Qualität der Berufsaus-
übung sicherzustellen und Streitigkeiten zu schlichten, soweit nicht andere Zuständigkeiten bestehen. Sie
übernehmen Aufgaben der staatlichen Daseinsfürsorge und üben hoheitliche Aufgaben aus. Daraus ergibt
sich eine Bindung an das Grundgesetz und insbesondere das darin normierte Diskriminierungsverbot aus
Art. 3 Abs. 3 GG.
Liegt ein Verstoß gegen die in den Berufsordnungen genannten Pichten vor, können Patient*innen eine
Beschwerde an die Ärzt*innenkammer richten. Bei Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte kann ein au-
ßergerichtliches Schlichtungsverfahren eingeleitet werden. Die Schlichtungsstellen dienen dazu, außer-
gerichtlich und durch rechtliche und medizinische Prüfung eine einvernehmliche Lösung zu erzielen. Die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2020b) regt an, analog zu § 15a EGZPO bei den Ärzt*innenkam-
mern der Länder Gütestellen für Streitigkeiten über Ansprüche nach dem AGG im Zusammenhang mit
einem Behandlungsvertrag einzurichten. Dies wäre eine zusätzliche und ergänzende Anlaufstelle neben
der Antidiskriminierungsstelle des Bundes für Patient*innen, um Ansprüche nach dem AGG geltend zu
machen. Denkbar wäre auch eine Umsetzung durch die Ernennung von Antidiskriminierungsbeauftrag-
ten bei den Ärzt*innenkammern der Länder. Teilweise ist dies bereits geschehen, wie beispielsweise durch
die Berufung eines Rassismusbeauftragten der Landesärztekammer Hessen im Jahr 2020, der Anlaufstelle
für Beschwerden und zur Entwicklung von Gegenstrategien ist und Forschungsprojekte zu Rassismus im
Gesundheitswesen unterstützen soll.
Forschungsbedarfe bestehen in der systematischen Untersuchung der Nutzungshäugkeit und Effektivität
der unterschiedlichen und vielfältigen Beschwerdesysteme von Kammern, Krankenkassen, Unabhängiger
Patientenberatung und im Beschwerdemanagement von Krankenhäusern bei Fällen von Diskriminierung.
Darüber hinaus ist aus rechtlicher Sicht anzuregen, die Datengrundlage für eine rechtliche Auswertung
von Gerichtsentscheidungen im Bereich des AGG zu verbessern und eine vollständige zentralisierte Er-
fassung von Gerichtsentscheidungen anzustreben. Wichtig ist hierbei auch der Abbau der Kostenschwelle,
damit auch Beratungsstellen mit geringen nanziellen Mitteln Zugriff auf diese wichtige Recherchequelle
haben.
16 Schutz vor Diskriminierung im Gesundheitswesen im deutschen Recht
17Forschungsstand
3. Forschungsstand
3.1 Das Gesundheitswesen als Dienstleister
Das Gesundheitswesen weist – im Vergleich zu anderen Lebensbereichen – verschiedene Besonderheiten
auf. So ist die Krankenversicherung in Deutschland eine Pichtversicherung, jede*r Bürger*in muss ge-
setzlich oder privat versichert sein. Das Gesundheitssystem ist dabei geprägt von einem Dreiecksverhältnis
zwischen den versicherten Leistungsempfänger*innen (Patient*innen), den leistungserbringenden
Ärzt*innen, Krankenhäusern oder Praxen und dem Leistungsträger (vor allem Krankenversicherungen),
der letztendlich den Großteil der anfallenden Kosten trägt.
Des Weiteren nehmen Menschen das Gesundheitssystem oftmals dann in Anspruch, wenn sie sich in einer
Notsituation benden und aus körperlichen oder psychischen Gründen Hilfe benötigen. Die Patient*in-
nen stehen dabei mitunter in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Anbieter der Gesundheitsleistung oder
zum Gesundheitspersonal. Dieses Abhängigkeitsverhältnis resultiert beispielsweise aus knappen zeitna-
hen Terminangeboten bei Fachärzt*innen oder auch einem Wissensvorsprung des medizinischen und
pegenden Personals. In diesem Rahmen Diskriminierungserfahrungen zu erleben, gefährdet das Vertrau-
en der Patient*innen gegenüber dem Gesundheitspersonal.
Neben individuellen und strukturellen Zugangsbarrieren können aus standardisierten Verfahren und or-
ganisationalen Abläufen spezische Ungleichbehandlungen im Gesundheitswesen resultieren. Diskrimi-
nierung kann demnach nicht nur den Zugang zum Gesundheitssystem beeinträchtigen, sondern auch die
Inanspruchnahme und Behandlungsqualität beeinussen und somit gesundheitliche Ungleichheiten ver-
stärken. Trotz der einleitend dargestellten Diskriminierungsverbote verweisen sozial- und rechtswissen-
schaftliche Studien auf Benachteiligungs- und Ausgrenzungsprozesse bestimmter Patient*innengruppen,
die in diesem Abschnitt skizziert werden.
3.1.1 Ethnische Herkunft und rassistische Diskriminierung
Im Folgenden werden Benachteiligungen von Menschen aufgrund (zugeschriebener) Merkmale, „mit de-
nen eine bestimmte biologische Abstammung oder ethnokulturelle Herkunft assoziiert wird“ (Antidiskri-
minierungsstelle des Bundes 2017b, Seite 41), wie Ethnizität, Nationalität, ethnische Herkunft,
Migrationsgeschichte, kulturelle Identität, Hautfarbe, Name, Sprache sowie Akzent, als ethnische und ras-
sistische Diskriminierung zusammengefasst. Rassistische Zuschreibungen, bei denen Menschen anhand
ihres äußerlichen Erscheinungsbildes (Haut- und Haarfarbe) ohne mögliche Einussnahme einer sozial
konstruierten Gruppe zugeordnet und pauschal abgewertet werden, sind damit ebenfalls in der vorliegen-
den Diskriminierungskategorie berücksichtigt. Die alleinige Verwendung des Merkmals „ethnische Her-
kunft“ ist demgegenüber unzureichend, „da in ‚ethnisch‘ weitere Bedeutungsebenen von Kultur, Tradition,
Identität etc. enthalten sind, die im Falle rassizierender Zuschreibung nicht erfüllt sein müssen“ (Bau-
mann et al. 2018, Seite 19).
18 Forschungsstand
(Anti-)Diskriminierungsdaten, die Benachteiligungen anhand der (ethnischen) Herkunft und aus rassisti-
schen Gründen im Gesundheitswesen abbilden, werden in Deutschland bislang kaum erhoben. Um Dis-
kriminierungsrisiken im Gesundheitssystem dennoch zu erfassen, wird in der sozial- und gesundheits-
wissenschaftlichen Forschung größtenteils das statistische Konzept „Migrationshintergrund“4 oder die
Staatsangehörigkeit einer Person herangezogen. Allerdings gilt es bei der übergeordneten Kategorie „Mig-
rationshintergrund“ zu berücksichtigen, dass sie der Heterogenität der Bevölkerungsgruppe nicht annä-
hernd gerecht wird. So unterscheiden sich Menschen mit Migrationshintergrund nicht nur darin, ob sie
eine eigene Migrationserfahrung aufweisen (also selbst nach Deutschland zuwanderten) oder in Deutsch-
land geboren sind, sondern auch nach dem sozioökonomischen Status, dem Herkunftsland, der Aufent-
haltsdauer, dem Aufenthaltsstatus, den Sprachkenntnissen oder den religiösen und kulturellen Orientie-
rungen. Infolge der Heterogenität variieren die Diskriminierungsrisiken auch innerhalb der sogenannten
Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Zudem wird Diskriminierung häug über die Hautfarbe oder
den Akzent wirksam: Menschen mit nicht weißer Hautfarbe, die statistisch der Kategorie „ohne Migrati-
onshintergrund“ zugeordnet werden, können von rassistischen Diskriminierungs- und Ausgrenzungser-
fahrungen betroffen sein. Demgegenüber erleben möglicherweise als weiß wahrgenommene Menschen
„mit Migrationshintergrund“ keine rassistische Diskriminierung (Supik 2017; Fachkommission der Bun-
desregierung zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit 2020). Demzufolge sind bei Analysen,
die auf dem Konzept des Migrationshintergrunds basieren, rassistische Diskriminierungs- und Ausgren-
zungserfahrungen statistisch nicht sichtbar.
Interpersonale Diskriminierung
Hinweise auf Diskriminierung im Gesundheitswesen aufgrund der ethnischen Herkunft und aus rassisti-
schen Gründen ergeben nicht nur vereinzelte Betroffenenbefragungen (Beigang et al. 2017; Sauer 2018),
sondern auch eingegangene Beratungsfälle in Antidiskriminierungsstellen (Antidiskriminierungsstelle
des Bundes 2017a, 2020c, 2020a). Die Beratungsanfragen reichen von Stereotypisierungen und Beleidigun-
gen bis hin zu Benachteiligungen bei Behandlungen sowie Verweigerungen von Leistungen der Gesund-
heitsversorgung, beispielsweise aufgrund unzureichender deutscher Sprachkenntnisse (Antidiskriminie-
rungsstelle des Bundes 2017a, 2020c). Darüber hinaus deuten Beratungsfälle im Zusammenhang mit der
COVID-19-Pandemie auf Diskriminierungserfahrungen aus rassistischen Gründen in Ärzt*innenpraxen
hin (Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2020a).
Die sozial- und gesundheitswissenschaftliche Forschung in Deutschland setzte sich bislang nur unzurei-
chend mit der ethnischen und rassistischen Diskriminierung im Gesundheitswesen auseinander (Braun
und Zeeb 2021). So mangelt es sowohl an Erkenntnissen über das Ausmaß und die Erscheinungsformen
von Diskriminierung als auch deren Auswirkungen auf den Zugang zum Gesundheitssystem und auf die
Qualität der gesundheitlichen Versorgung. Internationale Übersichtsbeiträge verweisen jedoch auf Vor-
urteile, Stereotypisierungen und rassistische Verhaltensweisen in der Gesundheitsversorgung (Drewniak
et al. 2017; Paradies et al. 2014; Schouten und Meeuwesen 2006), wobei die überwiegende Mehrheit der
Forschungsergebnisse aus den USA bezogen wird.
Für Deutschland vorliegende Studien geben Hinweise darauf, dass Diskriminierungserfahrungen auf-
grund der Herkunft die Inanspruchnahme von Gesundheitsmaßnahmen (Bermejo et al. 2012) und den
Zugang zur gesundheitlichen Versorgung, wie der Antragsstellung im Bereich der (medizinischen) Rehabi-
litation (Brzoska et al. 2010a; Schwarz et al. 2015) negativ beeinussen können. Im Rahmen von Fokus-
gruppendiskussionen wurden die Erfahrungen von schwarzen Patient*innen (Gerlach et al. 2008b) und
4 Das Konzept „Migrationshintergrund“ wurde im Rahmen des Mikrozensus vom Statistischen Bundesamt entwickelt: „Eine Person
hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch
Geburt besitzt“ (Statistisches Bundesamt 2020a). Allerdings wird das Konzept zunehmend kritisiert (Will 2018; Fachkommission der
Bundesregierung zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit 2020).
19Forschungsstand
Menschen mit türkischem Migrationshintergrund (Gerlach et al. 2012) in hausärztlichen Praxen in Deutsch-
land untersucht. In beiden qualitativen Studien berichteten die Teilnehmenden explizit von Vorurteilen,
Abwertungen und rassistischer Diskriminierung durch das medizinische Fachpersonal.
Ethnische und rassistische Diskriminierung wird in verschiedenen qualitativen Studien (teilweise „beiläu-
g“) in der Ärzt*innen-Patient*innen-Interaktion identiziert und äußert sich zum Beispiel in dem Gefühl
der Betroffenen, eine ungleiche Behandlung zu erhalten und nicht ernst genommen oder nicht respektiert
zu werden (Brause et al. 2010; Borde 2002; Borde et al. 2002; Gerlach et al. 2008b; Gerlach et al. 2012). Darü-
ber hinaus stellen längere Wartezeiten und eine kürzere Konsultationsdauer weitere Formen der Benach-
teiligungen aufgrund der Herkunft dar. In einer Ende der 1990er Jahre durchgeführten Studie zur statio-
nären Versorgung in einer gynäkologischen Klinik in Berlin zeigte sich, dass türkeistämmige Patientinnen
(n=233) deutlich häuger den Aussagen hinsichtlich zu langer Wartezeiten (67 Prozent versus 35 Prozent)
und zu knapper Zeit für Gespräche mit Ärzt*innen (83 Prozent versus 53 Prozent) zustimmten als deutsche
Patient*innen (n=295) (Borde et al. 2002, Seite 481). Im Rahmen einer qualitativen Studie zu den Erfahrun-
gen von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in hausärztlichen Praxen in Deutschland be-
richteten die Teilnehmenden (n=39) der Fokusgruppendiskussionen ebenfalls „von langen Wartezeiten
und sehr kurzen Arztgesprächen“ (Gerlach et al. 2012, Seite 81).
Aus den Expert*inneninterviews geht hervor, dass es seltener offene rassistische Äußerungen des medizi-
nischen sowie pegenden Gesundheitspersonals sind, sondern eher „subtilere Formen“ von Rassismus, wie
ein respektloser Umgang oder längere Wartezeiten.
Inwiefern Vorurteile und rassistische Zuschreibungen beim Gesundheitspersonal manifestiert sind und das
alltägliche Handeln in der Gesundheitsversorgung tatsächlich prägen, bedarf jedoch der systematischen
Erforschung.
Unterschiede in der Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung
Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere Personen mit eigener Migrationserfahrung5 (soge-
nannte erste Generation), nehmen seltener Fachärzt*innen (Glaesmer et al. 2011; Weber und Hörmann
2011) und Leistungen der Prävention (Klein und Knesebeck 2018) wie Zahnvorsorgeuntersuchungen (Krau-
se et al. 2020b; Zeeb et al. 2004) in Anspruch als Menschen ohne Migrationshintergrund. Vor dem Hinter-
grund der schlechteren Mundgesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund (Arabi et al. 2013) gibt
die niedrigere Inanspruchnahme von Zahnvorsorgeuntersuchungen einen Hinweis auf mögliche Zu-
gangsbarrieren zu zahnmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen.
Auswertungen der Studie Gesundheit in Deutschland Aktuell (GEDA) 20106 verweisen für Menschen mit
Migrationshintergrund (n=3.004) – im Vergleich zur Bevölkerung ohne Migrationshintergrund (n=19.044) –
auf eine jeweils knapp zehn Prozentpunkte niedrigere Teilnahme an Gesundheits-Check-ups, Zahnvorsor-
ge- und Krebsfrüherkennungsuntersuchungen sowie Grippeschutzimpfungen. Eine nach dem sozialen Sta-
tus differenzierte Darstellung zeigt zudem, dass „sich die durch Migrationsstatus, Geschlecht und soziale
Schicht bedingten Differenzen“ der Inanspruchnahme teilweise deutlich erhöhen (Brand et al. 2015b,
5 Personen, die selbst nach Deutschland zugewandert sind
6 Gesundheit in Deutschland Aktuell (GEDA) ist Teil des Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut und eine regelmäßige,
bundesweite Telefonbefragung zur Lebenssituation und Gesundheit, die für die erwachsene, deutschsprachige Wohnbevölkerung
repräsentativ ist. In der beschriebenen Studie von Brand et al. 2015b ist GEDA 2010 zugrunde gelegt worden. Für nähere Informatio-
nen zu der entsprechenden Erhebungswelle GEDA 2010 siehe zum Beispiel Robert Koch-Institut 2012.
20 Forschungsstand
Seite586). Basierend auf den Daten der bundesweiten Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland7
(DEGS 1, n=8.151) belegen Rommel et al. (2015), dass bei der Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchun-
gen nicht nur Unterschiede nach dem (Nicht-)Vorliegen eines Migrationshintergrundes, sondern auch
geschlechts- und generationsspezische Variationen bestehen. So nehmen Frauen der ersten Generation
(nicht jedoch Frauen der zweiten Generation) Krebsfrüherkennungsuntersuchungen unregelmäßiger in
Anspruch als Frauen ohne Migrationshintergrund (Auswertungen adjustiert für Alter und sozioökonomi-
schen Status). Bei Männern mit Migrationshintergrund (erste und zweite Generation) zeigte sich hingegen
kein erhöhtes Risiko für eine unregelmäßige Teilnahme an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen im
Vergleich zu Männern ohne Migrationshintergrund (Rommel et al. 2015, Seite549).
Dass Frauen mit Migrationshintergrund seltener an Vorsorgeuntersuchungen (vor allem der Krebsfrüher-
kennung) teilnehmen als Frauen ohne Migrationshintergrund, belegt auch eine Befragung von Begleit-
personen schulpichtiger Kinder im Rahmen der Bielefelder Schuleingangsuntersuchungen. Während
90,3 Prozent der Frauen ohne Migrationshintergrund (n=258) angaben, jemals an einer Krebsvorsorgeun-
tersuchung teilgenommen zu haben, liegt der Anteil unter den befragten Frauen mit Migrationshinter-
grund (n=200) bei lediglich 60,5 Prozent (Zeeb et al. 2004, Seite80). Demgegenüber verweist eine register-
basierte Studie zur Inanspruchnahme eines Mammograe-Screenings auf eine leicht höhere Teilnahme
türkeistämmiger Frauen (52,3 Prozent) im Vergleich zu Frauen deutscher Herkunft (49,1 Prozent). Lediglich
in der höchsten Altersgruppe (65 bis 69 Jahre) liegt die Inanspruchnahme des Mammograe-Screenings
unter türkeistämmigen Frauen (40,2 Prozent) niedriger als in der Vergleichsgruppe (47,0 Prozent) (Berens
et al. 2014, Seite3).
In einer Studie zur geburtshilichen Versorgung in drei Berliner Geburtskliniken (2011–2012, n=7.100)
zeigen sich insgesamt keine Unterschiede in der Inanspruchnahme der ärztlichen Schwangerenvorsorge
zwischen Frauen mit und ohne Migrationshintergrund. Eine nach migrationsbezogenen Merkmalen
differenzierte Betrachtung verweist jedoch auf Variationen in der geburtshilichen Versorgung. Frauen
mit Migrationshintergrund, die seit weniger als fünf Jahren in Deutschland leben, nehmen später an der
ersten Vorsorgeuntersuchung teil als Frauen ohne Migrationshintergrund. Darüber hinaus stellen sowohl
ein unsicherer Aufenthaltsstatus als auch unzureichende Deutschkenntnisse Risikofaktoren für eine Wenig-
nutzung (das heißt fünf oder weniger dokumentierte Vorsorgeuntersuchungen) der ärztlichen Schwange-
renvorsorge dar (Brenne et al. 2015). Zudem zeigen Auswertungen der Bielefelder BaBi-Studie (Gesundheit
von Babys und Kindern in Bielefeld, 2013–2016, n=730) und der Berliner Perinatalstudie (2011–2012,
n=6.314), dass selbst zugewanderte Frauen seltener nichtmedizinische Schwangerenvorsorgeangebote wie
Hebammenbetreuung, Geburtsvorbereitungskurse oder Schwangerschaftsgymnastik wahrnehmen als
Frauen ohne Migrationshintergrund (Ludwig et al. 2020). Mögliche Gründe für die niedrigere Teilnahme
von Frauen mit eigener Migrationserfahrung an nichtärztlichen Schwangerenvorsorgeangeboten stellen
unter anderem Kommunikationsprobleme und Informationsdezite über derartige Angebote dar. Eine im
Jahr 2017 durchgeführte Studie zur perinatalen Versorgungssituation in einer Berliner Klinik (n=460) zeigt
in diesem Zusammenhang, dass Frauen mit eigener Migrationserfahrung deutlich seltener über die
Möglichkeit einer Hebammenbetreuung nach der Geburt informiert sind als Frauen ohne Migrationshin-
tergrund (Seidel et al. 2020, Seite6).
7 Mit der vom Robert Koch-Institut von 2008 bis 2011 durchgeführten Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS 1)
wurden bundesweit repräsentative Daten zur gesundheitlichen Situation der in Deutschland lebenden erwachsenen Bevölkerung
erfasst. Bei der als Befragungs- und Untersuchungssurvey konzipierten Erhebung sind spezische Maßnahmen zur Erhöhung der
Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund angewandt worden. Für nähere Informationen zum Studiendesign siehe
unter anderem Saß et al. 2015.
21Forschungsstand
Frauen mit Migrationshintergrund wechseln zudem wesentlich häuger als Frauen ohne Migrations-
hintergrund niedergelassene Gynäkolog*innen („Doctor Shopping“). So lag der Anteil an türkeistämmigen
Patientinnen, die in einer Studie zur Versorgungssituation in einer gynäkologischen Klinik in Berlin
angaben (n=570), die Frauenärztin / den Frauenarzt in den letzten fünf Jahren mehr als zweimal gewechselt
zu haben, doppelt so hoch wie bei Patientinnen mit deutscher Herkunft. Der mehrfache Frauenärzt*in-
nenwechsel von türkeistämmigen Patientinnen ist neben sprachlichen Verständigungsproblemen sowohl
auf empfundene Unfreundlichkeit sowie Diskriminierung als auch auf unzureichende Aulärungen
durch Gynäkolog*innen und erfolglose Behandlungen zurückzuführen (Borde 2002, Seite164 ff.).
Für Kinder und Jugendliche zeigt sich anhand der zweiten Welle der Studie zur Gesundheit von Kindern
und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS Welle 28, 2014–2017) ein ähnliches Muster hinsichtlich der
Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen: Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund
nehmen sowohl seltener an zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen (Krause et al. 2018) als auch
den Früherkennungsuntersuchungen U1 bis U9 (Schmidtke et al. 2018) teil als Gleichaltrige ohne
Migrationshintergrund.
Einige der beschriebenen Ergebnisse zur Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen deuten
insgesamt darauf hin, dass beim Zugang zur Gesundheitsversorgung verschiedene Ungleichheitsdimensi-
onen (Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status, Migrationsgeneration, Aufenthaltsdauer) interagieren
und sich teilweise wechselseitig verstärken (Binder-Fritz und Rieder 2014; Wimmer-Puchinger et al. 2006).
Es handelt sich jedoch größtenteils um eine reine Beschreibung von Unterschieden in der Inanspruch-
nahme, die zwar keine Rückschlüsse auf mögliche Ursachen zulässt, aber Hinweise auf eine unterschied-
liche Erreichbarkeit von Gesundheitsangeboten innerhalb der heterogenen Migrationsbevölkerung gibt.
Während für die Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen von Menschen mit und ohne
Migrationshintergrund vereinzelt – wenngleich mit Unterschieden in der Datenqualität – relativ „neue“
Studien vorliegen, mangelt es insbesondere im Bereich der stationären Gesundheitsversorgung an aktuel-
len und belastbaren Forschungserkenntnissen. Eine Anfang der 2000er Jahre durchgeführte Studie zur
Inanspruchnahme klinischer Notfallambulanzen in drei Berliner Kliniken (2001–2003, n=4.930) verweist
auf eine häugere Nutzung von Rettungsstellen durch Menschen mit Migrationshintergrund (Borde et al.
2003). Demgegenüber zeigen sich in einer prospektiven (ähnlich angelegten) Querschnittstudie (2006–
2007, n=412) in zwei Berliner Kliniken keine relevanten Unterschiede im Nutzungsverhalten von klini-
schen Notfallambulanzen nach dem (Nicht-)Vorliegen eines Migrationshintergrunds (Haji Loueian et al.
2012). Beide Studien belegen jedoch, dass Menschen mit Migrationshintergrund seltener stationär aufge-
nommen werden als Menschen ohne Migrationshintergrund. Während über ein Drittel (36,9 Prozent) der
Frauen und die Hälfte der Männer (50,0 Prozent) mit deutscher Herkunft in der prospektiven Querschnitt-
studie von Haji Loueian et al. (2012) stationär behandelt wurden, liegt der Anteil unter den türkeistämmi-
gen Frauen bei 19,2 Prozent und den türkeistämmigen Männern bei 29,0 Prozent (Haji Loueian et al. 2012,
Seite688).
8 Die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) erhebt in regelmäßigen Abständen bundesweit
repräsentative Daten zur gesundheitlichen Situation der 0- bis 17-Jährigen in Deutschland. Ein migrationssensibles Studiendesign
zur verbesserten Einbindung von Familien mit Migrationshintergrund wurde jeweils in der als Befragungs- und Untersuchungs-
survey konzipierten KiGGS-Basiserhebung (2003–2006) und KiGGS Welle 2 (2014–2017) angewandt. Für nähere Informationen zum
Studiendesign von KiGGS Welle 2 (n=15.023), deren Ergebnisse hier berichtet werden, siehe zum Beispiel Frank et al. 2018.
22 Forschungsstand
Die Anfang der 2000er Jahre durchgeführte Studie zur Inanspruchnahme klinischer Notfallambulanzen
gibt zudem Hinweise auf Unterschiede in der Behandlung. Menschen mit Migrationshintergrund erhalten
seltener diagnostische Untersuchungen (Labor, Röntgen, CT und so weiter) als Menschen ohne Migrations-
hintergrund (David et al. 2006). Darüber hinaus zeigte sich in einer Studie zur stationären gynäkologischen
Versorgungssituation in einer Berliner Klinik Ende der 1990er Jahre, dass türkeistämmige Patientinnen
mit der medizinischen Versorgung und Pege deutlich unzufriedener sind als deutsche Patientinnen
(Borde et al. 2002). Inwiefern die Unterschiede in der Versorgungszufriedenheit auf eine ungleiche Be-
handlung aufgrund der Herkunft zurückzuführen sind, war nicht Gegenstand der Untersuchung.
Neben den Unterschieden in der Inanspruchnahme der ambulanten (und stationären) Gesundheitsver-
sorgung nehmen Menschen mit Migrationshintergrund seltener medizinische Rehabilitationen (Brzoska
et al. 2010b; Brzoska und Razum 2019), einschließlich psychosomatischer rehabilitativer Angebote (Mösko
et al. 2011) in Anspruch als Menschen ohne Migrationshintergrund. Allerdings zeigt eine differenzierte Be-
trachtung rehabilitativer Leistungen anhand der lidA (leben in der Arbeit)-Kohortenstudie (n=6.303), dass
nur bei der Inanspruchnahme ambulanter Rehabilitationsleistungen (nicht jedoch stationärer Rehabilita-
tionsangebote oder der Rehabilitation im Allgemeinen) Unterschiede nach dem Migrationsstatus beste-
hen. So nehmen Personen der ersten Generation – im Vergleich zur Bevölkerung ohne Migrationshinter-
grund – ambulante Leistungen der Rehabilitation signikant seltener in Anspruch. Demgegenüber ist die
Inanspruchnahme der ambulanten Rehabilitation bei Personen der zweiten Generation vergleichbar zu
denjenigen ohne Migrationshintergrund. Die unterschiedliche Inanspruchnahme ambulanter Rehabilita-
tionsleistungen zwischen Personen der ersten Generation und der Bevölkerung ohne Migrationshinter-
grund können weder durch soziodemograsche Merkmale noch durch arbeits- oder gesundheitsbezogene
Faktoren erklärt werden (Schröder et al. 2020).
Brzoska et al. (2019) untersuchten die Inanspruchnahme der rehabilitativen Versorgung von Menschen
mit und ohne Migrationshintergrund auf Basis von Befragungsdaten des Dritten Sozialmedizinischen
Panels für Erwerbspersonen (SPE-III), die sie mit administrativen Daten aus Versicherungskonten ver-
knüpften. Die Auswertungen belegen (n=2.413), dass sich unter Kontrolle verschiedener Kovariaten die
Inanspruchnahme der Rehabilitation von ausländischen Staatsangehörigen und Deutschen mit Migrati-
onshintergrund nicht signikant von Deutschen ohne Migrationshintergrund unterscheidet (Brzoska et
al. 2019). Das – im Vergleich zu den anfangs beschriebenen Studien – konträre Ergebnis ist unter anderem
auf Unterschiede in der Datengrundlage (Routine- versus Befragungsdaten) und der Operationalisierung
des Migrationshintergrunds zurückzuführen. So ermöglichen Routinedaten häug nur eine Beschreibung
der Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen nach der Staatsangehörigkeit, wodurch bestimmte
Gruppen innerhalb der Bevölkerung mit Migrationshintergrund, wie eingebürgerte Personen, nicht als
solche identizierbar sind. Zudem erlauben Auswertungen mit Surveys wie dem Sozio-oekonomischen
Panel und mit Routinedaten „nur unzureichend, weitere Einussfaktoren der Inanspruchnahme sowie
gesundheitliche Unterschiede im Vorfeld der Rehabilitation zu berücksichtigen“ (Brzoska et al. 2019,
Seite386).
Des Weiteren wurde in verschiedenen Studien gezeigt, dass Menschen mit Migrationshintergrund, die
rehabilitative Leistungen in Anspruch nehmen, unzufriedener mit der Behandlung während der Rehabilita-
tion sind (Brzoska et al. 2017a) und geringere Behandlungserfolge erzielen. So schließen Rehabilitand*in-
nen mit ausländischer Staatsangehörigkeit die Rehabilitation mit einer geringeren beruichen
Leistungsfähigkeit ab (Brzoska et al. 2010b) und bewerten das Ergebnis der rehabilitativen Versorgung sub-
jektiv als weniger wirksam (Brzoska et al. 2016) als Rehabilitand*innen mit deutscher Staatsangehörigkeit.
Darüber hinaus verbesserte sich der gesundheitliche Zustand (operationalisiert anhand des medizinischen
Entlassungsurteils) bei Menschen mit Migrationshintergrund seltener als in der Vergleichsgruppe (Brause
et al. 2012).
23Forschungsstand
Sowohl die geringere Inanspruchnahme von Leistungen der Prävention (Klein und Knesebeck 2018) sowie
Rehabilitation als auch der geringere Rehabilitationserfolg (Brzoska und Razum 2014, 2015; Schott et al.
2015) von Menschen mit Migrationshintergrund – im Vergleich zur Bevölkerung ohne Migrationshinter-
grund – können in den Studien nicht vollständig durch sozioökonomische und gesundheitliche Differen-
zen erklärt werden. Demzufolge sind die Unterschiede im Zugang zum Gesundheitssystem zwischen der
Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund nicht allein auf soziale Variationen, sondern auch auf
spezische Barrieren zurückzuführen.
Inwiefern die unterschiedliche Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung auf ungleiche Zugangschan-
cen oder andere Faktoren zurückzuführen ist, bedarf jedoch der systematischen Erforschung. So mangelt es
an sozial- und gesundheitswissenschaftlichen Studien, die den Einuss institutioneller Zugangs- und Wirk-
samkeitsbarrieren im Gesundheitswesen untersuchen.
Institutionelle Diskriminierungsrisiken aufgrund der Herkunft können sich jedoch in einem ungleichen
Zugang zur gesundheitlichen Versorgung widerspiegeln und in einer unterschiedlichen Inanspruchnah-
me von Leistungen des Gesundheitssystems äußern.
Kommunikationsbarrieren als institutionelles Diskriminierungsrisiko
Menschen mit Migrationshintergrund stehen bei der Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheits-
systems spezischen Barrieren gegenüber, die eine gleichberechtigte Teilhabe erschweren und Hinweise
auf institutionelle Diskriminierung aufgrund der Herkunft geben können. Diese Barrieren sind insbeson-
dere auf die sprachlich homogenen Versorgungsstrukturen der Institutionen des Gesundheitswesens, die
Menschen mit Migrationshintergrund systematisch benachteiligen, zurückzuführen (Razum et al. 2020).
Mangelnde mehrsprachige Informationsangebote über Leistungen des Gesundheitssystems sowie Sprach-
und Verständigungsschwierigkeiten in der Ärzt*innen-Patient*innen-Kommunikation können sowohl
die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, einschließlich rehabilitativer Angebote der gesetzli-
chen Rentenversicherung (Bermejo et al. 2012; Schwarz et al. 2015) als auch die Qualität der Gesundheits-
versorgung beeinussen. Insbesondere für selbst zugewanderte Frauen (Brause et al. 2010; Yildrim 2016),
neu zugewanderte Menschen (vor allem Geüchtete) und ältere Menschen mit Migrationserfahrung
(Yilmaz-Aslan et al. 2013) stellen Sprach- und Informationsdezite zentrale Zugangsbarrieren zum Ge-
sundheitssystem dar (Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
2016).
In der Behandlungssituation ist eine gelungene Kommunikation jedoch in mehrfacher Hinsicht von Be-
deutung. Neben der Beschreibung von Beschwerden beziehungsweise Symptomen seitens der Patient*in-
nen und der Aulärung über diagnostische und therapeutische Maßnahmen seitens der Ärzt*innen ist die
erfolgreiche Interaktion „auch für den Zugang zu Wertvorstellungen und Präferenzen der Patient*innen
unverzichtbar“ (Ilkilic 2021, Seite75). Im Rahmen von Fokusgruppendiskussionen berichteten Menschen
mit türkischem Migrationshintergrund (n=39), dass Kommunikationsprobleme mit Ärzt*innen zu Un-
klarheiten über die Diagnose und therapeutische Behandlung führen können. Daneben wurde von den
Teilnehmenden geschildert, wie auf Seiten des medizinischen Fachpersonals Vorurteile über geringere
deutsche Sprachkenntnisse wirksam werden (Gerlach et al. 2012).
Kommunikationsprobleme können vor allem in Bereichen der gesundheitlichen Versorgung mit hohem
Sprachbezug, wie der therapeutischen Anleitung bei rehabilitativen Angeboten, die Wirksamkeit der Maß-
nahmen beeinträchtigen (Brause et al. 2010). Vereinzelte qualitative Studien zeigen, dass sich sprachliche
Verständigungsprobleme auf den gesamten Rehabilitationsprozess und damit auf den Behandlungserfolg
auswirken können (Brzoska et al. 2010a; Schott et al. 2015), wobei insbesondere bei Frauen der ersten Ge-
neration sprachliche Kommunikationsschwierigkeiten auftreten (Brause et al. 2010; Brzoska et al. 2010a).
Zudem bestehen infolge der unzureichenden Berücksichtigung der sprachlichen Vielfalt im Gesundheits-
24 Forschungsstand
wesen nicht nur Informationsdezite bezüglich der rehabilitativen Angebote, sondern vor allem auch im
Hinblick auf die sozialrechtlichen Ansprüche beruicher sowie medizinischer Rehabilitation (Brause et al.
2010; Brzoska et al. 2010a). Eine ebenfalls hohe Bedeutung nimmt die Kommunikation bei psychiatrischen
Behandlungen ein. So zeigt sich in stationär psychiatrischen Einrichtungen, dass kulturell bedingte und
sprachliche Verständigungsprobleme sowohl zu Fehldiagnosen führen als auch die therapeutische Be-
handlung behindern können (Koch et al. 2008; Schouler-Ocak et al. 2008).
Hinweise auf eine ungleiche Behandlung infolge der sprachlich homogenen Ausrichtung des Gesund-
heitssystems gibt eine Studie zur Versorgungssituation in einer gynäkologischen Klinik in Berlin Ende der
1990er Jahre (n=528): Der Aussage, dass Patientinnen ohne Deutschkenntnisse in der Klinik gleich gut
behandelt werden, stimmten lediglich rund 68 Prozent der türkeistämmigen Patientinnen zu (Borde et al.
2002, Seite481). Eine Anfang der 2000er Jahre durchgeführte Studie in drei klinischen Notfallambulanzen
in Berlin zeigt zudem, dass Menschen mit Migrationshintergrund vom medizinischen Personal seltener als
dringend behandlungsbedürftig eingeschätzt werden. Mangelnde Deutschkenntnisse könnten demnach
die Möglichkeiten der Beschwerdebeschreibung und dadurch die Dringlichkeitseinschätzung der Ärzt*in-
nen beeinussen (David et al. 2006). Zudem wurde im Rahmen der Studie belegt, dass sich sprachliche Ver-
ständigungsschwierigkeiten nachteilig auf die Zufriedenheit der Ärzt*innen bezüglich der Ärzt*innen-
Patient*innen-Interaktion auswirken (Babitsch et al. 2008). Das der bereits Anfang der 2000er Jahre
herausgestellte Einuss von Verständigungsschwierigkeiten auf die Ärzt*innen-Patient*innen-Interaktion
nach wie vor von hoher Relevanz ist, belegt eine im Jahr 2017 durchgeführte Onlinebefragung zur geburts-
hilichen Versorgung in Berliner Geburtskliniken (n=131). Dabei berichteten 45 Prozent der Ärzt*innen
und 50 Prozent der Hebammen, „mehr als einmal pro Woche aufgrund einer Sprachbarriere unzufrieden
mit der Kommunikation mit einer Patientin zu sein“ (Seidel et al. 2019, Seite456). Sprachliche Barrieren
können die adäquate Behandlung beeinträchtigen oder in einem vorzeitigen Behandlungsabbruch resul-
tieren (Mösko 2021; Seidel et al. 2019). Die negativen Auswirkungen der Unzufriedenheit des medizini-
schen Fachpersonals mit der Ärzt*innen-Patient*innen-Interaktion werden in einer qualitativen Studie, in
der die Erfahrungen von Hausärzt*innen mit Patient*innen mit Migrationshintergrund erhoben wurden,
geschildert (n=30). So führt die Frustration, den eigenen Ansprüchen der Kommunikation nicht gerecht zu
werden, bei den Hausärzt*innen zu „Hilosigkeit, Wut und Aggression beim Umgang mit Patient*innen
mit Migrationshintergrund“ (Gerlach et al. 2008a, Seite434).
Dass sich sprachlich bedingte Kommunikationsbarrieren auch auf das Verhalten des medizinischen und
pegenden Gesundheitspersonals auswirken können, wurde in den Expert*inneninterviews ebenfalls the-
matisiert. So wurde unter anderem berichtet, „dass das Gesundheitspersonal eben häug mit ausländi-
schen Patient*innen, den Gedanken an Mehrarbeit, Zusatzarbeit, längere Arbeit, mehr Dokumentation (…),
dass sie damit negative Dinge verknüpfen. Und das ist (…), was schließlich noch mal eine Form der Diskri-
minierung der Patient*innen tatsächlich auch zur Folge haben kann“ (Zitat Expert*inneninterview). In
diesem Zusammenhang wird zudem geschildert, dass der Zeitdruck, dem Ärzt*innen ausgesetzt sind, ih-
ren Umgang mit Menschen mit geringeren deutschen Sprachkenntnissen negativ beeinussen könne.
Unzureichender Einsatz von Dolmetscher*innen
Dass sprachliche Verständigungsschwierigkeiten in der gesundheitlichen Versorgung von hoher Relevanz
sind (Borde 2018), belegen mehrere Studien. In Berliner Geburtskliniken befragte Hebammen und Ärzt*in-
nen „schätzen (…) den Anteil der Immigrantinnen, mit denen die Verständigung auf Deutsch nur schlecht
oder gar nicht möglich ist, im Durchschnitt auf 30 Prozent ein“ (Seidel et al. 2019, Seite455). In einer quan-
titativen Befragung türkeistämmiger Personen in Berlin und Nordrhein-Westfalen berichteten knapp
20 Prozent der Befragten von Verständigungsproblemen in der Ärzt*innen-Patient*innen-Kommunika-
tion (Yildrim 2016, Seite 131). Regionale Studien in Kinderkliniken bekräftigen das häuge Auftreten
sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten im klinischen Alltag (Langer et al. 2017; Ullrich et al. 2016).
Dabei werden trotz unzureichender Deutschkenntnisse der Eltern nur in 15,4 Prozent (Kommunikation
25Forschungsstand
mit den Ärzt*innen) beziehungsweise 19,2 Prozent (Kommunikation mit dem Pegepersonal) Sprachmitt-
ler*innen herangezogen (n=43) (Ullrich et al. 2016, Seite212). Nach Angaben des Krankenhaus Barometers
2017 (n=234), eine jährliche Repräsentativbefragung zugelassener Allgemeinkrankenhäuser in Deutsch-
land, greifen 26 Prozent der Einrichtungen bei der Behandlung von Patient*innen mit geringen Deutsch-
kenntnissen nicht auf speziell ausgebildete, professionelle Dolmetscher*innen (außerhalb des Kranken-
hauses) zurück; 53 Prozent gaben an, zumindest gelegentlich externe Übersetzer*innen außerhalb des
Krankenhauses einzusetzen (Blum et al. 2017, Seite68). Statt professioneller Dolmetscher*innen werden in
der Gesundheitsversorgung überwiegend Laien (Begleitpersonen, Familienangehörige, mehrsprachiges
medizinisches Personal) zur Überwindung sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten hinzugezogen
(Blum et al. 2017; Langer et al. 2017; Penka et al. 2015; Seidel et al. 2019). Allerdings können dabei mangeln-
de Dolmetscher*innenkompetenzen, fehlende Neutralität, Schamgefühle oder die Absicht, die Patient*in-
nen nicht zu belasten, zu Fehlübersetzungen, Auslassungen oder Filterungen führen (Borde 2018; Ilkilic
2021).
Die unzureichende Zugänglichkeit zu Leistungen der gesundheitlichen Versorgung aufgrund fehlender
muttersprachlicher Angebote wurde in den Expert*inneninterviews ebenfalls explizit hervorgehoben.
Insbesondere die Frage nach der Kostenübernahme von Dolmetscher*innen-Leistungen stellt ein zentra-
les Problem dar. So wird geschildert, dass Menschen während des Asylverfahrens innerhalb der ersten 18
Monate Anspruch auf Dolmetscher*innen-Leistungen haben, jedoch keine Finanzierbarkeit derartiger
Leistungen für Menschen mit Migrationserfahrung, die nicht im Asylverfahren sind, besteht.
Hintergrundinformation: Rechtsgrundlage für die Übernahme von
Dolmetscher*innenkosten
Ärzt*innen sind gemäß § 630e Absatz 1 BGB dazu verpichtet, ihre Patient*innen im Vorfeld der Behand-
lung umfassend über Art, Umfang und Risiken der Behandlung persönlich aufzuklären. Das persönlich zu
führende Aufklärungsgespräch muss für die Patient*innen verständlich sein. Es kann Ärzt*innen mithin
obliegen, geeignete Dolmetscher*innen hinzuzuziehen. Mit dieser Verpichtung stellt sich die Frage, wer
die Kosten zu tragen hat. In Rechtsprechung und Literatur ist die Frage, ob es eine Rechtsgrundlage für die
Übernahme von Dolmetscher*innenkosten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gibt, nicht
abschließend geklärt (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages 2017). Grundsätzlich müssen
Patient*innen bei ambulanter Versorgung die Kosten für Dolmetscher*innen selbst tragen. Bei der statio-
nären Behandlung wurde die Dolmetscher*innenleistung im Rahmen der Fallpauschale direkt mit dem*der
Krankenhausträger*in abgerechnet. Mit Inkrafttreten des Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfun-
gen (MDK-Reformgesetz) gilt seit 2020 die Verpichtung der Krankenkassen, die Kosten für Gebärden-
sprachdolmetscher*innen in der stationären Behandlung zu übernehmen. Es wäre notwendig zu klären, ob
diese Änderung auch für Menschen mit geringen Deutschkenntnissen und deren Bedarf nach Sprachdol-
metscher*innen analog angewendet werden kann, da sich die Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich
Gebärden- und anderen Sprachdolmetscher*innen bisher wechselseitig aufeinander bezogen haben.
Für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gehören im Einzelfall zu den Leistungen
bei Krankheiten nach den §§ 4 und 6 AsylbLG auch die Dolmetscher*innenkosten, wenn ohne Dolmet-
scher*innen „die erforderliche sprachliche Verständigung und somit eine Behandlung nicht möglich ist“
(Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2011, Seite69). Für Personen, die bereits über 18 Monate
hinaus Leistungen nach dem AsylbLG erhalten, sowie für Personen, die im Rahmen des SGB XII leistungs-
berechtigt sind, beispielsweise anerkannte Geüchtete, die die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht haben,
kommt im Einzelfall eine Übernahme der Dolmetscher*innenkosten auf Grundlage des SGB XII in Be-
tracht.
26 Forschungsstand
Fehlende mehrsprachige Informationen
Strukturelle Ausgrenzungsprozesse und Benachteiligungen infolge sprachlicher Barrieren entstehen je-
doch nicht nur durch den unzureichenden Einsatz von qualizierten Sprachmittler*innen, sondern auch
durch fehlende mehrsprachige und kultursensible Informationsangebote (Berens et al. 2014; Berens et al.
2016; Schwarz et al. 2015). In einer Querschnittstudie wurden Menschen mit Migrationshintergrund aus
verschiedenen Herkunftsländern nicht nur zu ihrer gesundheitlichen Situation und dem Gesundheitssys-
tem in Deutschland, sondern auch nach Gründen für die Nicht-Inanspruchnahme von Gesundheitsmaß-
nahmen befragt (n=435). Neben Sprachproblemen (48,4 Prozent) wurden das „Fehlen von Informationen
über das Gesundheitssystem“ (42,2 Prozent) sowie „fehlende Kenntnisse über bestehende Angebote“ (42,0
Prozent) am häugsten als Grund dafür angegeben, Gesundheitsleitungen nicht in Anspruch zu nehmen
(Bermejo et al. 2012, Seite949). In einer qualitativen Studie zu den Einussfaktoren auf die Mammograe-
Screening-Teilnahme von türkeistämmigen Frauen zeigt sich, dass unzureichende deutsche Sprachkennt-
nisse die größte Barriere darstellen. Sprach- und Übersetzungsprobleme beim Lesen der Einladungsschrei-
ben und der beigefügten Informationsmaterialien können zu einer unzureichenden Aulärung der
Frauen über das Mammograe-Screening führen (Berens et al. 2016). Die mangelnde Bereitstellung mehr-
sprachiger Einladungsschreiben und Informationsbroschüren zum Mammograe-Screening weist darauf
hin, dass die entsprechenden Institutionen unzureichend auf die sprachliche Vielfalt der in Deutschland
lebenden Frauen ausgerichtet sind.
In den Expert*inneninterviews wird ebenfalls darauf verwiesen, dass „es einem nicht einfach gemacht
wird, (…) sich [im deutschen Gesundheitssystem] zurechtzunden“ (Zitat Expert*inneninterview) und dass
dies nicht nur eine Zugangsbarriere darstellt, sondern hier auch eine Form von institutioneller Diskrimi-
nierung vorliegt.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass sprachliche Barrieren sowohl den Zugang zur Gesundheitsversorgung
als auch die Behandlungsqualität beeinussen und zu einer Fehl-, Unter- sowie Überversorgung führen
können (Brucks und Wahl; Schouler-Ocak und Aichberger 2015; Borde 2018; Brucks und Wahl 2003).
Verständigungsschwierigkeiten werden zudem durch die fehlende diversitätsorientierte Ausrichtung der
Institutionen des Gesundheitssystems verstärkt (Brzoska und Razum 2017).
Mangelnde diversitätssensible Versorgungsangebote und fehlende interkulturelle
Kompetenzen
Die unzureichende Berücksichtigung migrationssensibler Versorgungsbedürfnisse9 im Gesundheitswesen
stellt eine Form der institutionellen Diskriminierung dar. So sind die Angebote des Gesundheitssystems
häug nicht auf die kulturelle, religiöse und sprachliche Vielfalt der Bevölkerung ausgerichtet, wodurch
strukturelle Ausgrenzungs- und Benachteiligungsprozesse begünstigt werden. Eine Ende der 1990er Jahre
durchgeführte Studie zur stationären Versorgungssituation in einer gynäkologischen Klinik in Berlin
belegt, dass über ein Drittel der befragten türkeistämmigen Patientinnen (n=239) mit der „Berücksichti-
gung migrantenspezischer Bedürfnisse“ in der Versorgung wenig oder gar nicht zufrieden ist (Borde et al.
2002, Seite480). Allerdings bedarf es zur Bewertung der Berücksichtigung migrationssensibler Versor-
gungsbedürfnisse in der stationären Gesundheitsversorgung – vor dem Hintergrund des Erhebungszeit-
raumes der beschriebenen Studie – aktuellere und nach möglichen Versorgungsaspekten differenziertere
Erkenntnisse.
9 „Migrationssensibilität meint in diesem Zusammenhang die Aufmerksamkeit für die migrationsbedingten oder kulturellen
Bedürfnisse und Bedarfe von Menschen mit Migrationshintergrund, etwa im Hinblick auf Sprache, Werte und Vorstellungen“
(Brzoska et al. 2017b, Seite841). Migrationssensible Versorgungsangebote beziehen sich demnach auf kultursensible und mehr-
sprachige Informationsmaterialien, kultur-, religions- und geschlechtersensible Behandlungsangebote und so weiter.
27Forschungsstand
In einer qualitativen Studie stellten sich die mangelnde interkulturelle Öffnung von Rehabilitationsein-
richtungen und die unzureichende interkulturelle Kompetenz des Personals als wesentliche Barriere beim
Zugang zur medizinischen Rehabilitation heraus (Schwarz et al. 2015). Weitere qualitative Studien im
Zusammenhang mit der Inanspruchnahme rehabilitativer Leistungen deuten zudem darauf hin, dass die
unzureichende Berücksichtigung kultur- und religionsspezischer Besonderheiten nicht nur den Zugang
zu, sondern auch die Wirksamkeit von Rehabilitationsmaßnahmen beeinträchtigt (siehe 3.1.3 Religion).
In einer schriftlichen Befragung von orthopädischen Rehabilitationseinrichtungen in Nordrhein-West-
falen und Schleswig-Holstein (n=55) bewerten zwar 93,2 Prozent der Einrichtungen migrationssensible
Maßnahmen als (teilweise) wichtig für den Behandlungserfolg von Rehabilitand*innen mit Migrations-
hintergrund, aber lediglich 27,3 Prozent der befragten Einrichtungen haben konkrete Handlungsmaß-
nahmen zur Migrationssensibilität festgelegt (Brzoska et al. 2017b, Seite845 f.). Ein ähnliches Bild zur Be-
rücksichtigung kultursensibler Versorgungsstrategien geben Auswertungen der Repräsentativbefragung
Krankenhaus Barometer 2017 (n=234). Konkrete Handlungsmaßnahmen zur Kultursensibilität haben
lediglich 13 Prozent der befragten Krankenhäuser umgesetzt beziehungsweise sind bei sieben Prozent in
Planung. Gleichzeitig ist 82 Prozent der befragten Einrichtungen die zunehmende Bedeutung einer kul-
tursensiblen Ausrichtung infolge des demograschen Wandels bewusst (Blum et al. 2017, Seite57,74).
Eine weitere Form der institutionellen Diskriminierung resultiert aus der mangelnden interkulturellen
Kompetenz des medizinischen und pegenden Personals. Diese äußert sich unter anderem in einem un-
zureichenden kulturspezischen Wissen. So gaben 39,4 Prozent der befragten Menschen mit Migrations-
hintergrund in einer Querschnittstudie (n=435) als Grund für die Nicht-Inanspruchnahme von Gesund-
heitsmaßnahmen an, dass die Fachkräfte wenig über ihre Kultur wissen (Bermejo et al. 2012, Seite949). In
einer qualitativen Studie (Fokusgruppendiskussionen) zu den Erfahrungen schwarzer Patient*innen in
Hausärzt*innenpraxen in Deutschland (n=33) wurde die mangelnde medizinische Fachkompetenz deut-
scher Ärzt*innen über in Afrika verbreitete Erkrankungen kritisiert (Gerlach et al. 2008b). Die unzurei-
chenden Kenntnisse des medizinischen Fachpersonals über Krankheitsbilder, die außerhalb Deutschlands
häug auftreten, wurden auch in Fokusgruppendiskussionen mit Menschen mit türkischem Migrations-
hintergrund (n=39) geschildert (Gerlach et al. 2012).
Darüber hinaus kann die Orientierung an westeuropäischen Konzepten von Gesundheit und Krankheit
bei medizinisch scheinbar nicht erklärbaren Schmerzen in pauschalisierenden Zuschreibungen von spezi-
schen Krankheitsbildern resultieren. So wurde von Ärzt*innen mit dem abwertenden Ausdruck „Morbus
Bosporus“ (oder „Mamma-mia-Syndrom“) die Symptomatik eines nicht lokalisierbaren Schmerzempn-
dens bei Patient*innen aus dem Mittelmeerraum bezeichnet (Schenk und Peppler 2020; Razum et al. 2020).
In einer qualitativen Studie wurden Hausärzt*innen zu ihren Erfahrungen mit Patient*innen mit Migra-
tionshintergrund befragt (n=30). Im Rahmen der Fokusgruppendiskussionen wurde deutlich, wie die teil-
nehmenden Hausärzt*innen den Patient*innen mit Migrationshintergrund ein „fremdes“ Krankheitsver-
ständnis und anderes Schmerzempnden pauschal zuschreiben (Gerlach et al. 2008a).
Nach Angaben des Krankenhaus Barometers 2017 haben jedoch 61 Prozent der befragten Einrichtungen
keine internen oder externen Fortbildungen zur Förderung der Kultursensibilität durchgeführt (Blum et al.
2017, Seite60). Demzufolge ist es nicht überraschend, dass soziokulturelle Unterschiede, die sich zum Bei-
spiel in einem ganzheitlichen Krankheitsverständnis oder Variationen im Schmerzempnden bei türkei-
stämmigen Rehabilitand*innen äußern, beim Personal von rehabilitativen Einrichtungen zu Unsicher-
heiten im Umgang mit Patient*innen führen (Brzoska et al. 2010a).
28 Forschungsstand
Insgesamt gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass spezische Angebote, die die Bedürfnisse einzelner Be-
völkerungsgruppen mit Migrationshintergrund abdecken (zum Beispiel spezielle Maßnahmen für türkei-
stämmige Personen), der Heterogenität der Bevölkerungsgruppe insgesamt und damit den unterschiedli-
chen zugrunde liegenden Bedarfen nur begrenzt gerecht werden können (Brzoska und Razum 2017).
Vielmehr müssen die Regeleinrichtungen des Gesundheitswesens im Rahmen eines Diversity-Manage-
ments eine ächendeckende, gleichberechtigte Teilhabe an den Leistungen des Gesundheitssystems er-
möglichen (Brand et al. 2015a; Razum und Spallek 2014; Brzoska und Razum 2017).
Diskriminierung anhand des aufenthaltsrechtlichen Status
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden wird durch den aufenthaltsrechtlichen Status
bestimmt und ist rechtlich im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geregelt. So haben Asylsuchende in
den ersten 18 Monaten ihres Aufenthaltes nur einen eingeschränkten Anspruch auf Gesundheitsleistungen,
der auf die Versorgung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände, Schwangerschaft und Geburt sowie
Impfungen begrenzt ist (§4 AsylbLG); im Einzelfall können weitere notwendige Leistungen zur Sicherung
der Gesundheit nach §6 AsylbLG gewährt werden. Diese gesetzliche Einschränkung des Anspruchs auf
medizinische Versorgung durch das AsylbLG stellt eine Form der institutionellen Diskriminierung dar
(Lammers 2015; Razum et al. 2020; Eichenhofer 2013). In den Expert*inneninterviews wird konstatiert,
dass das AsylbLG nicht nur hinsichtlich des Zugangs zur gesundheitlichen Versorgung, sondern insbeson-
dere auch aufgrund der Restriktivität im Umfang der Leistungen eine Form der Diskriminierung
darstellt.
Neben dem eingeschränkten Anspruch auf gesundheitliche Versorgung durch gesetzliche Vorgaben be-
stehen – in Abhängigkeit des Bundeslandes – zusätzliche Einschränkungen beim Zugang zum Gesund-
heitssystem (Razum et al. 2016b). In einzelnen Bundesländern müssen Asylsuchende vor der Inanspruch-
nahme der in §4 AsylbLG geregelten Gesundheitsleistungen einen Behandlungsschein (beziehungsweise
Krankenschein) bei der zuständigen Sozialbehörde beantragen, der durch nichtmedizinisches Personal
geprüft wird (Razum et al. 2016b). Der Zugang zur gesundheitlichen Versorgung mittels Behandlungs-
schein stellt aufgrund des „außerordentlichen“ Aufwandes (Schülle 2017b, Seite3) und der damit einher-
gehenden zeitlichen Verzögerung der (Weiter-)Behandlung (Lammers 2015; Rolke et al. 2020; Spura et al.
2017) eine „institutionalisierte Form der direkten Diskriminierung“ dar (Razum et al. 2020, Seite634). Eine
qualitative Studie in Sachsen-Anhalt belegt, dass die „Krankenscheinbürokratie“ eine wesentliche Barriere
im Zugang zur gesundheitlichen Versorgung von Asylsuchenden darstellt (Spura et al. 2017). Demgegen-
über wurde bereits in einzelnen Bundesländern wie Bremen oder Hamburg die elektronische Gesund-
heitskarte, die den Behandlungsschein ersetzt und einen einfacheren, diskriminierungsfreien Zugang zum
Gesundheitswesen gewährleistet, eingeführt (Razum et al. 2016a). In einer qualitativen Studie, bei der
31Interviews mit Geüchteten zu zwei Erhebungszeitpunkten in drei Kommunen in Nordrhein-Westfa-
len realisiert wurden, zeigte sich, dass mit der Umstellung der Leistungsgewährung vom Behandlungs-
schein zur elektronischen Gesundheitskarte zuvor als nicht dringlich eingestufte Behandlungen ermög-
licht und Wartezeiten für Behandlungen, die durch den Genehmigungsprozess über das Sozialamt
entstanden sind, verringert wurden (Rolke et al. 2020).
Darüber hinaus ist nach Angaben der von uns interviewten Expert*innen bekannt, dass – trotz des An-
spruches – viele Anträge auf Behandlungsscheine in der Praxis abgelehnt werden. So wird in den Ex-
pert*inneninterviews konstatiert, dass die gesundheitliche Versorgung bei Behandlungsscheinen schlech-
ter ist als bei der Leistungsgewährung durch eine elektronische Gesundheitskarte.
29Forschungsstand
Allerdings bestehen auch innerhalb der jeweiligen Bundesländer kommunale Unterschiede in der Form der
Leistungsgewährung (Behandlungsschein versus elektronische Gesundheitskarte), die zu ungleichen
Versorgungschancen führen (Spura et al. 2017). So haben beispielsweise in Nordrhein-Westfalen lediglich
22 von 396 Kommunen die elektronische Gesundheitskarte für Asylsuchende eingeführt (Gesundheit für
Geüchtete. Informationsportal von Medibüros/Medinetzen). Demzufolge „hängen Anspruch auf und
Zugang zur gesundheitlichen Versorgung Asylsuchender und Geüchteter in dreifacher Hinsicht vom Zu-
fall ab: bei der Zuweisung zum Bundesland, bei der Zuweisung zur Kommune sowie vom Engagement und
der juristischen Sachkenntnis der behandelnden Ärzt*innen“ (Razum et al. 2016b, Seite711). Letzteres zielt
auf das Wissen der behandelnden Ärzt*innen über die in §6 AsylbLG geregelte Einzelfallprüfung.
Studien zufolge beeinussen die Unterschiede in der Leistungsgewährung (Behandlungsschein versus
elektronische Gesundheitskarte) die Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung (Hollederer 2020;
Wenner et al. 2020) und die Zufriedenheit mit der Behandlung sowie dem Behandlungserfolg (Schröder et
al. 2018). Demnach führen Unterschiede in der Form der Leistungsgewährung zu ungleichen Zugangs-
chancen zur gesundheitlichen Versorgung innerhalb der Gruppe von Asylsuchenden. Basierend auf der
IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geüchteten10 belegen Jaschke und Kosyakova (2021) zudem, wie die
strukturellen Einschränkungen die Gesundheit von Geüchteten beeinussen. So verbessert die Berechti-
gung für eine elektronische Gesundheitskarte sowohl das psychische Wohlbenden als auch die subjektive
Gesundheit von Geüchteten (Jaschke und Kosyakova 2021).
Unterschiedliche Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung
Asylsuchende zeigen im Vergleich zur regulär versicherten Bevölkerung ohne Migrationshintergrund ein
anderes Nutzungsverhalten der Gesundheitsversorgung. So nehmen Asylsuchende häuger die Notfallver-
sorgung und seltener niedergelassene Ärzt*innen in Anspruch (Bauhoff und Göpffarth 2018; Schneider et
al. 2015). Kinder und Jugendliche aus Familien mit ungesichertem Aufenthaltsstatus weisen ebenfalls –
nach Adjustierung für den sozialen Status und dem Migrationsstatus – eine höhere Inanspruchnahme-
quote der Notfallversorgung auf (Wenner et al. 2016). Darüber hinaus zeigte sich in einer Befragung in
Baden-Württemberg, dass Asylsuchende (n=156) deutlich häuger von einem unerfüllten Versorgungs-
bedarf (unmeet medical need) berichteten als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Dabei wurden
am häugsten nanzielle Barrieren als Grund für den unerfüllten medizinischen Versorgungsbedarf
angegeben (Schneider et al. 2015).
Abrechnungsdaten der Krankenkasse BARMER11 belegen zudem, dass Asylsuchende vor allem – neben der
zahnärztlichen Versorgung – die ambulante psychotherapeutische Gesundheitsversorgung seltener als re-
gulär Versicherte in Anspruch nehmen (Bauhoff und Göpffarth 2018; Göpffarth und Bauhoff 2017). Vor
dem Hintergrund der oftmals hohen Prävalenz psychischer Erkrankungen unter Geüchteten stellt die
geringe Inanspruchnahme psychotherapeutischer Leistungen einen Hinweis auf ungleiche Versorgungs-
chancen dar. Da psychotherapeutische Leistungen für Asylsuchende auch bei Vorliegen einer elektroni-
schen Gesundheitskarte genehmigt werden müssen, liegt darin – neben etwaiger sprachlicher Barrieren –
möglicherweise eine relevante Zugangsbarriere (Göpffarth und Bauhoff 2017). Des Weiteren erschwert
die Inanspruchnahme psychotherapeutischer Leistungen die oftmals unklare Kostenübernahme der
Sprachmittlung (Frank et al. 2017). In einer bundesweiten Befragung zur Versorgungssituation von Asyl-
suchenden bewerteten Gesundheitsämter das Ausmaß der Sicherstellung der lokalen Versorgung für
10 Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geüchteten ist eine vom Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
(BAMF-FZ), vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und vom Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) am Deutschen
Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) durchgeführte repräsentative Längsschnittbefragung von erwachsenen Geüchteten
in Deutschland. Für nähere Informationen siehe unter anderem Brücker et al. 2016.
11 Grundgesamt der Auswertungen sind Asylsuchende (n=3.639), die eine elektronische Gesundheitskarte erhielten und für mindestens
einen Tag der BARMER zugewiesen waren.
30 Forschungsstand
verschiedene Gruppen von Asylsuchenden. Dabei zeigte sich, dass die Versorgung von Asylsuchenden mit
psychischen Erkrankungen nicht ausreichend sichergestellt ist. Weitere Dezite in der gesundheitlichen
Versorgung bestehen – nach Einschätzung der teilnehmenden Amtsleitungen – für Asylsuchende mit
schwerwiegenden chronischen Erkrankungen und für Kinder asylsuchender Familien (Bozorgmehr et al.
2016).
Neben dem (gesetzlich) eingeschränkten Anspruch und Zugang zur Gesundheitsversorgung beeinussen
sprachliche Barrieren sowohl den Bewilligungsprozess der Behandlungsscheinbürokratie (Spura et al. 2017)
als auch die Entgegennahme der gesundheitlichen Versorgung (Schröder et al. 2018). Geüchtete in Nord-
rhein-Westfalen berichteten in einer qualitativen Studie (insgesamt 31 Interviews) von Diskriminierungs-
erfahrungen seitens der Ärzt*innen aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse (Rolke et al. 2020). In
einer Befragung unter erwachsenen Asylsuchenden in Erstaufnahmeeinrichtungen (n=2.021) berichtete
jede*r Zweite von sprachlichen Schwierigkeiten in der gesundheitlichen Versorgung. Darüber hinaus ist
fast jede sechste befragte Person, die in den letzten sechs Monaten eine Ärztin / einen Arzt aufsuchte, nicht
behandelt worden. Die Autor*innen führen die Nichtbehandlung von Asylsuchenden unter anderem auf
den gesetzlich eingeschränkten Anspruch auf gesundheitliche Versorgung und auf Sprachbarrieren zu-
rück (Schröder et al. 2018, Seite15). Eine qualitative Befragung unter abgelehnten Asylsuchenden aus Afri-
ka (n=12) gibt zudem Hinweise auf Diskriminierung in der Gesundheitsversorgung in Form von sozialen
Herabwürdigungen, verweigerten Behandlungen trotz Anspruch nach §4 AsylbLG und längeren Warte-
zeiten (Scott 2014).
Die unzureichende Gesundheitsversorgung geüchteter Frauen wird anhand einer im Jahr 2017 durch-
geführten Studie deutlich, in der unter anderem Einzelbefragungen mit insgesamt 639 geüchteten Frauen
aus fünf Bundesländern in Deutschland realisiert wurden. Über ein Drittel (36 Prozent) der geüchteten
Frauen geben an, keine Unterstützung bei medizinischen Beschwerden zu erhalten (Schouler-Ocak und
Kurmeyer 2017, Seite33). In Fokusgruppendiskussionen wurde zudem von verweigerten Behandlungen
seitens der Ärzt*innen, von sprachlichen Barrieren im Zugang zur Gesundheitsversorgung und fehlenden
geschlechtersensiblen Behandlungsmöglichkeiten berichtet (Schouler-Ocak und Kurmeyer 2017).
Darüber hinaus ist insbesondere bei Geüchteten mit Behinderung infolge der rechtlichen Zugangsbarrie-
ren zur Leistungsgewährung, vor allem durch das Behandlungsscheinverfahren, von einer ungleichen
gesundheitlichen Versorgungssituation auszugehen (Schülle 2017a, 2019).
Laufende Forschungsprojekte
Derzeit laufende Forschungsprojekte setzen sich explizit mit rassistischer Diskriminierung und Prozessen
des Othering in der Gesundheitsversorgung auseinander. Das Projekt social and ethnic inequalities in health
care access12, welches vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung und dem Wis-
senschaftszentrum Berlin für Sozialforschung durchgeführt wird, untersucht rassistische Diskriminierung
im Gesundheitssystem anhand eines experimentellen Studiendesigns. Dabei wird unter anderem die Frage
verfolgt, ob Unterschiede im Ausmaß der Diskriminierung zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen
bestehen. Neben der Erfassung von Ungleichheiten in der gesundheitlichen Versorgung von Menschen
mit Migrationshintergrund werden zudem Diskriminierungen aufgrund des Versicherungsstatus und des
sozioökonomischen Status für verschiedene Ärzt*innengruppen erhoben.
12 https://www.wzb.eu/en/research/dynamics-of-social-inequalities/health-and-social-inequality/projects/social-and-ethnic-inequali-
ties-in-health-care-access-a-eld-experiment (letzter Zugriff am 05.03.2021)
31Forschungsstand
Im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsgruppe Fluchtmigra-
tion nach Deutschland: ein „Vergrößerungsglas“ für umfassendere Herausforderungen im Bereich Public
Health13, deren Sprecher Prof. Dr. Oliver Razum der Universität Bielefeld ist, werden Prozesse des Othering
im Gesundheitssystem am Beispiel von Geüchteten untersucht. Das Teilprojekt Konzeptualisierung und
empirische Analysen des Othering in Public Health und der Gesundheitsversorgung (OTHER)14 führt unter
anderem Studien zur Analyse von Othering-Prozessen in der rehabilitativen und geburtshilichen Ver-
sorgung von Geüchteten durch. Ein Schwerpunkt liegt auf der Erfassung von Stereotypen sowie Vorur-
teilen und daraus resultierenden Othering-Prozessen bei der Behandlung von Geüchteten anhand einer
Fallvignetten-Studie, die durch eine webbasierte Studie ergänzt wird. Im Teilprojekt Analyse kontextueller
Faktoren und Faktoren des Gesundheitssystems auf die Versorgung geüchteter Frauen in Schwangerschaft
und Geburt (PROREF)15 sollen nicht nur Einstellungen und Praktiken des Othering von Fachkräften
verschiedener Versorgungseinheiten mittels Fallvignetten erfasst, sondern auch geüchtete Frauen zur
gesundheitlichen Versorgung im Rahmen von problemzentrierten Interviews sowie Fokusgruppendiskus-
sionen befragt werden.
Inwiefern sich die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zwischen Menschen mit Migrationshinter-
grund (insbesondere Geüchteten) und der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund bezüglich der Teil-
habe in verschiedenen Lebensbereichen, unter anderem dem der Gesundheit unterscheiden, wird derzeit
in dem Projekt Vergleichende Analysen der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Migrant*innen und
Geüchtete16 am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung analysiert.
Fazit
Insgesamt gibt die sozial- und gesundheitswissenschaftliche Literatur Hinweise darauf, dass Menschen
mit Migrationshintergrund gegenüber der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund im Hinblick auf den
Zugang zur Gesundheitsversorgung und bezüglich der Qualität der medizinischen Behandlung benachtei-
ligt sind. Allerdings zeigte sich auch, dass sich bislang nur wenige Studien explizit mit Diskriminierung an-
hand der Herkunft und aus rassistischen Gründen auseinandersetzen. So werden Diskriminierungserfah-
rungen häug eher „beiläug“ in der Ärzt*innen-Patient*innen-Kommunikation identiziert. Demzufolge
mangelt es an Erkenntnissen sowohl über das Ausmaß und die Erscheinungsformen von Diskriminierung
als auch über deren Auswirkungen auf den Zugang zum Gesundheitssystem und auf die Behandlungsqua-
lität in den einzelnen Versorgungsbereichen des Gesundheitswesens. Zudem ist bislang nicht systematisch
erforscht worden, inwiefern Vorurteile und stereotype Zuschreibungen beim Gesundheitspersonal mani-
festiert sind und dass alltägliche Handeln in der Gesundheitsversorgung prägen.
Der Literaturüberblick verweist vor allem auf Diskriminierungsrisiken infolge der fehlenden diversitäts-
orientierten Ausrichtung der Institutionen des Gesundheitssystems, die sich in spezischen Zugangs- und
Wirksamkeitsbarrieren der gesundheitlichen Versorgung äußern. Allerdings bedarf es der systematischen
Erforschung, inwiefern institutionelle Diskriminierungsrisiken den gleichberechtigten Zugang zu Leistun-
gen des Gesundheitssystems und der adäquaten medizinischen Behandlung entgegenstehen. Während
eine Vielzahl an Studien auf eine – im Vergleich zur Bevölkerung ohne Migrationshintergrund – geringere
Inanspruchnahme präventiver sowie rehabilitativer Angebote durch Menschen mit Migrationshinter-
grund hinweisen, wurde bislang nur unzureichend untersucht, ob diese Variationen auf Diskriminierungs-
erfahrungen, ungleiche Zugangschancen oder weitere Faktoren (zum Beispiel unterschiedliche gesund-
heitliche Bedarfe) zurückzuführen sind.
13 https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/409654512?context=projekt&task=showDetail&id=409654512& (letzter Zugriff am 05.03.2021)
14 https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/427283546 (letzter Zugriff am 05.03.2021)
15 https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/427283865 (letzter Zugriff am 05.03.2021)
16 https://www.iab.de/138/section.aspx/Projektdetails/k200625801 (letzter Zugriff am 05.03.2021)
32 Forschungsstand
Den Ausführungen kann weiterhin entnommen werden, dass sich die Situation für Asylsuchende ver-
schärft. So sind sie neben den sprachlichen und soziokulturellen Zugangsbarrieren auch mit rechtlichen
Einschränkungen im Anspruch auf die gesundheitliche Versorgung und einem restriktiveren Umfang
der Leistungen konfrontiert (Razum et al. 2020). Hier bedarf es systematischer Forschung zum Ausmaß
der institutionellen Zugangsbarrieren und ihrer Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung von
Asylsuchenden.
Zudem mangelt es insbesondere an Studien, die die Heterogenität der Migrationsbevölkerung berücksichti-
gen und die oftmals in der Kategorie Migrationshintergrund subsummierten Merkmale (Sprache, Haut-
farbe, ethnische Herkunft und so weiter) differenzierter betrachten. Dabei muss zudem das Zusammen-
wirken von soziodemograschen, sozioökonomischen und migrationsbezogenen Merkmalen (Generation,
Geburtsland, Aufenthaltsdauer und so weiter) bei der Erfassung von Diskriminierung im Gesundheitswe-
sen einbezogen werden. Die vorliegende Literaturanalyse hat zudem einen Bedarf an Studien identiziert,
in denen die verschiedenen Lebensphasen und Lebenswelten der Migrationsbevölkerung zueinander in
Beziehung gesetzt werden, um die komplexen Bedingungsfaktoren für eine gleichberechtigte Teilhabe im
Gesundheitswesen zu untersuchen. Hierbei gilt es auch sogenannte Prozesse des Othering als Analyse-
ebene zu berücksichtigen, bei denen die Konstruktion von Zugehörigkeit und die damit einhergehende
Ausgrenzung anderer strukturelle Ungleichheiten in der gesundheitlichen Versorgung bedingen (Akbulut
et al. 2020).
3.1.2 Geschlecht und Geschlechtsidentität17
In der Literatur werden zahlreiche Diskriminierungsrisiken für Frauen bei der Inanspruchnahme von Leis-
tungen der Gesundheitsversorgung und der Qualität der Behandlung dargestellt. Hier gibt es jedoch nur
vergleichsweise wenig auf Deutschland bezogene Forschung, sodass im gesamten Kapitel stark auf Studien
aus anderen Ländern zurückgegriffen wurde. Dass eine bestimmte Form der Diskriminierung in anderen
Ländern nachgewiesen wurde, bedeutet natürlich nicht, dass diese notwendigerweise auch im Gesund-
heitswesen in Deutschland zu nden ist. Vielmehr geben solche Studien Hinweise darauf, dass allgemein
und in bestimmten Bereichen Forschung in Deutschland fehlt.
Diskriminierung durch Behandlungsunterschiede zwischen Frauen und Männern
Ein grundlegendes Problem ist, dass trotz nachgewiesener geschlechtsspezischer Unterschiede in Symp-
tomatik und Krankheitsverlauf klinische Studien häug nur an männlichen Probanden durchgeführt wer-
den (Bess 1995; Holdcroft 2007; Steck et al. 2020; Sugimoto et al. 2019) und Diagnosekriterien, Behand-
lungsmöglichkeiten und Medikamentdosierungen auf Männer ausgerichtet sind (Bess 1995; Rathore et al.
2002; Regitz-Zagrosek 2017). Auch im Stadium der Tierversuche werden häug nur männliche Tiere ver-
wendet. Eine Studie, die im Jahr 2009 veröffentlichte Tierstudien betrachtete, ergab, dass in acht von zehn
untersuchten biologischen Disziplinen eine Verzerrung zugunsten männlicher Tiere vorlag und diese auch
bei Krankheiten besteht, von denen Frauen deutlich häuger betroffen sind als Männer (Zucker und Beery
2010). Forschung, die versucht diese Lücke zu schließen, ndet nur unzureichend Eingang in die Ausbil-
dung neuer Mediziner*innen, da die Gendermedizin in medizinischen Fakultäten in Deutschland kaum
explizit in die Ausbildung integriert ist (Ludwig et al. 2016; Seeland et al. 2019).
Für Behandlungsunterschiede zwischen weiblichen und männlichen Patient*innen, für die kein medizini-
scher Grund vorliegt, gibt es in anderen Ländern zahlreiche Beispiele, etwa bei Nackenschmerzen (Ham-
berg et al. 2002), Schmerzbehandlung (LeResche 2011), Schuppenechte (Nyberg et al. 2008) und weiteren
17 Der Begriff Geschlechtsidentität bezeichnet einen auf das eigene Geschlecht bezogenen Teil der Identität beziehungsweise welchem
Geschlecht man sich zugehörig fühlt. Die Geschlechtsidentität ist vielfältig und kann vom biologischen Geschlecht abweichen.
33Forschungsstand
(Backström und Schulte Hemming o. J.). Internationale Studien zeigen, dass Schmerzen bei Frauen häug
unterschätzt oder nicht ernst genommen werden, insbesondere wenn die Schmerzen nicht mit weiteren
Symptomen einhergehen (Chen et al. 2008; Hoffmann und Tarzian 2001; Pierik et al. 2017; Samulowitz et
al. 2018). Studien aus verschiedenen Ländern zeigen auch, dass Frauen bei Schmerzen seltener Schmerz-
mittel erhalten als Männer und häuger zu Psycholog*innen überwiesen werden (Naamany et al. 2019;
Samulowitz et al. 2018).
Besonders ausführlich belegt sind Behandlungsunterschiede nach Geschlecht bei Herzinfarkten. So wur-
den Frauen in Pennsylvania seltener als Männer auf Herzkrankheiten getestet, nachdem sie mit Schmer-
zen in der Brust die Notaufnahme aufgesucht hatten, und zwar auch nach Kontrolle der vorliegenden
Symptome und des kardialen Risikos (Chang et al. 2007). In Schweden und Kanada erhielten Frauen nach
einem Herzinfarkt eine bestimmte Behandlung seltener als Männer (Johnston et al. 2013). In der Schweiz
wurden in der ambulanten Versorgung Männer mit Schmerzen in der Brust deutlich häuger zu Kardio-
log*innen überwiesen als Frauen (Clerc Liaudat et al. 2018). Außerdem mussten Frauen mit Schmerzen in
der Brust in der Notaufnahme in den USA länger warten als Männer und wurden weniger intensiv behan-
delt, zum Beispiel indem sie seltener auf die Intensivstation aufgenommen wurden (Arslanian-Engoren
2001; Gargano et al. 2009; Heston und Lewis 1992). Der Befund, dass Frauen mit Schmerzen in der Brust in
der Notaufnahme länger warten müssen als Männer, wird auch von einer Studie aus Deutschland in vier
Berliner Krankenhäusern bestätigt (Jungehulsing et al. 2006). Darüber hinaus zeigte eine Studie aus den
USA, dass kardiologische Untersuchungen an Frauen deutlich häuger falsch durchgeführt werden als an
Männern, insbesondere durch männliche Ärzte (Chakkalakal et al. 2013). Die Autor*innen vermuten als
Ursache entweder Scham der männlichen Ärzte, eine Untersuchung im Brustbereich der Frauen durchzu-
führen, oder Unwissen darüber, wie die Untersuchung bei Frauen durchzuführen ist. Auf Probleme bei der
Behandlung von Frauen durch männliche Ärzte weist auch eine Studie aus Florida hin, die zeigte, dass
Frauen mit Herzinfarkt häuger als Männer starben, wenn sie von einem männlichen Arzt behandelt wur-
den (Greenwood et al. 2018). Auch eine Studie aus Schweden stellte eine höhere relative Sterblichkeit von
Frauen gegenüber Männern nach einem Herzinfarkt fest und führte diese teilweise auf eine unterschied-
liche Behandlung zurück (Alabas et al. 2017). In der Inanspruchnahme rehabilitativer Leistungen nach ei-
nem Herzinfarkt zeigen sich in Deutschland keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern (Grande
et al. 2002). Die Autor*innen werfen jedoch die Frage auf, ob dies dem Bedarf gerecht wird, da Frauen und
Männer mit Herzinfarkt deutliche Unterschiede in ihren soziodemograschen Charakteristika wie Alter
und Bildung aufwiesen. Zudem warten Frauen generell länger als Männer auf eine Behandlung in Chile
(Mondschein et al. 2020), Italien (Rossi et al. 2020), Brasilien (Galvão et al. 2020), den USA (Gargano et al.
2009; Heston und Lewis 1992) und auch Deutschland (Jungehulsing et al. 2006).
In einer Studie von 1997 in den USA hatten Frauen mit einer Nierenerkrankung im Endstadium eine ge-
ringere Wahrscheinlichkeit, auf der Transplantationsliste zu landen, und, wenn sie einmal auf der Liste
standen, eine geringere Wahrscheinlichkeit, eine Niere zu erhalten (Bloembergen et al. 1997). Für Deutsch-
land zeigen sich Hinweise, dass Frauen bei der Dialyse und der Aufnahme auf die Transplantationsliste
unterrepräsentiert sind (Carrero et al. 2017; Epping et al. 2017). Auch bei der Vergabe von Lebern sind Frau-
en benachteiligt (Darden et al. 2020; Verna und Lai 2020; Wahid et al. 2021); dies könnte damit zusammen-
hängen, dass die Berechnung des MELD-Scores, der den Schweregrad einer Lebererkrankung angeben soll
und mithilfe dessen die Lebervergabe priorisiert wird, Frauen systematisch benachteiligt (Cholongitas et
al. 2007).
Umgekehrt sind bei Männern Depressionen unterdiagnostiziert, da männerspezische Symptome in der
Diagnostik bisher nicht ausreichend berücksichtigt werden (Möller-Leimkühler 2010).
34 Forschungsstand
Diskriminierung bei Geburtshilfe und Schwangerschaft
Weiterhin existieren Diskriminierungsrisiken bei frauenspezischen Gesundheitsleistungen im Zusam-
menhang mit Schwangerschaft und Geburt. So können Hebammen in Deutschland bereits die bestehende
Nachfrage nach ihren Dienstleistungen nicht decken (Albrecht et al. 2012; Albrecht et al. 2019; Deutscher
Hebammenverband und Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. 2020). So ergab etwa
eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), dass zwischen Juni
und November 2017 mehr als 35 Prozent der Kliniken in Deutschland Schwangere unter der Geburt min-
destens einmal abweisen mussten (aerzteblatt.de 2018). Die wichtigsten Gründe dafür waren ein Mangel an
Hebammenbetreuung (65,8 Prozent), eine Überlastung der neonatologischen Stationen (64,4 Prozent) und
fehlende Raumkapazitäten (56,1 Prozent). Zudem haben sich die Kapazitäten der Geburtskliniken verrin-
gert (Jung 2017).
Von den Hebammen mussten 72 Prozent während einer normalen Schicht bereits drei oder mehr Frauen
gleichzeitig betreuen; bei Schichten mit hoher Auslastung, was ungefähr jede vierte Schicht betrifft, lag
dieser Anteil bei 97 Prozent, wobei 55 Prozent dabei mehr als vier Frauen gleichzeitig betreuen mussten
(Albrecht et al. 2019; ähnlich Stahl 2016; siehe auch Schirmer und Steppat 2015). Der Deutsche Hebam-
menverband und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. empfehlen demgegen-
über in einer gemeinsamen Stellungnahme ein Betreuungsverhältnis von 1 : 1 beziehungsweise als Min-
deststandard von 1 : 2 (Deutscher Hebammenverband und Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und
Geburtshilfe e. V. 2020). Nur 19 Prozent der Hebammen stimmten voll oder eher zu, dass sie genug Zeit
hätten, um die Frauen so betreuen zu können, wie sie es für richtig halten (Albrecht et al. 2019). Eine Studie
zu Bayern ndet, dass insbesondere in städtischen Gebieten sowie unter sozioökonomisch benachteiligten
Frauen und Frauen mit geringen Deutschkenntnissen eine Unterversorgung mit Hebammenleistungen be-
steht (Sander et al. 2018).
Zudem lag 2015 die Kaiserschnittrate doppelt so hoch wie von der WHO als indiziert angesehen, wofür
unter anderem die Ökonomisierung der Geburtshilfe mit dem Fallpauschalensystem verantwortlich ge-
macht wird, in welchem nanzielle Anreize und eine größere Planbarkeit zur gesteigerten Nutzung von
Kaiserschnitten führen könnten (Jung 2017). So bemängeln auch 40 Prozent der Hebammen, dass zu
schnell in den natürlichen Geburtsverlauf medizinisch eingegriffen würde, und 70 Prozent fänden es bes-
ser, wenn es weniger Geburtseinleitungen oder invasive Maßnahmen gäbe (Albrecht et al. 2019).
Neben der Unterversorgung besteht ein weiteres Problem in obstetrischer (also geburtshilicher) Gewalt.
In Deutschland geschieht diese in Form von vaginalen Untersuchungen gegen den Willen der Frau, verba-
ler, körperlicher und sexualisierter Gewalt, Fixierung in bestimmten Positionen, Durchführung von Be-
handlungen oder Medikamentengabe ohne Aulärung oder Einverständnis, Verweigerung von Schmerz-
mitteln bei der Anfertigung einer Dammnaht oder in Form des sogenannten husband stitch, wobei die
Naht über das notwendige Maß hinaus verlängert wird, um die Vagina zu verengen (Klimke 2020; Initiative
für eine gerechte Geburtshilfe in Deutschland o. J.). Zahlen dazu, wie viele Frauen betroffen sind, liegen bis-
her jedoch nicht vor.
Aus den USA gibt es Hinweise darauf, dass Frauen dort von rassistischer Diskriminierung bei Schwanger-
schaftsuntersuchungen und der Entbindung betroffen sind, etwa in Form von gewaltvollen Untersuchun-
gen, erzwungenen Kaiserschnitten und Eingriffen entgegen den Willen der Schwangeren (Davis 2019; Ku-
kura 2017). Außerdem würden schwarze Frauen weniger ernst genommen, wenn sie sich zu Bedenken
oder Wünschen im Zusammenhang mit der Geburt äußern, und beschuldigt, wenn ihre Babys nicht ge-
sund zur Welt kommen. Inwieweit rassistische Diskriminierung auch in Deutschland eine Rolle bei der
Geburt spielt, wurde bisher nicht untersucht.
35Forschungsstand
Reproduktive Autonomie und Abtreibung
Artikel 16 Absatz 1 lit. e der UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) garantiert Frauen gleiches Recht auf
freie und verantwortungsbewusste Entscheidung über die Anzahl und den Altersabstand ihrer Kinder so-
wie auf Zugang zu den für die Ausübung dieses Rechts erforderlichen Informationen und Mitteln. Deutsch-
land hat die Konvention 1985 ratiziert; restriktive Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch stellen
demnach eine erheblich rechtfertigungsbedürftige Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar.
Hintergrundinformation: Rechtsgrundlage zu Schwangerschaftsabbrüchen
Schwangere Personen in Deutschland unterliegen einer Austragungspicht. Dies konstatierte das Bundes-
verfassungsgericht 1993 (BVerfGE 88, 203) in Verbindung mit einer Picht des Staates zum Schutz des
Embryos gegen seine Mutter. Nach § 218 Strafgesetzbuch (StGB) ist ein Schwangerschaftsabbruch grund-
sätzlich strafbar, auch wenn er mit Einverständnis der Schwangeren vorgenommen wird. Es gibt kein Recht
auf Abtreibung in Deutschland, sondern die Abtreibung nach dem sogenannten Fristenmodell mit Picht-
beratung. Eine Abtreibung darf nur durchgeführt werden, wenn sich die schwangere Person bei einer
staatlich anerkannten Stelle einer Beratung unterzogen hat, die Abtreibung von Ärzt*innen durchgeführt
wird und die zwölfte Schwangerschaftswoche noch nicht beendet wurde. Gesetzliche Grundlage der
Beratung ist § 219 Absatz 1 StGB. Der Schwangerschaftsabbruch ist unter diesen Voraussetzungen rechts-
widrig, bleibt jedoch straos. Die Kosten sind von der schwangeren Person selbst zu tragen, nur bei sozialer
Bedürftigkeit oder medizinischer oder kriminologischer Indikation trägt die Krankenkasse die Kosten des
Schwangerschaftsabbruchs. Mit Verweis auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit aus Artikel 4 Absatz 1
Grundgesetz steht es Ärzt*innen bisher frei, Abtreibungen nicht durchzuführen.
Nach § 219a StGB machen sich Ärzt*innen grundsätzlich strafbar, wenn sie ihres Vermögensvorteils wegen
öffentlich bekannt geben, dass und wie sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Seit der Reform des
§ 219a StGB im Februar 2019 dürfen Ärzt*innen grundsätzlich darüber informieren, dass sie einen Schwan-
gerschaftsabbruch vornehmen und einen Hinweis auf eine im Internet zugängliche Liste der Bundesärzte-
kammer veröffentlichen, jedoch keine ergänzenden Informationen wie beispielsweise über die angebote-
nen Methoden bereitstellen. Möglicherweise stellt dies einen unzulässigen Eingriff in die grundgesetzlich
verankerte Berufsausübungsfreiheit von Ärzt*innen dar. Die Gesetzeslage ist widersprüchlich und reform-
bedürftig, Verfassungsbeschwerden hierzu sind anhängig.
Vor einem Schwangerschaftsabbruch sind Frauen dazu verpichtet, ein Beratungsgespräch bei einer staat-
lich anerkannten Beratungsstelle durchzuführen, die explizit dem Schutz des ungeborenen Lebens dient.
Ein verpichtendes statt eines freiwilligen Beratungsgesprächs bevormundet Frauen. Wer sich für einen
Abbruch entscheidet, muss anschließend noch mindestens drei Tage warten, statt wie bei anderen Eingrif-
fen üblich einen Tag (Tennhardt und Kothé 2017). Schwangerschaftsabbrüche werden nicht ächende-
ckend angeboten, sodass Frauen häug weite Wege zurücklegen müssen (taz 2017). Darüber hinaus kommt
es vor, dass Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft Schwangerschaftsabbrüche verweigern, wenn nicht
ein medizinischer Notfall vorliegt. Medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche gehen mit zusätzlichen ad-
ministrativen Hürden zum Beispiel bezüglich der Zulassungsbedingungen von Ärzt*innen einher und
werden daher häug nicht angeboten, so lag der Anteil medikamentöser Abbrüche in Deutschland 2016
bei 23 Prozent, in Großbritannien, Frankreich und der Schweiz jedoch bei über 60 Prozent (pro familia
2018). Die Kosten werden von den Krankenkassen nicht übernommen.
Dabei sind Frauen teilweise „Gehsteigbelästigung“ ausgesetzt, bei der Abtreibungsgegner*innen Frauen
vor Beratungsstellen oder Kliniken konfrontieren, Fragen zu ihrer Schwangerschaft stellen, Bilder zerstü-
ckelter Föten zeigen und sie drängen, keinen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen (Lembke
2017).
36 Forschungsstand
Die geringe Verfügbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen erschwert es außerdem angehenden Ärzt*in-
nen, die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu erlernen, denn diese werden im Studium
meist nicht thematisiert und sind auch nicht Teil der gynäkologischen Weiterbildungsordnung (Baier
2019). Teilweise wird noch die veraltete Methode der Ausschabung gelehrt (ebenda).
Spezische Diskriminierungsrisiken von Trans*Personen
Trans*Personen18 sind von besonderen Diskriminierungsrisiken im Gesundheitswesen betroffen. In einer
europaweiten Befragung von LGBT-Personen der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA)
berichteten 26 Prozent der Teilnehmenden in Deutschland, die in den letzten zwölf Monaten Gesund-
heitsleistungen in Anspruch genommen hatten, dabei Diskriminierung anhand ihrer Transgeschlechtlich-
keit durch Mitarbeitende des Gesundheitswesens erlebt zu haben (European Union Agency for Fundamen-
tal Rights [FRA] 2014, Seite42). Deutschland zählt damit zu den Ländern in der EU, in denen dieser Anteil
am höchsten ist. EU-weit hatten 12 Prozent der Trans*Personen Schwierigkeiten beim Zugang zu Gesund-
heitsleistungen; 14 Prozent gaben an, aus Sorge vor Diskriminierung auf Behandlungen zu verzichten.
Besonders häug erfahren Trans*Personen Diskriminierung in der Gesundheitsversorgung durch Nicht-
berücksichtigung ihrer Lebenssituation. So berichten Trans*Personen in einer Studie im Auftrag der Anti-
diskriminierungsstelle des Bundes, dass das Personal im Gesundheitswesen ihre geschlechtliche Identität
nicht anerkenne. Zudem werden gynäkologische sowie urologische Untersuchungen, die aufgrund der
Anatomie erforderlich sind, verwehrt (Beigang et al. 2017, Seite233). Mangelndes Fachwissen zu spezi-
schen Trans*-Gesundheitsthemen sowie Vorurteile können ferner die Inanspruchnahme und Qualität der
Gesundheitsversorgung beeinträchtigen (Batz et al. 2020; Pöge et al. 2020).
Institutionelle Diskriminierung von Trans*Personen
Hintergrundinformation: Das Transsexuellengesetz
Rechtsgrundlage für geschlechtsangleichende Eingriffe ist das Transsexuellengesetz (TSG). Vor Einleitung
geschlechtsangleichender Behandlungen muss eine durch ausreichend lange psychiatrisch-psychothera-
peutische Verlaufsbeobachtung stattndende Diagnosesicherung erfolgen, die mindestens 18 bis 24
Monate dauert.
Ein an der Humboldt-Universität verfasstes Gutachten stellt fest, dass das TSG in mehrfacher Hinsicht re-
formbedürftig ist, da das TSG auf einer medizinisch-diagnostischen Vorstellung von Transsexualität als
psychischer Erkrankung basiert, die nach den aktuellen Erkenntnissen der Sexualforschung nicht mehr zu
vertreten ist (Adamietz und Bager 2017). Dabei ist der Weg der Angleichungsmaßnahmen für viele
Trans*Personen ein langwieriger und kräftezehrender, auf dem zahlreiche medizinische Untersuchungen,
gegebenenfalls der sogenannte Alltagstest (das ist die circa einjährige Erprobung der angestrebten Ge-
schlechtsrolle), eine verpichtende psychologische Begleittherapie, die Durchführung der Behandlung an
sich sowie Bemühung um die Kostenübernahme durch die Krankenkasse zu bewältigen sind, auch wenn
das Gesetz diese Maßnahmen nicht explizit verlangt. Auch stellt das Gutachten fest, dass die Ergebnisse ein
Bild der Begutachtungsverfahren zeichnen, das in vielen Fällen von unverhältnismäßigem Zeit- und Kos-
tenaufwand sowie von entwürdigenden und diskriminierenden Erfahrungen geprägt ist und somit die
antragstellenden Personen in ihren Grundrechten verletzt.
18 Als Trans*Personen bezeichnen wir hier Personen, die sich nicht dem Geschlecht zugehörig fühlen, welches ihnen bei der Geburt
zugewiesen wurde, oder die eine binäre Geschlechtszuordnung für sich ablehnen. Der Stern soll die Vielfalt möglicher Geschlechts-
identitäten zum Ausdruck bringen.
37Forschungsstand
Die verpichtende Psychotherapie vor Einleitung geschlechtsangleichender Behandlungen und die Ver-
weigerung geschlechtsangleichender Behandlungen stellen eine wesentliche Diskriminierung von
Trans*Personen dar (Franzen und Sauer 2010). In diesem Zusammenhang wurde in den im Rahmen dieser
Expertise durchgeführten Expert*inneninterviews geschildert, dass Diskriminierungserfahrungen von
Trans*Personen im Gesundheitswesen häug auf Zwangskontakte im Rahmen der medizinischen Transi-
tion (zumeist der Zwangspsychotherapie) zurückzuführen sind. So werden Trans*Personen in der psycho-
therapeutischen Versorgung mit Vorurteilen und übergrifgen Fragen zur Sexualität konfrontiert (Fuchs
et al. 2012).
Auch die Regelungen des Personenstandsrechts sind für das Gesundheitswesen von Relevanz. Dies zeigt
sich auf alltäglicher Ebene beispielsweise in der Zimmerbelegung in Krankenhäusern, wenn die Zimmer-
zuteilung von Trans*Personen auf Basis des bei der Geburt zugeordneten Geschlechts vorgenommen wird.
Die Expert*inneninterviews ergaben außerdem, dass auf Dokumenten der Gesundheitsversorgung häug
nur die Optionen Mann und Frau zur Ermittlung der Referenzwerte angegeben werden können, sodass bei
Trans*Personen und anderen Menschen, die sich mit keiner der beiden Optionen identizieren können,
keine abweichende Angabe gemacht werden kann.
Spezische Diskriminierungsrisiken von Inter*Personen19
Noch immer werden intergeschlechtlich geborene Kinder in Deutschland medizinisch nicht notwendigen
geschlechtszuweisenden Operationen unterzogen (Intersexuelle Menschen e. V. 2020; Klöppel 2016; Remus
2015), was sowohl körperlich als auch seelisch ernsthafte Konsequenzen wie zum Beispiel Unfruchtbarkeit,
Inkontinenz und sexuellen Funktionsverlust nach sich ziehen kann (United Nations for LGBT Equality,
Ofce of the High Commissioner for Human Rights 2018). Die Operationen passieren zu einem Zeitpunkt,
zu dem die Kinder noch nicht in der Lage sind, eine informierte Entscheidung zu treffen und ihre Meinung
kundzutun. Auch gaben in einer Onlinebefragung der FRA von Inter*Personen 46 Prozent an, dass der
erste Eingriff zur Veränderung körperlicher Geschlechtsmerkmale ohne Einwilligung erfolgte (European
Union Agency for Fundamental Rights [FRA] 2020). Später haben Betroffene es oft schwer, eine Wiedergut-
machung zu erlangen, da ihnen häug Informationen darüber fehlen, was genau mit ihnen gemacht wur-
de, und es eine Verjährungsfrist gibt (Amnesty International 2017). Trotz der in den letzten Jahren verän-
derten Leitlinien zur Behandlung von Personen mit Varianten der Geschlechtsmerkmale ist es nicht zu
einem Rückgang geschlechtszuweisender Operationen gekommen, die Zahl lag 2016 bei knapp über 2.000
Prozeduren pro Jahr (Hoenes et al. 2019). Im März 2021 verabschiedete der Bundestag jedoch das „Gesetz
zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“, welches Inter*Personen vor ge-
schlechtszuweisenden Operationen im Kindesalter schützen soll.
Darüber hinaus erfahren auch Inter*Personen Diskriminierung in der Gesundheitsversorgung durch
Nichtberücksichtigung ihrer Lebenssituation, etwa indem gynäkologische sowie urologische Untersu-
chungen, die aufgrund der Anatomie erforderlich sind, verwehrt werden, wenn diese für das zugewiesene
Geschlecht nicht vorgesehen sind (Beigang et al. 2017, Seite233).
Nach Angaben der Expert*innen führen zudem negative Erfahrungen im Gesundheitssystem aufgrund
von fehlendem Fachwissen seitens der Ärzt*innen zu einer verzögerten Inanspruchnahme von medizini-
schen Leistungen.
19 Inter*Personen werden mit Variationen der Geschlechtsmerkmale geboren. Der Stern soll die Vielfalt möglicher Geschlechtsidenti-
täten zum Ausdruck bringen.
38 Forschungsstand
Laufende Forschungsprojekte
Das aktuelle Projekt Gewaltwiderfahrnisse bei der Geburtshilfe20 der Hochschule Fulda untersucht mithilfe
narrativer Interviews Erfahrungen von Frauen, die bei der professionellen Geburtsbegleitung Gewalt er-
lebt haben. Daraus sollen Erfahrungstypologien entwickelt werden, die Auskunft über positive und nega-
tive Faktoren geben können.
Das derzeit laufende Forschungsprojekt InTraHealth21 der Fachhochschule Dortmund in Kooperation mit
der Technischen Hochschule Köln und den Kliniken Köln zielt auf die Verbesserung des Zugangs zur Ge-
sundheitsversorgung für Inter*- und Trans*Personen durch Abbau von Diskriminierung. Dazu wird eine
interaktive Online-Fortbildungsplattform entwickelt, mit der Gesundheitspersonal sensibilisiert und eine
verbesserte medizinische Versorgungsqualität und -zufriedenheit für Inter*- und Trans*Personen erreicht
werden soll.
Das Projekt TRANS*KIDS22 der Westfälischen Universität Münster und der Georg-August-Universität Göt-
tingen beschäftigt sich mit der Entwicklung von Schulungen zur Förderung eines diskriminierungsfreien
Umgangs mit minderjährigen Trans*Personen im Gesundheitswesen.
Die Universität Bielefeld führt darüber hinaus derzeit das Projekt Gesundheitsversorgung marginalisierter
Gruppen als Indikator gesellschaftlichen Zusammenhalts durch.23 Neben der Erfassung ausgrenzender Me-
chanismen und den Erfahrungen von LGBTI-Personen beim Zugang zur gesundheitlichen Versorgung
werden unter anderem Strategien zur Überwindung der Barrieren entwickelt, um die gleichberechtigte
Teilhabe an Gesundheitsdiensten zu ermöglichen.
Fazit
Insgesamt ergibt eine Auswertung der vorhandenen Literatur einen deutlichen Mangel an Studien zu Dis-
kriminierungsrisiken von Frauen im Gesundheitswesen in Deutschland, insbesondere im Vergleich zur
umfangreichen internationalen Forschungsliteratur zu diesem Thema. Dies umfasst sowohl Behandlungs-
unterschiede zwischen Frauen und Männern als auch Fälle der Gleichbehandlung, in denen jedoch unter-
schiedliche medizinische Bedürfnisse vorliegen. Hier bedarf es dringend Studien, die untersuchen, inwie-
weit Diskriminierungsformen, die in Studien aus anderen Ländern bekannt sind, auch in Deutschland
auftreten. Dies betrifft beispielsweise die Behandlung in der Notaufnahme und ob Schmerzen bei Frauen
und Männern unterschiedlich ernst genommen werden.
Darüber hinaus fehlt es bisher an Untersuchungen mit einem intersektionalen Ansatz. So gibt es aus qua-
litativen Studien Hinweise darauf, dass etwa bei der Geburt besondere Diskriminierungsrisiken für lesbi-
sche Frauen bestehen. Ausländische Studien zeigen auf, dass rassistische Diskriminierung auch bei der
Geburt auftreten kann. Zur Behandlung und Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Ge-
burt ist generell wenig bekannt.
20 https://www.hs-fulda.de/pege-und-gesundheit/forschung/forschungsschwerpunkte/gesundheitsschutz-bei-interpersoneller-
gewalt/peko-1 (letzter Zugriff am 07.04.2021)
21 https://www.-dortmund.de/intrahealth (letzter Zugriff am 05.07.2021)
22 https://transkids-studie.de/das-projekt/ (letzter Zugriff am 07.04.2021)
23 https://www.fgz-risc.de/forschung/alle-forschungsprojekte/details/BIE_F_10 (letzter Zugriff am 05.03.2021)
39Forschungsstand
Institutionelle Diskriminierung durch Gesetze, etwa im Zusammenhang mit der reproduktiven Autono-
mie von Frauen oder dem Prozess der Geschlechtsangleichung, ist in der deutschen Literatur belegt. Dis-
kriminierende Effekte organisationsinterner Regeln wurden bisher weit weniger untersucht, wie etwa bei
der Zimmerbelegung von Trans*Patient*innen oder der Kostenerstattung von gynäkologischen oder uro-
logischen Behandlungen, die aufgrund der Anatomie erforderlich sind, aber für das zugewiesene Ge-
schlecht nicht vorgesehen sind. Hier bedarf es einer systematischen Überprüfung bestehender Regeln und
Handlungsabläufe auf mögliche benachteiligende Auswirkungen für Trans*- und Inter*Personen.
3.1.3 Religion
Für Deutschland liegen bislang nur wenige aussagekräftige Studien vor, die sich explizit mit der Ungleich-
behandlung aufgrund der Religion in der gesundheitlichen Versorgung auseinandersetzen. Eine Betroffe-
nenbefragung im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes belegt, dass bei Diskriminierungser-
fahrungen aufgrund der Religion der Anteil an sozialen Herabwürdigungen im Gesundheitswesen, im
Vergleich zu den anderen im AGG genannten Merkmalen, mit 86 Prozent besonders hoch liegt (Beigang et
al. 2017, Seite231). Neben der Betroffenenperspektive gibt eine Studie, in der spontane Assoziationen von
Hausärzt*innen in Deutschland mit muslimischen Patient*innen anhand eines „Brainwriting“24 erfasst
wurden (n=90), Hinweise auf stereotype Zuschreibungen seitens des medizinischen Fachpersonals. So
konstatieren die Autor*innen der Studie, dass „aufgrund mangelnden Wissens über kulturelle und religiö-
se Kontexte“ die muslimischen Patient*innen „wenig reektiert und vielfach stereotypisierend dargestellt“
werden (Kronenthaler et al. 2014, Seite435). Beim Themenkomplex Kopftuch zeigten sich zudem diskrimi-
nierende Assoziationen wie „Schleiereulen“ (Kronenthaler et al. 2014, Seite436). Allerdings bleibt offen, ob
und inwiefern die stereotypen Zuschreibungen gegenüber muslimischen Patient*innen im Verhalten der
deutschen Hausärzt*innen wirksam werden.
Internationale Studien legen den Schluss nahe, dass Diskriminierung aufgrund der Religion in der Ge-
sundheitsversorgung kein seltenes Phänomen darstellt (Samari et al. 2018). Eine Querschnittstudie in den
USA, bei der landesweit 227 Erwachsene mit islamischer Religionszugehörigkeit teilnahmen, untersuchte
das Ausmaß und die Erscheinungsformen von Diskriminierung gegenüber Muslim*innen im Gesund-
heitswesen. 27,6 Prozent der Befragten gaben an, schon einmal aufgrund ihrer Religion im Gesundheits-
wesen diskriminiert worden zu sein. Neben der Erfahrung, ausgeschlossen oder ignoriert zu werden, be-
richteten die Befragten am häugsten von Problemen im Zusammenhang mit dem Tragen religiöser
Kleidung und beleidigenden oder unsensiblen Äußerungen (Martin 2015, Seite55). Zudem zeigte sich für
Frauen in einer regionalen Befragung in Chicago, dass subjektiv wahrgenommene Diskriminierungserfah-
rungen aufgrund der Religion einen negativen Einuss auf die Mammograe-Screeningteilnahme aus-
üben (Padela et al. 2015) und zu einer verzögerten Inanspruchnahme gesundheitlicher Leistungen führen
(Vu et al. 2016).
Vergleichbare Studien, die sich explizit mit Diskriminierung aufgrund der Religion im Gesundheitswesen aus
der Betroffenenperspektive auseinandersetzen, liegen für Deutschland bislang nicht vor.
Allerdings ist aus Studien zu wahrgenommenen Diskriminierungserfahrungen im Allgemeinen – wie dem
Integrationsbarometer des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration – be-
kannt, „dass nicht die Zugehörigkeit zu einer Herkunftsgruppe den stärksten Effekt auf das Diskriminie-
rungserleben hat, sondern die Religion“ (Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftun-
24 Die Hausärzt*innen wurden gebeten, auf einem Blatt Papier ihre Gedanken und Erfahrungen zu muslimischen Patient*innen zu
notieren.
40 Forschungsstand
gen für Integration und Migration 2018, Seite 13). So berichten insbesondere Zugewanderte mit
muslimischem Glauben von erfahrener Diskriminierung.
Es bedarf der systematischen Erforschung, inwiefern Benachteiligungen aufgrund der Religion auch im Ge-
sundheitswesen auftreten und ob sich die Diskriminierungserfahrungen nach den einzelnen Religionen
unterscheiden.
In einer qualitativen Studie zur Gleichbehandlung in der Pege wurde deutlich, dass Berührungsängste
und Herabwürdigungen gegenüber muslimischen Empfänger*innen gesundheitlicher Leistungen häug
auftreten. Aus den Interviews mit Führungskräften stationärer Pegeeinrichtungen der Diakonie und
Caritas geht ein Othering von als muslimisch wahrgenommenen Patient*innen hervor, welches sich in
emotional-kognitiven Barrieren auf Seiten des Pegepersonals manifestiert und die professionelle Für-
sorge beeinusst. Zudem wurde deutlich, „wie gesellschaftlich einussreiche rassistische Abwertung, Un-
wissen oder Geringschätzung gegenüber islamischer Religionszugehörigkeit in den Alltagsroutinen eines
Pegeheims Ausdruck nden“ (Lewicki 2020, Seite222). Es ist davon auszugehen, dass „abwertende Ein-
stellungen gegenüber Muslim*innen“ (Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen
für Integration und Migration 2018, Seite13) nicht nur in Pegeeinrichtungen, sondern auch im Gesund-
heitswesen auftreten.
Inwiefern Vorurteile und stereotype Zuschreibungen beim medizinischen und pegenden Personal im Ge-
sundheitswesen manifestiert sind und zu diskriminierenden Handlungen in der gesundheitlichen Versor-
gung aufgrund der Religionszugehörigkeit der Patient*innen führen, bedarf jedoch der grundlegenden
Erforschung.
Unzureichende Berücksichtigung religiöser Grundpichten
Die unzureichende Berücksichtigung religiöser Grundpichten (zum Beispiel spezische Speisevorschrif-
ten) im Gesundheitswesen kann eine Form der institutionellen Diskriminierung darstellen. So sind die
Angebote des Gesundheitssystems häug nicht auf die religiöse Vielfalt der Bevölkerung ausgerichtet, wo-
durch strukturelle Ausgrenzungs- und Benachteiligungsprozesse begünstigt werden (Ilkilic 2007). Qualita-
tive Studien im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme rehabilitativer Leistungen deuten darauf hin,
dass die unzureichende Berücksichtigung religiöser Besonderheiten nicht nur den Zugang zu, sondern
auch die Wirksamkeit von Rehabilitationsmaßnahmen erschwert. Insbesondere fehlende gleichge-
schlechtliche (Bewegungs-)Therapien überschreiten religiös bedingte Schamgrenzen und erschweren reli-
giösen Frauen die Teilnahme an den Angeboten, wodurch die Qualität der rehabilitativen Versorgung be-
einträchtigt wird. Zudem wird berichtet, dass weder Räumlichkeiten für Gebetsrituale zur Verfügung
stehen, noch religiöse Speisevorschriften berücksichtigt werden (Brause et al. 2010; Brzoska et al. 2010a).
In einer Befragung von orthopädischen Rehabilitationseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen und
Schleswig-Holstein (n=55) geben zwar fast drei Viertel (74,6 Prozent) der befragten Einrichtungen an,
dass die Möglichkeit zur Behandlung durch gleichgeschlechtliches Personal besteht, jedoch bietet nur
etwa ein Drittel (34,6 Prozent) der Einrichtungen Gruppentherapien für Frauen und Männer getrennt an.
Ferner berichten lediglich 45,5 Prozent der teilnehmenden Einrichtungen, in ihrer Menüauswahl die
religiösen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Der Aussage „Es ist wichtig, dass unsere Mitarbeiter*innen an
Fortbildungen/Kursen zum Umgang mit kultureller/religiöser Vielfalt teilnehmen“, stimmten lediglich
ein Drittel (36,8 Prozent) der befragten Einrichtungen zu (Brzoska et al. 2017b, Seite846).
Eine repräsentative Befragung von Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland belegt zudem die mangeln-
de Berücksichtigung religiöser und kultureller Ernährungsgewohnheiten in der stationären Versorgung.
Fast ein Viertel (24 Prozent) der teilnehmenden Einrichtungen (n=234) berücksichtigt bislang noch nicht
die kulturellen oder religiösen Aspekte bei der Verpegung (Blum et al. 2017, Seite60).
41Forschungsstand
Fazit
Insgesamt besteht in Deutschland grundlegender Forschungsbedarf zum Ausmaß und zu den Formen von
Diskriminierung aufgrund der Religion im Gesundheitswesen. So liegen bislang keine Erkenntnisse darü-
ber vor, inwiefern sich religionsbezogene Diskriminierungserfahrungen auf den Zugang zu Leistungen des
Gesundheitssystems und auf die Qualität der gesundheitlichen Versorgung auswirken. Während einzelne
Studien Hinweise auf institutionelle Diskriminierungsrisiken geben, mangelt es an Studien, die die Dis-
kriminierungserfahrungen aus der Perspektive der Betroffenen – unter Berücksichtigung der verschiede-
nen Religionen – in den einzelnen Versorgungsbereichen des Gesundheitssystems schildern. Darüber hin-
aus ist für Deutschland bislang nicht untersucht worden, inwiefern abwertende Einstellungen gegenüber
religiösen Patient*innen beim medizinischen und pegenden Gesundheitspersonal manifestiert sind und
zu diskriminierendem Verhalten in der gesundheitlichen Versorgung führen. In diesem Zusammenhang
gilt es, die möglichen negativen Auswirkungen auf die Behandlungsqualität der Betroffenen ebenfalls zu
untersuchen. Dabei sollte zudem die Frage verfolgt werden, ob sich Vorurteile und stereotype Zuschrei-
bungen gegenüber den Patient*innen nach den verschiedenen Religionen unterscheiden.
3.1.4 Behinderung
Hintergrundinformation: Die Behindertenrechtskonvention
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung stellt fest, dass teilzuhaben und
selbstbestimmt zu leben bedeutet, alle Bereiche des eigenen Lebens kontrollieren und gestalten zu
können, ohne von anderen Menschen abhängig zu sein. Gemäß der Artikel 25 und 26 der UN-Behinderten-
rechtskonvention darf niemand aufgrund einer Behinderung einen schlechteren Zugang zum Gesundheits-
system haben, und es sind alle Maßnahmen zu treffen, um das Höchstmaß an Unabhängigkeit und Teilhabe
zu gewährleisten. Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) von 2006 und sein Fakultativprotokoll
haben seit dem 26. März 2009 Rechtsverbindlichkeit in Deutschland. Sie ist ein völkerrechtlicher Vertrag im
Range eines Bundesgesetzes und konkretisiert Menschenrechte, die den deutschen Grundrechten entspre-
chen. Wie vom Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) bestätigt wurde,
muss nicht nur einfaches, sondern auch Verfassungsrecht konventionskonform ausgelegt werden. Die
gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen an medizinischen Dienstleistungen ist auch aufgrund der
durch die Verfassung garantierten Persönlichkeitsrechte und wegen des Benachteiligungsverbots aufgrund
einer Behinderung aus Artikel 3 Absatz 2 GG geboten.
Eine im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durchgeführte Betroffenenbefragung belegt,
dass Diskriminierungserfahrungen aufgrund von Behinderungen, Beeinträchtigungen oder chronischen
Erkrankungen im Gesundheitswesen deutlich überrepräsentiert sind (Beigang et al. 2017, Seite229). Die
gleichberechtigte Teilhabe an der gesundheitlichen Versorgung wird Menschen mit Behinderungen durch
erhebliche Barrieren beim Zugang zur und der Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems
erschwert (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016; Schülle 2016).
42 Forschungsstand
Diskriminierungsrisiken durch mangelnde Barrierefreiheit im Zugang zum
Gesundheitssystem
Baulich barrierefreie Ärzt*innenpraxen stellen eine wesentliche Voraussetzung für den gleichberechtigten
Zugang zur Gesundheitsversorgung von Menschen mit körperlichen Behinderungen und Beeinträchti-
gungen dar. Allerdings verweisen sowohl eingegangene Beratungsfälle in Antidiskriminierungsstellen
(Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2017a) als auch vorliegende Studien auf „Dezite in der ächen-
deckenden Ermöglichung barrierefreien Zugangs zu Leistungsanbieter*innen der medizinischen Versor-
gung“ (Weber 2015, Seite277).
Hintergrundinformation: Rechtsgrundlage zur Barrierefreiheit
Im Rahmen des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) wird Barrierefreiheit deniert als „bauliche
und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsver-
arbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere
gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise,
ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe aufndbar, zugänglich und nutzbar sind“
(§4 BGG). Die Bundesregierung hat Maßnahmen ergriffen, um die Barrierefreiheit im Sinne des BGG im
Gesundheitswesen voranzubringen (BT-Drs. 19/21310). Hierzu gehören die Pegereformen der vergange-
nen Jahre, die Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Behandlung in medizinischen Behandlungszentren
für Erwachsene mit psychischer Beeinträchtigung oder schweren Mehrfachbehinderungen (§§ 43b, 119c
SGB V), das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) und die im Rahmen des Terminservice- und
Versorgungsgesetzes (TSVG) erfolgten Verbesserungen der Heil- und Hilfsmittelversorgung.
Einen besonderen Fokus legen die Gesetzgebungsorgane hierbei auf die Schaffung von barrierefreien
Praxen. Dies ndet rechtliche Umsetzung im Rahmen des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens. Die
Kassenärztlichen Vereinigungen wurden mit dem TSVG verpichtet, bundesweit einheitlich im Internet
über den barrierefreien Zugang zur Versorgung zu informieren, § 75 Absatz 1a Satz 2 SGB V. Daraufhin
hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen 2019
Hinweise und weiter gehende Informationen zur bundeseinheitlichen Veröffentlichung von Informationen
zur Barrierefreiheit von Ärzt*innenpraxen erarbeitet. § 2 der Bedarfsplanungs-Richtlinie (BPL-RL) des
Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sieht vor, dass in den von den Kassenärztlichen Vereinigungen
im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen aufzustellenden
Bedarfsplänen von der Richtlinie abgewichen kann. Zu diesen möglichen Abweichungen zählt auch die
Barrierefreiheit. Förderung des barrierefreien Zugangs wurde als Kriterium für einen zusätzlichen lokalen
Versorgungsbedarf in § 35 Absatz 5 Satz 5 Nummer 6 BPL-RL aufgenommen. Derzeit werden diese
Änderungen in den Bedarfsplänen ausgewiesen.
Meldepichten an die Kassenärztliche Bundesvereinigung zur Barrierefreiheit existieren nicht; die gesetz-
liche Aufgabe und Verpichtung, über die Barrierefreiheit von Ärzt*innenpraxen zu informieren, gilt nur für
die Kassenärztlichen Vereinigungen. Die Frage der Barrierefreiheit für Ärzt*innenpraxen bei Neubau oder
Nutzungsänderung wird im Rahmen des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens überprüft, nicht jedoch
im Rahmen des ärztlichen Zulassungsverfahrens.
43Forschungsstand
Eine bundesweite Abfrage niedergelassener (zahn)ärztlicher und psychotherapeutischer Praxen im Rah-
men des Projekts „Barrierefreie Praxis“ der Stiftung Gesundheit belegt, dass lediglich knapp ein Drittel
(36,4 Prozent) der verzeichneten Ärzt*innenpraxen mindestens eins von insgesamt zwölf Kriterien der
Barrierefreiheit erfüllen (unter anderem barrierefreier Zugang, rollstuhlgerechte Praxis, Orientierungs-
hilfe für Sehbehinderte); 140.000 von 220.000 Ärzt*innenpraxen bieten keine entsprechenden Vorkehrun-
gen der Barrierefreiheit an beziehungsweise liefern dazu keine Angaben (Stiftung Gesundheit 2020). Eine
differenzierte Betrachtung zeigt zudem, dass insbesondere behindertengerechte Parkplätze, höhenver-
stellbare Untersuchungsmöbel, barrierefreie Toiletten und Orientierungshilfen für Sehbehinderte nur in
Ausnahmefällen in den Ärzt*innenpraxen gegeben sind (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016).
Nach dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sind die Kassenärztlichen Vereinigungen dazu
verpichtet, über die Zugangsmöglichkeiten zur ambulanten Versorgung von Menschen mit Behinderung
zu informieren. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Bündnis 90 / Die Grü-
nen zur Umsetzung der Barrierefreiheit in der Gesundheitsversorgung stellt die Kassenärztliche Bundes-
vereinigung Daten zu lediglich 7 von 17 Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verfügung. Jeweils knapp ein
Viertel der hausärztlichen (26,4 Prozent) und fachärztlichen (26,1 Prozent) Praxen verfügen über einen
uneingeschränkten barrierefreien Zugang, wobei sich bei einer differenzierten Betrachtung deutliche
bundeslandspezische Unterschiede zeigen. Während 46,2 Prozent der hausärztlichen und 53,6 Prozent
der fachärztlichen Praxen in Brandenburg einen uneingeschränkten barrierefreien Zugang ermöglichen,
liegt der Anteil beispielsweise in Rheinland-Pfalz bei lediglich 15,9 Prozent beziehungsweise 16,3 Prozent
(Deutscher Bundestag 2020, Seite4). Allerdings bezieht sich der „uneingeschränkt barrierefreie Zugang“
ausschließlich auf die räumliche Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der niedergelassenen Ärzt*innenpraxen;
es werden keine Informationen zur Berücksichtigung der spezischen Bedarfe von Menschen mit Sehbe-
hinderungen bereitgestellt. Dass Barrierefreiheit über die baulichen Aspekte hinausgeht und entsprechen-
de Strukturen für jegliche Beeinträchtigungsformen vorhanden sein müssen, wurde auch in den Ex-
pert*inneninterviews hervorgehoben. Allerdings fallen „gerade leichte Sprache und Blindenleitsysteme
(…) gerne hinten runter“ (Zitat Expert*inneninterview).
Daneben bestehen in der wohnortnahen Versorgung barrierefreier hausärztlicher Praxen deutliche Stadt-
Land-Unterschiede, insbesondere zum Nachteil der Menschen mit Behinderungen in ländlichen Regionen
in Ostdeutschland (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016). So schränkt die mangelnde physi-
sche Barrierefreiheit im ambulanten Versorgungsbereich nicht nur die freie Ärzt*innenwahl (Hasseler
2015a), sondern auch die Wohnortwahl ein (Weber 2015) und stellt eine strukturelle Diskriminierung von
Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen dar. Im Zuge der Evaluation des Behinderten-
gleichstellungsgesetzes zeigte sich, dass 46,7 Prozent der Beschwerden im Gesundheitswesen im Zusam-
menhang mit der mangelnden Barrierefreiheit auf die fehlende Wahlfreiheit der ärztlichen Versorgung
und 44,5 Prozent der Fälle auf bauliche Gegebenheiten zurückzuführen sind (Welti et al. 2014, Seite239).
Auswertungen der Studie Gesundheit in Deutschland Aktuell (GEDA) 2014/2015 belegen zudem, dass sich
bei Menschen mit Behinderungen Untersuchungen beziehungsweise Behandlungen aufgrund einer „zu
weiten Entfernung oder Probleme, dorthin zu gelangen“ signikant häuger verzögern als bei Menschen
ohne Behinderungen (Wetzel und Rathmann 2020). Ein weiteres zentrales Studienergebnis stellt der Zu-
sammenhang zwischen dem Behinderungsstatus und dem Warten auf einen Untersuchungstermin dar:
So verzögern sich bei Menschen mit Behinderung eher Untersuchungen aufgrund langer Wartezeiten auf
einen Termin als bei Menschen ohne Behinderung (Wetzel und Rathmann 2020). Verschiedene regionale
qualitative Studien weisen ebenfalls auf lange Wartezeiten von Menschen mit geistigen (und mehrfachen)
Behinderungen für Termine bei niedergelassenen (Fach-)Ärzt*innen hin (Steffen und Blum 2012; Hasseler
2015a). „Während für Menschen mit körperlichen Behinderungen die physischen Barrieren im Vorder-
grund stehen und erst danach immaterielle Barrieren, wie die Folgen von Stigmatisierung, deutlich wer-
den, stehen bei Menschen mit geistigen und psychischen Behinderungen die immateriellen, die sozialen
44 Forschungsstand
Barrieren im Vordergrund“ (Weber 2015, Seite275). In einer explorativen qualitativen Studie zur gesund-
heitlichen Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung in zwei Hamburger Bezirken (n=33) zeigte
sich unter anderem ein Mangel an qualizierten niedergelassenen Haus- und Fachärzt*innenpraxen als
wesentliche Zugangsbarriere für eine adäquate Versorgung. Sowohl eine geringe Bereitschaft zur Aufnah-
me als auch ein inadäquater Umgang mit Patient*innen mit geistiger Behinderung sind ursächlich für
eine oft lange Suche nach neuen Ärzt*innen (Steffen und Blum 2012).
Dass Menschen mit Behinderungen oftmals in der hausärztlichen Versorgung abgewiesen werden, wurde
auch in den Expert*inneninterviews geschildert. Allerdings fehlen bislang empirisch gesicherte Daten, die
das Ausmaß der Leistungsverweigerung aufgrund des Vorliegens einer Behinderung unter niedergelassenen
(Fach-)Ärzt*innen benennen und die Gründe hierfür systematisch analysieren.
Insgesamt kann konstatiert werden, dass vorliegende – quantitative sowie qualitative – Studien mögliche
Barrieren im Zugang zur gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen aufzeigen, die
einer gleichberechtigten Teilhabe im Gesundheitssystem entgegenstehen. Die tatsächlichen Auswirkungen
der mangelnden Barrierefreiheit auf die Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems von
Menschen mit Behinderungen werden jedoch nur selten untersucht.
Spezische Barrieren beim Behandlungszugang von Menschen mit psychischen
Erkrankungen
Menschen mit psychischen Erkrankungen sind im Gesundheitswesen spezischen Zugangsbarrieren aus-
gesetzt. In einer qualitativen Studie wurden 30 Patient*innen mit den Diagnosen Angsterkrankung oder
Depression zu den wahrgenommenen Barrieren auf ihren Behandlungswegen befragt. Neben einer ver-
späteten Diagnosestellung (und der damit einhergehenden verzögerten Therapieeinleitung) wurde unter
anderem auf die mangelnde Kommunikation an den Versorgungsschnittstellen und den langen, belasten-
den Wartezeiten für die Inanspruchnahme psychotherapeutischer Angebote hingewiesen (Kivelitz et al.
2015). Hausärzt*innen stellen häug die erste Anlaufstelle von Menschen mit psychischen Erkrankungen
dar und nehmen folglich eine Schlüsselrolle für die Erkennung der Diagnose ein. Allerdings verweisen vor-
liegende Studien auf Dezite in der Diagnosestellung im primären Versorgungssystem, die zu Unter- be-
ziehungsweise Fehlversorgung und einer Verschlechterung des Krankheitsverlaufes führen können (Watz-
ke et al. 2015; Gaebel et al. 2005; Kivelitz et al. 2015). In diesem Zusammenhang berichten Betroffene, dass
sie von den Ärzt*innen bei der Schilderung ihrer Beschwerden nicht ernst genommen werden (Gaebel et
al. 2005). Zudem stellen das unzureichende psychotherapeutische Angebot, das sich in langen Wartezeiten
zum Therapiebeginn äußert, und die fehlenden ächendeckenden psychosozialen Nachsorgeangebote
eine wesentliche Versorgungslücke für die Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen dar
(Watzke et al. 2015).
Diskriminierungserfahrungen bei der Inanspruchnahme von Leistungen des
Gesundheitssystems
„Die Frage der Barriere beziehungsweise Barrierefreiheit beginnt vielmehr bei einer offenen und wert-
schätzenden Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderungen“ (Seidel 2013, SeiteA1548). Allerdings
belegen vereinzelte Studien, dass Menschen mit Behinderungen, Beeinträchtigungen oder chronischen
Erkrankungen Diskriminierungsrisiken in der Gesundheitsversorgung ausgesetzt sind. So berichten Men-
schen mit körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen in einer Studie im Auftrag der Antidiskrimi-
nierungsstelle des Bundes, dass ihre Symptomatik vom medizinischen und pegenden Personal nicht
ernst genommen wird. Bei Personen mit psychischen Beeinträchtigungen werden körperliche Beschwer-
den auf die psychischen Beeinträchtigungen reduziert; bei Menschen mit körperlicher Behinderung wird
zugleich von einer kognitiven Beeinträchtigung ausgegangen (Beigang et al. 2017, Seite234 f.). In einer
quantitativen Querschnittstudie zur medizinischen Versorgung von gehörlosen Menschen (n=841) gaben
45Forschungsstand
41,0 Prozent der Befragten an, „mit ihren Beschwerden von einer Ärztin / einem Arzt nicht ernst genom-
men worden zu sein“; 20,2Prozent fanden, dass Ärzt*innen sich nicht genug Zeit nahmen (Höcker 2010,
Seite52). Daneben wird bei gehörlosen älteren Menschen von Benachteiligungen in der ambulanten Ge-
sundheitsversorgung im Hinblick auf die Gründlichkeit der Behandlung (Kaul et al. 2009) und bei Men-
schen mit geistiger Behinderung von einem „schroffen Umgang“ bei der Inanspruchnahme von nieder-
gelassenen Ärzt*innen berichtet (Steffen und Blum 2012).
Hinweise auf eine ungleiche Behandlung gibt zudem eine in Baden-Württemberg durchgeführte Befra-
gung von niedergelassenen Zahnärzt*innen (n=888) und HIV-positiven Patient*innen (n=577). 13,0 Pro-
zent der HIV-inzierten Befragten gaben an, sich schlechter als andere Patient*innen behandelt zu fühlen,
nachdem ihre HIV-Infektion bekanntgegeben wurde; 22,5 Prozent berichteten von negativen Erfahrun-
gen bei der Zahnärztin / beim Zahnarzt aufgrund ihrer HIV-Infektion (Akarsu et al. 2016, Seite11). Von den
niedergelassenen Zahnärzt*innen stimmten fast ein Viertel (22,1 Prozent) der Aussage zu, dass HIV-positi-
ve Patient*innen eine große Belastung für ihre Praxis seien (Akarsu et al. 2016, Seite8). Darüber hinaus
äußert sich die ungleiche Behandlung von HIV-positiven Menschen in der Terminvergabe. Fast die Hälfte
(46,6 Prozent) der befragten niedergelassenen Zahnärzt*innen behandeln HIV-positive Patient*innen ge-
sondert an bestimmten Tagen oder Zeiten (Akarsu et al. 2016, Seite8). Unter den HIV-positiv Befragten
berichteten 11,4 Prozent, ihren Termin am Ende des Tages nach allen anderen Patient*innen zu erhalten
(Akarsu et al. 2016, Seite11).
Diese Ungleichbehandlung von HIV-positiven Menschen bei der Inanspruchnahme medizinischer Leis-
tungen wird auch in den Expert*inneninterviews geschildert: „(…) aber das sind so wirklich diese klassisch
diskriminierenden Fälle (…) HIV-positiver Mensch geht zur Zahnärztin / zum Zahnarzt und bekommt dort
dann nur den letzten Termin am Freitagnachmittag zugewiesen (….) auf den letzten Behandlungstermin an
den Tag verweisen, damit halt in Anführungsstrichen ja niemand hinterher angesteckt wird oder die Praxis
desinziert werden kann“ (Zitat Expert*inneninterview).
Inwiefern Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen in der Ärzt*innen-Patient*innen-Inter-
aktion spezischen Diskriminierungsrisiken ausgesetzt sind und ob diese in einer ungleichen medizinischen
oder therapeutischen Behandlung resultieren, bedarf jedoch der systematischen Erforschung.
Insgesamt mangelt es an „Daten zur wahrgenommenen Zufriedenheit bei der Inanspruchnahme, Bedarfs-
deckung sowie zur Häugkeit von Diskriminierungserfahrungen bei der Inanspruchnahme von gesund-
heitlichen Dienstleistungen“ von Menschen mit Behinderungen (Schülle 2016, Seite3). Im Rahmen des
Projekts Einschätzung gesundheitlicher und pegerischer Bedarfe von Menschen mit geistigen und/oder
mehrfachen Beeinträchtigungen in stationären und ambulanten Wohneinrichtungen in der Region Braun-
schweig – Entwicklung und Testung eines Einschätzungsinstruments wurde ein zielgruppenspezisches Ins-
trument entwickelt, um die subjektiven Erfahrungen hinsichtlich der Gesundheitsversorgung von Men-
schen mit geistigen Behinderungen zukünftig erfassen zu können (Stölting und Hasseler 2020).
Diskriminierungserfahrungen in Form der Vorenthaltung von Behandlungen
Nach der im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durchgeführten Betroffenenbefragung
werden in 41,3 Prozent der Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitswesen aufgrund von Behinde-
rungen, Beeinträchtigungen oder chronischen Erkrankungen den Betroffenen Rechte vorenthalten
(Beigang et al. 2017, Seite 246). Eine bundesweite Studie zu Diskriminierungs- und Stigmatisierungs-
erfahrungen von Menschen mit HIV in Deutschland belegt zudem, dass 19 Prozent der Befragten in den
letzten zwölf Monaten Gesundheitsleistungen wie Zahnbehandlungen aufgrund ihrer HIV-Infektion
verwehrt wurden. Darüber hinaus verzichteten rund 18 Prozent der Befragten, denen eine Behandlung
verweigert wurde, auf einen eigentlich notwendigen Arztbesuch (Deutsche AIDS-Hilfe e. V. 2012, Seite57 f.).
46 Forschungsstand
Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich in der Befragung von HIV-positiven Patient*innen in Baden-Württem-
berg, bei der 18,4 Prozent der Befragten angaben, schon einmal von einer Zahnärztin / einem Zahnarzt
abgewiesen worden zu sein (Akarsu et al. 2016, Seite11).
Qualitative Studien deuten zudem darauf hin, dass notwendige diagnostische Untersuchungen zur Erken-
nung von Erkrankungen und therapeutische Maßnahmen bei Menschen mit geistiger und mehrfacher
Behinderung sowohl in Akutkrankenhäusern (Roser et al. 2011; Hasseler 2015b) als auch im niedergelasse-
nen Bereich häug nicht durchgeführt oder verordnet werden (Hasseler 2015a). Der Mangel an verordneten
Leistungen wird von den niedergelassenen Ärzt*innen mit Hinweisen auf die nanziellen Kapazitäten
oder „nicht rehabilitationsfähig“ begründet (Hasseler 2015a). Eine in Nordrhein-Westfalen durchgeführte
Studie zur Versorgungsqualität unter Brustkrebspatientinnen (n=4.626) belegt, dass sowohl Unterschiede
in der Diagnostik als auch in der Behandlungsart nach dem (Nicht-)Vorliegen einer Behinderung bestehen.
So wird Brustkrebs bei Frauen mit körperlichen und Sinnesbeeinträchtigungen seltener durch ein Mam-
mograe-Screening diagnostiziert als bei Frauen ohne Behinderung. Zudem erhalten Patientinnen mit
körperlichen Beeinträchtigungen seltener eine brusterhaltende Behandlung und eher eine Mastektomie
ohne Rekonstruktion als Patientinnen ohne Behinderung (Groß et al. 2020).
Diskriminierungsrisiken durch mangelndes Fachwissen und kommunikative Kompetenzen
Ein weiteres Diskriminierungsrisiko von Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen bei der
Inanspruchnahme der ambulanten sowie stationären Gesundheitsversorgung resultiert aus dem man-
gelnden Fachwissen und den unzureichenden Erfahrungen des Gesundheitspersonals im Umgang mit
Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen (Hasseler 2014; Schülle 2016). Die fehlenden
Fachkenntnisse behandelnder Ärzt*innen über die spezischen Besonderheiten von Menschen mit Be-
hinderungen (zum Beispiel im Hinblick auf die atypische Symptomatik) können dabei die Diagnose und
folglich auch die Behandlung beeinussen (Steffen und Blum 2012; Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V.
2020).
Inwiefern mangelndes Fachwissen von Ärzt*innen über behinderungsspezische Besonderheiten (insbe-
sondere im ambulanten Bereich) tatsächlich zu Fehldiagnosen führt und damit zusammenhängend in einer
Fehl-, Über- oder Unterversorgung bei Menschen mit Behinderungen resultiert, bedarf jedoch weiterer
Forschung.
Ferner sei das pegende Personal unzureichend im Umgang mit Menschen mit geistigen (und mehrfa-
chen) Behinderungen geschult (Roser et al. 2011). Eine wesentliche Ursache für die unzureichende Be-
handlung und Pege von Menschen mit Behinderungen liegt in der mangelhaften Berücksichtigung der
Spezika in der Ausbildung des Gesundheitspersonals (Schmidt 2010).
Auf das mangelnde Fachwissen seitens der Leistungserbringenden und die unzureichende Berücksichti-
gung von Menschen mit Behinderungen in der medizinischen sowie pegenden Ausbildung wird in den
Expert*inneninterviews ebenfalls explizit verwiesen. So wird unter anderem konstatiert: „Da geht es vor
allem um das Fachwissen der Professionellen im Gesundheitswesen (…). Gerade bei Menschen mit geisti-
gen oder Mehrfachbeeinträchtigungen gibt es große Barrieren, auch die sogenannten Barrieren in den
Köpfen (…) große Berührungsängste vom ärztlichen Personal, aber auch pegerischen Personal für diese
Personengruppe“ (Zitat Expert*inneninterview).
Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen benötigen demnach eine gesundheitliche
Versorgung, die die spezischen Besonderheiten berücksichtigt. Infolge der mangelnden Verbreitung „an
Leistungserbringenden mit Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Behinderung oder medizinischem
Know-how“ (Kostka et al. 2019, Seite1) ist jedoch die adäquate Versorgung für Menschen mit Behinderung
nicht ächendeckend sichergestellt. Nach Angaben der interviewten Expert*innen entsteht die Versor-
47Forschungsstand
gungslücke insbesondere mit der Vollendung des 18. Lebensjahres: „Bisher war die Lücke in der Versor-
gung tatsächlich, dass mit dem vollendeten 18. Lebensjahr die Menschen dann in die allgemeine Versor-
gungslandschaft entlassen wurden (…) die war aber nicht vorbereitet beziehungsweise hat sie diesen Bedarf
nicht gedeckt“ (Zitat Expert*inneninterview). Mit der Möglichkeit, medizinische Zentren für Erwachsene
mit geistiger und Mehrfachbehinderung (MZEB) zu implementieren, sollen diese Versorgungsdezite be-
hoben werden (Schülle und Hornberg 2016), in dem sie da ansetzen, „wo das Regelsystem bezüglich einer
adäquaten Gesundheitsversorgung für Erwachsene mit geistiger und mehrfacher Behinderung an seine
Grenzen stößt“ (Kostka et al. 2019, Seite2). Derzeit bieten bundesweit 50 Zentren eine spezialisierte Ver-
sorgung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung an (Medizinische Zentren für Erwach-
sene mit Behinderung 2021). Nach Angaben der interviewten Expert*innen stellt allerdings die Suche nach
qualiziertem Personal eine große Herausforderung bei der Etablierung neuer Zentren dar.
Weiterhin zeigte sich in einer explorativen qualitativen Studie (n=33) in zwei Hamburger Bezirken, dass
es „insbesondere in den Bereichen Psychiatrie, Neurologie, Orthopädie und Gynäkologie“ an qualizierten
Ärzt*innen zur Versorgung von Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen fehlt (Steffen
und Blum 2012, A861). Der Mangel an qualizierten Psychotherapeut*innen und Psycholog*innen führt
dazu, „dass bei der Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung bevorzugt medikamentöse The-
rapien und kaum Psycho- oder Verhaltenstherapien eingesetzt würden – auch wenn diese angezeigt und
indiziert seien“ (ebenda). Weitere Hinweise für eine Unterversorgung von Menschen mit Behinderungen
bestehen im Bereich der „adäquaten wohnortnahen zahnmedizinischen Versorgung“ (Nitschke und
Kaschke 2011, Seite1078) und in der gynäkologischen Versorgung (Pösl et al. 2018).
Die interviewten Expert*innen berichten ebenfalls von Versorgungsdeziten in den Angeboten der Prä-
vention und Gesundheitsförderung, die häug nicht für Menschen mit Behinderungen „mitgedacht“ sind.
Ferner wird ein Mangel an psychotherapeutischen Angeboten konstatiert: „Wenn wir seelische Beein-
trächtigungen als solche nehmen, ja. Aber, wenn es Dopplungen gibt, beispielsweise geistige Beeinträch-
tigung und psychische Beeinträchtigung. Dann wissen wir, dass fällt oft übereinander und wird ganz selten
erkannt in der Diagnostik. Und es gibt dafür eigentlich auch gar kein Angebot, schon gar nicht in der
Fläche“ (Zitat Expert*inneninterview).
Die fehlende Erfahrung des medizinischen und pegenden Personals im Umgang mit Menschen mit Be-
hinderungen kann sich auf die Kommunikation und in diesem Zusammenhang auch auf die Betreuungs-
qualität auswirken (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016). So wird vielfach davon berichtet,
dass Ärzt*innen die Diagnose und Behandlung nicht den Menschen mit Behinderungen erklären, sondern
über deren Kopf hinweg ausschließlich mit den Begleitpersonen besprechen (Budroni et al. 2006; Roser et
al. 2011; Steffen und Blum 2012; Kaul et al. 2009). Ein strukturelles Dezit bei der Versorgung von gehör-
losen Menschen besteht zudem darin, dass keine standardisierten Abläufe zur Kommunikationsabsiche-
rung gegeben sind (Kaul et al. 2009). In einer quantitativen Befragung von gehörlosen Menschen (n=841)
berichteten 43,3 Prozent der Teilnehmenden, schon einmal das Gefühl gehabt zu haben, „dass aufgrund
von Kommunikationsschwierigkeiten ihre Diagnose nicht korrekt war“ (Höcker 2010, Seite 52). Im
Rahmen der Evaluation des Behindertengleichstellungsgesetzes wurde geschildert, dass sich über die
Hälfte (56,0 Prozent) der Beschwerden im Gesundheitswesen im Zusammenhang mit der mangelnden
Barrierefreiheit auf Kommunikationsschwierigkeiten beziehen (Welti et al. 2014, Seite239).
Es bedarf grundlegender Forschung zum Ausmaß und zu den Auswirkungen von Verständigungsschwierig-
keiten zwischen dem medizinischen sowie pegenden Gesundheitspersonal und Menschen mit Behinderun-
gen oder Beeinträchtigungen.
48 Forschungsstand
Institutionelle Diskriminierungsrisiken in der stationären Gesundheitsversorgung
Allgemein gilt es zu berücksichtigen, „dass das heutige Krankenhaus durch hochgradig standardisierte und
beschleunigte Abläufe, durch einen hohen Technisierungsgrad, durch eine sich zuspitzende Personal-
knappheit und immer weniger Zeit für individuelle Zuwendung zum Patienten gekennzeichnet ist“ (Seidel
2010, Seite23). Menschen mit Behinderungen weisen jedoch einen – im Vergleich zu Menschen ohne Be-
hinderungen – höheren Unterstützungsbedarf bei der gesundheitlichen und pegerischen Versorgung
auf. Dieser erhöhte Betreuungsbedarf von Menschen mit Behinderungen wird aufgrund von Zeit- und Per-
sonalmangel sowie infolge der standardisierten und beschleunigten Abläufe in der stationären Gesund-
heitsversorgung häug nicht gedeckt (Steffen und Blum 2012; Hasseler 2015b; Seidel 2010; Roser et al.
2011). So wird für Menschen mit Behinderungen insbesondere von Mängeln in der pegerischen Versor-
gung während des Krankenhausaufenthaltes berichtet (Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. 2020; Seidel
2009; Habermann-Horstmeier 2019).
Vor dem Hintergrund des Zeit- und Personalmangels für die adäquate pegerische Betreuung während
des Krankenhausaufenthaltes ergeben sich für Menschen mit Behinderungen spezische Hindernisse
beim Zugang zur stationären Gesundheitsversorgung. Dabei wird nicht nur davon berichtet, dass die Auf-
nahme von Menschen mit geistigen (und mehrfachen) Behinderungen im Krankenhaus nur unter der
Voraussetzung einer ständigen Begleitung durch eine weitere Person (Familienangehörige, Fachkräfte aus
entsprechenden Einrichtungen und so weiter) ermöglicht wird (Lachetta et al. 2011; Seidel 2010; Roser et
al. 2011), sondern sogar von abgelehnten Aufnahmen im Krankenhaus (Bundesvereinigung Lebenshilfe
e. V. 2020; Hasseler 2015b). Allerdings besteht kein ausdrücklicher gesetzlicher Anspruch auf eine Beglei-
tung von Assistenzpersonen während des Krankenhausaufenthaltes: „Zwar haben Menschen mit Behinde-
rung gemäß § 113 Abs. 2 Nr. 2 und § 78 SGB IX einen Anspruch auf Assistenzleistungen zur sozialen Teil-
habe und man könnte aus diesen Vorschriften auch einen Anspruch auf eine Assistenz während des
Krankenhausaufenthaltes herleiten. Es nden sich allerdings nur in wenigen Landesrahmenverträgen be-
ziehungsweise in den Übergangsvereinbarungen, die die nach § 113 Abs. 2 Nr. 2 und § 78 SGB IX zu erbrin-
gende Leistung konkretisieren, diesbezügliche Hinweise (Stand 29.09.2020), sodass auch ein – nach dem
Recht theoretisch herleitbarer Anspruch – in der Praxis in der Regel leerläuft. Eine ausdrückliche, bundes-
weite Regelung fehlt somit bislang“ (Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. 2020, Seite5 f.).
Aus den Expert*inneninterviews geht in diesem Zusammenhang hervor, dass die an die Aufnahme ge-
knüpfte Bedingung einer Begleitperson von „Krankenhäusern aus der Not heraus“ entsteht (Zitat Ex-
pert*inneninterview). So wird dem Pegepersonal im Krankenhaus kein zusätzliches Zeitkontingent zur
Übernahme der besonderen Pegebedarfe von Patient*innen mit Behinderungen zur Verfügung gestellt.
Allerdings werden Assistenzpersonen, die die Komplexeinrichtungen der Eingliederungshilfe für die
Betreuung von Menschen mit Behinderungen im Krankenhaus stellen, nanziell nicht unterstützt. „Aber
die schreiben damit rote Zahlen. Sie kriegen das nicht nanziert (…). Sie müssen dann ja eine Person aus
der Gruppe – also eine Fachperson – abstellen für die Betreuung im Krankenhaus. Die fehlt dann in der
Gruppe. Das heißt, sie haben dann einen doppelten Personalaufwand, weil in der Gruppe ja mehr Personen
betreut werden könnten“ (Zitat Expert*inneninterview).
Zudem stellt die Situation im Krankenhaus für Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen
eine außerordentliche Belastung dar, auf die sie aus Angst und Stress nicht selten mit Verhaltensauffällig-
keiten reagieren (Habermann-Horstmeier 2019; Seidel 2009). Dieses Verhalten wird – vor dem Hintergrund
der standardisierten Abläufe im fallgruppenbezogenen DRG-Vergütungssystem der stationären Kranken-
hausleistungen – auf Seiten des Krankenhauspersonals als störend empfunden (Schmidt 2010). Mögliche
Reaktionen bestehen in einer frühzeitigen Entlassung oder – wie für Menschen mit geistigen (und mehr-
fachen) Behinderungen in der Literatur wiederholt beschrieben – in Sedierungen und Fixierungen (Has-
seler 2015b; Seidel 2010).
49Forschungsstand
Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Mehrbedarf an Betreuung in der stationären Versorgung von Men-
schen mit Behinderungen im DRG-System der Krankenhausleistungen unzureichend abgebildet ist, wor-
aus spezische institutionelle Diskriminierungsrisiken resultieren. Neben den unzureichenden pegeri-
schen Leistungen verweisen verweigerte beziehungsweise an Bedingungen geknüpfte stationäre
Aufnahmen und frühzeitige Entlassungen auf eine Rationierung von Krankenhausleistungen für Men-
schen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen (Seidel 2009).
Diskriminierungsrisiken im Zusammenhang mit COVID-19
Menschen mit Behinderungen können spezischen Herausforderungen im Zusammenhang mit der
COVID-19-Pandemie gegenüberstehen, die eine diskriminierungsfreie Teilhabe im Gesundheitswesen
erschweren können. Das Deutsche Institut für Menschenrechte (2020) identizierte vier zentrale Bereiche:
Neben einem Mangel an barrierefreien gesundheitsrelevanten Informationen zu tagesaktuellen Entwick-
lungen der Pandemie und Maßnahmen beziehungsweise Hilfsangeboten im Falle einer Ansteckung be-
stehen für Menschen mit Behinderungen besondere Risiken im gleichberechtigten Zugang zur Gesund-
heitsversorgung. So müssen auch während der Pandemie Gesundheitsdienste, auf die Menschen mit
Behinderungen angewiesen sind, zur Verfügung stehen und im Krankheitsfall (unabhängig von COVID-19)
ein barrierefreier Zugang zur stationären Versorgung gewährleistet werden. Die vorhergehenden Ausfüh-
rungen zeigten jedoch, dass Menschen mit Behinderungen bereits vor der COVID-19-Pandemie von spezi-
schen Barrieren bei der Aufnahme im Krankenhaus betroffen waren. Zudem muss das „Recht auf Unter-
stützung und Assistenz“ während der Coronapandemie und der gleichberechtigte „Zugang zu
lebensrettenden Maßnahmen, auch wenn die verfügbaren Ressourcen dafür zunehmend knapper wer-
den“, sichergestellt sein (Deutsches Institut für Menschenrechte 2020, Seite9).
Laufende Forschungsprojekte
Mit der derzeit im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales laufenden Repräsentativbefra-
gung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung (2017–2021) wird untersucht, „inwiefern sich Beeinträch-
tigung und Behinderung auf Möglichkeiten der Teilhabe in verschiedenen Lebensbereichen auswirkt“25.
Die in den standardisierten Erhebungen gewonnenen Erkenntnisse werden mittels qualitativer Methoden
(biograsch-narrative Interviews, problemzentrierte Interviews sowie Fokusgruppendiskussionen) ver-
tieft. Anhand barrierefreier und bedarfsgerechter Erhebungsmethoden werden unter anderem Aspekte
zur Gesundheit und Gesundheitsversorgung, einschließlich möglicher Versorgungslücken, erfasst.
Im Rahmen des Kooperationsprojektes Positive Stimmen 2.026 der Deutschen Aidshilfe und des Instituts
für Demokratie und Zivilgesellschaft werden Stigmatisierungs- und Diskriminierungserfahrungen von
HIV-positiven Menschen mit dem „People-Living-With-HIV-Stigma-Index“ zum zweiten Mal erhoben
(Zeitraum 2020–2021). Neben Peer-to-Peer-Interviews und Fokusgruppendiskussionen wird eine Online-
Umfrage durchgeführt. Basierend auf den Erkenntnissen der ersten Umfrage zu den Diskriminierungs-
erfahrungen von Menschen mit HIV im Jahr 2012 können somit mögliche Veränderungen der letzten zehn
Jahre skizziert werden.
Fazit
Die vorliegenden Studien verweisen sowohl auf einen ungleichen Zugang zu Leistungen des Gesundheits-
systems von Menschen mit Behinderungen als auch auf spezische Diskriminierungsrisiken bei der Inan-
spruchnahme der ambulanten sowie stationären Gesundheitsversorgung. Neben strukturell bedingten
Benachteiligungen infolge der mangelnden (räumlichen) Barrierefreiheit – den sogenannten „Umwelt-
25 https://www.gemeinsam-einfach-machen.de/GEM/DE/AS/Leuchttuerme/Projekte/2017/Repraesentativbefragung/Repraesentativ-
befragung_node.html (letzter Zugriff am 11.03.2021)
26 https://hiv-diskriminierung.de/positive-stimmen (letzter Zugriff am 11.03.2021)
50 Forschungsstand
barrieren“ (Scheer et al. 2003) – im Zugang zu niedergelassenen Ärzt*innenpraxen zeigen sich Diskriminie-
rungsrisiken hinsichtlich der Bereitschaft, Menschen mit Behinderungen in der ambulanten sowie statio-
nären Gesundheitsversorgung aufzunehmen beziehungsweise zu behandeln. Darüber hinaus erschweren
standardisierte Verfahren und Abläufe in Krankenhäusern die Berücksichtigung der spezischen Bedarfe
von Menschen mit Behinderungen. Diskriminierende Kommunikation sowie das mangelnde ächende-
ckende Angebot an medizinischen Leistungsanbietenden mit Erfahrungen im Umgang mit Menschen mit
Behinderungen und dem entsprechenden Fachwissen beeinträchtigen die Möglichkeit einer chancenglei-
chen Gesundheitsversorgung. Die Vorenthaltung von diagnostischen Untersuchungen und medizinischen
sowie therapeutischen Behandlungen verweist ebenfalls auf Diskriminierungsrisiken von Menschen mit
Behinderungen und Beeinträchtigungen im Gesundheitssystem. Zusammenfassend kann anhand des
Überblicks zum Forschungsstand festgehalten werden, dass für Menschen mit Behinderungen weder ein
chancengleicher Zugang zu Leistungen des Gesundheitssystems gewährleistet noch eine diskriminie-
rungsfreie Diagnosestellung und Behandlung gegeben ist.
Aus den Expert*inneninterviews geht ebenfalls hervor, dass es an systematischem Wissen über die ge-
sundheitliche Versorgung von Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen mangelt und es
grundsätzlicher Forschung „zur Erreichbarkeit, Nutzbarkeit, Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit“ bedarf
(Zitat Expert*inneninterview). So fehlen empirisch fundierte Erkenntnisse über das Ausmaß und die Aus-
wirkungen der mangelnden Barrierefreiheit auf die Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheits-
systems von Menschen mit Behinderungen. Dabei gilt es – über die „Umweltbarrieren“ hinaus – die Barrie-
ren seitens der Leistungsanbietenden gegenüber Menschen mit Behinderungen stärker zu forcieren.
Weiterhin sollte die Frage verfolgt werden, inwiefern Unterschiede im diagnostischen Verfahren und bei
der Behandlung zwischen Menschen mit und Menschen ohne Behinderung auf Diskriminierung zurück-
zuführen sind und in welchem Ausmaß Menschen mit Behinderungen dadurch der Unter-, Über- oder
Fehlversorgung ausgesetzt sind. Neben dem grundlegenden Forschungsbedarf zu den Diskriminierungs-
risiken im Zugang und der Inanspruchnahme der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Be-
hinderungen, zeigten sich Forschungslücken zu intersektionalen Fragestellungen. Zwar liegen einzelne
Arbeiten für die Merkmale Alter und Behinderung (Kaul et al. 2017) oder Geschlecht und Behinderung vor
(Schildberger et al. 2018), allerdings bedarf es hierzu weiter gehender Forschung. Zudem mangelt es vor
allem an Studien, die die gesundheitliche Versorgungssituation von Geüchteten mit geistigen und mehr-
fachen Behinderungen adressieren.
3.1.5 Alter
Dass Menschen aufgrund ihres Lebensalters auch im Gesundheitswesen benachteiligt werden, zeigen Da-
ten des Deutschen Alterssurveys27 aus dem Jahr 2014: Während 2,0 Prozent der 40- bis 54-Jährigen in den
letzten zwölf Monaten aufgrund ihres Alters in der medizinischen Versorgung benachteiligt wurden, be-
richteten 7,2 Prozent der 70- bis 85-jährigen Befragten von erfahrener Altersdiskriminierung (Beyer et al.
2017, Seite338). Demzufolge scheint ein zunehmendes Lebensalter mit einem höheren Diskriminierungs-
risiko in der Gesundheitsversorgung einherzugehen. Eine Studie aus Polen, die explizit Altersdiskriminie-
rung in Einrichtungen des Gesundheitswesens untersuchte, kommt zu noch drastischeren Ergebnissen:
Insgesamt 30 Prozent der über 65-jährigen Befragten berichteten von erfahrener Diskriminierung auf-
grund des Alters. Eine differenzierte Betrachtung zeigt, dass die Altersdiskriminierung in 53,1 Prozent der
27 Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) ist eine bundesweite repräsentative Quer- und Längsschnittbefragung zur Lebenssituation von
Personen in der zweiten Lebenshälfte (ab 40 Jahren) in Deutschland. Für nähere Informationen zum Studiendesign siehe unter
anderem Klaus und Engstler 2017.
51Forschungsstand
Fälle von Ärzt*innen, in 18,8 Prozent vom pegenden Personal und in 9,4 Prozent der Fälle von jüngeren
Patient*innen ausging (Dobrowolska et al. 2019, Seite9).
Insbesondere internationale Studien und Übersichtsarbeiten belegen verschiedene Formen von Altersdis-
kriminierung im Gesundheitswesen. So konstatieren beispielsweise Wyman et al. (2018): „Ageist stereoty-
pes, prejudice, and discrimination are potential barriers for health equality, in terms of the quantity and
quality of care provided to older patients and their health-related outcomes“28 (Wyman et al. 2018, Sei-
te194). Inwiefern sich Diskriminierungsrisiken aufgrund des Alters in der gesundheitlichen Versorgung in
Deutschland äußern, wird nachfolgend skizziert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Diskriminierungsrisiken
aufgrund eines höheren Lebensalters. Für Kinder und Jugendliche bestehen vor allem Diskriminierungs-
risiken infolge des zunehmenden Rückgangs der ächendeckenden Versorgung von Kinderkrankenhäu-
sern sowie Kinderabteilungen, woraus Zugangsbarrieren hinsichtlich der Erreichbarkeit der gesundheit-
lichen Versorgung resultieren (Deutscher Ethikrat 2016).
Diskriminierungsrisiken aufgrund negativer Altersstereotype
Ein wesentliches Diskriminierungsrisiko von älteren Menschen stellen negative Altersbilder dar, die zu
systematischen Stereotypisierungen führen und sowohl den Zugang zu medizinischen Leistungen als
auch die Qualität der Gesundheitsversorgung beeinussen können (Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend 2010; Mennig et al. 2020). Dass negative Einstellungen gegenüber älteren
Patient*innen unter dem medizinischen Personal verbreitet sind, zeigt unter anderem ein internationales
Literaturreview (Wyman et al. 2018). Eine in den USA durchgeführte Studie belegt beispielsweise, dass
angehende Mediziner*innen die Behandlung von älteren Patient*innen als weniger interessant bewerten,
die Interaktion als eher frustrierend wahrnehmen und bei älteren Patient*innen häuger von einer kogni-
tiven Beeinträchtigung ausgehen (Higashi et al. 2012). Darüber hinaus bestätigt eine Vignettenstudie unter
angehenden Psychotherapeut*innen in Deutschland (n=114), dass das Lebensalter einen wesentlichen
Einuss auf die therapeutische Einstellung gegenüber männlichen Patienten ausübt: „Participants showed
less favorable attitudes towards the patient in the ‚very-old patient condition‘ relative to the patient in the
‚middle-aged patient condition‘, as indicated by more negative affect, less conviction in the treatability of
the patient, a poorer prognosis, less interest in treatment provision as well as less subjective treatment
competence“29 (Kessler und Blachetta 2020, Seite193). Eine weitere Vignettenstudie unter angehenden
Psychotherapeut*innen in Deutschland (n=97) ndet zwar keine Hinweise auf negative Einstellungen ge-
genüber älteren Patientinnen im Vergleich zu jüngeren, belegt jedoch ebenfalls den Einuss des Lebens-
alters auf den therapeutischen Ansatz. So wird älteren Patientinnen unter anderem eher eine Kurz- als eine
Langzeittherapie empfohlen. Zudem werden klärende Techniken, die experimentelle Methoden zur Akti-
vierung unangenehmer Emotionen und zur Neubewertung dysfunktionaler Einschätzungen beinhalten
(zum Beispiel eine Analyse kritischer Lebensereignisse) für ältere Patientinnen als weniger geeignet an-
gesehen. Diese Vermeidungsstrategie kann jedoch die Wirksamkeit der Psychotherapie möglicherweise
verringern (Kessler und Schneider 2019).
28 Deutsche Übersetzung: Stereotype, Vorurteile und Diskriminierung gegenüber älteren Menschen sind potenzielle Barrieren der
gesundheitlichen Gleichstellung bezüglich der Quantität und Qualität der Versorgung von älteren Patient*innen und ihrer gesund-
heitsbezogenen Ergebnisse.
29 Deutsche Übersetzung: Die Teilnehmenden zeigten gegenüber Patienten in der höheren Altersgruppe weniger positive Einstellungen
im Vergleich zu Patienten in der mittleren Altersgruppe. Dies äußerte sich in stärkeren negativen Affekten, in einer geringeren
Einschätzung der Behandelbarkeit des Patienten, einer schlechteren Prognose, einem geringeren Interesse an der Behandlung sowie
einer geringeren subjektiven Behandlungskompetenz.
52 Forschungsstand
Dass sich negative Altersbilder auf die Anamnese auswirken können und damit einhergehend eine „nicht
optimale diagnostische Versorgung oder nicht optimale Therapie angeboten wird“, geht auch aus den
Expert*inneninterviews hervor. In diesem Zusammenhang wird geschildert, dass bei älteren Patient*in-
nen seltener nach den Lebensumständen beziehungsweise dem soziokulturellen Kontext gefragt wird.
Dieser Aspekt zeigt sich auch in einer experimentell angelegten Studie unter niedergelassenen Allge-
meinmediziner*innen und hausärztlich tätigen Internist*innen hinsichtlich der Diagnose einer depres-
siven Erkrankung. So stellten Ärzt*innen den älteren Patient*innen signikant seltener Fragen zu ihrem
sozialen Umfeld als jüngeren Patient*innen (Knesebeck et al. 2010).
Inwieweit dezitorientierte Altersbilder in der stationären und ambulanten Gesundheitsversorgung verbrei-
tet sind und die adäquate Behandlung älterer Menschen möglicherweise beeinussen, stellt eine wesent-
liche Forschungslücke dar.
Ein weiteres Diskriminierungsrisiko aufgrund eines höheren Lebensalters besteht darin, dass Krankheits-
symptome auf den biologischen Alternsprozess statt auf behandlungsbedürftige Erkrankungen zurück-
geführt werden. Dadurch bleibt eine fundierte Diagnostik und damit eine adäquate Behandlung aus (Klein
und Stahlmann 2019; Mennig et al. 2020; Voss und Rothermund 2019; Mayer und Rothermund 2009).
Diskriminierende Kommunikation
Eine weitere Form der Diskriminierung im Zusammenhang mit spezischen Altersbildern zeigt sich bei
der Kommunikation: So weisen insbesondere internationale Studien darauf hin, dass Ärzt*innen gegen-
über älteren Patient*innen zum sogenannten „Elderspeak“ – lautere, langsamere und bevormundende
Sprechweise – neigen (Schroyen et al. 2018). Daneben belegt eine qualitative Studie aus Israel, dass das
medizinische Personal ältere Patient*innen bei der Kommunikation nicht berücksichtigt und sich nur an
jüngere Familienmitglieder wendet („Absent-present“-Umgang) oder Entscheidungen ohne Rücksprache
mit den Patient*innen trifft (Ben-Harush et al. 2017). Das „Elderspeak“ und der „Absent-present“-Umgang
(Ben-Harush et al. 2017) mit älteren Patient*innen wurden auch in den Expert*inneninterviews geschil-
dert und in Beziehung zu den Einstellungen des medizinischen Personals gegenüber Menschen im höhe-
ren Lebensalter gesetzt: „Und da nden Sie solche Beispiele wie Elderspeak (…) oder [dass] gar nicht mit den
älteren Patient*innen selber [gesprochen wird], sondern mit den jüngeren Angehörigen, weil man irgend-
wie per se davon ausgeht, dass diese ältere Person das nicht mehr versteht, dass es besser ist, mit der Toch-
ter zu sprechen“ (Zitat Expert*inneninterview). Diese diskriminierende Kommunikation führe nicht nur
dazu, dass Patient*innen uninformiert bleiben, sondern beeinusse auch deren Symptombeschreibung,
wodurch das Ziel einer adäquaten Versorgung beeinträchtigt wird.
Inwiefern eine diskriminierende Kommunikation des medizinischen Personals mit älteren Patient*innen die
gesundheitliche Versorgung beeinusst, bedarf jedoch der weiteren Erforschung.
Diskriminierungsrisiken aufgrund von Altersrationierung
Ein weiteres Diskriminierungsrisiko im Zusammenhang mit dezitorientierten Altersbildern stellt die
„Nichtgewährung von Versorgungsleistungen“ dar, „etwa in dem Sinne, dass eine kostenintensive Behand-
lung eines alten Menschen nicht geboten sei, weil diese im Alter keine positiven Effekte habe“ (Bundes-
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2016, Seite 148). So legen einzelne Studien den
Schluss nahe, dass ältere Menschen von Rationierungstendenzen in der Gesundheitsversorgung in Form
der Vorenthaltung medizinischer Leistungen oder Behandlungen betroffen sind (Esslinger et al. 2007; Klein
und Stahlmann 2019; Nowakowski 2009; Walter und Krugmann 2013). Eine Auswertung von Krankenkas-
sendaten zur stationären Versorgung zeigte in diesem Zusammenhang, dass ältere Patient*innen – insbe-
sondere ältere Frauen – eine kostengünstigere Behandlung erhalten als jüngere Patient*innen bei gleicher
Erkrankung (Brockmann 2002). In einer Befragung von Mitgliedseinrichtungen der Bundesarbeitsgemein-
schaft Klinisch-Geriatrischer Einrichtungen (n=138) gaben mehr als die Hälfte (52,2 Prozent) der Teilneh-
53Forschungsstand
menden an, dass jüngere Patient*innen in vergleichbaren Situationen mehr Leistungen erhalten als ältere
Patient*innen. Der Aussage „In der Behandlung alter Menschen existiert ein höheres Einsparpotenzial als
bei jüngeren Menschen“ stimmten fast ein Viertel (23,2 Prozent) der Befragten zu (Esslinger et al. 2008,
Seite279 f.). Dabei wurde unter anderem als Begründung genannt, dass „die Nähe zum Tod das Sparen
rechtfertige“ (Esslinger et al. 2008, Seite279). Darüber hinaus berichteten ältere Patientinnen in einer Stu-
die zur Versorgungssituation in einer gynäkologischen Klinik in Berlin von spezischen Diskriminierungs-
erfahrungen bei der Entscheidung über therapeutische Maßnahmen aufgrund ihres Alters beziehungs-
weise ihrer Reproduktionsfähigkeit (Borde 2002). Als „klassisches Beispiel“ bezüglich der Vorenthaltung
medizinischer Leistungen wurde in den Expert*inneninterviews auf Brustamputationen statt rekonstruk-
tiver Operationen bei älteren Frauen verwiesen.
Insbesondere bei psychischen Erkrankungen liegen für ältere Patient*innen zudem nicht nur vergleichs-
weise niedrige Diagnoseraten und Überweisungsquoten an entsprechende Fachärzt*innenpraxen vor,
sondern auch Hinweise auf eine therapeutische Unterversorgung (Winter et al. 2006; Saß et al. 2009). Zu-
dem zeigten Knesebeck et al. (2010) anhand eines experimentellen Studiendesigns, dass jüngere Patient*in-
nen häuger eine Überweisung zu Psychiater*innen erhielten und seltener angewiesen wurden, Antide-
pressiva zu nehmen als ältere Patient*innen (Knesebeck et al. 2010).
Neben Unterschieden in der Diagnostik und der Behandlungsform nach dem Lebensalter haben ältere
Menschen einen erschwerten Zugang zu (geriatrischen) Rehabilitationseinrichtungen, unter anderem auf-
grund der restriktiven Genehmigungspraxis der Kostenträger und der insgesamt dezitären Versorgungs-
struktur mit geriatrischen Rehabilitationseinrichtungen in Deutschland (Walter und Krugmann 2013;
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2016). Die bereits genannte Studie von Ess-
linger et al. (2008) belegt die restriktive Genehmigung von Leistungen für ältere Patient*innen durch Kos-
tenträger. So gaben 61,1 Prozent der befragten Mitgliedseinrichtungen der Bundesarbeitsgemeinschaft
Klinisch-Geriatrischer Einrichtungen an, dass oft eine längere Behandlungs- beziehungsweise Rehabilita-
tionszeit notwendig wäre, „die aber vom Kostenträger nicht bewilligt beziehungsweise nanziert wird“
(Esslinger et al. 2008, Seite280).
In Fachgesprächen zur Diskriminierung, Vernachlässigung und Gewalt gegenüber älteren Menschen, die
vom Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) veranstaltetet wurden, berichteten Expert*innen aus
Wissenschaft und Praxis ebenfalls sowohl von verweigerten Operationen aufgrund des Lebensalters als
auch vom Ausschluss älterer Menschen von Rehabilitationsleistungen aufgrund eines dezitären Alters-
bildes. In diesem Kontext wurde explizit auf den Mangel an validen Daten und den daraus resultierenden
Forschungsbedarf hingewiesen (Deutsches Institut für Menschenrechte 2017).
Demzufolge mangelt es an belastbaren Erkenntnissen über das Ausmaß der Vorenthaltung medizinischer
Leistungen aufgrund eines höheren Lebensalters und deren Auswirkungen auf die Qualität der gesundheit-
lichen Versorgung von älteren Patient*innen.
Institutionelle und strukturelle Diskriminierungsrisiken aufgrund des höheren
Lebensalters
Die unzureichende Diagnostik und Behandlung von älteren Menschen ist nicht nur auf spezische Alters-
bilder, sondern auch auf Dezite im geriatrischen Fachwissen zurückzuführen. Diese Dezite resultieren
aus der ungenügenden Berücksichtigung geriatriespezischer Themen in der medizinischen Ausbildung
und dem insgesamt mangelnden Interesse von angehenden Mediziner*innen, sich mit der geriatrischen
Versorgung auseinanderzusetzen oder sich darauf zu spezialisieren (Klein und Stahlmann 2019; Mayer
und Rothermund 2009; Naegele 2009). Die unzureichende Verbreitung geriatrischen Fachwissens und die
damit einhergehende Fehlversorgung belegt eine Befragung von Mitgliedseinrichtungen der Bundesar-
beitsgemeinschaft Klinisch-Geriatrischer Einrichtungen (n=138). 46 Prozent der befragten Kliniken gaben
54 Forschungsstand
an, dass ihre Patient*innen bei der Vorbehandlung (ambulant/stationär) nicht mit allem medizinisch Not-
wendigen versorgt wurden. Die Autor*innen führen das Ergebnis darauf zurück, dass außerhalb geriatri-
scher Einrichtungen ein dezitäres Fachwissen bestehe, welches sich in einer ungenügenden Berücksich-
tigung von Behandlungsbedarfen älterer Menschen niederschlägt (Esslinger et al. 2008, Seite280).
In den Expert*inneninterviews wurde die mangelnde geriatrische Versorgung als Form der Altersdis-
kriminierung auf struktureller Ebene ebenfalls thematisiert. „Im Ergebnis [der geringen Anteile geriatri-
scher Themen in der medizinischen Ausbildung] haben wir dann (…) nicht nur grundsätzlich viel zu
wenig Angebot, gerade auch auf den ländlichen Raum bezogen, von Expert*innen von altersbedingten
Erkrankungen. Sondern halt auch einfach wenig junge Ärzt*innen, die sich sozusagen in dieses Thema (…)
hineinbegeben und sozusagen dann auch eine adäquate Versorgung garantieren können“ (Zitat
Expert*inneninterview).
Insgesamt begründe das mangelnde geriatrische Fachwissen und die unzureichende Sensibilität im Um-
gang mit älteren Patient*innen eine „sowohl professionelle als auch systembedingte Vernachlässigung be-
ziehungsweise Behinderung unterstützender präventiver, verhaltensbezogener wie auch rehabilitativer
Ansätze“ (Walter und Krugmann 2013, Seite278).
Des Weiteren sind es insbesondere auch institutionelle Rahmenbedingungen, die zu einer Ungleichbe-
handlung älterer Menschen in der Gesundheitsversorgung führen können, wie der zunehmende Zeit- und
Efzienzdruck des medizinischen Personals: „Erst in einer Situation, in der begrenzte Ressourcen [Zeit,
Zuwendung, teure Behandlungsmethoden] zu verteilen sind (…), und in denen etwa durch äußeren Druck
oder durch bestehende strukturelle Bedingungen Engpässe in der Versorgung entstehen (…), wirken sich
Altersbilder und altersbezogene Vorurteile auf das Verhalten aus“ (Voss und Rothermund 2019, Seite527).
In Fokusgruppendiskussionen mit medizinischem und pegendem Personal in Israel wurde deutlich, dass
strukturelle Bedingungen, wie Zeitmangel, ursächlich für die unangemessene Pege von älteren Pati-
ent*innen sind (Ben-Harush et al. 2017). Basierend auf einer internationalen Übersichtsarbeit zur Alters-
diskriminierung im Gesundheitswesen schlussfolgern Kydd und Fleming in diesem Zusammenhang:
„Thus people, usually those with complex needs, who require longer periods of recuperation and rehabili-
tation following an episode of ill health, are troublesome to staff working in a system geared up for early
discharges“30 (Kydd und Fleming 2015, Seite432).
Allerdings liegen für Deutschland bislang keine empirisch fundierten Studien vor, die sich explizit mit
den Formen und Auswirkungen institutioneller Diskriminierung aufgrund eines höheren Lebensalters
auseinandersetzen.
Diskriminierungsrisiken aufgrund eines höheren Lebensalters resultieren auf struktureller Ebene auch
daraus, dass es an klinischen Studien mangelt, die die Wirksamkeit von Medikamenten und Behandlungs-
methoden bei älteren Menschen untersuchen (Brockmann 2002; Voss und Rothermund 2019; Wyman et
al. 2018). In den Expert*inneninterviews wird ebenfalls die notwendige Einbeziehung älterer Menschen in
„Studien zu experimentellen, neuen Behandlungswegen“ empfohlen (Zitat Expert*inneninterview).
30 Deutsche Übersetzung: In einem auf frühzeitige Entlassungen ausgerichtetem System sind Menschen mit komplexen Bedürfnissen,
die nach einer Krankheit längere Erholungs- und Rehabilitationszeit benötigen, für das Personal störend.
55Forschungsstand
Unterschiede in der Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems
Während mit zunehmendem Alter die Inanspruchnahme von allgemeinärztlichen Leistungen steigt, sinkt
die Teilnahme an präventiven Angeboten, wie der Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennungsuntersu-
chungen (Saß et al. 2009) sowie von zahnmedizinischen und gynäkologischen Leistungen (Krause et al.
2020a; Rattay et al. 2013). Bislang liegen jedoch keine fundierten Studien zu den Gründen für die geringere
Teilnahme an Präventionsleistungen unter älteren Menschen vor.
Der Zusammenhang zwischen sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit (Lampert et al. 2016) setzt sich
zudem auch im höheren Lebensalter fort. Auswertungen des Survey of Health, Ageing and Retirement in
Europe (SHARE)31 belegen, dass ältere Menschen mit einem hohen sozialen Status eher an Vorsorgeunter-
suchungen (Mammograe, Darmspiegelung, Augenuntersuchung) teilnehmen als Gleichaltrige mit einem
niedrigem sozialen Status (Knesebeck und Mielck 2009).
Allgemein wird auf Dezite hinsichtlich der bedarfsgerechten gesundheitlichen Versorgung von älteren
Menschen in Deutschland hingewiesen (Kuhlmey 2011; Naegele 2009). Die in den Expert*inneninterviews
thematisierte „Unterversorgung für geriatrische Krankheitsbilder, Krankheitsverläufe“ im ländlichen
Raum verweist auf strukturelle Lücken in der gesundheitlichen Versorgung von älteren Menschen. Insbe-
sondere in ländlichen Regionen wird der Zugang zu medizinischen Leistungen – neben der unzureichen-
den Anzahl an geriatrisch geschulten Ärzt*innen – durch geograsche Barrieren und eine mangelnde
Infra struktur von öffentlichen Verkehrsmitteln erschwert (Wyman et al. 2018). Im Zuge des demogra-
schen Wandels wird jedoch der Bedarf an geriatrischer Versorgung weiter steigen, wobei insbesondere
„hinsichtlich der gerontopsychiatrischen Versorgungsstrukturen im ambulanten wie im stationären Be-
reich von einer beträchtlichen Unter- und Fehlversorgung auszugehen“ ist (Bundesministerium für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend 2016, Seite155).
Diskriminierungsrisiken im Zusammenhang mit COVID-19
Ältere Menschen werden im medialen und gesellschaftlichen Diskurs im Zusammenhang mit COVID-19 –
trotz der Heterogenität dieser Bevölkerungsgruppe hinsichtlich des Gesundheitszustandes – als Risiko-
gruppe dargestellt: „with the pandemic there has been a parallel outbreak of ageism“32 (Ayalon et al. 2020,
Seite1). So weisen mehrere aktuelle Publikationen darauf hin, dass diese pauschalisierende Zuschreibung
eines dezitären Altersbildes zu einer zunehmenden Diskriminierung älterer Menschen (Kessler und Gel-
lert 2020; Kricheldorff 2020; Spuling et al. 2020) im Sinne eines Covid ageism (Kessler und Bowen 2020)
führen könne. Insbesondere mit Blick auf die medizinische Versorgung wächst die Sorge vor einer Triage,
die allein das chronologische Alter als Kriterium zugrunde legt, als eine spezische Form der Altersdiskri-
minierung im Gesundheitssystem (Ayalon et al. 2020; Kessler und Bowen 2020; Spuling et al. 2020). Im
Rahmen des derzeit laufenden interdisziplinären Forschungsprojekts IM/AGE-19 – WIE SCHÜTZEN WIR
DIE SCHWACHEN? – Altersbilder in deutschen Medien während der COVID-19-Pandemie (Projektleitung:
Prof. Dr. Eva-Marie Kessler, Medical School Berlin)33 wird analysiert, wie sich mediale Altersdiskurse seit
der COVID-19-Pandemie entwickelt haben.
Darüber hinaus wird befürchtet, dass ältere Menschen bei chronischen oder fortgeschrittenen Erkrankun-
gen keine erforderliche adäquate Behandlung während der Coronapandemie erhalten könnten aufgrund
der personellen Auslastung des medizinischen Personals (Kessler et al. 2020; Kricheldorff 2020).
31 Der Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE) ist eine repräsentative Befragung der Bevölkerung ab 50 Jahren, der in
regelmäßigen Abständen in verschiedenen europäischen Ländern und Israel durchgeführt wird. Für nähere Informationen siehe
unter anderem Börsch-Supan et al. 2013.
32 Deutsche Übersetzung: Mit der Pandemie gab es einen parallelen Ausbruch von Altersdiskriminierung.
33 https://www.image-19.de/ (letzter Zugriff am 11.03.2021)
56 Forschungsstand
Fazit
Diskriminierungsrisiken im Gesundheitssystem aufgrund eines höheren Lebensalters können mehrere
Erscheinungsformen aufweisen. So legen die Ausführungen den Schluss nahe, dass – entsprechend dem
mehrdimensionalen Konzept Ageism (Marques et al. 2020) – Vorurteile beziehungsweise negative Alters-
bilder, diskriminierendes Verhalten seitens des medizinischen Personals und institutionelle Praktiken be-
ziehungsweise Abläufe zu einer ungleichen Behandlung von älteren Menschen führen. Dezitorientierte
Altersbilder und mangelndes geriatrisches Fachwissen beeinussen nicht nur die Diagnose, sondern auch
den Zugang zu medizinischen und therapeutischen Behandlungsformen.
Die Ausführungen haben jedoch auch gezeigt, dass es an aktuellen und nach Versorgungsbereichen diffe-
renzierten (ambulante versus stationäre Gesundheitsversorgung, Rehabilitation) Studien hinsichtlich der
systematischen Erfassung von Ungleichbehandlung aufgrund eines höheren Lebensalters und der Er-
scheinungsformen mangelt. Neben dem grundlegenden Forschungsbedarf zum Ausmaß und zu den For-
men von Altersdiskriminierung wurden im Rahmen der Expert*inneninterviews weitere spezische For-
schungslücken benannt. So ist für Deutschland bislang nicht systematisch untersucht worden, worauf das
mangelnde Interesse von jungen Ärzt*innen gegenüber älteren Patient*innen zurückzuführen ist (negati-
ve Altersbilder, geringeres Genesungspotenzial älterer Menschen). Zudem gibt es keine Studien darüber, ob
Unterschiede im Umgang mit älteren Patient*innen zwischen dem medizinischen und pegenden Perso-
nal bestehen und, falls ja, worin diese begründet liegen. Abschließend mangelt es bislang an Erkenntnissen
über mögliche Diskriminierungserfahrungen im Entlassungsmanagement nach dem Krankenhaus- und
Rehabilitationsaufenthalt aufgrund eines höheren Lebensalters.
3.1.6 Sexuelle Identität
Diskriminierungserfahrungen anhand der sexuellen Identität beeinussen die Inanspruchnahme und
Qualität der Gesundheitsversorgung. So berichten lesbische und bisexuelle Personen in einer Befragung
nicht nur von herablassendem Verhalten, sondern auch von Verweigerungen medizinischer Behandlun-
gen. Zudem gaben jeweils drei Prozent „eine Verschlechterung der medizinischen Behandlung oder physi-
sche Aggressionen in Form unnötig grober oder schmerzhafter Behandlung an, zum Beispiel bei gynäko-
logischen Untersuchungen“ (Dennert und Wolf 2009, Seite 51). Diese Diskriminierungserfahrungen
können sowohl zur einer verringerten Inanspruchnahme konventioneller Leistungen der Gesundheits-
versorgung als auch zum Verschweigen der sexuellen Identität bei Gesundheitsdiensten führen (Dennert
und Wolf 2009). In diesem Zusammenhang wurde in den Expert*inneninterviews berichtet, dass sich die
Offenlegung der sexuellen Identität nachteilig auf die Interaktion zwischen Ärzt*innen und Patient*innen
auswirken kann und zum Beispiel mit dem Abbruch von Krebsbehandlungen bei lesbischen Frauen
einhergeht.
Institutionelle Diskriminierung
Weitere Diskriminierungsrisiken aufgrund der sexuellen Identität stellen die Verweigerung künstlicher
Befruchtungen bei lesbischen Paaren sowie der Ausschluss von homosexuellen Männern von der Blut-
spende dar (Kalkum und Otto 2017, Seite59–61). Die Orientierung an zweigeschlechtlichen und heterose-
xuellen Normen in der Gesundheitsversorgung ist demzufolge vornehmlich ursächlich für spezische Be-
nachteiligungen aufgrund der geschlechtlichen sowie sexuellen Identität (Pöge et al. 2020).
57Forschungsstand
Mit einer Kinderwunschbehandlung können sich Personen, die schwanger werden können, einen Kinder-
wunsch erfüllen, jedoch steht dieser Weg lesbischen Paaren nur unter erschwerten Bedingungen offen.
Auch wenn die Bundesärztekammer dies seit der Veröffentlichung der neuen „Richtlinie zur Entnahme
und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion“ [99 66] im Jahr
2018 nicht mehr untersagt, sind Reproduktionsärzt*innen häug nicht zu einer Kinderwunschbehand-
lung bei lesbischen Paaren bereit, weil sie rechtliche Folgen befürchten (Lesben- und Schwulenverband in
Deutschland [LSVD] e. V. 2021). Daher besteht insofern Regelungsbedarf, als dass die Gesetzgebungsorgane
durch Bundesgesetz festlegen sollten, dass assistierte Reproduktion allen Menschen unabhängig von ihrer
sexuellen beziehungsweise geschlechtlichen Identität offensteht.
Forschungsbedarf besteht bezüglich der Rechtsstellung von lesbischen Paaren im Vergleich mit heterosexu-
ellen und schwulen Paaren sowie Trans*- und Inter*Personen mit Kinderwunsch.
Männer, die mit Männern Sex haben, werden als Risikogruppe für bestimmte Infektionskrankheiten für
zwölf Monate von der Blutspende zurückgestellt (Bundesärztekammer 2017). Nach der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs sind befristete Rückstellungen von Gruppen mit einem erhöhten HIV-In-
fektionsrisiko zulässig. Dieser Ausschluss sexuell aktiver schwuler und bisexueller Männer von der Blut-
spende wird jedoch häug als ungerechtfertigt und diskriminierend empfunden (Kalkum und Otto 2017,
Seite59; Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) e. V. o. J.), da er pauschal und ungeachtet
des tatsächlichen Sexualverhaltens vorgenommen wird.
Seit 2020 hat die Debatte um das Blutspendeverbot für Männer, die mit Männern Sex haben, in Deutsch-
land erneut an Aktualität gewonnen, da das Mitte Mai 2020 beschlossene Zweite Bevölkerungsschutzge-
setz auch eine entsprechende Änderung des Transfusionsgesetzes enthält. Darin heißt es, dass die Rück-
stellung ganzer Gruppen von Menschen regelmäßig darauin überprüft werden müsse, ob die
wissenschaftlichen Erkenntnisse noch aktuell seien oder ob es nach dem Stand der Erkenntnisse der me-
dizinischen Wissenschaft und Technik gleich geeignete, weniger belastende Verfahren gibt, um ein hohes
Gesundheitsschutzniveau von Empfänger*innen von Blutspenden sicherzustellen. Die korrekte Erfassung
so sensibler Informationen stellt zwar eine Herausforderung dar, jedoch wird die Zulassung zur Blutspen-
de in manchen anderen Ländern stärker auf Basis individuellen Verhaltens entschieden (Sturrock und
Mucklow 2018).
Weitere Diskriminierungsformen
Aus den Expert*inneninterviews ergaben sich zusätzlich Hinweise auf spezische Diskriminierungsfor-
men, denen lesbische und bisexuelle Frauen ausgesetzt sind. Teilweise würde Partnerinnen von Frauen
während der Geburt ihres Kindes der Zugang zum Kreißsaal verwehrt oder Eingriffe mit zu wenig Schmerz-
mitteln vorgenommen. Außerdem fehlten häug Wissen beim Gesundheitspersonal beziehungsweise
Fortbildungsangebote zu sexueller Übertragung von Erkrankungen unter Frauen.
Fazit
Während einige spezische Formen der Benachteiligung wie das Blutspendeverbot in der Forschung ver-
gleichsweise gut dokumentiert sind, bleiben andere Aspekte bisher unbeleuchtet, wie etwa die Berichte
von als unnötig grob oder schmerzhaft wahrgenommenen Behandlungen nach der Offenbarung der se-
xuellen Identität. Hier werden Studien benötigt, die solche Erlebnisse systematisch erfassen und auch in
der Lage sind, Aussagen über die Häugkeit solcher Erfahrungen zu machen. Besonders wichtig sind hier
Behandlungsverhältnisse, in denen die sexuelle Identität für die Behandlung relevant ist und daher von
Seiten der Patient*innen offengelegt werden muss. Darüber hinaus bedarf es insbesondere intersektiona-
ler Ansätze, um unterschiedliche Erfahrungen verschiedener Gruppen aufzudecken, beispielsweise von
Lesben und Schwulen.
58 Forschungsstand
3.1.7 Sozioökonomischer Status
Forschung zu Diskriminierung im Gesundheitsbereich auf Basis des sozioökonomischen Status gibt es bis-
her kaum; Ungleichheiten im gesundheitlichen Zustand sind jedoch gut dokumentiert. Personen mit
niedrigem sozioökonomischem Status, also niedrigem Einkommen, Bildungsniveau und Berufsprestige,
haben eine geringere Lebenserwartung, erleben häuger körperliche und psychische Krankheiten und Be-
schwerden und schätzen ihre Gesundheit schlechter ein als Personen mit höherem sozioökonomischem
Status (Lampert et al. 2016). Daraus ergeben sich sowohl deutliche Unterschiede nach sozioökonomischem
Status in der Lebenserwartung als auch in der Anzahl der in guter Gesundheit gelebten Jahre (gesunde
Lebenserwartung). Gesundheitliche Unterschiede nach sozioökonomischem Status zeigen sich bereits bei
Kindern. Erklärungsfaktoren hierfür umfassen unterschiedliche Lebensstile, unterschiedliches Wissen um
gesundheitsrelevante Verhaltensweisen und Handlungsstrategien bei Belastungen, Arbeits- und Wohn-
bedingungen sowie mangelnde Ressourcen (nanzielle, zeitliche et cetera) durch ökonomische Ungleich-
heit. Vorsorgeangebote werden von Menschen mit niedrigerem sozioökonomischem Status seltener wahr-
genommen (Klein et al. 2014; Robert Koch-Institut 2015). In den Expert*inneninterviews wird zudem
hervorgehoben, dass die Unterschiede in der Inanspruchnahme nach dem jeweiligen Versorgungsbereich
variieren. Menschen mit niedrigerem sozioökonomischen Status nehmen seltener Leistungen von Fach-
ärzt*innen und häuger Leistungen von Allgemeinärzt*innen in Anspruch als Personen mit höherem so-
zioökonomischen Status.
Diese Ergebnisse zeigen, dass Gesundheit und Mortalität vom sozioökonomischen Status einer Person ab-
hängig sind. Inwieweit dies auf Diskriminierung anhand des sozioökonomischen Status zurückzuführen
ist, wurde in Deutschland bisher nicht erforscht. Hinweise darauf ergeben sich jedoch aus Studien in ande-
ren Ländern. So zeigte eine experimentelle Studie aus Kanada (Olah et al. 2013), dass ein*e Anrufer*in mit
hohem sozioökonomischen Status eher einen Termin angeboten bekam als jemand mit niedrigem sozio-
ökonomischen Status. Eine Studie aus den USA ergab, dass der sozioökonomische Status die Patient*in-
nenwahrnehmung beeinusst (van Ryn und Burke 2000). Einer Metastudie zufolge wirkt dieser sich auch
auf die Kommunikation der Ärzt*innen mit den Patient*innen aus, sodass Patient*innen mit einem gerin-
geren sozioökonomischen Status weniger aktiv kommunizieren und von Ärzt*innen weniger Informatio-
nen erhalten (Willems et al. 2005). Darüber hinaus wurden für Personen mit niedrigerem sozioökonomi-
schem Status längere Wartezeiten festgestellt in Krankenhäusern in Australien (Johar et al. 2013), aber
nicht in Norwegen (Kaarboe und Carlsen 2014).
Studien aus Deutschland belegen, dass sowohl Personen mit niedrigerem sozioökonomischem Status als
auch gesetzlich Versicherte sowohl längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen als auch auf Behandlun-
gen verzichten, wenn Zuzahlungen erforderlich sind (Klein und Knesebeck 2016; Schneider und Schneider
2012; Schwierz et al. 2011). Darüber hinaus wird das Ärzt*innen-Patient*innen-Verhältnis von gesetzlich
Versicherten schlechter bewertet als von privat versicherten Personen (Klein und Knesebeck 2016). In den
Expert*inneninterviews zeigte sich, dass auch Personen mit niedrigerem sozioökonomischem Status die
Interaktion mit Ärzt*innen negativer bewerten.
Das am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) angesiedelte Forschungsprojekt Soziale und ethnische Un-
gleichheiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung: ein Feldexperiment34 untersucht mit einem experi-
mentellen Ansatz Unterschiede bei der Behandlung nach sozioökonomischem Status, Versicherungsstatus
und Migrationshintergrund.
34 https://www.wzb.eu/de/forschung/dynamiken-sozialer-ungleichheiten/gesundheit-und-soziale-ungleichheit/projekte/social-and-
ethnic-inequalities-in-health-care-access-a-eld-experiment (letzter Zugriff am 07.04.2021)
59Forschungsstand
Insgesamt ergibt sich ein umfassender Forschungsbedarf zu Diskriminierung im Gesundheitsbereich an-
hand des sozioökonomischen Status. In Deutschland gibt es zwar Hinweise auf eine unterschiedliche In-
anspruchnahme von Gesundheitsleistungen durch Personen mit unterschiedlichem sozioökonomischem
Status, jedoch gibt es kaum Forschung dazu, inwieweit diese mit interpersonaler und insbesondere institu-
tioneller Diskriminierung im Zusammenhang stehen. Hier fehlen Analysen institutioneller Praktiken oder
ähnliche, die in der Benachteiligung von Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status resultieren
könnten. Da der sozioökonomische Status nicht vom AGG erfasst wird, ergibt sich in diesem Bereich ge-
setzlicher Regelungsbedarf.
3.1.8 Gewicht
Studien zeigen, dass dicke Menschen in Deutschland häug mit negativen Zuschreibungen seitens des
ärztlichen und pegenden Personals konfrontiert sind, die in einer schlechteren Versorgung resultieren
können; mit mangelnder Barrierefreiheit in der Ausstattung von Praxen; sowie dem Zurückführen jegli-
cher Beschwerden auf das Gewicht, ohne weitere Untersuchungen durchzuführen, sodass Personen keine
Diagnose und somit keine angemessene Behandlung erhalten (Beigang et al. 2017, Seite235; Jung et al.
2016; Sikorski et al. 2013). Die internationale Forschung belegt, dass ungleiche Behandlung und erfahrene
Stigmatisierung im Zusammenhang mit dem Körpergewicht dazu führen können, dass Vorsorgeuntersu-
chungen nicht oder verspätet in Anspruch genommen werden (Phelan et al. 2015; Puhl und Heuer 2009).
Die Forschungslage zu Gewichtsdiskriminierung im Gesundheitswesen in Deutschland ist damit sehr
dürftig. Unklar bleibt insbesondere, über welche Mechanismen sich negative Zuschreibungen des Personals
im Gesundheitswesen auswirken und welche Folgen diese konkret haben. Auch zum Ausmaß und zu den
konkreten Formen von Diskriminierung ist nur wenig bekannt.
Infolge der Coronapandemie sind dicke Menschen in einen besonderen Fokus geraten. Menschen mit ho-
hem Gewicht sorgen sich darum, dass sie im Falle einer Triage und bei der medizinischen Versorgung auf-
grund ihres hohen Gewichts schlechter berücksichtigt würden (#NoBodyIsDisposable 2020). Diskriminie-
rung anhand des Gewichts ist noch nicht von den Merkmalen des AGG umfasst. Im Bereich von
Diskriminierung aufgrund des Körpergewichts besteht Forschungs- und Regelungsbedarf in Deutschland
und Europa.
3.2 Das Gesundheitswesen als Arbeitgeber
Das Verbot der Diskriminierung im Gesundheitswesen gilt nicht nur für die Patient*innen. Auch für Be-
schäftigte im Gesundheitssektor gilt ein Diskriminierungsverbot. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
hierfür ergeben sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Verbindung mit dem AGG, das für jede*n Arbeit-
geber*in unabhängig von der Betriebsgröße gilt. Arbeitgeber*innen müssen die erforderlichen Maßnah-
men zum Schutz vor Benachteiligung aus rassistischen Gründen, aus Gründen der ethnischen Herkunft,
des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, der Behinderung, des Alters und der sexuellen Identi-
tät treffen.
60 Forschungsstand
3.2.1 Ethnische Herkunft
Personen mit Migrationshintergrund machen einen wichtigen Anteil der Beschäftigten im Gesundheits-
wesen in Deutschland aus (Khalil et al. 2020). Dabei erfahren sie auch Diskriminierung, sowohl beim
Arbeitsmarktzugang als auch im Beruf. Dies betrifft etwa die Verfahren zur Anerkennung ausländischer
Abschlüsse, die langwierig und oft erfolglos sind, als intransparent und willkürlich wahrgenommen wer-
den und bei denen es teilweise zu Diskriminierungserfahrungen in der Interaktion mit Behörden kommt
(Loss et al. 2017; Loss et al. 2020; Mihali et al. 2012; Müller und Ayan 2019; Peppler 2016; prognos 2015).
Weiterhin berichten insbesondere muslimische Frauen mit Kopftuch von Diskriminierung bei der Arbeits-
platzsuche (Loss et al. 2020).
In den Expert*inneninterviews wird außerdem das „Öffnen und Schließen von Türen mit rechtlichen
Rahmenbedingungen in diesem Beruf [Ärzt*innen], der ja staatlich extrem stark reguliert ist“, benannt. So
würden bei einem Mangel an Ärzt*innen die gesetzlichen Regelungen für ausländisches Gesundheitsper-
sonal gelockert; „in dem Moment, wo wieder genügend einheimische Ärzt*innen auf den Arbeitsmarkt
kommen“, würden Exklusionsmechanismen in Kraft treten, in dem „die Türen wieder geschlossen werden.
(…) Also diese gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den Ärzt*innen im Moment ihren Zugang erleichtern
(…) können jederzeit wieder nachgeregelt werden und das ist eine maßgebliche Form von Diskriminie-
rung“ (Zitat Expert*inneninterviews). Zudem wird darauf hingewiesen, dass es bei Ärzt*innen in Abhän-
gigkeit ihrer Herkunft zu spezischen Verteilungsmechanismen kommt: „Dass also Ärzt*innen türkischer
Herkunft eher dort Chancen haben, eine Anstellung zu nden, wo mehr Patient*innen türkischer Her-
kunft behandelt werden. Also sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich (…) also das bedeutet
auch, dass zum Beispiel Ärzt*innen, die aus Ländern kommen, wo nicht so viele Patient*innen herkom-
men. Die bekommen dann eher die marginalisierten Arbeitsplätze. Also wenn die nicht aufgrund ihrer
Herkunft gebraucht werden, weil die Patient*innen die gleiche Herkunft haben, dann landen die sehr häu-
g auf dem Land. Oder in Arbeitsbereichen, die nicht so attraktiv sind für Deutsche oder nichtmigrierte
Mediziner*innen“ (Zitat Expert*inneninterviews).
Am Arbeitsplatz berichten zugewanderte Ärzt*innen von Diskriminierung durch Kolleg*innen und Pati-
ent*innen, etwa in Form beleidigender Witze (Hohmann et al. 2018; Klingler und Marckmann 2016). Auch
das Personal der ambulanten Pege ist bei der Arbeit Diskriminierung anhand der Herkunft ausgesetzt;
Mitarbeiterinnen berichteten außerdem von sexueller Belästigung durch Patient*innen (Schilgen et al.
2019).
In den Expert*inneninterviews wird in diesem Zusammenhang geschildert, dass zugewanderte Ärzt*in-
nen seltener offene Beleidigungen im Alltag erleben, sondern vor allem von anderen unbeabsichtigte
negative Erfahrungen machen. So werden zugewanderte Ärzt*innen häug nicht aufgrund ihres medizi-
nischen Fachwissens von Kolleg*innen konsultiert, sondern aufgrund ihrer Sprachkenntnisse. Das Redu-
zieren auf die Herkunft führt zu Kränkungserfahrungen und dem Gefühl, hinsichtlich der beruichen
Expertise nicht anerkannt zu werden, sodass „diese Ärzt*innen sich dann nicht mehr als Ärzte
oder Ärztinnen wertgeschätzt, sondern nur noch als Türk*innen wahrgenommen fühlen“ (Zitat
Expert*inneninterviews).
Zwei aktuelle Projekte beschäftigen sich mit der beruichen Integration nach Deutschland migrierten Ge-
sundheitspersonals: das STIR-Projekt35 der Alice-Salomon-Hochschule Berlin zur Entwicklung und Eva-
luation von Maßnahmen der strukturierten Transition und Integration migrierter Ärzt*innen in deutsche
35 https://www.ash-berlin.eu/forschung/forschungsprojekte-a-z/stir/ (letzter Zugriff am 07.04.2021)
61Forschungsstand
Rehakliniken sowie das IntIP-Projekt36 der Hochschule Fulda zur Integration internationaler Pegekräfte
in regionale Einrichtungen der Kranken- und Altenpege, in dem Integrationskonzepte entwickelt, um-
gesetzt und evaluiert werden.
3.2.2 Geschlecht und Geschlechtsidentität
Trotz des hohen Anteils von Frauen unter den Medizinstudierenden (über die letzten zehn Jahre lag der
Anteil der Frauen im Studienfach Allgemeinmedizin bei rund 60 Prozent [Statistisches Bundesamt 2020b])
stehen Frauen in Gesundheitsberufen weiterhin schlechter da als Männer. Sie sind in höheren Positionen
immer noch unterrepräsentiert, in Pegeberufen haben sie ein geringeres Einkommen als Männer, und
Ärztinnen mit Kindern verdienen weniger als Ärzte mit Kindern (Bispinck et al. 2013; Hofmeister et al.
2010; Lüftner und Freund 2014). Als mögliche Ursachen hierfür werden in der Literatur vor allem männ-
lich dominierte Hierarchien und Gender-Stereotypen sowie Schwierigkeiten mit der Vereinbarkeit von
Familie und Beruf diskutiert (Beschoner et al. 2016; Sosa y Fink 2019).
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Tatsächlich nden sich bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beachtenswerte Unterschiede.
Eine Studie zur Situation von Ärzt*innen in der Hämatologie und Onkologie ergab, dass 74 Prozent der
Ärztinnen, aber nur fünf Prozent der Ärzte ihre Berufstätigkeit wegen Kindern unterbrochen hatten.
80Prozent der Ärzte berichteten, dass ihr*e Partner*in die Berufstätigkeit wegen Kindern unterbrochen
hat, dies war aber nur bei fünf Prozent der Ärztinnen der Fall (Lüftner und Freund 2014). In einer anderen
Studie gaben 74 Prozent der Ärztinnen und neun Prozent der Ärzte an, für die Kinderbetreuung ihre Wei-
terbildung unterbrochen zu haben (Gensch 2010).
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird in vielen Publikationen als weibliches Problem verhandelt,
auch weil Ärzt*innen dies teilweise selbst so beschreiben (Reimann und Alfermann 2014; Reimann et al.
2017; Rothe et al. 2016). Auch kann bei Ärztinnen eine höhere psychische Belastung im Zusammenhang
mit der Kindererziehung nachgewiesen werden (Richter et al. 2014). Während vordergründig ein gleich-
berechtigtes Beziehungsmodell vertreten wird, wird die Kinderbetreuung jedoch sowohl von Ärztinnen als
auch Ärzten als Aufgabe der Frau beschrieben, die sie selbst mit ihrer Berufstätigkeit in Einklang bringen
muss. Möglichkeiten einer gleichberechtigteren Aufgabenteilung werden generell begrüßt, jedoch sind
diese aus unterschiedlichen Gründen in der eigenen Beziehung nicht umsetzbar. Die Autor*innen inter-
pretieren dies als rationalisierende Rechtfertigung für die Divergenz zwischen dem Selbstbild als moderne,
selbstbestimmte Frau und der faktischen Rollenverteilung innerhalb der eigenen Beziehung (Rothe et al.
2016). Einen ähnlichen Prozess beschreiben Rothe et al. (2013), die die Diskussion um die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf für verkürzt halten und aufzeigen, dass der scheinbar freiwillige Verzicht von Ärztinnen
auf eine Karriere zugunsten der Familie teilweise aus nachträglich umgedeuteten Diskriminierungserfah-
rungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft resultiert. Solche Diskriminierungs-
erfahrungen können sich auf vielerlei Art äußern: Fragen im Vorstellungsgespräch dazu, wer denn die
Kinderbetreuung übernehmen würde, keine Verlängerung der Verträge schwangerer Ärztinnen, als Mutter
nur Verträge mit kurzer Laufzeit angeboten zu bekommen oder von Aufgaben ausgeschlossen zu werden,
die essenziell für die Qualizierung der Ärztinnen sind (Engelmann et al. 2015; Reimann und Alfermann
2018).
36 https://www.hs-fulda.de/forschen/wissens-und-technologietransfer/rigl-fulda/intip/ (letzter Zugriff am 07.04.2021)
62 Forschungsstand
Sexuelle Belästigung und Mobbing
Weitere Probleme in Gesundheitsberufen sind sexuelle Belästigung und Mobbing. Laut den wenigen vor-
liegenden Studien wird beides häuger von Frauen erfahren, ist aber sowohl für Frauen als auch für Män-
ner relevant (Drygalla 2010; Esslinger und Schilk 2014; Prügl 2019). In beiden Studien zu sexueller Belästi-
gung wird explizit auch deren Einsatz als strategisches Instrument zur Machtausübung hervorgehoben.
Beide Studien konzentrieren sich außerdem auf Ärzt*innen, sodass gerade im Pegebereich wissenschaft-
lich gestützte Erkenntnisse zu sexueller Belästigung fehlen, auch wenn gerade hier Übergriffe sowohl von
Vorgesetzten und Kollegen als auch von Patient*innen dokumentiert sind (Smith 2019).
Studien zur Diskriminierung von Trans*- oder Inter*Personen, die im Gesundheitswesen in Deutschland
beschäftigt sind, fehlen bisher.
3.2.3 Weitere Merkmale
Religion und sexuelle Identität
Die Kirchen genießen in Deutschland ein in Artikel 9 des AGG festgeschriebenes Diskriminierungsprivileg
(Lewicki 2020, Seite219), welches ihnen gestattet, Personen anhand ihrer Religionszugehörigkeit oder se-
xuellen Identität zu benachteiligen. Dies ist besonders problematisch, da es sich bei den Kirchen nach dem
öffentlichen Dienst um den zweitgrößten Arbeitgeber in Deutschland handelt. Das kirchliche Arbeitsrecht
gilt für ca. 1,3 Millionen Mitarbeitende. Davon sind 375.000 in Krankenhäusern beschäftigt, hinzu kom-
men 32.000 Auszubildende (Christliche Krankenhäuser in Deutschland 2021). Benachteiligung ndet ins-
besondere statt, wenn Personen wegen ihrer Konfessionsfreiheit oder nichtchristlichen Religionszugehö-
rigkeit oder ihrer offen homosexuellen Lebensweise nicht eingestellt werden oder ihnen gekündigt wird.
Auch wenn diese Regeln in den Einrichtungen unterschiedlich gehandhabt werden, führt die bevorzugte
Einstellung sowie die Reservierung von Führungspositionen für Personen mit christlicher Religionszuge-
hörigkeit dazu, dass Personen anderer Weltanschauungen in prekäre Beschäftigungsformen gedrängt wer-
den (Lewicki 2021, 2017). Als Reaktion auf dieses Risiko verheimlichen manche ihre sexuelle Identität am
Arbeitsplatz, was mit Belastungen einhergeht, die auch gesundheitliche Auswirkungen haben können
(Frohn 2007, Seite38).
Hintergrundinformation: Kirchliches Diskriminierungsprivileg
In einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im September 2018 (Az: C-68/17) stellte das Gericht fest,
dass kirchliche Anforderungen im Sinne der kirchlichen Loyalitätserwartungen eine Ungleichbehandlung
zwischen Beschäftigten nur dann rechtfertigten, wenn diese im konkreten Fall eine beruiche Anforderung
darstellen, die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche oder Organisation wesentlich, rechtmä-
ßig und gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Dieser Einschätzung
schloss sich auch das Bundesarbeitsgericht an und sah die Kündigung eines geschiedenen Chefarztes als
unwirksam an. Dies wurde insbesondere damit begründet, dass das Sakrament der Ehe für die Tätigkeit als
Chefärzt*in keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte beruiche Anforderung darstelle.
Dies ist für den Diskriminierungsschutz von Arbeitnehmer*innen in Einrichtungen in kirchlicher Träger-
schaft positiv zu bewerten, da kirchliche Vorgaben nun am Maßstab der „wesentlichen, rechtmäßigen und
gerechtfertigten beruichen Anforderung“ geprüft werden.
Zudem wird in den Expert*inneninterviews geschildert, dass medizinisches oder pegendes Personal mit
einem Kopftuch sowohl von Patient*innen als auch von Arbeitgeber*innen Diskriminierungsrisiken aus-
gesetzt ist.
63Forschungsstand
Alter
Zum Merkmal Alter zeigen Galatsch et al. (2012) in einer altersdifferenzierten Längsschnittbetrachtung des
allgemeinen Gesundheitszustands des Pegepersonals, dass ältere Pegekräfte einen schlechteren Ge-
sundheitszustand aufweisen als jüngere. Die Autor*innen schlussfolgern, dass Maßnahmen mit dem Ziel,
den allgemeinen Gesundheitszustand des gesamten Pegepersonals möglichst lange auf hohem Niveau zu
halten, altersdifferenziert implementiert werden sollten, was im untersuchten Zeitraum noch unzurei-
chend erfolgt ist. Im Rahmen einer Repräsentativbefragung deutscher Allgemeinkrankenhäuser über
alter(n)sgerechte Arbeitsweisen im Pegebereich zeigen auch Löffert und Golisch (2013), dass in den Kran-
kenhäusern dem Alter entsprechende Maßnahmen insbesondere für ältere Beschäftigte bislang wenig
etabliert sind. Dies umfasst Personalentwicklungsmaßnahmen speziell für Beschäftigte über 40 Jahre, die
regelmäßige Überprüfung auf Überlastungsgefährdungen für ältere Mitarbeitende sowie die Möglichkeit
eines Wechsels an einen anderen Arbeitsplatz zur Vermeidung von Überlastung. Ein Ausstieg aus der
Schichtarbeit oder eine längere beruiche Pause (Sabbatical) älterer Beschäftigter werden von Arbeitge-
ber*innen kaum unterstützt.
Behinderung
Zum Thema Behinderung liegen ausschließlich ausländische Studien vor. US-amerikanische Studien
(Meeks et al. 2018; Neal-Boylan und Miller 2017, 2020) zeigen auf, dass notwendige Maßnahmen zur Bar-
rierefreiheit für angehendes Pegepersonal oft nicht vorgenommen und die Möglichkeiten von unterstüt-
zender Technik nicht ausgeschöpft werden. Zudem wird von Ablehnung seitens der Ausbilder*innen oder
Arbeitgeber*innen berichtet. Ähnliche Studien fehlen in Deutschland bisher, sodass unklar ist, mit wel-
chen Barrieren Ausbildung und Karriere von ärztlichem und pegendem Personal mit einer Behinderung
in Deutschland einhergehen.
Sozioökonomischer Status
Ungleichheiten unter Beschäftigten im Gesundheitsbereich auf Basis ihres sozioökonomischen Status
wurden in einer Studie zu Personal- und Stellenabbau in den Jahren 1996–2006 im Rahmen der Ökonomi-
sierung von Krankenhäusern untersucht (Simon 2014). Dabei wurde aufgezeigt, dass der Stellenabbau vor
allem in unteren Einkommens- und Statusgruppen und damit in hohem Maße sozial ungleich verteilt er-
folgte. Der auf den Krankenhäusern lastende wirtschaftliche Druck führte häug zu einem Stellenabbau
insbesondere im Pegedienst, aber auch zu einer internen Umverteilung von Ressourcen zugunsten des
ärztlichen Dienstes. Dies sei auf den ungleich verteilten Zugang zu Machtressourcen und Managementent-
scheidungen zurückzuführen, die es Personen mit höherem Status ermöglichen, die eigene Position aus-
bauen und die Umverteilung zum eigenen Vorteil zu nutzen.
Gewicht
Zu Benachteiligungen von Beschäftigten im Gesundheitsbereich anhand des Körpergewichts liegen bisher
keinerlei Studien vor.
3.2.4 Fazit: Diskriminierung im Gesundheitswesen als Arbeitgeber
Die Anhaltspunkte für verschiedene Diskriminierungsrisiken für Beschäftigte im Gesundheitsbereich sind
im Wesentlichen nicht spezisch für den Gesundheitsbereich. Vielmehr sind Arbeitnehmer*innen Diskri-
minierung auf dieselbe oder ähnliche Weise auch in anderen Bereichen ausgesetzt. Als besondere Diskri-
minierungsrisiken des Gesundheitssystems können das kirchliche Diskriminierungsprivileg sowie der
enge Kontakt mit Patient*innen und damit einhergehend das Risiko, auch von dieser Seite Diskriminie-
rung zu erleben, insbesondere in Form von sexueller Belästigung, betrachtet werden.
64 Forschungsstand
Weitere Forschung wäre insbesondere in Bezug auf mögliche weitere für den Gesundheitsbereich relativ
spezische Diskriminierungsrisiken sinnvoll. Hier wäre beispielsweise von Interesse, ob es bei der Aner-
kennung von Abschlüssen oder beim Zugang zu Fortbildungen zu Diskriminierung kommt. Auch die Aus-
wirkungen der Ökonomisierung von Krankenhäusern auf unterschiedliche Beschäftigtengruppen könn-
ten hier relevant sein.
In Bezug auf Trans*- und Inter*Personen, die Merkmale Alter und Behinderung sowie nicht im AGG ge-
schützte Merkmale liegen bisher wenig bis keine Erkenntnisse zur Diskriminierung von Beschäftigten vor.
3.3 Zusammenfassung
Mit der vorliegenden Expertise wurde ein Überblick zum derzeitigen Forschungsstand zu den Diskrimi-
nierungsrisiken im Gesundheitswesen sowohl für Patient*innen als auch für Beschäftigte des Gesund-
heitssystems gegeben. Anhand der Bestandsaufnahme zur sozial- und rechtswissenschaftlichen Literatur
sind zudem Forschungslücken identiziert worden. Dabei wurden nicht nur die im AGG genannten Merk-
male (ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identi-
tät) einbezogen, sondern auch weitere relevante Merkmale betrachtet, wie das Körpergewicht oder der
sozioökonomische Status. Ergänzend zur Literaturübersicht sind Expert*inneninterviews durchgeführt
worden, um den bisherigen Wissensstand einzuordnen und weiteren Forschungsbedarf aufzudecken.
Der Zugang zu Leistungen des Gesundheitssystems stellt ein Menschenrecht dar. Allerdings zeigte sich,
dass Diskriminierungsrisiken sowohl im Zugang als auch in der Inanspruchnahme (Diagnosestellung, Be-
handlung, Rehabilitation) der gesundheitlichen Versorgung für alle betrachteten Merkmale bestehen. Ne-
ben Vorurteilen und negativen Zuschreibungen gibt die vorliegende Expertise Hinweise auf diskriminie-
rendes Verhalten seitens des medizinischen Personals und institutionelle Praktiken beziehungsweise
Abläufe, die zu einer ungleichen Behandlung von Patient*innengruppen führen. Gleichzeitig wurde je-
doch auch deutlich, dass es insgesamt an fundierter Forschung zum Ausmaß, zu den Formen sowie den
Auswirkungen von Diskriminierung im Gesundheitswesen – differenziert nach den einzelnen Versor-
gungsbereichen (ambulante versus stationäre Gesundheitsversorgung, Rehabilitation) – mangelt.
Weitgehender Konsens besteht darin, dass die Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems
nach den einzelnen Versorgungsbereichen und den betrachteten Merkmalen variiert. Inwiefern die unter-
schiedliche Teilhabe auf mögliche Zugangsbarrieren zurückzuführen ist und diese zu einer ungleichen
Versorgung führen, bleibt dabei jedoch größtenteils offen. So wird in den vorliegenden Studien nur selten
empirisch die Frage verfolgt, welche Faktoren – unterschiedliche Bedarfe, Präferenzen für eine Versor-
gungsform (Allgemein- versus Fachärzt*innen), Grad der Informiertheit, Zugangsbarrieren, Angst vor Dis-
kriminierung – ursächlich für Variationen in der Inanspruchnahme sind. Dass für einzelne AGG-Merk-
male jedoch spezische Barrieren im Zugang zum Gesundheitssystem existieren, wurde im Rahmen der
Literaturanalyse und anhand der Expert*inneninterviews deutlich.
Diskriminierungsrisiken durch mangelnde Barrierefreiheit im Gesundheitssystem
Anhand des Literaturüberblicks wurde belegt, dass einzelne Gruppen von Patient*innen von spezischen
Barrieren im Zugang zur gesundheitlichen Versorgung betroffen sind, die eine gleichberechtigte Teilhabe
am Gesundheitssystem erschweren. So zeigen sich für Menschen mit Behinderungen nicht nur strukturell
bedingte Benachteiligungen infolge der mangelnden (räumlichen) Barrierefreiheit („Umweltbarrieren“),
sondern auch spezische Diskriminierungsrisiken hinsichtlich der Bereitschaft, Menschen mit Behinde-
rungen in der ambulanten sowie stationären Gesundheitsversorgung aufzunehmen beziehungsweise zu
65Forschungsstand
behandeln. Darüber hinaus stellen sowohl für Menschen mit Behinderungen als auch für Menschen mit
geringen deutschen Sprachkenntnissen Verständigungsschwierigkeiten eine wesentliche Barriere im Zu-
gang zur gesundheitlichen Versorgung und der Qualität der Behandlung dar. Allerdings mangelt es an
sozial- und gesundheitswissenschaftlichen Studien, die die strukturellen Benachteiligungs- und Ausgren-
zungsprozesse infolge der spezischen Barrieren näher analysieren. So wird beispielsweise nur selten die
Frage verfolgt, inwieweit sich Verständigungsschwierigkeiten auf die Diagnosestellung und Behandlungs-
qualität auswirken und möglicherweise zu einer Fehlversorgung führen.
Diskriminierungsrisiken in der Interaktion zwischen dem Gesundheitspersonal und
den Patient*innen
Diskriminierungsrisiken im Gesundheitssystem resultieren insbesondere aus der Kommunikations- und
Interaktionsebene: So wird merkmalsübergreifend geschildert, dass sich Patient*innen vom medizini-
schen Personal nicht ernst genommen oder nicht respektiert fühlen. Zudem wird insbesondere bei den
Merkmalen ethnische Herkunft und sexuelle Identität von verbalen Übergriffen und abwertenden Bemer-
kungen berichtet. Diskriminierende Kommunikation äußert sich jedoch auch in der Nichtberücksichti-
gung der Patient*innen und der reinen Ansprache der Begleitperson (vor allem bei älteren Patient*innen
und Menschen mit Behinderungen).
Die Kommunikationsebene wird dabei maßgeblich durch negative Zuschreibungen, Vorurteile und Stereo-
typisierungen gegenüber bestimmten Patient*innengruppen beeinusst, die sich auf die Behandlungsqua-
lität auswirken können. Im Hinblick auf Patient*innen mit einem höheren Lebensalter zeigte sich
beispielsweise, dass dezitäre Altersbilder zu systematischen Stereotypisierungen führen und sowohl
den Zugang zu medizinischen Leistungen als auch die Qualität der Gesundheitsversorgung beeinträchti-
gen können. So verweisen einzelne Studien auf Rationierungstendenzen in Form der Vorenthaltung
beziehungsweise Verweigerung medizinischer Leistungen aufgrund der sexuellen Identität oder eines
höheren Lebensalters. Insgesamt ist für die einzelnen im AGG genannten Merkmale jedoch bislang nicht
systematisch erforscht worden, inwiefern Vorurteile und stereotype Zuschreibungen beim Gesundheits-
personal der jeweiligen Versorgungsbereiche manifestiert sind und zu diskriminierenden Handlungen in
der gesundheitlichen Versorgung führen.
Diskriminierungsrisiken aufgrund mangelnden Fachwissens
Ein weiteres Diskriminierungsrisiko im Gesundheitssystem resultiert aus dem mangelnden Fachwissen
und der unzureichenden Sensibilisierung des medizinischen und pegenden Gesundheitspersonals für die
teilweise spezischen Bedürfnisse der Patient*innen. Der Literaturüberblick gibt diesbezüglich insbeson-
dere Hinweise für eine fehlende ächendeckende Verbreitung des geriatrischen Fachwissens und des me-
dizinischen Know-hows für behinderungsspezische Besonderheiten. Ferner zeigten sich Mängel
im Hinblick auf spezische Trans*- und Inter*-Gesundheitsthemen und die Verbreitung von Erkrankun-
gen, die außerhalb von Deutschland häug auftreten. Inwiefern das unzureichende Fachwissen über die
spezischen Besonderheiten einzelner Patient*innengruppen die Qualität der Gesundheitsversorgung
beeinträchtigt, bedarf jedoch der systematischen Erforschung.
Institutionelle Diskriminierungsrisiken
Darüber hinaus deuten die vorliegenden Studien auf institutionelle Diskriminierungsrisiken hin, die aus
den standardisierten Abläufen und Routinen der Einrichtungen beziehungsweise niedergelassenen Praxen
und dem damit verbundenen Zeit- und Efzienzdruck des medizinischen und pegenden Personals resul-
tieren. Mit der Einführung des leistungsorientierten, diagnosebezogenen Vergütungssystems nach
Fallgruppen (Diagnosis Related Groups – DRG) in der stationären Gesundheitsversorgung „nimmt die
Orientierung an wirtschaftlichen Zielen weiter zu“, was sich „negativ auf die Patient*innenversorgung
und auf den Arbeitsalltag der Ärztinnen und Ärzte“ auswirkt (Flintrop 2006, SeiteA 3082). So führt die
66 Forschungsstand
Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung insbesondere zu Benachteiligungen bei Patient*innen mit
besonderen Bedarfen (Deutscher Ethikrat 2016).
Der Literaturüberblick zeigte, dass die institutionellen Rahmenbedingungen der stationären Versorgung
wie der zunehmende Zeit- und Efzienzdruck des Gesundheitspersonals – zu einer Ungleichbehandlung
von älteren Patient*innen führen kann. Zudem wurde belegt, dass die spezischen Bedarfe von Menschen
mit Behinderungen im DRG-System unzureichend abgebildet sind, woraus spezische Formen der Be-
nachteiligungen resultieren können. Institutionelle Diskriminierungsrisiken infolge der Ökonomisierung
des Gesundheitssystems entstehen jedoch auch für Patient*innen mit geringen deutschen Sprachkennt-
nissen aufgrund fehlender zeitlicher Ressourcen für eine angemessene Kommunikation im klinischen
Alltag. Weiterhin ist das Fallpauschalensystem ursächlich für die Ökonomisierung der Geburtshilfe, bei-
spielsweise in Form des deutlichen Anstiegs der Kaiserschnittrate.
Eine weitere Form der institutionellen Diskriminierung stellt die mangelnde diversitätsorientierte Aus-
richtung der Angebote des Gesundheitssystems dar, die strukturelle Ausgrenzungs- und Benachteiligungs-
prozesse begünstigen. Diskriminierungsrisiken im Zusammenhang mit Fragen der Kostenübernahme
durch Krankenkassen und deren Abrechnungspraxis waren nicht Gegenstand dieser Expertise; sind je-
doch ebenfalls von hoher Bedeutung. Zudem schränken rechtliche Regelungen wie das Asylbewer-
berleistungsgesetz – sowohl den Zugang zur gesundheitlichen Versorgung als auch den Umfang der
medizinischen Leistungen ein.
Für Deutschland liegen bislang keine empirisch fundierten Studien vor, die sich explizit mit den Formen
und Auswirkungen von institutioneller Diskriminierung auf die Qualität der gesundheitlichen Versor-
gung auseinandersetzen.
Überblick zu den identizierten Forschungslücken
Die skizzierten Diskriminierungsrisiken, die hier als Beispiele dienen und keinen Anspruch auf Vollstän-
digkeit erheben, können sowohl zu Unterschieden in der Diagnose als auch der Behandlung führen und
damit eine adäquate gesundheitliche Versorgung beeinträchtigen. Es mangelt jedoch insbesondere an
Studien, die mögliche Unterschiede in der Qualität der Gesundheitsversorgung nach den einzelnen Merk-
malen in den jeweiligen Versorgungsbereichen (ambulante sowie stationäre Gesundheitsversorgung, Re-
habilitation) systematisch untersuchen. Während eine Vielzahl an Studien eine unterschiedliche Inan-
spruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems aufzeigt, setzen sich bislang nur wenige explizit
mit Diskriminierung auseinander. Diese fokussieren größtenteils die Interaktionen zwischen Ärzt*innen
und Patient*innen aus Sicht der Betroffenen. Sozial- oder gesundheitswissenschaftlichen Studien, die
die Prozesse innerhalb der Institutionen näher untersuchen und in Bezug zu weiteren Teilsystemen
des Gesundheitswesens (rechtliche Rahmenbedingungen, Krankenkassen und so weiter) setzen, liegen bis-
lang kaum vor.
Während für einige der im AGG genannten Merkmale mögliche Erscheinungsformen von Diskriminie-
rung im Gesundheitswesen vereinzelt untersucht wurden, mangelt es insbesondere an Erkenntnissen
zu möglichen Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Identität und der
Religionszugehörigkeit.
Insgesamt lassen sich aus der Bestandsaufnahme der bisherigen Forschung und den Expert*inneninter-
views folgende merkmalsübergreifende Forschungsbedarfe zu den Diskriminierungsrisiken im Gesund-
heitswesen identizieren:
67Forschungsstand
Es bedarf einer theoriegeleiteten, konzeptionell fundierten Forschung zu Diskriminierung im Gesund-
heitswesen, die nicht nur Unterschiede zwischen Gruppen aufzeigt, sondern auch die zugrunde liegen-
den Mechanismen einer ungleichen Gesundheitsversorgung beleuchtet.
Es bedarf der systematischen Erforschung, inwiefern die skizzierten Unterschiede in der Inanspruch-
nahme der Gesundheitsversorgung auf Diskriminierungsrisiken in Form von Zugangsbarrieren zurück-
zuführen sind. Hierzu sind Studien erforderlich, die den unterschiedlichen Bedarf im Hinblick auf den
Gesundheitszustand berücksichtigen. In diesem Zusammenhang stellt sich zudem die Frage nach der
Gesundheitsrelevanz der Zugangsbarrieren zum Gesundheitssystem (wie der Einuss längerer Warte-
zeiten auf die Gesundheit).
Es bedarf der systematischen Erfassung der Formen und Auswirkungen von interpersonaler Diskrimi-
nierung auf den Zugang zur gesundheitlichen Versorgung, der Diagnose und Behandlung in den
einzelnen Versorgungsbereichen sowohl für Patient*innen als auch für Beschäftigte des Gesundheits-
systems. Zudem gilt es zu untersuchen, inwiefern Vorurteile und negative Zuschreibungen gegenüber
bestimmten Patient*innengruppen beim medizinischen und pegenden Personal manifestiert sind und
zu diskriminierenden Handlungen in der gesundheitlichen Versorgung führen.
Es bedarf der systematischen Erfassung von institutionellen Diskriminierungsrisiken in der stationären
Gesundheitsversorgung (insbesondere im Hinblick auf routinierte Abläufe, Alltagsnormen und Regelun-
gen). Hierbei gilt es auch die Wechselwirkungen/Zusammenhänge zwischen diesen Institutionen und
den rechtlichen Rahmenbedingungen zu untersuchen.
Es bedarf der systematischen Erfassung, inwiefern Diskriminierung die Qualität der Versorgung und
damit auch die Gesundheitsoutcomes beeinusst. Hierzu sind Längsschnittstudien erforderlich.
Es bedarf der verstärkten Berücksichtigung intersektionaler Diskriminierungsrisiken im Gesundheits-
wesen. So gibt es beispielsweise bislang keine Erkenntnisse zu den Diskriminierungserfahrungen im
Gesundheitswesen von LGBT mit Behinderung.
Es sind Subgruppenanalysen innerhalb der einzelnen im AGG genannten Merkmale erforderlich, die
eine differenzierte Betrachtung der Diskriminierungsrisiken und deren Einuss auf die gesundheitliche
Versorgungssituation ermöglichen.
Neben den im AGG genannten Merkmalen sowie dem Körpergewicht und sozioökonomischen Status
sind weitere Personengruppen (zum Beispiel wohnungslose Menschen) bei der Betrachtung von
Diskriminierungsrisiken im Gesundheitswesen zu berücksichtigen. Zudem stellt die Gesundheitskompe-
tenz (Health Literacy) ein zentrales Diskriminierungsrisiko im Zusammenhang mit dem Zugang zum
Gesundheitssystem dar, welches sich nicht nur auf die Systemkenntnis, sondern auch auf die Rechts-
kenntnis der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland bezieht.
Es bedarf der systematischen Erforschung von Diskriminierung mithilfe verschiedener methodischer
Zugänge, beispielsweise der direkten Beobachtung von Abläufen und anhand von experimentellen
Designs.
Weiterhin bestehen Forschungsbedarfe in der systematischen Untersuchung der Nutzungshäugkeit
und Effektivität der unterschiedlichen und vielfältigen Beschwerdesysteme für Patient*innen, die
Diskriminierungserfahrungen im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung erlebt haben.
68 Forschungsstand
69Danksagung
4. Danksagung
Wir danken ganz besonders den Interviewpartner*innen für ihre Expertise:
Prof. Dr. Gabriele Dennert Angewandte Sozialwissenschaften – Fachhochschule
Dortmund
Dr. Ernst Girth Menschenrechts- und Rassismusbeauftragter der Landesärzte-
kammer Hessen
Dr. Jens Klein Institut für Medizinische Soziologie – Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf (UKE)
Dr. Laura Naegele Institut für Gerontologie – Universität Vechta
Dr. Johannes Schenkel Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD)
Mirjam Schülle (M. Sc. Public Health) Institut für Sozialwesen – Universität Kassel
Dr. Lisa Peppler Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissen-
schaft der Charité Berlin
70 Literaturverzeichnis
5. Literaturverzeichnis
#NoBodyIsDisposable (2020): #NoBodyIsDisposable Campaign Against Discrimination in Triage. Online
verfügbar unter https://nobodyisdisposable.org/campaign/, zuletzt geprüft am 02.07.2021.
Adamietz, Laura; Bager, Katharina (2017): Gutachten: Regelungs- und Reformbedarf für transgeschlecht-
liche Menschen. Begleitmaterial zur Interministeriellen Arbeitsgruppe Inter- & Transsexualität. Hg. v. Bun-
desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Berlin. Online verfügbar unter https://www.
bmfsfj.de/blob/114064/460f9e28e5456f6cf2ebdb73a966f0c4/imag-band-7-regelungs--und-reform-
bedarf-fuer-transgeschlechtliche-menschen---band-7-data.pdf, zuletzt geprüft am 04.01.2021.
aerzteblatt.de (2018): Jede dritte Geburtsklinik musste Schwangere abweisen. Online verfügbar unter
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/88780/Jede-dritte-Geburtsklinik-musste-Schwangere-abweisen,
zuletzt geprüft am 15.02.2021.
Akarsu, Merve; Kratzer, Wolfgang; Geibel, Margrit-Ann; Usadel, S.; Ulmer, Albrecht; Härter, Georg; Grüner,
Beate (2016): Behandlungssituation HIV-positiver Patienten in Zahnarztpraxen. In: Das Deutsche Zahnärz-
teblatt 125 (1+2), Seite6–12.
Akbulut, N.; Zick, A.; Razum, O. (2020): Conceptualization of Othering in public health. In: European Journal
of Public Health 30 (5), ckaa165.1175.
Alabas, Oras A.; Gale, Chris P.; Hall, Marlous; Rutherford, Mark J.; Szummer, Karolina; Lawesson, Soa
Sederholm et al. (2017): Sex Differences in Treatments, Relative Survival, and Excess Mortality Following
Acute Myocardial Infarction: National Cohort Study Using the SWEDEHEART Registry. In: Journal of the
American Heart Association 6 (12), Seite1–12. DOI: 10.1161/JAHA.117.007123.
Albrecht, Martin; Loos, Stefan; der Heiden, Iris an; Temizdemir, Ender; Ochmann, Richard; Sander, Monika;
Bock, Hendrik (2019): Stationäre Hebammenversorgung. IGES Institut GmbH. Berlin. Online verfüg-
bar unter https://www.iges.com/sites/iges.de/myzms/content/e6/e1621/e10211/e24893/e24894/e24895/
e24897/attr_objs24976/IGES_stationaere_Hebammenversorgung_092019_ger.pdf, zuletzt geprüft am
15.02.2021.
Albrecht, Martin; Loos, Stefan; Sander, Monika; Schliwen, Anke; Wolfschütz, Alina (2012): Versorgungs-
und Vergütungssituation in der außerklinischen Hebammenhilfe. IGES Institut GmbH. Berlin. Online ver-
fügbar unter https://hebammenrecht.de/igesgutachten.pdf, zuletzt geprüft am 11.11.2020.
Amnesty International (2017): Zum Wohle des Kindes? Für die Rechte von Kindern mit Variationen der
Geschlechtsmerkmale in Dänemark und Deutschland. London. Online verfügbar unter https://www.
amnesty.org/download/Documents/EUR0160862017GERMAN.PDF, zuletzt geprüft am 07.12.2020.
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017a): Diskriminierung in Deutschland. Dritter gemeinsamer
Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen
Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages. Berlin.
71Literaturverzeichnis
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017b): „Handbuch Rechtlicher Diskriminierungsschutz“. Berlin.
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2018): Erhebung von subjektiven Diskriminierungserfahrungen.
Erste Ergebnisse von Testfragen in der SOEP Innovations-Stichprobe 2016. Berlin. Online verfügbar unter
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/erhe-
bung_von_subjektiven_diskr_erfahrungen_soep_innovations_stichprobe.pdf?__blob=publicationFi-
le&v=3, zuletzt geprüft am 05.07.2021.
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2020a): Diskriminierungserfahrungen im Zusammenhang mit der
Corona-Krise. Berlin. Online verfügbar unter https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/
downloads/DE/Dokumente_ohne_anzeige_in_Publikationen/20200504_Infopapier_zu_Coronakrise.
pdf?__blob=publicationFile&v=1, zuletzt geprüft am 05.07.2021.
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2020b): Ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auf medizini-
sche Behandlungsverträge anwendbar? Berlin (Standpunkte, 01–09/2020). Online verfügbar unter https://
www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Standpunkte/01_Be-
handlungsvertraege.pdf?__blob=publicationFile&v=4, zuletzt geprüft am 05.07.2021.
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2020c): Jahresbericht 2019. Online verfügbar unter https://www.
antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Jahresberichte/2019.pdf?__
blob=publicationFile&v=3, zuletzt geprüft am 05.07.2021.
Arabi, Ghazal; Reißmann, Daniel; Heydecke, Guido; Farhan, Daniel; Kofahl, Christopher (2013): Die Mund-
gesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland – eine kritische Betrachtung der
vorliegenden Studien. In: Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift (DZZ) 68, Seite280–287.
Aronson, Elliot; Wilson, Timothy D.; Akert, Robin M. (2008): Sozialpsychologie. 6. aktualisierte Auage
München, Boston [u. a.]: Pearson Studium (Psychologie). Online verfügbar unter http://deposit.d-nb.de/
cgi-bin/dokserv?id=3057665&prov=M&dok_var=1&dok_ext=htm, zuletzt geprüft am 02.07.2021.
Arslanian-Engoren, Cynthia (2001): Gender and age differences in nurses’ triage decisions using vignette
patients. In: Nursing Research 50 (1), Seite61–66. DOI: 10.1097/00006199-200101000-00009.
Ayalon, Liat; Chasteen, Alison; Diehl, Manfred; Levy, Becca; Neupert, Shevaun D.; Rothermund, Klaus et al.
(2020): Aging in Times of the COVID-19 Pandemic: Avoiding Ageism and Fostering Intergenerational Soli-
darity. In: The Journals of Gerontology Series B Psychological Sciences and Social Sciences 76 (7), Seite1–4.
DOI: 10.1093/geronb/gbaa051.
Babitsch, Birgit; Braun, Tanja; Borde, Theda; David, Matthias (2008): Doctor’s perception of doctor-patient
relationships in emergency departments: What roles do gender and ethnicity play? In: BMC Health Services
Research 8, Seite82. DOI: 10.1186/1472-6963-8-82.
Backström, Bo; Schulte Hemming, Andreas (o. J.): Gender Bias/Unconscious Bias in Einrichtungen der Ge-
sundheitswirtschaft. Erkennen und Vermeiden – ein Handbuch für Klinikleitungen. Online verfügbar
unter https://www.ampaq.de/html/img/pool/Handbuch_Klinikleiter.pdf, zuletzt geprüft am 12.10.2020.
Baier, Alicia (2019): Schwangerschaftsabbruch – das Tabu in der medizinischen Ausbildung. In: profamilia
magazin 2, Seite19–20.
72 Literaturverzeichnis
Batz, F.; Becker, J.; Alba-Alejandre, I.; Thaler, C. J.; Rogenhofer, N. (2020): Mangelnde gynäkologische Ver-
sorgung nach geschlechtsangleichender Therapien bei Transidentität. In: Kongressabstracts zur Tagung
2020 der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Kongressabstracts zur Tagung
2020 der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). München, 10/7/2020–
10/10/2020: © 2020. Thieme. All rights reserved (Geburtshilfe und Frauenheilkunde).
Bauhoff, Sebastian; Göpffarth, Dirk (2018): Asylum-seekers in Germany differ from regularly insured in
their morbidity, utilizations and costs of care. In: PloS one 13 (5), 1-11. DOI: 10.1371/journal.pone.0197881.
Baumann, Anne-Luise; Egenberger, Vera; Supik, Linda (2018): Erhebung von Antidiskriminierungsdaten in
repräsentativen Wiederholungsbefragungen. Bestandsaufnahme und Entwicklungsmöglichkeiten. Hg. v.
Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Berlin.
Beigang, Steffen; Fetz, Karolina; Kalkum, Dorina; Otto, Magdalena (2017): Diskriminierungserfahrungen in
Deutschland. Ergebnisse einer Repräsentativ- und einer Betroffenenbefragung. Baden-Baden: Nomos.
Ben-Harush, Aya; Shiovitz-Ezra, Sharon; Doron, Israel; Alon, Sara; Leibovitz, Arthur; Golander, Hava et al.
(2017): Ageism among physicians, nurses, and social workers: ndings from a qualitative study. In: Euro-
pean journal of ageing 14 (1), Seite39–48. DOI: 10.1007/s10433-016-0389-9.
Berens, Eva-Maria; Stahl, Lisa; Yilmaz-Aslan, Yüce; Sauzet, Odile; Spallek, Jacob; Razum, Oliver (2014): Par-
ticipation in breast cancer screening among women of Turkish origin in Germany – a register-based study.
In: BMC Women’s Health 14 (24).
Berens, Eva-Maria; Yilmaz-Aslan, Yüce; Spallek, Jacob; Razum, Oliver (2016): Determinants of mammogra-
phy screening participation among Turkish immigrant women in Germany – a qualitative study reecting
key informants’ and women’s perspectives. In: European Journal of Cancer Care 25 (1), Seite38–48.
Bermejo, Isaac; Hölzel, Lars P.; Kriston, Levente; Härter, Martin (2012): Subjektiv erlebte Barrieren von Per-
sonen mit Migrationshintergrund bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsmaßnahmen. In: Bundesge-
sundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 55 (8), Seite944–953.
Beschoner, Petra; Braun, Maxi; Schönfeldt-Lecuona, Carlos; Freudenmann, Roland W.; Wietersheim, Jörn
von (2016): Gender-Aspekte bei Ärztinnen und Ärzten: Berufsleben und psychosoziale Belastungen. In:
Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 59 (10), Seite1343–1350. DOI: 10.1007/
s00103-016-2431-7.
Bess, Carol (1995): Gender Bias in Health: A Life or Death Issue for Woman with Coronary Heart Disease. In:
Hastings Women’s Law Journal 6 (1), Seite41–66. Online verfügbar unter https://repository.uchastings.edu/
hwlj/vol6/iss1/3, zuletzt geprüft am 02.02.2021.
Beyer, Anne-Kristin; Wurm, Susanne; Wolff, Julia Katharina (2017): Älter werden-Gewinn oder Verlust?
Individuelle Altersbilder und Altersdiskriminierung. In: Katharina Mahne, Julia Katharina Wolff, Julia Si-
monson und Clemens Tesch-Römer (Hg.): Altern im Wandel. Zwei Jahrzehnte Deutscher Alterssurvey
(DEAS). Wiesbaden: Springer VS, Seite329–343.
Binder-Fritz, Christine; Rieder, Anita (2014): Zur Verechtung von Geschlecht, sozioökonomischen Status
und Ethnizität im Kontext von Gesundheit und Migration. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsfor-
schung – Gesundheitsschutz 57 (9), Seite1031–1037.
73Literaturverzeichnis
Bispinck, Reinhard; Dribbusch, Heiner; Öz, Fikret; Stoll, Evelyn (2013): Einkommens- und Arbeitsbe-
dingungen in Pegeberufen. Eine Analyse auf Basis der WSI-Lohnspiegel-Datenbank. Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftliches Institut. Düsseldorf. Online verfügbar unter https://www.boeckler.de/pdf/ta_
lohnspiegel_2013_21_pegeberufe.pdf, zuletzt geprüft am 05.07.2021.
Bloembergen, Wendy E.; Mauger, Elizabeth A.; Wolfe, Robert A.; Port, Friedrich K. (1997): Association of
gender and access to cadaveric renal transplantation. In: American Journal of Kidney Diseases 30 (6),
Seite733–738. DOI: 10.1016/S0272-6386(97)90076-7.
Blum, Karl; Löffert, Sabine; Offermanns, Matthias; Steffen, Petra (2017): Krankenhausbarometer. Umfrage
2017. Deutsches Krankenhausinstitut. Düsseldorf.
Borde, Theda (2002): Patientinnenorientierung im Kontext der soziokulturellen Vielfalt im Krankenhaus.
Vergleich der Erfahrungen und Wahrnehmungen deutscher und türkischsprachiger Patientinnen sowie
des Klinikpersonals zur Versorgungssituation in der Gynäkologie. Berlin.
Borde, Theda (2018): Kommunikation und Sprache. In: Gynäkologische Endokrinologie 16 (1), Seite 3–9.
DOI: 10.1007/s10304-017-0167-6.
Borde, Theda; Braun, Tanja; David, Matthias (2003): Gibt es Besonderheiten bei der Inanspruchnahme kli-
nischer Notfallambulanzen durch Migrantinnen und Migranten? In: Theda Borde und Matthias David
(Hg.): Gut versorgt? Migrantinnen und Migranten im Gesundheits- und Sozialwesen. Frankfurt am Main:
Marbuse-Verlag, Seite43–81.
Borde, Theda; David, Matthias; Kentenich, Heribert (2002): Erwartungen und Zufriedenheit deutscher und
türkischsprachiger Patientinnen im Krankenhaus – eine vergleichende Befragung in einer Berliner Frau-
enklinik. In: Gesundheitswesen 64 (8/9), Seite476–485.
Börsch-Supan, Axel; Brandt, Martina; Hunkler, Christian; Kneip, Thorsten; Korbmacher, Julie; Malter, Fre-
derick et al. (2013): Data Resource Prole: the Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE).
In: International Journal of Epidemiology 42 (4), Seite992–1001.
Bozorgmehr, Kayvan; Nöst, Stefan; Thaiss, Heidrun M.; Razum, Oliver (2016): Die gesundheitliche Versor-
gungssituation von Asylsuchenden: Bundesweite Bestandsaufnahme über die Gesundheitsämter. In:
Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 59 (5), Seite545–555. DOI: 10.1007/
s00103-016-2329-4.
Brand, T.; Kleer, D.; Samkange-Zeeb, F.; Zeeb, H. (2015a): Prävention bei Menschen mit Migrationshinter-
grund. Teilnahme, migrationssensible Strategien und Angebotscharakteristika. In: Bundesgesundheits-
blatt Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 58 (6), Seite 584–592. Online verfügbar unter https://
www.springermedizin.de/praevention-bei-menschen-mit-migrationshintergrund/8013488, zuletzt ge-
prüft am 02.07.2021.
Brand, Tilman; Kleer, Daniela; Samkange-Zeeb, Florence; Zeeb, Hajo (2015b): Prävention bei Menschen mit
Migrationshintergrund. Teilnahme, migrationssensible Strategien und Angebotscharakteristika. In: Bun-
desgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 58 (6), Seite 584–592. DOI: 10.1007/
s00103-015-2149-y.
74 Literaturverzeichnis
Braun, Gracia; Zeeb, Hajo (2021): Gesundheitliche Dimensionen von Rassismus und Diskriminierung. In:
Jacob Spallek und Hajo Zeeb (Hg.): Handbuch Migration und Gesundheit. Grundlagen, Perspektiven und
Strategien. Bern: Hogrefe, Seite389–396.
Brause, Michaela; Reutin, Barbara; Razum, Oliver; Schott, Thomas (2012): Rehabilitationserfolg bei Men-
schen mit türkischem Migrationshintergrund. Eine Auswertung von Routinedaten der Deutschen
Rentenversicherungen Rheinland und Westfalen. In: Die Rehabilitation 51 (5), Seite 282–288. DOI:
10.1055/s-0031-1295448.
Brause, Michaela; Reutin, Barbara; Schott, Thomas; Yilmaz-Aslan, Yüce (2010): Migration und gesundheit-
liche Ungleichheit in der Rehabilitation. Versorgungsbedarf und subjektive Bedürfnisse türkischer und
türkischstämmiger Migrant(inn)en im System der medizinischen Rehabilitation. Abschlussbericht.
Bielefeld.
Brenne, Silke; David, Matthias; Borde, Theda; Breckenkamp, Jürgen; Razum, Oliver (2015): Werden Frauen
mit und ohne Migrationshintergrund von den Gesundheitsdiensten gleich gut erreicht? Das Beispiel
Schwangerenvorsorge in Berlin. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 58
(6), Seite569–576. DOI: 10.1007/s00103-015-2141-6.
Brockmann, Hilke (2002): Why is less money spent on health care for the elderly than for the rest of the
population? Health care rationing in German hospitals. In: Social Science & Medicine 55 (4), Seite593–608.
DOI: 10.1016/S0277-9536(01)00190-3.
Brücker, Herbert; Rother, Nina; Schupp, Jürgen (2016): IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geüchteten:
Überblick und erste Ergebnisse. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Berlin (Politikbera-
tung kompakt, 16).
Brucks, Ursula; Wahl, Wulf-Bodo (2003): Über-, Unter-, Fehlversorgung?Bedarfslücken und Strukturprob-
leme in der ambulanten Gesundheitsversorgung für Migrantinnen und Migranten. In: Theda Borde und
Matthias David (Hg.): Gut versorgt? Migrantinnen und Migranten im Gesundheits- und Sozialwesen.
Frankfurt am Main: Marbuse-Verlag, Seite15–33.
Brzoska, Patrick; Razum, Oliver (2014): Versorgungsprobleme und mögliche Lösungsstrategien bei Men-
schen mit Migrationshintergrund. Beispiel medizinische Rehabilitation. In: Deutsche Medizinische Wo-
chenschrift 139 (38), Seite1895–1897. DOI: 10.1055/s-0034-1387238.
Brzoska, Patrick; Razum, Oliver (2015): Erreichbarkeit und Ergebnisqualität rehabilitativer Versorgung bei
Menschen mit Migrationshintergrund. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheits-
schutz 58 (6), Seite553–559. DOI: 10.1007/s00103-015-2144-3.
Brzoska, Patrick; Razum, Oliver (2017): Herausforderungen einer diversitätssensiblen Versorgung in der
medizinischen Rehabilitation. In: Die Rehabilitation 56 (5), Seite299–304. DOI: 10.1055/s-0043-100014.
Brzoska, Patrick; Razum, Oliver (2019): Inanspruchnahme medizinischer Rehabilitation im Vorfeld der
Erwerbsminderungsrente. Vergleich ausländischer und deutscher Staatsangehöriger unter besonderer Be-
rücksichtigung von (Spät-)Aussiedler/-innen. In: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 52 (Suppl 1), Sei-
te70–77. DOI: 10.1007/s00391-018-1448-y.
75Literaturverzeichnis
Brzoska, Patrick; Sauzet, Odile; Yilmaz-Aslan, Yüce; Widera, Teresia; Razum, Oliver (2016): Self-rated
treatment outcomes in medical rehabilitation among German and non-German nationals residing in
Germany: an exploratory cross-sectional study. In: BMC Health Services Research 16 (1), Seite105. DOI:
10.1186/s12913-016-1348-z.
Brzoska, Patrick; Sauzet, Odile; Yilmaz-Aslan, Yüce; Widera, Teresia; Razum, Oliver (2017a): Satisfaction
with rehabilitative health care services among German and non-German nationals residing in Germany: a
cross-sectional study. In: BMJ open 7 (8), e015520. DOI: 10.1136/bmjopen-2016-015520.
Brzoska, Patrick; Spanier, Katja; Bethge, Matthias (2019): Potenziale des Dritten Sozialmedizinischen Pa-
nels für Erwerbspersonen (SPE-III) für die Forschung im Bereich Migration und Rehabilitation: Das Bei-
spiel der Inanspruchnahme rehabilitativer Versorgung. In: Die Rehabilitation 58 (6), Seite385–391. DOI:
10.1055/a-0847-3234.
Brzoska, Patrick; Voigtländer, Sven; Reutin, Barbara; Yilmaz-Aslan, Yüce; Barz, Irina; Starikow, Klara et al.
(2010a): Rehabilitative Versorgung und gesundheitsbedingte Frühberentung von Personen mit Migrati-
onshintergrund in Deutschland. Abschlussbericht. Universität Bielefeld. Fakultät für Gesundheitswissen-
schaften. Bielefeld.
Brzoska, Patrick; Voigtländer, Sven; Spallek, Jacob; Razum, Oliver (2010b): Utilization and effectiveness of
medical rehabilitation in foreign nationals residing in Germany. In: European journal of epidemiology 25
(9), Seite651–660. DOI: 10.1007/s10654-010-9468-y.
Brzoska, Patrick; Yilmaz-Aslan, Yüce; Aksakal, Tugba; Razum, Oliver; Deck, Ruth; Langbrandtner, Jana
(2017b): Migrationssensible Versorgungsstrategien in der orthopädischen Rehabilitation: Eine postalische
Befragung in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. In: Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsfor-
schung, Gesundheitsschutz 60 (8), Seite841–848. DOI: 10.1007/s00103-017-2572-3.
Budroni, Helmut; Dümke, Katrin; Dürdodt, Anke; Fringer, André; Pössenbacher, Winfried (2006): Behin-
derte Pegewelten. In: Pege aktuell (3), Seite122–127.
Bundesärztekammer (2017): Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwen-
dung von Blutprodukten (Richtlinie Hämotherapie). Aufgestellt gemäß §§ 12a und18 Transfusionsgesetz
von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut. Online verfügbar unter
https://www.bundesaerztekammer.de/leadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/MuE/Richtlinie_
Haemotherapie_E_A_2019.pdf, zuletzt geprüft am 05.10.2020.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2011): Schreiben des BMAS vom 21. Februar 2011 an die
Präsidentin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspege e. V. Online verfügbar unter
http://www.uechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/reader_krankenhilfe_asylblg_sgb12.pdf, zuletzt geprüft am
09.03.2021.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2016): Zweiter Teilhabebericht der Bundesregierung über die
Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung. Berlin.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2010): Sechster Bericht zur Lage der älteren
Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Altersbilder in der Gesellschaft und Stellungnahme der
Bundesregierung. Berlin (Drucksache / Deutscher Bundestag, 17/3815).
76 Literaturverzeichnis
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2016): Siebter Bericht zur Lage der älteren
Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Auau
und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften und Stellungnahme der Bundesregierung. Berlin (Druck-
sache 18/10210).
Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. (2020): Gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung
verbessern! Positionspapier. Marburg.
Carrero, Juan-Jesus; Hecking, Manfred; Ulasi, Ifeoma; Sola, Laura; Thomas, Bernadette (2017): Chronic
Kidney Disease, Gender, and Access to Care: A Global Perspective. In: Seminars in nephrology 37 (3),
Seite296–308. DOI: 10.1016/j.semnephrol.2017.02.009.
Chakkalakal, Rosette J.; Higgins, Stacy M.; Bernstein, Lisa B.; Lundberg, Kristina L.; Wu, Victor; Green,
Jacqueline et al. (2013): Does patient gender impact resident physicians’ approach to the cardiac exam? In:
Journal of General Internal Medicine 28 (4), Seite561–566. DOI: 10.1007/s11606-012-2256-5.
Chang, Anna Marie; Mumma, Bryn; Sease, Keara L.; Robey, Jennifer L.; Shofer, Frances S.; Hollander, Judd E.
(2007): Gender bias in cardiovascular testing persists after adjustment for presenting characteristics and
cardiac risk. In: Academic Emergency Medicine 14 (7), Seite599–605. DOI: 10.1197/j.aem.2007.03.1355.
Chen, Esther H.; Shofer, Frances S.; Dean, Anthony J.; Hollander, Judd E.; Baxt, William G.; Robey, Jennifer
L. et al. (2008): Gender disparity in analgesic treatment of emergency department patients with acute ab-
dominal pain. In: Academic Emergency Medicine 15 (5), Seite414–418. DOI: 10.1111/j.1553-2712.2008.00100.x.
Cholongitas, Evangelos; Marelli, Laura; Kerry, Andrew; Goodier, David W.; Nair, Devakir; Thomas, Montois
et al. (2007): Female liver transplant recipients with the same GFR as male recipients have lower MELD
scores--a systematic bias. In: American Journal of Transplantation 7 (3), Seite 685–692. DOI:
10.1111/j.1600-6143.2007.01666.x.
Christliche Krankenhäuser in Deutschland (2021): Wer wir sind. Online verfügbar unter https://christliche-
krankenhaeuser.de/#/wer-wir-sind, zuletzt geprüft am 19.02.2021.
Clerc Liaudat, Christelle; Vaucher, Paul; Francesco, Tommaso de; Jaunin-Stalder, Nicole; Herzig, Lilli;
Verdon, François et al. (2018): Sex/gender bias in the management of chest pain in ambulatory care. In:
Women’s Health 14, 1745506518805641. DOI: 10.1177/1745506518805641.
Darden, Michael; Parker, Geoff; Anderson, Edward; Buell, Joseph F. (2020): Persistent sex disparity in liver
transplantation rates. In: Surgery. DOI: 10.1016/j.surg.2020.06.028.
David, Matthias; Braun, Tanja; Borde, Theda (2006): (Fehl-)Inanspruchnahme von klinischen Rettungsstel-
len. In: Notfall + Rettungsmedizin 9 (8), Seite673–678. DOI: 10.1007/s10049-006-0865-4.
Davis, Dána-Ain (2019): Obstetric Racism: The Racial Politics of Pregnancy, Labor, and Birthing. In: Medical
Anthropology 38 (7), Seite560–573. DOI: 10.1080/01459740.2018.1549389.
Dennert, Gabriele; Wolf, Gisela (2009): Gesundheit lesbischer und bisexueller Frauen. Zugangsbarrieren im
Versorgungssystem als gesundheitspolitische Herausforderung. In: Femina Politica (1), Seite48–58.
Deutsche AIDS-Hilfe e. V. (2012): positive stimmen verschaffen sich gehör! Die Umsetzung des PLHIV
Stigma Index in Deutschland. 1. Auage Hg. v. Deutsche AIDS-Hilfe e. V. Berlin.
77Literaturverzeichnis
Deutscher Bundestag (2020): Umsetzung einer barrierefreien Gesundheitsversorgung. Antwort der Bun-
desregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Corinna Rüffer, Dr. Kirsten
Kappert-Gonther, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Drucksache
19/23214.
Deutscher Ethikrat (2016): Patientenwohl als ethischer Maßstab für das Krankenhaus. Stellungnahme.
Berlin.
Deutscher Hebammenverband; Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (2020): Ge-
meinsame Stellungnahme des Deutschen Hebammenverbands (DHV) und der Deutschen Gesellschaft für
Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Gesund-
heitsversorgung und Pege (Versorgungsverbesserungsgesetz – GPVG). Berlin. Online verfügbar unter
https://www.hebammenverband.de/index.php?eID=tx_securedownloads&p=5479&u=0&g=0&t=16333326
86&hash=42c597b763ac822949a62b66209801206535feb1&le=/leadmin/user_upload/pdf/Stellungnah-
men/24200820_DHV_DGGG_Stellungnahme_Versorgungsverbesserungsgesetz.pdf, zuletzt geprüft am
05.07.2021.
Deutsches Institut für Menschenrechte (2017): Altersdiskriminierung und das Recht Älterer auf Freiheit
von Gewalt, Misshandlung und Vernachlässigung. Fachgespräche zur Vorbereitung der 8. Sitzung der UN
Open Ended Working Group on Ageing (OEWG-A). Dokumentation. Berlin.
Deutsches Institut für Menschenrechte (2020): Das Recht auf gesundheitliche Versorgung von Menschen
mit Behinderungen in der Corona-Pandemie. Stellungnahme. Berlin.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2016): 11. Bericht der Be-
auftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration – Teilhabe, Chancengleichheit
und Rechtsentwicklung in der Einwanderungsgesellschaft Deutschland. Berlin.
Dobrowolska, Beata; Jędrzejkiewicz, Bernadeta; Pilewska-Kozak, Anna; Zarzycka, Danuta; Ślusarska, Bar-
bara; Deluga, Alina et al. (2019): Age discrimination in healthcare institutions perceived by seniors and
students. In: Nursing ethics 26 (2), Seite443–459. DOI: 10.1177/0969733017718392.
Drewniak, Daniel; Krones, Tanja; Wild, Verina (2017): Do attitudes and behavior of health care professionals
exacerbate health care disparities among immigrant and ethnic minority groups? An integrative literature
review. In: International Journal of Nursing Studies 70, Seite89–98. DOI: 10.1016/j.ijnurstu.2017.02.015.
Drygalla, Jeannette (2010): Theoretische und empirische Perspektiven auf Mobbing im Berufsalltag
Pegender in Universitätsklinika. Dissertation. Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg. Online ver-
fügbar unter https://opendata.uni-halle.de/bitstream/1981185920/6950/1/Theoretische%20und%20em-
pirische%20Perspektiven%20auf%20Mobbing%20im%20Berufsalltag%20Pegender%20in%20Univer-
sit%C3%A4tsklinika.pdf, zuletzt geprüft am 19.11.2020.
Eichenhofer, Eberhard (2013): Gesundheitsleistungen für Flüchtlinge. In: ZAR, Seite169–175.
Elsuni, Sarah (2013): Diskriminierung im Gesundheitswesen. Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen
Diskriminierung. Berlin.
78 Literaturverzeichnis
Engelmann, Carsten; Grote, Gudela; Miemietz, Bärbel; Vaske, Bernhard; Geyer, Siegfried (2015): Weggegan-
gen – Platz vergangen? Karriereaussichten universitären Gesundheitspersonals nach Rückkehr aus einer
Elternzeit: Befragung und Beobachtungsstudie. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift 140 (4), Seite 28–
35. DOI: 10.1055/s-0041-100305.
Epping, J.; Tetzlaff, J.; Geyer, S. (2017): Haben besser verdienende Männer höhere Chancen auf eine Spen-
derniere? Geschlechter- und Einkommensunterschiede in der Nierentransplantation. In: Gemeinsame
Jahrestagung – der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie e. V. (DGEpi), – der Deutschen Gesellschaft
für Medizinische Soziologie e. V. (DGMS) und – der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Präven-
tion e. V. (DGSMP). Gemeinsam forschen – gemeinsam handeln. Lübeck, 9/5/2017–9/8/2017: Georg Thieme
Verlag KG (Das Gesundheitswesen).
Esslinger, Adelheid S.; Schilk, Stefanie (2014): Feminisierung des Ärzteberufes und die Konsequenzen im
Krankenhaus. In: Ricarda B. Bouncken, Mario A. Pfannstiel und Andreas J. Reuschl (Hg.): Dienstleistungs-
management im Krankenhaus II. Prozesse, Produktivität, Diversität, Bd.108. Wiesbaden: Springer Gabler,
Seite429–452.
Esslinger, Adelheid Susanne; Franke, S.; Heppner, Hans Jürgen (2007): Altersabhängige Priorisierung von
Gesundheitsleistungen-Perspektiven für das deutsche Gesundheitswesen. In: Gesundheitswesen 69 (1),
Seite11–17. DOI: 10.1055/s-2007-960490.
Esslinger, Adelheid Susanne; Hajek, S.; Schöffski, Oliver; Heppner, Hans Jürgen (2008): Rationierung von
Gesundheitsleistungen im Alter – theoretische Reexion und praktische Relevanz. In: Gesundheitsökono-
mie & Qualitätsmanagement 13 (05), Seite276–282. DOI: 10.1055/s-2008-1027363.
European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) (2014): Being trans in the European Union. Compa-
rative analysis of EU LGBT survery data. Europäische Union. Luxembourg (Equality).
European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) (2020): Intersex specic questions – Provision of
informed consent to medical treatment or intervention to modify sex characteristics. Wien. Online verfüg-
bar unter https://fra.europa.eu/en/data-and-maps/2020/lgbti-survey-data-explorer, zuletzt geprüft am
19.03.2021.
Fachkommission der Bundesregierung zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit (2020):
Gemeinsam die Einwanderungsgesellschaft gestalten. Berlin.
Flintrop, Jens (2006): Auswirkungen der DRG-Einführung: Die ökonomische Logik wird zum Maß der Din-
ge. In: Deutsches Ärzteblatt 103 (46), A 3082-A 3085.
Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (2018):
„Wo kommen Sie eigentlich ursprünglich her?“ Diskriminierungserfahrungen und phänotypische Diffe-
renz in Deutschland. Berlin.
Frank, Laura; Yesil-Jürgens, Rahsan; Born, Sabine; Hoffmann, Robert; Santos-Hövener, Claudia; Lampert,
Thomas (2018): Maßnahmen zur verbesserten Einbindung und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
mit Migrationshintergrund in KiGGS Welle 2. In: Journal of Health Monitoring 3 (1), Seite134–151.
Frank, Laura; Yesil-Jürgens, Rahsan; Razum, Oliver; Bozorgmehr, Kayvan; Schenk, Liane; Gilsdorf, Andreas
et al. (2017): Gesundheit und gesundheitliche Versorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Deutsch-
land. In: Journal of Health Monitoring 2 (1), Seite24–47. DOI: 10.17886/RKI-GBE-2017-005.
79Literaturverzeichnis
Franke, Bernhard; Schlichtmann, Gisbert (2018): §19. In: Wolfgang Däubler und Martin Bertzbach (Hg.):
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. 4. Auage. Baden-Baden: Nomos.
Franzen, Jannik; Sauer, Arn (2010): Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben:
Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Online verfügbar unter https://static1.squarespace.com/
static/572347337da24f738c352ec7/t/588e15708419c2ec3fdbc7/1485706613853/benachteiligung_von_
trans_personen_insbesondere_im_arbeitsleben.pdf, zuletzt geprüft am 02.07.2021.
Frohn, Dominic (2007): Out im Ofce?! Sexuelle Identität, (Anti-)Diskriminierung und Diversity am
Arbeitsplatz. Hg. v. Schwules Netzwerk NRW, LAG Lesben in NRW und Schwules Forum Niedersachsen.
Köln, Düsseldorf, Hannover.
Fuchs, W.; Ghattas, D.C., Reinert, D., Widmann, C. (2012): Studie zur Lebenssituation von Transsexuellen
in Nordrhein-Westfalen. Hg. v. Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) e. V. Online ver-
fügbar unter https://www.lsvd.de/leadmin/pics/Dokumente/TSG/Studie_NRW.pdf, zuletzt geprüft am
19.03.2021.
Gaebel, Wolfgang; Baumann, Anja; Zäske, Harald (2005): Stigmatisierung und Diskriminierung psychisch
Erkrankter als Herausforderung für die Gesundheitsversorgung in Deutschland. In: Mathias Berger,
Jürgen Fritze, Christa Roth-Sackenheim und Ulrich Voderholzer (Hg.): Die Versorgung psychischer
Erkrankungen in Deutschland. Aktuelle Stellungnahmen der DGPPN 2003–2004. Berlin, Heidelberg:
Springer, Seite21–26.
Galatsch, Michael; Iskenius, Mario; Müller, Bernd Hans; Hasselhorn, Hans Martin (2012): Vergleich der Ge-
sundheit und Identizierung von Prädiktoren der Gesundheit in verschiedenen Altersgruppen Pegender
in Deutschland. In: Pege 25 (1), Seite23–32. DOI: 10.1024/1012-5302/a000167.
Galvão, Taís Freire; Tiguman, Gustavo Magno Baldin; Da Costa Filho, Douglas Borges; Silva, Marcus Tolen-
tino (2020): Waiting time and medical consultation length in the Manaus metropolitan region, Brazil: a
cross-sectional, population-based study. In: Epidemiologia e servicos de saude : revista do Sistema Unico de
Saude do Brasil 29 (4), e2020026. DOI: 10.5123/s1679-49742020000400014.
Gargano, Julia Warner; Wehner, Susan; Reeves, Mathew J. (2009): Do presenting symptoms explain sex dif-
ferences in emergency department delays among patients with acute stroke? In: Stroke 40 (4), Seite1114–
1120. DOI: 10.1161/STROKEAHA.108.543116.
Gensch, Kristina (2010): Berufsentscheidung junger Ärztinnen und Ärzte: Auswirkungen auf das ärztliche
Versorgungsangebot. In: Friedrich Wilhelm Schwartz und Peter Angerer (Hg.): Arbeitsbedingungen und
Benden von Ärztinnen und Ärzten. Befunde und Interventionen. [Kommunikation, persönliche Ressour-
cen, Arbeitsbedingungen, ökonomische Rahmenbedingungen; … Symposium „Arbeitsbedingungen und
Benden von Ärztinnen und Ärzten – Befunde und Intervention“ am 10. Februar 2009 in Berlin]. Köln: Dt.
Ärzte-Verl. (Report Versorgungsforschung, 2), Seite 127–136.
Gerlach, Heli; Abholz, Heinz-Harald; Koc, Güllü; Yilmaz, Mustafa; Becker, Nicole (2012): „Ich möchte als
Migrant auch nicht anders behandelt werden“. Fokusgruppen zu Erfahrungen von Patienten mit Migrati-
onshintergrund aus der Türkei. In: Z Allg Med 88 (2), Seite77–85.
Gerlach, Heli; Becker, Nicole; Abholz, Heinz-Harald (2008a): Welche Erfahrungen haben deutsche Haus-
ärzte mit Patienten mit Migrationshintergrund? Ergebnisse einer Fokusgruppendiskussion mit Hausärz-
ten. In: Z Allg Med 84 (10), Seite428–435. DOI: 10.1055/s-0028-1087184.
80 Literaturverzeichnis
Gerlach, Heli; Becker, Nicole; Fuchs, Angela; Wollny, Anja; Abholz, Heinz-Harald (2008b): Diskriminierung
von Schwarzen aufgrund ihrer Hautfarbe? Ergebnisse von Fokusgruppendiskussionen mit Betroffenen im
deutschen Gesundheitswesen. In: Gesundheitswesen 70 (1), Seite47–53. DOI: 10.1055/s-2007-1022524.
Geschäftsstelle der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten
(2020): Leitfaden für Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher an Krankenhäusern.
Gesundheit für Geüchtete. Informationsportal von Medibüros/Medinetzen: Gesundheitskarte. Online
verfügbar unter http://gesundheit-geuechtete.info/gesundheitskarte/, zuletzt geprüft am 03.02.2021.
Glaesmer, Heide; Wittig, Ulla; Braehler, Elmar; Martin, Alexandra; Mewes, Ricarda; Rief, Winfried (2011):
Health care utilization among rst and second generation immigrants and native-born Germans: a popu-
lation-based study in Germany. In: International Journal of Public Health 56 (5), Seite541–548. DOI: 10.1007/
s00038-010-0205-9.
Göpffarth, Dirk; Bauhoff, Sebastian (2017): Gesundheitliche Versorgung von Asylsuchenden – Untersu-
chungen anhand von Abrechnungsdaten der BARMER. In: Repschläger Uwe, Schulte Claudia und Oster-
kamp Nicole (Hg.): BARMER GEK Gesundheitswesen Aktuell 2017. Beiträge und Analysen, Seite32–65.
Grande, Gesine; Leppin, Anja; Romppel, Matthias; Altenhöner, Thomas; Mannebach, Hermann (2002):
Frauen und Männer nach Herzinfarkt: Gibt es in Deutschland geschlechtsspezische Unterschiede in
der Inanspruchnahme rehabilitativer Leistungen? In: Die Rehabilitation 41 (5), Seite 320–328. DOI:
10.1055/s-2002-34569.
Greenwood, Brad N.; Carnahan, Seth; Huang, Laura (2018): Patient-physician gender concordance and in-
creased mortality among female heart attack patients. In: Proceedings of the National Academy of Sciences
of the United States of America 115 (34), Seite8569–8574. DOI: 10.1073/pnas.1800097115.
Groß, Sophie E.; Pfaff, Holger; Swora, Michael; Ansmann, Lena; Albert, Ute-Susann; Groß-Kunkel, Anke
(2020): Health disparities among breast cancer patients with/without disabilities in Germany. In: Disability
and health journal 13 (2), Seite100873. DOI: 10.1016/j.dhjo.2019.100873.
Habermann-Horstmeier, Lotte (2019): Menschen mit geistiger Behinderung im Krankenhaus. In: Pege
Zeitschrift 72 (4).
Haji Loueian, Elnaz; Lange, D. R.; Borde, Theda; David, Matthias; Babitsch, Birgit (2012): Werden klinische
Notfallambulanzen angemessen genutzt? In: Notfall + Rettungsmedizin 15 (8), Seite683–689. DOI: 10.1007/
s10049-012-1603-8.
Hamberg, Katarina; Risberg, Gunilla; Johansson, Eva E.; Westman, Göran (2002): Gender bias in physicians’
management of neck pain: a study of the answers in a Swedish national examination. In: Journal of Wo-
men’s Health & Gender-based Medicine 11 (7), Seite653–666. DOI: 10.1089/152460902760360595.
Hasseler, Martina (2014): Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen als vulnerable Bevölke-
rungsgruppe in gesundheitlicher Versorgung. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift 139 (40), Seite2030–
2034. DOI: 10.1055/s-0034-1387334.
81Literaturverzeichnis
Hasseler, Martina (2015a): Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen als vulnerable Bevöl-
kerungsgruppe in der gesundheitlichen Versorgung. Ausgewählte Ergebnisse einer qualitativ-explorieren-
den Untersuchung mit dem Fokus auf dezitären Erfahrungen. In: Die Rehabilitation 54 (6), Seite369–374.
DOI: 10.1055/s-0041-108468.
Hasseler, Martina (2015b): Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen in der akut-stationä-
ren Versorgung. Ausgewählte Ergebnisse einer qualitativ-explorativen Untersuchung. In: Deutsche Medizi-
nische Wochenschrift 140 (21), e217–e223.
Heston, Thomas F.; Lewis, Lawrence M. (1992): Gender bias in the evaluation and management of acute
nontraumatic chest pain. In: Family Practice Research Journal 12 (4), Seite383–389.
Higashi, Robin T.; Tillack, Allison A.; Steinman, Michael; Harper, Michael; Johnston, C. Bree (2012): Elder
care as “frustrating” and “boring”: understanding the persistence of negative attitudes toward older
patients among physicians-in-training. In: Journal of aging studies 26 (4), Seite476–483. DOI: 10.1016/j.
jaging.2012.06.007.
Höcker, Johannes Till (2010): Sozialmedizinische Aspekte der medizinischen Versorgung gehörloser Men-
schen in Deutschland. Entwicklung und Durchführung einer internetbasierten Umfrage mit Gebärden-
sprachvideos. Mainz.
Hoenes, Josch; Januschke, Eugen; Klöppel, Ulrike (2019): Häugkeit normangleichender Operationen „un-
eindeutiger“ Genitalien im Kindesalter. Follow-up-Studie. Ruhr Universität Bochum. Bochum. Online ver-
fügbar unter https://www.bmfs.de/resource/blob/136860/54ea839a1a2894a58ba75db04c7be43b/studie-
zu-normangleichenden-operationen-uneindeutiger-genitalien-im-kindesalter-data.pdf, zuletzt geprüft
am 19.03.2021.
Hoffmann, Diane E.; Tarzian, Anita J. (2001): The girl who cried pain: a bias against women in the treatment
of pain. In: The Journal of Law, Medicine & Ethics 29 (1), Seite13–27. DOI: 10.1111/j.1748-720x.2001.tb00037.x.
Hofmeister, Dirk; Rothe, Katharina; Alfermann, Dorothee; Brähler, Elmar (2010): Ärztemangel selbst ge-
macht! Über beruiche Belastungen, Gratikationskrisen und das Geschlechterverhältnis von Berufsan-
fängern in der Medizin. In: Friedrich Wilhelm Schwartz und Peter Angerer (Hg.): Arbeitsbedingungen und
Benden von Ärztinnen und Ärzten. Befunde und Interventionen. [Kommunikation, persönliche Ressour-
cen, Arbeitsbedingungen, ökonomische Rahmenbedingungen; … Symposium „Arbeitsbedingungen und
Benden von Ärztinnen und Ärzten – Befunde und Intervention“ am 10. Februar 2009 in Berlin]. Köln: Dt.
Ärzte-Verl. (Report Versorgungsforschung, 2), Seite159–173.
Hohmann, Isabel; Glaesmer, Heide; Nesterko, Yuriy (2018): Zugewanderte Ärzte: Chancen und Herausfor-
derungen im deutschen Klinikalltag. In: Psychotherapie, Psychosomatik, medizinische Psychologie 68 (12),
Seite506–515. DOI: 10.1055/s-0043-121635.
Holdcroft, Anita (2007): Gender bias in research: how does it affect evidence based medicine? In: Journal of
the Royal Society of Medicine 100 (1), Seite2–3. DOI: 10.1177/014107680710000102.
Hollederer, Alfons (2020): Die Gewährleistung von Krankheitshilfen bei asylsuchenden Menschen: Zwei-
klassenmedizin in Deutschland? In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 63
(10), Seite1203–1218. DOI: 10.1007/s00103-020-03215-7.
82 Literaturverzeichnis
Ilkilic, Ilhan (2007): Medizinethische Aspekte im Umgang mit muslimischen Patienten. In: Deutsche Medi-
zinische Wochenschrift 132 (30), Seite1587–1590. DOI: 10.1055/s-2007-984940.
Ilkilic, Ilhan (2021): Kommunikation und Ethik in interkulturellen Behandlungssituationen. In: Jacob Spal-
lek und Hajo Zeeb (Hg.): Handbuch Migration und Gesundheit. Grundlagen, Perspektiven und Strategien.
Bern: Hogrefe, Seite67–76.
Initiative für eine gerechte Geburtshilfe in Deutschland (o. J.): Gewalt in der Geburtshilfe. Online verfügbar
unter https://www.gerechte-geburt.de/wissen/gewalt-in-der-geburtshilfe/, zuletzt geprüft am 07.01.2021.
Intersexuelle Menschen e. V. (2020): Fakten zu Intergeschlechtl