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Factsheet Neomyceten
Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL swissFungi.wsl.ch
Plötzlicher Eichentod
Phytophthora ramorum Werres, De Cock & Man in ‘t Veld (Familie: Peronosporaceae)
Synonyme: keine
Bruno Auf der Maur, Jonas Brännhage, Simone Prospero und Andrin Gross
In den USA grassiert seit 1995 eine Krankheit, die besonders Eichen oftmals innert kurzer Zeit
absterben lässt und daher den Namen «Plötzlicher Eichentod» (engl. «Sudden Oak Death», SOD)
bekam. Ausgelöst wird sie durch den pilzähnlichen Mikroorganismus Phytophthora ramorum. In
der Schweiz wurde dieser Erreger bislang vor allem in Baumschulen nachgewiesen und konnte
noch nicht auf den Wald überspringen. Aufgrund seines hohen Schadpotentials wurde er als Qua-
rantäneorganismus eingestuft. Die Bekämpfung ist dementsprechend gesetzlich geregelt.
Oben: Mit P. ramorum infizierte Rhododendron-Blätter
(Foto: Joseph OBrien, USDA Forest Service,
Bugwood.org, Bildnummer entfernt)
Rechts: Infizierter Duftschneeball (Viburnum × bodnan-
tense) (Foto: Simone Prospero, WSL)
Factsheet Neomyceten – Plötzlicher Eichentod – SwissFungi 2021
Ausbreitungsgeschichte und Gefahren
Alle an Land lebenden Arten der Gattung Phytopht-
hora (griechisch für «Pflanzenzerstörer») sind Pflan-
zenschädlinge und gehören zu einer Gruppe pilzähn-
licher Organismen, welche als Eipilze bezeichnet
werden. Seit 1993 wurde in Baumschulen und Gärten
in Deutschland und den Niederlanden öfters ein Trieb-
sterben bei Rhododendron-Arten sowie gelegentlich
eine Welke bei Schneeball-Arten (Viburnum spp.) be-
obachtet. Durch genetische Untersuchungen wurde
eine neue Phytophthora-Art als Auslöser erkannt und
wegen dem Triebsterben P. ramorum getauft (lat. ra-
mus «Ast, Zweig»). Ab 1995 wurde in Kalifornien ein
Baumsterben beobachtet, das besonders verschie-
dene Eichenarten traf und welches durch den selben
Erreger verursacht wurde. Wenig später traten die
gleichen Symptome auch an Bäumen in Oregon auf.
Inzwischen ist der Plötzliche Eichentod in den Küsten-
wäldern Oregons und Kaliforniens weit verbreitet. Der
Erreger hatte dort bis 2014 bereits schätzungs weise
30–45 Millionen Bäume getötet.
Ursprünglich stammt der Erreger aus Asien; in
Vietnam wurden mehrere genetische Varianten des
Eipilzes entdeckt. Da der Erreger sich in der Natur
höchstwahrscheinlich nicht sexuell fortpflanzen kann,
konnten ausserhalb Asiens bisher nur vier klonale Li-
nien entdeckt werden: Die klonale Linie NA1 ist haupt-
sächlich für den Plötzlichen Eichentod in den Wäldern
Nordamerikas verantwortlich, kommt jedoch auch in
den dortigen Baumschulen vor. NA2 wurde bisher
nur in Baumschulen Nordamerikas sowie in der un-
mittelbaren Umgebung dieser Baumschulen nachge-
wiesen. EU1 kommt in den europäischen Baumschu-
len und Wäldern vor, aber spätestens seit 2015 auch
in den Wäldern Oregons. EU2 wurde erst 2012 in den
Wäldern Irlands und Schottlands nachgewiesen. Ge-
netische Analysen haben gezeigt, dass alle bisherigen
Befallsherde in der Schweiz durch in der EU nachge-
wiesene Varianten der EU1 Linie verursacht wurden.
Auf dem europäischen Kontinent wird der Erreger
des Öfteren in Baumschulen an Zierpflanzen nachge-
wiesen, während er im Wald bislang erst lokal aufge-
treten ist. Der Handel mit infizierten Pflanzen spielt
bei seiner globalen Verbreitung die Hauptrolle. Auch
könnten die meisten der europäischen Infektionsher-
de auf wenige infizierte Baumschulen in Deutschland
und den Niederlanden zurückzuführen sein. Im Jahr
2009 wurde der Schädling in Grossbritannien an der
grossflächig zur Holzproduktion angepflanzten Japan-
lärche (Larix kaempferi) nachgewiesen und hat seit-
her zu grossen Ertragsausfällen geführt. P. ramorum
wurde 2005 auch in den Niederlanden und 2017 in
Frankreich auf Bäumen im Freiland nachgewiesen.
Aufgrund seiner hohen Anzahl an sehr unterschiedli-
chen Arten von Wirtspflanzen – über 150 sind bis heute
bekannt – könnte der Erreger auf dem europäischen
Festland ähnlich grosse Schäden in den Wäldern ver-
ursachen, wie es besonders in den USA und auch in
Grossbritannien bereits der Fall ist.
Merkmale und Symptome
Bei befallenen Bäumen kommt es meist zu Abster-
beerscheinungen (Nekrosen) unter der Rinde, welche
äusserlich zunächst häufig als mehrere kleine, rötliche
Flecken zu erkennen sind und die später zu grösseren,
rötlich-schwarzen Bereichen (Teerflecken) zusammen-
fliessen, an deren Rändern häufig Baumsaft austritt
(Schleimfluss). Bei Lärchen fällt zudem auf, dass sich
die Nadeln braun verfärben und frühzeitig ausfallen,
während der Kronenbereich der Bäume allmählich ab-
stirbt. Weitere Symptome, auch bei Bäumen, aber vor
allem bei Ziersträuchern, sind Blattflecken und das er-
wähnte Triebsterben. In Abhängigkeit von der Pflanze-
nart treten mehrere oder nur einzelne Symptome auf.
Beim Triebsterben verfärben sich die Triebe zunächst
dunkelbraun und später schwarzbraun. Bei Rhodo-
dendren verläuft das Triebsterben in der Regel von der
Triebspitze zur Stammbasis. Die Infektion kann bei an-
deren Pflanzen aber auch in der Triebmitte oder an der
Triebbasis beginnen und sich dann bis zur Triebspitze
ausdehnen.
Die Blattflecken können von hell- über dunkelbraun
bis schwarz verfärbt sein und sind meist scharf vom
gesunden Gewebe abgegrenzt. Die Blattinfektionen
können auch über infizierte Triebe erfolgen. Dann brei-
tet sich die Verbräunung vom Blattstiel ausgehend
entlang der Hauptader bis zur Blattspitze aus. Im Ge-
gensatz zu den übrigen Formen der Erkrankung führen
Blattflecken nur selten zum Tod der entsprechenden
Pflanze, ermöglichen aber dennoch die Verbreitung
des Erregers über die Blätter.
Verwechslungsmöglichkeiten
Neben P. ramorum können auch andere Phytophthora-
Arten auf den entsprechenden Wirtspflanzen die glei-
chen Symptome verursachen, wie zum Beispiel P. plu-
rivora an Rhododendren. Daher kann nur eine geneti-
sche Untersuchung Klarheit bringen. Alle aufgeführten
Symptome können aber auch eine ganze Reihe anderer
Ursachen haben als eine Infektion mit Phytophthora.
Vom Plötzlichen Eichentod zu unterscheiden ist das
«Akute Eichensterben» (engl. «Acute Oak Decline»,
AOD). Dabei sterben Eichen in einem Zeitraum von
wenigen Jahren ab. Die Erreger sind in diesem Fall
drei Arten von Bakterien; die entsprechenden Bäume
waren jedoch in der Regel schon zuvor durch andere
Faktoren geschwächt worden, wie Trockenheit, Frost
oder Insektenbefall. Die Krankheit wurde erstmals
2008 in Grossbritannien und 2017 in der Schweiz nach-
gewiesen.
Factsheet Neomyceten – Plötzlicher Eichentod – SwissFungi 2021
Biologie und Vermehrung
P. ramorum bildet auf asexuellem Wege zwei verschie-
dene Sporentypen aus. Auf Blättern und Trieben bildet
der Eipilz einerseits zahlreiche sogenannte Sporangi-
en, die mit Wind und Regentropfen verbreitet werden.
In den Sporangien wachsen bewegliche Zoosporen
heran. Diese breiten sich wie Spermien mit Hilfe von
Geisseln aktiv im Wasser aus und infizieren neue Wirts-
pflanzen. Nässe und feuchte Bedingungen erhöhen
daher die Infektionsgefahr. Im infizierten Pflanzenge-
webe werden andererseits Chlamydosporen gebildet.
Das sind dickwandige Dauersporen, mit denen der Er-
reger über längere Zeit unter widrigen Bedingungen
überleben kann, auch im Boden. Dauersporen kann
der Eipilz theoretisch auch durch sexuelle Vermehrung
hervorbringen. Diese werden dann Oosporen ge-
nannt. Sie wurden in der Natur jedoch bisher noch nie
nachgewiesen. Die Verbreitung von P. ramorum kann
durch kontaminierte Erde oder Wasser geschehen, er-
folgt jedoch am häufigsten durch den Handel mit in-
fizierten Pflanzen, meist Zierpflanzen. Oft werden bei
infizierten Pflanzen die Symptome erst sichtbar, nach-
dem diese bereits weiterverkauft wurden.
Verbreitung
Der aus Asien stammende Erreger ist in den USA in
den Wäldern der Bundestaaten Kalifornien und Ore-
gon weit verbreitet. In anderen Bundesstaaten, in
Kanada und in über 20 europäischen Ländern wird
P. ramorum regelmässig in Baumschulen, Gärten oder
Parks entdeckt; so auch in der Schweiz. Dort ist die
Schneeball-Art Viburnum × bodnantense der häufigs-
te Wirt des Eipilzes. Typisches Symptom ist eine Rin-
denläsion an der Stammbasis. Der erste Nachweis in
der Schweiz erfolgte denn auch an V. × bodnantense,
und zwar in einer Baumschule im Mittelland im Jahr
2003. Im Jahr darauf fand man den Erreger am sel-
ben Standort an frisch importierten Rhododendren.
Jedoch konnte der Eipilz in diesen und den späteren
Fällen bei Funden in Baumschulen oder auf Grünflä-
chen vernichtet werden, bevor er von dort aus in die
Wälder gelangen konnte. Auch in den meisten anderen
Ländern gelang es bisher, dies zu verhindern. In den
Niederlanden wurden im Jahr 2005 einige infizierte
Bäume gefunden, die in der Nähe von infizierten Rho-
dodendren wuchsen; es kam jedoch zu keiner gros-
sen Ausbreitung des Erregers. Aber nachdem er 2009
erstmals in England auf Japanlärche (Larix kaempferi)
gefunden wurde, hat er sich in der Folge entlang der
Westküste in ganz Grossbritannien ausgebreitet und
befällt dort auch Kastanienbäume (Castanea sativa)
in grosser Zahl. In Frankreich wurde er schliesslich
2017 erstmals im Wald auf dem europäischen Festland
nachgewiesen, ebenfalls auf Japanlärche. Bislang ist
sein Vorkommen dort auf wenige Standorte begrenzt.
Ökologie
P. ramorum gedeiht gut bei hoher Luftfeuchtigkeit und
in gemässigtem Klima. Bei Temperaturen von 15–20 °C
kann er im Labor besonders viele Zoosporen bilden.
Im Labor konnte er auch bei einer Hitze von 55 °C über-
dauern, aber in der freien Natur scheinen sich befalle-
ne Bäume nach Hitzeperioden von der Infektion erho-
len zu können. Den Winter übersteht er im Laub oder
im Boden. Da er auch Minustemperaturen überdauern
kann, ist auch ein zukünftiger Befall in höheren Lagen
möglich.
P. ramorum verfügt über ein sehr grosses Wirts-
spektrum, welches noch nicht abschliessend geklärt
ist, da laufend neue Wirtspflanzen entdeckt werden. In
den USA sind verschiedene Eichenarten und insbeson-
dere die Kalifornische Steineiche (Quercus agrifolia)
sowie die amerikanische Gerbeiche (Notholithocarpus
densiflorus, im Englischen als «Tanoak» bezeichnet)
die am häufigsten befallenen Baumarten. In den euro-
päischen Wäldern ist bislang hauptsächlich die Japan-
lärche (Larix kaempferi) betroffen, und in Grossbritan-
nien ausserdem die Edelkastanie (Castanea sativa).
Weitaus seltener ist im Wald bisher der Befall ande-
rer Lärchenarten, wie der Europäischen Lärche (Larix
decidua) beobachtet worden. Unter den übrigen eu-
ropäischen Baumarten gelten neben den Eichenarten
(Quercus spp.) auch die Rotbuche (Fagus sylvatica),
die Hängebirke (Betula pendula), die Gemeine Esche
(Fraxinus excelsior) und die Eibe (Taxus baccata) als
anfällig. Bei der Heidelbeere (Vaccinium myrtillus)
wurden in England und Norwegen schon Befälle im
Freiland nachgewiesen. Bei den Ziersträuchern gelten
die Rhododendren, die Schneeballpflanzen (Viburnum
spp.) und die Kamelien (Camellia spp.) als besonders
anfällig, und werden daher bei der Pflanzenpasskont-
rolle besonders genau kontrolliert.
Bekämpfung
In der Schweiz besteht für P. ramorum eine Melde- und
Bekämpfungspflicht, denn die Art gilt innerhalb der
Landesgrenzen als Quarantäneorganismus, da sie in
der Schweiz zwar nicht oder nur lokal auftritt, aber po-
tenziell grossen (wirtschaftlichen) Schaden anrichten
kann. Dies gilt insbesondere für genetische Varianten,
die in der EU noch nicht nachgewiesen wurden. Die
in der EU vorkommenden Varianten werden anders
reguliert. Beim Import aus der EU gilt der Eipilz als
potenzieller Quarantäneorganismus, was bedeutet,
dass der Import von anfälligen Pflanzenmaterialen
aus der EU erlaubt ist, solange die innerhalb der EU
geltenden Anforderungen erfüllt werden.
Neben den Regelungen beim Import stellt die
wichtigste vorbeugende Massnahme in der Schweiz
die alljährliche Pflanzenpasskontrolle dar, bei der an-
fällige Pflanzenarten in Baumschulen, im Wald und
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auf öffentlichen und privaten Grünflächen auf Phyto-
phthora-Befall kontrolliert werden. Der Pflanzenpass
bestätigt, dass die entsprechenden Pflanzen frei von
bestimmten Schädlingen sind. Bei einem positiven
Befund werden die entsprechenden Pflanzen getilgt.
Wo melden, wo um Rat fragen?
Im Verdachtsfall muss entweder der Eidgenössische
Pflanzenschutzdienst (EPSD) oder der entsprechende
Kantonale Pflanzenschutzdienst kontaktiert werden,
wobei Meldung, Diagnose und Beratung teilweise
vom Agroscope-Pflanzenschutzdienst und vom Wald-
schutz Schweiz übernommen werden.
Weiterführende Informationen
Amtlicher Österreichischer Pflanzenschutzdienst:
https://www.pflanzenschutzdienst.at/geregelte-schaedlinge-neu/gewoehnliche-uqs/phytophthora-ramorum/
Merkblatt Landschaftskammer Schleswig-Holstein, A. Frers, 17.07.2008:
https://www.lksh.de/fileadmin/PDFs/Landwirtschaft/Pflanzenschutz/Pflanzenschutzdienst/Information_zur_
Pflanzengesundheit_Merkblatt_zu_Phytophthora_ramorum.pdf
Deutsches Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI)
https://pflanzengesundheit.julius-kuehn.de/phytophthora-ramorum-1-226.html
Merkblatt JKI:
https://pflanzengesundheit.julius-kuehn.de/dokumente/upload/59131_phytophthora-ramorum_dabl.pdf
Informationsseite über die Gegenmassnahmen in Frankreich:
https://www.anses.fr/en/content/phytophthora-ramorum-monitor-its-spread-and-eradicate-contaminated-sites
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Zitierung
Auf der Maur, B.; Brännhage, J.; Prospero, S.; Gross, A., 2021: Factsheet Neomyceten. Plötzlicher Eichentod.
Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL. 4 S.
Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, www.wsl.ch
ein Forschungsinstitut des ETH-Bereichs
Herausgegeben mit finanzieller Unterstützung des Bundesamtes für Umwelt (BAFU)