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Vernal fungi in and around mountain creeks in the Thuringian Forest. Boletus 42(2):167-177.

Authors:
Manz et al.: Frühjahrspilze in und an Bergbächen 3
© 2021 – Boletus e. V.
Cathrin Manz, Felix haMpe, JoChen Girwert & Dirk wiesChollek
Frühjahrspilze in und an Bergbächen im Thüringer Wald
Manz C, haMpe F, Girwert J, wiesChollek D (2021): Vernal fungi in and around mountain creeks in the Thuringian
Forest. – Boletus 42(2): XXX.
Keywords: Aquatic fungi, Ascomycota, biodiversity, nature conservation, renaturation.
Abstract: In spring 2020, seven creeks in the Ilm district of Thuringia were investigated for the diversity of
aquatic fungi and fungi of adjacent wetland sites. 33 species were found, including three rst records for Thu-
ringia and one rst record for Germany. Selected species are portrayed and illustrated.
Zusammenfassung: Im Frühjahr 2020 wurden sieben Bachläufe im Thüringer Ilm-Kreis auf die Diversität aquatischer
Pilze und Pilze angrenzender Feuchtstandorte untersucht. 33 Arten konnten nachgewiesen werden, davon drei Erst-
nachweise für Thüringen und ein gesamtdeutscher Erstfund. Ausgewählte Arten sind portraitiert und illustriert.
Einleitung
Dass Pilze Feuchtigkeit lieben, ist ja allgemein bekannt. Sehnsüchtig beobachten wir Myko-
logen das Wettergeschehen und diskutieren über Niederschlagssummen und Gewitterpar-
zellen. Doch was, wenn der Niederschlag ausbleibt? In den letzten drei Jahren litten nicht nur
die Pilzliebhaber, sondern auch unsere heimischen Wälder und Forste unter ausgedehnten
Dürreperioden. Auch das Frühjahr 2020 war so trocken, dass wir beschlossen dort nach Pilzen
zu suchen, wo es am feuchtesten ist. Zunächst begaben wir uns in den Jüchnitzgrund bei Ge-
raberg. Das Exkursionsziel war der scharf in den Berg eingeschnittene Grund mit Blockhalden
und einigen Weißtannen, weniger der Bach selbst. Die Jüchnitz erwies sich aber als faszinie-
rend interessant, zuerst durch hier und da verharrende Feuersalamander (Abb.1), dann immer
Abb. 1: Die Feuersalamander fühlen sich in der Jüchnitz bei Geraberg dank der Renaturierungsmaßnahmen wohl.
Foto: C. Manz
Autoren:
Cathrin Manz & Felix Hampe, Wetzlarer Str. 1, 35510 Butzbach, E-Mail: cathrin-manz@web.de
Jochen Girwert, Oldenburger Str. 13, 99085 Erfurt, E-Mail: jochengirwert@freenet.de
Dirk Wieschollek, An der Falkenburg 5, 99425 Weimar, E-Mail: dirkwieschollek@aol.com
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mehr durch die im Wasser an Totholz wachsenden Pilze. Durch den Erfolg motiviert, suchten wir dar-
aufhin gezielt weitere Mittelgebirgsbäche auf (Abb. 2). Aus dem pragmatischen Grund, lange Fahrstre-
cken zu vermeiden, wurden ausschließlich Bäche des Mittleren Thüringer Waldes im Ilm-Kreis in der
Gemeinde Geratal zwischen Geraberg und Frankenhain ausgewählt. Nichtthüringer werden die unge-
fähre Lage des Gebietes durch die Wintersportstadt Oberhof verorten können, die allerdings bereits im
Landkreis Schmalkalden-Meiningen liegt. Alle aufgesuchten Bäche ießen in die Gera, die in die Elbe
entwässert. Die Berggipfel im ansteigenden Thüringer Wald erreichen hier Höhen über 700 m ü. NN.
Abb. 2: Felix Hampe in der Lütsche, auf der Suche nach aquatischen Pilzen. Foto: C. Manz
Der Naturraum wird durch forstliche Nutzung überwiegend von Fichten bestimmt. Eingestreute
Kleinode der Schönheit und Artenvielfalt, auch einer wertvollen Funga, sind Berg-Mähwiesen. Bei
Jahresniederschlägen um 900-1.250 mm (Kartendienst TLUBN 2021) wird das Gebiet gut „durch-
gespült“. Wegen der geringen Wasseraufnahmefähigkeit des Untergrundes und der starken Relie-
erung neigt der Abuss zu starken Extremen. Das Wasser rauscht die Berge herunter, gewöhnli-
cher Weise so, dass es erst an den Bergfüßen zu größeren ächigen Vernässungen kommt.
Rhyolite bilden das vorherrschende Gestein. Sie sind vulkanischen Ursprungs und bestehen vor al-
lem aus Quarz, K-Feldspat und Biotit (halDar & tišlJa 2014). Die darüber gebildeten Böden besitzen
ein geringes Nährstopotential und tendieren zu starker bis sehr starker Versauerung (hiekel et al.
2004). Damit wird es verständlich, dass auch die Bäche des Gebietes nährsto- und kalkarm sind. Sie
sind zudem schnelließend und sauerstoreich. Solche Bäche beherbergen eine besondere Funga,
Fauna und Flora (vgl. tsui, hyDe & hoDGkiss 2000). Alle aufgesuchten Bäche wurden im Rahmen des
Projekts „Waldbach – Erhalt und Entwicklung von Waldbächen im Thüringer Wald“ der naturstiFtunG
DaViD (2021) des BUND Thüringen naturnäher umstrukturiert. Bis 2018 wurden nicht unerhebli-
che Mengen an Totholz in die Bäche eingebracht, um den Strukturreichtum im Gewässerbett und
bachnahe Überutungsgebiete zu fördern. Außerdem wurden in Gewässernähe Fichten gefällt und
Laubbäume gepanzt. Durch die Beseitigung von Störstellen wurde die ökologische Durchgängig-
keit der Gewässer wiederhergestellt.
Vor allem Ascomyzetenfreunde widmen sich der mykologischen Durchforschung solcher Bäche
(vgl. püwert 2010); von einem befriedigenden ächendeckenden Kenntnisstand der Mittelge-
birgsbäche und der Bäche anderer Naturräume kann jedoch nicht die Rede sein. Jeder mit Inte-
resse, Gummistiefeln und sicherem Tritt kann versuchen, am Holz in Gewässern auch außerhalb
der Gebirge, Pilze zu nden. Die Zeit wird an schönen Bächen nicht lang. Das Finderglück hängt
davon ab, wie sauber, nähstoarm und totholzreich das jeweilige Gewässer
ist.
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Material und Methoden
Im Zeitraum vom 13.04.-21.05.2020 wurden sieben Bachläufe im Thüringer Ilm-Kreis untersucht (Abb. 3).
Abb. 3: Übersichts-
karte der untersuch-
ten Gebiete von
Norden nach Süden:
ET = Ensebachteiche
(MTB 5230/411),
E = Ensebachtal
(MTB 5230/412),
LG = Lütschegrund
(MTB 5230/414),
SG = Sieglitzgrund
(MTB 5230/432) , BK
= Bärenbach/Kehltal
(MTB 5230/434),
JG = Jüchnitzgrund
(MTB 5330/222),
SSS = Schmücker
Graben/Schnabelbach
/Steinbach
(MTB 5330/124).
Quelle: Open-
StreetMap, verän-
dert durch C. Manz
Die Bestimmung aller dokumentierten Arten erfolgte im frischen Zustand. Messungen von
mikroskopischen Strukturen wurden ausschließlich in Wasser bei 400- oder 1000-facher Ver-
größerung durchgeführt. Die aus den Bächen entnommenen Äste wurden feucht gehalten
und nach der Bestimmung der vorhandenen Pilze wieder in nahe gelegenen Bergbächen
abgelegt.
Ergebnisse
In sieben Exkursionen konnten insgesamt 33 Arten nachgewiesen werden (Tab. 1), die sich explizit
mit den ökologischen Gegebenheiten der Fließgewässer und ihrer angrenzenden Feuchtwiesen in
Verbindung bringen ließen. Einige gängige Taxa, die den Autoren normalerweise von trockeneren
Standorten bekannt sind, wurden nicht aufgenommen. Es ist davon auszugehen, dass die entspre-
chenden Äste erst nachdem sich
die Fruchtkörper dieser Arten ent-
wickelt hatten, in das Gewässer
eingetragen wurden und daher
nicht von einer Anpassung an die
Ökologie eines Feuchtstandor-
tes ausgegangen werden kann.
Die Art-Areal-Kurve (Abb. 4) zeigt
einen etwa linearen Anstieg der
Artenzahl mit jedem weiteren un-
tersuchten Gebiet auf. Daraus lässt
sich schließen, dass die zu erwar-
tende Vielfalt aquati
scher Pilze im
Gesamtgebiet weit über der hier
erfassten liegt. Abb. 4: Art-Areal-Kurve Grak: C. Manz
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Tab. 1: Nachgewiesene submerse Pilze und Pilze von Feuchtstandorten in und an Bergbächen im Ilm-Kreis.
Verwendete Abkürzungen: Die Fundorte sind in Abb. 3 erläutert. In der Spalte „Neu“ sind Erstnachweise für Thürin-
gen (TH) oder Deutschland (D) nach derzeitigem Kenntnisstand gekennzeichnet.
Pilzart JG
13.04.
E
17.04.
LG
19.04.
SG
23.04.
BK
30.04.
SSS
16.05.
ET
21.05.
Neu
submers
Anguillospora crassa Ingold 1 1  TH
Annulusmagnus triseptatus (S.W. Wong, K.D. Hyde &
E.B.G. Jones) J. Campb. & Sheare 1   
Atractospora ellipsoidea (W.H. Ho, C.K.M. Tsui, Hodgkiss
& K.D. Hyde) Réblová & J. Fourn. 1   
Bulbillomyces farinosus (Bres.) Jülich 1 1 1
Casaresia sphagnorum Gonz. Frag. 1
Cudoniella clavus (Alb. & Schwein.) Dennis 1 1 1 1
Graddonia coracina (Bres.) Dennis 1 1 1 1 1
Hymenoscyphus imberbis (Bull.) Dennis 1
Hymenoscyphus kathiae (Korf ) Baral 1 1 1 1 1
Minutisphaera japonica Kaz. Tanaka, Raja & Shearer 1 TH
Mollisia pulviniformis ad. int. 1 1
Mollisia rivularis (Svrček) L.G. Krieglst. 1 1
Phomatospora helvetica H. Wegelin 1 1 1  TH
Trematosphaeria hydrela (Rehm) Sacc. 1 1 1 1
Vibrissea catarhyta (Kirschst.) Baral 1
Vibrissea decolorans (Saut.) A. Sánchez & Korf 1 1 1
Vibrissea avovirens (Pers.) Korf & J.R. Dixon 1 1 1 1
Vibrissea truncorum (Alb. & Schwein.) Fr. 1 1
Feuchtstandorte
Adelphella babingtonii (Berk. & Broome) Pster, Matočec
& I. Kušan
1  1
Bryoscyphus tetrasporus nom. prov. 1 D
Cistella fugiens (W. Phillips) Matheis 1
Cyathicula cyathoidea (Bull.) Thüm. 1   
Hymenoscyphus vernus (Boud.) Dennis 1 1
Lachnum tenuipilosum Svrček 1 
Mitrula paludosa Fr. 1 1 
Myriosclerotinia curreyana (Berk.) N.F. Buchw. 1
Olla millepunctata (Lib.) Svrcek 1
Orbilia eucalypti (W. Phillips & Harkn.) Sacc. 1   
Psilachnum chrysostigmum (Fr.) Raitv. 1
Pyrenopeziza pulveracea (Fuckel) Gremmen 1 
Pyrenopeziza rubi (Fr.) Rehm 1 
Resinomycena saccharifera (Berk. & Broome) Redhead 1
Triphragmium ulmariae (DC.) Link 1
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Informationen zu ausgewählten Funden
Graddonia coracina (Bres.) Dennis
Die Art erscheint früh im Jahr und war in den untersuchten Bächen am häugsten vertreten. In der
Regel fanden wir an einem Standort viele verschiedene Äste mit zahlreichen Fruchtkörpern dieser
Art. Die Färbung der Fruchtkörper ist sehr variabel und reicht von grau über creme bis schmutzig rot-
braun, abhängig vom Alter (Abb. 5 A-B). Die dunkel gerandeten, ach aufsitzenden Apothecien kön-
nen leicht eine Vibrissea-Art vortäuschen! Graddonia Dennis ist eine monotypische Gattung innerhalb
der Leotiomycetes O.E. Erikss. & Winka (hustaD & Miller 2011). Typisch für ihren einzigen Vertreter sind
die hyalinen Ascosporen, die mit zahlreichen kleinen Öltropfen komplett ausgefüllt sind (Abb. 5 C).
A
bb. 5: Ascomycota verschiedener Feuchtstandor te. – A-C: Graddonia coracina. – D: Totholzreicher Abschnitt der
Jüchnitz bei Geraberg. – E: Vibrissea decolorans. F: Vibrissea catarhyta. Fotos: C. Manz (a-e) & D. wiesChollek (F)
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Vibrissea Fr.
Diese Gattung war im Untersuchungsgebiet am artenreichsten. Neben den häugeren Ar-
ten V. avovirens (Pers.) Korf & J.R. Dixon, V. truncorum (Alb. & Schwein.) Fr. (Abb. 6) und
V. decolorans (Saut.) A. Sánchez & Korf (Abb. 5 E) konnte im Sieglitzgrund auch die seltene
V.catarhyta (Kirschst.) Baral (Abb. 5 F) nachgewiesen werden. Mikroskopisch fällt sie durch
ihre für die Gattung sehr kurzen 3-fach septierten Ascosporen mit einer Länge von 40-60
µm und hemiamyloider Reaktion der Sporenwand auf (Baral, linDeMann & wiesChollek 2017).
Abb. 6: Vibrissea truncorum – Standortaufnahme im Ensebach am 17.04.2020 Foto: C. Manz
Phomatospora helvetica H. Wegelin
Das Taxon konnte zum ersten Mal für Thüringen nachgewiesen werden. Der Pilz färbt als einzige be-
kannte Art der Gattung das umgebende Substrat gelb (Abb. 7 A) (weGelin 1894, senn-irlet et al. 2021).
Die Sporen der Art sind, wie für die gesamte Gattung typisch, längsstreig (Abb. 7 B). Im Gegensatz
zu anderen aquatischen Phomatospora-Arten hat diese Art Sporen ohne Anhängsel (Fournier & leChat
2010). Die Gattung Phomatospora Sacc. gehört in die Ordnung der Phomatosporales Senan., Maha-
rachch. & K.D. Hyde innerhalb der Sordariomycetes O.E. Erikss. & Winka (senanayake et al. 2016).
Minutisphaera japonica Kaz. Tanaka, Raja & Shearer
Die Art ist ebenfalls neu für Thüringen. Sie wurde 2013 von untergetauchtem Holz in Flüs-
sen in Japan beschrieben (raya et al. 2013). Der Pilz bildet apothecioide Fruchtkörper und die
Ascosporen sind dunkel pigmentiert, einfach septiert, haben eine gelatinöse Hülle und sind
asymmetrisch, mit einer apikal breiteren Sporenhälfte (Abb. 7 D). Die Gattung Minutisphaera
Shearer, A.N. Mill. & A. Ferrer gehört in die Ordnung der Minutisphaerales innerhalb der Dothi-
deomycetes Raja, Oberlies, Shearer & A.N. Mill. (raJa et al. 2015).
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Abb. 7: Ascomycota verschiedener Feuchtstandorte. – A: Phomatospora helvetica - Eingesenkte Ascomata,
mit gelb verfärbtem Holz. – B: P. helvetica - Längsstreige Ascosporen. Maßstab = 10 µm. – C: Ascosporen von
Trematosphaeria hydrela. Maßstab = 20 µm. – D: Ascosporen von Minutisphaera japonica. Maßstab = 10 µm.
–E: Adelphella babingtonii - Fruchtkörper. – F: A. babingtonii - Ascosporen. Maßstab = 10 µm. Fotos: C. Manz
Bryoscyphus tetrasporus nom. prov.
Auf einer Sumpfwiese angrenzend an die Ensebachteiche fanden wir einen kleinen weißen
Becher an Sphagnum sp., der makroskopisch einer Bryoscyphus- oder Phaeohelotium-Art äh-
nelte (Abb. 8 A). Unter dem Mikroskop zeigten sich jedoch riesige Ascosporen in viersporigen
Schläuchen (Abb. 8 B)! Nach Abgleich mit der Datenbank von Hans-Otto Baral konnten wir un-
seren Fund einer bisher noch unbeschriebenen Art zuordnen (Baral 2021), die bisher nur aus
Spanien und Norwegen bekannt war und hier erstmalig in Deutschland nachgewiesen wurde.
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Abb. 8: Pilze von der Sumpfwiese am Rande der Ensebachteiche. – A: Bryoscyphus tetrasporus nom. prov. an
Sphagnum sp. - Fruchtkörper. – B: B. tetrasporus nom. prov. - Ascosporen in Wasser. Maßstab = 10 µm. Detail: 4-spo-
riger Ascus mit amyloidem Porus in Baral‘scher Lösung. C: Cudoniella cf. clavus an Juncus eusus. – D: Standort-
aufnahme des Biotops. – E: Resinomycena saccharifera an J. eusus. – F: Myriosclerotinia curreyana an J. eusus.
Fotos: D. wiesChollek (A-C) & C. Manz (D-F)
Kurzbeschreibung der Aufsammlung: Apothecien 0,3-0,8 mm groß, sitzend an Stängeln von
Sphagnum sp., erst weiß bis schmutzig weiß, bei Verletzung und im Alter braunrot verfärbend.
Ascosporen sehr variabel in der Form, schmal-elliptisch bis spindelig, zu den Polen verjüngt,
oft leicht gebogen und unsymmetrisch mit einer langgestreckten stärker verjüngten und einer
etwas gestauchten Hälfte, mit zahlreichen kleinen Öltropfen gefüllt, (28-)32-39 x 7,5-8,5 µm.
Asci 4-sporig, ca. 150 x 12 µm, J+ (blau), uniseriat. Paraphysen ca. 70 x 3 µm, zur Spitze hin leicht
keulig verdickt, mit zahlreichen Öltropfen gefüllt und feinen Auagerungen.
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Cudoniella clavus (Alb. & Schwein.) Dennis
Eine Kollektion von Cudoniella cf. clavus auf abgestorbenen feuchtliegenden Stängeln der
Flatterbinse (Juncus eusus) veranlasste uns aufgrund ihres speziellen Substrats zu einer
tiefergehenden Literaturrecherche. 1934 beschrieb Velenovský Helotium juncisedum Velen.
Aus der kurzen Beschreibung und Illustration Velenovskýs gehen, bis auf das Substrat, kei-
ne deutlichen Unterschiede zu Cudoniella clavus hervor (Velenowský 1934). Das Typusmateri-
al wurde 1985 von Svrček untersucht. Er beschreibt die Struktur des Exipulums als textura
globulosa-angularis (sVrček 1985), während unser Fund eine textura intricata aufwies. In einer
Beschreibung von C. junciseda von Dennis wird das Taxon wiederum mit einer textura prisma-
tica beschrieben (Dennis 1962). Aufgrund der Widersprüchlichkeit der Literatur und der Tatsa-
che, dass die Sporen unserer Kollektion breiter waren als für C. junciseda angegeben, haben
wir den Namen für die Bestimmung unserer Kollektion verworfen und vermuten eine etwas
untypische Aufsammlung von C. clavus. Die Asci unserer Aufsammlung zeigten in Lugol eine
schwache aber deutlich blaue J+ Reaktion, während C. clavus in der Literatur als J- geführt
wird. Interessanterweise konnte allerdings z. B. für Phaeohelotium epiphyllum (Pers.) Hengstm.
herausgefunden werden, dass manche Aufsammlungen J+ und andere J- reagierten, obwohl
die ITS-Sequenzen der Aufsammlungen identisch sind (Baral, pers. Mitteilung). Für zukünftige
Untersuchungen wäre es sicherlich interessant, Cudoniella-Aufsammlungen an Juncus mole-
kular zu analysieren.
Anguillospora crassa Ingold
Der Pilz ist ein aquatischer Hyphomyzet mit langen fusiformen, sigmoiden oder unterschied-
lich gekrümmten Konidien, manchmal mit aufgeblähten Zellen (Abb. 9). Webster konnte be-
reits 1961 mit Hilfe von Kultivierungsversuchen zeigen, dass die Teleomorphe dieses Schim-
mels zur Gattung Mollisia (Fr.) P. Karst. gehört (weBster 1961). Erst ca. 30 Jahre später und nach
weiteren Untersuchungen bestimmte er diese als Mollisia uda (Pers.) Gillet (weBster 1992) und
meinte damit vermutlich die Spezies, die wir als Mollisia pulviniformis ad. int. bezeichnen. Nach
der „One fungus one name“-Regel müssten wir unseren Fund folglich als M. pulviniformis ad.
int. kartieren. Allerdings steckt hinter A. crassa vermutlich ein Artenkomplex und aufgrund der
morphologischen Variabilität ist es nicht ausgeschlossen, dass mehrere verschiedene
Haupt-
fruchtformen mit dem Schimmel, den man als A. crassa bestimmt, assoziiert sind (Ba
sChien,
MarVanoVá & szewzyk 2004). Weitere Untersuchungen und Sequenzierungen sind notwen-
dig, um diese Frage endgültig zu klären. Bis dahin verwenden wir weiterhin den Namen des
Anamorphstadiums.
Abb. 9: Anguillospora crassaA: Anamorphstadium. – B: Konidien in Wasser. Maßstab = 20 µm. Fotos: C. Manz
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Anmerkungen zur Morphologie aquatischer Discomyzeten
Die Discomyzeten aquatischer oder extremer Feuchtstandorte sind oft dadurch gekennzeich-
net, dass die Fruchtkörper keine schüsselförmig-konkave Fruchtkörpermorphologie zeigen,
sondern konvex-linsenförmige oder aufgequollen-aufgewölbte Fruchtkörper ausbilden. Im
Gegensatz zu Discomyzeten in trockeneren Standorten muss das Hymenium in der Regel
nicht vor Austrocknung durch Wind und Sonneneinstrahlung geschützt werden. Gerade bei
Discomyzeten, deren Fruchtkörper nicht submers, sondern in unmittelbarer Nähe der Gewäs-
ser wachsen, ist es vorteilhaft, den Ablauf von überschüssigem Wasser zu vereinfachen, um
ein ungehindertes Abschleudern und Verbreiten der Ascosporen zu ermöglichen. Dies wird
durch eine gewölbte Fruchtkörperoberäche begünstigt.
Diskussion
Der Schwerpunkt unserer Beobachtungen lag deutlich auf bereits mit dem bloßen Auge
erkennbaren Discomyzeten und wenigen Pyrenomyzeten. Die Anzahl der nachgewiesenen
Arten ließe sich sicherlich durch Entnahme größerer Mengen an Ästen, die im Gelände unauf-
fällig aussehen und anschließender gründlicher Untersuchung unter der Stereolupe deutlich
erhöhen. Allerdings sei angemerkt, dass an nahezu jedem der aus den Bächen entnommenen
Äste auch Gelege, Larven oder adulte sesshafte Individuen aquatischer Insekten und anderer
Kleintiere vorzunden waren. Aus Naturschutzgründen ist deshalb sorgsam abzuwägen, ob
eine Entnahme des untersuchten Substrats mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Erkenntnisge-
winn bezüglich der Alpha-Diversität der Funga eines Gebiets liefern könnte. In dieser Studie
wurde deshalb auf die Entnahme von Ästen ohne oensichtlichen Bewuchs durch bisher nicht
nachgewiesene Pilzarten verzichtet. Um die Diversität aquatischer Hyphomyzeten genauer
zu untersuchen, sind spezielle Methoden, wie das Ausbringen von Ködern (sterile Blätter in
Netzen) oder die Filtration des Wassers mit Spezialltern notwendig, um frei schwimmende
Sporen nden zu können. Die Anwendung dieser Methoden sowie zusätzliche Begehungen
in den Sommermonaten würden sicherlich spannende neue Ergebnisse über die Artenvielfalt
des untersuchten Gebiets liefern.
Danksagung
Wir danken Hans-Otto Baral (Tübingen) für den Austausch bezüglich Bryoscyphus tetrasporus
nom. prov. und Cudoniella junciseda. Wir bedanken uns außerdem bei Hartmut Schubert (Harz-
gerode), der uns bei der Bestimmung aquatischer Pyrenomyzeten unterstützt hat. Bei Lothar
Krieglsteiner (Spraitbach) bedanken wir uns herzlich für die Durchsicht des Manuskripts.
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Phylogenetic relationships are currently unknown for many taxa of discomycetes. Type species of three genera of Leotiomycetes (Graddonia, Propolis, and Strossmayeria) and a representative of Vibrissea were sequenced for the 28S nuclear ribosomal large subunit (LSU) to determine their phylogenetic affinities. A phylogeny of the Leotiomycetes, including numerous helotialean taxa, was constructed under maximum likelihood and Bayesian inference. All four genera occurred in the Leotiomycetes. Graddonia occurred as an unsupported sister clade to the aero-aquatic genera Lambertella and Spirosphaera. Propolis formed a strongly supported clade with Cyclaneusma, Marthamyces, Melittosporium, and Naemacyclus as an early-diverging member of the Leotiomycetes, while the placement of Strossmayeria and Vibrissea was supported in the Vibrissea-Loramyces clade.
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Woody substrates were collected in 5 freshwater streams in Hong Kong and the fungi on these substrates were investigated. A total of 153 species were identified, comprising 61 ascomycete and 92 mitosporic taxa, and 20% were previously undescribed. About 30% of the ascomycetes belonged to the genera Annulatascus (Annulatascaceae), Aniptodera, Savoryella (Halosphaeriaceae), Ophioceras, Pseudohalonectria (Magnaporthaceae) and Massarina (Lophiostomataceae). Endophragmiella, Helicosporium and Sporoschisma were common mitosporic genera. Species overlap occurred between different streams, and a few fungi were common in Hong Kong streams. Species composition in the Tung Chung River was distinct, and factors causing variations are discussed. Sampling techniques, the ecological role and distribution of fungi on submerged wood are discussed.
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Fructifications of a Mollisia appeared in g-month-old multispore isolates of Anguilkspora crassa. Isolates from ascospores confirmed that the two states are genetically identical.
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Ascomyceten der Schweiz -seltene und wenig dokumentierte Arten
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