Technical ReportPDF Available

Transformation wagen. Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort

Authors:

Abstract

Die Transformationswerkstatt ist ein Weiterbildungsformat für Mitarbeitende öffentlicher Verwaltungen. Es soll ihre Kompetenzen bei der Gestaltung gesellschaftlicher Transformationen stärken. Das Format wurde 2020/21 im Umweltressort erprobt. Es kombiniert praxisorientiert die Vermittlung von Grundlagenwissen und methodischen Fähigkeiten. Der vorliegende Abschlussbericht beschreibt den Entstehungskontext und den methodischen Ansatz für die Entwicklung des Programms. Zudem stellt er die Evaluationsergebnisse vor.
Texte
165/2021
Für Mensch & Umwelt
Transformation wagen
Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
Abschlussbericht
TEXTE 165/2021
Ressortforschungsplan des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
Forschungskennzahl 3717 11 01 2
FB000703
Abschlussbericht
Transformation wagen
Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
von
Klaus Jacob und Julia Teebken (FFU)
Caroline Paulick-Thiel, Blasius Walch und Henrike Alt
(P4T / nextlearning e. V.)
Unter Mitarbeit von:
Sylvia Veit (Universität Kassel), Mandy Singer-Brodowski
(Freie Universität Berlin), Sabine Junginger (Hochschule
Luzern), Susanne Stövhase (Education Innovation Lab
Berlin), Nicole Mitchell und Lisa Graaf (FFU), Anna
Várnai, Philipp Rösler, Andrej Balaz und Eva Köppen (P4T
/ nextlearning e. V.)
Im Auftrag des Umweltbundesamtes
Impressum
Herausgeber
Umweltbundesamt
Wörlitzer Platz 1
06844 Dessau-Roßlau
Tel: +49 340-2103-0
Fax: +49 340-2103-2285
buergerservice@uba.de
Internet: www.umweltbundesamt.de
/umweltbundesamt.de
/umweltbundesamt
Durchführung der Studie:
Forschungszentrum für Umweltpolitik, Ihnestr. 22, 14195 Berlin
Zusammen mit:
Politics for Tomorrow c/o nextlearning e. V., Dresdener Str. 119, 10999 Berlin
Abschlussdatum:
Oktober 2021
Redaktion:
Daniel Eichhorn (FG I 1.1 Umweltbundesamt)
Publikationen als pdf:
http://www.umweltbundesamt.de/publikationen
ISSN 1862-4804
Dessau-Roßlau, Dezember 2021
Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
5
Kurzbeschreibung: Transformationen Wagen - Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
Die Mitarbeiter*innen politischer Verwaltungen tragen eine besondere Verantwortung für die
Gestaltung sozial-ökologischer Transformationen und eines gerechten Übergangs zur Nachhal-
tigkeit in allen Sektoren. Sie spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung und Umsetzung nati-
onaler, europäischer und internationaler Politik und müssen daher die Schnittstelle zwischen
politischen Entscheidungsträger*innen und der Öffentlichkeit nicht nur verwalten, sondern auch
erfolgreich gestalten. Ihre Organisationen bereiten politische Entscheidungen vor, die teilweise
lang andauernde Auswirkungen auf die Zukunft haben können. Für die Gestaltung und den Um-
gang mit diesen Entscheidungen benötigen Mitarbeiter*innen politischer Verwaltungen indivi-
duelle und kollektive Transformationskompetenzen (transformative literacy).
Der vorliegende Abschlussbericht stellt die Ergebnisse des Forschungsprojekts Transformatio-
nen Wagen(Laufzeit: 2017-2021) vor, das sich mit dem Aufbau von Kompetenzen zur erfolgrei-
chen Gestaltung und Begleitung gesellschaftlicher Transformationen im Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und seinen nachgeordneten Behörden be-
fasste. In diesem Zusammenhang wurde eine Lernwerkstatt zur transformative literacy mit und
für die Mitarbeiter*innen entwickelt und umgesetzt. Dieses Programm dieTransformations-
werkstatt“ – wurde iterativ entwickelt und von Mai 2020 bis Januar 2021 zum ersten Mal durch-
geführt. Diese erste Auflage stieß auf große Resonanz. Das entwickelte Programm bietet eine
erste solide Grundlage für die Verbreitung sowie für die Ausweitung auf andere Ministerien und
Behörden. Es sollte fortentwickelt werden.
In den folgenden Abschnitten werden der Entstehungskontext, der methodische Ansatz für die
Entwicklung des Programms, seine Eckpunkte und die wichtigsten Schlussfolgerungen aus der
Umsetzung und Evaluation vorgestellt. Eine kurze Vorstellung und Fragen und Antworten zu
dem Programm ist in einem zusätzlichen Dokument zu finden.
Abstract: Daring to Transform - Developing a learning laboratory in the Environmental Ministry
Employees of political administrations bear a special responsibility for shaping socio-ecological
transformations and a just transition to sustainability in all sectors. They play a key role in the
development and implementation of national, European and international policies and must
therefore not only manage the interface between policy makers and the public, but also success-
fully shape it. Their organizations prepare policy decisions, some of which can have long-lasting
effects on the future. In order to shape and deal with these decisions, employees of political ad-
ministrations need individual and collective transformative literacy.
This final report presents the results of the research project "Transformations Wagen" (“Daring
to Transform”) (duration: 2017-2021), which focused on building competencies for successfully
shaping and accompanying societal transformations in the Federal Ministry for the Environ-
ment, Nature Conservation and Nuclear Safety (BMU) and its subordinate authorities. In this
context, a learning workshop on transformative literacy was developed and implemented with
and for employees. This program the "transformation workshop" was developed iteratively
and conducted from May 2020 to January 2021. This first edition met with a great response. The
developed program provides a first solid basis for dissemination as well as for expansion to
other ministries and agencies. It should be further developed.
The following chapters present the context in which the program was set up, the methodological
approach for its development, its cornerstones and the main conclusions drawn from the imple-
mentation and evaluation. A brief introduction and main questions and answers about the pro-
gram can be found in an additional document (in German).
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
6
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................................... 6
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................................. 9
Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................................................... 10
Zusammenfassung ................................................................................................................................. 11
Summary ............................................................................................................................................... 13
1 Einleitung ....................................................................................................................................... 15
2 Transformation und Umweltpolitik: Neue Herausforderungen an politisch-administrative
Organisationen .............................................................................................................................. 17
2.1 Ökologische Belastungsgrenzen ........................................................................................... 17
2.2 Komplexe Probleme und anstehende Wandelprozesse ....................................................... 17
2.3 (Neue) Anforderungen an politisch-administrative Organisationen .................................... 19
2.4 Die Rolle von politisch-administrativen Organisationen bei der Gestaltung von
Transformationen ................................................................................................................. 20
3 Methodisches Vorgehen ............................................................................................................... 23
3.1 Recherche: Literaturanalyse ................................................................................................. 23
3.1.1 Literaturstudie „Nachhaltigkeitstransformationen und die Rolle von politisch-
administrativen Organisationen“ ...................................................................................... 23
3.1.2 Literaturstudie „Organisationales Lernen: Veränderungsprozesse in politisch-
administrativen Organisationen“ ...................................................................................... 24
3.1.3 Entwurf für „Transformationskompetenzen“ in politisch-administrativen
Organisationen .................................................................................................................. 24
3.2 Empirische Untersuchung teilnehmender Organisationen .................................................. 25
3.3 Konzeptionsphase: Design-Sprint und Pilotierung ............................................................... 26
3.3.1 Design-Sprint ..................................................................................................................... 26
3.3.2 Pilotierung ......................................................................................................................... 27
3.3.3 Durchführung: Programmanpassung aufgrund von Covid-19: Hybride
Transformationswerkstatt ................................................................................................ 28
3.4 Entwurf von Evaluationskriterien und -maßnahmen............................................................ 29
4 Befunde: Problemwahrnehmungen und Transformationsbedarfe .............................................. 30
4.1 Verwaltungsbedingte Anforderungen an das Lernprogramm .............................................. 30
4.2 Interviews .............................................................................................................................. 33
4.2.1 Wahrnehmung und Einschätzungen von Wandel und Transformationen ....................... 33
4.2.2 Rolle der eigenen Organisation ........................................................................................ 34
4.2.3 Kompetenzbedarfe in UBA und BMU ............................................................................... 36
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
7
4.2.3.1 Organisations- und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit .................................. 36
4.2.3.2 Kommunikation als Schlüssel ........................................................................................ 36
4.3 Persona-Entwicklung ............................................................................................................. 37
4.3.1 Vier Transformationsdesign-Typen innerhalb der politischen Verwaltung ...................... 37
4.3.1.1 Persona A (Paul): Organisatorische Prozesse ............................................................... 37
4.3.1.2 Persona B (Anja): Politische Prozesse ........................................................................... 38
4.3.1.3 Persona C (Marianne): Gesellschaftliche Prozesse ....................................................... 38
4.3.1.4 Persona D (Alexander): Politikrelevante Forschung ..................................................... 39
4.3.2 Schlussfolgerungen für das Lernprogramm ...................................................................... 39
5 Konzeption der Transformationswerkstatt ................................................................................... 41
5.1 Programmziele ...................................................................................................................... 41
5.2 Didaktik ................................................................................................................................. 42
5.2.1 Lernansatz der Transformationswerkstatt ....................................................................... 42
5.2.2 Herausforderungsbasiertes Lernen .................................................................................. 43
5.2.3 Didaktische Grundhaltungen der Transformationswerkstatt ........................................... 43
5.2.4 Grundlegende Prinzipien .................................................................................................. 44
5.3 Aufbau der Transformationswerkstatt ................................................................................. 46
5.3.1 Modul 1: Probleme systemisch verstehen und transformativ angehen .......................... 48
5.3.2 Modul 2: Perspektiven reflektieren und Realitäten erkunden ......................................... 48
5.3.3 Modul 3: Transformative Ideen und Innovationen entwickeln ........................................ 49
5.3.4 Modul 4: Veränderungen begleiten und kulturellen Wandel gestalten ........................... 49
6 Evaluation der Umsetzung ............................................................................................................ 51
6.1 Mehrstufige Evaluation ......................................................................................................... 51
6.2 Evaluationsergebnisse........................................................................................................... 52
6.2.1 Anspruchsvolles, gutes Weiterbildungsprogramm ........................................................... 52
6.2.2 „Externe“ Rahmenbedingungen spielen eine wichtige Rolle, Aneignung komplex ......... 53
6.2.3 Vielfältige Blickwinkel, Methoden und Theorien .............................................................. 54
6.2.4 Organisationsübergreifende Zusammenarbeit als wichtiger Mehrwert des
Programms ........................................................................................................................ 55
6.2.5 Selbstwirksamkeit spielt eine große Rolle ........................................................................ 55
6.2.6 Erwartungsmanagement und Bescheidenheit gegenüber Transformationen ................. 56
7 Schlussfolgerungen........................................................................................................................ 58
7.1 Programmrahmen beibehalten, leicht erweitern ................................................................. 58
7.2 Aktionsphasen und Aneignung stärken ................................................................................ 59
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
8
7.3 Gruppenarbeit und herausforderungsbasiertes Lernen ....................................................... 59
7.4 Weiterer Forschungsbedarf .................................................................................................. 60
7.4.1 Organisationales Lernen in Organisationen...................................................................... 60
7.4.2 Handlungsspielräume in der Organisation ....................................................................... 61
7.4.3 Zusammenarbeit und herausforderungsbasiertes Lernen ............................................... 61
7.4.4 Zusammenwirken mit anderen Organisationen ............................................................... 62
7.4.5 Methodische Erweiterung ................................................................................................ 62
7.4.6 Skalierbarkeit des Programms .......................................................................................... 62
Quellenverzeichnis ................................................................................................................................ 64
A Anhang .......................................................................................................................................... 68
A.1 Feedback zur Nützlichkeit der Themen in Modul 1 .............................................................. 68
A.2 Feedback zur Nützlichkeit der Themen in Modul 2 .............................................................. 69
A.3 Feedback zur Nützlichkeit der Themen in Modul 3 .............................................................. 70
A.4 Feedback zur Nützlichkeit der Themen in Modul 4 .............................................................. 71
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
9
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Prozessdesign basierend auf „Double Diamond" .............................. 25
Abbildung 2: Arbeitssituation im Design-Sprint und in der Pilotierung .................. 27
Abbildung 3: Entstehung der Transformationswerkstatt als Reiseroute (damals
noch Innovationswerkstatt) ..................................................... 29
Abbildung 4: Passives und aktives Lernen anhand der Erinnerungs-Quote ........... 42
Abbildung 5: Haltungen, die in der Transformationswerkstatt gefördert werden . 46
Abbildung 6: Generischer Ablauf einer Transformationswerkstatt ........................ 47
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
10
Abkürzungsverzeichnis
BASE
Bundesamt für kerntechnische Entsorgung
BMU
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
REFOPLAN
Ressortforschungsplan
TrafoWag
Transformation Wagen
TrafoWerk
Transformationswerkstatt
TN
Teilnehmer*innen
UBA
Umweltbundesamt, Dessau
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
11
Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund (neuer) komplexer Problemlagen und Anforderungen an Politik, Wirt-
schaft und Gesellschaft, führt Kapitel 1 in die Thematik und Weiterbildungsbedarfe für Transfor-
mationskompetenzen ein. Umweltpolitik ist mit stetig wachsenden Transformationsbedarfen
konfrontiert. Diese sind mit besonderen Herausforderungen für die politische Verwaltung ver-
bunden, die in Kapitel 2 dargelegt werden.
Die drohende oder bereits eingetretene Überschreitung ökologischer Belastungsgrenzen erhöht
den Handlungs- und Veränderungsdruck auf Politik und Gesellschaft. Immer deutlicher wird die
Notwendigkeit eines umfassenden und gesamtgesellschaftlichen Wandels (Kapitel 2.1). Zwar
zeichnet sich Wandel schon ab, aber dieser reicht nicht aus oder ist zu langsam. Das hat struktu-
relle Gründe, die oft als eine eigene Klasse komplexer und vertrackter Politikprobleme (“wicked
problems”) beschrieben werden (Kapitel 2.2). Charakteristiken dieser Art von Problemen wer-
den in diesem Kapitel kurz vorgestellt, wie auch eine Kritik des Konzepts. In jedem Fall können
Transformationen selbst als eigenständiger Problemtyp verstanden werden, mit neuen und ver-
änderten Anforderungen an das Handeln von politischen Organisationen. Damit werden neue
Arbeitsweisen und Transformationskompetenzen (transformative literacy) notwendig, die in-
terdisziplinäre, interorganisationale, ressortübergreifende und internationale Aspekte einbezie-
hen (Kapitel 2.3). Politische Verwaltungen sollten im Kontext dieser Veränderungsprozesse eine
unterstützende Rolle einnehmen und unterschiedliche staatliche wie nichtstaatliche Akteure in
Verbindung bringen, relevantes Wissen sammeln, Innovationen ermöglichen und Möglichkeits-
fenster nutzen (Kapitel 2.4).
Kapitel 3 beschreibt den Prozess und das methodische Vorgehen zur Entwicklung eines Pro-
gramms, bei dem Transformationskompetenzen innerhalb der politischen Verwaltung aufgebaut
werden (die Transformationswerkstatt”, kurz: TrafoWerk”). Der Prozess beinhaltete mehrere
aufeinander aufbauende Schritte. Zuerst wurden die Anforderungen und Bedarfe für das Pro-
gramm ermittelt. Es fand zunächst eine umfangreiche Literaturanalyse statt (Kapitel 3.1). Diese
Wissensbestände wurden durch eine Bedarfsanalyse anhand leitfadengestützter Interviews mit
Personen aus der umweltpolitischen Verwaltung auf Bundesebene ergänzt (Kapitel 3.2). Die
Konzeptionsphase (Kapitel 3.3) bestand aus prototypischen Veranstaltungen im Rahmen von
sogenannten „Design-Sprints und einer Pilotierung (Testphase), in der erste Formatideen mit
Zielgruppen getestet wurden. Begleitend zur Programmdurchführung wurde eine Evaluation
durchgeführt (Kapitel 3.4), auch um die Bedarfe der Teilnehmer*innen konstant im Blick zu be-
halten.
Kapitel 4 legt die Befunde aus der Analyse des Forschungsstands und der Interviews mit Perso-
nen aus der umweltpolitischen Verwaltung auf Bundesebene dar. Die Anforderungen der Ver-
waltung an das Lernprogramm, welche in der akademischen Literatur identifiziert wurden, wer-
den beschrieben (Kapitel 4.1). Anschließend werden die Bedarfe erörtert, welche sich aus den
Interviews mit den Mitarbeiter*innen des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Re-
aktorsicherheit (BMU) und Umweltbundesamt (UBA) ergeben haben (Kapitel 4.2). Aus den In-
terviews wurden Personas entwickelt. Diese beschreiben verschiedene Typen von Verwaltungs-
mitarbeiter*innen in ihrem Umgang mit Transformationsherausforderungen, ihrer Ziele und Be-
dürfnisse (Kapitel 4.3). Durch die Typisierung werden die unterschiedlichen Motivationen der
Beteiligten, ihre Gestaltungsspielräume und Kontexte, in denen sie wirken, deutlicher.
Diese Befunde zu Bedarfen legen die Grundlage für die Konzeption der Transformationswerk-
statt (TrafoWerk) (Kapitel 5). Der Abschnitt beschreibt die Herangehensweise an die Konzep-
tion der TrafoWerk und den grundlegenden Aufbau des Programms. Dafür werden die Pro-
grammziele beschrieben (Kapitel 5.1), die didaktische Herangehensweise (Kapitel 5.2) und die
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
12
Struktur dargelegt (Kapitel 5.3). Neben dem herausforderungsbasierten Lernen und anderen di-
daktischen Grundhaltungen liegen der TrafoWerk Kernprinzipien der Programmgestaltung zu-
grunde, darunter ein experimentierendes und iterierendes Vorgehen. Die Teilnehmer*innen
werden immer wieder ermutigt, Ideen auszuprobieren, umzusetzen, aber auch sie wieder ver-
werfen zu können. Dabei sollen auch die Aneignung und der Transfer in den eigenen Arbeitsall-
tag im Rahmen einer Aktionsphase erprobt werden.
Der Aufbau der TrafoWerk ist in vier Kernmodule untergliedert. Modul 1 widmet sich der Frage,
was eine systemische und transformative Herangehensweise bedeutet. Modul 2 wechselt die
Perspektive und reflektiert unterschiedliche Realitäten. Modul 3 legt dar, wie transformative
Ideen und Innovationen entwickelt werden können. Modul 4 geht auf die notwendige Kehrseite
von Innovationen ein, den „Exnovationen“, und widmet sich zudem der Frage, was kultureller
Wandel bedeutet und wie man Durchhaltevermögen entwickeln kann um Veränderung (langfris-
tig) zu begleiten.
Parallel sowie im Anschluss zur ersten Durchführung der Transformationswerkstatt (Mai 2020
bis Januar 2021) fand eine umfangreiche Evaluation statt. Kapitel 6 legt das mehrstufige Evalua-
tionskonzept (Kapitel 6.1) und die Haupterkenntnisse (Kapitel 6.2) dar. Ziel der Evaluation war
es, herauszufinden, ob die anfangs gesteckten Ziele des Weiterbildungsprogramms erreicht wur-
den und ob das Bildungskonzept dafür geeignet war. Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilneh-
mer*innen die TrafoWerk als ein anspruchsvolles und gutes Weiterbildungsprogramm schätzen.
Aufgrund des empfundenen Zeitmangels, der Covid-19-Pandemie und der (noch fehlenden) Ein-
bettung in die eigene Organisationskulturen erschien die Umsetzung der Inhalte einigen Teil-
nehmer*innen sehr herausfordernd. Für die Evaluation Interviewte hoben jedoch auch die viel-
fältigen Blickwinkel, Methoden und Theorien der TrafoWerk hervor. Die organisationsübergrei-
fende Zusammenarbeit wurde immer wieder als wichtiger Mehrwert des Programms betont. Zu-
dem wurde festgestellt, dass das Erwartungsmanagement seitens der Programmausrichtenden
sowie die Haltung, der Gestaltbarkeit von Transformationen in einer komplexen Welt gegenüber
bescheiden zu bleiben, wichtige Verbesserungspotentiale bieten.
Kapitel 7 widmet sich den Schlussfolgerungen, die sich aus der Durchführung und Evaluation
des Programms ziehen lassen. Insgesamt ermutigen die Rückmeldungen der Teilnehmer*innen
dazu, die als gut bewerteten Punkte beizubehalten und das Programm an den in Kapitel 7.1 ge-
nannten Punkten weiterzuentwickeln. Die Aktionsphasen zwischen den Modulen der Werkstatt
sollten gestärkt werden, um den Transfer von Inhalten und Methoden in den eigenen Arbeitsall-
tag zu gewährleisten (Kapitel 7.2). Dazu empfiehlt es sich, mehr Zeit für diese Zwischenlernpha-
sen einzuplanen und dies im Vorfeld gut zu kommunizieren. Die Kommunikation mit Teilneh-
mer*innen sollte noch stärker in den Blick genommen werden, auch wenn dies zusätzliche Zeit-
ressourcen erfordert. Die Gruppenarbeit und das herausforderungsbasierte Lernen sollten als
zentrale Pfeiler des Programms ebenfalls gestärkt werden (Kapitel 7.3). Die Unterschiedlichkeit
der Ebenen, auf denen Teilnehmende Transformationsherausforderungen angehen, sollten deut-
licher kommuniziert werden (individuell, organisational und darüber hinaus). Im Anschluss an
die Evaluation werden weitere Forschungsbedarfe vorgestellt (Kapitel 7.4).
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
13
Summary
Against the background of (new) complex problems and demands on politics, economy and soci-
ety, chapter 1 introduces the topic and the need for training programs for transformation com-
petencies. Environmental policy is confronted with constantly growing transformation needs.
These are associated with particular challenges for the political administration, which are out-
lined in Chapter 2.
The threat of exceeding planetary boundaries, or the fact that they have already been exceeded,
increases the pressure on politics and society to act and change. The need for comprehensive
and society-wide changes is becoming increasingly clear (Chapter 2.1). Although change is al-
ready on the horizon, it is insufficient or too slow. This is due to structural reasons that are often
described as an own class of complex and wicked problems (chapter 2.2). Characteristics of
these types of problems are briefly presented in this chapter, as is a critique of the concept. In
any case, transformations themselves can be understood as a problem type in their own right,
which has resulted in new and changed demands for the work of political organizations. This has
resulted in the need for new ways of working and transformation competencies (“transforma-
tive literacy”) that incorporate interdisciplinary, interorganizational, interdepartmental, and in-
ternational aspects (chapter 2.3). Political administrations should play a supportive role in the
context of these change processes and connect different governmental as well as non-govern-
mental actors, gather relevant knowledge, enable innovation, and use windows of opportunity
(chapter 2.4).
Chapter 3 describes the process and methodological approach for developing a program in
which transformation competencies are built within the political administration (the program is
called "Transformation Workshop", short: "TrafoWerk"). The process involved several steps that
build on each other. First, the requirements and needs for the program were assessed. To do so,
an extensive literature review was conducted (Section 3.1). This body of knowledge was supple-
mented by a needs assessment based on guided interviews with individuals from the environ-
mental policy administration at the federal level (Chapter 3.2). The conceptual design phase
(Chapter 3.3) consisted of prototypical events such as design sprints and a pilot (test phase) in
which initial format ideas were tested with target groups. Accompanying the program imple-
mentation, an evaluation was carried out (chapter 3.4), also in order to keep a constant eye on
the needs of the participants.
Chapter 4 presents the findings from the analysis of the current state of research and interviews
with persons from the environmental policy administration at the federal level. The administra-
tion's requirements for the learning program, which were identified in the academic literature,
are described (Chapter 4.1). Subsequently, the needs that emerged from the interviews with the
employees of the Federal Ministry for the Environment, Nature Conservation and Nuclear Safety
(BMU) and the Federal Environmental Agency (UBA) are discussed (chapter 4.2). Personas were
developed from the interviews. These describe different types of administrative employees in
their handling of transformation challenges, their goals and needs (Chapter 4.3). By typifying
them, the different motivations of the participants, their scope for action and the contexts in
which they operate become clearer.
These findings of the needs assessment lay the foundation for the design of the transformation
workshop (TrafoWerk) (Chapter 5). The section describes the overall approach of designing the
TrafoWerk and the basic structure of the program. To this end, the program objectives are de-
scribed (Chapter 5.1), the didactic approach explained (Chapter 5.2), and the structure lined out
(Chapter 5.3). In addition to challenge-based learning and other basic didactic attitudes, the Tra-
foWerk is based on core principles of program design, including an experimental and iterative
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
14
approach. Participants are always encouraged to try out ideas, to implement them, but also to
discard them. As part of an action phase, the adoption and transfer of the workshop content to
the everyday work context of the participants is also to be tested.
The structure of the TrafoWerk is divided into four core modules. Module 1 is dedicated to the
question of what a systemic and transformative approach means. Module 2 shifts perspectives
and reflects on different realities. Module 3 sets out how transformative ideas and innovations
can be developed. Module 4 addresses the necessary flip side of innovation, "exnovations", and
also addresses the question of what cultural change means and how to develop endurance to ac-
company change (in the long term).
An extensive evaluation took place in parallel with and following the first implementation of the
transformation workshop (May 2020 to January 2021). Chapter 6 sets out the multi-stage evalu-
ation concept (chapter 6.1) and its main findings (chapter 6.2). The aim of the evaluation was to
find out whether the initial goals of the training program were achieved and whether the educa-
tional concept was suitable for this purpose. The results show that the participants appreciated
the transformation workshop as a challenging and good training program. However, "external"
framework conditions, in particular the Covid-19 pandemic and the way of working of their own
organization, played a role in the implementation of the program. Due to the perceived lack of
time and the (continued) lack of embedding alternative ways of working in their own organiza-
tional culture, the implementation of the workshop contents seemed very challenging to some
participants. However, interviewees in the evaluation also highlighted the diverse perspectives,
methods and theories of the workshop program they gained. The cross-organizational collabora-
tion was repeatedly emphasized as an important added value of the program. In addition, it was
noted that expectation management of the participants on the part of program organizers, as
well as keeping and communicating a humble attitude to the designability of transformations in
a complex world, offer important potentials for improvement.
Chapter 7 is devoted to the conclusions that can be drawn from the implementation and evalua-
tion of the program. Overall, the feedback from participants encourages the program to maintain
the points that were rated as good and to further develop the program on the points for im-
provement mentioned in chapter 7.1. The action phases between the workshop modules should
be strengthened in order to ensure the transfer of content and methods into the participants'
daily work routine (Chapter 7.2). For this purpose, it is recommended to allow more time for
these intermediate learning phases and to communicate this well in advance. The communica-
tion with participants should be given more attention, even if this requires additional resources.
Team work and challenge-based learning should also be strengthened as central pillars of the
program (Chapter 7.3). The diversity of levels at which participants address transformation
challenges should be communicated more clearly (individual, organizational, and beyond). Fol-
lowing the evaluation, further research needs are presented (chapter 7.4).
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
15
1 Einleitung
Während dieser Text im Sommer 2021 entsteht, läuft der Nachrichtenticker zu den Hochwasser-
ereignissen in der Eifel und im westlichen Nordrhein-Westfalen. Die Corona-Krise ist noch nicht
überstanden, steigende Inzidenzzahlen und die Entwicklungen in anderen Staaten deuten auf
eine weitere Infektionswelle hin. In den USA und Kanada, in Finnland und anderen Orten auf der
Welt sind Menschen und Ökosysteme katastrophale Hitzewellen ausgesetzt. Und dies ist nur
eine Momentaufnahme. Deutlich wird, dass gesellschaftliche Systeme wie das Energie-, Ver-
kehrs-, Ernährungs-, Bildungs- oder Gesundheitssystem, Städte und Kommunen nachhaltiger
werden müsseninsbesondere dort, wo sie mitverantwortlich sind für die beschriebenen Er-
scheinungen. Sie müssen zudem resilienter werden, um gegenüber Krisen gewappneter zu sein.
Der Blick auf diese unterschiedlichen Ereignisse lässt erkennen, dass nur bedingt gesichertes
Wissen dazu vorhanden ist, welche Herausforderungen uns in der Zukunft ereilen und wie diese
verlaufen werden. Die Komplexität der wachsenden globalen Umwelt- und Ressourcenprobleme
sowie ihrer Bewältigung nimmt zu. Herkömmliche Verfahren der politischen Planung und Steue-
rung, sind dieser Unvorhersehbarkeit und Komplexität nicht gewachsen. Hinzu kommen weitere
langfristige Trends wie die Digitalisierung, wachsende soziale Ungleichheit, demografischer
Wandel, Veränderungen im sozialen Zusammenhalt und neue gesellschaftliche Konfliktlinien ge-
hen mit einem Veränderungsdruck, aber auch mit neuen Gestaltungsmöglichkeiten und -not-
wendigkeiten einher.
Dies erfordert ein systemisches Herangehen und einen grundlegenden Wandel einzelne, punk-
tuelle Verbesserungen sind unzureichend. Denn die Leistungen und Leistungsfähigkeit von ge-
sellschaftlichen Systemen lassen sich nicht auf einzelne Faktoren reduzieren. Sie sind das Ergeb-
nis eines komplexen Zusammenspiels von Interaktionen und Rückkopplungen aus Strukturen,
Akteuren, Institutionen, sozialen Praktiken, die über lange Zeiträume wachsen und kulturell tief
verankert sind. Und doch ist auch rascher, tiefgreifender Wandel möglich. Wer hätte Anfang
1989 gedacht, dass im Oktober 1990 die Wiedervereinigung der zuvor getrennten deutschen
Staaten stattfindet? Wer hätte sich vorstellen können, welche maßgeblichen Veränderungen das
ebenfalls 1989 vorgestellte World-Wide Web im Alltag der meisten Menschen mit sich bringen
würde?
Im Nachhinein lassen sich solche weitreichenden Wandelprozesse häufig (nicht immer) auf ein-
zelne, klein erscheinende Neuerungen oder Veränderungen zurückführen, die dann Nachah-
mung, Weiterentwicklung, Ko-Evolutionen angestoßen haben. Diese Art des Wandels, der ko-
evolutionär und emergent, also durch permanente Entstehungsprozesse gekennzeichnet ist, der
Eigendynamiken hervorbringt, der schnell verläuft und weitreichend in seinen Wirkungen ist,
lässt sich als „Transformation“ bezeichnen.
Transformationen zu verstehen, mit ihnen umgehen zu können und sie soweit möglich zu ge-
stalten, ist eine relevante Aufgabe für politische Akteure, insbesondere im Bereich Nachhaltig-
keitspolitik. Der Schwung, der von solchen Innovationsdynamiken ausgeht, kann auch Politik be-
fördern – wie auch umgekehrt. Umso wichtiger ist es, sich damit auseinanderzusetzen, solche
Dynamiken zu identifizieren und einzuordnen.
Jedoch ist der Umgang mit Transformationen und mit der damit verbundenen Komplexität nicht
in der Zuständigkeit einzelner Ressorts abgebildet und entzieht sich der Aufteilung von Refera-
ten oder Fachgebieten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wie kann es trotz ressort-,
ebenen- oder fachgebietsübergreifender Zuständigkeiten gelingen, dass Transformationspro-
zesse erfolgreich (mit-)gestaltet werden und für die so dringend benötigten systemischen Ver-
änderungen zur Erreichung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele genutzt werden können?
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
16
Wie wir im Folgenden zeigen werden, stellt das öffentliche Verwaltungen, die mit der Vorberei-
tung, Beratung und Gestaltung von Politik betraut sind, vor erhebliche Herausforderungen. Eine
Politik, die Transformationen ermöglichen und gestalten soll, erfordert in vielerlei Hinsicht eine
andere Herangehensweise als in den bisherigen Routinen. Systemisches Denken, ein experimen-
tierendes Vorgehen, ein souveräner Umgang mit Widerständen, die Zusammenarbeit innerhalb
und zwischen Ressorts, die Kommunikation zur Unterstützung transformativen Wandels sind
nur einige Aspekte.
Unsere Quintessenz aus dem Projekt ist, dass Mitarbeiter*innen öffentlicher Verwaltungen hoch
motiviert sind, sich Kompetenzen einer „transformative literacy“ anzueignen, um den anstehen-
den notwendigen Wandel erfolgreich gestalten zu können. Damit diese auch wirksam zur Gel-
tung kommen, sind Veränderungen und Qualifizierungsprozesse in den jeweiligen Organisatio-
nen notwendig. Eine transformationsorientierte Perspektive erfordert individuelles und organi-
sationales Lernen, denn Wissen und Kompetenzen bündeln sich nicht nur in den Mitarbeiter*in-
nen, sondern auch in den Strukturen, Abläufen und den Kulturen in Organisationen.
Wir hoffen, dass wir mit dem entwickelten und im Folgenden beschriebenen Weiterbildungspro-
gramm einen Anstoß für diese Qualifizierungsprozesse geben können.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
17
2 Transformation und Umweltpolitik: Neue Herausforde-
rungen an politisch-administrative Organisationen
Der folgende Abschnitt verdeutlicht, wie ökologische Belastungsgrenzen und bestehende Wandel-
prozesse zusammenhängen (Kapitel 2.1). Diese Probleme werden oft als überaus komplex und ver-
trackt wahrgenommen und als wicked” Probleme verstanden, die eine besondere Art von Lösun-
gen und Wissen bedürfen (Kapitel 2.2). Transformationen selbst lassen sich als vertrackte Heraus-
forderungen verstehen. Ihre vernetzte Natur stellt die öffentliche Verwaltung auf den Prüfstand
und erfordert eine interdisziplinäre, interorganisationale, ressortübergreifende und internationale
Bearbeitung (Kapitel 2.3). Politisch-administrative Organisationen sollten im Kontext dieser Her-
ausforderungen eine vernetzende Rolle einnehmen, um unterschiedliche Akteure von staatlicher
und nichtstaatlicher Seite zusammenzubringen, Wissen zu versammeln, Innovationen zu ermögli-
chen und Möglichkeitsfenster zu nutzen (Kapitel 2.4)
2.1 Ökologische Belastungsgrenzen
Zahlreiche Bewertungen des Umweltzustands zeigen für die Welt, für Europa und für Deutsch-
land eine Verschärfung ökologischer Problemlagen. Dies betrifft Klimawandel, Verlust von Bio-
diversität, die Übernutzung natürlicher Ressourcen (Land, Wasser, Rohstoffe). In Deutschland
wurde zwar eine Reihe von Verbesserungen erreicht. Seit mehreren Jahren stagnieren aber zahl-
reiche Umweltindikatoren vielfach auf einem hohen Niveau. Es wird immer deutlicher, dass we-
der end-of-pipe-Lösungen (additive Maßnahmen, die am Ende einer Prozesskette hinzugefügt
werden) noch Effizienzverbesserungen ausreichen, um innerhalb der ökologischen Belastungs-
grenzen zu verbleiben und Ökosysteme, aber auch die menschliche Gesundheit nicht weiter zu
gefährden. Immer deutlicher wird auch, dass die gegenwärtigen Trends in der Nutzung von Res-
sourcen und dem Ausstoß von Emissionen und Abfällen auf Kipppunkte zusteuern, die eine irre-
versible Veränderung der natürlichen Umwelt zur Folge haben.
Von Seiten der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Politikberatung wird ein grundlegen-
des Umsteuern seit Jahren eingefordert: Ein besonders nachdrücklicher Anstoß war der 2011
veröffentlichte Bericht des WBGU, der einen neuen Gesellschaftsvertrag für eine Große Trans-
formation skizzierte (WBGU 2011). Bereits wenige Jahre zuvor wurde das Konzept planetarer
Grenzen erarbeitet und publiziert (Rockström et al. 2009). Und auch auf internationaler Ebene
stieg der Druck, Nachhaltigkeitsprobleme anzugehen, etwa durch das 2015 geschlossene Ab-
kommen von Paris zur Koordination von Maßnahmen gegen die globale Erwärmung und die im
gleichen Jahr verabschiedeten globalen Nachhaltigkeitsziele. Beides, Klimabeschlüsse und die
Nachhaltigkeitsagenda, wirken transformativ: Ihre Ziele lassen sich innerhalb der gegebenen
Strukturen nicht realisieren. Die Notwendigkeit umfassender Nachhaltigkeitstransformationen
tritt daher immer häufiger öffentlich zutage und wird kontrovers diskutiert.
2.2 Komplexe Probleme und anstehende Wandelprozesse
Viele Nachhaltigkeitsprobleme in diesem Sinne lassen sich als sogenannte „wicked problems“
(vertrackte Probleme) beschreiben. Sie zeichnen sich durch hohe Komplexität aus (Rittel und
Webber 1973). Ihnen sind die folgenden Charakteristika gemeinsam (Danken et. al 2016): Sie
sind in den bisherigen Pfaden unlösbar und chronisch. Der Politikzyklus wird immer wieder neu
begonnen, es treten immer neue Facetten des Problems auf oder zusätzliche Probleme werden
generiert. „Wicked problems” sind eine kontinuierliche Herausforderung (Porteous 2013) und
ihre Bearbeitung erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Akteure mit unterschiedlichen
Wertvorstellungen, Interessen und mit jeweils eigenen Sichten darauf, was Ursachen für die
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
18
Probleme sind. Kein Akteur allein hat die Entscheidungshoheit. Welche Sicht auf Problemursa-
chen, Lösungswege oder Implikationen richtig oder wahr ist, lässt sich nicht klären die Kom-
plexität des Problems entzieht sich einfachen Antworten. Wenn dann noch Dringlichkeit und
zeitlicher Handlungsdruck hinzukommt, wird von „super wicked problems“ gesprochen (Levin
et al. 2012). Die Bekämpfung des Klimawandels ist geradezu ein Archetyp dieser Problemgat-
tung.
In ihrer kritischen Würdigung des Konzepts1 vermuten Turnbull und Hoppe (2019), dass das
Konzept von „wicked problems“ ein Signal darstellte für die aufkommende Problematisierung
der Beziehung zwischen Wissenschaft und Politik bzw. Wissensproduktion und öffentlicher Poli-
tikgestaltung. Denn um dynamische, integrative und vielseitige Antworten für komplexe Prob-
leme zu entwickeln und sich damit hartnäckigen Problemen schrittweise anzunähern, spielen
die Erzeugung und Verwendung von Wissen eine wichtige Rolle (s.a. Riley et al. 2015). Dabei
geht es nicht nur darum, die strukturelle Natur komplexer Probleme in ihrer Vielseitigkeit zu er-
fassen, sondern auch unterschiedliche Perspektiven und Wissensbestände diverser Akteure und
Politiksektoren zu koordinieren. Auf diese neuen Bedingungen, unter denen Politik beraten und
gestaltet wird, wurde und wird auch in der Debatte um „Post-normal science“ sowie weiteren
Diskursen verwiesen (Funtowicz und Ravetz, 1993).
Gerade bei der Gestaltung von Transformationen sind diese unterschiedlichen Perspektiven und
Wissensbeständen von Bedeutung. Nicht nur Umweltprobleme können als vertrackte Probleme
bezeichnet werden, sondern auch die Transformationen zu ihrer Lösung sowie deren Gestal-
tung. Denn eine solche Umgestaltung erfordert oft die Zusammenarbeit unterschiedlicher Ak-
teure mit jeweils verschiedenen Sichtweisen und Interessen. Des Weiteren sind komplexe Sys-
teme betroffen, die nicht vollständig zu verstehen oder gar vorherzusagen sind. Und häufig ist
eine Dringlichkeit geboten. Dies stellt Verwaltungen, die Politik vorbereiten und umsetzen (im
Folgenden: politisch-administrative Organisationen), vor besondere Herausforderungen.
Erste Schritte einer Gestaltung von Nachhaltigkeitstransformationen sind bereits unternommen,
wobei verschiedene Bedürfnisfelder, in denen weitreichende Veränderungen in Richtung Nach-
haltigkeit notwendig erscheinen (etwa Energie, Mobilität, Ernährung, Bauen & Wohnen) unter-
schiedliche Fortschritte aufweisen. In allen diesen Transformationsfeldern ist aber bereits eine
hohe Innovationsdichte zu beobachten, veränderte soziale Praktiken und ressourcen- und kli-
mafreundliche Kulturen greifen Raum. Zwar gibt es auch Gegenbewegungen; deutlich ist jedoch,
dass ein gesellschaftlicher Umbruch stattfindet, mit hoher Bereitschaft vieler Akteure, gewohnte
Pfade und Strukturen zu verlassen.
Eine zusätzliche Dynamik erfahren gesellschaftliche Veränderungen durch weitere ineinander-
greifende Transformationsprozesse, sei es der aktuelle Digitalisierungsschub in Folge von
sprunghaften Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz oder durch das Internet of Things,
seien es der demografische Wandel oder durch Globalisierung oder Pandemie verursachte Ver-
änderungen. Diese Prozesse sind nicht das Ergebnis staatlicher Planung und Steuerung viel-
fach tritt der Staat sogar eher als Bewahrer bisheriger Strukturen auf. Staatliche Institutionen
und Organisationen sind ein integraler Teil von Energie-, Mobilitäts-, Ernährungssystemen.
1 Neben der vielfachen Anwendung des Konzepts wicked problems” in der Politikanalyse und Planung wird in der Forschung auch
auf die Grenzen des Konzepts verwiesen (vgl. Turnbull und Hoppe 2019). Im Gegensatz zur Idee, es gäbe eine eigene Art von Politik-
problemen, die sich durch ihre Struktur (problematicity”) auszeichnen und daher spezielle Lösungen bedürfen, wird von Kriti-
ker*innen eine eigene ontologische Klasse von wicked problems” abgelehnt. Die Grundlagen des Konzepts seien nur unzureichend
untersucht, sie basierten auf fehlerhaften Annahmen etwa, dass sich diese Art von Problemen von oben herab analysieren und ein-
deutig von zahmen” Politikproblemen (tame problems”) abgrenzen ließen. Darüber hinaus seien soziale Aktivitäten rund um diese
Probleme ontologisch nicht von ihnen unterscheidbar. Dem wird der Vorschlag entgegengesetzt, hartnäckige Probleme durch prakti-
sches Urteilsvermögen und die Akzeptanz langfristiger Prozesse zu behandeln und letztere als schrittweise Teilantworten auf die
Problemlagen zu betrachten (ebd. 316).
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
19
Offen ist jedoch, welche Richtung solche emergenten und ko-evolutionär verlaufenden Entwick-
lungen nehmen. Die Sicherung der Richtung von Transformationsprozessen ist jedoch eine zent-
rale Aufgabe für Politik. Wie kann Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik hier erfolgreich gestalten
und die erforderlichen Wandelprozesse anstoßen, beschleunigen oder auch nur deren Richtung
beeinflussen? Welche Ansatzpunkte hat eine transformationsorientierte Umweltpolitik, auch
und gerade unter den Bedingungen knapper Ressourcen, konkurrierender Themen und Ziele
und mangelnder Politikkohärenz?
Vor diesen Hintergründen sind in einem früheren Ressortforschungsplan (REFOPLAN)-Projekt
Vorschläge für Handlungsansätze entwickelt worden, um auch aus der Perspektive des Umwelt-
ressorts umfassende Transformationen zu gestalten (Wolff et al. 2018). Zu diesen Handlungsan-
sätzen gehört die Entwicklung von Wissens- und Governancekapazitäten (z.B. die systemische
Analyse von Transformationsfeldern, Einbindung von Transformationsakteuren), die Entwick-
lung von Visionen und Transformationsstrategien und transformationsorientierten Politikmixen
(z.B. Förderung von sozialen Innovationen, Exnovation nicht-nachhaltiger Strukturen) (s.a.
Frank et al. 2020). Diese Handlungsansätze greifen zwar die Arbeitsweise von politischen Admi-
nistrationen auf, sie sind inhaltlich jedoch vielfach neu und gehen insbesondere über die defi-
nierten Zuständigkeiten von Facheinheiten hinaus. Die praktische Anwendung der Handlungs-
ansätze zur Transformationsbegleitung oder -gestaltung stellt für politische Verwaltungen dem-
nach eine große Herausforderung dar.
2.3 (Neue) Anforderungen an politisch-administrative Organisationen
Die Gestaltung von Transformationen komplexer gesellschaftlicher Systeme ist kein Planungs-
prozess, der in einzelne Arbeitsschritte und Zuständigkeiten zerlegt werden kann. Vielmehr stel-
len sich im Verlauf von Transformationen immer neue Probleme, die in neuen Konstellationen
adressiert werden müssen. Ein experimentierender Zugang scheint geboten, um Komplexität be-
herrschbar zu halten. Ein Ansatz für die Bearbeitung solcher Aufgaben wird in der Schaffung fle-
xiblerer Organisationsstrukturen in politisch-administrativen Organisationen gesehen (Head
und Alford 2015). Weiterhin wird eine ebenen-, ressort- und sektorenübergreifende Zusammen-
arbeit vorausgesetzt (Danken et al. 2016: 18). Politisch-administrative Organisationen stehen
vor der Herausforderung, im Umgang mit komplexen Problemen nicht nur mit anderen Verwal-
tungen, sondern auch mit externen (privaten und staatlichen) Stakeholdern zusammenzuarbei-
ten (Head 2010: 574). Ursächlich hierfür ist, dass „wicked problems“ nicht nur häufig eine glo-
bale, Landesgrenzen überschreitende Komponente haben, sondern typischerweise auch traditio-
nelle Grenzen der Politikfelder und damit auch die etablierten Ressortgrenzen überschreiten.
Nicht zuletzt müssen zu ihrer Lösung auch die Kapazitäten nicht-staatlicher Akteure mobilisiert
werden.
Die Organisation der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit stellt traditionelle büro-
kratische Organisationen vor erhebliche Herausforderungen. So kollidieren Ansätze der „net-
work governance“ (z.B. van Bueren et al. 2003, Ferlie et al. 2011) und „collaborative governance“
(Weber und Khademian 2008) an vielen Punkten mit einer auf formale Prozesse ausgerichteten,
hierarchisch aufgebauten und funktional nach Zuständigkeiten gegliederten, fragmentierten und
spezialisierten Verwaltung und damit mit etablierten Strukturen und kulturellen Merkmalen.
Die ressortübergreifende Zusammenarbeit ist nicht nur vergleichsweise aufwändig (Christensen
et al. 2007), sondern steht manchmal auch in Konflikt mit organisationalen Eigeninteressen und
dem Ressortdenken („Silodenken“).
Diese strukturellen Hindernisse durch die Bildung von organisationsübergreifenden Partner-
schaften und durch verbesserte Koordination zu überwinden, ist eine zentrale Idee der Debatten
um „joined-up”- oder „whole-of-government”-Ansätze (siehe z.B. Kavangh und Richards 2001;
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
20
Perri 6 2004; Askim et al. 2009). Im deutschen Kontext sind z.B. interministerielle Arbeitsgrup-
pen oder ressortübergreifende Strategien typische Versuche, eine bessere Koordination zu er-
reichen. Allerdings führen solche Foren und Prozesse nicht zu einer Überwindung etablierten
Ressortdenkens (Radtke et al. 2016) und für sich genommen daher auch nicht automatisch zu
verbesserter Koordination. Dies lenkt den Blick auf einen weiteren wichtigen Faktor, nämlich
die Kompetenzen der involvierten Akteure (und damit auf Fragen des Personalmanagements,
siehe z.B. Head und Alford 2015). Ein adäquater Umgang mit Transformationsanforderungen in
politisch-administrativen Organisationen setzt bestimmte Fähigkeiten des Personals insbeson-
dere der Führungskräfte voraus (Danken et al. 2016: 23). Dazu gehört zuvorderst die Fähig-
keit, ein komplexes und anspruchsvolles Problem als solches zu erkennen und zu realisieren,
dass dieses „chronisch“ ist und eine kontinuierliche Bearbeitung erfordert. Weiterhin ist die Fä-
higkeit wichtig, eine Bewertung über den Grad der vorliegenden Problemkomplexität vorneh-
men und Strategien zum Umgang mit diesem Problem entwickeln zu können, die nicht dem
Standardvorgehen entsprechen (Alford und Head 2017: 409).
Mehr oder bessere wissenschaftliche Evidenzen können zwar helfen, können tiefsitzende Prob-
leme für sich genommen aber nicht lösen (z.B. Weingart 1999, von Bueren et al. 2003). Denn in
vielen Fällen kann vor dem Hintergrund der Komplexität der Problemlagen und dessen Ursa-
chen Gegenexpertise entwickelt werden, die andere Sichtweisen stützt (Daviter 2017). Was als
faktische Gewissheit oder als Evidenz anerkannt wird, ist somit Ergebnis eines Aushandlungs-
prozesses.
Für Entscheidungsträger*innen ist es deshalb von großer Bedeutung, ein Bewusstsein für die
sozialen Prozesse bei der Herstellung von Konsens in hoch umstrittenen Problemfeldern zu ent-
wickeln. Erforderlich ist es auch, einen kompetenten Umgang mit der nicht allein durch „mehr
Expertise“ aufzulösenden Konflikthaftigkeit dieser Problemfelder zu finden. Deshalb werden
Verhandlungskompetenzen und Konfliktmanagementtechniken (z.B. Mediation, siehe u.a. Laws
et al. 2014) sowie Kommunikations- und Dialogfähigkeit wichtiger. Zusammenarbeit kann dann
erfolgreich sein, wenn es gelingt, trotz einiger im Kern unauflösbarer Kontroversen eine gemein-
sam akzeptierte Wissensbasis aufzubauen und eine Vertrauensbasis für gemeinsames Handeln
zu schaffen (Danken et al. 2016: 26).
2.4 Die Rolle von politisch-administrativen Organisationen bei der Gestal-
tung von Transformationen
Die Gestaltung von Transformationen betrifft das gesamte Aufgabenspektrum und die Funktio-
nen politisch-administrativer Organisationen. Zu den zentralen Aufgaben politisch-administrati-
ver Organisationen gehören die Vorbereitung und Formulierung von politischen Entscheidun-
gen (Brandt et al. 2001; Pepinksky et al. 2017; Schnapp und Willner 2013). Dafür werden (insbe-
sondere auch wissenschaftliche) Informationen gesammelt und bewertet und Anhörungs- und
Beteiligungsverfahren organisiert (Richter 2012: 96). Dies mündet in Positionspapieren, Strate-
gien, Berichten oder Vorlagen für Gesetze und Verordnungen. Verwaltungen sind dabei nicht al-
lein Instrumente der Politik, sondern passen Zielvorgaben und Lösungsansätze an, um sie bei
sich bietenden Möglichkeitsfenstern in die Umsetzung zu bringen. Richter (2012: 97) betont ent-
sprechend: „Gutes Verwalten besteht demnach nicht in der Umsetzung vorgegebener Ziele, son-
dern in der legitimen Kopplung von Problemen und Lösungen im Rahmen günstiger Gelegenhei-
ten.“
Im Kontext der Gestaltung von Transformationen kommen folgende Tätigkeiten und Rollen von
Verwaltungen zur Geltung: die Erarbeitung und Aushandlung der Wissensbasis zu Problemursa-
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
21
chen und Lösungsansätzen, die Organisation von Stakeholderprozessen, die Vorbereitung politi-
scher Entscheidungen, ihre Präzisierung und die Identifikation von Möglichkeitsfenstern zur
Umsetzung der Ziele. Zwar sind andere Akteure ebenfalls relevant für Transformationsprozesse,
sei es als Innovateur*innen, als Interessenvertreter*innen, Wissensträger*innen oder für die
Kommunikation, jedoch findet die (idealerweise gemeinwohlorientierte) Bündelung dieser ver-
schiedenen Funktionen in Verwaltungen statt.
Die tatsächliche Arbeit und Funktionsweise von politisch-administrativen Organisationen ist
aber vielfach eine andere. Verwaltungsorganisationen sind horizontal in Ressorts und vertikal in
hierarchische Unterstrukturen aufgebaut. Zwar werden zunehmend ergänzende Strukturen für
die Bearbeitung von bereichsübergreifenden Problemen entwickelt, etwa durch die Einrichtung
von Stabliniensystemen (Einrichtung von Stabsstellen, die direkt der Führung zuarbeiten neben
den Linienorganisationen, die in Abteilungen, Unterabteilungen und Referate aufgeteilt sind)
(Richter 2012). Zudem wurden in jüngerer Zeit auch zunehmend projektorientierte Strukturen
eingesetzt, in denen Verwaltungsmitarbeitende zeitlich befristet und teilweise quer zu den be-
stehenden Hierarchieebenen zusammenarbeiten.
Trotz dieser auf inter- und intraorganisationale Zusammenarbeit zielenden Arbeitsformen blei-
ben Spannungen zwischen Aufgaben und Zuständigkeiten, die in der traditionellen, arbeitsteili-
gen Struktur und solchen, die in den Stabsstellen oder in querliegenden Strukturen angesiedelt
sind, bestehen. Diese Spannungen resultieren etwa daraus, dass die Akteure in Hierarchien ein-
gebunden sind, über unterschiedliche Macht verfügen und dass sie als staatliche Akteure eine
mehrdeutige Rolle einnehmen gerade im Zusammenhang von Transformationen. Sie treten so-
wohl als Bewahrende des Status Quo wie auch als Promotor*innen eines weitreichenden Wan-
dels auf.
Um die Rolle von politisch-administrativen Verwaltungen in der Gestaltung von Transformatio-
nen näher zu bestimmen, ist es notwendig, Ursachen und Verläufe von Transformationen zu ver-
stehen. Aufbauend auf den wenigen vorhandenen Arbeiten zu den spezifischen Voraussetzungen
und Handlungsmöglichkeiten von politisch-administrativen Akteuren bei der Gestaltung von
Transformationen (insb. Grießhammer et al. 2015, Wolff et al. 2018) können vier Treiber unter-
schieden werden, die in ihrem Zusammenwirken Ausgangspunkte für Transformationen sind:
Visionen, Wissen, Technologien und Krisen. An diese Treiber anknüpfend, geht es um eine poly-
zentrische Gestaltung von und Reaktion auf gesellschaftlichen Wandel. Es braucht viele, durch-
aus experimentierende Transformationsvorgänge, zwischen denen sich wechselseitige Bezüge
entwickeln und von politischen Akteuren hergestellt werden können.
Die Gegenstände von Transformationen sind Systeme: Gesellschaften als Ganzes, sozio-techni-
sche oder sozio-ökonomische Systeme, Städte als Systeme oder Organisationen als Systeme. Sys-
teme werden als zu betrachtende Einheit abgegrenzt von ihrer Umwelt betrachtet, bestehen
zweitens aus unterschiedlichen Elementen, die drittens in ihrem Zusammenwirken bestimmte
Funktionen für ihre Umwelt erfüllen. Systeme lassen sich nicht durch die Betrachtung ihrer ein-
zelnen Elemente verstehen: Die Gestalt und die Art und Weise, wie die Funktionen erbracht wer-
den, ergibt sich aus dem Zusammenwirken der Teilelemente. Das Ganze ist mehr als die Summe
seiner Teile. Entsprechend fokussiert eine systemische Perspektive insbesondere auf die Verbin-
dungen und Rückkopplungen zwischen den einzelnen Elementen und die damit verbundenen
Dynamiken.
Mit Blick auf die Begleitung von Transformationsprozessen und ihren Treibern besteht die Rolle
von politisch-administrativen Organisationen vor allem darin, Diskurse zur Zukunftsgestaltung
zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren zu gestalten, Wissen zu mobilisieren und
ggf. zu verhandeln, Neuerungen zu ermöglichen und Möglichkeitsfenster zu nutzen.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
22
Für diese Aufgaben sind spezifische Kompetenzen erforderlich, welche aber nicht ohne eine
Analyse benennbar sind. Eine systemische, transformationsorientierte Politikentwicklung nutzt
zwar dieselben Formate der Politikentwicklung und -umsetzung. Die Rolle von politisch-admi-
nistrativen Organisationen bei der Mitgestaltung von Transformationsprozessen unterscheidet
sich aber gegenüber dem spezialisierten und auf inkrementelle Weiterentwicklung zielenden
Verwaltungshandeln. Es ist ein ganzheitlicher Zugang erforderlich, der entsprechend mehr In-
teraktionen innerhalb und außerhalb staatlicher Organisationen nach sich zieht.
Die damit verbundene analytische Arbeit stößt an Komplexitätsgrenzen. Die (Vor-)Formulierung
von Zielen gestaltet sich typischerweise als ein umstrittener Aushandlungsprozess. Der Umgang
mit Komplexität spiegelt sich nicht zuletzt auch in der Entwicklung politischer Instrumente vor
dem Hintergrund der Nicht-Vorhersagbarkeit und Planbarkeit der Transformation gesellschaft-
licher Systeme erscheint ein schrittweiser, experimentierender Ansatz erforderlich. Dabei soll-
ten insbesondere auch Handlungsräume für nicht-staatliche Akteure eröffnet werden, um wie-
derum ihre Potentiale zu nutzen.
Diese Überlegungen des Aufgabenspektrums politisch-administrativer Organisationen im Kon-
text von Nachhaltigkeitstransformationen bilden den Hintergrund für die Entwicklung und Er-
probung eines Weiterbildungsprogramms, das in den folgenden Abschnitten beschrieben wird.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
23
3 Methodisches Vorgehen
Dieses Kapitel beschreibt den Prozess und das methodische Vorgehen, wie das Programm „Trans-
formationen wagen” (TrafoWag) und die zugehörigen Transformationswerkstätten (TrafoWerk)
entwickelt wurden. Der Prozess beinhaltete mehrere Phasen. Zuerst wurden die Anforderungen und
Bedarfe für das Programm ermittelt. In der Recherchephase fand eine umfangreichen Literatur-
analyse statt (Kapitel 3.1). Diese Wissensbestände wurden durch eine Bedarfsanalyse anhand leit-
fadengestützter Interviews mit unterschiedlichen Personen aus der umweltpolitischen Verwaltung
auf Bundesebene ergänzt (Kapitel 3.2). Die Konzeptionsphase (Kapitel 3.3) bestand aus prototypi-
schen Veranstaltungen im Rahmen von Design-Sprints und einer Pilotierung (Testphase”), in der
erste Formatideen mit Zielgruppen getestet wurden. Während der Programmdurchführung wurde
eine Evaluation durchgeführt (Kapitel 3.4), um die Bedarfe der Teilnehmer*innen konstant im
Blick zu behalten. Das eigentliche Programm wird dann im folgenden Kapitel 4 beschrieben.
3.1 Recherche: Literaturanalyse
Die Bedarfsermittlung der Kompetenzen begann mit umfassenden Bestandsaufnahmen. Die aka-
demische Literatur zu Transformationen, ihre Bedeutung für politisch-administrative Organisa-
tionen und organisationales Lernen wurde systematisch recherchiert. Das Ergebnis der Recher-
che war ein Kompetenzprofil für eine „transformative literacy“. Das heißt, es wurden grundle-
gende Fähig- und Fertigkeiten bestimmt, die Mitarbeiter*innen öffentlicher Verwaltungen unter-
stützen, gesellschaftliche Transformationen mitzugestalten. Das beinhaltet die Kenntnis grund-
legender wissenschaftlicher Konzepte. Zentral ist jedoch die Aneignung methodischer Kompe-
tenzen und Haltungen, um mit den diversen und häufig überraschenden Verläufen von Transfor-
mationen umgehen zu können.
3.1.1 Literaturstudie „Nachhaltigkeitstransformationen und die Rolle von politisch-admi-
nistrativen Organisationen“
Das Anliegen der Literaturstudie „Nachhaltigkeitstransformationen und die Rolle von politisch-
administrativen Organisationen“ war die Aufarbeitung und, soweit nötig, die Ergänzung des be-
stehenden theoretischen Wissens über Nachhaltigkeitstransformationen und die Handlungsan-
sätze, die politisch-administrativen Organisationen in diesem Kontext zur Verfügung stehen.
Es wurde untersucht, wie die vorherrschende Meinung in der wissenschaftlichen Literatur zur
Gestaltbarkeit von Transformationen lautet, und aufgezeigt, dass Nachhaltigkeitstransformatio-
nen nicht vollständig kontrollierbar, jedoch in ihrer Richtung beeinfluss- und gestaltbar sind. So
wird unterschieden in:
1. Governance OF transformations: Governance, die aktiv Transformationsprozesse auslöst
und steuert,
2. Governance FOR transformations: Governance, die die Bedingungen dafür schafft, dass
Transformationen in komplexen Dynamiken sozio-technischer Systeme entstehen kön-
nen und
3. Transformations IN governance: transformativer Wandel in Governance-Regimen.
Ein zweiter Schwerpunkt bestand in der Beschäftigung mit der Vernachlässigung der Akteurs-
perspektive in den Transformationswissenschaften. Studien fokussierten dort häufiger auf den
erforderlichen Wandel von Strukturen (Makroperspektive), als sich mit den mikrosoziologi-
schen Fragen von Akteurshandeln und Agency(Akteursmacht) auseinanderzusetzen. In neue-
ren Transformationsstudien werden die Vielfalt der Akteure und ihre Handlungsfähigkeiten in
Wandlungsprozessen jedoch allmählich zum Forschungsgegenstand (Fischer und Newig 2016).
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
24
Schließlich wurde die Rolle politisch-administrativer Akteure in gesellschaftlichen Transforma-
tionsprozessen genauer in den Blick genommen. Hier wurden besondere Herausforderungen er-
arbeitet, die beispielsweise die Ambiguität des Staates oder verschiedene Formen von Macht be-
treffen.
Aus der Aufarbeitung des Literaturstands wurden Schlussfolgerungen für das Lernprogramm
extrahiert und ein Vierklang an Lernzielen für die Teilnehmer*innen der Werkstatt entwickelt:
1. Die eigene Position und Rolle aktiv reflektieren,
2. Systemwissen erweitern und aneignen,
3. Zielwissen kreieren, bündeln und verbreiten sowie
4. Transformationsaktivitäten umsetzen, fördern und begleiten.
3.1.2 Literaturstudie Organisationales Lernen: Veränderungsprozesse in politisch-admi-
nistrativen Organisationen“
Die Literaturstudie „Organisationales Lernen: Veränderungsprozesse in politisch- administrati-
ven Organisationen“ hatte zum Ziel, den Forschungsstand hinsichtlich der Bedingungen für indi-
viduelles und organisationales Lernen zu erheben, um die o.g. Lernziele für politisch-administra-
tive Organisationen zu erreichen.
Diese Studie untersuchte dafür die verwaltungswissenschaftliche und organisationssoziologi-
sche Literatur hinsichtlich ihrer Erkenntnisse zur Anregung von Lernprozessen in Organisatio-
nen im Umgang mit komplexen und „wickedProblemen. Dabei wurden Ansätze und Modelle
der Steuerung betrachtet, die öffentliche Verwaltungen zur Bewältigung dieser vertrackten Her-
ausforderungen nutzen. Und vertiefend wurde betrachtet, wie sie in diesem Kontext Lernpro-
zesse organisieren.
Aus diesen Analysen konnten Schlussfolgerungen hinsichtlich von Organisationsformen des Ler-
nens innerhalb von politisch-administrativen Organisationen entwickelt werden. Dies bot die
Grundlage dafür, einerseits konkrete Inhalte abzuleiten, andererseits aber auch das Lernpro-
gramm innerhalb politisch-administrativer Organisationen, ihrem Aufgabenpensum, aber auch
ihren Strukturen und Arbeitsweisen zu verankern.
3.1.3 Entwurf für „Transformationskompetenzen“ in politisch-administrativen Organisa-
tionen
Aus den beiden vorangegangenen Studien wurde im folgenden Arbeitsschritt abgeleitet, welche
Anforderungen sich für Wissen und Kompetenzen von individuellen Mitgliedern dieser Organi-
sationen ergeben. Zuerst wurden die relevanten Ergebnisse mit Blick auf die Beschreibung bzw.
Erfassung von Transformationskompetenzen in politisch-administrativen Organisationen zu-
sammengefasst. Zusätzlich wurde erläutert, welche weiteren Forschungsstände (insbesondere
aus den Beiträgen zu „transformative literacy” und Bildung für Nachhaltige Entwicklung) für die
Übersicht transformativer Kompetenzen heranzuziehen sind.
Basierend darauf wurde der Fokus auf Transformationskompetenzen politisch-administrativer
Organisationen gelenkt. Auf der Grundlage von Kompetenzmodellen aus dem Kontext Bildung
für Nachhaltige Entwicklung (bspw. Gestaltungskompetenz (de Haan 2008), Schlüsselkompeten-
zen für nachhaltige Entwicklung (Wiek et al. 2011) und Kompetenzansätzen im Rahmen des Glo-
balen Lernens (KMK/BMZ 2016)) wurde eine Übersicht von Transformationskompetenzen er-
stellt. Dabei konnten die vier Kompetenzdimensionen Erkennen, Bewerten, Experimentieren
und Handeln als zentrale Bestandteile von Transformationskompetenzen beschrieben sowie
nach der jeweiligen Lerneinheit der Kompetenzentwicklung strukturiert werden.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
25
Auf dieser Grundlage wurden Schlussfolgerungen für die empirische Bestandsaufnahme von
Transformationskompetenzen in UBA und BMU gezogen und erste Umsetzungsvorschläge für
das Lernprogramm diskutiert.
3.2 Empirische Untersuchung teilnehmender Organisationen
Aufbauend auf dem erschlossenen Forschungsstand (siehe Kapitel 3.1.3: Entwurf einer „trans-
formative literacy“ in politisch-administrativen Organisationen) wurden Vorkenntnisse und Ver-
ständnisse einer „transformative literacy“ innerhalb des BMU und des UBA erfasst. Es wurde ein
Gestaltungsansatz gewählt, der Menschen in ihrer Umwelt und ihren Bedarfen in den Mittel-
punkt der Entwicklung des Lernprogramms stellt (Human-Centered Design). Der Designprozess
basierte stark auf der Zusammenarbeit mit Anwender*innen. Der Prozessverlauf orientierte sich
am sogenannten „Double Diamond“-Modell. Die zwei „Diamanten“ (in Abbildung 1 als sich öff-
nende und schließende Bereiche dargestellt) stehen jeweils für Teilprozesse. Im ersten Teil
wurde die Fragestellung genauer untersucht, um das richtige Problem zu bearbeiten. Darauf auf-
bauend wurden im zweiten Teilprozesse mögliche Antworten oder Lösungsansätze entwickelt.
Abbildung 1: Prozessdesign basierend auf „Double Diamond"
Quelle: Design Council 2007
Im Gegensatz zu einer hypothesengeleiteten Entwicklung ermöglicht diese Vorgehensweise eine
Ideengenese basierend auf Erfahrungen des untersuchten Feldes. Die damit verbundenen Ver-
fahren unterstützen die Explizierung impliziten Wissens und stellten sicher, dass das Programm
für Repräsentationsgruppen unterschiedlicher Bedürfnisse anschlussfähig ist.
Zur Erhebung der Bedürfnisse wurden im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2018 insgesamt
17 explorative Interviews mit Mitarbeiter*innen aus BMU und UBA durchgeführt. Erfragt wurde,
welches Aufgabenspektrum im Zusammenhang mit Transformationen vorstellbar ist und wie
ein Weiterbildungsprogramm sie dabei unterstützen könnte (siehe auch Kapitel 4.2). Die Ge-
sprächspartner*innen kamen aus allen Fachbereichen und Hierarchieebenen bis hin zu den Lei-
tungen der Organisationen.
In diesen Tiefeninterviews mit Mitarbeiter*innen aus UBA und BMU konnten zugrunde liegen-
den Bedarfe und Herausforderungen erhoben werden, die den Zielgruppen zuvor möglicher-
weise nur im Ansatz bewusst waren (implizit” waren). Durch zirkuläre Fragetechniken wurde
angeregt, Situationen ausführlich und „mit allen Sinnen“ zu schildern, da diese vielfältige Be-
schreibung von Erfahrungen wichtig für die Gestaltung des Lernprogramms war.
Die Ziele dieser Exploration lauteten
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
26
1. die Grundlagen für die bedarfsorientierte Entwicklung des Lernprogramms zu erheben,
2. Erfahrungen und Anliegen hinsichtlich Transformationen und organisationalen Lernpro-
zessen im jeweiligen Arbeitsbereich zu reflektiert,
3. eine Bestandsaufnahme zu den genutzten Wissensbeständen und Kompetenzen und
Rahmenbedingungen im Arbeitsbereich im Kontext von Transformationen durchzufüh-
ren,
4. die Exploration gewünschter Wissensbestände, Kompetenzen und Rahmenbedingungen
durchzuführen und
5. Aufmerksamkeit für das Projekt zu schaffen.
Dieser Arbeitsschritt war wichtig, um die zukünftigen Teilnehmer*innen des Lernprogramms
mit ihren Bedürfnissen und Entscheidungslogiken zu verstehen und sich in die unterschiedli-
chen Rollen hineinzuversetzen. Beim „Sich-Hineinversetzen“ geht es darum, ein Gefühl für die
Bedürfnisse der Menschen, die in das „Problem“ involviert sind, zu bekommen. Im Designpro-
zess ist diese Übersetzungsleistung eine der wichtigsten Grundlagen auf dem Weg zu einer soli-
den Lösungsstrategie.
Den beschriebenen Interviews lagen entsprechend ein Leitfaden sowie ein Briefing zugrunde.
Die Interviewpartner*innen wurden um weitere Ansprechpersonen auf Mitarbeiter*innen-
Ebene gebeten. Das Interesse und die Bereitschaft zur Teilnahme waren hochdie angesproche-
nen Personen waren ausnahmslos zu Gesprächen bereit.
Die Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert und ausgewertet, und aus den gewonnenen
Einsichten wurden Personas (siehe Kapitel 4.3) für den Design-Sprint entwickelt. Diese werden
detailliert beschrieben im folgenden Kapitel 4. Die Einteilung in Personas ermöglicht es, Ak-
teurstypen, deren mögliche Herausforderungen und deren Bedarfe zu identifizieren. Die Per-
sonas wurden genutzt, um die Eignung der Prototypen ihnen gegenüber zu prüfen. Neben dieser
Nutzung im Entwicklungsprozess wurden die Befunde aus den Interviews auch im Rahmen ei-
ner akademischen Veröffentlichung vertieft analysiert und ausgewertet (Jacob et al. 2021a).
Die Befunde offenbarten sehr unterschiedliche Vorstellungen unter den Befragten, wie Wandel
gestaltet werden kann und welche Ansatzpunkte sich dafür eignen. Dies offenbarte ein Kern-
problem, nämlich die Zusammenarbeit nicht nur zwischen Fachbereichen, Hierarchieebenen,
Organisationsebenen, sondern auch Individuen mit ihren je eigenen Sichten auf die Gestaltung
und Beeinflussung von Wandelprozessen.
3.3 Konzeptionsphase: Design-Sprint und Pilotierung
Diese Herausforderungen in der Zusammenarbeit standen bei der Entwicklung des Lernpro-
gramms im Fokus. Auch aus diesem Grund war es sinnvoll, das Programm direkt mit Mitarbei-
ter*innen aus verschiedenen Bereichen des BMU und UBA zu entwickeln. Die inhaltlichen Vorar-
beiten (Kapitel 3.1) wurden für die gemeinsame Arbeit am Programm aufbereitet. Die Ergeb-
nisse sowie die Erkenntnisse aus den Interviews (Kapitel 3.2) wurden in einem Bildungskonzept
zusammengefasst. Wie im Folgenden deutlich wird, war der Übergang von Bedarfserhebungen
und Entwicklungsarbeit fließend.
3.3.1 Design-Sprint
Im Rahmen eines Design-Sprints (zweitägiger Co-Design-Workshop basierend auf den Erkennt-
nissen aus den Interviews, siehe Abb.2) waren interessierte Mitarbeiter*innen aus UBA und
BMU eingeladen, einzelne Elemente der Weiterbildung als Prototypen zu entwerfen und zu tes-
ten. Die ausgearbeiteten Personas und die identifizierten Lernbedarfe dienten als Ausgangs-
punkte, um grundlegende Lerninhalte und didaktische Methoden mit den Teilnehmer*innen aus
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
27
UBA und BMU zu entwickeln. Auf diese Weise entstanden am ersten Tag einzelnen Lern-Bau-
steine, die am zweiten Tag einer weiteren Gruppe von Tester*innen aus dem BMU und UBA vor-
gestellt wurden.
Abbildung 2: Arbeitssituation im Design-Sprint und in der Pilotierung
Foto: Balaz/Politics for Tomorrow, 2019
Diese Prototypen wurden durch das Projektteam weiterentwickelt und in vier Module übersetzt,
die im nächsten Schritt wiederum mit Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Bereichen des BMU
und UBA erprobt und evaluiert werden sollten („Pilotierung“).
3.3.2 Pilotierung
In den folgenden Monaten wurden die Module auf diese Weise weiterentwickelt, wobei Teilas-
pekte immer wieder im Projekt-Arbeitskreis getestet wurden. Basierend auf diesen Rückmel-
dungen sowie weiteren Teamtreffen wurden die Module, Lern- und Methodikinhalte sowie der
zeitliche Ablauf in einer „Pilot-Werkstatt” kondensiert.
Während der Pilotierung einem weiteren zweitägigen Workshop mit ausgewählten Teilneh-
mer*innen aus BMU und UBA wurde eine erste Auswertung durch die Teilnehmer*innen vor-
genommen und in Form von „Testjournals“ festgehalten. Nach jedem Modul erhielten sie einen
dreiseitigen Auswertungsbogen, der sie zeitliche, inhaltliche und methodische Aspekte des Mo-
duls sowie ihre Gesamterfahrung evaluieren ließ. Die Testjournals wurden im Anschluss an die
Pilotierung ausgewertet, was von den Teilnehmenden geschätzt wurde und hinsichtlich der Er-
kenntnisse gut funktioniert hat. So konnte abgeschätzt werden, wo Stolpersteine lagen, um auf
dieser Grundlage die Module weiter anzupassen.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
28
Nach der Pilotierung durchliefen die Inhalte mehrere Iterationen im Projektteam mit dem Ziel,
die TrafoWerk als Gesamtprogramm auszuarbeiten und den ersten Durchlauf baldmöglichst zu
starten.
Bereits zwischen Design-Sprint und Pilotierung wurden erste Elemente für ein Corporate-De-
sign des Lernprogramms entworfen und verwendet. Neben dem wiedererkennbaren Farb- und
Formsystem für die einzelnen Module wurden auch erste Lernmaterialien entwickelt, während
der Pilotierung getestet und im Nachhinein angepasst.
Die Erkenntnisse aus der Entwicklung der Prototypen und aus dem Piloten wurden wiederum
genutzt, um dann das detaillierte Lernprogramm für vier aufeinander aufbauende Werkstätten
zu entwickeln. Aus der Pilotierung ist zugleich ein Kurzprogramm in Form einer kürzeren, dem
Kennenlernen der TrafoWerk dienenden „Schnupperwerkstatt” entstanden.
Ende 2019 startete ein quotiertes Bewerbungsverfahren zur Gewinnung von Teilnehmer*innen.
Für die verschiedenen Organisationen, Fachbereiche und Abteilungen wurden Quoten festgelegt,
innerhalb derer sich Interessierte mit eigenen Herausforderungen bewerben konnten, um sie im
Rahmen der Werkstatt zu bearbeiten.
3.3.3 Durchführung: Programmanpassung aufgrund von Covid-19: Hybride Transformati-
onswerkstatt
Aufgrund von Covid-19 musste das Programm für eine digitale Durchführung übersetzt werden.
Der kreative Umgang mit Online-Werkzeugen und die interaktive, ortsunabhängige Zusammen-
arbeit wurden zu weiteren Lernzielen. Um den Übergang zu gestalten, die zeitliche Verschiebung
und Unsicherheiten im Zuge der Pandemie abzufangen, fand Ende Mai 2020 bereits ein virtuel-
les Kennenlerntreffen mit den Teilnehmer*innen statt. Zwar konnte die erste Werkstatt im Sep-
tember 2020 noch analog organisiert werden, die weiteren drei Werkstätten bis Januar 2021
mussten jedoch als Online-Treffen durchgeführt werden
Der Aufbau der vier zweitägigen Module, der Aktionsphasen dazwischen sowie weitere Fragen
und Antworten zur Ausgestaltung der TrafoWerk wurden in einem Dokument gebündelt (Jacob
et al. 2021b), das hier verfügbar ist.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
29
Abbildung 3 gibt einen grafischen Überblick über die Entstehung der TrafoWerk.
Quelle: Transformationen wagen, Paulick-Thiel 2019
3.4 Entwurf von Evaluationskriterien und -maßnahmen
Aufbauend auf einem Evaluationskonzept, das bereits im Frühjahr 2019 entwickelt wurde,
konnten erste Erfolgskriterien definiert und bei der Pilotierung getestet werden. Entsprechend
dem iterativen Ansatz im Projekt dienten diese Kriterien als Grundlage für die weitere Ausarbei-
tung des Evaluationsansatzes und dessen Implementierung während des Lernprogramms ab
dem Frühjahr 2020. Jede Werkstatt sollte demnach begleitend evaluiert werden. Die Teilneh-
mer*innen teilten ihre Erfahrungen in unterschiedlichen Feedback-Formaten mit. Soweit mög-
lich, wurden diese direkten Rückmeldungen bereits in der Ausgestaltung der jeweils nächsten
Werkstatt berücksichtigt. Weitere Maßnahmen zur Evaluation sowie ihre Ergebnisse werden in
Kapitel 6 detailliert dargelegt.
Abbildung
3: Entstehung der Transformationswerkstatt als Reiseroute (damals noch Innovations-
werkstatt)
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
30
4 Befunde: Problemwahrnehmungen und Transformations-
bedarfe
In Kapitel 4 werden die Inhalte beschrieben, welche im Rahmen des in Kapitel 3 dargelegten Pro-
zesses erhoben wurden. Die Anforderungen der Verwaltung an das Lernprogramm werden be-
schrieben, welche in der akademischen Literatur identifiziert wurden (Kapitel 4.1), gefolgt von den
Bedarfen, welche sich aus den Interviews mit den Mitarbeiter*innen des BMU und UBA ergeben ha-
ben (Kapitel 4.2). Die entwickelten Personas, welche auf den Interviews basieren, geben Aufschluss
über die verschiedenen Transformationsdesign-Typen innerhalb der Verwaltung und deren Zielen
und Bedürfnissen (Kapitel 4.3).
4.1 Verwaltungsbedingte Anforderungen an das Lernprogramm
Aus der Literaturrecherche (Kapitel 3.1) lässt sich ableiten, dass das Management von Wissen
und Kompetenzen eine der Schlüsselherausforderungen für politisch-administrative Organisati-
onen darstellt, um sich adäquat auf Transformationen einzustellen und diese aktiv zu unterstüt-
zen. Dabei konnten eine Reihe von besonderen Rahmenbedingungen identifiziert werden, die
für den Aufbau, die Integration und die Verstetigung von Transformationswissen und -kompe-
tenzen berücksichtigt werden sollten.
So sind politisch-administrative Organisationen ein aktiver Teil politischer Willensbildungs- und
Entscheidungsprozesse, da sie neben politischen Vollzugsaufgaben auch umfangreiche Aufgaben
in den Bereichen Politikformulierung, -koordination, -beratung, -monitoring und -evaluation so-
wie Forschung und Entwicklung übernehmen. Daraus ergeben sich vielfältige Umfeldbeziehun-
gen zu politischen Institutionen, anderen öffentlichen Organisationen, Verbänden, zivilgesell-
schaftlichen Akteuren und Bürger*innen, die für jede politisch-administrative Organisation spe-
zifisch erfasst bzw. adressiert werden können. Im deutschsprachigen Raum dominiert zudem
weiterhin eine legalistisch geprägte Verwaltungskultur mit einem Primat der formellen Rege-
lungsstrukturen und einer damit verbundenen Risikoaversion. Dies kann die Umsetzung von in-
novativen Lern- und Gestaltungsansätzen erschweren.
Die Literatur zu sogenannten „wicked problems“ verdeutlichte, dass der Aufbau und die Nut-
zung von Wissen und Kompetenzen für die Aufgabenerfüllung von politisch-administrativen Or-
ganisationen im Umgang mit diesen komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen in zuneh-
mendem Maße benötigt werden (Daviter et al. 2016: 5). Diese Ansätze umfassen, wie in Kapitel
2 verdeutlicht, die Schaffung flexiblerer Organisationsstrukturen sowie veränderter Anreiz-
strukturen (Head und Alford 2015). Vor allem wird in der wissenschaftlichen Literatur die Be-
deutung von ebenen-, ressort- und sektorenübergreifender Zusammenarbeit betont (Danken et
al. 2016: 18; Head 2010: 574). Eine derartige Zusammenarbeit bietet neben allen Herausforde-
rungen die Chance, in deliberativen Prozessen mehr über das fragliche Policy-Problem zu lernen
und die Perspektiven anderer Akteure besser zu verstehen.
Wie schon in Kapitel 2.2 beschrieben, benötigt ein adäquater Umgang mit komplexen in poli-
tisch-administrativen Organisationen bestimmte Fähigkeiten der Mitarbeitenden insbeson-
dere der Führungskräfte. Zu den wichtigsten Fähigkeiten gehören:
das Erkennen von komplexen Problemen als solche
das Verstehen der Problemkomplexität und Dynamik
die Kompetenz zur Entwicklung kontextspezifischer Problemlösungsansätze
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
31
Für politisch-administrative Entscheidungsträger*innen ist es im Umgang mit vertrackten Her-
ausforderungen deshalb von großer Bedeutung, ein Bewusstsein für die sozialen Prozesse in der
Herstellung von Konsens in hoch umstrittenen Problemfeldern sowie für die politische Nutzung
von Wissen zu entwickeln (Daviter 2015). Darüber hinaus ist der kompetente Umgang mit der
Konflikthaftigkeit eines Feldes, die sich nicht allein durch „mehr Expertise“ auflösen lässt, rele-
vant. Deshalb werden Verhandlungskompetenzen und Konfliktmanagement-Techniken (u.a.
Laws et al. 2014) sowie Kommunikations- und Dialogfähigkeit als wichtig erachtet, um die kom-
plexe und konfliktbehaftete Zusammenarbeit mit vielfältigen Akteuren als zentraler Aufgabe
für die Bearbeitung von komplexen Problemen zu begleiten.
Auch in der verwaltungs- und politikwissenschaftlichen Literatur zur Verwaltungsmodernisie-
rung ließen sich Hinweise darauf finden, welche Kompetenzen für das Lernprogramm wichtig
sind. Besondere Charakteristika und Herausforderungen von Verwaltungsreformen bestehen
darin, dass sie ohne politische Unterstützung im Sande verlaufen, da Veränderungen (zunächst)
häufig starker Widerstand seitens der Verwaltungsmitarbeiter*innen entgegengebracht wird.
Bei ressortübergreifenden Verwaltungsreformen bestehen ein hoher Koordinationsaufwand bei
gleichzeitigem „Freiwilligkeitsprinzip“ sowie Unsicherheit über Ursache-Wirkungsbeziehungen
bei der Übernahme von Reformansätzen aus anderen Kontexten. Für eine erfolgreiche Umset-
zung von Verwaltungsreformen konnten folgende Faktoren genannt werden:
Passfähigkeit zur etablierten Rechtstradition und Verwaltungskultur
wahrgenommener Problemdruck durch Mitarbeiter*innen
umfassende Gestaltungsfreiräume der Verwaltungsleitung
partizipative Entwicklung einer klaren Vision als Ziel des Veränderungsprozesses
mehrstufiges Vorgehen und Fokussierung (zunächst) auf einfach realisierbare Reformele-
mente mit kalkulierbaren Kosten und absehbarem Nutzen für Mitarbeiter*innen
Nutzung von Möglichkeitsfenstern („windows of opportunity“)
Einbindung von Kritikern*innen
Unterstützung durch „Promotoren*innen“ und Aufbau einer Führungskoalition
Als weiterer Strang ließ sich aus der Literatur zu organisationalem Lernen aufzeigen, wie Trans-
formationswissen und -kompetenzen in politisch-administrativen Organisationen etabliert wer-
den können. Neben Erkenntnissen zur Steuerung und Gestaltung von politisch-administrativen
Organisationen wurden auch die internen Prozesse der Aneignung von Wissen und Kompeten-
zen untersucht. Die sich verändernden Rahmenbedingungen und insbesondere die Komplexität
von Transformationsprozessen legen nahe, dass politisch-administrative Organisationen nicht
nur ihre Organisationsformen anpassen, sondern sich auch relevante Wissensbestände und Me-
thoden aneignen und für ihre Mitglieder kollektiv verfügbar machen sollten.
Organisationales Lernen beschreibt eine qualitativ besondere Lernart, die zwar das individuelle
Lernen zur Voraussetzung hat, aber über die Addition der individuellen Lernanstrengungen hin-
ausgeht (Conrad und Keller 1998) und die Idee einer organisationalen Selbstreflexion zum Ziel
hat. Auch können damit bestimmte Formen des Lernens wie Erfahrung, Transfer oder Beratung
gemeint sein (Common 2004; Schildknecht 2018). Bei der Entwicklung des Lernprogramms
wurde zunächst auf den Ausbau individueller Fähigkeiten und Kompetenzen gesetzt, mit dem
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
32
Ziel durch die Vernetzung des individuellen Lernens auch zum Lernen der Organisation beizu-
tragen.
Nach Probst und Büchel (1994) und Argyris und Schön (1978) kann in drei Arten des Lernens
unterschieden:
Anpassungslernen (single-loop learning): Damit ist die Adaption an vorgegebene Ziele
unter Beibehaltung der herrschenden Handlungstheorien („theory-in-use“) gemeint.
Veränderungslernen (double-loop learning): Die herrschenden Handlungstheorien wer-
den hinterfragt und ggf. verändert.
Prozesslernen (third-loop learning): Die Lernprozesse des Anpassungs- und Verände-
rungslernens werden reflektiert. Dahinter steht das Ziel, die Lernfähigkeit zu verbessern.
Relevant für organisationales Lernen ist auch die Reichweite des angestrebten Wandels bzw. der
Veränderung (Individuum, Sub-Systeme, Gesamtstruktur) sowie die Gegenstände des Lernens
(Wissen, Fähigkeiten, Kompetenzen) und damit im Zusammenhang stehend die angestrebten
Ergebnisse wie z.B. Wissensaneignung und Wissensmanagement (z. B. Walsh und Ungson 1991;
Hertin et al. 2009; McNabb 2007; Kropp und Kuhlmann 2013; Oliver et al. 2014; Hustedt und
Veit 2017).
Gemein ist allen Interpretationen, dass organisationales Lernen als Beitrag zu organisationalem
Wandel betrachtet wird. Im Sinne des Lernprogramms wurde festgehalten, organisationalen
Wandel so zu verstehen und zu befördern, dass die Organisationen besser mit den Herausforde-
rungen der Gestaltung von Transformationen umgehen und den Wandel in Richtung Nachhaltig-
keit unterstützen können.
Besonders relevant erschienen die Ansätze aus der Designforschung, da diese konkrete Hilfestel-
lung für das Lernen in politisch-administrativen Organisationen und die Gestaltung von Trans-
formationsprozessen bieten. Eine grundsätzliche Prämisse von Designansätzen ist es, Methoden
und Inhalte von Lernprozessen innerhalb eines Projektes schrittweise zu erstellen, weiterzuent-
wickeln und anzupassen. Zugleich bietet die Designforschung anhand von sechs W-Fragen Hin-
weise, welche Faktoren bei der Ausarbeitung eines Lernprogramms zum Umgang mit gesell-
schaftlichen Transformationsprozessen in politisch-administrativen Organisationen relevant
sein könnten:
Warum: auf individuellen und organisationalen „Problemdruck“/auf entsprechende Bedürf-
nisse eingehen
Was: Bearbeitung realer Fragestellung im Zusammenhang mit Vermittlung von Transforma-
tionswissen und Designkompetenzen
Wie: Strategiemix, breitere Evidenzperspektive schaffen, Veränderungsvorschläge mit Be-
troffenen entwickeln und in Interventionen testen und evaluieren (iterativ und kooperativ)
Wer: gemischte Teams, Netzwerkbildung
Wo: innerhalb, zwischen und außerhalb von Organisationen
Wann: Formatmischung über längeren Zeitraum mit Entwicklungs- und Reflexionsphasen
Um die hier beschriebenen theoretischen Kompetenz-Bedarfe mit der Verwaltungspraxis im
BMU und UBA abzugleichen, wurden im nächsten Schritt Interviews mit Mitarbeiter*innen der
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
33
beiden Institutionen durchgeführt. Dieser Schritt diente dazu, das Programm der TrafoWerk an
die individuellen Situationen des BMU und des UBA anzupassen und die realen Bedarfe der Mit-
arbeiter*innen zu bedienen.
4.2 Interviews
Von Oktober bis November 2018 wurden anhand des in Kapitel 3 erwähnten problemzentrier-
ten Interviewleitfadens 17 qualitative Interviews im BMU und im UBA durchgeführt. Das explo-
rative Vorgehen hatte zum Ziel, empirische Evidenz zu erheben, um Theorie zu generieren, ohne
dabei a-priori-Annahmen zu formulieren. Die explorative Herangehensweise eignet sich beson-
ders für (Forschungs-)Kontexte, in denen bisher nur wenige oder keine Erkenntnisse vorhanden
sind. Der Fokus liegt dabei auf der Genese neuer Ideen, Hypothesen und/oder Theorie. Der For-
schungsprozess kann durch vorhandene Theorien informiert sein, sodass dennoch ein Zusam-
menspiel von induktivem und deduktivem Denken ermöglicht wird.
Die Interviewpartner*innen kamen aus unterschiedlichen Bereichen (Politik-, Fach- und Zentral-
abteilungen) und Hierarchieebenen (vom Referenten bis zur Organisationsleitung). Die Auswahl
der Personen basierte auf ihrer Heterogenität in Bezug auf die Organisation, Arbeitsbereiche
und Hierarchieebenen. Im Mittelpunkt der Interviews standen zum einen die Erwartungen an
den Bedarf, die Formen und die Aufgaben in Bezug auf die Transformation zur Nachhaltigkeit.
Zum anderen wurde nach Erwartungen und Möglichkeiten für ein entsprechendes Trainingspro-
gramm gefragt. Ziel der Gespräche war es, die beruflichen und persönlichen Perspektiven der
Befragten in Bezug auf ihre Wahrnehmungen und Einschätzungen von Transformationen, die
Rolle ihrer Organisationen darin und in Bezug auf ein mögliches Lernprogramm zu erfassen. Die
Interviews dauerten zwischen 45 und 90 Minuten. Sie wurden aufgezeichnet und transkribiert.
Die Anonymität der Aussagen wurde gewährleistet.
4.2.1 Wahrnehmung und Einschätzungen von Wandel und Transformationen
Ein wesentliches Ergebnis der Auswertung lautet, dass die Mehrheit der Befragten einen drin-
genden Bedarf für eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit sieht. Interviewpartner*in-
nen betonten, dass für das Erreichen wichtiger Umweltziele grundlegende und strukturelle Ver-
änderungen erforderlich sind:
„Dass dieses einfach mehr vom Alten, mehr vom Bekannten' nicht angemessen ist, wenn
der Klimawandel stärker wird (...), dass es Musteränderungen geben muss und dass es
etwas Radikales sein muss.”
Dies wird nicht nur im Kontext Klimawandel betont, sondern auch mit Blick auf zentrale gesell-
schaftliche Bereiche seien grundlegende Veränderungen für Verkehr, Chemie, Ernährung, Kon-
sum, Tourismus, Digitalisierung etc. notwendig. Transformationsbedarfe sehen die Befragten
fast durchgängig für ihre jeweiligen Aufgabenbereiche. In diesem Zuge wird auch auf die Verzah-
nung unterschiedlicher Aufgabenbereiche, Abteilungen und Organisationen hingewiesen:
„Das ist ein abteilungsübergreifendes Problem, bei dem mehrere Leute an einem Strang
ziehen müssen. Leider passiert das in der Realität immer seltener.”
Das letzte Zitat zeigt auch auf, dass integrierte Ansätze immer mehr fehlen und stattdessen Ab-
teilungen miteinander konkurrieren. Dafür gibt es eine Reihe von Erklärungen, die von persönli-
chen Animositäten über Zuständigkeitsgerangel und Parteienkonkurrenz bis hin zur Zuständig-
keitskonkurrenz zwischen Bund und Ländern reichen. Die derzeitige sektorale Politik wird nicht
als transformativ, sondern als affirmativ angesehen:
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
34
„Fast alle Strukturen, d.h. rechtliche Instrumente, Finanzierungsinstrumente, institutio-
nelle Arrangements, sind ja nicht darauf ausgelegt, transformative Prozesse zu organisie-
ren, sondern sie sind darauf ausgelegt, das bestehende System (...) am Laufen zu halten.”
Während Übereinkunft darüber besteht, dass Transformationen unausweichlich sind, gibt es ein
unterschiedliches Verständnis von Veränderungstheorien und der Frage, wo Wandel herkommt.
Dabei werden die Rolle der eigenen Organisation, der Individuen und Kompetenzbedarfe sehr
unterschiedlich eingeschätzt. Deutlich wird, dass häufig die zugrunde liegenden Weltbilder mit-
einander konkurrieren und manchmal sogar offene Konflikte über Rollen und Verantwortlich-
keiten bestehen. Eher selten werden Theorien des Wandels und Weltanschauungen der anderen
anerkannt und wertgeschätzt. Trotzdem wird eine verstärkte Zusammenarbeit über Abteilungs-
grenzen hinweg als entscheidend für das Erreichen einer Wirkung angesehen.
4.2.2 Rolle der eigenen Organisation
Die Rolle der eigenen Organisation und des eigenen Aufgabenbereichs für Prozesse des Wandels
wird von den Interviewpartner*innen unterschiedlich eingeschätzt. Dem Anspruch, die Gesell-
schaft zu verändern, steht die skeptische Einschätzung gegenüber, überhaupt etwas bewirken zu
können bzw. eher auf Veränderungen reagieren zu müssen, als Veränderungen auszulösen:
„Ich finde es fast ein bisschen arrogant zu glauben, dass Transformation wirklich durch
ein Umweltministerium erreicht werden kann.”
Dabei wird deutlich, dass sich einige durchaus als „Changemaker” (Gestalter*innen von Wandel)
sehen, wohingegen andere ihren Handlungsspielraum als sehr eingeschränkt wahrnehmen, auch
aufgrund externer Rahmenbedingungen.
„Mein Anspruch ist hier nicht nur (zu) verwalten, sondern wir sind hier, um die Gesell-
schaft zu gestalten. Und zu wagen, das zu tun.”
„Wenn die Politik es nicht will, aus ganz anderen Gründen, weil die Arbeitsplätze nicht,
die Industrie, das EU-mäßig nicht durchkriegen kann, dann äh können wir hier trampeln
und machen, was wir wollen. Da passiert gar nichts, weil das aus unserer Rolle sich so
halt ergibt.”
Jedoch wird auch betont, dass Expertise in politischen Prozessen vorhanden ist:
„Wenn man sich die Gesetzgebungsmaschinerie als eine große Charlie-Chaplin-Maschine
vorstellt, dann ist (unsere Aufgabe), mit der Ölkanne herumzulaufen und überall ein
bisschen zu schmieren oder ein Rädchen wieder einzuschrauben oder so, das heißt, die
Gesetze und Verordnungen, die wir machen, so leise wie möglich durchzuziehen (...).”
Dieselbe Person beklagte sich auch über die fehlende Zeit, sich mit neuen wissenschaftlichen Er-
kenntnissen zu beschäftigen. Hier wird ein Missverhältnis deutlich: Auf der einen Seite gibt es
Mitarbeiter*innen, die mit wissenschaftlichem Sachverstand Politikvorschläge entwickeln und
sich über die Distanz zum politischen Prozess beklagen, auf der anderen Seite gibt es Mitarbei-
ter*innen, die dem politischen Prozess nahestehen, aber den Bezug zur Wissenschaft verloren
haben.
Aber auch die Rollenteilung wird problematisiert. Die einen beklagen, dass das BMU als Filter
fungiert und die Vorschläge des UBA nicht ausreichend und vor allem nicht nachvollziehbar auf-
greift. Andere beklagen entweder, dass das UBA zu wenig politisches Kalkül verfolgt oder dass
die Rollenverteilung unklar ist, weil sich das UBA nicht auf die Rolle einer Fachbehörde be-
schränkt, sondern auch ein politisches Mandat ausüben will:
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
35
„Ich würde sagen, das UBA versteht sich auch als politische Behörde. Und vielleicht ist es
auch tatsächlich so eingerichtet worden. Aber es wäre für mich hilfreich, eine wissen-
schaftliche Institution zu haben, wo (...) ich eine wissenschaftliche Einschätzung be-
komme und nicht eine politische."
In diesem Zuge wird das UBA auch als nachgeordnete Behörde betrachtet und nicht „automa-
tisch Herrscher des Verfahrens“. Eine weitere Beobachtung war, dass die Rolle der eigenen Or-
ganisation durchaus selbstkritisch betrachtet wird. Ein hohes Potenzial für eine Transformation
zur Nachhaltigkeit wird von mehreren Interviewpartnern in gesellschaftlichen Veränderungs-
prozessen gesehen:
„Also (...) ich persönlich glaube, dass es eine gesamtgesellschaftliche Bewegung in Rich-
tung Veränderung gibt.”
„Und die Gesellschaft ist viel weiter als die Politik. Und es wäre schön, wenn sich ein an-
deres Denken durchsetzen würde.”
Es besteht der Wunsch, besser an diese Veränderungsprozesse angeschlossen zu werden:
„Ich glaube, dass die Welt irgendwie nicht von uns gerettet wird, sondern dass sie ir-
gendwo da draußen gerettet wird mit tollen Ideen, die Menschen haben. Und was ich
wirklich vermisse, ist der Transfer in die Verwaltung.”
Das erfordere neue und zusätzliche Kompetenzen:
„Ich glaube, was wichtig ist, was wirklich essentiell ist, ist eine sehr große Offenheit und
auch aus dem Haus zu gehen: mit anderen zu reden.”
„Ein hohes Maß an Selbstreflexion, Offenheit für andere, das Gespräch mit anderen au-
ßerhalb der Institution, das sind zumindest Dinge, die für mich wichtig wären (...).”
Aus dieser Perspektive sollte die Umweltpolitik nicht nur nach technischen Verbesserungen su-
chen, sondern auch die soziale Dynamik aufgreifen:
„Repair-Cafés sind auch ein gutes Beispiel. Da geht es auch um das soziale Miteinander:
Die Leute treffen sich, sie reparieren Dinge, sie lernen von ihren älteren Nachbarn, und
weil sie sonst alleine zu Hause sitzen würden, wollen sie andere Leute treffen.
Insgesamt wird ein höheres Maß an Flexibilität in der Organisation gewünscht, das mehr Frei-
raum für den Einzelnen bietet, zu (internem) Widerspruch und Diskussion anregt. Es wird ein
Bedürfnis nach mehr ganzheitlichem und systemischem Arbeiten wahrgenommen, das sich auch
in den Formen der Zusammenarbeit widerspiegelt:
„Agilität ist sehr wichtig, dass man sehr schnell Teams zu Themen bilden kann. In gewis-
ser Weise sind wir sehr schwerfällig.”
„Vielen Menschen fällt es schwer, systemisch zu denken, und das lernen sie auch nicht in
der Schule. Gerade bei Ingenieuren ist das lineare Denken weit verbreitet, also 'ich
schraube hier, das kommt hinten raus'. So werden sie ausgebildet.”
Die Personalentwicklung muss darauf hinwirken, dass die Mitarbeiter*innen innovativ, flexibel
und experimentierfreudig sind. Was in den Interviews deutlich wird, ist ein gemeinsamer
Wunsch nach grundlegenden strukturellen Veränderungen, aber unterschiedliche Ansichten und
Theorien darüber, ob und wie eine solche Veränderung erreicht werden kann. Darüber hinaus
lässt sich feststellen, dass der Wunsch besteht, den Wandel innerhalb der Organisationen ge-
meinsam zu gestalten, die Komplementaritäten aber nicht voll ausgeschöpft werden.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
36
4.2.3 Kompetenzbedarfe in UBA und BMU
4.2.3.1 Organisations- und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit
Eine integrierte, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit bei Design und Problemlösung
wurde durchgängig als Schlüssel genannt, um Transformationsbedarfe zu adressieren:
„Je komplexer etwas wird, desto abteilungsübergreifender wird es, wir brauchen abtei-
lungsübergreifende Lösungen.”
„Dies ist ein abteilungsübergreifendes Problem, bei dem mehrere Leute an einem Strang
ziehen müssen. Leider passiert das in der Realität immer seltener.”
Das letzte Zitat verweist auch auf die Tatsache, dass integrierte Ansätze fehlen und stattdessen
Abteilungen miteinander konkurrieren. Dabei werden die bestehenden Instrumentarien und
Strukturen als nicht passend betrachtet:
„Fast alle Strukturen, d.h. rechtliche Instrumente, Finanzierungsinstrumente, institutio-
nelle Arrangements, sind ja nicht darauf ausgelegt, transformative Prozesse zu organisie-
ren, sondern sie sind darauf ausgelegt, das bestehende System (...) am Laufen zu halten.”
Die Identifikation von Schnittstellen für eine organisationsübergreifende Zusammenarbeit wird
auch als Ansatz gesehen, um Verständnisprobleme vorzubeugen:
„Ich bin ja viel im Bereich Umwelt und Gesundheit, also wie wirkt die Umwelt auf die Ge-
sundheit, zuständig. Und da gibt es seit Langem oft Verständnisprobleme. Das wird nicht
zusammen gedacht. Die Umweltleute sehen ihre Umwelt, sehen überhaupt nichts wie Ge-
sundheit und es gibt die auch nicht. Die Gesundheitsleute sehen auch die Umwelt nicht.”
4.2.3.2 Kommunikation als Schlüssel
Neben der Integration wird auch die Kommunikation als Schlüssel zur Gestaltung von Transfor-
mationen gesehen von der Mehrheit der Befragten, was in der folgenden Aussage zum Ausdruck
kommt:
„Die Leute verstehen gar nicht, was wir wollen, was wir meinen. Sie wissen auch nicht,
was sie mit dem Begriff [gemeint war „Transformation“] anfangen sollen. Er löst mehr
Ängste aus als etwas Positives.”
„Die Professionalität der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit (...) muss auf jeden
Fall weiterentwickelt werden.”
Die Kommunikation von Transformationsbedarfen wird überwiegend als eine Aufgabe gesehen,
die alle Einheiten betrifft und nicht nur eine Aufgabe der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständi-
gen Einheiten ist. Dafür sollten frühzeitiger Bürger*innen eingebunden werden:
„Wir müssen Wege entwickeln, wie wir die Menschen frühzeitig in den Diskurs einbezie-
hen können, d.h. nicht erst, wenn die politische Entscheidung gefallen ist, sondern schon
zu Beginn der Debatte.”
Neben dem Bedarf nach frühzeitiger Einbindung von Bürger*innen und verbesserter Kommuni-
kation steht einem solchen partizipativen Ansatz aber auch ein häufig geäußertes Bild der in-
strumentellen Kommunikation gegenüber: Kommunikation, um Bürger*innen zu überzeugen,
dass sie etwas Sinnvolles tun sollen. Dabei geht es auch um die politische Legitimität des eigenen
Handelns und nicht unbedingt darum, in einen Dialog zu treten, um neue Impulse zu generieren:
„Und ich glaube, was es dazu an der Spitze braucht: Kommunikationsfähigkeit.”
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
37
Ansatzpunkte werden aber darin gesehen, laufende Transformationsprozesse wie z.B. die Digita-
lisierung aufzugreifen und für den eigenen Anspruch zu nutzen, zumindest um robuste Strate-
gien zu entwickeln. Stattdessen müssen nicht-nachhaltige Praktiken und Strukturen beendet
werden:
„Sondern die schädlichen Dinge, die dem im Wege stehen oder die das in eine falsche
Richtung lenken, müssen beseitigt werden.”
4.3 Persona-Entwicklung
Die Erkenntnisse aus den Interviews zeigen eine Vielfalt von Ansichten über Transformationen
sowie Möglichkeiten und Einschränkungen hinsichtlich der Fähigkeit, Transformationsprozesse
durch öffentliche Verwaltungen zu lesen und zu gestalten. Dementsprechend haben die Inter-
viewpartner*innen unterschiedliche Sichtweisen auf die Notwendigkeit von Kompetenzen und
auf den organisatorischen Wandel. Diese wurden in stilisierten Akteuren, sogenannten Personas,
zusammengefasst, um die erkannten Bedarfe im weiteren Entwicklungsprozess deutlich zu be-
rücksichtigen. Personas repräsentieren eine Gruppe von Personen, z. B. Schlüsselakteure, die ge-
meinsame Interessen, Verhaltensmuster oder demografische Gemeinsamkeiten aufweisen.
4.3.1 Vier Transformationsdesign-Typen innerhalb der politischen Verwaltung
Aufbauend auf den Interviews konnten unterschiedliche Ansätze im Umgang mit Transformati-
onsprozessen in politisch-administrativen Organisationen identifiziert werden. Anhand von vier
Profilen wurden unterschiedliche Sichtweisen auf Umgang mit und Gestaltung von Transforma-
tionen innerhalb der politischen Verwaltung beschrieben. Diese Typen sind exemplarisch und
korrespondieren mit ausgeprägten Politikgestaltungsstilen, Motivationen und Anforderungen
innerhalb der deutschen politischen Verwaltung. Bei der Stärkung der Rolle von Verwaltungsor-
ganisationen für gesellschaftliche Transformationen müssen diese Typen auch für Prozesse des
organisationalen Lernens berücksichtigt werden.
Die Anerkennung unterschiedlicher Typen und Stile ist im Weiteren auch für die Verknüpfung
von individuellen und organisationalen Anforderungen wichtig. Die vier typischen Profile/Per-
sonas befassen sich mit unterschiedlichen Aspekten von Veränderungsprozessen. Grob lassen
sie sich kategorisieren in
Persona A, die in Organisationen denkt,
Persona B, die sich mit politischen Prozessen beschäftigt,
Persona C, die sich auf gesellschaftliche Prozesse konzentriert,
und Persona D, die sich auf politikrelevante Forschung konzentriert.
Die verschiedenen Typen stehen stellvertretend für unterschiedliche Probleme, mit denen politi-
sche Verwaltungen konfrontiert sind, sowie für unterschiedliche Kompetenzen einzelner Mitar-
beiter*innen und Verwaltungsorganisationen. Diese Typen werden in den folgenden Abschnit-
ten näher vorgestellt, indem unterschiedliche Problemwahrnehmungen, Bedürfnisse und erfah-
rene gute Praktiken betrachtet werden.
4.3.1.1 Persona A (Paul): Organisatorische Prozesse
Die erste Persona ist Paul, der über umfangreiche Erfahrungen mit organisatorischen Prozessen
und mit der Steuerung von Organisationen verfügt. Er ist motiviert, seine eigene Organisation zu
verändern, um die interne Zusammenarbeit und die externe Effektivität zu verbessern: „Wir
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
38
sind überhaupt keine Vorbilder. (...) Ich selbst bin völlig inkonsequent.“ Paul kennt die Grenzen
seiner Organisation und erkennt die Grenzen der Steuerbarkeit von politischen und gesellschaft-
lichen Veränderungsprozessen. Wenn es darum geht, Probleme in der Organisation zu erkennen,
räumt Paul selbstkritisch ein, dass es eine große Diskrepanz zwischen seinem Verhalten und
dem, wie er sich verhalten sollte, gibt. Paul erkennt die Notwendigkeit von mehr Wertschätzung
auf der Führungsebene und mehr Ermutigung zum Aufbau von Vertrauen, anstatt für Fehler ge-
maßregelt zu werden.
Die Forderungen, die Paul für seine Organisation erkennt, konzentrieren sich auf eine andere
Lern- und Feedbackkultur. Paul sieht einen Nutzen darin, bestimmte Verhaltensaspekte zu ver-
ändern und findet ein hohes Maß an Selbstreflexion und Offenheit gegenüber anderen außerhalb
der Institution wichtig für Veränderungen in Organisationen. Gleichzeitig stellt Paul fest, dass
diese Verhaltensmuster tief in einer Person verankert sind und sich nur schwer verändern las-
sen. Als Konsequenz empfiehlt Paul, organisatorische Restriktionen transparenter zu machen
und auch emotionale sowie kognitive Aspekte als Teil von Lernprozessen zu reflektieren. Der
Aspekt des gegenseitigen Lernens und des Perspektivenwechsels durch das gegenseitige Vor-
stellen unterschiedlicher Arbeitsansätze und das Mitgestalten von Prozessen wurde als eine
gute Praxis für organisationales Lernen genannt. Für die Zukunft würde es sich für Paul lohnen,
Dinge zu Ende zu bringen, da es derzeit die Tendenz gibt, zu viele verschiedene Dinge auf einmal
zu beginnen. Aus Sicht der Organisation kann Paul als eine Person mit einem funktionalen Inter-
aktionsmuster eingestuft werden.
4.3.1.2 Persona B (Anja): Politische Prozesse
Anja hat umfangreiche Erfahrungen in der Begleitung politischer Prozesse. Sie ist gut vernetzt
mit politischen Akteuren und sieht Politik als zentrales Element bei der Gestaltung von gesell-
schaftlichen Veränderungsprozessen. Sie bringt Positionen aus ihrer eigenen Organisation in ak-
tuelle politische Entwicklungen ein und nutzt ihr Wissen, um strategische Prozesse in ihrem Ar-
beitsumfeld weiterzuentwickeln. In ihrem Arbeitsalltag ist Anja mit Zeitmangel und dem Prob-
lem der gleichzeitigen Verpflichtungen konfrontiert. Anja betont auch, dass sich die Mitarbei-
ter*innen ständig gegenseitig blockieren und immer ein Haar in der Suppe sehen.
Anja wünscht sich mehr politischen Spielraum, zum Beispiel durch die aktive Nutzung von Me-
dien, „denn Politiker orientieren sich an dem, was in den Medien steht.“ Sie kritisiert, dass politi-
sche Prozesse in ihrer Experimentierfreudigkeit eingeschränkt sind und Veränderungen über-
wiegend durch gesetzliche Rahmenbedingungen verhindert werden. Laut Anja haben Politi-
ker*innen zu wenig Mut, regulatorische Experimente auszuprobieren. Anja plädiert für koopera-
tive Steuerungsmodelle: „Der Hierarchiemodus könnte temporär und experimentell durch den
Netzwerkmodus ersetzt werden.“ Neben kleinen, vertrauenswürdigen Netzwerken spielen für
Anja die Kommunikation und das Erzählen eine zentrale Rolle, wobei sie eine einfache Sprache
ebenso für sinnvoll hält wie die Übersetzung von Politik in Visionen.
4.3.1.3 Persona C (Marianne): Gesellschaftliche Prozesse
Marianne hat langjährige Erfahrung in der Gestaltung von Projekten, die aufzeigen, wie und in
welche Richtung Umweltpolitik vorangebracht werden kann. Sie verfügt über ein umfangreiches
Wissen über innovative (Arbeits-)Ansätze und eröffnet der Umweltpolitik durch die Umsetzung
und Auswertung von Projekten neue Möglichkeiten (und erweitert Spielräume). Sie arbeitet eng
mit gesellschaftlichen Akteuren zusammen und sieht diese als wichtige Treiber für Veränderun-
gen.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
39
Ein Problem sieht Marianne in der Undurchlässigkeit des politischen Verwaltungsapparates, der
von starken, beharrenden Kräften geprägt ist: „Zu lange und zu bequem haben sie [die Mitarbei-
ter*innen der politischen Verwaltung] Dinge ausgearbeitet, die dann einfach so funktionieren,
aber nicht mehr durchlässig sind für neue Lösungen und dafür, dass sich die Welt verändert
hat.“ Gleichzeitig betont Marianne die Frage des Mindsets und der Ausbildung und dass es vielen
Menschen innerhalb der politischen Verwaltung schwerfällt, systemisch zu denken: „Lineares
Denken ist weit verbreitet, das ist eine Ausbildung. Wir brauchen eine Ausbildung, die systemi-
sches Denken schult.
Marianne artikuliert den Bedarf an mehr Agilität, um bei wichtigen Themen schnell Teams bil-
den zu können und unterschiedliche Realitäten zu integrieren. „Ich kann etwas im Labor durch-
spielen, aber ich muss wissen, ob es mit dem Rahmen draußen funktioniert. Das Labor muss also
Leute von außen einbeziehen.
4.3.1.4 Persona D (Alexander): Politikrelevante Forschung
Alexander ist ein Experte auf seinem Gebiet und setzt sein Wissen sowohl in der Wissenschaft
als auch bei Entscheidungsträger*innen ein. Er unterstützt die Umweltpolitik, indem er wissen-
schaftliche Erkenntnisse für Entscheidungsträger*innen aufbereitet, Gesetze und Verordnungen
wissensbasiert vorbereitet und umsetzt sowie politikrelevante Forschung initiiert. Er setzt sich
für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Politik und Wissenschaft ein, um gesellschaftliche
Veränderungsprozesse effektiver zu gestalten.
Alexander kritisiert die Kluft zwischen Wissen und Handeln: „Wir haben keine Wissensdefizite,
sondern Umsetzungsdefizite.“ Alexander findet es problematisch, dass ständig neue Forschung
produziert wird, obwohl man bereits weiß, was zu tun ist. Ein weiteres großes Problem, das Ale-
xander hervorhebt, ist der fehlende übergreifende Austausch. Er beschreibt, dass angesichts der
zunehmenden Komplexität oft auch die Dringlichkeit steigt, aber jeder in seiner Abteilung ver-
sucht, das zu tun, wofür er zuständig ist, „weil es so schön einfach ist ... wir wissen nicht, was die
anderen machen.
Alexander sieht die Notwendigkeit, europäischer zu werden und ein besseres Verständnis für
EU-Prozesse zu entwickeln. Er glaubt, dass es auf EU-Ebene innovative Ansätze gibt, von denen
die deutsche Verwaltung lernen kann. Er interessiert sich für den Transfer von Best Practice im
Bereich einer neuen Arbeitskultur, nicht nur in Bezug auf seine eigene Organisation, sondern
auch im internationalen Vergleich. Aktuelle Best Practice des Verwaltungshandelns zeichnet sich
seiner Meinung nach durch die umfangreiche Erstellung von neuen Studien aus, die er als Pro-
dukt eines intensiven Reflexions- und Denkprozesses sieht. Als weiteres Best-Practice-Beispiel
nannte er eine kurze Exkursion, die ein praktisches Zielgruppenerlebnis ermöglichte und „einen
Blick auf das, was wir uns nur auf dem Papier ausdenken.
4.3.2 Schlussfolgerungen für das Lernprogramm
Für die Entwicklung eines Trainingsprogramms, das darauf abzielt, transformative Kompetenz
innerhalb der politischen Verwaltung zu entwickeln und zu unterstützen, müssen diese Per-
sonas berücksichtigt werden, um die unterschiedlichen Hintergründe, Rationalitäten und Kapa-
zitäten zu reflektieren, die verschiedene Akteure innerhalb der Verwaltung bei der Gestaltung
von Transformationen haben. Deutlich wird dabei die Vielfalt der Veränderungstheorien, die
sich sowohl auf das Rollenverständnis der Organisation als auch auf die eigenen individuellen
Rollen und Kompetenzbedarfe zurückführen lassen. Die Personas verteilen sich über Organisati-
onen und Abteilungen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die eine oder andere Persona im UBA
oder BMU überwiegt. Häufig konkurrieren die zugrundeliegenden Weltbilder miteinander,
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
40
manchmal gibt es sogar offene Konflikte über Rollen und Verantwortlichkeiten. Eher selten wer-
den Veränderungstheorien und Weltbilder anderer anerkannt und wertgeschätzt. Trotzdem
wird eine verstärkte bereichsübergreifende Zusammenarbeit als entscheidend für das Erreichen
einer Wirkung angesehen.
Diese Befunde liefern weitere Details und Hinweise für die Kompetenzen, die eine transforma-
tive Kompetenz ausmachen, wie sie aus der Literatur abgeleitet und in zu Beginn dieses Kapitels
vorgestellt wurden. Die Reflexion der eigenen Position und Rolle als Change Agent müsste an-
dere möglicherweise konkurrierende, häufiger jedoch komplementäre Rollen in der Organi-
sation berücksichtigen. Darüber hinaus implizieren die Ergebnisse die Notwendigkeit einer kriti-
schen Selbstreflexion der Rolle der Organisation in Transformationsprozessen im Allgemeinen.
Die hier zusammengefassten Erkenntnisse zu Bedarfen aus Literatur, Interviews und Personas
bilden die Grundlage, um einen Lernprozess zu entwickeln, der die entsprechenden Kompeten-
zen für Transformationsprozesse vermittelt. Im nächsten Kapitel wird die Konzeption für die
TrafoWerk beschrieben, welche auf den Ergebnissen dieser Bedarfsaufnahme fußt.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
41
5 Konzeption der Transformationswerkstatt
Die TrafoWerk beruht auf einem Bildungskonzept zur Vermittlung der Kompetenzen, welche in Ka-
pitel 4 ermittelt wurden. Kapitel 5 beschreibt die Konzeption der TrafoWerk und das resultierende
Programm. Dafür werden die Programmziele verdeutlicht (Kapitel 5.1), die didaktische Herange-
hensweise beschrieben (Kapitel 5.2) und die Programmstruktur dargelegt (Kapitel 5.3).
Besonders relevant für die Entwicklung des Bildungskonzepts der TrafoWerk waren die erzie-
hungswissenschaftlichen Diskussionen aus dem Forschungsfeld „Bildung für Nachhaltige Ent-
wicklung“ (BNE). Die Verknüpfung von Nachhaltiger Entwicklung und Bildung wird hierbei als
notwendig angesehen, um auf individueller und gesellschaftlicher Ebene die notwendigen
Wandlungsprozesse zu unterstützen. Prämisse ist, dass die Transformation zur Nachhaltigkeit
nur gelingen kann, wenn ein weitreichender mentaler (individueller) und kultureller (gesell-
schaftlicher) Wandel stattfindet.
Unter dem Leitbild Nachhaltige Entwicklung wird insbesondere der Erwerb grundlegender
Kompetenzen für eine entsprechende Gestaltung des persönlichen und beruflichen Lebens, ge-
sellschaftliche Mitwirkung und globale Mitverantwortung fokussiert (KMK/BMZ 2016, S. 84).
Um Kompetenzen genauer zu definieren, stützte sich das Projektteam auf die Definition und die
Auswahl von Schlüsselkompetenzen der OECD (OECD 2005) als auch auf den europäischen Refe-
renzrahmen „Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen“ (2006). Dem Bildungskonzept der
TrafoWerk liegt ein integrativer Kompetenzbegriff zugrunde, was bedeutet, dass eine motivie-
rende, willentliche und soziale Bereitschaft (Weinert 2001, S. 27) entwickelt wird, sich verschie-
dene Wissensformen anzueignen und zur Problemlösung einzusetzen. Dies entspricht den Grun-
delementen des Konzepts der Gestaltungskompetenz (KMK/BMZ 2016, S. 85), die zum Ziel hat,
Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen selbstorganisiert vor dem Hintergrund des Leitbilds der
nachhaltigen Entwicklung einsetzen zu können.
5.1 Programmziele
Wie in Kapitel 3 geschildert, wurden die konkreten Programmziele über mehrere Iterationen
und gemeinsame Gestaltungsphasen (inkl. Design-Sprint und Pilotierung) entwickelt. Das Lern-
programm hat zum Ziel, dass Mitarbeiter*innen aus Ministerien und ihren wissenschaftlichen
Behörden erfahren, wie Transformationsprozesse aktiv begleitet und gestaltet werden können.
Die TrafoWerk fördert
1. das Verständnis, wie Transformationen ablaufen und beeinflusst werden können,
2. das Anwenden geeigneter Methoden für die ebenen- und fachübergreifende Bearbeitung,
3. die Vermittlung von entsprechenden Haltungen, die ein transformatives Arbeiten unter-
stützen. Dazu gehört insbesondere die Offenheit für ein experimentierendes Vorgehen,
die notwendige Fehlerkultur sowie Empathie und Neugierde, sich auf andere Sichtwei-
sen einzulassen;
4. die Zusammenarbeit über Organisations-, Abteilungs- und Fachbereichsgrenzen hinweg,
inklusive der Aufbau eines Netzwerkes von Change Agents.
Die damit zusammenhängenden Lernziele sind in konkreten Wissensinhalten und Methoden
operationalisiert. Die Teilnehmer*innen erarbeiten sich in dem Programm entsprechend inhalt-
liche und methodische Grundlagen, um Transformationsprozesse zu analysieren und zu bewer-
ten. Sie konzipieren Experimente zur Erkundung transformativer Fragestellungen und evaluie-
ren diese. Die Weiterbildung fördert sowohl individuelles als auch organisationales Lernen, ins-
besondere indem konkrete Herausforderungen organisations- und bereichsübergreifend bear-
beitet werden.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
42
Mittelfristig können politische Verwaltungen durch das Programm insbesondere soziale Innova-
tionen besser fördern und skalieren. Langfristig steigern sie ihre Fähigkeiten, nachhaltigkeitsori-
entierte Systemveränderungen zu gestalten und zu lernenden öffentlichen Organisationen zu
werden.
5.2 Didaktik
Die TrafoWerk nutzt den didaktischen Ansatz des „herausforderungsbasierten Lernens“, ein Mo-
dell, welches komplexe Problemlagen anerkennt, adressiert und auf eine (er-)forschende und
handlungsorientierte Lernumgebungen setzt.
Zudem nutzt die TrafoWerk digitale Werkzeuge, um Information und Wissen zielgerichtet zu ge-
nerieren, zu teilen und sich hierüber auszutauschen.
5.2.1 Lernansatz der Transformationswerkstatt
In einer global vernetzten, digitalen Welt nimmt der Zugang zu Information permanent zu, was
wichtige Implikationen für das Wissensmanagement hat. Der Umgang mit flüchtigem Wissen ist
eine Notwendigkeit. Dabei geht es nicht nur darum, Wissen zu rezipieren, sondern auch darum,
das Wissen in der Praxis anzuwenden bzw. neues Wissen entsprechend vorhandener Fragestel-
lungen zu generieren oder Entwicklungen vorauszusehen. Weiterbildung kann sich daher nicht
mehr auf die bewährten Modelle der linearen Wissensvermittlung beschränken. Vielmehr geht
es darum, durch aktive Interaktion mit einem Thema und verschiedenen Akteuren zu lernen.
Abbildung 4: Passives und aktives Lernen anhand der Erinnerungs-Quote
Quelle: https://drwilda.com/tag/national-training-laboratories/
Abbildung 4 in Anlehnung an die NTL (National Training Laboratories) zur sogenannten ‚Re-
tention Rate‘ verdeutlicht, wie sich passive und aktive Lernformen hinsichtlich des Lernerfolges
unterscheiden. Die Retention Rate beschreibt, was der*die durchschnittliche Lernende aus ei-
nem Training mitnimmt” also eine Verhältniszahl bzw. Prozentzahl, die wiedergibt, was diese
Person erinnern und damit potentiell umsetzen kann. Jenseits der Lernformate spielen noch
viele weitere Faktoren eine Rolle, etwa hinsichtlich des Inhalts, des Alters der Person, ihrem
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
43
Vorwissen oder den Lernanweisungen. Daher sind die Prozentangaben nicht als absolut zu be-
trachten, sondern fallspezifisch. Entscheidend im Kontext der TrafoWerk ist jedoch die einhel-
lige wissenschaftliche Meinung, dass eine aktive Auseinandersetzung mit dem Lernstoff tenden-
ziell eher zu Lernerfolgen im Sinne der Kenntnis und Anwendbarkeit von Wissen führen.
5.2.2 Herausforderungsbasiertes Lernen
Herausforderungsbasiertes Lernen (Challenge-Based Learning) beruht auf Erlebnissen und
menschlicher Interaktion. Die Ursprünge dieses Ansatzes lassen sich unter anderem auf John De-
wey’s (1938) erfahrungsbasierte Bildungskonzepte zurückführen. Seit Mitte der 70er Jahre wur-
den diese weiterentwickelt und formalisiert (siehe Kolb und Fry 1975).
Der didaktische Ansatz des herausforderungsbasierten Lernens stellt dabei „echte Probleme aus
der Realität“ (real life problems) als zentrale Herausforderung in den Mittelpunkt. Das heraus-
forderungsbasierte Lernen greift die häufig theoretischen Grundlagen des problem- und projekt-
basierten Lernens auf (Sherwood 2004; Koria, Graff und Karjaleinen 2011) und verortet diese
innerhalb einer echten Situation mit realen Menschen und deren Problemen. Auf diese Weise
Lernende werden handlungsfähiger im Einsatz des Erlernten, gerade in einem eher unbekann-
ten Umfeld.
Auch die TrafoWerk versucht entsprechend, eine Lernumgebung zu schaffen, in der reale Her-
ausforderungen adressiert und bearbeitet werden können. Die mitgebrachten Fragestellungen
der Teilnehmenden wurden dafür in Herausforderungen übersetzt. Die so entstehenden Leitfra-
gen dienen dazu, notwendiges Wissen sowie entsprechende Aktivitäten und Ressourcen zu iden-
tifizieren, die notwendig sind, um Herausforderung anzugehen. Auf dieser Basis können kon-
krete Lösungsoptionen entwickelt werden, die prototypisch test- und evaluierbar sind.
5.2.3 Didaktische Grundhaltungen der Transformationswerkstatt
Der Ansatz des herausforderungsbasierten Lernens zieht sich als didaktische Grundhaltung
durch alle Module der TrafoWerk:
Lernreise und Lernbegleitende: Die TrafoWerk versteht sich als eine Lernreise, in deren
Rahmen für eine Herausforderung Lösungen entwickelt werden. Die Programmleitenden
und Coaches verstehen sich dabei als Begleitende auf dieser Lernreise, die aus ihrer Exper-
tise heraus Konzepte, Tools und Methoden vermitteln, mit denen die Teilnehmenden voran-
gehen können.
Lernen durch Ausprobieren: Beim herausforderungsbasierten Lernen wird erst erlebt und
im Anschluss erklärt und reflektiert (first experience, then explain”, „Done is better than
perfect.“ „Show don’t tell.”). Eine theoretische Vermittlung von Konzepten und Inhalten fin-
det deshalb in Form kurzer Inputs statt. Direkt darauf folgt die praktische Anwendung der
Inhalte im Team oder im Tandem.
Konkrete Herausforderung: Um von abstrakten Theorien auf die Ebene des realen Tuns zu
kommen, wird in der TrafoWerk anhand konkreter Projekte und Beispiele aus dem Ar-
beitsalltag der Teilnehmenden gearbeitet.
Aktives Lernen: Die Inhalte der TrafoWerk werden nicht vorgesetzt und passiv konsumiert,
sondern durch eigenes Erleben und Ausprobieren aktiv erarbeitet.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
44
Dokumentation und Reflexion: In der TrafoWerk gibt es Reflexionseinheiten, um das Er-
lebte zu durchdenken und zur eigenen Praxis ins Verhältnis zu stellen. Lerntagebücher stel-
len die Dokumentation des Erlebten sicher.
Zeitmanagement: In der TrafoWerk geht es darum, sich persönlich und im Team weiterzu-
entwickeln. Zeit ist dabei eine der wichtigsten Ressourcen und wird bewusst genutzt. Große
Ziele werden in kleinen Schritten angegangen. Dabei hilft das „Timeboxing”, um von Reden
ins Tun und vom Diskutieren hin zur Abbildung von Übereinkünften zu gelangen.
Kooperation: Herausforderungsbasiertes Lernen setzt auf Teamarbeit. In der TrafoWerk
wird den Teilnehmer*innen die Chance gegeben, multidisziplinäre Kollaboration als wert-
volle Bereicherung zu erleben.
Haltung: Die Teilnehmenden sind selbst für ihre Entwicklung verantwortlich. Sie suchen Lö-
sungen, nicht Probleme. Sie bleiben fokussiert und nehmen die TrafoWerk als Chance, nicht
als Belastung wahr. Alle Beteiligten bringen sich als gleich wertvolle Mitglieder ein und un-
terstützen sich gegenseitig mit Respekt, vor allem bei der Überwindung von Schwierigkeiten.
5.2.4 Grundlegende Prinzipien
Die Ausgestaltung der TrafoWerk folgt einer Reihe von Prinzipien, die sicherstellen, dass die
Ziele des Lernprogramms erreicht werden.
Verbindung von Theorie, Praxis, Haltung: An komplexen gesellschaftlichen Veränderungen
mitzuwirken, erfordert ein Lernen auf drei Ebenen. Auf theoretischer Ebene findet eine Ausei-
nandersetzung mit Transformationsprozessen statt, indem die Teilnehmenden sich mit entspre-
chenden Konzepten und Modellen vertraut machen. Auf der Handlungsebene erlernen die Teil-
nehmenden durch aktives Ausprobieren konkrete Methoden. Und auf der Ebene der Einstellung
werden wesentliche Arbeitshaltungen vermittelt.
Mischung aus Präsenz- und Aktionsphasen: In vier intensiven Präsenzworkshops lernen die
Teilnehmer*innen über je zwei Tage hinweg in unterschiedlichen Arbeitskonstellationen. Me-
thodisch angeleitet unterstützen sie sich gegenseitig bei der Kompetenzaneignung (Peer-Learn-
ing). In den Zeiträumen zwischen den Werkstätten bearbeiten sie in Aktionsphasen einzelne As-
pekte weiter, vertiefen das Gelernte und testen es im Arbeitsalltag.
Abwechslungsreiche Arbeitskonstellationen: Teilnehmer*innen bringen unterschiedliche
Lernbedürfnisse mit; daher wird in der TrafoWerk ein Lernen und Arbeiten in unterschiedlichen
Konstellationen ermöglicht:
im Plenum mit allen Teilnehmer*innen
in festen Teams, über die vier Werkstätten hinweg
in gemischten Gruppen mit fünf bis sechs Personen
in Tandems oder Dreier-Gruppen
in Einzelarbeit z.B. mit Lernjournal
in flexiblen offenen Formaten (Open Space), die selbst gestaltet werden
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
45
In Experimenten denken und handeln: Ein kreatives und iteratives Arbeiten steht im Zentrum
des Lernansatzes. Die von Teilnehmenden entwickelten transformativen Ideen durchlaufen im-
mer wieder Zyklen aus Entwerfen, Testen, Lernen und Verbessern. Teilnehmende lernen, dass
ihre Umgebung im Kleinen und gesellschaftliche Transformationen im Großen gestaltbar sind.
Sie entwickeln Prototypen, etwa von Politiken, Veranstaltungen, Prozessen, Kommunikations-
produkten etc. Sie testen ihre Wirkung auf andere und sie entwickeln auf dieser Basis ihre Ideen
weiter. Dieses Experimentieren ist Haltung (Denken) und Methode (Handeln) zugleich und ent-
scheidend dafür, Transformationen zu begegnen und komplexe Probleme anzugehen.
Gestaltung mit Haltung: Persönliche Einstellungen sind die Richtschnur des Handelns im Ar-
beitsalltag. Förderliche Arbeitshaltungen werden entsprechend in der TrafoWerk gleichberech-
tigt zu methodischen Kenntnissen und inhaltlichem Wissen vermittelt. Folgende Haltungen sind
für die TrafoWerk zentral:
Komplexität und Widerstände willkommen heißen
andere Perspektiven sehen und einnehmen wollen
mutig und bewusst Neues wagen, ausprobieren und es getestet verwerfen können
Arbeitsprozesse mit Ausdauer und Zuversicht evaluieren und anpassen
die eigene Rolle bei der Begleitung von Transformationsprozessen selbstkritisch reflektieren
und realistische Erwartungen entwickeln, ob und wie intensiv Transformationen beeinflusst
werden können
Die letzte Haltung verdeutlicht, dass es keinen „Werkzeugkoffer für Transformationen“ gibt. Die
Teilnehmer*innen beenden das Programm nicht mit einer abgeschlossenen Transformation
oder gelösten Herausforderung. Aber sie sind nach dem Programm besser in der Lage, den kom-
plexen Realitäten tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungsprozesse ins Auge zu blicken
und ihre produktive Rolle darin zu finden.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
46
Abbildung 5: Haltungen, die in der Transformationswerkstatt gefördert werden
Quelle: Transformationen wagen, Paulick-Thiel, Teebken & Jacob 2021
5.3 Aufbau der Transformationswerkstatt
Die TrafoWerk, so wie sie in diesem Projekt entwickelt wurde, beinhaltet vier zweitägige Prä-
senzveranstaltungen mit dazwischen liegenden Aktionsphasen. Zusätzlich steht zu Beginn ein
Kennenlern-Treffen an. Das Lernprogramm ist hybrid konzipiert. Die Veranstaltungen können
nach Bedarf und Möglichkeit analog oder digital stattfinden.
Das Programm startet mit einem dreistündigen Treffen, bei dem der persönliche Austausch zwi-
schen den Teilnehmer*innen mit dem Werkstatt-Team im Fokus steht. Gleichzeitig wird ein Aus-
blick auf die bevorstehende Lernreise gegeben, die Planung der kommenden vier bis sechs Mo-
nate aufgezeigt sowie die Modi der Zusammenarbeit und Veranstaltungsformate vorgestellt.
Wenn dies online stattfindet, dann werden Grundlagen der digitalen Zusammenarbeit auspro-
biert und notwendige, technische Voraussetzungen für den weiteren Verlauf verdeutlicht.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
47
Abbildung 6: Generischer Ablauf einer Transformationswerkstatt
Quelle: Transformationen wagen, Paulick-Thiel, Teebken & Jacob 2021
Etwa vier Wochen später beginnt das eigentliche Programm. Es besteht aus vier aufeinander
aufbauenden zweitägigen Modulen, den „Werkstätten“. Jedes Modul besteht aus drei inhaltlichen
Untermodulen, die interaktiv und methodisch bearbeitet werden.
Die vier Werkstätten finden in einem Abstand von vier bis sechs Wochen statt. Zwischen den
Veranstaltungen liegen die Aktionsphasen. In diesen Zeiträumen können die Teilnehmer*innen
ihr Wissen praktisch und im eigenen Tempo vertiefen. Hier erproben sie das Erlernte durch ei-
genständige Interventionen im Arbeitsumfeld. Die Phasen fördern den Transfer ausgewählter
Lerninhalte aus den Modulen in den Arbeitsalltag. Sie ermöglichen den Teilnehmer*innen, das
Gelernte in Bezug zur eigenen Transformationsherausforderung zu setzen.
In den Aktionsphasen unterstützt ein Buddy-Ansatz den persönlichen Austausch und das ge-
meinsame Lernen. Dabei werden mindestens zwei Personen, die sich noch nicht kennen und aus
unterschiedlichen Organisationen oder Abteilungen stammen, zusammengebracht. Sie sind im
Zeitraum des Lernprogramms füreinander da und vertiefen ihr Wissen zwischen den Hauptmo-
dulen miteinander. Idealerweise werden auch Alumni aus vorherigen Durchgängen der Tra-
foWerk dafür eingebunden.
Zwischen den Hauptmodulen können weitere, fakultative Treffen stattfinden. Gute Erfahrungen
wurden mit einem Format namens „Kamingespräch“ gemacht, bei dem externe Impulsgeber*in-
nen am Abend vor einer Werkstatt thematisch passende Inhalte vorstellen und diskutieren.
Auch Sprechstunden oder von Teilnehmer*innen selbständig organisierte Formate (etwa Metho-
den- oder Lesezirkel) bieten sich an.
Eine TrafoWerk endet nach vier Hauptmodulen und somit ca. vier bis sechs Monate nach dem
Start. Es empfiehlt sich eine Alumni-Gruppe aufzubauen dies kann weitgehend selbstorgani-
siert stattfinden z.B. über eine E-Mail-Liste oder einen Chat-Kanal. Darüber hinaus wären jährli-
che Treffen aller Mitwirkenden erstrebenswert.
Im Folgenden werden die Lern- und Haltungsziele der jeweiligen Werkstätten kurz vorgestellt.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
48
5.3.1 Modul 1: Probleme systemisch verstehen und transformativ angehen
Das übergeordnete Lernziel des ersten Moduls der TrafoWerk ist es, sich an eine Betrachtung
von Systemen und ein Denken in Transformationen anzunähern. Weitere untergeordnete Lern-
ziele sind:
transformativen Wandel als systemischen Wandel verstehen, der über Effizienzsteigerung
und kleinschrittigen Wandel hinausgeht
den Umgang mit Komplexität schulen und Probleme systemisch analysieren
die Dynamik von Systemen verstehen und sich mit den Ausgangspunkten für systemischen
Wandel auseinandersetzen
Begriffe wie z.B. Transformationen, System, Pfadabhängigkeiten, Feedback, Kipppunkte und
Lock-In einordnen können und deren Bedeutung für die Gestaltung von Transformationen
erfassen
Diese inhaltlichen und methodischen Lernziele werden durch Haltungsziele ergänzt. Das überge-
ordnet Haltungsziel des ersten Moduls lautet, Komplexität und Widerstände willkommen zu hei-
ßen. Ergänzend kommen weitere untergeordnete Haltungsziele dazu:
Komplexität aufgeschlossen begegnen und neugierig einen Umgang damit suchen
Perspektiven anderer Personen auf systemische Zusammenhänge wertschätzen
Ursachen und Herausforderungen konstruktiv in die Analyse aufnehmen
5.3.2 Modul 2: Perspektiven reflektieren und Realitäten erkunden
Das übergeordnete Lernziel des zweiten Moduls lautet, Transformationsakteure mit ihren ver-
schiedenen Perspektiven kennen und verstehen zu lernen. Anstatt Widerstände zu bekämpfen,
erfahren Teilnehmer*innen, wie sie diese wertschätzen und nutzen können. Weitere unterge-
ordnete Lernziele sind:
Interessenlagen (im Rahmen festzulegender Fragestellungen) akteursbezogen analysieren
Mit Widerständen umgehen lernen und die eigene Perspektive kritisch reflektieren
Feldforschung planen, um Bedarfe und Perspektiven unterschiedlicher Akteursgruppen zu
identifizieren und einzubeziehen
Begriffe wie Akteure in Regime oder Nische, Change Agent, Promotorinnen und Promotoren,
Stakeholder, Kognitive Verzerrungen, Empathie und Widerstände einordnen können und de-
ren Bedeutung für die Gestaltung von Transformationen verstehen.
Diese inhaltlichen und methodischen Lernziele werden durch Haltungsziele ergänzt. Das überge-
ordnete Haltungsziel des zweiten Moduls ist es, andere Perspektiven zu respektieren und sich
auch in gegensätzliche Meinung hineinzuversetzen. Ergänzend sind weitere Haltungsziele von
Bedeutung:
empathisch die Welt mit den Augen anderer Menschen sehen, um näher an das heranzukom-
men, was andere Menschen fühlen und erleben
die eigene Perspektive und auch selbst auferlegte Rollen kritisch reflektieren
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
49
Aufgeschlossenheit, Neugier und generell ein positives Menschenbild, das unterschiedliche
Perspektiven als wertvolle Basis fr eine erkundende, kollaborative Zusammenarbeit aner-
kennt
5.3.3 Modul 3: Transformative Ideen und Innovationen entwickeln
Für das dritte Modul ist das übergeordnete Lernziel, Innovations-Prototypen zu erstellen, zu tes-
ten und weiterzuentwickeln und damit eine iterierende Arbeitsweise kennen zu lernen. Weitere
untergeordnete Lernziele sind:
Handlungsansätze für den eigenen Politikbereich kennenlernen, die Schritte in Richtung
Transformation erlauben
den Mehrwert eines iterativen Gestaltungsprozesses mit Testphasen anhand selbst entwi-
ckelter Prototypen erleben
im Politik- und Verwaltungskontext unterschiedliche Arten von Prototypen identifizieren
Begriffe wie Innovation, Experiment, Reallabor, Planspiel und Prototyp einordnen können und
deren Bedeutung innerhalb der Dynamik von Systemen verstehen.
Durch das dritte Modul soll den Teilnehmenden als übergeordnetes Haltungsziel vermittelt wer-
den, mutig etwas zu wagen, es auszuprobieren und getestete Ideen auch wieder verwerfen zu
können. Weitere untergeordnete Haltungsziele sind:
Die Bereitschaft für kreatives Experimentieren stärken. Dabei sollen die eigenen und im
Team vorhandenen kreativen Ressourcen erschlossen werden, um gemeinsam Ideen und
Prototypen zu entwerfen, greifbar zu machen und iterativ zu verbessern
sich darauf einlassen, experimentelle Ansätze zu nutzen, um Lösungen für ihre Herausforde-
rungen zu entwerfen und umfassendes Feedback für die Weiterentwicklung zu erhalten
Anschließend an das Prototyping wird im Modul 3 durch die Teilnehmer*innen ein Testplan für
die Durchführung eines kleinen, machbaren Experimentes entworfen. Der Impuls für die Akti-
onsphase zwischen Modul 3 und 4 lautet, dieses Experiment wirklich zu wagen und allein oder
gemeinsam durchzuführen. Ziel ist, dass auf die bisherige konzeptionelle Arbeit konkrete
Rückmeldungen erhalten werden und die weiteren Entwicklungsschritte informieren. Der Test
könnte zum Beispiel beinhalten, eine Agenda oder Einladung zu einer fiktiven Besprechung zu
erstellen, die auf die transformative Idee einzahlt. Die Agenda oder Einladung werden anschlie-
ßend mit Kolleg*innen geteilt und besprochen. Das Experiment sollte im realen Arbeitsalltag
stattfinden, damit die Teilnehmer*innen „in der Welt“ lernen können. Erfahrungen werden in
einer einfachen Feedback-Matrix festgehalten.
5.3.4 Modul 4: Veränderungen begleiten und kulturellen Wandel gestalten
Im vierten Modul wird aufbauend auf die entwickelten und getesteten transformativen Ideen er-
lernt, wie diese in bestehenden Systemen eingeführt und skaliert werden können. Die geeignete
Kommunikation ist dabei entscheidend. Das übergeordnete Lernziel ist es, Handlungsansätze für
die Skalierung transformativer Innovationen in komplexen Systemen kennenzulernen. Weitere
untergeordnete Lernziele sind:
Ausstiegs- und Rückbauprozesse („Exnovationen“) als Teil von Transformationen zu verste-
hen
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
50
Organisationskultur sowie damit zusammenhängende Routinen reflektieren und als Verän-
derungsfeld für einen transformativen Wandel erkennen
Kompetenzen für gemeinsame, transformative Kommunikationsprozesse stärken
Begriffe wie Skalierung, Strukturwandel, Kultur, Narrative, Diskurse, Exnovation, Phase-in,
Phase-out, transformative Kommunikation einordnen und deren Bedeutung innerhalb der
Dynamik von Systemen verstehen können
Haltungsziel des vierten Moduls ist es, Beharrlichkeit und Kontinuität im Umgang mit komple-
xen Herausforderungen zu entwickeln und in Arbeitsprozesse übersetzen zu können. Weitere
untergeordnete Haltungsziele sind:
Courage, Selbstreflexion und Ausdauer als Einstellung fördern
durch adaptives und iteriertes Lernen Standfestigkeit entwickeln
ein positives Transformationsverständnis in den Arbeitsbereich tragen
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
51
6 Evaluation der Umsetzung
Parallel und im Anschluss zur ersten Durchführung der TrafoWerk (September 20 bis Januar 21)
fand eine umfangreiche Evaluation statt, die auf vier Säulen basierte:
1. direktes, qualitatives Feedback der Teilnehmenden nach jedem Werkstatt-Tag
2. eine teilnehmende Beobachtung während der vier Werkstätten in Form von Protokollen
und Notizen des Programm-Teams
3. Durchführung von vier Fokusgruppen
4. eine standardisierte Umfrage für alle Teilnehmenden einen Monat nach Beendigung des
Programms
Ziel der Evaluation war es herauszufinden, ob die anfangs gesteckten Ziele des Weiterbildungs-
programms erreicht wurden und ob das Bildungskonzept dafür geeignet war. Der folgende Ab-
schnitt beschreibt das Vorgehen (Kapitel 6.1) und die Haupterkenntnisse (Kapitel 6.2). Die dar-
aus abgeleiteten Schlussfolgerungen finden sich im nachfolgenden Kapitel 7.
6.1 Mehrstufige Evaluation
Die Umsetzung des Programms wurde umfassend ausgewertet, durch eine begleitende als auch
eine anschließende (ex-post) Evaluation. Dafür kamen unterschiedliche Erhebungsinstrumente
zum Einsatz. Die einzelnen Module der Werkstatt wurden während der Durchführung umfas-
send protokolliert. Die Protokolle beinhalteten eine Zusammenfassung des Ablaufs, der Kernin-
halte und Methoden, Reaktionen darauf, TN-Ergebnisse, Diskussionen und Eindrücke der Zu-
sammenarbeit. Zuzüglich wurden die Teilnehmer*innen am Ende eines jede Veranstaltungstages
um ein kurzes Feedback gebeten. Bei der ersten TrafoWerk, die im physischen Präsenzformat
stattfand, gab es einen Feedback-Stuhlkreis. Darüber hinaus konnten anonym schriftliche Rück-
meldungen auf Klebezetteln abgegeben werden. Für die Durchführungen der digitalen Werkstät-
ten konnten die Teilnehmer*innen ihr Feedback mündlich in einer Gesprächsschlussrunde mit-
teilen sowie zusätzlich per Chat. Sie wurden ebenfalls eingeladen, eine einfache Online-Umfrage
auszufüllen. Zum Teil mündeten diese Beobachtungen und Rückmeldungen in direkte Anpassun-
gen des nächsten Workshoptages bzw. in die Entwicklung der folgenden Workshops.
Darüber hinaus gab es am Ende des jeweiligen Workshoptages eine Besprechung im kleinen
Projektteam, bei dem die Kerneindrücke festgehalten wurden. Dieses teaminterne Feedback half
ebenfalls den zweiten Veranstaltungstag und/oder das nächste Modul vorzubereiten. Am Ende
des zweiten Veranstaltungstages und somit des jeweiligen Moduls gab es darüber hinaus eine
Teambesprechung im erweiterten Projektteam, um die Eindrücke in Hinblick auf Nutzung und
Wirkungen der Lernangebote untereinander zu teilen, zu diskutieren und wichtige Aufgaben in
Hinblick auf die Vorbereitung der nächsten Module festzuhalten.
Nach den vier Modulen wurden die Teilnehmer*innen gebeten, das Programm im Rahmen einer
standardisierten Befragung zu bewerten. Dafür wurde ein Fragebogen entworfen, der im We-
sentlichen die Relevanz der inhaltlichen und methodischen Impulse zum Gegenstand hatte. Zu-
sätzlich wurden insgesamt vier Fokusgruppendiskussionen durchgeführt: Die Teilnehmer*innen
aus den verschiedenen Organisationen (BMU, Bundesamt für Sicherheit in der nuklearen Entsor-
gung (BASE) und UBA) wurden zu je eigenen Treffen eingeladen; eine vierte Fokusgruppe wurde
mit dem Werkstatt-Kernteam (P4T und FFU) durchgeführt. Hier wurde nach den Eindrücken
und der Nutzbarkeit der Werkstätten für die Arbeit gefragt sowie nach möglichen Verbesserun-
gen.
Insgesamt beobachteten wir, dass sich der Blick der Teilnehmer*innen auf die TrafoWerk im
Laufe der Zeit veränderte (siehe Kapitel 6.2). Die langfristige Wirkung des Programms konnte im
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
52
Rahmen der ausgewählten Evaluierungsinstrumente jedoch nur bedingt eingeschätzt werden.
Für die Evaluation zukünftiger Programme empfiehlt es sich, Evaluationen zu unterschiedlichen
Zeitpunkten zu bedenken, und dafür gegebenenfalls einen längeren Zeitraum - auch deutlich
nach Programmende - anzusetzen. So ließe sich unter Umständen auch die langfristige Wirkung
der TrafoWerk erheben.
6.2 Evaluationsergebnisse
6.2.1 Anspruchsvolles, gutes Weiterbildungsprogramm
Insgesamt war das Feedback überaus positiv und es wurde betont, dass die TrafoWerk ein ge-
lungenes Weiterbildungsprogramm war:
„Ich [habe] in den über 22 Jahren UBA [...] noch nie so viel Transfer von einer Fortbil-
dung gehabt. Also Dinge die dann doch irgendwie in meinen Alltag mit reingehen.”
Vor dem Hintergrund des angepassten, semi-virtuellen Werkstattansatzes, den Anforderungen
einer nutzer*innen- und zugleich datenschutzfreundlichen Durchführung, war es für die Pro-
grammleitenden herausfordernd, eine vielfältige und empathische Zusammenarbeit zu ermögli-
chen. Insgesamt berichteten die Teilnehmer*innen jedoch, dass sie sich wohl gefühlt und trotz
der zunächst nicht vorgesehenen digitalen Formate die Werkstatt gerne besucht hätten. Sie be-
tonten, dass trotz des hohen Maßes an digitalen Formaten ein empathischer Umgang ermöglicht
wurde. Die Art und Weise der Zusammenarbeit wurde positiv evaluiert und der wertschätzende
Aspekt der Zusammenarbeit als maßgebliches Element der TrafoWerk bestätigt.
„Ich finde für das digitale Format und auch die spontane Umsetzung, wahrscheinlich völ-
lige Neukonzeption, habt Ihr es richtig gut gemacht. Wir haben wahrscheinlich alle di-
verse Online-Veranstaltungen gehabt im letzten Jahr und ich muss sagen, die drei [digita-
len Transformationswerkstätten] waren die besten.”
Gleichzeitig wurden die besonderen Herausforderungen an digitale Formate deutlich und dass
es einer detaillierten Vorbereitung bedarf und ein konstantes, gutes Anleiten der einzelnen
Übungen:
„Was ich da aber auch noch mitgenommen habe am Rande, dass so was einer eigenen
Moderation bedarf. Dass man nicht einfach Gruppen zusammenwerfen kann. Wenn sie in
einem Raum sitzen, kommt da glaube ich eine andere Dynamik auf, als wenn jeder ein-
zeln vor seinem Rechner sitzt. Ich glaube, wenn man einzeln vor dem Rechner sitzt
kommt nicht so viel Dynamik raus, die einer zusätzlichen Moderation und Anleitung be-
darf.”
Das Programm ist aber auch auf eine gewissen Offenheit seitens der Teilnehmer*innen angewie-
sen, sich immer wieder neu mit unterschiedlichen digitalen Methoden und Arbeitskonstellatio-
nen auseinandersetzen zu wollen. Insgesamt konnte eine starke Lernkurve im digitalen Umgang
mit den unterschiedlichen Anwendungen festgestellt werden. Aus der standardisierten Umfrage
ergab sich, dass die zweite TrafoWerk einen „digitalen Methoden-Peak” darstellte. Hier wurden
viele Anwendungen, Übungen und Tools eingeführt, die dann in den beiden letzten Werkstätten
immer selbstverständlicher genutzt wurden. Neben den Vorteilen, die eine digitale Ausrichtung
bietet (z.B. Zeitersparnisse durch Wegfall der Reiseplanung), wurden auch die Fallstricke einer
rein digitalen Umsetzung betont, besonders mit Blick auf die Vernetzung der Teilnehmer*innen:
„Ich fand es auch sehr spannend, vor allem die digitalen Tools und das digital zu machen,
auch wenn ich dadurch das Gefühl habe, dass das sich kennenlernen, sich vernetzen kür-
zer gekommen ist, als man das in persona hätte machen können.”
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
53
Die konstante und aktive Teilnahme bestätigt die positive Evaluation des Programms seitens der
Teilnehmer*innen. Der Programmrahmen (Ablauf, Dauer, Rhythmus) wurde als angemessen be-
wertet. Der Zeitraum von sechs Monaten mit vier Terminen, Ablauf und Format (zwei Tage pro
Werkstatt) wurde als angebracht und machbar empfunden. Auch das halbtägige Kennenlernen
vor Werkstattbeginn wurde als sehr wichtig eingestuft, nicht nur um das Team und die anderen
Teilnehmer*innen kennenzulernen, sondern auch um die Erwartungen an das Programm ab-
klopfen und vorausschauend einen Ausblick zu gewährleisten, was auf die Teilnehmer*innen zu-
kommt.
6.2.2 „Externe“ Rahmenbedingungen spielen eine wichtige Rolle, Aneignung komplex
Bei der Bereitstellung von Texten und der Durchführung der Aktionsphasen zwischen den
Werkstätten wurden Zielkonflikte mit dem dominierendem Alltagsgeschäft deutlich. Dies betraf
auch die Nutzung der digitalen Lernplattform Notion:
„Ich habe ein wahnsinnig schlechtes Gewissen, weil ich hätte so gerne so viel mehr ge-
macht. Ich hätte so gerne die Literatur gelesen und so viel mehr gelernt. Und es war
schlicht nicht möglich. Ich habe schon immer, wenn die Termine kamen, gedacht Du
müsstest Dir mal das Notion angucken.’ Ich habe noch nicht einmal da reingeguckt.”
Die Aktionsphase wurde bedingt genutzt: Insgesamt eher wenige Teilnehmer*innen konnten in
dieser Zeit eigene Interventionen gezielt planen und umsetzen. Impulse, die das Projektteam für
die Aktionsphase vorbereitete, wurden durch die Teilnehmer*innen begrüßt, jedoch wurde im-
mer wieder die Zeitknappheit betont, unvorhersehbare Termine wahrnehmen zu müssen oder
aber im alltäglichen Arbeitsgeschäft dafür nicht genügend Raum zu haben:
„Das mag daran liegen, dass man da doch als Einzelkämpferin in einem dichten Arbeits-
programm was hätte tun sollen, was dann eben nicht ganz so trivial war, weil die Metho-
den ja schon deutliche Veränderungen gegenüber dem Status Quo gebraucht hätten.”
Einige Teilnehmende möchten gerne an die TrafoWerk anschließen, jedoch gab es auch viel
Skepsis, ob sie die Zeit finden würden, sich über das Programm hinaus mit den angebotenen
Lernressourcen im Arbeitsalltag auseinanderzusetzen. Insgesamt wurde die mangelnde Zeit be-
tont, um sich tiefgreifender mit dem Lernprogramm im eigenen Arbeitskontext auseinanderzu-
setzen:
„Und ich dachte zwischendurch, ich bräuchte eigentlich so eine Fortbildung zwei Wochen
am Stück. Bam. Um da wirklich richtig reinzugehen. Und dann so ein Follow Up irgend-
wie, alle zwei Monate mal zu gucken was ihr damit macht. Um da wirklich richtig dran zu
bleiben.”
Dabei wurde die eigene Organisationskultur immer wieder thematisiert und wurden die nur be-
dingt vorhandenen Freiräume dafür kritisiert. Zeitmangel in der eigenen Organisation und Ar-
beitsroutine war entsprechend immer wieder ein Thema, das im Rahmen der TrafoWerk nur be-
dingt adressiert werden konnte. Insgesamt waren alle Teilnehmer*innen sehr motiviert, sich In-
halte und Methoden für den eigenen Arbeitsalltag anzueignen, und haben sich aktiv in Plenums-
diskussionen und in der Kleingruppenarbeit oder bei der Erledigung der „Hausaufgaben” einge-
bracht. Nicht alle konnten an Tandemgesprächen teilnehmen oder sich darüber hinaus vernet-
zen.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
54
6.2.3 Vielfältige Blickwinkel, Methoden und Theorien
Insgesamt wurde der Mehrwert unterschiedlicher Perspektiven und Erklärungsansätze im Rah-
men von Kurzinputs und abendlicher Kaminabende deutlich hervorgehoben. Diese unterschied-
lichen Blickwinkel ermöglichten es den Teilnehmer*innen, sich unterschiedlichen Problemati-
ken zu nähern, ohne dabei auf einen Erklärungsansatz festgelegt zu sein:
„Ich komme ja aus der Organisationsentwicklung, da gibt es auch viele verschiedene Mo-
delle, aber mit dem neuen Blickwinkel von der Transformationswissenschaft fand ich
das einfach noch mal spannend, die Erkenntnis wie unterschiedlich das alles betrachtet
werden kann. Dass eben nicht eine Theorie, nicht ein Modell genügend sein kann. Das ist
einfach vollkommen unmöglich, dass man mit einem Modell auf einen grünen Zweig
kommt.”
Bei der standardisierten Umfrage wurde deutlich, dass die Themen im Rahmen der inhaltlichen
Inputs unterschiedliche Relevanz für die Teilnehmer*innen hatten. So gab es unterschiedliche
Meinungen darüber, welche Themen als nützlich für den Arbeitsalltag erlebt wurden. Jedoch ha-
ben sich durchaus einige Themen herauskristallisiert, die nützlicher als andere erschienen. Das
betrifft insbesondere das Verständnis von Transformationen und Hebelpunkten (Modul 1), Akt-
euren, Perspektivwechsel und ihre Rolle für Transformationen (Modul 2) sowie Kultur und Rou-
tinen (Modul 4). Bei diesen Themen gaben 70-80 Prozent der Befragten an, dass sie diese als
hilfreich empfunden haben und/oder sie sie gerne anwenden möchten. Es wurde darüber hin-
aus deutlich, dass die Teilnehmer*innen es wertschätzten, wenn es ausreichend Zeit für die Klä-
rung von Verständnisfragen gab und die Themen auch diskutiert werden konnten.
Dafür wurde im Verlauf der Werkstatt mehr Zeit eingeräumt, auch um flexibler auf eine sich ent-
stehende Diskussion reagieren zu können. Gleichzeitig wurde von einigen Teilnehmer*innen be-
tont, dass die Inhalte sich noch stärker an konkreten Projekten im Arbeitsumfeld orientieren
sollten. Dieser Punkt markiert eine immerwährende Herausforderung bei der Durchführung der
TrafoWerk: Zum einen mussten die Inhalte ausreichend abstrakt gehalten werden, so dass sie
für alle Teilnehmer*innen und ihre mitgebrachten Herausforderungen Anknüpfungspunkte er-
möglichten, zum anderen sollten ganz konkret die Inhalte zu den einzelnen Problemen der Teil-
nehmer*innen passen, ohne sich in Kleinteiligkeit zu verlieren. Die Übersetzungsleistung der In-
halte auf den Arbeitskontext ist jedoch etwas, dass die Programmleitenden nicht leisten können.
Dafür sollte in zukünftigen Weiterbildungsprogrammen Zeit investiert werden, auch im Rahmen
von im Vorfeld vorgelegten und gruppenbasierten Herausforderungen (s.u.).
Das Gleiche konnte bei den Methoden beobachtet werden. Hier wurde immer wieder die Vielfäl-
tigkeit lobend hervorgehoben, gleichzeitig wurde auch der Wunsch geäußert, bestimmte Metho-
den noch tiefere bearbeiten zu wollen:
„Es war oft ein „Methodengewitter“: tolle Angebote, aber sehr viel.“
Bei der standardisierten Umfrage gab es kaum eine Methode, die nicht mindestens 40 Prozent
der Teilnehmer*innen hilfreich fanden und selbst im eigenen Arbeitskontext anwenden wollen.
Doch auch entlang der unterschiedlichen Module gab es eindeutige Favoriten, die großen An-
klang fanden. Das betrifft die methodischen Übungen zur Identifikation von Hebelpunkten (Mo-
dul 1), den Gesprächsleitfaden (Modul 2), den „Ja... und”-Ideenturm (Modul 3) und die Gewohn-
heitenanalyse (Modul 4). 70-80 Prozent der Teilnehmer*innen würde diese Methoden gerne in
ihren Arbeitsalltag transferieren.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
55
6.2.4 Organisationsübergreifende Zusammenarbeit als wichtiger Mehrwert des Pro-
gramms
Ein ursprüngliches Ziel des Weiterbildungsprogramms war es, eine konstruktive, organisations-
übergreifende Zusammenarbeit und Netzwerkbildung zu ermöglichen. Die organisationsüber-
greifende Zusammenarbeit wurde als deutlicher Vorteil des Programms hervorgehoben:
„Ein weiterer Punkt war vor allem dieses Zusammenkommen mit ganz vielen Kollegin-
nen und Kollegen, mit Gleichgesinnten, sich auszutauschen, zu wissen es gibt da Men-
schen, die ticken ungefähr so ähnlich wie man selbst und finden dieses Thema auch ganz
spannend, das war aus meiner Sicht sehr befruchtend, und diese intensiven Workshops
über Doppeltage waren natürlich schon ein echter Hammer, aber ich glaubte das
brauchte es auch.”
„Ich fand den Austausch zwischen allen, also UBA, BMU und [BASE] total wertvoll.”
„Was total bereichernd ist, ist die Diversität von verschiedenen Institutionen und ver-
schiedenen Hierarchieebenen. Das fand ich richtig, richtig gut. Und auch Altersstrukturen
und Themen. Das war auch ganz oft super interessant.”
Gleichzeitig konnte das Entstehen eines Netzwerks beobachtet werden, etwas, dass die Teilneh-
mer*innen immer wieder als Mehrwert hervorhoben. Die Art und Weise, wie in unterschiedli-
chen Gruppenkonstellationen interaktiv zusammengearbeitet wurde, wurde als essentieller Be-
standteil des Programms betont und war für viele zugleich eine neue Erfahrung. Dabei wurde
die Gruppenarbeit an einem gemeinsamen Problem als besonders positiv empfunden im Ver-
gleich zur Arbeit an eigenen/individuellen Herausforderungen. Der Bedarf, „nicht sein eigenes
Süppchen kochen” zu wollen, wurde von vielen kommuniziert. Dabei spielte die mitgebrachte
Herausforderung eine wichtige Rolle und es wurde der Wunsch geäußert, für das Arbeiten an
der Herausforderung weniger zwischen unterschiedlichen Teams und Aufgabenstellungen zu
wechseln. Auf die Frage, was anders gestaltet werden sollte, äußerten die Teilnehmer*innen:
„Konkretere Arbeit an einem gemeinsamen Projekt. Nicht ständiger Wechsel von einem
gemeinsamen Projekt zum eigenen Projekt. Bzw. Vorarbeiten sind schwierig zu nutzen,
wenn das Ziel der nächsten Arbeiten nicht klar ist. Lieber erst gemeinsames Projekt und
danach ein Durchlauf mit eigenem Projekt als [Wiederholung] und Vertiefung.“
„Ich hatte den Eindruck in den Gruppenarbeiten, dass die Zusammenarbeit sehr viel pro-
duktiver war, wenn sich die Gruppe auf ein gemeinsames Thema konzentrierte.”
Viele Teilnehmer*innen betonten darüber hinaus, dass eine langfristige Vernetzung über die
TrafoWerk erwünscht ist, z.B. im Rahmen eines Alumni-Kreises und weiterführender Angebote
wie Prozessbegleitung im Arbeitsalltag. In der standardisierten Umfrage gab die Mehrzahl der
Teilnehmer*innen an, sie hätten in der TrafoWerk mit Personen aus anderen Organisationen zu-
sammengearbeitet und würden das gerne auch in Zukunft fortsetzen wollen.
6.2.5 Selbstwirksamkeit spielt eine große Rolle
Die Evaluation offenbarte, dass die kritische Selbstreflektion und die eigene Rolle der Teilneh-
mer*innen in ihren Organisationen ein zuvor unterschätzter Kernpunkt für die TrafoWerk ist.
Das betrifft nicht nur die inhaltliche und methodische Auseinandersetzung zu Fragen der Trans-
formation und die eigene Rolle darin, sondern betrifft auch den eigenen Umgang mit diversen
Akteuren im tagesaktuellen Geschehen. Hier gab es sehr gemischtes Feedback von einigen Teil-
nehmer*innen, die die Übungen, bei denen es um die kritische Einschätzung der eigenen Organi-
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
56
sation, der eigenen Arbeit und ihre Wirkung auf Transformationsprozesse ging, als „zu persön-
lich” empfanden. Andere wiederum betonten, dass es wichtig wäre, genau dort stärker reinzuge-
hen und diesen Aspekt in den zukünftigen Werkstätten noch zu verstärken:
„Der zweite Punkt, der glaube ich gestärkt werden könnte, ist der Aspekt im Rahmen ei-
nes solchen Coachings, Selbstwirksamkeit zu verdeutlichen, auch wenn man häufig viel-
leicht nicht weiterkommt, gerade dann zu wissen Wo habe ich was erreicht, wo habe ich
durch mein Zutun in diesem Bereich vor diesem Hintergrund eine Veränderung angesto-
ßen?’”
„Was mir vielleicht besser gefallen hätte, dass man das letzte Modul, wo man noch mal
auf dieser persönlichen Ebene gewesen ist, dass man das vielleicht nach vorne schiebt.”
Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass es im Zuge der Auseinandersetzung mit anderen
Akteuren und Kollegen*innen schon einige Methoden gab, die sich als hilfreich erwiesen haben.
Das betrifft nicht nur die kritische Auseinandersetzung und Selbstreflektion der eigenen Rolle,
sondern auch die Fähigkeit dadurch mit eigenen Routinen brechen zu können:
„Die Systematik hilft mir unglaublich und die Methoden helfen mir. Ich habe seit den
Winter Werkstätten, seit den Dezember Werkstätten, wirklich angefangen Gespräche
systematisch vorzubereiten, z. B. des Gesprächsleitfadens, und habe sehr überraschend
ähnliche Sachen festgestellt wie [ein ander*r Teilnehmer*in der Werkstatt], dass Leute
ganz anders reagiert haben als ich vorher angenommen habe. Und auch darüber hatten
wir gesprochen. Selbstreflektion. Wie gehe ich eigentlich in so ein Gespräch rein? Und ich
habe gelernt, dass ich doch nicht so offen bin, wie ich immer gedacht hätte.”
Es wird immer wieder deutlich, dass die kritische Selbstreflektion, eine offene Haltung für über-
raschende Ergebnisse, sich auf Neues einzulassen und ein experimentierendes Vorgehen zuzu-
lassen, Kernaspekte der TrafoWerk sind, die gut methodisch angeleitet werden können. Bei der
TrafoWerk gilt es jedoch auch zu bedenken, dass die Offenheit der Teilnehmer*innen unter-
schiedlich sein kann und ggf. mit den unterschiedlichen Typen korrespondiert. Gleichzeitig
wurde auch deutlich, dass mit der Offenheit gewisse Ängste verbunden waren:
„… und ich kam mir dann manchmal vor wie die letzte Nestbeschmutzerin, wenn ich sage
was aus meiner Sicht gerade noch verändert werden könnte. [...] Und das fand ich
manchmal ein bisschen schwierig im Umgang damit. Wie ist da die Behördenstruktur,
wer hört was mit, kriege ich da hinterher für einen auf den Deckel, dass ich so offen war.
Die Atmosphäre war gar nicht so, aber der Gedanke schwang halt schon manchmal mit.”
Es wird deutlich, dass ein solches Weiterbildungsprogramm Zeit braucht, um Vertrauen aufzu-
bauen und um die persönlichen Aspekte vertiefen zu können und ggf. Offenheit neu zu lernen.
6.2.6 Erwartungsmanagement und Bescheidenheit gegenüber Transformationen
Insgesamt konnte beobachtet werden, wie sich die Erwartungshaltung gegenüber dem, was die
Transformationswerkstatt leisten kann und soll, im Laufe der Zeit verändert hat. Einige Teilneh-
mer*innen waren zu Beginn des Programms mit der Selbstanforderung gestartet, nach dem Wei-
terbildungsprogramm eine Transformation umgesetzt oder zumindest initiiert zu haben. Diese
teils auch sehr implizite Erwartungshaltung hat sich über die Zeit gewandelt:
„Meine Hoffnung ist jetzt, vielleicht muss so eine Werkstatt auch nicht alle unsere Erwar-
tungen gleich erfüllen. Da habe ich sicherlich auch sehr hohe Erwartungen erstmal in die
Werkstatt gebracht, weil ich das eine tolle Sache finde. Vielleicht ist es wirklich jetzt auch
an uns im Nachgang, wo wir einfach mal den Input hatten und ein bisschen herumexperi-
mentiert hatten, noch mal weiter zu machen.”
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
57
Dabei war die Kommunikation immer wieder ein entscheidender Aspekt, nicht nur im Vorfeld
der Organisation des Weiterbildungsprogramms, sondern auch in der Begleitung der Teilneh-
mer*innen über den Zeitraum der Werkstatt. Ein interessantes Ergebnis ist dabei, dass ein Hal-
tungsziel erst im Laufe der TrafoWerk offenbar wurde: Bescheidenheit gegenüber Transformati-
onsprozessen. Was kann die eigene Rolle im Rahmen von Transformationsprozessen sein, wie
wirkt diese im Zusammenspiel mit der eigenen Organisation und der Umwelt? Die Grenzen der
Gestaltbarkeit von Transformationen sollten zukünftig stärker betrachtet werden. Diese Be-
obachtung korrespondiert mit dem neuem Haltungsziel „Bescheidenheit gegenüber der Gestal-
tung und dem Tempo von Transformationsprozessen”. So sollen nicht nur Grenzen von Trans-
formationen aufgezeigt werden, sondern auch Transformationsabläufe und Aspekte der Zeit
stärker in den Fokus genommen werden.
Neben der eigenen Erwartung daran, was das Weiterbildungsprogramm leistet, zu welchem
Zeitpunkt, was die eigene Rolle für Transformationsprozess ist und (nicht) sein kann, wurde
auch auf externe Erwartungen innerhalb der eigenen Organisation verwiesen:
„Ich hatte schon durchaus auch diesen Gedanken, also dass ich quasi auch für mein Fach-
gebiet oder mein Themengebiet da reingeschickt werde und dass durchaus die Erwar-
tung ist, dass ich das wieder mitbringe und meinen Kolleginnen weitergebe. [...] das war
schon so eine Erwartungshaltung, und die konnte ich nicht erfüllen.”
Dieser Einblick korrespondiert mit einigen mitgebrachten Erwartungshaltungen und den hohen
Anforderungen, die durch manche an die Transformationswerkstatt gestellt wurden:
„Obwohl rückblickend, da war vielleicht eher noch das Ziel [...] die Idee uns als Transfor-
matoren auf den Weg zu schicken. Oder als Apostel.”
„Es ist wirklich eher die Sache von Erwartungsmanagement am Anfang und Kommunika-
tion der Ziele, weil ich auch so ein bisschen mit diesem Apostel Gedanken reingegangen
bin und das nicht erfüllt bekomme [...]. Also das was ich jetzt weitergeben kann ist „Wenn
das wieder aufgesetzt wird, mach da mit“. Das kann ich weitergeben. Von daher bin ich
Apostel von „Macht mit“. Aber der Anspruch war vielleicht einfach zu hoch oder die Er-
wartungshaltung von meinem Fachgebiet an mich, dass ich das könnte danach.
Neben der Bescheidenheit als neues Haltungsziel und der begleitenden Kommunikation im Rah-
men des Teilnehmer*innen-Management und Durchführung des Programms ist es ebenso wich-
tig, die eigenen und organisationsbedingte Erwartungen der Teilnehmer*innen abzufragen und
abzugleichen mit dem, was die Werkstatt vor hat und leisten kann.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
58
7 Schlussfolgerungen
7.1 Programmrahmen beibehalten, leicht erweitern
Insgesamt ermutigen die Rückmeldungen der Teilnehmer*innen dazu, den Programmrahmen an
den im Folgenden genannten Punkten zu modifizieren. Sinnvoll scheint die Beibehaltung eines
halbtägigen Kennenlernens vor Beginn des eigentlichen Werkstattprogramms. Entsprechend ist
dieser Termin der jeweiligen ersten TrafoWerk vorzuschalten. Was immer wieder deutlich
wurde, ist die Wichtigkeit, andauernd und langfristig angelegt die Termine zu kommunizieren,
um von den Organisationen freigestellt zu werden, und als Teilnehmer*in selbst die notwendige
Zeit planen zu können. Die begleitende Kommunikation der Teilnehmer*innen entlang der
Werkstätten, Herausforderungen und Möglichkeiten, die sich im Verlauf auftun, hat sich darüber
hinaus als sehr wichtig erwiesen. Die Gruppengröße war mit 25 Personen (exklusive Team und
Auftraggeber*innen) für die Vorbereitung und aktive Beteiligung aller Teilnehmer*innen gut ge-
eignet. Diese anvisierte Teilnehmer*innenzahl ermöglichte gute Kleingruppengrößen von maxi-
mal fünf Personen je Gruppe. Das Grundprinzip der Diversität zwischen Organisationen, Fachbe-
reichen und Hierarchie sollte bei der Vorauswahl der Teilnehmer*innen auch in Zukunft beibe-
halten werden.
Das Arbeiten/Lernen in der Werkstatt soll auf fünf Ebenen stattfinden. Diese Ebenen der Zusam-
menarbeit werden innerhalb der Werkstätten deutlich gemacht und entlang der Module kom-
muniziert:
individuell
Tandem (Buddy/Peer-System, unbekannte*r Kolleg*in aus anderer Organisation, ggf. auch
mit ehemaligen TrafoWerk-Fellows) (im Folgenden immer „Tandem” genannt)
Gruppe (fünf x fünf)
Open-Space (Raum, in dem sich TN selbst organisieren und zusammenfinden, auch neue
Gruppen organisationsintern)
Plenum
Für zukünftige Weiterbildungsprogramme sind ausreichend Pausen in der Planung und abendli-
ches Ausklingen für Netzwerkbildung zu bedenken oder, wo vorhanden, beizubehalten (z.B. an-
derthalb bis zwei Std. Mittagspause in wechselnden Tandemkonstellationen, kurze Pausen für
den gemeinsamen Kaffee zwischendurch, abendlicher Ausklang und Kamingespräche).
In der Vorbereitung, bei der Durchführung und Evaluation des Programms gilt es, unterschiedli-
che Menschentypen zu bedenken. Neben den identifizierten Personas spielt der Lerntyp der
Teilnehmer*innen eine wichtige Rolle. Das betrifft zugleich auch die Fähigkeit zur (Selbst-)kritik,
also selbstkritisch zu agieren, mit Kritik umgehen zu können und Kritik auch zu nutzen. Es
könnte helfen, dafür mehr über die Selbsteinschätzung der Teilnehmer*innen zu erfahren. Diese
psychologische Komponente sollte entlang des Programms stärker thematisiert werden und
könnte einen entscheidenden Mehrwert für die zukünftige Ausrichtung des Weiterbildungspro-
gramms darstellen.
Die frühzeitige Kommunikation der Termine und die Begleitung während der Durchführung des
Programms waren wichtig nicht nur, um die Freistellung vom regulären Alltagsgeschäft zu er-
möglichen, sondern auch um die Aktionsphase und den Transfer der Methoden in den Ar-
beitsalltag zu gewährleisten. Letzteres ist nur bedingt gelungen. Ein oftmals genannter Grund
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
59
hierfür waren die sich stetig wandelnden Rahmenbedingungen und dominierende Aufgaben im
Alltagsgeschäft. Da viele Teilnehmer*innen diesen Punkt sehr explizit formulierten und das Tra-
foWerk-Team diesen Aspekt nur sehr bedingt einplanen konnte, bietet es sich in zukünftigen
Durchläufen an, diesen gesondert und tiefergehend zu erforschen (s.u.). Für das Programm
schlussfolgern wir, dass die Freistellung ein essentieller Bestandteil war und dass die Aktions-
phasen ebenfalls einer Freistellung bedürfen. Wie das umzusetzen ist ob im Rahmen der beste-
henden Programmtermine selbst oder in Form zusätzlich freizustellender Tage gilt es zu eruie-
ren.
Das Grundgerüst der zu vermittelnden Haltungen sollte beibehalten und zugleich deutlicher
kommuniziert werden, so dass die Teilnehmer*innen wissen, wann sie an welcher Haltung ar-
beiten bzw. wo Methoden und Inhalte mit jeweiligen Haltungen korrespondieren.
7.2 Aktionsphasen und Aneignung stärken
Um die Aktionsphase zu stärken und den Transfer von Inhalten und Methoden in den eigenen
Arbeitsalltag zu gewährleisten, empfiehlt es sich, wie erwähnt mehr Zeit für konkrete Aktivitä-
ten in der Zwischenlernphasen einzuplanen und dies im Vorfeld gut zu kommunizieren. Dabei
spielt, die Teilnahmekommunikation eine wichtige Rolle. Diese ist als zeitaufwendige Aufgabe
künftig zu beachten. Es empfiehlt sich zudem, ein Tandem-System mit immer gleichbleibenden
Ansprechpartner*innen einzuführen. Die Option, zu wechseln, sollte angeboten werden.
Künftig sollten außerdem die Erwartungen der Teilnehmer*innen stärker thematisiert werden.
Im virtuellen Kennenlernen könnte ein erster Abgleich erfolgen: „Was erhofft ihr euch?” sowie
„Was werden wir in der TrafoWerk erleben und was definitiv NICHT?”. Dieses Erwartungsma-
nagement sollte auch methodisch unterstützt werden, etwa durch emotionale Kurven oder äqui-
valente Übungen.
In diesem Zuge sollte auch das herausforderungsbasierte Lernen gestärkt werden und die unter-
schiedlichen Ebenen, mit denen Herausforderungen korrespondieren, sollten deutlicher kom-
muniziert werden (individuell, organisational und darüber hinaus). Um die Aneignung zu stär-
ken, sollten die Methoden insgesamt wesentlich entschlackt werden. Dabei bietet es sich an, zu
Beginn noch mehr Methoden je Modul einzuführen und diese Neuerungsrate zum Ende des Wei-
terbildungsprogramms hin abnehmen zu lassen. Es wird wichtig bleiben, zu Beginn mit mehr
Methoden konfrontiert zu werden, allerdings bestätigte die Evaluation unseren Eindruck, dass
der „Methodenhunger” im Laufe des Programms abnahm. Neben der Reduktion der Methoden-
anzahl sollten einige Methoden durch eine Aufstückelung in Methodensequenzen stärker in der
Tiefe bearbeitet werden, mit dem Ziel, dass sie nach der Weiterbildung eigenständig genutzt
werden können. Zusätzlich könnte dazu eine kollegiale Beratung angeboten werden, die die An-
eignung testet und Selbstanwendung stärkt (bspw. nach Modul 2). So könnten künftig mehrere
Facetten der gleichen Methode beleuchtet werden und/oder methodische Übungen werden ggf.
über mehrere Module gestreckt, wodurch die Selbstanwendung gestärkt werden kann. Die Me-
thodenvertiefung kann zudem an Hausaufgaben in den Aktionsphasen gekoppelt sein, bspw. an-
deren Kolleg*innen außerhalb der Werkstatt eine Methode zu erklären.
7.3 Gruppenarbeit und herausforderungsbasiertes Lernen
Das gruppen- und herausforderungsbasierte Arbeiten sollte beibehalten und gestärkt werden.
Dafür sollte es feste Gruppen geben, die über die gesamte Werkstattzeit an einem Fall gemein-
sam arbeiten. Bei Problemen in den Gruppen sollten Hilfestellungen angeboten werden zum Um-
gang mit schwierigen personellen Konstellationen. Die Option, Gruppen wieder aufzuknüpfen,
kann bestehen bleiben. Neben der vertieften Bearbeitung eines Problems nahe an der Praxis
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
60
oder gar aus dem eigenen Arbeitskontext ist das Ziel der Gruppenarbeit nach wie vor auch die
Vernetzung entlang unterschiedlicher Hierarchieebenen und Organisationen zu stärken. Ex-
pert*innen-Themen sind bei der Konstruktion der Fälle zu vermeiden. Es sollte darum gehen,
einige Methoden über die Zeit und als Gruppe in der Tiefe zu durchdringen.
Die Gruppenherausforderung sollte Transformationen innerhalb und außerhalb der Organisa-
tion zum Inhalt haben. Jenseits dieser beiden Facetten könnten Herausforderungen auch nach
Transformationsfeldern gegliedert sein, etwa analog zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie.
Zusätzlich sollte es künftig wechselnde Rollen innerhalb der Gruppen geben, die während der
gemeinsamen Arbeit als Grundkonzept zu Beginn eingeführt werden. Die Rotation dieser unter-
schiedlichen Aufgaben ermöglicht die Bildung eines Teamgeistes, starker und ausgewogener
Gruppen, die für ihre Bedürfnisse selbst Verantwortung übernehmen. Alle notwendigen Fähig-
keiten für eine effektive Gruppenarbeit Zeitmanager*in, Wohlfühl-Beauftragte*r, Visuelle*r
Künstler*in, etc. könnten so von allen Gruppenmitgliedern eingeübt werden. Auch die Rappor-
teure der Gruppe im Plenum sollten regelmäßig wechseln. Unabhängig von professionellen Stati-
onen im Lebenslauf oder zertifizierten Kenntnissen würden die Rollenwechsel persönliche Er-
fahrungen ebenso wertgeschätzt wie menschliche Fähigkeiten, etwa Sinn für Humor und der
Umgang mit Schwächen. Um problemorientiert an einer gemeinsamen Sache zu arbeiten, würde
so eingeübt, verschiedene Meinungen konstruktiv zu nutzen und Hierarchien temporär abzule-
gen.
Das Mitbringen einer eigenen Herausforderung bei der Bewerbung auf das Programm sollte bei-
behalten werden. Diese kondensierten, beispielhaften Herausforderungen bleiben leitend für die
individuelle Arbeit und den Austausch zwischen den Tandem-Partner*innen.
7.4 Weiterer Forschungsbedarf
Während der Durchführung und der Evaluation des Programms kamen weitere Herausforderun-
gen und Fragen zum Vorschein, die im Rahmen des bestehenden REFOPLAN-Projekts nicht ab-
gehandelt werden konnten. Diese wurden daher in einer Liste offener Forschungsfragen gebün-
delt.
7.4.1 Organisationales Lernen in Organisationen
Ein zentrales Problem, das immer wieder geäußert wurde seitens der Teilnehmer*innen, betrifft
die Natur der Organisation selbst und dass diese durchaus als behindernder Faktor gesehen
wurde, um das Wissen des Weiterbildungsprogramms zu vertiefen und mit unterschiedlichen
Methoden im Arbeitsalltag zu experimentieren. Bei der Entwicklung der TrafoWerk lag der Fo-
kus bisher stärker auf der Ermittlung der Bedarfe von Teilnehmer*innen. Im Programm wurde
deutlich, dass die Art und Weise, wie die Organisation selbst funktioniert, entscheidend auf das
Programm wirkt. Die korrespondierenden Forschungsfragen lauten daher:
1. Was sind die entscheidenden Punkte in Verwaltungen, bei denen angesetzt werden
muss, um Transformationen voranzubringen? Was hindert politisch-administrative Or-
ganisationen daran zu lernen und Transformationen in Richtung Nachhaltigkeit zu ge-
stalten? (Hindernisse)
2. Was muss eine Organisation können und wie muss sie arbeiten, um Transformationen zu
gestalten? (Anforderungen an die Organisation)
3. Wie können die Kapazitäten, Strukturen und Kompetenzen einer Organisation kurz-,
mittel und langfristig ausgebaut werden, um Transformationen zu gestalten? (Umset-
zung)
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
61
4. Wie können sich politisch-administrative Organisationen zu lernenden öffentlichen Or-
ganisationen entwickeln?
5. Was ist das Potential der Einzelnen (Teilnehmer*innen) und was ist das Potential der
Strukturen, in denen sie sich bewegen? Wo gibt es Rückkopplungseffekte? Wie lässt sich
Rückkopplungseffekten begegnen?
7.4.2 Handlungsspielräume in der Organisation
Es wurde während des Programms auch deutlich, dass Mitarbeiter*innen aller Organisationen
unterschiedliche Handlungsspielräume haben und daher im Rahmen von Transformationspro-
zessen ggf. unterschiedliche Rollen einnehmen. Es wäre von Interesse zu erforschen, inwiefern
Macht- und Hierarchieebenen Transformationsprozesse beeinflussen. Dabei wäre kritisch zu
hinterfragen, inwiefern Handlungsspielraum mit Transformationsspielraum korrespondiert
und/oder welche anderen Faktoren diese bedingen. Folgende Forschungsfragen könnten in die-
sem Zusammenhang vertiefend behandelt werden:
1. (Wie) beeinflussen die Hierarchieebenen den Handlungsspielraum von Mitarbeiter*in-
nen in politisch-administrativen Organisationen mit Blick auf Transformationsprozesse?
2. Was sind Transformations- und Handlungsspielräume pro Hierarchieebene? (Mögliche
zu hinterfragende Annahme: Höhere Hierarchieebenen haben größeren Handlungsspiel-
raum.)
3. Was ist die Rolle der Sachbearbeitungsebene für Transformationsprozesse?
4. Wann ist Handlungsspielraum in politischen Verwaltungen Transformationsspielraum?
(Mögliche zu hinterfragende Annahme: Handlungsspielraum korrespondiert mit Trans-
formationsspielraum.)
5. Gibt es Hebelpunkte, die Handlungsspielraum in Transformationsspielraum umwan-
deln?
6. Korrespondieren unterschiedliche Hierarchieebenen mit unterschiedlichen Herausfor-
derungen (und Transformationsdruck)? (Möglichkeit: Herausforderungen und Transfor-
mationsdruck pro Verwaltungsebene aufzeigen und ggf. mögliche Kongruenzen)
7. Was sind die Entwicklungsbedarfe innerhalb einer Organisation und wie lassen sich
diese mit Transformationskompetenzen kombinieren?
7.4.3 Zusammenarbeit und herausforderungsbasiertes Lernen
Mit Blick auf das herausforderungsbasierte Lernen wurde in der TrafoWerk deutlich, dass unter-
schiedliche Ebenen auf die Teilnehmenden-Herausforderungen wirken (individuell, organisatio-
nal und darüber hinaus), aber das Wechseln zwischen den Ebenen als sehr herausfordernd emp-
funden wurde. Gleichzeitig wurde der Bedarf für verstärkte Gruppenarbeit deutlich, um nicht
nur individuell an der eigenen Herausforderung zu arbeiten. Jedoch erwies es sich als schwierig,
aus den mitgebrachten Herausforderungen der Teilnehmer*innen übergreifende Herausforde-
rungen zu destillieren und darauf basierend Gruppen zusammen zu stellen. Es wäre hilfreich ge-
wesen, vor Beginn der TrafoWerk mehr darüber zu erfahren, ob es organisationsübergreifende
Herausforderungen gibt. Auch vor diesem Hintergrund wäre die Beantwortung folgender For-
schungsfragen von Interesse:
1. Was sind fachspezifische und organisationsübergreifende Fragestellungen? (z.B. Geoen-
gineering, Zukunft der politischen Verwaltung, nachhaltige Digitalisierung)
2. Wie werden Cases / Herausforderungen innerhalb der Organisationen bewertet?
a. Was sind Skalen der Herausforderungen?
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
62
b. Was sind die momentanen Annahmen und Prinzipien, wo Transformationen nö-
tig sind? Wo herrscht bereits Veränderungsdruck? Wo gibt es Transformations-
hemmnisse, warum und wie kann man diese adressieren?
7.4.4 Zusammenwirken mit anderen Organisationen
Ein wichtiger Aspekt von Transformationen ist das Einbeziehen anderer Akteure außerhalb von
(Umwelt-)Politik und der (je eigenen) politisch-administrativen Organisation. Dabei rücken un-
terschiedliche Wirkungsebenen und folgende Fragen in den Fokus:
1. (Wie) können Transformationen außerhalb der eigenen Organisation skaliert werden?
2. Wo ist die je eigene Transformation von Anstößen von außen abhängig und was ist de-
ren Wirkung? Potentielle Wirkungsebenen:
a. Transformation des Selbst
b. der Organisation
c. der Gesellschaft/der Auswirkung der Gesellschaft auf die Umwelt
3. Gibt es Schnittstellen und Netzwerke, die sich bei der Adressierung eigener Herausforde-
rungen als hilfreich erweisen würden?
4. Wie lassen sich Transformationen mit der Strategieformulierung verknüpfen? (ggf. auch
innerhalb der eigenen Organisation) Wie kann eine Positivkoordination2 erreicht wer-
den (Annahme: Strategieprozesse sind bisher eher negativ-koordinierende Prozess)
7.4.5 Methodische Erweiterung
Während der Durchführung wurde deutlich, dass die Teilnehmer*innen sich Informationen dazu
wünschen, wie man Transformationen bewerten und messen kann. Die Beantwortung folgender
Forschungsfragen wären daher nützlich für zukünftige Weiterbildungsprogramme:
1. Wie kann ich Transformationen innerhalb der eigenen Organisation messen? Welche
Metriken gibt es?
2. Ist die Wirkungsmessung tranformationsfeldspezifisch? Bzw. welche transformations-
feldspezifischen Charakteristika gilt es bei der Bewertung von Transformationen zu be-
denken? (Annahme: Es gibt übergeordnete Kriterien, mit denen sich Transformationen
bewerten lassen, aber qualitative Feldspezifika, die auf die Prozesse wirken).
3. (Wie) lässt sich der Reifegrad für Transformationsprozesse von Organisationen messen?
7.4.6 Skalierbarkeit des Programms
Für die Fortschreibung des Programms im Umweltressort als auch eine Übertragbarkeit in an-
dere Organisationen (Bundesministerien und ihre Ressorteinrichtungen, aber auch auf Länder-
und Kommunen-Ebene) sollte überlegt werden, wie das Programm für den spezifischen Kontext
angepasst werden kann.
1. Wie könnte das Programm so weiterentwickelt werden, dass es einfacher skalierbar ist,
d.h. von anderen Organisationen oder von mehr Teilnehmenden durchlaufen werden
kann, ohne dass der personelle Aufwand auf Seiten der Programmleitung in gleichem
Maße zunimmt?
2 Unter Negativkoordination wird gemeinhin verstanden, dass sich Verwaltungspraxis eher durch den Verzicht von Koordination
unterschiedlicher Akteure und Verwaltungseinheiten auszeichnet. Negativkoordination ist primär gekennzeichnet durch dezentrale
Initiativen. Unterschiedliche Akteure kommen nur dann zusammen, wenn die Gestaltung eines Teilbereichs negative Auswirkung auf
einen anderen hat. Positivkoordination hingegen beschreibt die gemeinsame Bearbeitung und die vorausschauende Gestaltung in-
terdependenter Problemlagen, bei der alle Einheiten beteiligt sind und die Folgewirkungen aller möglichen Handlungsalternativen
auf alle Bereiche berücksichtigt werden.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
63
2. Welches Mischungsverhältnis zwischen synchronen und asynchronen Lernformaten und
Methoden ist dafür geeignet?
3. Welches Maß an aktiver (synchroner) Lernunterstützung durch Trainer*innen/Coaches
ist zwingend nötig, um Lernziele/-prinzipien des Programms zu erreichen? Wo könnte
diese Lernunterstützung zugunsten asynchroner oder anderer leichter zu skalierender
Formate entfallen?
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
64
Quellenverzeichnis
Alford, J.; Head, B. (2017): Wicked and less wicked problems: a typology and a contingency framework. In: Pol-
icy and Society, 36, 3, Taylor & Francis, S. 397-413.
Argyris, C.; Schön, D. A. (1978): Organizational Learning: A Theory of Action Perspective. 1. Auflage, Addison-
Wesley, Reading.
Askim, J.; Christensen, T.; Fimreite, A. L.; Lægreid, P. (2009): How to Carry Out Joined-Up Government Reforms:
Lessons from the 2001-2006 Norwegian Welfare Reform. In: International Journal of Public Administration, 32,
12, Taylor & Francis, S. 1006-1025.
Brandt, E; Smeddinck, U.; Tils, R. [Hrsg.] (2001): Umweltrecht und Umweltpolitik: Vol. 5. Gesetzesproduktion im
administrativen Binnenbereich. Nomos-Verlag, Baden-Baden.
Christensen, T.; Lægreid, P.; Roness, P. G.; Røvik, K. A. (2007): Organization Theory and the Public Sector. In-
strument, culture and myth. 1. Auflage, Routledge, Oxford.
Common, R. (2004): Organisational learning in a political environment: Improving policy-making in UK govern-
ment. In: Policy Studies Journal, 25, 1, Wiley, S. 35-49.
Conrad, P.; Keller, M. (1998): Mitarbeiterführung. Studienbrief PE0510 des Studienganges Personalentwicklung
am Zentrum für Fernstudien und universitäre Weiterbildung der Universität Kaiserslautern. Kaiserslautern.
Danken, T.; Dribbisch, K.; Lange, A. (2016): Studying Wicked Problems Forty Years On: Towards a Synthesis of a
Fragmented Debate. In: der moderne staat, 9, 1, Budrich Journals, S. 15-33.
Daviter, F.; Hustedt, T.; Korff V. (2016): Contested Public Organisations: Knowledge, Coordination, Strategy, In:
der moderne staat, 9, 1, Budrich Journals, S. 3-14.
Daviter, F. (2017): Policy analysis in the face of complexity: What kind of knowledge to tackle wicked prob-
lems?. In: Public Policy and Administration, 34, 1, SAGE, S. 62-82.
de Haan, G. (2008): Gestaltungskompetenz als Kompetenzkonzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung. In:
Bormann, I.; de Haan, G. [Hrsg.]: Kompetenzen für nachhaltige Entwicklung. Operationalisierung, Messung,
Rahmenbedingungen, Befunde, 1. Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S. 23-43. Wiesba-
den.
Dewey, J. (1938): Experience and Education. 1. Auflage, Touchstone, New York.
Ferlie, E.; Fitzgerald, L; McGivern, G.; Dopson, S.; Bennett, C. (2011): Public policy networks and wicked prob-
lems: A nascent solution? In: Public Administration, 89, 2, Wiley, S. 307324.
Fischer, L.-B.; Newig, J. (2016): Importance of Actors and Agency in Sustainability Transitions: A Systematic Ex-
ploration of the Literature. In: Sustainability, 8, 476. https://doi.org/10.3390/su8050476
Frank, L.; Jacob, K.; Quitzow, R. (2020): Transforming or tinkering at the margins? Assessing policy strategies for
heating decarbonisation in Germany and the United Kingdom. In: Energy Research & Social Science, 67.
https://doi.org/10.1016/j.erss.2020.101513.
Funtowicz, S.; Ravetz, J. (1993): Science for the post-normal age. In: Futures, 31(7): 735-755.
Grießhammer, R.; Brohmann, B. (2015): Transformationsstrategien und Models of Change für nachhaltigen ge-
sellschaftlichen Wandel. Wie Transformationen und gesellschaftliche Innovationen gelingen können. UBA, Des-
sau-Roßlau.
Head, B. (2010): Public management research: Towards relevance. In: Public Management Review, 12, 5, Taylor
& Francis, S. 571-585.
Head, B.; Alford, J. (2015): Wicked Problems. In: Administration and Society, 47, 6, SAGE, S. 711-739.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
65
Hertin, J.; Jacob, K.; Pesch, U.; Pacchi, C. (2009): The production and use of knowledge in regulatory impact as-
sessment An empirical analysis. In: Forest Policy and Economics, Elsevier, 11, 5-6, S. 413421.
Hustedt, T.; Veit, S. (2017): Policy advisory systems: change dynamics and sources of variation. In: Policy Sci-
ences, 50, Springer, S. 4146.
Jacob, K.; Paulick-Thiel, C.; Teebken, J.; Veit, S.; Singer-Brodowski, M. (2021): Change from Within: Exploring
Transformative Literacy in Public Administration to Foster Sustainability Transitions. Sustainability, 13, 9, MDPI,
Art. 4698.
Kavanagh, D.; Richards, David (2001): Departmentalism and Joined-Up Government. Back to the future?. In:
Parliamentary Affairs, 54, 1, Oxford University Press, S. 1-18.
Kolb, D. A.; Fry, R.(1975): Toward an Applied Theory of Experiential Learning. In: Cooper, G. [Hrsg.]: Theories of
Group Processes. 1. Auflage, Wiley, London.
Koria, M.; Graff, D.; Karjalainen, T.-M. (2011): Learning Design Thinking: International Design Business Manage-
ment at Aalto University. In: Redige, Review on Design, Innovation and Strategic Management, 2, 1, S. 1-21.
Kropp, S.; Kuhlmann, S. [Hrsg.] (2013): Wissen und Expertise in Politik und Verwaltung. dms-Sonderheft, 1, Bud-
rich.
Kultusministerkonferenz (KMK); Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) [Hrsg.] (2016): Orientierungsrahmen für den Lernbereich globale Entwicklung im Rahmen einer Bildung
für nachhaltige Entwicklung. Ein Beitrag zum Weltaktionsprogramm „Bildung für nachhaltige Entwicklung". 2.
aktualisierte und erweiterte Auflage. Cornelsen, Berlin.
Laws, D.; Hogendoorn, D.; Karl, H. (2014): Hot adaptation: what conflict can contribute to collaborative natural
resource management. In: Ecology and Society, 19, 2, Jstor, Art. 39.
Levin, K.; Cashore, B.; Bernstein, S.; Auld, G. (2012): Overcoming the tragedy of super wicked problems: con-
straining our future selves to ameliorate global climate change. In: Policy Sciences 45, Springer, S. 123-152.
McNabb, D. E. (2007): Knowledge management in the public sector: a blueprint for innovation in government.
A. Auflage, M.E. Sharpe, Armonk, London.NESTA (2019): https://www.nesta.org.uk/project/innovation-skills/.
(4.3.2019).
OECD (2005): The Definition and Selection of Competencies. Executive Summary. OECD, Paris.
http://www.oecd.org/pisa/35070367.pdf (25.3.2021).
OECD (2017): Core skills for Public Sector Innovation. A beta model of skills to promote and enable innovation
in public sector organisations. OECD, Paris. https://www.oecd.org/media/oecdorg/satellitesites/opsi/con-
tents/files/OECD_OPSI-core_skills_for_public_sector_innovation-201704.pdf (1.3.2019).
OECD (2017): Fostering Innovation in the Public Sector. OECD, Paris.
http://dx.doi.org/10.1787/9789264270879-en, https://oecd-opsi.org/wp-content/uploads/2018/07/Fostering-
Innovation-in-the-Public-Sector-254-pages.pdf (4.3.2019).
OECD (2015): The Innovation Imperative in the Public Sector: Setting an Agenda for Action, OECD Publishing,
Paris.http://dx.doi.org/10.1787/9789264236561-en, https://www.espap.gov.pt/Documents/es-
pap_lab/2015_01_The_Innovation_Imperative_in_the_Public_Sector.pdf, zuletzt abgerufen am 4.3.2019
Oliver, K.; Innvar, S.; Lorenc, T.; Woodman, J.; Thomas, J. (2014): A systematic review of barriers to and facilita-
tors of the use of evidence by policymakers. In: BMC Health Services Research, 14, Springer, Art.2.
Pepinsky, T. B.; Pierskalla, J. H.; Sacks, A. (2017): Bureaucracy and Service Delivery. In: Annual Review of Politi-
cal Science, 20, 1, Annual Reviews, S. 249268.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
66
Perri 6 (2004): Joined-up government in the western world in comparative perspective: A preliminary literature
review and exploration. In: Journal of Public Administration Research and Theory 14, 1, Jstor, S. 103138.
Porteous, Paul 2013. Localism: from adaptive to social leadership. In: Policy Studies, 34, 5-6, Taylor & Francis, S.
523-540.
Probst G.; Büchel, B. (1994): Organisationales Lernen. Wettbewerbsvorteil der Zukunft. 1. Auflage, Gabler,
Wiesbaden.
Radtke, I.; Hustedt, T.; Klinnert, A. (2016): Inter-Ministerial Working Groups as a Panacea for Coordination
Problems? In: der modern staat, 9, 1, Budrich Journals, S. 65-81.
Richter, P. (2012). Die Organisation öffentlicher Verwaltung. In: Apelt, M.; Tacke, V. [Hrsg.]: Handbuch Organi-
sationstypen. 1. Auflage, Springer, Wiesbaden, S. 91112.
Riley, B. L.; Robinson, K. L.; Gamble, J.; Finegood, D. T.; Sheppard, D.; Penney, T. L.; Best, A. (2015): Knowledge
to action for solving complex problems: insights from a review of nine international cases. In: Health promotion
and chronic disease prevention in Canada: research, policy and practice, 35, 3, S.4753.
https://doi.org/10.24095/hpcdp.35.3.01.
Rittel, H.W.J; Webber, M. (1973): Dilemmas in a General Theory of Planning. In: Policy Scienes, 4, Springer, S.
155-169.
Rockström, J.; Steffen, W.; Noone, K., Persson, Å.; Chapin, F. S.; Lambin, III, E.; Lenton, T. M.; Scheffer, M.;
Folke, C.; Schellnhuber, H.; Nykvist, B.; De Wit, C. A.; Hughes, T.; van der Leeuw, S.; Rodhe, H.; Sörlin, S.; Snyder,
P. K.; Costanza, R.; Svedin, U.; Falkenmark, M.; Karlberg, L.; Corell, R. W.; Fabry, V. J.; Hansen, J.; Walker, B.;
Liverman, D.; Richardson, K.; Crutzen, P.; Foley, J. (2009): Planetary boundaries:exploring the safe operating
space for humanity. Ecology and Society 14, 2: 32. URL: http://www.ecologyandsociety.org/vol14/iss2/art32/
Sherwood, A. L. (2004): Problem-based Learning in Management Education: A framework for Designing Con-
text. In: Journal of Management Education, 28, 5, SAGE, S. 536-557.
Schildknecht, K. (2018): Lernen im Wissenstransfer. In: Ackermann, B.; Krancher, O.; North, K.; Schildknecht, K.;
Schorta, S. [Hrsg.]: Erfolgreicher Wissenstransfer in agilen Organisationen. Hintergrund Methodik Fallbei-
spiele, Springer Gabler, Wiesbaden, S. 53-78.
Schnapp, K.-U.; Willner, R. (2013): Regierung und Bürokratie. In: Korte, K.R.; Grunden, T. [Hrsg.]: Handbuch Re-
gierungsforschung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S. 247256.
Turnbull, N.; Hoppe, R. (2019): Problematizing ‘wickedness’: a critique of the wicked problems concept, from
philosophy to practice. In: Policy and Society 38, 2, S. 315-337. DOI: 10.1080/14494035.2018.1488796.
van Bueren E.M.; Klijn E.-H.; Koppenjan J.F.M. (2003): Dealing with wicked problems in networks: Analyzing an
environmental debate from a network perspective. In: Journal of Public Administration Research and Theory,
13, 2, Oxford University Press, S. 193212.
Walsh, J.P. ; Ungson, G.R. (1991): Organizational Memory. In: Academy of Management Review, 16, 1, Acad-
emy of Management, S. 57-9.
WGBU. (2011): Welt im Wandel Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. Wissenschaftlicher Bei-
rat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, Berlin.
Weber, E. P.; Khademian, A. M. (2008): Wicked Problems, Knowledge Challenges, and Collaborative Capacity
Builders in Network Settings. In: Public Administration Review, 68, 2, Wiley, S. 334349.
Weinert, F. E. (2001). Vergleichende Leistungsmessung in Schulen eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In
F.E. Weinert (Hrsg.) Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim und Basel 2001.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
67
Weingart, P. (1999) Scientific expertise and political accountability: Paradoxes of science in politics. In: Science
and Public Policy, 26, 3, Oxford University Press, S. 151161.
Wiek, A.; Withycombe, L.; Redman, C. [Hrsg.] (2011): Key competencies in sustainability: a reference frame-
work for academic program development. 2011, 6 (2), Sustain Sci, S. 203-218. DOI: 10.1007/s11625-011-0132-
6.
Wolff, F.; Heyen, D. A.; Brohmann, B.; Grießhammer, R.; Jacob, K.; Graaf, L. (2018): Transformative Umweltpoli-
tik: Nachhaltige Entwicklung konsequent fördern und gestalten. Ein Wegweiser für den Geschäftsbereich des
BMU. UBA, Dessau-Roßlau.
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
68
A Anhang
A.1 Feedback zur Nützlichkeit der Themen in Modul 1
Themen Modul 1
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
69
A.2 Feedback zur Nützlichkeit der Themen in Modul 2
Themen Modul 2
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
70
A.3 Feedback zur Nützlichkeit der Themen in Modul 3
Themen Modul 3
Texte Transformation wagen Entwicklung eines Lernlabors im Umweltressort
71
A.4 Feedback zur Nützlichkeit der Themen in Modul 4
Themen in Modul 4
ResearchGate has not been able to resolve any citations for this publication.
Technical Report
Full-text available
Viele Umweltprobleme konnten in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich gemindert werden. Manche aber sind hartnäckig und erweisen sich als schwer lösbar, und weitere neue sind hinzugekommen. Besonders hartnäckig sind Umweltprobleme, wenn ihre Ursachen eng verknüpft sind mit der Art und Weise unseres Wirtschaftens, mit zentralen Leibildern unserer Gesellschaft oder als attraktiv empfundenen Lebensstilen. Dieser Wegweiser kann Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) unterstützen, solche Umweltprobleme anzugehen. Hierfür werden Handlungsansätze einer „transformativen Umweltpolitik“ vorgestellt.
Article
Full-text available
This paper addresses shortcomings in the scholarship about ‘wicked problems’, and suggests ways of tackling them. Firstly, accounts of these problems tend to ‘totalise’, regarding them as intractable masses of complexity, so conflict-prone and/or intractable that they defy definition and solution. By contrast, we put forward a more nuanced analysis, arguing that complex problems vary in the extent of their wickedness, via such dimensions as their cognitive complexity or the diversity and irreconcilability of the actors or institutions involved. We propose a typology of different forms of wicked problems. A second shortcoming, linked to intractability, is that the favoured means of tackling wicked problems has tended towards ‘one best way’ approaches, most commonly collaboration with key stakeholders. Moreover, particular forms of collaboration tend to be routinely applied in ‘one-size-fits-all’ fashion to a variety of situations – notably with a plethora of actors, and a focus on governance rather than implementation management. We put forward a contingency framework, based on our typology, proposing which types of collaboration are suitable for which types of problem. Finally, we argue for a more realistic standard of success in dealing with wicked problems, especially the most difficult ones. To call for the ‘solving’ of these problems is to set up a standard which is not only impossible but also perhaps unnecessary. We argue that we do not so much ‘solve’ wicked problems as make progress towards improvement or towards better managing them. We spell out a more realistic version of ‘progress’.
Article
Full-text available
The special issue aims to enhance our understanding of the conditions under which policy advisory systems vary. The contributions comprise both continental European countries (Denmark, Germany, the Netherlands) and Anglo-Saxon countries (Australia, Canada, New Zealand, UK). The introduction to the special issue briefly outlines existing scholarship on policy advisory systems and identifies different research gaps to the filling of which the special issue seeks to contribute. The introduction highlights that the articles in the special issue point to both political system and policy process variables to better systemize, theorize and explain the origins and change dynamics of policy advisory systems.
Article
Full-text available
Over the years, the concept of ‘wicked problems’ has inspired a diverse set of contributions. However, the lack of a clear underlying definition makes it dif- ficult to advance scholarly knowledge on ‘wicked problems’ in public administration research. Against this backdrop, we ask the following in this article: First, what can be identified in the scholarly litera- ture as the core properties of wicked problems? Sec- ond, which approaches are typically discussed by scholars to address wicked problems? Our objective is to establish the necessary properties of a wicked- problem concept that is parsimonious and coherent to then work out those approaches that speak well to precisely those properties. For this purpose, we sur- veyed a sample of more than one hundred journal ar- ticles on wicked problems in a systematic quantita- tive literature review. Our results bring us closer to determining on which strands of public administra- tion research we should focus our scholarly efforts towards studying effective ways of managing wicked problems.
Article
Decarbonising heating supply is an important part of the global energy transition, and a vital step towards mitigating climate change. We analyse the transformative potential of German and UK heating sector decarbonisation policies. We deploy Transformative Environmental Policy [TEP], originally developed to guide policy development, as an analytical framework to discuss how and to what extent both countries’ heating sector policy strategies promote the necessary radical reconfiguration of the socio-technical system of heating supply. TEP suggests a systemic approach for such reconfigurations, addressing technologies, social practices, institutions and infrastructures as well as combining experimental support of innovation with governance approaches for the phase-out of unsustainable technologies and practices. Our comparative analysis of German and UK decarbonisation strategies concludes that such elements can be identified in both strategies, although to different degrees. The analysis points to considerable deficiencies, such as a lack of phase-out policies, insufficient low-carbon building standards and a neglect of non-technical system elements.
Book
Das Erreichen ambitionierter Nachhaltigkeitsziele ist nur mit Hilfe sozio-technischer Transformationen möglich. Aber wie kann der dringend notwendige Umbruch – zeitlich und gesellschaftlich angemessen - initiiert und unterstützt werden? Und welche Gesellschaftsbereiche und Stakeholder müssen berück-sichtigt werden? Das Buch bietet eine Aufarbeitung des aktuellen Forschungstandes ergänzt durch praktische Fallbeispiele, z.B. die Transition Town Green City oder die Energiewendekomittes. Die Er-gebnisse der Analyse werden in einer Heuristik zusammengeführt. So werden unter anderem die ge-sellschaftlichen Teilsysteme, die im Rahmen einer Transformation adressiert werden sollten, zusammengestellt und ihre Bedeutung erläutert. Zusätzlich werden Governance Herausforderungen, die sich aus dem speziellen Charakter von Transformationsprozessen ergeben, identifiziert. Das Buch bietet sowohl neue Ansätze für die Transformationsforschung sowie wichtige Erkenntnisse und Beispiele für all jene Akteure, die ein Interesse an der Initiierung und dem Management von Transformationen haben.
Article
An ever-increasing number of policy problems have come to be interpreted as representing a particular type of intractable, ill-structured or wicked policy problem. Much of this debate is concerned with the challenges wicked problems pose for program management rather than policy analysis. This article, in contrast, argues that the key challenge in addressing this type of policy problems is in fact analytical. Wicked policy problems are difficult to identify and interpret. The knowledge base for analysing wicked policy problem is typically fragmented and contested. Available evidence is incomplete, inconclusive and incommensurable. In this situation, the evidentiary and the interpretative elements of policy analysis become increasingly indistinguishable and inseparably intertwined. The article reveals the problems this poses for policy analysis and explores the extent to which the consolidation, consensualization and contestation of evidence in policy analysis offer alternative procedural paths to resolve these problems.
Article
This article reviews the literature on the politics of bureaucracy in the developing world, with a focus on service delivery and bureaucratic performance. We survey classic topics and themes such as the developmental state, principal–agent relations, and the efficient grease hypothesis, and we link them to new research findings in political science, sociology, and economics. We identify the concept of embeddedness as an important yet still underexplored framework that cuts across disciplines and may be used to understand bureaucratic performance and service delivery. Looking forward, we outline a framework for conceptualizing bureaucratic action by exploiting variation across time, space, task, and client, and we identify promising areas for further research on the bureaucrat–citizen encounter in developing countries. Expected final online publication date for the Annual Review of Political Science Volume 20 is May 11, 2017. Please see http://www.annualreviews.org/page/journal/pubdates for revised estimates.
Article
The gap between research and practice or policy is often described as a problem. To identify new barriers of and facilitators to the use of evidence by policymakers, and assess the state of research in this area, we updated a systematic review. Systematic review. We searched online databases including Medline, Embase, SocSci Abstracts, CDS, DARE, Psychlit, Cochrane Library, NHSEED, HTA, PAIS, IBSS (Search dates: July 2000 - September 2012). Studies were included if they were primary research or systematic reviews about factors affecting the use of evidence in policy. Studies were coded to extract data on methods, topic, focus, results and population. 145 new studies were identified, of which over half were published after 2010. Thirteen systematic reviews were included. Compared with the original review, a much wider range of policy topics was found. Although still primarily in the health field, studies were also drawn from criminal justice, traffic policy, drug policy, and partnership working. The most frequently reported barriers to evidence uptake were poor access to good quality relevant research, and lack of timely research output. The most frequently reported facilitators were collaboration between researchers and policymakers, and improved relationships and skills. There is an increasing amount of research into new models of knowledge transfer, and evaluations of interventions such as knowledge brokerage. Timely access to good quality and relevant research evidence, collaborations with policymakers and relationship- and skills-building with policymakers are reported to be the most important factors in influencing the use of evidence. Although investigations into the use of evidence have spread beyond the health field and into more countries, the main barriers and facilitators remained the same as in the earlier review. Few studies provide clear definitions of policy, evidence or policymaker. Nor are empirical data about policy processes or implementation of policy widely available. It is therefore difficult to describe the role of evidence and other factors influencing policy. Future research and policy priorities should aim to illuminate these concepts and processes, target the factors identified in this review, and consider new methods of overcoming the barriers described.