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978350310785
Zeitschrift für
Theorie · Praxis · Dokumentation
Deutsche
Sprache
Deutsche Sprache
Inhalt
Aufsätze
DS
Deutsche Sprache
4.21
49. Jahrgang
4. Quartal 2021
ISSN 0340-9341
www.DSdigital.de
4.21
Carolin Schwegler · Anna Mattfeldt
Nachhaltigkeit und Linguistik. Sprachwissenschaftliche
Innovationen im Kontext einer globalen Thematik ................. 289
Anna Mattfeldt
Einzelsprachliche Filter und globale Probleme
Eine methodische Annäherung an die Analyse diskursiver
Schwerpunktsetzungen im Kontext von Nachhaltigkeit im
Sprach- und Kulturvergleich ............................................... 291
Thomas Metten
Wissensintegration und -koproduktion in der trans disziplinären
Forschung
Skizze eines linguistischen Forschungsfeldes zur
kommunikativen Genese transformativen Wissens für eine
nachhaltige Entwicklung ................................................... 307
Carolin Schwegler
Nachhaltigkeit argumentativ
Ein diskurslinguistisch-framesemantischer Ansatz zur Erfassung
von Argumentationen und kollektiven Werteverständnissen ...... 321
Felix Böhm · Paul Reszke
Muster des Appellativen in multimodalen Performances
Der Nachhaltigkeitsdiskurs in zwei Beispielanalysen .............. 335
Martin Reisigl
Weniger ist mehr!
Diskurskritische Betrachtungen zur Rhetorik der Automobilität .... 352
Ruth M. Mell
Technisierung der Begriffe
Sprachgebrauchsmuster von bioethischer Terminologie im
Fachvermittlungsdiskurs zu Nachhaltigkeit ............................ 368
Notizen ....................................................................... 384
Themenheft
Nachhaltigkeit und
Linguistik. Sprachwissen-
schaftliche Innovationen
im Kontext einer globalen
Thematik
Herausgegeben von
Carolin Schwegler und Anna Mattfeldt
© Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - Open Access - Creative Commons Lizenz CC BY-NC-ND - https://doi.org/10.37307/j.1868-775X.2021.04.05
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Carolin Schwegler
Nachhaltigkeit argumentativ
Ein diskurslinguistisch-framesemantischer Ansatz zur Erfassung von
Argumentationen und kollektiven Werteverständnissen
Abstracts
Argumentative Stützungen von diskursiven Geltungsansprüchen spielen im Rahmen von Diskursanalysen
zu gesellschaftlich verhandelten Themen, wie ökologische Nachhaltigkeit, eine wichtige Rolle. Im vorlie-
genden Beitrag, der einen zentralen Aspekt der großangelegten diachronen Studie von Schwegler (2018)
fokussiert vorstellt, wird ein diskurslinguistischer Ansatz zur Erfassung von Argumentationen und Werte-
verständnissen dargelegt, der Argumentgruppen inhaltlich bzw. thematisch unterscheidet – d. h. nicht mikro-
oder makroformal analysiert – und gleichzeitig mittels eines framesemantischen Ansatzes über eine Argu-
mentationsanalyse auf mittlerer Abstraktionsebene hinausgeht. So kann auch für vermeintlich konsensuelle
Bereiche aufgedeckt werden, wie Konflikte latent innerhalb zentraler argumentativer Begriffe liegen. Iden-
tifizierte Argumentgruppen, wie hier beispielhaft Gerechtigkeit, sind dabei nicht genuin diskursspezifisch,
spezifisch sind vielmehr die Kombinationen der Werteverständnisse, d. h. die Arten von Gerechtigkeit, an
die argumentativ appelliert wird. Im deutschsprachigen Nachhaltigkeitskontext sind dies u. a. Fairness,
Gleichheit (bzgl. Umweltgerechtigkeit oder Verfahrensgerechtigkeit), globale Gleichberechtigung, kosmi-
sche Gerechtigkeit (Schicksal), Reziprozität/Tauschgerechtigkeit sowie Gewohnheitsrecht oder Utilitaris-
mus, die in kontrastiver Verwendung Konfliktpotenzial bergen.
Arguments supporting discursive claims play an important role in discourse analyses of socially negotiated
issues such as sustainability and ecology. This article, which focuses on a central aspect of the large-scale
diachronic study by Schwegler (2018), outlines a discourse-linguistic approach to the identification of argu-
ments and values, differentiating argument groups in terms of content or topic instead of analysing them
formally on a micro- or macro-level. Based on a frame-semantic approach, the study goes beyond an argu-
mentation analysis at an intermediate level of abstraction. This reveals, even for supposedly consensual
discourses, how conflicts are hidden within central argumentative terms. The argument groups identified,
such as JUSTICE, are not genuinely specific to certain discourses. What turns out to be specific, however, are
the combinations of related values, i. e. the types or forms of justice which are associated with the argument
in question. In the context of sustainability and ecology in Germany, they can be categorised with regard to
fairness, equality (in terms of environmental justice or procedural justice), global equality, cosmic justice
(fate), reciprocity and utilitarianism among others. When they occur in opposition to each other in dis-
course, they contain the potential for conflict.
Keywords: Linguistische Argumentationsanalyse, Frames, Diskurs, Werte, Gerechtigkeitsverständnisse –
linguistic argumentation analysis, frames, discourse, values, types of justice
1. Diskurs und Argumentation
Gesellschaftliche Aushandlungen – deskriptiv oder auch kritisch – zu untersuchen, ist ein
zentrales Anliegen der linguistischen Diskursanalyse (u. a. Busse/Teubert 1994, S. 15;
Gardt 2007, S. 33; Spitzmüller/Warnke 2011, S. 53; Spieß 2011, S. 180; Niehr 2014,
S. 101; Reisigl 2020, S. 11) und geschieht je nach Forschungsfrage und Analyseausrich-
tung auf verschiedenen sprachlichen Ebenen. Zurzeit gewinnt die diskursive Betrachtung
von Nachhaltigkeitsthemen1 in der Linguistik verstärkt an Bedeutung (Schwegler/Matt-
1 Nachhaltigkeit wird in diesem Beitrag und hinsichtlich der hier beispielhaft aufgeführten Studien thema-
tisch auf ihre ökologische Dimension begrenzt, im Sinne der Sustainable Development Goals (UN 2015)
wären dies somit insbesondere die Sustainable Development Goals 7 sowie 12–15, die sich mit Ener-
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feldt/Wanning 2021, S. 4 sowie u. a. die Studien von Freitag 2013; Tereick 2016; Mattfeldt
2018 und Schwegler 2018). Dies zeigt eindrücklich das Potenzial (diskurs-)linguistischer
Methoden – im Sinne einer Angewandten Linguistik –, gesellschaftlich relevante Fragen
zu stellen und zukunftsrelevante Themen zu bearbeiten. Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige
Entwicklung (UN 1987, 2015) ist genau ein solches zukunftsrelevantes Thema.
Argumentationen bzw. die argumentativen Stützungen von diskursiven Geltungsansprü-
chen oder von agonalen Positionierungen (Mattfeldt 2018) spielen im Rahmen solcher
Diskursanalysen zu gesellschaftlichen Aushandlungen nicht selten eine zentrale Rolle,
auch wenn sie als linguistische Kategorien verschiedene Bezeichnungen kennen (Argu-
mente, Argumentationen, Topoi, kommunikative oder persuasive Strategien, Perspektivie-
rungen von Sachverhalten usw.). So betonen Spitzmüller/Warnke (2011) neben der gene-
rellen diskursiven Konstruktion von Wissen und seiner Distribution bzw. Streuung im
diskursiven Raum die wichtige Stellung der Argumentation für den diskursiven Prozess
„der Anordnung von Wissen durch Äußerungen“ (ebd., S. 46). Niehr (2014, S. 70) kon-
zentriert sich im Rahmen seiner Einführung in die Diskursanalyse – neben der lexikali-
schen und metaphorischen Untersuchung – auf die Analyse der Argumentation. Atayan et
al. (2020) fassen jüngst für einen sprachvergleichenden Ansatz eindrücklich zusammen,
wie facettenreich und komplex die diskurslinguistische Beschäftigung mit Argumenta-
tionen sein kann, und betonen ihre Relevanz für die Herausarbeitung von unterschied-
lichen Diskursperspektiven und voneinander abweichenden Denkstilen oder Interpreta-
tionsroutinen.
Im vorliegenden Beitrag, der einen zentralen Aspekt der großangelegten diachronen Stu-
die von Schwegler (2018) fokussiert vorstellt, wird ein diskurslinguistischer Ansatz zur
Erfassung von Argumentationen und Werteverständnissen dargelegt. Dieser Zugang baut
auf einer intersubjektiv überprüfbaren, framesemantisch differenzierten (Konerding 1993;
Ziem 2008; Ziem/Inderelst/Wulf (Hg.) 2018) Ergründung von argumentativen Großkate-
gorien bzw. Argumentgruppen (s. u.) auf.2 Im Folgenden werden methodische Schritte
skizziert und in Kapitel 3 anschließend einzelne Beispiele aus der – für die Debatte um
ökologische Nachhaltigkeit relevanten – normativen Argumentgruppe Gerechtigkeit
vorgestellt. In Kapitel 1.1 und 1.2 geht es zuvor um die diskurslinguistischen Perspek-
tiven auf Argumente, Kapitel 2 verdeutlicht den framesemantischen Ansatz für eine
Analyse von Argumenten am Beispiel von Gerechtigkeit. Diese ist im zugrundeliegen-
den Korpus von Schwegler (2018, S. 238–271) zentral, das Pressetexte zu Themen der
ökologischen Nachhaltigkeit und Unternehmenstexte, d. h. Nachhaltigkeitsberichte, über
einen Zeitraum von 23 Jahren versammelt. Neben Sicherheit, Natur und Umwelt sowie
verschiedenen deskriptiven Argumentgruppen, wie u. a. (technische) Begrenzung,
gie, verantwortungsvollem Wirtschaften bzw. Produzieren sowie Natur-, Umwelt- und Klimaschutz
beschäftigen.
2 Weitere wichtige Kategorien der Argumentation und argumentativ-persuasiven Strategie, die die zugrun-
deliegende Studie mit weiteren diskurslinguistischen Methoden herausarbeitet, um Wertevorstellungen,
(kontrastive) Werteverständnisse und kollektive Orientierungsmuster zu ergründen (letztere in Anleh-
nung an Bohnsack (1997) verstanden, d. h. verallgemeinerbare Regeln aus handlungsleitendem Wissen
und sinnstrukturierendem Orientierungswissen), sind: Beispiele und Analogien (Schwegler 2018,
S. 174–200), sentenzhafte Argumentationen (ebd., S. 200–235) oder verschiedene argumentativ-persua-
sive Strategiekategorien (ebd., S. 404–535 sowie Schwegler 2020). Sie können in diesem Beitrag nicht
berücksichtigt werden, sind aber grundsätzlich für eine umfassende argumentationsorientierte Untersu-
chung eines Diskursausschnittes zielführend.
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Nachhaltigkeit argumentativ
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Knappheit, sozialer Druck, Effizienz oder etwa Beständigkeit (Schwegler 2018,
S. 342–399) ist Gerechtigkeit eine wesentliche normative Argumentgruppe dieser Stu-
die und somit auch allgemein im Themenfeld der ökologischen Nachhaltigkeit.
1.1 Diskurslinguistische Argumentationsanalyse
Zunächst ist festzuhalten, dass es in der Diskurslinguistik nicht die Argumentationsana-
lyse gibt. Verschiedene argumentationsanalytische Methoden basieren auf unterschied-
lichen Verständnissen von Argumentation, je nachdem welche linguistische Perspektive
eingenommen wird oder auf welcher Ebene das Erkenntnisinteresse angesiedelt ist. Das
Erkenntnisinteresse dieses Beitrags liegt im Bereich von Argumentationen, die diskursiv
differenzierte Werteverständnisse offenbaren. Die Ausrichtung auf dieses Erkenntnisinte-
resse schließt somit beispielsweise mikroformale Methoden der Argumentationsanalyse
aus, die in anderen Kontexten möglicherweise zielführend sind.
Einige diskurslinguistische Ansätze zur Argumentationsanalyse zeigen ebenfalls weniger
mikroformales Interesse (u. a. Wengeler 2003; Niehr 2004, 2014, 2017; Spieß 2011), den-
noch legen sie einführend das theoretisch-kognitive Modell von Toulmin (1996) zugrunde,
um das stützende Element von Argumenten und das implizite Vorhandensein von Schluss-
regeln hervorzuheben. Dass sich mit Toulmins Modell abstrakte argumentative Großkon-
zepte (in einem mehr oder weniger subjektiven Interpretationsprozess) in Konditional-
oder Kausalsätzen formulieren lassen und somit enthymemartig in Aristotelischer Tradition
stehen, kann eine Form der Ergebnisaufbereitung darstellen, bietet aber für die diskurslin-
guistische Ergründung von kollektiven oder akteursspezifischen Wertevorstellungen und
-verständnissen keinen konkreten Mehrwert (Schwegler 2018, S. 67; Atayan et al. 2020,
S. 29).3 Diese strukturadäquate Formulierung lenkt möglicherweise durch den Fokus auf
die Form als zentrales Element sogar von der obligatorischen Strittigkeit des Geltungsan-
spruchs ab, die für die Argumentationshaftigkeit von Argumenten als Kerneigenschaft
festgehalten werden kann.
Tatsächlich können dieselben Ursachen oder Gründe, die man auf Satzebene konditional
oder kausal abbilden kann, sowohl zusätzliche Informationen darstellen (z. B. bei fehlen-
dem Vorwissen der Rezipient/-innen) als auch (bei Strittigkeit des Geltungsanspruchs) zu
Argumenten werden. Davon ausgehend ist ebenfalls festzuhalten, dass eine Suche nach
(z. B. grammatischen) Argumentationsindikatoren zwar einzelne prototypische und expli-
zite argumentative Textstellen herausstellen kann, aber leider keine vollständige Liste von
(zentralen) genutzten Argumenten eines Textes oder Diskursausschnitts ergibt (vgl. zu
dieser Problematik auch Niehr 2017). Der analytische Weg sollte somit zunächst nicht die
Suche nach den (potenziell) argumentativ stützenden Textteilen darstellen, sondern einen –
wenn man so will – Umweg über die behaupteten Geltungsansprüche oder Bewertungen
und Forderungen im Rahmen von diskursiven Aushandlungen (Schwegler 2018, S. 53–57)
und deren Strittigkeit oder Agonalität gehen. Nur so können diejenigen Argumentationen
herausgearbeitet werden, die in der diskursiven Aushandlung um ein Thema zum Tragen
3 Für die diskurslinguistische inhaltliche (nicht-mikroformale) Betrachtung von Argumentationen ist nicht
ersichtlich, warum eine formale Überarbeitung der Argumente/Topoi auf der Mikroebene „in Anlehnung
an formale Muster“ (Wengeler 2003, S. 277) hilfreich ist, wie man an Niehrs rein material- bzw. inhalt-
lich bestimmter Analyse sehr gut erkennt (vgl. Niehr 2004, S. 145). Ganz andere Möglichkeiten mögen
sich diesbezüglich jedoch für die Untersuchung von Gesprächen bieten.
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kommen.4 Strittigkeit muss sich dabei nicht zwingend auf eine übergeordnete Entschei-
dungsfrage beziehen, sondern kann ebenfalls aus der Frage nach (den besseren) Praktiken
zum Erreichen eines (z. B. nachhaltigen) Zustandes entstehen. Besonders bei (ökologi-
schen) Nachhaltigkeitsthemen leuchtet es unmittelbar ein, dass Argumentationsanalysen
nicht auf der Suche nach einer binären Pro- und Kontra-Argumentation beruhen können,
sondern auch schon hinsichtlich der Geltungsansprüche eine Möglichkeit bieten müssen,
die diskursive Komplexität abzubilden: So können unterschiedliche Akteur/-innen eine
nachhaltige Entwicklung positiv bewerten und dennoch konkrete Nachhaltigkeitsmaßnah-
men verschieden priorisieren, was zu unterschiedlichen Forderungen und Argumentatio-
nen führt. Als prototypische Beispiele seien hier dem Nachhaltigkeitsaspekt Erneuerbare
Energien zum einen der Nachhaltigkeitsaspekt Landschaftsschutz (bezüglich des Themas
Stauseen als Energiespeicher) und zum anderen der Nachhaltigkeitsaspekt Tier-, insbe-
sondere Vogelschutz (bezüglich des Themas Windkraftanlagen (WKA) und deren Auswir-
kungen auf die Tierwelt) gegenübergestellt (Schwegler 2018, S. 205, 303; Schmoll 2006,
S. 28 f.).
Je nach Erkenntnisinteresse können im Anschluss an Geltungsansprüche Argumentations-
weisen oder auch „allgemein verbreitete Denkmuster“ (Wengeler 2003, S. 213) auf mitt-
lerer Abstraktionsebene (z. B. Topoi wie der Gerechtigkeitstopos, Wengeler 2003, S. 307)
zu den jeweils diskursiv strittigen Aspekten herausgearbeitet werden. Die Idee, Argumen-
tationskategorien auf dieser Ebene schon inhaltlich bzw. thematisch zu unterscheiden, ist
grundsätzlich sehr zielführend für diskursive Erkenntnisinteressen und unterscheidet sich
von anderen Ansätzen, die auf Makroebene ausschließlich formale Kategorien bilden
(z. B. Kienpointner 1992).5
Ein inhaltlich bzw. thematisch orientiertes Ergebnis, das auf den ersten Blick ähnlich
erscheint wie bei einer Toposanalyse auf mittlerer Abstraktionsebene, kann man durch den
Rückgriff auf lexikographisch-framesemantische Ansätze erzielen. Vielversprechend ist
hierbei Konerdings Frame-Modell (1993), das Ziem (2008) schon für die Diskurs- und
Metaphernanalyse fruchtbar gemacht hat. Es wurde anschließend von Konerding (2008)
als potenzieller Ansatz für eine Argumentationsanalyse ins Spiel gebracht und von
Schwegler (2018) ausführlich erprobt und als Teil einer diskursanalytischen Untersu-
chungsmethode vorgeschlagen. Letztere liegt diesem Beitrag zugrunde und hat sich zum
Ziel gesetzt, gesellschaftlich vorhandene Werteverständnisse von entsprechenden Argu-
4 Natürlich ist auch eine umgekehrte Herangehensweise möglich, wie Atayan et al. (2020, S. 25) als eine
wesentliche Forschungsfrage ihres Projekts formulieren: „Sachverhaltskonstitution und -bewertung las-
sen sich ebenfalls über die Argumentation herausarbeiten: Wie und aus welcher Perspektive wird über
bestimmte Sachverhalte argumentiert?“ Dennoch ist gerade für Ansätze mit einer Affinität zur compu-
tergestützten Analyse der Weg über Bewertungen und verschiedene agonale Dimensionen hin zu den
relevanten Argumentationen (und anschließend zu den damit verbundenen Werten, Denkstilen usw.)
möglicherweise gangbarer, insbesondere da Mattfeldt (2018) dafür schon einen vielversprechenden,
quantitativ durchführbaren Vorschlag geliefert hat, der über die Suche nach adversativen und konzes-
siven Konnektoren hinausgeht und somit auch Textstellen aufspürt, die keine in aller Vollständigkeit
prototypisch verknüpften Sätze darstellen. Im Bereich der computergestützten Argumentationsanalyse
stehen solche Meilensteine noch aus (dazu Niehr 2017, S. 175).
5 Eine makroformale Analyse offenbart mehr über die Verwendung von Sprache und die Konzeptualität
der Sprachhandlung Argumentation im Allgemeinen, als sie über einen konkreten Diskursausschnitt
aussagen kann.
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Nachhaltigkeit argumentativ
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mentationsuntersuchungen und deren Ergebnisse im Themenbereich der unternehmeri-
schen, ökologischen Nachhaltigkeit abzuleiten.6
1.2 Konzeptframes als thematische Argumentgruppen
Bleiben wir beim Beispiel Gerechtigkeit, das für Nachhaltigkeitsdebatten von argumenta-
tiver Relevanz ist: Die – und das ist wesentlich – Unterscheidung zwischen dem Topos
Gerechtigkeit und dem zur Argumentation herangezogenen Konzeptframe Gerechtig-
keit besteht in ihrer jeweiligen Verbindung zur Ausdrucksseite/Sprachoberfläche des Tex-
tes. Der methodisch relevante Unterschied liegt zwischen der systematischen, intersubjek-
tiv überprüfbaren Verbindung der von Konerding als Fragenkatalog formulierten Slots zu
ihrem entsprechenden Frame auf der einen Seite und der Verbindung, die zwischen Topos
(z. B. Gerechtigkeit) und dem Textmaterial hergestellt wird, auf der anderen Seite. Letz-
tere Verbindung muss eher interpretativ hergestellt werden, insbesondere weil sich in ent-
sprechenden Textteilen eher selten Ausdrücke aus dem Lexemverband des Hyperonyms
finden lassen (z. B. eben nicht gerecht*, vgl. Schwegler 2018, S. 246).
Geht man also davon aus, dass die Argumente auf der Textoberfläche auf nominal lexika-
lisierte Wissenseinheiten verweisen,7 d. h. auf „Konzept-Frames, in denen sie als Frame-
Slot-Beziehungen lokalisierbar sind“ (Konerding 2005, S. 30), und dass das nominali-
sierte Hyperonym dieser Gruppe/Sammlung von Argumenten nichts anderes als ein
Ausdruck dieses Konzeptframes ist, wird die Beziehung8 – und somit die hyperonyme
Benennung – überprüfbar. Die jeweiligen substantivischen Konzeptframes sind dann wie
übergeordnete Themen zu behandeln, die zur Argumentation herangezogen werden, indem
sie von konkreten Argumenten auf der Textoberfläche – wenn man eine Gruppe zum sel-
ben Konzeptframe versammelt – gemeinsam beschrieben werden.
Lässt man die o. g. Formulierung von Topoi in Konditional- oder Kausalsätzen beiseite,
gleicht bei gemeinsamer Datengrundlage möglicherweise die Antwort auf die Frage „Wel-
che zur Argumentation herangezogenen Themen können framesemantisch herausgearbei-
tet werden?“ der Antwort auf die Frage „Welche Topoi auf mittlerer Abstraktionsebene
6 Vor- und Nachteile der verschiedenen framesemantischen Ansätze können an dieser Stelle nicht disku-
tiert werden. Eine Gegenüberstellung ist u. a. bei Ziem/Inderelst/Wulf (Hg.) (2018) nachzulesen, dort
wird der hier verwendete nominale Framebegriff Konerdings wie folgt eingeordnet:
Wesentlich komplexer und sowohl systematisch als auch historisch ausgiebiger reflektiert [als der
ebenfalls substantivisch orientierte Framebegriff von Wegner (1985), Anm. d. A.] stellt sich das Frame-
Modell von Klaus-Peter Konerding (1993) dar. Mittels einer lexikalischen Hyperonymtypenreduktion
identifiziert er für seine Analyse so genannte Matrixframes […], welche den Charakter von ‚obersten
Hyperonymen‘ aufweisen, als übergeordnete Begriffe. Slots und Filler werden aus Standard-Fragen zu
dem behandelten Begriff gewonnen. Dabei ist Konerdings Ansatz auf Substantive beschränkt, bietet
aber, wie Ziem (2008, S. 308–325) darlegt, ein effektives Verfahren zur Ermittlung von Matrixframes
und Leerstellen in Frames. (Kann/Inderelst 2018, S. 53)
7 Einzelne von diesen können in Form von Schlagwörtern (Niehr 2017, S. 181) oder Themawörtern
(Schwegler 2018, S. 106) auch auf der Textoberfläche vorliegen, wie beispielsweise Sicherheit, andere
sind eher präsupponiert, wie Gerechtigkeit.
8 Welchen Konzeptframes welche Slots zugeordnet sind, beschreibt Konerding ausführlich für die nomi-
nal bestimmten Konzepttypen Gegenstand (natürlicher Art), Gegenstand (Artefakt), Organismus, Per-
son, Soziale Gruppe/Institution, Ereignis, Handlung, Zustand/Eigenschaft, Teil, Gesamtheit/Ganzes
(1993, 2005, 2008).
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sind vorhanden?“, insofern letztere Analyse mit gutem Gespür für Hyperonymisierungen
durchgeführt wurde. Der Aufwand, der in einer Frameanalyse steckt, die auf erstere Frage
antwortet, ist mittels einer bloßen Auflistung von vorhandenen Frames zunächst nicht
sichtbar. Die Ergebnisse beider methodischer Wege sind außerdem (bis hierher) ähnlich
abstrakt und man kann ihnen den Vorwurf machen, recht wenig über die inhaltliche Ent-
wicklung eines Diskursausschnitts preiszugeben (Niehr 2004, S. 144).
Natürlich geht die systematische framesemantische Analysemöglichkeit mit ihrer inter-
subjektiven Überprüfbarkeit zulasten einer einfachen analytischen Durchführbarkeit, wie
die Toposanalyse sie bietet. Die Analyse mittels Konzeptframes trägt allerdings neben der
intersubjektiven Überprüfbarkeit einen weiteren Vorteil in sich, der genau auf den syste-
matisch hergestellten Frame-Slot-Beziehungen von konkreten Textstellen zum übergeord-
neten Thema (Konzeptframe) beruht: Die verschiedenen framesemantisch gruppierbaren
Argumente, mitsamt ihrer synchronen und diachronen Unterschiede, sind für das oben
skizzierte Erkenntnisinteresse nochmals relevant. Systematisch herausgearbeitet können
sie nämlich konkurrierende Werteverständnisse innerhalb einer Gruppe von Argumen-
ten – d. h. innerhalb eines zur Argumentation herangezogenen Themas – aufzeigen. Dia-
chron verfolgt liefern sie einen wichtigen Beitrag zur Ergründung diskursiver Wertevor-
stellungen sowie von Prinzipien, Regeln und gesellschaftlichen Orientierungsmustern.
Schwegler (2018) verdeutlicht ausführlich, dass man vor allem bei (zur Argumentation
herangezogenen) Themen, die zur ideologischen Polysemie (Dieckmann 1975) neigen, wie
Gerechtigkeit, Humanität oder Verantwortung, weitere Untersuchungen anschließen
und gegebenenfalls semantisch differenzierte Untergruppen bilden muss. Dies gilt auch für
alle anderen Themen, die semantisch umkämpft werden (vgl. Felder 2006), wie z. B. Nach-
haltigkeit, Natur oder Umwelt. Nur so können Wertevorstellungen und -verständnisse
wirklich diskursrelevant untersucht werden und bleiben nicht auf einer Abstraktionsebene,
auf der solche Konflikte nicht erscheinen.
Inhaltliche Spezifizierungen sind gerade im Falle von Diskursausschnitten zu Nachhaltig-
keitsthemen besonders wichtig, die sich nicht mit Klimaskeptizismus beschäftigen.9 Lässt
man grundlegend skeptische Positionen beiseite, von denen sich die Wirtschaft zumindest
offiziell größtenteils verabschiedet hat, steht der (vermeintliche) Konsens im Raum, dass
Nachhaltigkeit erstrebenswert sei, wodurch vorhandene Konflikte latent innerhalb von
Begriffen liegen bzw. in den semantischen Bereich verschoben werden (vgl. Ott 2010,
S. 164). Dies trifft insbesondere auf internationale wirtschaftspolitische Bereiche und die
unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation zu.
Zusammengefasst plädiert dieser Beitrag dafür, dass man eine Argumentationsanalyse,
die als Ergebnisse Topoi, inhaltliche Wertebegriffe, nominale Konzeptframes oder – allge-
meiner formuliert – zur Argumentation herangezogene Themen hervorbringt, anschlie-
ßend mit framebasierten lexikalischen Anschlussuntersuchungen versehen muss. Dies
dient der Differenzierung von argumentativen Positionen, die die mittlere Abstraktions-
ebene hinsichtlich der Werteverständnisse konkretisiert.
9 Um nachhaltigkeits- oder klimawandelskeptische Positionen diskursanalytisch zu erfassen und anderen
Positionen gegenüberzustellen, sollte zunächst eine Agonalitätsanalyse durchgeführt werden, an die die
hier skizzierte Argumentationsanalyse problemlos angeschlossen werden kann.
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2. Gerechtigkeit als framesemantisch bestimmte Argumentgruppe
Im Rahmen einer solchen Argumentationsanalyse werden zunächst potenziell argumenta-
tive Textstellen markiert, die Geltungsansprüche, d. h. bewertende oder fordernde Bezug-
nahmen (siehe dazu Schwegler 2018, S. 53–57) oder agonale Gegenüberstellungen (Matt-
feldt 2018), stützen. Nach kritischer Prüfung (Werden hier strittige Geltungsansprüche/
Wertungen argumentativ gestützt, oder handelt es sich nur um eine Angabe von zusätz-
lichen Informationen zum Thema?) und Aussonderung von eher informativen Angaben
können einzelne argumentative Textstellen zu einer übergeordneten Argumentgruppe
zugeordnet werden. An dieser Stelle wird nun beispielhaft die Argumentgruppe Gerech-
tigkeit herausgegriffen und vorgestellt.
In der Praxis erfolgt zunächst die Zuordnung offensichtlicherer Aspekte (Textstellen/Aus-
drücke), die dazu anleiten, die entsprechende Argumentgruppe überhaupt als relevant
anzunehmen, sowie die Bestimmung des nominal bestimmten sortalen Konzepttyps aus
der Liste der von Konerding (1993; 2005, S. 16) lexikologisch-lexikographisch ermittel-
ten Typen (siehe Fußnote 8), denen jeweils eine ganz bestimmte konzepttypspezifische
Kombination aus Slots zugeordnet werden kann. Bei der Argumentgruppe Gerechtig-
keit handelt es sich um den sortalen Typ Zustand. Der Schritt der Zuordnung ist insofern
relevant, da nur so umfassend und systematisch erkannt werden kann, welche Slots poten-
ziell zur Verfügung stehen, die Beschreibungsstrukturen des jeweiligen semantischen
Typs bilden zu können.10 Die folgende Liste führt die maßgeblich im untersuchten Dis-
kursausschnitt belegten Slots des Frames Gerechtigkeit auf (Schwegler 2018, S. 240),
im Diskursausschnitt nicht belegte Slots fehlen hierbei:11
Art und Weise, wie der Zustand ausgeprägt ist.
Entität, bei der der Zustand auftreten kann.
Weitere Zustände, mit denen der Zustand gemeinsam auftritt.
Merkmale und Konstituenten, die der Zustand aufweist.
Folgen des Zustandes für die funktionalen Zusammenhänge.
Bedingungen für das Erscheinen/Verschwinden des Zustandes.
Namen und Bezeichnungen des Zustandes.
Entsprechende Textstellen, d. h. die jeweils relevanten argumentativen Ausdrücke von
besonderer Prominenz sowie Themawörter, können hinsichtlich ihrer framekonstituieren-
den Beziehung zur hyperonymen Argumentgruppe – hier Gerechtigkeit – zugeordnet
und bezüglich ihrer unterschiedlichen semantischen Ausdifferenzierung mit verschiede-
nen lexikalischen Untersuchungsweisen analysiert werden. Die lexikalischen Betrachtun-
gen der hier vorliegenden Analyse, die somit die Argumentationsanalyse maßgeblich stüt-
zen, beziehen sich auf folgende linguistische Einheiten:
10 Natürlich finden sich unter den potenziell zur Verfügung stehenden Slots, die Konerding als Fragen
formuliert hat, auch diverse, im konkreten Analysefall nicht belegte (und somit irrelevante) Slots. Dar-
aus lässt sich aber nicht nachvollziehbar ableiten, lieber „intuitiv und hermeneutisch“ (Busse 2017,
S. 205) vorzugehen, wenn bestimmt werden soll, welche Slots bei einer Analyse überhaupt berücksich-
tigt werden.
11 Eine vollständige Slot-Liste für den Matrixframe Zustand findet sich bei Konerding (1993,
S. 349–353).
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1) das syntagmatische Umfeld von ausdrucksseitig vorhandenen/präsupponierten Themawörtern;
2) die wissensfeldrepräsentierenden Kontiguitätsbeziehungen (framebezogene Ko-Notationen); 3) kon-
krete Definitionen/metakommunikative Ausformulierungen und Negativzitationen. (Schwegler 2018,
S. 82)
Es werden somit nicht nur die argumentativen Themawörter selbst, sondern auch weitere
Auffälligkeiten12 aus dem diskursgebundenen Wissensfeld und deren Veränderung betrach-
tet. Übergreifend kann für normative Argumentationsweisen festgestellt werden, dass sie
musterhaft in komprimierter Form auftreten (Schwegler 2018, S. 237), d. h. alleine durch
die textuelle Erscheinung einzelner Ausdrücke wirken, die im Rezeptionsprozess eine
komplexe argumentative Struktur aufrufen (pragmatische Präsupposition) und verschie-
dene Konnotationen zulassen. Das Untersuchungsinteresse – im Anschluss an eine allge-
meine Markierung von stützenden Textstellen – gilt deshalb auffälligen Form-Inhalts-
Korrelationen wichtiger Ausdrücke oder Syntagmen. Besonders berücksichtigt werden
die prominent auftretenden (bzw. framesemantisch relevanten) Ausdrücke wie *fair* oder
*Gemeinwohl usw. Die o. g. pragmatische Präsupposition kann als rhetorisches Stilmittel
gewertet werden, insofern es die strittigen und problematischen Inhalte sind, die still-
schweigend vorausgesetzt werden. Aufgrund ihrer Verborgenheit kann ihnen auf gleicher
Kommunikationsebene nicht widersprochen werden (Eggler 2006, S. 96). Um Präsuppo-
sitionen dennoch nachvollziehbar zu erschließen, sind neben metakommunikativ ausfor-
mulierten Textstellen diachrone Untersuchungen hilfreich, die Bedeutungskonkurrenzen,
Euphemismen oder Dysphemismen expliziter enthüllen (Schwegler 2020).
Bei der Zuordnung der Textstellen als Filler zu den entsprechenden Slots lassen sich durch
thematische Kontrastierung und Variation (Konerding 2005, S. 21) verschiedene Unter-
kategorien/Bedeutungskonkurrenzen von Argumentgruppen extrahieren, die auf etablierte
gesellschaftlich Kategorien zurückzuführen sind und den jeweiligen Wertehorizont der
Diskursakteure anzeigen. Thematische Kontrastierung bedeutet dabei, es sind die glei-
chen Slots des gleichen Frames auf unterschiedliche Weise von Fillern belegt; thematische
Variation meint, es sind jeweils andere Slots des gleichen Frames mit ihren jeweiligen
Fillern belegt.
Die etablierten gesellschaftlichen Kategorien bzw. Unterkategorien, auf die die Unterka-
tegorien der Argumentgruppen anschließend hinweisen, besitzen im Falle von Gerech-
tigkeit aus wissenschaftlicher Perspektive eigene Bezeichnungen, die einen bestimmten
Wertehorizont aufzeigen, aber im gesellschaftlichen Diskurs meist nicht konkret genannt
werden.13 Dennoch sind diese Gerechtigkeitsformen diskursiv konzeptuell vorhanden und
12 Da oben nur von nominalisierten Hyperonymen gesprochen wurde, muss hier für die diachrone Unter-
suchung deutlich gemacht werden, dass auch interessante Verb- und Adjektiventwicklungen betrachtet
werden.
13 Bei anderen Argumentgruppen ist dies z. T. abweichend: Für die Argumentgruppe Sicherheit (Zustand)
können beispielsweise unterscheidende Komposita gebildet werden (Anwendungs- und Produktsicher-
heit, Arbeitsplatzsicherheit, Gesundheitssicherheit, Planungssicherheit, Rechtssicherheit, Unfallsicher-
heit, Versorgungssicherheit usw.), für die Argumentgruppe Natur (Gesamtheit) finden sich zwar z. T.
untereinander konkurrierende Begriffe (Umwelt, Ökosystem, Klima, Landschaft usw.), die gesellschaft-
liche/kulturelle Bedeutungsunterscheidungen tragen, z. T. müssen zu Natur aber spezifizierende Infor-
mationen hinzugefügt werden, um die Unterscheidungen zu verdeutlichen (Natur als Sinnträger, Natur
als Funktionsträger, gestaltbare Natur usw.).
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verfügen über Indizien auf der sprachlichen Oberfläche, die eine Zuordnung/Bestimmung
möglich machen.14
Der Grund für diese aufwändige Untersuchung ist, dass hier betont werden soll, dass es
für eine Analyse der Argumentationen nicht genügt, argumentativ genutzte Gerechtig-
keit verallgemeinernd als Gleichheit zu verstehen, wie beispielsweise durch Wengelers
Toposanalyse suggeriert wird (2003, S. 307 f.), auch wenn Gleichheit einen hohen konsti-
tuierenden Stellenwert einnimmt, weil Gerechtigkeit eben in vielen Fällen in Relation zu
anderem bemessen wird. Neben der diskursiv erkennbaren Diversität von Gerechtigkeit,
die schon die Analyse eines thematisch eingegrenzten Diskursausschnitts aufzeigt, gibt es
zum einen wissenschaftliche Kritiker dieses egalitaristischen Ansatzes (vgl. Krebs 2000),
die für den Bereich ökologische Nachhaltigkeit durchaus diskursrelevante Wertegrund-
sätze vertreten, zum anderen beinhaltet die Gleichheit als Synonym für Gerechtigkeit eine
ebenso große semantische und konzeptuelle Pluralität, die auch ein Bezeichnungswechsel
(von Gerechtigkeit zu Gleichheit) nicht klärt.
3. Unterkategorien und Bedeutungskonkurrenzen von Gerechtigkeit im
Diskurs um ökologische Nachhaltigkeit
Das in Schwegler (2018) herausgearbeitete diskursspezifische Gerechtigkeitsspektrum
beinhaltet Nachweise zur Anspruchsgerechtigkeit, Chancengleichheit, Demokratie, Fair-
ness, Gleichheit (bzgl. Umweltgerechtigkeit oder Verfahrensgerechtigkeit), globale Gleich-
berechtigung, Goldene Regel/kategorischer Imperativ, kosmische Gerechtigkeit (Schicksal),
Reziprozität/Tauschgerechtigkeit sowie zum Gewohnheitsrecht, Rechtspositivismus und
Utilitarismus, die in kontrastiver argumentativer Verwendung Konfliktpotenzial bergen.
Viele Filler bzw. typische Präsuppositionsauslöser belegen im Rahmen der Argumentgruppe
Gerechtigkeit den Slot Art und Weise, oder auch die Slots Entität, weiterer Zustand oder
Konstituenten. Seltener beziehen sich Textstellen auf die Slots Folgen, Bedingungen oder
Bezeichnungen. Die im Folgenden vorgestellten Beispiele sind (wenn nicht anders ausge-
zeichnet) allesamt ausschließlich thematische Kontrastierungen des Slots Art und Weise.
Im Folgenden werden einzelne der o. g. Unterkategorien herausgegriffen und exempla-
risch vorgestellt. In den unternehmerischen Texten wird mit der Argumentgruppe Gerech-
tigkeit v. a. die implizite Selbstbewertung ‚wir sind gut/nachhaltig‘ gestützt, in den medi-
alen Texten finden sich verschiedene Geltungsansprüche diverser Akteur/-innen – von
Politiker/-innen, NGOs, Umweltschützer/-innen, Personen, die vom Tagebau betroffen
sind/die umgesiedelt werden usw. Sie stellen insbesondere natur-, umwelt- und land-
schaftsschützende Forderungen und stützen diese u. a. mit Gerechtigkeit.
Die unternehmerisch präferiert genutzten expliziten Unterkategorien von Gerechtigkeit
sind neben der Chancengleichheit, die in den meisten Fällen ‚gleiche Chancen auf Umwelt-
technologien (für alle Kunden)‘ bedeutet, zum einen die Irrelevanz von Geringfügigkeit,
die als Rechtsprinzip in die Alltagssprache übertragen wird und im nicht-rechtlichen Sinne
14 Um die unterkategoriale Ausgestaltung von Gerechtigkeit ausdrucksseitig und konzeptuell für eine
sinnvolle Bestimmung zu erkennen, muss der Facettenreichtum von Gerechtigkeit historisch, wissen-
schaftlich o. ä. betrachtet werden, entsprechende umfassende Ausführungen sind in Schwegler (2018,
S. 293–244) zu finden. Texte zur Philosophie der Gerechtigkeit (z. B. Horn/Scarano 2002) zeigen deut-
lich, dass es die Gerechtigkeit bzw. eine Theorie der Gerechtigkeit nicht gibt. Es existieren verschiedene
Anwendungsprinzipien von Gerechtigkeit, die auf unterschiedlichen Grundannahmen beruhen.
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gegen die Verurteilung von (umweltschädlichen) Bagatellen15 schützen soll. Das Prinzip
der Geringfügigkeit untertreibt die Auswirkungen der unternehmerischen Rolle oder Hand-
lungen und zeigt sich durch die Kombination verschiedener Modal- oder Intensitätsparti-
kel (weniger als, nur circa, nahezu, nicht sehr etc.) mit numerischen Angaben (insbeson-
dere Prozentangaben und Brüche). Beleg (1) entwirft ein Gegenargument zum impliziten
Vorwurf, dass sich der umweltschädliche Anbau von Zuckerrohr von 2007 bis 2016 nahezu
verdoppelt hat und die Ethanolherstellung somit nicht wirklich nachhaltig sein kann.
(1) Brasilien ist mit 35% der Weltproduktion einer der größten Ethanolhersteller. Trotzdem
setzt das Land bisher weniger als 5% der landwirtschaftlich genutzten Fläche zum Anbau
von Zuckerrohr ein. Mehr als die Hälfte davon geht in die Zuckerproduktion, für die Etha-
nolherstellung werden nur circa 2% eingesetzt. (VW AG 2008, S. 43 [H. d. A.])
Das Geringfügigkeitsprinzip (hier angezeigt durch „nur circa 2%“) gehört zu den unter-
nehmerischen Grundeinstellungen, die in den Texten offengelegt werden können, und
basiert auf einer gesellschaftlich stillschweigend akzeptierten Argumentationsgrundlage,
dass man für geringfügige/irrelevante Anteile bzw. Bagatellen nicht belangt werden sollte
(Schwegler 2018, S. 250 f.).
Zum anderen wird unternehmerisch musterhaft die Gerechtigkeitskategorie der Fairness
genutzt – im Sinne von ‚fairem Handel‘, als integrative Argumentation für nachhaltige
Entwicklung. Fairness wirkt als Unterkategorie, die über einen spezifischen Bedeutungs-
gehalt verfügt, mit ihren ausdrucksseitigen Auffälligkeiten für den Zustand Gerechtig-
keit framekonstituierend. Die Argumentation mit Fairness wird sehr musterhaft vom
Ausdruck *fair* begleitet, der aber im Umkehrschluss nicht ausschließlich in argumenta-
tivem Kontext erscheint. Dennoch ist der Ausdruck *fair* gegenüber *gerecht* in den
hier untersuchten Texten immer im Rahmen bestimmter moralischer/rechtlicher Regelun-
gen zu finden. Grundsätzlich ist fair im Deutschen vor allem aus dem Bereich des Sportes
bekannt, mit der Bedeutung ‚kameradschaftlich‘, ‚regelgemäß‘, aber auch übergeordnet
im Sinne von „gegenseitig (freiwillig) verpflichtet“ (Duden 2015, S. 574). Dieses Bedeu-
tungsspektrum lehnt sich an dasjenige des englischen Ausdrucks fair an, der „treating
people equally without favouritism or discrimination“ (Stevenson (Hg.) 2010, S. 627)
bedeutet. Rawls' Gerechtigkeitskonzeption als Fairness stützt sich ebenfalls auf diese all-
tagssprachliche Bedeutung (Rawls 1979, S. 81). Fairness als Gerechtigkeitsprinzip fügt
zur Gleichheit bezüglich der Freiheiten (Voraussetzungen) den besonderen Aspekt hinzu,
nicht zu diskriminieren oder zu bevorzugen, d. h. die Regeln, zu denen man sich gemein-
sam/gegenseitig (freiwillig) verpflichtet, sollten zum Vorteil eines jeden dienen.
Wer mit Fairness argumentiert, lässt es nicht zu, dass einige Wenige ein Opfer bringen,
das für ein größeres Wohl der Vielen sorgt. Für einige Subthemen des Diskursthemas öko-
logische Nachhaltigkeit, wie beispielsweise diejenigen, die sich mit den Tagebauen, den
Stromtrassen, den WKAs oder Gefälligkeiten zwischen Politik und Wirtschaft beschäfti-
gen, dient Fairness als wichtiges Gerechtigkeitsargument im Rahmen ökologischer Aus-
handlungen. Mit Gerechtigkeit wird üblicherweise erst dann argumentiert, wenn sie
vermisst wird, deshalb stützen solche Argumente musterhaft Geltungsansprüche in Form
von expliziten oder impliziten Forderungen.
15 Die Irrelevanzregelungen sollen im Umweltrecht als Bagatellschwelle angeben, bis zu welchem Grad
eine Zusatzbelastung (z. B. der Luft) durch eine zu genehmigende Anlage nicht als ursächlich für eine
schädliche Umwelteinwirkung anzusehen ist.
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Ein wichtiger medialer Aushandlungsbereich im Rahmen der ökologischen Nachhaltig-
keit ist das Subthema der Energiebeschaffung, das stark von Gerechtigkeitsargumentatio-
nen durchzogen ist und sich im zugrundeliegenden Korpus vor allem auf die thematischen
Gegenstände Braunkohletagebau und Windkraftanlagen (WKAs) bezieht. Hierbei geht es
um die Lastenaufteilung zwischen verschiedenen (sozialen) Gruppen, die unterschiedlich
stark von den Auswirkungen der Energiebeschaffung betroffen sind – stark betroffen sind
beispielsweise Personen/Gemeinden, die aufgrund eines Tagebaus umgesiedelt werden.
Für die Phase der Tagebaugenehmigung kann festgestellt werden, dass Argumentationen,
die sich auf das Demokratieprinzip stützen, dem Verständnis der Reziprozität gegenüber-
stehen, d. h. als kontrastive Filler erscheinen. Reziprozität verfügt zwar im betroffenen
Gebiet (Rheinland) über einen traditionellen Rahmen (Klüngel), dieser kann allerdings
übergeordnet als unmoralische Cliquenwirtschaft bzw. unerlaubter Lobbyismus bezeich-
net werden.
(2) [Ein] Rheinbraun-Betriebsratschef […] ueberreichte SPD-Fraktionschef Farthmann dankbar
einen Karnevalsorden mit dem Motto: „Mir jonn zesamme, mir stonn zesamme.“ Auf gut
deutsch: Eine Hand waescht die andere. (taz 30.3.1995 [H. d. A.])
Eine konfliktäre Gegenüberstellung von Gerechtigkeitsverständnissen kann in der
Begründung der Notwendigkeit der Braunkohleförderung an sich gefunden werden: Uti-
litaristische Bezüge auf das Gemeinwohl, die einzelne Opfer für das Wohl der Massen
akzeptieren, stehen kontrastiv der Gerechtigkeit als Fairness, mit der Prämisse ‚zum
Vorteil eines jeden‘ (ohne einzelne Opfer zu akzeptieren), gegenüber. Die erstgenannte
utilitaristische Argumentationsweise wird dabei vom Unternehmen, von Politiker/-innen
sowie von juristischer Seite bemüht. Die Ausdrücke (All-)Gemeinwohl und Opfer dienen
als Präsuppositionsauslöser.
Betrachtet man in diesem Kontext den oben genannten Präsuppositionsauslöser *fair*,
zeigt sich eine akteursspezifische Besonderheit: Befürworter der Fairness und Umwelt-
schützer, denen es in diesem Konflikt nicht um Gerechtigkeit, sondern den Schutz der Natur
und des Klimas geht, argumentieren nur selten mit *fair*. Sie nutzen stattdessen Negativzi-
tationen von (All-)Gemeinwohl, verdeutlicht durch Anführungszeichen sowie Ausdrucks-
weisen wie sogenanntes oder angeblich, und setzen dies gerne in Kontrast zu anderen
Aspekten, die ebenfalls das Gemeinwohl betreffen, wie klimaschädliche Auswirkungen:
(3) Um den Tagebau bei Garzweiler aufzuhalten, halten Umweltschützer eine Obstwiese in der
Mitte des Geländes besetzt. Diese war zuvor von Gerichten enteignet worden – weil der kli-
maschädliche Braunkohleabbau angeblich dem Allgemeinwohl dient. (taz 2.1.2008 [H. d. A.])
Die RWE AG stützt sich auf die Orientierung am Gemeinwohl, zumindest in Aussagen, die
medial zitiert werden:
(4) Der Tagebaubetreiber RWE Power hält dagegen, dass der Tagebau zweifellos am Gemein-
wohl orientiert sei. (SZ 20.6.2006 [H. d. A.])
Der im Korpus ebenfalls vorkommende präsuppositionsauslösende Ausdruck Opfer
kann – wenn er sowohl im Sinne von ‚Verzicht‘ wie auch ‚Verlust/Schaden‘ genutzt wird –
zusätzlich als Indiz für eine konfliktäre Aushandlung zwischen utilitaristischen Ansätzen
und dem Gedanken der Fairness angesehen werden. Die Ausdrucksform Opfer wird hier
vor allem im Nachgang der Auseinandersetzungsphase angewandt, ebenso wie Bezüge
auf die kosmische Gerechtigkeit, die die Gerechtigkeit in die Hand einer höheren Macht
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legt und durch Schicksal (in Verbindung mit Verben wie glauben, ergeben oder verscho-
nen) ausdrucksseitig vertreten wird. Schicksalsverweise instantiieren Gerechtigkeit
allerdings hinsichtlich des Slots Folgen.
4. Diskussion und Fazit
Der hier vorgestellte Ansatz einer diskursiven Argumentationsanalyse mit einer weiterfüh-
renden lexikalischen Folgeuntersuchung von hyperonymen Argumentgruppen kann dazu
beitragen, die Frage zu beantworten, welche normativen Regeln und Werte im vorliegen-
den Diskursausschnitt musterhaft zur Argumentation genutzt werden und welche unter-
schiedlichen Werteverständnisse dabei jeweils vorherrschen. Die Argumentgruppen bzw.
ihre übergeordneten Bezeichnungen, wie Gerechtigkeit, sind dabei nicht genuin diskurs-
spezifisch, sie lassen sich in vielen Themenbereichen und somit auch in verschiedenen
Studien finden, die Argumentationen berücksichtigen. Spezifisch sind vielmehr die Kom-
binationen der unterkategorialen Werteverständnisse (hier z. B. utilitaristische Bezüge auf
das Gemeinwohl, die einzelne Opfer für das Wohl der Massen akzeptabel erscheinen las-
sen; Gerechtigkeit als Fairness usw.), die mit ihrer framesemantischen Basis einen analy-
tischen Mehrwert gegenüber einer Argumentationsanalyse auf mittlerer Abstraktionsebene
bieten. Das heißt, diskursanalytisch entscheidend ist schlussendlich, wie die unterkatego-
riale, framekonstituierende Ausgestaltung realisiert ist, die ausdrucksseitig sichtbar wird:
Auf welchen Slot des Konzeptframes Gerechtigkeit bezieht sich die jeweilige konkrete
argumentative Textstelle? An welche Art von Gerechtigkeit wird appelliert?
Die erkennbaren Bedeutungskonkurrenzen und unterscheidbaren Wissensfelder, die sich
durch thematische Kontrastierung oder Variation von konstituierenden Aspekten (Slots)
innerhalb der jeweiligen Argumentgruppen kompetitiv auftun, eröffnen anschließend die
Möglichkeit, gesellschaftlich etablierte Kategorien zu erkennen, die Beispiele in Werteho-
rizonte einzuordnen und konkurrierende Werteverständnisse – mitunter bei einer Nutzung
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Universität Koblenz-Landau
Institut für Germanistik
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