Content uploaded by Jochen Reinhard
Author content
All content in this area was uploaded by Jochen Reinhard on Oct 26, 2021
Content may be subject to copyright.
30 TUGIUM 37/2021
In einem abgelegenen Waldstück am Westhang des Zuger-
bergs, zwischen Zug und Walchwil, konnten Romano Agola
und Murielle Montandon bei systematischen Prospektions-
gängen im Auftrag des Amts für Denkmalpege und Archäo-
logie eine Ansammlung von 23 Silber- und Bronzemünzen
antiker Zeitstellung orten (Abb. 1 und 2). Die Münzen streu-
ten im Umkreis von etwa 1,5 m im Bereich eines kleinen Pla-
teaus und lagen teils im humosen, am Aufndungsort nur
wenige Zentimeter starken Waldboden, teils direkt auf dem
anstehenden Sandsteinfelsen selbst. Während einer späteren
Nachgrabung vor Ort (Abb. 3) wurden holzkohlig-aschige
Flecken in den Vertiefungen des Sandsteins entdeckt, die aus-
weislich einer 14C-Datierung modern sind. Plastikreste und
moderner Metallschrott im Oberboden weisen zusätzlich auf
eine – etwa durch Waldarbeiten verursachte – Störung im Be-
reich der Fundstelle hin. Der ursprüngliche Fundkontext liess
sich nicht mehr rekonstruieren.
Das aufgefundene Geld setzt sich im Wesentlichen aus
ostkeltischen und römisch-republikanischen Prägungen des
2. und 1. Jahrhunderts v. Chr. zusammen. Die erste Gruppe
besteht aus elf Kleinsilberstücken (Obole) aus Noricum
(Abb. 2, Reihen 1 und 2), einem keltischen Königreich, das
einst weite Teile des heutigen Österreichs, das Burgenland,
und Teile von Westungarn umfasste. In der zweiten Gruppe
nden sich sieben Denare, ein Quinar und zwei Bronzemün-
zen der römischen Republik sowie eine Bronzemünze der
römischen Kaiserzeit. Ein Denar in dieser Gruppe, nämlich
jener des Münzmeisters L. Piso Frugi, wird mit Vorbehalt
unter den römischen Münzen aufgeführt, da es sich bei die-
sem Geldstück möglicherweise nicht um eine reguläre römi-
sche Prägung, sondern um eine ausserhalb des römischen
Reiches hergestellte Imitation oder gar Denar-Kopie handeln
könnte (Abb. 2, Reihe 4, erste Münze von links). Das letzte
Fundstück lässt sich dagegen unzweifelhaft als zeitgenössi-
sche Imitation eines römisch-republikanischen Denars identi-
zieren; ihr Herstellungsort könnte im dakischen Raum lie-
gen (im Wesentlichen das Gebiet des heutigen Rumäniens
und Moldawiens). Das Geldstück zeigt den behelmten Kopf
der Göttin Roma sowie einen Tempel (Abb. 2, Reihe 4, erste
Münze von rechts). Dieser ist nach dem Vorbild eines im
Jahr 78 v. Chr. unter Münzmeister M. Volteius M. F. gepräg-
ten Denars gestaltet, dessen rückseitige Darstellung den kapi-
tolinischen Tempel in Rom zeigt. Die Denare und der Quinar
weisen die Namen der Münzmeister C. Valerius Flaccus,
L. Thorius Balbus, L. Piso Frugi und L. Rubrius Dossenus
sowie den Namen des Feldherrn Marcus Antonius auf (Abb. 2,
Reihe 4, erste bis vierte Münze von links und Reihe 5). Das
jüngste Fundstück (Abb. 2, Reihe 3, erste Münze von rechts)
wurde im Zeitraum von ungefähr 16/15 (?) bis 10 v. Chr. in
Nemausus, dem heutigen Nîmes (Frankreich), geprägt; seine
Datierung gibt den frühestmöglichen Zeitpunkt an, ab dem
das Ensemble in den Boden gekommen sein kann.
Mischfunde aus keltischen und römischen Münzen sind in
der Schweiz sehr selten. Bislang bekannt geworden sind ein-
zig deren zwei: der im Hinblick auf seine Niederlegung etwas
ältere Münzfund von Belpberg in der Gemeinde Belp (BE)
und der wesentlich jüngere Münzhort von Lausanne (VD),
Vidy. Im Weiteren sind nun offenbar erstmals auf dem Gebiet
Zug, Eielenwald, Egg
Ein einzigartiger keltisch-römischer Münzfund vom Zugerberg
Abb. 1 Zug, Eielenwald, Egg. Romano Agola an der Fundstelle nach
der Entdeckung der Münzen.
1 cm
Abb. 2 Schweizweit einzigartiges Fundensemble von Münzen aus
keltischer und römischer Zeit.
31TUGIUM 37/2021
Abb. 3 Fundstelle nach den Freilegungsarbeiten im Rahmen der Nach-
untersuchung.
der Schweiz norische Obole und eine möglicherweise aus
Dakien stammende Denar-Imitation gefunden worden. Der
Fund vom Zugerberg ist ungewöhnlich und wissenschaftlich
sehr bedeutend. In seiner Zusammensetzung ist er schweiz-
weit einzigartig.
Römische Münzen dienten nicht nur als Zahlungsmittel,
sondern waren ein beliebtes Massenmedium zur Kommuni-
kation zwischen den Regierenden und der Bevölkerung im
weitläugen Reich sowie den teilweise fernab des italischen
Kernlands im Einsatz stehenden Legionen. Zur Zeit der Re-
publik wählten die Münzmeister oft Münzbilder, die von den
ruhmreichen Taten der Ahnen oder etwa der ehrenvollen Her-
kunft der Familie kündeten; auch die eigenen Leistungen
oder soldatische Tugenden konnten hervorgehoben werden.
Weitere Bildthemen nehmen Bezug auf den Staat und aktuel-
le politische Ereignisse. Auf den Geldstücken nden sich un-
ter anderem die Gottheit Roma (symbolisiert den römischen
Staat oder die Stadt Rom), Reiter mit Palmzweig auf galop-
pierendem Pferd, ein von vier Pferden gezogener Triumph-
wagen, ein Kriegsschiff (Galeere), ein Tempel (hier die Imi-
tation, gestaltet nach römischem Vorbild), Stier, Legionsadler
und militärische Feldzeichen, die den Sieg personizierende
Göttin Victoria mit Kranz und Palmzweig vor einem Altar,
ein an eine Palme angekettetes Krokodil und ein von zwei
Pferden gezogener Streitwagen (Abb. 4). In den Münzbildern
kommunizierte die Führungsschicht in Rom häug auch ihre
militärischen Erfolge; gelegentlich wurde die Hoffnung auf
den Triumph versinnbildlicht. Ein Beispiel hierfür ist der
(leere) Triumphwagen, der auf dem Denar des L. Rubrius
Dossenus zu erkennen ist (Münze aus der Zeit der blutigen
Auseinandersetzung zwischen Sulla und Marius). Dasselbe
ndet seinen Ausdruck vielleicht auch in den Darstellungen
von Neptun und Victoria auf dem Quinar dieses Münz-
meisters (erhoffter Sieg zu Wasser und zu Land). Das an eine
Palme gekettete Krokodil steht dagegen für die Unterwerfung
Ägyptens – das Land am Nil wird durch das (Nil-)Krokodil
symbolisiert, die Palme ist ein altes Sinnbild für den Sieg
(Abb. 4). Aus der Zeit dieser Ereignisse stammen die beiden
Legionsdenare des Marcus Antonius. Sie zeigen auf der einen
Seite eine Galeere und auf der anderen Legionsadler und
Feldzeichen. Die Münzen waren im Vorfeld der Seeschlacht
von Actium (31 v. Chr.) zur Bezahlung der Soldaten massen-
haft in den Feldlagern geprägt worden. Nachdem die Flotten
des Antonius und der Kleopatra bei Actium von Octavian,
dem späteren Kaiser Augustus, besiegt worden waren, el
Ägypten wenig später an das Römische Reich.
Indem die Führungsschicht in den Münzbildern ihre poli-
tischen und religiösen Anschauungen und militärischen Er-
folge vermittelte oder sich selbst darstellte, geben römische
Münzen ein faszinierendes Abbild ihrer Zeit, eine Art «Insta-
gram der Antike».
GSNr. 1869.
Ereignisnr. Archäologie: 2406.
Amt für Denkmalpege und Archäologie: Romano Agola, Murielle
Montandon, Stefan Hochuli, Jochen Reinhard.
Inventar der Fundmünzen der Schweiz: Stephen Doswald.
14C-Datierung: ETH Zürich (Irka Hajdas).
Literatur: JbAS 104, 2021, 198. – Michael Nick, Die keltischen Münzen
der Schweiz. Katalog und Auswertung. Bern 2015 (Inventar der Fund-
münzen der Schweiz 12), 927–939 (Fundstelle BE-2) und 1400–1401
(Fundstelle VD28/2).
Abb. 4 Römische Münzen dienten nicht nur als Zahlungsmittel,
sondern mit ihren Bildmotiven auch der Kommunikation zwischen
den Regierenden und der Bevölkerung.
1 cm