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Didaktik der Physik
Frühjahrstagung – virtuell 2021
Augmented-Reality-Applikation zum Einsatz bei Schülerexperimenten
im Elektrizitätslehreunterricht der Sekundarstufe I
Florian Frank, Christoph Stolzenberger, Thomas Trefzger
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Physik und ihre Didaktik
florian.frank@uni-wuerzburg.de
Kurzfassung
Mithilfe von Augmented Reality (kurz: AR) können reale Situationen (z.B. physikalische Experi-
mente) durch virtuelle Objekte und Texteinblendungen ergänzt werden. Die hier vorgestellte Appli-
kation erweitert als Schülerexperimente aufgebaute Stromkreise um die virtuelle Darstellung des
physikalischen Elektronengasmodells (Burde, 2018) inklusive der Innenansichten verschiedener
Bauteile wie Lampen und Widerständen. Dadurch ergeben sich für die Unterrichtsgestaltung neue
Möglichkeiten der Verzahnung von Theorie und Experiment. Die Lernenden können mithilfe der
Applikation direkt am Experiment qualitative und halb-quantitative Kenntnisse zu den Grundgrößen
Stromstärke, Spannung, Potential und Widerstand sowie zu den Gesetzmäßigkeiten in Reihen- und
Parallelschaltungen erwerben. Ausgehend von der Cognitive Load Theory (Plass, 2010), der Cog-
nitive Theory of Multimedia Learning (Mayer, 2014) und der Self Determination Theory (Ryan,
2016) vermuten wir, dass durch diese Erarbeitung der theoretischen Inhalte direkt am Experiment
(anstelle des üblichen Lehrervortrags) ein erhöhter Wissenszuwachs und eine Steigerung der unter-
richtsbezogenen Motivation erzeugt wird. Außerdem wird untersucht, ob sich dadurch die Möglich-
keit ergibt, direkter und effektiver auf falsche Schülervorstellungen einzugehen.
Im Beitrag werden die sich in der Entwicklung befindende Applikation vorgestellt sowie die geplan-
ten Studien skizziert.
1. Einleitung
Das Fach Physik wird von Schüler*innen im Ver-
gleich zu anderen Fächern als schwieriger bewertet
(Haag, 2012). Die Lehre naturwissenschaftlicher Mo-
delle scheint ein hohes Maß an Komplexität zu ber-
gen und Lerner vor kognitive Herausforderungen zu
stellen. Tatsächlich zeigen sich etwa nach Abschluss
des Einführungsunterrichts in die Elektrizitätslehre
prävalente fehlerhafte Schülervorstellungen wie die
Stromverbrauchsvorstellung (Burde, 2018). Diese
sind auch zum Ende der Sekundarstufe I noch zu gro-
ßen Teilen vorhanden (Müller, 2015). Selbst Studien-
anfänger*innen der Physik, also vermeintlich gute
und interessierte Lerner, offenbaren noch zu großen
Teilen solche fehlerhaften Vorstellungen (Fromme,
2018). Über die Dauer der Schulzeit sinkt außerdem
die schulbezogene intrinsische Motivation der Schü-
ler*innen (Finkenberg, 2018).
Diesen Herausforderungen wollen wir durch den Ein-
satz von Augmented Reality-Anwendungen am Bei-
spiel der Elektrizitätslehre begegnen.
2. Theoretische Betrachtung
Nach der Theorie der kognitiven Belastung (Plass,
2010) kann man bei Lernprozessen drei Arten auftre-
tender kognitiver Belastung unterscheiden.
a) Intrinsische Belastung ist für einen Lernge-
genstand unveränderlich und resultiert aus
der Komplexität desselben.
b) Extrinsische Belastung ist abhängig von der
Darstellung der Lerninhalte und allgemein
nicht lernförderlich. Ziel muss es also sein,
diese Art der Belastung zu reduzieren.
c) Lernbezogene Belastung entsteht durch die
Aufnahme und Speicherung der Lerninhalte
in das Langzeitgedächtnis und ist damit lern-
förderlich.
Lernende haben nur eine begrenzte kognitive Kapazi-
tät. Bei hoher extrinsischer Belastung wird damit die
lernbezogene Belastung reduziert, der Lernvorgang
wird gehindert.
Abb. 1: Arten kognitiver Belastung nach Plass, 2010
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Frank et.al.
Zur Reduktion der extrinsischen Belastung kann nach
den Prinzipien der räumlichen und zeitlichen Konti-
guität der kognitiven Theorie des multimedialen Ler-
nens (Mayer, 2014) die Nutzung von Augmented Re-
ality einen entscheidenden Beitrag leisten. Grundan-
nahme ist hier, dass eine räumliche und zeitliche
Trennung aufeinander bezogener Lerninhalte die
extrinsische Lernbelastung erhöht. Eine solche räum-
liche und zeitliche Trennung findet im Unterricht bei-
spielsweise statt, wenn die Lehrperson nach der
Durchführung eines naturwissenschaftlichen Experi-
ments im Lehrervortrag das theoretische Modell er-
läutert, welches das Ergebnis des zuvor durchgeführ-
ten Experiments erklärt. Durch die Nutzung einer
AR-Applikation kann das theoretische Modell bereits
während des Experimentierens über den experimen-
tellen Aufbau geblendet werden. Dies ermöglicht eine
höhere räumliche und zeitliche Kontiguität und redu-
ziert damit die extrinsische Lernbelastung.
Nach der Selbstbestimmungstheorie (Ryan, 2016)
kann die intrinsische Motivation durch die Erfüllung
der drei psychologischen Grundbedürfnisse nach Au-
tonomie, Kompetenzerleben und sozialer Eingebun-
denheit erhöht werden. Durch die Nutzung von AR-
Applikationen kann die Lehre von theoretischen Mo-
dellen als schülerzentrierter, forschender Unterricht
gestaltet werden. Die Lernenden können dann in
Kleingruppen oder Partnerarbeit die theoretischen
Modelle am eigenen Experiment selbstbestimmt erar-
beiten. Dabei können die oben genannten Grundbe-
dürfnisse der Lernenden erfüllt werden.
3. Forschungsinteresse und Rahmenbedingungen
der Entwicklung der Applikation
Im Rahmen der präsentierten Forschungsarbeit wird
der Einfluss des Einsatzes einer Augmented Reality-
Anwendung auf das konzeptuelle Verständnis und
auf die Motivation der Schüler*innen untersucht. Das
konzeptuelle Verständnis wird dabei in Form der
Lernleistung und des Auftretens fehlerhafter Schüler-
vorstellungen untersucht.
Ziel des Einsatzes von AR in Unterrichtssituationen
ist es also, den Lernprozess komplexer Inhalte – wie
z.B. theoretische Modelle – durch Gewährleistung
räumlicher und zeitlicher Kontiguität zu vereinfachen
und die unterrichtsbezogene Motivation der Lerner
durch Befriedigung der psychologischen Grundbe-
dürfnisse nach Autonomie, Kompetenzerleben und
sozialer Eingebundenheit zu steigern.
Ausgehend von dieser Zielsetzung wurde eine Appli-
kation für den Unterricht der Elektrizitätslehre in der
Sekundarstufe I entwickelt. Diese soll im Unterrichts-
geschehen das Bindeglied zwischen dem zur Erklä-
rung und Vorhersage genutzten theoretischen Modell
und den durchgeführten Experimenten darstellen. Der
Weg der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewin-
nung ist ein Spiralprozess: Zu Beginn werden aus the-
oretischen Modellen Hypothesen abgeleitet. Diese
werden durch Experimente geprüft und anhand deren
Ergebnisse verworfen oder gestützt. Dadurch lassen
sich Rückschlüsse auf die grundlegenden Gesetzmä-
ßigkeiten ziehen und das theoretische Modell schär-
fen (Stiller, 2020). Die Applikation soll diesen Pro-
zess qualitativ begleiten und so den Lernenden die
Möglichkeit bieten, selbsterforschend die Theorien
am Experiment konstruktiv zu erarbeiten.
Um die Anwendung auf diese Art im Unterricht zu
nutzen, ist es wichtig, sie auf die vorhandene Hard-
und Software abzustimmen. Eine großflächige Nut-
zung von AR-Brillen im Unterricht steht dem Ziel ei-
ner nahtlosen Verknüpfung von Unterricht und Expe-
riment durch deren aufwendiges Setup im Wege und
erscheint im Moment nicht realistisch. Daher wird die
Anwendung für die Nutzung mit Tablets optimiert.
Eine spätere Erweiterung auf AR-Brillen ist aber
möglich.
Um dem Ziel einer möglichst nahtlosen Verknüpfung
von AR-unterstütztem Experiment und Unterricht
Rechnung zu tragen, wird die Applikation auf eine
Experimentierumgebung angepasst. Durch die resul-
tierende Reduktion der Komplexität der Aufbauten ist
auch die Arbeit mit der Anwendung weniger aufwen-
dig. Als Grundlage der Entwicklung wurde der Schü-
ler-Experimentierkasten Elektrik I der Firma
Mekruphy genommen. Dieser zeichnet sich durch
universelle Einsetzbarkeit verbunden mit einem mo-
dularen und reduzierten Aufbau aus, was die Ent-
wicklung einer damit verbundenen AR-Anwendung
begünstigt hat. Eine spätere Anpassung der Applika-
tion für weitere Experimentierumgebungen ist aber
möglich.
Es sollte insgesamt ein einfaches, im Unterrichtsver-
lauf aber trotzdem vielseitig einsetzbares Werkzeug
entwickelt werden. Die Bedienung und Handhabung
soll für die Schüler*innen möglichst einfach und in-
tuitiv sein, um durch die Verwendung der Applika-
tion die Schüler*innen kognitiv nicht zusätzlich zu
belasten.
4. Momentaner Stand der Anwendung
Die Applikation überlagert einen realen Experimen-
tieraufbau mit Visualisierungen zur Erklärung der
auftretenden Stromflüsse. Als Grundlage der Visuali-
sierungen wurde das Elektronengasmodell (Burde,
2018), abgeändert durch Lutz (Lutz, 2020), herange-
zogen. Die Wahl des zugrundeliegenden didaktischen
Modells fiel auf das Elektronengasmodell, da es er-
folgreich in der Reduktion fehlerhafter Schülervor-
stellungen ist, was ein erklärtes Ziel des Entwick-
lungsvorhabens darstellt. Außerdem ist es im Ver-
gleich mit anderen bekannten didaktischen Modellen
der Elektrizitätslehre wie dem Fahrradkettenmodell
und dem Modell des offenen oder geschlossenen
Wasserkreislaufs näher an der physikalischen Reali-
tät angesiedelt, was dem Ziel der realitätsnahen Dar-
stellung der Abläufe im Inneren von Stromkreisen zu-
gutekommt.
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Augmented-Reality-Applikation zum Einsatz bei Schülerexperimenten
im Elektrizitätslehreunterricht der Sekundarstufe I
Das Elektronengasmodell postuliert, dass sich Elekt-
ronen in Metallen in Teilchenform frei bewegen kön-
nen. Sie füllen aufgrund der negativen Ladung und
der daraus resultierenden Abstoßung den ihnen zur
Verfügung stehenden Raum gleichmäßig aus. Das
Elektronengas wird als komprimierbar angenommen,
die Batterie pumpt Elektronengas von ihrem positi-
ven Ende zu ihrem negativen Ende. Damit wird die
Elektronendichte am positiven Ende niedriger, am ne-
gativen Ende höher. In Abhängigkeit von der Elekt-
ronendichte kann von einem auftretenden elektri-
schen Druck gesprochen werden. Elektronen strömen
von Bereichen hohen elektrischen Drucks in Bereiche
niedrigeren elektrischen Drucks. (Burde, 2018)
Nach dem Elektronengasmodell ist also die Elektro-
nendichte und damit der mittlere Abstand der Elekt-
ronen zueinander ein Maß für den elektrischen Druck.
Bereiche hohen elektrischen Drucks werden dabei
blau eingefärbt, Bereiche niedrigen elektrischen
Drucks rot (Lutz, 2020).
Abb. 2: Screenshot der Anwendung
Mit der Anwendung können entlang der Leiterstücke
virtuelle Elektronen eingeblendet werden. Dazu wur-
den die Bauteile des Experimentierkastens mit QR-
Codes versehen. Die Anwendung wird auf Basis der
Unity-Engine in Verbindung mit der Erweiterung Vu-
foria für die Erkennung der QR-Codes programmiert.
Die Codes müssen anfangs gescannt werden. Sobald
dies geschehen ist, kann die Visualisierung gestartet
werden.
Der Abstand der Elektronen zueinander in der Visua-
lisierung ist wie oben beschrieben abhängig vom
elektrischen Druck (d.h. dem elektrischen Potential)
am jeweiligen Ort. Die Farbe und die Darstellung der
Elektronen kann mittels der Bedienelemente rechts
ein- und ausgeschaltet werden. Die Elektronen bewe-
gen sich entlang der Leiterstücke und teilen sich an
Knotenpunkten entsprechend der Widerstände der
Bauteile im Parallelkreis auf.
Die Visualisierung der Elektronen und der Färbung
der Bereiche nach dem elektrischen Druck kann dabei
separat voneinander an- und abgeschaltet werden.
Dadurch haben die Schüler*innen beim Einsatz in
Verbindung mit den Experimentieraufbauten die
Möglichkeit, sich auf entweder die Strom- oder die
Spannungsaspekte des Stromkreises zu konzentrieren
und damit die extrinsische kognitive Last zu reduzie-
ren. So ist bei der Parallelschaltung durch die Kno-
tenpunkte evtl. die Stromsicht interessanter, bei der
Reihenschaltung interessiert evtl. aufgrund der unter-
schiedlichen Spannungsabfälle vorrangig die Potenti-
alsicht.
Zur Untersuchung der Interaktion der Leitungselekt-
ronen mit den verschiedenen Bauteilen des Strom-
kreises können zusätzlich hierfür Visualisierungen
angezeigt werden. Dafür wurde das in den Unter-
richtskonzepten zum Elektronengas verwendete
zweidimensionale mikroskopische Modell des Wi-
derstands (Burde, 2018) in das dreidimensionale
übertragen. Elektrische Leiter zeichnen sich in die-
sem Modell durch eine sehr gleichmäßige Anordnung
der Atomrümpfe aus, während nicht zu vernachlässi-
gende Widerstände durch eine ungleichmäßige An-
ordnung der Atomrümpfe dargestellt werden. Infol-
gedessen kommt es bei letzteren zu mehr Stößen zwi-
schen Leitungselektronen und Atomrümpfen.
Abb. 3: Visualisierung eines Leiters (oben) und eines Widerstands
(unten)
Um auch halbquantitative Untersuchungen mit der
Anwendung zu ermöglichen, wurde die Option hin-
zugefügt, an den Bauteilen Werte zum Widerstand,
Stromfluss und Spannungsabfall anzuzeigen. Diese
Werte werden dabei nicht gemessen, sondern aus den
bekannten und über die QR-Codes eingelesenen Da-
ten der Bauteile berechnet.
Weitere Schritte, die im Rahmen der Entwicklung an-
gestrebt werden, ist die Implementierung einer Blue-
tooth-Schnittstelle, um die Möglichkeit zu bieten,
Bluetooth-Multimeter mit der Anwendung zu verbin-
den und so tatsächliche Messwerte anzuzeigen. Dies
ermöglicht dann auch eine Nutzung des Experimen-
tierkastens in Verbindung mit einer externen Span-
nungsquelle. Gerade die Betrachtung eines offenen
Stromkreises wäre sehr interessant, da hier ohne eine
Bewegung der Elektronen bei sich verändernder an-
liegender Spannung beobachtet werden kann, wie
sich die Elektronenabstände in den an die Batterie an-
grenzenden Leiterstücken ändern.
Außerdem ist geplant, für die Nutzung im Unterricht
ein Einführungsmenü zu implementieren. In diesem
soll es neben einer Kurzanleitung für den Gebrauch
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Frank et.al.
der Anwendung auch eine Auswahlliste mit verschie-
denen Betriebsmodi geben. Auf Anweisung der Lehr-
person können die Schüler*innen dann beispielweise
einen Modus wählen, in welchem nicht alle Funktio-
nalitäten der Anwendung verfügbar sind, wenn diese
noch nicht im Unterricht erarbeitet wurden.
5. Einsatzmöglichkeiten in Unterrichtssituationen
Die Anwendung soll im Rahmen des Elektrizitäts-
lehreunterrichts breit eingesetzt werden. Mögliche
Themen sind dabei etwa die Einführung des elektri-
schen Drucks als Ursache von Elektronenströmun-
gen, die Erarbeitung der Stromstärke zur Beschrei-
bung der Elektronenströmungen und qualitative Be-
obachtungen an verschiedenen Arten von Widerstän-
den, ohmschen wie nicht-ohmschen. Darüber hinaus
können einfache Stromkreise mit bis zu drei Wider-
ständen mit der Applikation analysiert werden, so-
wohl in Parallel- als auch in Reihenschaltung und es
können halbquantitative Experimente durchgeführt
werden, die auf das ohm‘sche Gesetz hinführen.
Ein möglicher Unterrichtseinsatz in der Erarbeitung
des elektrischen Drucks besteht etwa darin, die Schü-
ler*innen im Rahmen von Schülerexperimenten Be-
obachtungen zum Verhalten der Elektronen in einem
einfachen Stromkreis mit einer Lampe machen zu las-
sen. Dafür sollten lediglich die Elektronen eingeblen-
det werden, jedoch noch nicht die Färbung der Elekt-
ronen. Beobachten die Schüler*innen die verschiede-
nen Abstände der Elektronen zueinander in den Be-
reichen zwischen Batterie und Lampe, so können sie
eigenständig ein Folgeexperiment durchführen, in
welchem ein offener Stromkreis mit einer regelbaren
Spannungsquelle untersucht wird.
Abb. 4: Elektronendichteunterschied im offenen Stromkreis bei
niedriger (oben) und hoher (unten) anliegender Spannung
Die regelbare Spannungsquelle muss dann per Blue-
tooth mit der Anwendung verbunden sein. Bei Ände-
rung der anliegenden Spannung können die Schü-
ler*innen nun die Verschiebung der Elektronen zuei-
nander direkt beobachten und beeinflussen. In einem
anschließenden Unterrichtsgespräch kann gemein-
sam der elektrische Druck erarbeitet werden, nach-
dem die Schüler*innen diesen bereits gesehen und ei-
genständig untersucht haben.
6. Ausblick auf geplante Studien
Um die Entwicklung der Anwendung zu unterstützen,
werden entwicklungsbegleitend eine Reihe
qualitativer Studien durchgeführt.
Zurzeit wird die Applikation in der hier vorgestellten
Version Physiklehrkräften an bayerischen Schulen
zur persönlichen Testung zur Verfügung gestellt. Im
Rahmen eines leitfadengestützten Interviews, dessen
Fragen sich an Kreienbühl et al. orientieren
(Kreienbühl, 2020), werden diese anschließend
gebeten, Aussagen zur Handhabung der Anwendung
und einem möglichen Einsatz dieser im Unterricht zu
machen. Aus den Interviews gewonnene
Erkenntnisse zu der Applikation werden in die
weitere Entwicklung einfließen. Erste
Rückmeldungen aus dieser Phase sind positiv.
In einem weiteren Schritt soll die Anwendung auch
Schüler*innen der Sekundarstufe I gezeigt werden.
Der Fokus der Befragung liegt dann auf Fragen zur
Verständlichkeit der Darstellung und der
Handhabung. Ebenso soll die Anwendung
Expert*innen zur Verfügung gestellt werden, um
Rückmeldung zur Umsetzung des didaktischen
Modells in der Applikation zu erhalten. Ziel all dieser
Untersuchungen ist es, schon frühzeitig mögliche
auftretende Probleme bei der Verwendung der App zu
erkennen und zu beheben.
Zeitgleich zur weiteren Entwicklung der Anwendung
sollen Unterrichtsentwürfe entstehen, in denen
großflächig Schüler- und Lehrerexperimente genutzt
werden, in deren Rahmen die Applikation verwendet
werden kann. Auch diese Unterrichtsentwürfe
werden vor ihrem Einsatz im Rahmen der
Hauptstudie Fokusgruppen aus Lehrpersonen und
Experten zur Einschätzung und Bewertung gegeben.
Am Ende der Entwicklungsarbeit steht eine
Interventionsstudie an bayerischen Gymnasien in der
8. Jahrgangsstufe. Interveniert wird über den
Zeitraum des Elektrizitätslehreunterrichts. Dieser
beträgt etwa acht Wochen. Die Testung verläuft nach
einem Pre/Post-Test-Design mit Kontrollgruppe und
mehreren Testgruppen. Alle Gruppen werden dabei
nach den entwickelten Unterrichtskonzepten
unterrichtet. Die Kontrollgruppe führt die geplanten
Experimente jedoch ohne Nutzung der Applikation
durch. Testgruppe 1 nutzt in Verbindung mit den
Experimenten die AR-Anwendung, Testgruppe 2
nutzt statt der AR-Anwendung eine
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Augmented-Reality-Applikation zum Einsatz bei Schülerexperimenten
im Elektrizitätslehreunterricht der Sekundarstufe I
bildschirmgestützte Simulation, die der Applikation
nachempfunden ist. So soll zusätzlich zur
Untersuchung der Wirkung von Augmented Reality-
Anwendungen auf den Lernprozess ein Vergleich der
Wirkung von Augmented Reality und
bildschirmgestützten Simulationen ermöglicht
werden.
Im Rahmen der Pre- und Posttests werden das
konzeptuelle Verständnis und die intrinsische
unterrichtsbezogene Motivation der Schüler*innen
erhoben. Das konzeptuelle Verständnis wird dabei in
Form des kognitiven Lernzuwachses und des
Auftretens von fehlerhaften Schülervorstellungen
gemessen. Genutzt werden kann hierzu ein von
Urban-Woldron und Hopf entwickeltes
Testinstrument (Urban-Woldron, 2012), welches von
Morris im Rahmen einer Diplomarbeit
weiterentwickelt wurde (Morris, 2018). Das
Testinstrument ist ein mehrstufiger Single-Choice-
Test, der die gleichzeitige Messung des
Kenntnisstands und des Auftretens von
Schülervorstellungen ermöglicht. Zur Messung der
unterrichtsbezogenen Motivation können
beispielsweise von Finkenberg verwendete und
validierte Testinstrumente genutzt werden
(Finkenberg, 2018). Diese beinhalten Items aus den
PISA-Erhebungen von 2015 (OECD, 2016) und
selbstentwickelte und evaluierte Items.
Im Anschluss an die Hauptstudie wird die
Anwendung über die Internetseite der Physikdidaktik
der Universität Würzburg für den Einsatz im
Unterricht zur Verfügung gestellt.
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Förderung
Die Julius-Maximilians-Universität Würzburg und
das Projekt „Connected Teacher Education“ wird im
Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehr-
erbildung“ von Bund und Ländern aus Mitteln des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung ge-
fördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Ver-
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