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Auseinandersetzungen um die institutionelle Verortung von "Rassenkunde" und "Rassenhygiene", 1938–1943

Authors:
Völkerkunde zur NS-Zeit
aus Wien (1938–1945):
Institutionen, Biographien und Praktiken in Netzwerken
Band 1
Andre Gingrich und Peter Rohrbacher (Hg.)
2
Angenommen durch die Publikationskommission der philosophisch-historischen Klasse der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften:
Michael Alram, Bert G. Fragner, Andre Gingrich, Hermann Hunger, Sigrid Jalkotzy-Deger,
Renate Pillinger, Franz Rainer, Oliver Jens Schmitt, Danuta Shanzer, Peter Wiesinger,
Waldemar Zacharasiewicz
Open Access: Wo nicht anders festgehalten, ist diese Publikation lizenziert
unter der Creative Commons Lizenz Namensnennung 4.0
Open access: Except where otherwise noted, this work is licensed
under a Creative Commons Attribution 4.0 Unported License.
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Bildnachweis für das Cover:
Röcks Skizzen zum Hakenkreuz um 1935, Universitätsarchiv Wien;
Plakette zur Wiener Reichskolonialtagung 1939, Der Samstag 2, Folge 15 (15. April 1939), 9;
Gedenkstein von Marianne Schmidl 2017, Foto: Mehmet Emir;
Widerstandszeichen O5 am Stephansdom, Foto: Mehmet Emir;
Künstlerische Gestaltung: Mehmet Emir.
Diese Publikation wurde einem anonymen, internationalen Begutachtungsverfahren unterzogen.
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die Voraussetzung für eine dauerhafte Archivierung von schriftlichem Kulturgut.
Bestimmte Rechte vorbehalten.
Copyright © Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2021
ISBN 978 -3-7001-8670-0
Lektorat: Martina Paul und Christine Kanzler, Wien
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Druck: Prime Rate, Budapest
https://epub.oeaw.ac.at /8670-0
https://verlag.oeaw.ac.at
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Ve r öf f en t l ic h t m i t U n te r s tü t z un g de s F o n ds z ur F ör d e ru n g d e r w i ss e n-
schaftlichen Forschung (FWF): PUB 809 – Z sowie der Fakultäten für
Lebenswissenschaften und für Sozial wissenschaften gemeinsam mit
dem Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien
Auseinandersetzungen um die institutionelle
Verortung von „Rassenkunde“ und „Rassen-
hygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943
Katja Geisenhainer
Im Zentrum der Betrachtungen dieses Abschnitts stehen das Anthropologische Institut an der
Universität Wien in der Phase 1938 bis 1945 und die einzelnen Akteure, ihre formalen Stellun-
gen sowie ihre inhaltlichen Positionen, die sie bei fachlichen Debatten mehr oder weniger
offensiv bezogen. Insofern ist dieser Beitrag eine Fortsetzung des Abschnitts „Rassenkunde
und Rassenhygiene an der Philosophischen Fakultät in Wien (1923–1938)“ in diesem Band.
Da der Physischen Anthropologie, insbesondere der „Rassenkunde“ unter dem NS-Re-
gime, besonderes Gewicht beigemessen wurde, ging es bei diesen Diskussionen – wohl mehr
als in vielen anderen Fächern – meist auch um die eigene Reputation, um die Deutungshoheit
und, damit einhergehend, um tatsächlich in Aussicht gestellte Subventionen oder sogar um die
Neugründung von Instituten. Im „Altreich“ führten Wissenschafter und NS-Funktionäre schon
seit einigen Jahren entsprechende Kontroversen. Unter ihnen befand sich nicht zuletzt Otto
Reche (1879–1966), der von 1924 bis 1927 in Wien dem Ethnologisch-Anthropologischen
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„Deutsche Gesellschaft für Blutgruppenforschung“ mitbegründet hatte und dessen Kollegin-
nen, Kollegen, Schülerinnen und Schüler nun weiter am Anthropologischen Institut in Wien
wirkten. Reches Verständnis von „Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ und das Verhältnis
dieser Bereiche etwa zur Medizin soll vorab kurz erläutert werden. Zum einen wird so ein
Einblick in die inhaltliche Kontroverse um die fachliche Verortung dieser Gebiete aus Sicht
eines Anthropologen ermöglicht, zum anderen war Reche für die Wiener Kolleginnen und
Kollegen nach dem „Anschluss“ ein wichtiger Ansprechpartner in vielen administrativen und
inhaltlichen Fragen und stand darüber hinaus auch mit weiteren, für die Wiener Anthropologie
relevanten Akteuren, in Kontakt.
Als es um die Entlassung Josef Weningers (1886–1959) ging, für den sich Dekan Viktor
Christian (1885–1963) einzusetzen versuchte ein Sachverhalt, der bereits ausführlich von
Irene Maria Leitner dargestellt wurde1 –, hielt Reche sich jedoch nach bisheriger Kenntnis
heraus. Weningers Nachfolger Eberhard Geyer (1899–1942) sah sich schon bald zu einer
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der Entstehungsphase des seit Frühjahr 1938 geplanten und schließlich ein Jahr später bewil-
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1 Vgl. Leitner 2010.
928 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
Universität Wien. Abschnittsweise ist somit dieses Kapitel nicht nur als Ergänzung zur detail-
lierten Studie von Leitner, sondern auch zur aufschlussreichen Dissertationsschrift von Tho-
mas Mayer über „Das Rassenbiologische Institut der Universität Wien 1938–1845“2 zu verste-
hen. Teils unter Heranziehung persönlicher Korrespondenz werden interne Diskussionen
zwischen den einzelnen Anthropologen, ihre Standpunkte und Pläne beleuchtet, wie sie gegen
die Vereinnahmung ihres Faches durch die Medizin vorgehen könnten bzw. auf welche Weise
trotz größerer Meinungsverschiedenheiten weitere Kommunikation möglich wäre.
Otto Reche und seine Bemühungen um eine von der Medizin
unabhängige „Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“
Während in Österreich die austrofaschistische Regierung herrschte, wurden im nationalsozia-
listischen Deutschland Anordnungen getroffen und Wege beschritten, die bald auch für Öster-
reich Geltung haben sollten. Was die Fächer „Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ betraf,
hatte Otto Reche, wie schon in Wien, auch in seinem neuen Wirkungsort Leipzig in eine
Richtung gearbeitet, die dem NS-System entgegenkam. Reche hatte zwar schon 1925 anläss-
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samkeit der „natürlichen Auslese“ beklagt und für ein Sterilisationsgesetz plädiert.3 Weitaus
vehementer warnte er in den folgenden Jahren jedoch vor „Rassenmischungen“. Eine Eugenik
ohne Einbeziehung „rassenkundlicher“ Aspekte war für Reche undenkbar. In diesem Sinne
befasste er sich über viele Jahre hinweg mit der institutionellen Verortung der von ihm reprä-
sentierten Fächer, wobei die gleichfalls von ihm vertretene Völkerkunde innerhalb seines Wir-
kens weiter in den Hintergrund trat. Bereits nach seinem Stellenantritt in Leipzig im Jahr 1927
hatte Reche entsprechende Diskussionen geführt. Während in Wien die Philosophische Fakul-
tät noch die Naturwissenschaften einschloss, existierte in Leipzig bereits eine eigenständige
Naturwissenschaftliche Fakultät. Reche war nun an einer naturwissenschaftlichen Ausrich-
tung der Anthropologie interessiert und hatte im Dekanat der Philosophischen Fakultät an der
Universität Leipzig im Oktober 1927 beantragt, „mich aus der Philologisch-historischen Ab-
teilung, der ich bisher eingegliedert bin, in die mathematische-naturwissenschaftliche zu ver-
setzen. Nach meinem Werdegang und meiner Ausrichtung stehe ich doch den Naturwissen-
schaftlern etwas näher, zumal ich ja ausser Ethnologie auch die Anthropologie vertrete, die ich
durchaus biologisch behandele.“4 Der Antrag war abgelehnt worden, Reche hatte sein Anlie-
gen relativiert und sich mit dem Beschluss zufrieden gegeben, das Ethnographische Seminar
in „Ethnologisch-Anthropologisches Institut“ umbenennen zu dürfen.5 Dassr ihn die „Rassen-
kunde“ letztendlich die Leitwissenschaft aller Disziplinen darstellte, hatte Reche bereits in
seiner Leipziger Antrittsvorlesung im Februar 1928 expliziert. Diesen Grundgedanken sollte
er beispielsweise 1939 folgendermaßen formulieren:
„Die Anthropologie ist hineingewachsen in Kultur- und Völkerkunde und Psychologie, in
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zuletzt in die Politik und manches andere, sie gibt auch der medizinischen Wissenschaft immer
neue Gedanken und Anregungen; keine dieser Wissenschaften und auch die Politik ist heute
mehr möglich ohne Gedankengut der Anthropologie! Sie ist dabei, Wissenschaft und Praxis
mit biologischen Gedanken zu erfüllen und auch der Weltanschauung ein neues, wahres
2 Vgl. Mayer 2015.
3 Vgl. Reche 1925, 3–5, weiterführend vgl. Geisenhainer 2002, 118–122.
4 UAL, PA 831; Reche, 25. Oktober 1927, an den Dekan Theodor Litt (1880–1962).
5 Vgl. Geisenhainer 2002, 154–155.
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 929
Gesicht zu geben, und mit Hilfe der Rassenhygiene baut sie an Gesundheit und Aufstieg des
Menschen! Ohne Rassenwissenschaft und Rassenhygiene ist die Menschheit dem Untergang
verfallen.“6
Wesentlich mehr als die Verankerung der Anthropologie in der Philosophischen oder
Naturwissenschaftlichen Fakultät beschäftigte Reche die Zuordnung der „Rassenhygiene“ zur
Anthropologie bei gleichzeitiger Ablehnung einer Vereinnahmung der „Rassenhygiene“ durch
die Medizin. Als im Mai 1933 in Leipzig an der Medizinischen Fakultät ein „Lehrstuhl für
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richtet werden sollte, beeilte sich Reche, der selbst nur nebenbei vereinzelte medizinische
Lehrveranstaltungen besucht hatte, das Ministerium für Volksbildung in Dresden darauf hin-
zuweisen, dass es einen Lehrstuhl für „Rassenkunde“ doch bereits gebe. Er selbst habe dabei
die „Rassenkunde [...] – wie auch schon während meiner Lehrtätigkeit an den Universitäten
Hamburg und Wien – in umfassenden Sinn aufgefaßt und meinen Studenten vermittelt, also
bestehend aus den Untergruppen: eigentliche Rassenkunde (der morphologischen, physiologi-
schen und seelischen Rasseneigenschaften), menschliche Erblehre und Rassenhygiene (Ras-
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(Rassenhygiene)‘“.7 Sein in diesem Kontext einzuordnender Antrag, das Leipziger Institut in
„Institut für Rassenkunde, menschliche Erblichkeitslehre und Völkerkunde“ umzubenennen,8
wurde abgelehnt. Man einigte sich auf die ab November 1933 gültige neue Bezeichnung
„Institut für Rassen- und Völkerkunde“.9
Reche trat zwar erst 1937 in die NSDAP ein, gehörte aber seit Beginn des NS-Regimes in
Deutschland einer Reihe von Unterorganisationen an und propagierte seine Gedanken weit
über die Grenzen Leipzigs und auch Sachsens hinaus.10 Sein Kollege Bernhard Struck (1888–
1971) schrieb im Juli 1934 an Hans K. F. Günther (1891–1968): Was „rassenbelehrende Vor-
träge“ betreffe, würde man „in der Regel [...] lieber eine Kanone wie Reche sprechen“ lassen,
„die zugleich die Zivilcourage besitzt, unerhört Neues zu sagen, mitunter auch mehr Unerhör-
tes als Neues!“.11 Reche selbst hatte sich im Dezember 1933 an Walter Gross (1904–1945),
Reichsleiter des Rassenpolitischen Amtes (RPA) gewandt, er wolle „als entsprechender Sach-
verständiger für Rassenkunde für Sachsen ernannt“ werden, „damit sich nicht schon bei dieser
Gelegenheit irgendein Nicht-Fachmann hier einschiebt“.12
In den folgenden Jahren stand Reche tatsächlich wiederholt im Austausch mit Gross, be-
teiligte sich an Schulungen und „rassenpolitischen“ Lehrgängen und meldete beispielsweise
dem RPA ebenso wie der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrift-
tums „verdächtige“ Literatur.13
Auch für die Anwendung der von ihm mitentwickelten Methode des anthropologisch-
erbbiologischen Vaterschaftsnachweises für die „Klärung von Fällen vermuteten fremdrassi-
gen Einschlages“14 setzte sich Reche persönlich ein: Zu Beginn des Jahres 1934 hatte er beim
„Sachverständigen für Rassenforschung“ im Reichsministerium des Inneren, Achim Gercke
(1902–1997), angeregt, er möge „die rassenkundliche Gutachterei in die Methode der Arier-
6 Reche 1939a, 322–323.
7 SächsHStA, Nr. 10209/48; Reche, 31. Mai 1933, an Wilhelm Hartnacke (1878–1952).
8 UAL, Ethnologie Re VIII; Reche, 3. September 1933, an das Sächsische Ministerium für Unterricht. Zu diesem
Vorgang vgl. auch SächsHStA, Nr. 10230/26.
9 Vgl. Geisenhainer 2002, 184–187.
10 Vgl. ebd., 178–180.
11 SMVD, NL Bernhard Struck, Schriftwechsel; Struck, 9. Juli 1934, an Günther.
12 UAL, Ethnologie Re IX.2; Reche, 22. Dezember 1933, an Gross.
13 Vgl. Geisenhainer 2002, 180–184.
14 Reche 1939b, 1607.
930 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
bezw. Nichtarier-Feststellung einbauen und dem Herrn Reichsminister des Inneren entspre-
chende Vorschläge machen“. Reche hatte im April 1934 in dieser Angelegenheit noch einmal
nachgefasst.15
Es war Reche ein anhaltendes Bedürfnis, die „Rassenforschung“ in Abgrenzung zur Me-
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bildung von Voll-Anthropologen“ erörtert. Einen „Voll-Anthropologen“ unterschied Reche
von einem „Halb-Anthropologen“, also einem Mediziner mit „unzureichendem Fachstudium“
auf dem Gebiet der Anthropologie.16 „Voll-Anthropologen“ seien „als Lehrer und Forscher an
den deutschen Hochschulen“ notwendig sowie „für den immer stärker werdenden Bedarf der
verschiedenen Dienststellen […] und nicht zuletzt, um die nötigen Kämpfer zu schaffen, die
Dank einer wirklich gründlichen Vorbildung dazu in der Lage sind, die dauernden und stetig
zunehmenden Angriffe gegen die Rassenpolitik des nationalsozialistischen Deutschlands ab-
zuwehren, die von allen internationalen Machtorganisationen gegen uns gerichtet werden, und
zwar von Forschern, die in der Anthropologie wirklich mit größter Sorgfalt ausgebildet sind
und deren sophistische Darlegungen eben nur von einem ausgesprochenen Fachmann wider-
legt werden können“.17
Reche empfahl ein von ihm eigens im Einzelnen dargestelltes Studium von mindestens
acht Semestern, wenn man zu einer Doktor-Prüfung im Fach Anthropologie zugelassen wer-
den wolle. Dieser Umfang an Ausbildung dürfe keinesfalls reduziert werden.18 Die „Absolvie-
rung der klinischen Semester“ erachtete Reche hingegen für die Arbeit eines „Voll-Anthropo-
logen“ für „verhältnismäßig nebensächlich“. Es könne ja in gewissen Fällen ein „Voll-Mediziner
um Rat gefragt werden“.19
1937 durfte Reche für rund ein Jahr an der Leipziger Medizinischen Fakultät doch die
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ziner über Vererbungslehre und „Rassenkunde“ übernehmen. Dass neben Reche fünf weitere
Dozenten mit dieser Aufgabe betraut waren, kritisierte der Regierungsdirektor des Sächsi-
schen Ministeriums für Volksbildung, Werner Studentkowski (1903–1945): Eine „derartige
Aufspaltung eines weltanschaulich so zentral wichtigen Gebietes“ halte er „von vornherein als
auf die Dauer unmöglich“.20
Reche spielte gleichfalls im Netzwerk zwischen RPA, der „Gesellschaft für Rassenhygie-
ne“ und der „Gesellschaft für Rassenforschung“ keine unbedeutende Rolle. Die „Gesellschaft
für Rassenforschung“ war 1925 als „Gesellschaft für Physische Anthropologie“ als Mitglied
der „Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte“ gegründet
worden. 1934 wurde Reche zum ersten Vorsitzenden gewählt; satzungsgemäß war er 1936 auf
die Position des stellvertretenden Vorsitzenden gerückt. Im selben Jahr hatte er gemeinsam mit
Eugen Fischer (1874–1967) die Namensänderung der Gesellschaft in „Deutsche Gesellschaft
für Rassenforschung“ beantragt, die 1937 beschlossen wurde. Reches Nachfolger im ersten
Vo r s i t z w u r d e W i l h e l m G i e s e l e r ( 1 9 0 0 – 1 9 7 6 ) . A u c h W a l t e r G r o s s z ä h l t e 1 9 3 6 u n d i n d e n f o l -
genden Jahren zu den Teilnehmern an den Tagungen der „Deutschen Gesellschaft für Rassen-
forschung“. Ende 1938 wurde ein Arbeitsabkommen zwischen dem RPA und der „Deut schen
Gesellschaft für Rassenforschung“ geschlossen, in dem auch, wie schon in der Vergan genheit,
15 UAL, Ethnologie Re VIII; Reche, 24. April 1934, an Gercke.
16 UAL, Ethnologie Re XXXIX, Heft 4; Reche: Grundsätze für die Ausbildung von Voll-Anthropologen, 10. Dezem-
ber 1936.
17 Ebd.
18 Ebd.
19 Ebd.
20 SächsHStA, Nr. 10209/48; Studentkowski am 8. Juni 1939.
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 931
der Wert einer engen Zusammenarbeit mit der „Gesellschaft für Rassenhygiene“ betont wurde.
Ohnehin waren zahlreiche Personen in mehr als einer dieser Institutionen tätig.21
Reches erste Kontaktaufnahmen nach Wien unmittelbar nach dem „Anschluss“
Reches rassistische und antisemitische Haltung wirkte sich direkt auf seine Verbindung zu
Kolleginnen und Kollegen aus, und dies traf auch unmittelbar Wiener Gelehrte: Der Wiener
Sigmund Wellisch (1864–1938), Oberstadtbaurat und Abteilungsleiter des Wiener Magistra-
tes, war seit Ende der 1920er Jahre Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Blutgruppenfor-
schung und Verfasser zahlreicher Beiträge in dem entsprechenden, von Reche herausgegebe-
nen Organ. Reche war sich schon lange nicht sicher, „welcher Menschengruppe er [Wellisch]
angehört“22 und hatte bereits nach wenigen Jahren versucht, in Wien Erkundigungen einzuho-
len. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland wandte er
sich mit solchen Fragen direkt an den „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Öster-
reichs mit dem Deutschen Reich“. Hier erhielt er die Auskunft, dass Wellisch Jude sei. Wollte
sich Reche dennoch „Herrn Wellisch gegenüber so fair wie möglich benehmen“23, verließ ihn
jeder Skrupel im Umgang mit der Wiener Ethnologin Marianne Schmidl (1890–1942). Diese
hatte für ihre Korbstudien Unterstützung durch das Staatlich-Sächsische Forschungsinstitut
für Völkerkunde erhalten, dessen Vorstand Reche mit seinem Amtsantritt in Leipzig geworden
war. Wiederholt hatte sie Abgabefristen neu verhandelt, sodass Reche schon im Herbst 1934
überlegt hatte, rechtlich gegen Marianne Schmidl vorzugehen.24 Wie im Fall Wellisch wandte
sich auch hier Reche 1938 an den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs
mit dem Deutschen Reich, „ob es unter den jetzigen Umständen möglich ist, das Geld von der
Jüdin hereinzubekommen, u. U. durch Beschlagnahmung eines Vermögensteiles“.25 Sigmund
Wellisch war wenige Wochen nach den November-Pogromen am 1. Dezember 1938 kurz vor
seinem 74. Geburtstag gestorben.26 Marianne Schmidl wurde im April 1942 deportiert und
ermordet.27
Was nun Reches Kontakt zum Leiter des Wiener Anthropologischen Instituts, Josef We-
ninger, betraf, der seit 1928 mit seiner aus jüdischer Familie stammenden Kollegin Margarete
Weninger, geborene Taubert (1896–1987)28, verheiratet war, schien dieser schlicht zu versie-
gen. Noch am 19. März 1938 hatte Reche einen „Herzlichsten Willkommensgruß im Reich“
an Weninger geschickt. „Sie glauben nicht“, so hatte Reche weitergeschrieben, „mit welch
ungeheurer Begeisterung hier im Reich der endlich vollzogene Anschluß begrüßt worden ist!
Vermitteln Sie bitte auch allen Mitarbeitern, die ich kenne, vor allem den Herren Geyer und
Routil meine Grüße.“29 Weninger bedankte sich elf Tage später für Reches Schreiben und
seinen „Willkommensgruß“.30
21 Vgl. Geisenhainer 2002, 239–247 sowie in diesem Band.
22 UAL, Ethnologie Re XXII Reche, 20. Juli 1929, an Paul Steffan (1885–1957).
23 UAL, Ethnologie Re XXIII Reche, 7. September 1938, an Steffan. Zu Wellisch als Mitglied der Deutschen Gesell-
schaft für Blutgruppenforschung vgl. Geisenhainer 2002, 197–201.
24 Siehe den Beitrag von Geisenhainer „Verfolgung, Deportation und Ermordung: Die letzten Lebensjahre von
Marianne Schmidl“ in diesem Band.
25 Ebd.; Reche, 17. Dezember 1938, an den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deut-
schen Reich.
26 Vgl. Geisenhainer 2002, 200.
27 Siehe Geisenhainer zu den „letzten Lebensjahren von Marianne Schmidl“ in diesem Band.
28 Zu Margarete Weninger siehe Fuchs 2002.
29 UAL, Ethnologie Re XIII; Reche, 19. März 1938, an Weninger.
30 UAL, Ethnologie Re XIII; Weninger, 30. März 1938, an Reche.
932 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
In dieser Korrespondenz war es auch um den vom 1. bis zum 6. August 1938 in Kopenha-
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Mai 1937 hatten Geyer und Weninger bei Reche um Unterstützung eines Vorschlags ange-
fragt, den sie an das Kongress-Komitee richten wollten. Beide wollten um Aufnahme des
Themas „Abstammungsnachweise, insbesondere die erbbiologische Vaterschaftsprüfung“ in
das Programm anfragen.31 Weninger berichtete nun Ende März 1938, die Wiener Akademie
der Wissenschaften habe ihn beauftragt, in ihrer Vertretung nach Kopenhagen zu reisen. We-
ninger wusste von Reches Plan, auf dem Kongress etwas „zur Geschichte des Abstammungs-
nachweises in Grossdeutschland (einschliesslich Oesterreich)“ vortragen zu wollen. Er selbst
wollte „etwas Zusammenfassendes die Tätigkeit auf diesem Gebiete“ unter seiner Leitung
bringen, und „Geyer wird sicher irgend ein Spezialthema wählen“. Gewiss würde durch ihre
Vorträge, so Weninger, Reches „grosse Zusammenfassung in keiner Weise beeinträchtigt“.32
Die Entlassung Josef Weningers
Die Entlassung Weningers und das Engagement Viktor Christians für Weninger sowie die
politische Brisanz dieses Umstandes, die von vielen der beteiligten Akteure zunächst offenbar
deutlich unterschätzt wurde, sind bereits ausführlich dargestellt worden.33 Im Folgenden soll
Wenigers Positionierung innerhalb der Fachgemeinschaft ergänzend erläutert werden.
Viktor Christian, den eine „langjährige Freundschaft mit Weninger“ verband,34 war Semi-
tistik-Professor, Präsident der Wiener Anthropologischen Gesellschaft, NSDAP-Mitglied und
mittlerweile auch kommissarischer Dekan der Wiener Philosophischen Fakultät. Acht Tage
bevor sich Weninger für den „Willkommensgruß“ bei Reche bedankte und außerdem vier
Tage vor dem Erlass, nach dem sich Hochschullehrkräfte „bis auf weiteres jeglicher Dienst-
leistung zu enthalten“ hatten, sofern sie nicht „aus rassischen oder politischen Gründen den
Eid auf den Führer“ ablegen könnten,35 hatte Christian bereits begonnen, sich über alternative
Arbeitsmöglichkeiten für Weninger Gedanken zu machen.
Am 22. März 1938 wandte sich Christian an den Mediziner und Anthropologen Lothar
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Instituts“ in Königsberg ernannt wurde, war er unter anderem am KWI für „Anthropologie,
menschliche Erblehre und Eugenik“ und anschließend am Anthropologischen Institut in Kiel
tätig. Zu seinen Spezialgebieten zählten die Human- und die Strahlengenetik, Mutationen und
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Gauamtsleiter des RPA inne.36   
„vom anthropologischen Universitätsinstitut ein erbbiologisches Forschungsinstitut loszulö-
sen, das Weninger unterstellt würde. Aufgabe des Institutes wäre die Forschung, aber auch die
Gutachtertätigkeit in Vaterschaftsprozessen.“ Vielleicht könne zunächst die Wiener Akademie
der Wissenschaften, später die Kaiser Wilhelm-Gesellschaft das Institut übernehmen, überleg-

nun wissen, „wie wir die Sache am besten in die Wege leiten können“.37 Vermutlich schwebte
Christian hier ein von der „Rassenkunde“ losgelöstes, speziell auf Weninger zugeschnittenes
31 UAL, Ethnologie Re XII.2; Geyer und Weninger, 3. und 5. Mai 1937, an Reche.
32 Ebd.; Weninger, 30. März 1938; an Reche.
33 Vgl. Leitner 2010.
34 
35 Erlass vom 26. März 1938, zit. in Weinert 1983, 130.
36 
37 UAW, PH PA 3.702, Personalblätter.
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 933
Forschungsinstitut vor, gewissermaßen
eine Fortsetzung der „erbbiologischen
Arbeitsgemeinschaft“.
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ger, „die durch den Tod Lebzelter’s frei ge-
wordene Stelle am Naturhistorischen Mu-
seum“ übertragen bekäme, stand dieser
Idee jedoch skeptisch gegenüber: Zum
einen laufe ein „rein erbbiologisches Insti-
tut“ doch „Gefahr [...] etwas einseitig zu
arbeiten“. Kämen jedoch „Fragen der Erb-
pathologie und der Rassenbiologie“ auf,
reiche „die Arbeit doch bereits soweit in
das Politische hinein, dass man Weninger
doch jederzeit wird Schwierigkeiten ma-
chen können“. Auch „für die Entwicklung
des Faches“ sei die Errichtung eines solch
einseitigen Instituts eventuell nicht von
Vorteil, da hier, „das liegt in der Natur sei-
nes Leiters, die Verbindung mit der Praxis
sehr stark beschnitten sein wird“. Zum an-
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„im Persönlichen“. Von Weninger wisse er,
dass dieser „Schwierigkeiten, [...] mit
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Ansicht, dass hier „ – abgesehen vom Persönlichen – doch auch bestimmte wissenschaftliche
Grundüberzeugungen über Form und Methode der Auswertung der festgestellten Merkmale
sowie der endlichen Urteilsbildung eine entscheidende Rolle“ spielten. Aus diesem Grund
sowie unter Berücksichtigung von Weningers „Vorgeschichte“ und nicht zuletzt hinsichtlich
der Schwierigkeiten, die „von den an jeweiligen Verfahren Beteiligten heraufbeschworen wer-
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auf den „Anschluss“ beziehend, jedoch betont: „Ich selbst habe mich während der ganzen er-
hebenden Tage nicht von dem Gefühl der Trauer frei machen können, welche das grosse poli-
tische Geschehen für den armen Weninger haben muss, den auch ich sehr schätze.“ Abschlie-
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Weningers Angelegenheit infrage kämen. Er selbst sei bereit, gegebenenfalls an einem Ge-
spräch mit Gross vom RPA teilzunehmen, dem er die Korrespondenz in Abschrift zukommen
lasse.38
Nur wenige Tage nach diesem Briefwechsel ersuchte Weninger jedoch – ohne seine Ehe
zu erwähnen –, „um Enthebung von der Tätigkeit als Lehrer und Prüfer“ an der Philosophi-
schen Fakultät der Universität Wien.39 In diesem Schreiben gab er keine Begründung an; an
anderer Stelle bat Weninger „um Beurlaubung aus Gesundheitsrücksichten“.40
38 
39 UAW, PH PA 3.702, Z. 721; Weninger, 8. April 1938, an das Dekanat der Philosophischen Fakultät der Universität
Wien.
40 UAW, PH PA 3.702, Z. 726; Christian, 23. April 1938, an Weninger.
Abb. 24.1
Josef Weninger, o.J.
934 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
Abb. 24.2

Das Schreiben war an Dekan Christian gerichtet.
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 935
Am 31. Mai 1938 schrieb Christian in
der Angelegenheit des Ehepaars Weninger
an das „Reichserziehungsministerium“
nach Berlin und berief sich auf deutsche
Anthropologen geistes- wie naturwissen-
schaftlicher Provenienz. Unter Bezugnah-
me auf Ludwig F. Clauss führte Christian
etwa an, dass Weningers Frau Margarete
„weder in ihrer äusseren Erscheinung noch
in ihrem Wesen als typisch jüdisch“ wirke.
Zudem hob Christian hervor, Clauss, Eugen
Fischer, Otmar Freiherr von Verschuer
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darüber hinaus die „fachlichen Qualitäten
Weninger s“ bes tät ige n.41
Auch innerhalb der Universität Wien
wurde Christian aktiv. Am 20. Mai 1938
übermittelte er dem Rektor Fritz Knoll
(1883–1981) ein Schreiben, aus dem deut-
lich hervorging, dass Weninger kein Geg-
ner des Nationalsozialismus sei.42 Christian
hatte zuvor zwölf Studentinnen und Stu-
denten gebeten, eine diesbezügliche Einschätzung abzugeben. Darin heißt es,
„dass die Stellungnahme und Haltung des Herrn U.-Prof. Dr. Weninger niemals der natio-
nalsozialistischen Weltanschauung entgegengesetzt war. Er hat innerhalb des Institutes stets
die Gemeinschaft gehalten, ja sogar verkörpert, er war uns in allen Angelegenheiten ein väter-
licher Freund und Berater. Er hat von unser aller weltanschaulichen Einstellung nicht nur
Kenntnis gehabt, sondern uns auch vielfach Gelegenheit zur illegalen Betätigung geboten,
indem er die Räume des Institutes für Vorträge zur Verfügung stellte und die Abhaltung von
Appellen illegaler Parteimitglieder ermöglichte. Er war uns ein guter Lehrer, der immer nur
reinste deutsche anthropologische Wissenschaft unter steter Hervorhebung der gesamtdeut-
schen Bluts- und Schicksalsgemeinschaft vortrug.“43
Unter den Studierenden, die sich für Weninger aussprachen, befanden sich auch Elfriede
Fliethmann (1915–1987) und Aemilian Kloiber (1910–1989).44 Beide waren als „Pg.“ ausge-
wiesen. Selbst wenn dieser Erklärung als historische Quelle insofern mit Vorsicht zu begegnen
ist, als Christian sowie die Studentinnen und Studenten den Kollegen und Institutsvorstand
Weninger in ein aus NS-Sicht günstiges Licht zu rücken versuchten, so wird doch immerhin
deutlich, dass Weninger kein expliziter Gegner der Partei war. Ähnlich wie Adolf Ellegard
Jensen in Frankfurt und Dominik Wölfel in Wien ließ aber auch Weninger sich nicht von sei-
ner Frau scheiden, womit diese einen gewissen rechtlichen Schutz erhielt und Weninger für
seine eigene Person Repressalien in Kauf nahm.
41 UAW, PH PA 3.702, Z. 721; Christian, 31. Mai 1938, an das Reichserziehungsministerium in Berlin. Auf die wei-
teren Bemühungen Christians, gegen die Entlassung Weningers anzukommen bzw. ihm andere Forschungsmög-
lichkeiten zu arrangieren und die Deportation von Weningers Schwiegermutter zu verhindern, ist Irene Maria
Leitner (2010, 57–64) bereits ausführlich eingegangen.
42 Ebd.; Christian, 20. Mai 1938, an Kroll.
43 Ebd.; „nationalsozialistische Hörerschaft“, o.D., an Christian.
44 Zu Kloiber siehe Gingrich zum „Ahnenerbe“, und zu Fliethmann siehe Gottschall zum IDO in diesem Band.
Abb. 24.3
Eberhard Geyer. Es handelt sich hierbei um ein ange-
heftetes Porträt auf dem Personalfragebogen eines
Forschungsantrags, unterschrieben am 12. Juni 1938.
936 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
Trotz Interventionen wurde Weninger die Teilnahme am Internationalen Kongress für An-
thropologie und Ethnologie in Kopenhagen verwehrt.45 Die Anmeldung Weningers zum Kon-
gress könne „derzeit nicht berücksichtigt werden“, informierte das Ministerium für innere und
kulturelle Angelegenheiten in Wien im Juni 1938 das Reichserziehungsministerium (REM).
Er sei „dermalen krankheitshalber beurlaubt“, und es sei seine „Gattin Volljüdin“. Es bliebe
jedoch „eine allfällige Antragstellung, ihn wegen seiner besonderen persönlichen und fach-
lichen Qualitäten ausnahmsweise im Lehramte zu belassen, vorbehalten“.46
Weninger konnte sich allerdings an der Tagung zu Techniken der Physischen Anthropolo-
gie des „Comité de Standardisation de la Technique Anthropologique“ beteiligen, die nur kurz
vor dem besagten Kongress Ende Juli 1938 ebenfalls in Kopenhagen stattfand. Er war hier als
Repräsentant der „Internationalen Föderation der Eugenischen Organisationen (IFEO)“ er-
schienen.47 Innerhalb der IFEO variierten – obgleich ein Zusammenschluss von verschiedenen
Fach-Gesellschaften die Forschungsschwerpunkte, die Herangehensweise, die Auslegung
von Forschungsergebnissen sowie nicht zuletzt auch die Haltung hinsichtlich eugenischer Er-
kenntnisse und ihrer Bedeutung für die Praxis. Es war bereits zu Abspaltungen gekommen,
und mit Beginn der NS-Diktatur in Deutschland und den „rassenhygienischen“ Maßnahmen
des NS-Regimes verschärften sich die Diskussionen.48
Auf dieser Tagung hatte Weninger dem Comité seine „Kurzgefasste[n] Richtlinien zur
Betrachtung von Farbe und Struktur der menschlichen ‚Iris‘“ vorgestellt, denen Untersuchun-
gen von Augenfarben von fünfzig Individuen am von ihm bis kurz zuvor geleiteten Wiener
Institut vorausgegangen waren. Diese Präsentation geschah „in the name of executive group 3
(Dr. Frets, Mr. Hertzberg, Prof. Weninger)“.49 Weninger hatte sich schon einige Jahre zuvor
Zwillings- und familienanthropologischen Studien und hier dem Erbgang nichtpathologischer
morphologischer Charakteristika zugewandt und 1931 am Wiener Anthropologischen Institut
die „Erbbiologische Arbeitsgemeinschaft“ gegründet, während er die „Rassenforschung“ in
den folgenden Jahren vernachlässigt hatte. Die Zusammenarbeit Weningers mit Gerrit Pieter
Frets (1879–1958) und Hans Theodor Edward Hertzberg (1905–2000) ist ein weiterer Beleg
für Weningers Konzentration auf vererbungsbiologische Fragen unter bewusster Vernachläs-
sigung „rassenkundlicher“ Aspekte bzw. in Distanzierung zu der regimegefälligen Anthropo-
logie in Deutschland und Österreich jener Jahre.50 Hertzberg aus Cambridge interessierte sich
wie Weninger für die Farben der Augen, hatte bereits eine Farbtafel mit 500 verschiedenen
Farben menschlicher Augen angelegt und mit einer statistischen Analyse begonnen.51 Vor
allem aber übte der dritte hier Genannte, der niederländische Genetiker Frets, starke Kritik an
der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ und den antisemitischen Vorgehensweisen und
war daher NS-linientreuen Anthropologen ein lästiger Kollege.52
Im Verlauf des Internationalen Kongresses für Anthropologie und Ethnologie im Monat
darauf trat das „Comité de Standardisation de la Technique Anthropologique“ erneut zusammen.
Während es Weninger aufgrund der veränderten politischen Situation in Österreich nicht
möglich war, an dieser Sitzung teilzunehmen, schienen in Kopenhagen die dem internationalen
45 Vgl. Linimayr 1993/2, Q18–Q19; Anonym, o.D., jedoch nach 1952.
46 BArch, R 4901/2737; Staatskommissär Plattner, 22. Juni 1938, an „Herrn Reichsminister für Wissenschaft, Erzie-
hung und Volksbildung (im Wege des Amtes des Reichsstatthalters)“.
47 Vgl. Tildesley/Vallois 1939, 73.
48 Vgl. z.B. Kühl 2014.
49 Tildesley/Vallois 1939, 74.
50 Siehe hierzu Geisenhainer zu „Rassenkunde und Rassenhygiene an der Philosophischen Fakultät in Wien“ in
diesem Band.
51 Vgl. Browman/Williams 2013, 436.
52 Vgl. Kühl 2014, 174, 189–191; Schmuhl 2005, 274–275.
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 937
Abb. 24.4a-d
Die Personenliste von Staatskommissär Plattner an das Berliner REM, Juni 1938. Die detaillierten Angaben dienten
als Entscheidungsgrundlage für die Teilnahme am 2. Weltkongress für Anthropologie und Ethnologie in Kopenhagen.
938 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
Abb. 24.4b
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 939
Abb. 24.4c
940 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
Abb. 24.4d
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 941
Komitee angehörenden Anthropologinnen und Anthropologen sehr interessiert an den Ausfüh-
rungen jener Gruppe 3 gewesen zu sein, zu der auch Weninger gezählt hatte:
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3, the Committee decided that these should be submitted to individual anthropologists for
examination and testing. Dr. Frets undertook to report, in consultation with Prof. Weninger, on
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Der vom Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten in Wien im Juni 1938
erwähnte Antrag wurde abschlägig entschieden und Weninger wurde am 29. August 1938 in
den (vorzeitigen) Ruhestand versetzt.54 Es wurde ihm jedoch erlaubt, weiterhin wissenschaft-
lich zu arbeiten. Es war auch Viktor Christians Engagement über die SS und deren „Ahnener-
be“ zu verdanken55, dass Weninger mit Genehmigung des Reichsministers für Wissenschaft,
Erziehung und Volksbildung und „im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers und
dem Herrn Reichsminister des Innern“ schließlich auch „das in den Kriegsgefangenenlagern
des Weltkrieges 1914–1918 gesammelte Material über Nordafrikaner und die Kaukasusvöl-
ker“ bearbeiten konnte.56 Zur Publikation der Ergebnisse kam es jedoch erst nach dem Krieg.57
Hingegen erschien 1940 in dem von Günther Just (1892–1950), dem Erbbiologen im Reichs-
gesundheitsamt, herausgegebenen siebenbändigen Werk „Handbuch der Erbbiologie des
Menschen“ ein umfangreicher Beitrag von Weninger über „Die anthropologischen Methoden
der menschlichen Erbforschung“. Auch in jenem Beitrag von 1940 publizierte Weninger zwar
eine Reihe von Fotos, die im Rahmen der Kriegsgefangenenuntersuchungen während des
Ersten Weltkrieges aufgenommen worden waren,58 im Text selbst spielte die „Rassenkunde“
hingegen eine sehr untergeordnete Rolle.
Neben diesen Tätigkeiten übernahm Weninger ferner im Frühjahr 1941 „für das Museum
des Reichsgaues Niederdonau die Bearbeitung des paläanthropologischen [sic] Materiales“
und bereitete es „für die wissenschaftliche Veröffentlichung“ vor.59 Während Weninger diese
Arbeitsmöglichkeiten gewährt wurden, hielt man im Jänner 1942 auf Reichsebene fest, dass
er „bei der Reichsleitung nicht zur Anmeldung gelangt“ sei und „daher auch nicht als Mitglied
der NSDAP geführt“ werde. Aufgrund seiner Ehe mit einer „Volljüdin“ werde „in der Reichs-
kartei eine Warnungskartei erstellt, um dadurch eine evtl. spätere Aufnahme in die Partei
unmöglich zu machen“.60
Eberhard Geyer als neuer Institutsleiter: Unterschiedliche Auslegung
und institutionelle Positionierung von Anthropologie, „Rassenkunde“,
„Rassenbiologie“ und „Rassenhygiene“
Mit Beginn des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland und der damit verbundenen
Aufwertung der Physischen Anthropologie wurde die Verortung des Faches, insbesondere der
„Rassenkunde“, im akademischen Fächerkanon sowie ihr Verhältnis zur Medizin verstärkt
53 Tildesley/Vallois 1939, 74.
54 UAW, PH PA 3.702, Z. 721; Christian, 28. April 1939, an das Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volks-
bildung in Berlin.
55 Vgl. Leitner 2010, 60.
56 UAW, PH PA 3.702, Z. 726; Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen Wien, 20. Juni 1940, an den Rektor der
Universität Wien.
57 Vgl. Weninger 1951, 1952, 1955; Josef und Margarethe Weninger 1959.
58 Vgl. Weninger 1940, 4, 7, 8, 11, 12, 18, 20, 21, 24, 25.
59 UAW, PH PA 3.702, Z. 726; Reichsstatthalter in Niederdonau, 22. März 1941, an Christian.
60 BArch (ehem. BDC), PK Weninger; Josef, Reichshauptstellenleiter Eder, 8. Jänner 1942, an den Gauschatzmeister
des Gaues Wien der NSDAP, Erich Schulze.
942 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
diskutiert. Damit einhergehend wurden von unterschiedlichen Seiten bei gleichzeitiger Beto-
nung der Relevanz des Faches für den NS-Staat Ansprüche auf besondere Subventionen, auf
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nun auch in Wien ab.
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zunächst erwartet hatte. Kurz nach dem erwähnten Briefwechsel vom März 1938 fand am
9. Mai 1938 in der Wiener Medizinischen Fakultät eine Kommissionssitzung „betreffend
Errichtung eines Institutes für Rassenbiologie“ statt,61 in deren Anschluss namhafte deutsche
Mediziner wie Heinrich Wilhelm Kranz (1897–1945), Fritz Lenz (1887–1976), Otmar Frei-
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außerdem der Wiener Mediziner Robert Stigler (1878–1975) beratend hinzugezogen wur-
den.62 Das geplante „Institut für Rassenbiologie“, ein erstes Institut dieser Art in der „Ost-
mark“, sollte, so waren sich die Befragten weitgehend einig, an der Medizinischen Fakultät
angesiedelt werden. Um nicht in Konkurrenz zu dem bereits bestehenden Anthropologischen
Institut an der Philosophischen Fakultät zu geraten, sollte das geplante Institut die Bereiche
„Erblehre, Erbpathologie und Rassenhygiene“ umfassen.63 Erwähnenswert sind in diesem
Kontext die Zeilen von Rüdin hinsichtlich einer personellen und „sachlichen“ Umgestaltung
des Anthropologischen Instituts, das bislang Weninger unterstanden hatte, zu einem
„rassekundliche[n] Institut“:
„Wien hat ja schon sein anthropologisches Institut (Weninger) und es bräuchte dieses nur
in persönlicher und sachlicher Hinsicht um- und aus-zubauen, um daraus ein schönes anthro-
pologisches, d.h. rassekundliches Institut im engeren Sinne zu machen.“64
Konkret nannte Rüdin zum Ende seines Schreibens als „Vorstand für ein anthropologi-
sches Institut [...] aus Österreich selbst Geyer“.65 Eberhard Geyer wurde tatsächlich nach We-
ningers Ausscheiden kommissarischer Leiter des Wiener Anthropologischen Instituts.66 Für
ihn hatte Weninger noch im Monat nach dem „Anschluss“ „einen dreistündigen Lehrauftrag
für Rassenbiologie“ beantragt,67 ein Terminus, der in den folgenden Jahren noch von spezieller
Bedeutung für das Institut sein sollte. Bereits seit Juni 1933 (zunächst) „illegales“ NSDAP-
Mitglied68, hatte Geyer „während der Verbotszeit der Partei in Österreich die „Betriebszelle
am Anthropologischen Institut“ geleitet.69 1936 hatte er einen Ruf ins „Altreich“ abgelehnt. Er
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damalige Österreich bot, in Wien zu bleiben, um hier so lang als möglich die rassenkundlichen
und rassenhygienischen Interessen zu vertreten“.70
Zwei Jahre später konnte sich Geyer zunächst frei entfalten: „Nach dem Umbruch über-
nahm er die Funktion des Hauptstellenleiters des Rassenpolitischen Amtes im Gau
Niederdonau.“71 Bereits im April 1938 hatte Christian in seiner Funktion als kommissarischer
61 UAW, MED S 17.11.1; „Protokoll über die Kommissionssitzung am Montag, den 9. Mai 1938 um 16 Uhr betref-
fend Errichtung eines Institutes für Rassenbiologie.“ Vgl. im Folgenden Mayer 2013, 2015, 2017.
62 UAW, MED S 17.11.1; Schreiben des Dekans, 10. Mai 1938, an die besagten Personen.
63 Vgl. UAW, MED S 17.11.1; Lenz, 19. Mai 1938, an Pernkopf; v. Verschuer, 21. Mai 1938, an Pernkopf; Rüdin,
25. Mai 1938, an Pernkopf.
64 Vgl. UAW, MED S 17.11.1; Rüdin, 25. Mai 1938, an Pernkopf.
65 Vgl. UAW, MED S 17.11.1; Rüdin, 25. Mai 1938, an Pernkopf.
66 UAW, PH PA 1.732; Christian, 21. Juni 1938, an die Philosophische Fakultät der Universität Wien.
67 Ebd.; Weninger, 8. April 1938, an das Dekanat der Philosophischen Fakultät der Universität Wien.
68 BArch, R 4901/13263; Hochschullehrerkartei Eberhard Geyer.
69 Im Wiener Naturhistorischen Museum war es Josef Wastl, der 1934 eine „illegale“ Betriebszelle gründete (vgl.
Spring 2005, 106 Anm. 57). Die Verbindungen zwischen jenen beiden „Zellen“ ist bislang noch kaum untersucht
worden.
70 UAW, PH RA 9.108, fol. 6; anonym verfasster Nachruf auf Eberhard Geyer, o. D.
71 Vgl. BArch, R 4901/13263 und UAW, PH RA 9.108, fol. 6; anonym verfasster Nachruf auf Eberhard Geyer, o. D.
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 943
Dekan, verbunden mit der Autorität der Anthropologischen Gesellschaft, seine Auffassung
formuliert, dass „[d]urch den Rücktritt Prof. Dr. Weningers von der Lehre“ es „dringend not-
wendig“ sei, „dass Priv. Doz. Dr. Geyer, der die Vertretung in diesem wichtigen Fache über-
nehmen soll, in seiner Stellung nach aussen hin durch die Verleihung des Titels eines ao. Prof.
ausgezeichnet werde“.72 Im Gegensatz zu Weninger konnte Geyer im August 1938 auf dem
Kongress in Kopenhagen einen Vortrag halten, wenngleich diese Veranstaltung offensichtlich
auf wenig Resonanz stieß. So berichtete Richard Thurnwald (1869–1954):
„Bemerkenswert war, wie wenig von Fremden besucht die zahlreichen wichtigen Mittei-
lungen über erbbiologische Untersuchungen der Deutschen (Geyer, Schäuble, Mollison, Stig-
ler, Hauschild, Gottschaldt u.a.) waren.“73
Geyer als kommissarischer Institutsleiter und Christian als sein Dekan – sahen sich in
den folgenden Jahren mit der Errichtung eines „Instituts für Rassenbiologie“ an der Wiener
Medizinischen Fakultät konfrontiert. Geyer und das Anthropologische Institut waren davon
schon in der allerersten Planungsphase unmittelbar betroffen. Bereits seit Ende Mai 1938
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an erster Stelle. Gemäß seines Verständnisses von „Rassenbiologie“ als eine mehrere Bereiche
umfassende Disziplin74 trat er für die Eingliederung der Anthropologie als einer Abteilung des
geplanten Instituts ein, auch um eine im „Altreich“ bereits eingetretene „Zersplitterung“ in
Wien abzuwenden.75 Das Anthropologische Institut versprach zudem eine wichtige Ergänzung
     
den Wiener Kollegen in der Anthropologie zurückstand.76 Seinen Publikationen zufolge hatte
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er auch aus diesem Grund an einer Ergänzung um das Anthropologische Institut bemüht ge-
wesen sein könnte, das sich nach Weningers Entlassung zunehmend zu einem „rassekundliche[n]
Institut im engeren Sinne“ entwickelte, wie es Rüdin ausgedrückt hatte.
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ropologischen Instituts auch für ihn von Vorteil sein könnte. Zweifel kamen ihm aber auf der
Tagung der „Deutschen Gesellschaft für Rassenforschung“, die vom 23. bis 25. März 1939 in
München stattfand. Neben Walter Gross sowie dem Ehrenmitglied und Initiator der „Deut-
schen Gesellschaft für Rassenhygiene“ Alfred Ploetz (1860–1940), waren auch Reche und
Rüdin anwesend. Neben anderen Themen wurde gleichfalls die Wiener Angelegenheit erör-
tert. Rüdin etwa riet Geyer von einem Zusammenschluss der beiden Institute ab.77
Allgemein diskutierte man auch über die Neuordnung des Medizinstudiengangs und be-

erklärt worden seien. Auf der Tagung und in den folgenden Wochen brachten jedoch einige
72 UAW, PH PA 1.732; Christian, 13. April 1938, an das Österreichische Unterrichtsministerium in Wien, Herv. im Orig.
73 Thurnwald 1939, 51.
74 -
hung, Verbreitung – einschließlich Wanderung, Bau (Anatomie) und Funktion unter normalen und krankhaften
Bedingungen (Physiologie und Pathologie) sowie die Frage nach den günstigsten Entwicklungs- und Erhaltungs-
bedingungen“ unter Berücksichtigung des „überindividuellen Dauerleben[s] der Generation“ und „der Zeugung“,
ergänzt durch die medizinischen Komplexe „Gesundheitsführung, Krankheitsverhütung- und heilung“ und dies
sowohl auf den „Einzelmenschen“ und die „heute lebende Menschheit“ bezogen, als auch auf die „menschliche
Art, sowie deren Untergruppe, die menschlichen Rassen“. So sei eine „weitere Aufgabe, die Frage nach Verbrei-

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von jenem Begriff vgl. Mayer 2015, 109–136.
75 Zit. n. Mayer 2015, 139. Zum Versuch, das Anthropologische Institut im „Rassenbiologischen Institut“ für Rassen-
biologie einzugliedern vgl. Mayer 2015, 146–179.
76 Vgl. Mayer 2015, 155–159, 301–306.
77 Vgl. ebd., 162.
944 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
Anthropologen ihren Unmut darüber zum Ausdruck, hierbei viel zu wenig als Lehrkräfte her-
angezogen zu werden.78 In diesem Sinne wusste Gieseler zu berichten, dass auch in Berlin
„Vererbungslehre und Rassenkunde“ von einem Zoologen gelesen werden würde, während
Eugen Fischer nur die letzten sechs Stunden im Semester übertragen bekommen hätte.79 Reche
las mit Interesse, dass „auch anderswo, sogar in Berlin gegenüber Fischer die medizinischen
Fakultäten Schwierigkeiten machen“80:
„Die alte Geschichte, solange es sich um einen Kampf für einen verhältnismäßig neuen
Wissenszweig handelt, sind nur wenige zu erblicken; sobald der betreffende Wissenszweig
dann erkannt ist und gar noch Kolleggeldgebühren zu erwarten sind, treten plötzlich ganze
Horden von ‚Fachleuten‘ auf, von denen bisher niemand etwas gewußt hat: Sicher nicht zum
Wohle des Faches und seines Ansehens!“
Gross selbst berichtete im Mai 1939 in einem Rundschreiben über „Mißstände“: „Verer-
bungslehre und Rassenkunde“ würde mitunter von Zoologen gelesen werden, und die „Vorle-
sungen ‚Rassenhygiene‘ [sei] an manchen Universitäten in die Hand des Hygienikers gefal-
len“. Daher sei eine „sofortige und vollständige Zusammenarbeit der Rassenkundler und
Rassenhygieniker unbedingt nowendig“ und würde außerdem vom REM „dringend erwartet“.
Eine Zusammenkunft konkret in dieser Sache wurde geplant.81-
genüber Reche, in dem er zumindest ansatzweise einen Gleichgesinnten wusste:
„Die Dinge haben inzwischen eine solche Zuspitzung erfahren, daß wir unbedingt zusam-
mentreten müssen. In der heutigen Nummer des ‚Erbarztes‘ z.B, spricht Verschuer ausschließ-
lich von ‚Erbbiologie und Rassenhygiene‘, meint aber das Gesamtfach, d.h. er nimmt die
Rassenkunde nebenher mit.“82
Welche wissenschaftlichen Aufgaben aus Geyers Sicht nun konkret vom Wiener Anthro-
pologischen Institut erfüllt werden sollten, schrieb er in einem Beitrag nieder, den er bereits
am 15. März 1939 nach Leipzig sandte.83 Hier wurde die Festschrift vorbereitet, die anlässlich
Reches 60. Geburtstags im Mai 1939 erscheinen sollte. Geyer nutzte die Gelegenheit, seinem
ehemaligen Lehrer Reche und der Öffentlichkeit den „rassenkundlichen“ Forschungsstand in
der „Ostmark“ darzulegen, gewissermaßen als Grundlage für weitere Studien. Dabei bediente
sich Geyer des Begriffs „Rassenbiologie“ für die Attribuierung der Tätigkeiten an „seinem“

bestätigen oder aber ihm schon die Hoheit in Wien über diesen Bereich abzusprechen:
„Durch die Schaffung des Großdeutschen Reiches ist in der Ostmark die Bahn für eine
planmäßige rassenbiologische Aufnahme der Bevölkerung frei geworden. Was bisher unter
dem abgetretenen System unerwünscht, ja sogar verpönt war, wird jetzt zur dringenden
Forderung.“84
Der vierseitige Text ist mit einer Karte illustriert, auf welcher der damalige „Stand der
rassenkundlichen Untersuchungen in der Ostmark“85 eingezeichnet ist sowie mit in solchen
        86
  
78 Reche 1940, V.
79 UAL, Ethnologie Re XIV; Gieseler, 8. Mai 1939, an Reche.
80 UAL, Ethnologie Re XIV; Reche, 10. Mai 1939, an Gieseler.
81 UAL, Ethnologie Re XIV; Gross, 30. Mai 1939, an Hermann Alois Boehm (1884–1962), Eugen Fischer, Kranz,

82 UAL, Ethnologie Re XIV; Gieseler, 30. Mai 1939, an Reche.
83 Vgl. UAL, Ethnologie Re Festschrift; Geyer, 15. März 1939, an Günther Spannaus.
84 Geyer 1939, 80.
85 Ebd., 81.
86 Vgl. ebd., 82–83.
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 945
Tor des deutschen Lebensraumes nach O und S“, und entsprechender Publikationen bzw. der
Veröffentlichung harrender Studien ging dieser Beitrag allerdings kaum hinaus. Kritik übte
Geyer an der Arbeit seines verstorbenen Kollegen Viktor Lebzelter (1889–1936) über „Die
österreichischen Rassen“ (1936). Lebzelter hatte hier für das „deutsche Volk in Österreich“
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der europäischen Kultur genommen“ hätten,87 und er hatte vor der Gleichsetzung von „Volk“
und „Rasse“ gewarnt.88 Diese Studie müsse, so Geyer, „ganz abgesehen von seinem Rahmen,
auch aus sachlichen Gründen abgelehnt werden, weil die dort angeführten Verhältnisse der
Rassenzusammensetzung jeder realen Grundlage entbehren“.89 Demgegenüber hob Geyer
zum Schluss seiner Publikation die Untersuchungen an „über rund 31 100 Personen der Ost-
mark“ hervor, die „[n]ahezu alle [...] von ehemaligen Schülern oder Mitarbeitern des Wiener
Institutes durchgeführt worden seien“. Diese „begonnenen Arbeiten“ sollten „durch entspre-
chende Förderung zu einem dem allgemeinen Interesse dienenden Abschluß gebracht werden
können“, appellierte Geyer:90
„Notwendig ist jedenfalls Sorge dafür zu tragen, daß die weitere rassenbiologische Auf-
nahme der ostmärkischen Bevölkerung nicht dem Zufall und der Zersplitterung überlassen
bleibe, sondern großzügig nach planmäßigen und einheitlichen Gesichtspunkten durchgeführt
werde.“91
Neben Eberhard Geyer verfassten auch die Anthropologen Josef Wastl (1892–1968) und
Robert Routil (1893–1955) sowie Robert Stigler, mittlerweile Direktor des Instituts für Ana-
tomie und Physiologie der Haustiere an der Hochschule für Bodenkultur, jeweils einen Artikel
für die Festschrift für Reche.92 Für Routil, der Reche den Beitrag „Von der Erwartung des
blutartlichen Ausschlusses der Vaterschaft bei verschiedenen Völkern“ (1939) widmete, war
93 Die Wie-
ner Völkerkunde war hingegen mit lediglich zwei Beiträgen in der Festschrift vertreten: Einen
hatte Hugo Adolf Bernatzik (1987–1953) und den anderen Reches Schüler Walter Hirschberg
(1904–1996) verfasst.94 Entsprechend seiner fachlichen Ausrichtung konzentrierten sich
Reches Kontakte nach Wien allgemein stärker auf die Kolleginnen und Kollegen aus der
Anthro pologie als auf Völkerkundler.
„Rassenbiologische“ Studien und Vermessungen von einzelnen Personen fanden nicht nur
außerhalb Wiens, sondern auch unmittelbar am Wiener Anthropologischen Institut statt. Wie

nach entsprechender Untersuchung „erb- und rassenkundliche Gutachten“ am Institut zu er-
stellen, wenn die Abstammung nicht lückenlos nachweisbar war bzw. angezweifelt wurde. Zu
den in Wien bestellten Einzelgutachtern zählte ferner Josef Wastl, Direktor der Anthropologi-
schen Abteilung am Naturhistorischen Museum, der einst seinem Lehrer Otto Reche bei der

87 Lebzelter 1936, 715–716.
88 Ebd., 714.
89 Geyer 1939, 84.
90 Ebd., 85; Geyers Hinweis auf diese „begonnenen Arbeiten“ dürfte auch Aemilian Kloibers Veröffentlichungen zu
den „Rassen“ in „Nieder- und Oberdonau“ gemeint haben (siehe Gingrich zum „Ahnenerbe“ in diesem Band).
91 Ebd., 85.
92 Vgl. Routil 1939; Stigler 1939; Wastl 1939. Zu dieser Festschrift siehe Geisenhainer zu „Netzwerken zwischen
Wiener und deutschen Völkerkundlern“, Abschnitt zu Otto Reche, in diesem Band.
93 Routil 1940, 117.
94 Vgl. Bernatzik 1939; Hirschberg 1939. Siehe Geisenhainer zu „Netzwerken zwischen Wiener und deutschen
Völkerkundlern“, Abschnitt zu Otto Reche, in diesem Band.
946 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
Abb. 24.5a, b
Reche ereiferte sich gegenüber Gieseler über Mediziner, die jetzt „ins Geschäft zu kommen“ versuchen,
10. Mai 1939.
Abb. 24.5b
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 947
Abb. 24.6
Auf Einladung des Rassenpolitischen Amtes (RPA) im Mai 1939 diskutierten namhafte Anthropologen über

948 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
„rassenkundlichen Abstammungsgutachten“ über Leben und Tod der zu untersuchenden
Personen.95
Was das Verhältnis des Anthropologischen Instituts zum geplanten „Rassenbiologischen
Institut“ betraf, war Geyer im Sommer 1939 umgeschwenkt und kämpfte in der folgenden Zeit
gemeinsam mit Christian für die Eigenständigkeit des Anthropologischen Instituts an der Phi-

hielt weiterhin an seiner Idee fest, das Anthropologische in das „Rassenbiologische Institut“
zu integrieren, zumindest aber anzubinden, denn jenes Institut sollte „das gesamte Wissen-
schaftsgebiet einschließlich dessen, was man bisher ‚Anthropologie‘ genannt hat, umfassen“.96
Im Oktober 1939 wurde Geyer zum Dozenten neuer Ordnung ernannt.97 Geyer, der sich
auf die Untersuchung von Ohren spezialisiert hatte, könnte Reche zu dem Gedanken bewogen
haben, sich mit diesem äußeren Körperteil und seinen Erscheinungsformen im Detail zu be-
schäftigen. Dass sich jedenfalls Reche neben den physiologischen und psychologischen Merk-
malen des Menschen durchaus auch den sichtbaren Phänomenen widmete, bewies er einmal
mehr im Frühjahr 1940, als er seinem ehemaligen Assistenten Michael Hesch schrieb, der seit
Beginn des Jahres in der „Einwandererzentralstelle“98 tätig war: Es habe ihn besonders inte-
ressiert, „daß Sie sich jetzt auch mit der Untersuchung von Juden beschäftigen“.99 Während es
bekanntlich zahlreiche Äußerungen zu den Nasen und auch zu den Lippen von Juden gab, sah
Reche ihre Ohren bisher als zu wenig beachtet, und so bat er Hesch, „so viel wie irgend mög-
lich Judenohren“ 
möchte eine kleine Arbeit über Judenohren schreiben“. Hesch, den Reche „natürlich [...] als
den Fotografen und ‚Autor‘ namhaft machen“ wolle, solle aber „über diese meine Absicht
gegen Jedermann [...] schweigen, sonst werfen sich womöglich noch andere Leute drauf und
kommen auf die gleiche Idee. Manche Leute sind ja wild darauf aus, neue Ideen von anderen
Leuten zu schnappen.“ Würde sich jemand über seine Aufnahmen wundern, könne Hesch ja
behaupten, sie seien „als Vergleichsmaterial für die Gutachten für die Reichsstelle für Sippen-
forschung“ gedacht.100

eine anthropologische Untersuchung in der Wiener „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“
unterstützte. Er hatte zu Jahresbeginn SS-Obersturmführer Walter Greite (1907–1984), Leiter
der Forschungsstätte Biologie im SS-„Ahnenerbe“, entsprechende anthropometrische
Instrumente aus dem Leipziger Institut ausgeliehen: Kamera mit Zubehör, Anthropometer,
einen großen Taster-Zirkel sowie einen „Schnepper für Blutentnahmen“.101 Im Sommer 1939
95 Mit der Publikation von Seidler/Rett 1982 wurde erstmals die Erstellung von „erb- und rassenkundliche Gutachten“
konkret in Wien thematisiert.
96 
für Wissenschaft, Kultus und Volksbildung).
97 UAW, PH RA 9.108, fol. 6; Personalstandesblatt für Mitglieder des Lehrkörpers der Universität Wien, Eberhard
Geyer.
98 Diese „Einwandererzentralstelle“ war zuständig für die „volksdeutschen Umsiedler“, wobei die Auswahl der
„Umsiedler“ nach vermeintlich rassekundlichen Kriterien getroffen wurde (vgl. Strippel 2011). Zu Heschs Tätig-
keit in dieser Institution, vgl. Geisenhainer 2010, 193–197.
99 UAL, Ethnologie Re XV; Reche, 10. April 1940, an Hesch, Herv. in Orig.
100 Ebd., Herv. in Orig. Zum weiteren Verlauf dieses Vorhabens konnten bislang keine Unterlagen gefunden werden.
101 
2006, 98–99. Reche stand als Vorstandsmitglied des Reichsbundes für Biologie, der 1939 an die Forschungsstätte
für Biologie im SS-„Ahnenerbe“ angegliedert wurde, in enger Verbindung mit dem SS-„Ahnenerbe“, insbesondere
mit dem Leiter dieser Forschungsstätte, Walter Greite. Reche wurde Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Biologe.
Monatsschrift des Deutschen Biologen-Verbandes“, während sich Greite seinerseits an der Herausgabe der „Zeit-
schrift für Rassenphysiologie, Organ der Deutschen Gesellschaft für Blutgruppenforschung“ beteiligte, was
wiederum dem Fortbestehen jener Zeitschrift zugute kam (vgl. UAL, Ethnologie Re XIV; Korrespondenz von
Reche mit Greite im Jahr 1939).
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 949
musste Reche dann drängeln, den aus „den Institutsbeständen seinerzeit für die Judenunter-
suchungen“ überlassenen „Fotoapparat und allerlei sonstige Instrumente“ zurückzubekommen,
„da wir es dringend benötigen“.102
An der Universität Wien hielt die Kontroverse um die inhaltliche und formale Verortung

den mangelnden Nachwuchs im Fach und den damit verbundenen fehlenden Kapazitäten hin-
sichtlich der Beschäftigung mit den „Gegnern“ beklagt:
„Im vierten Jahr der nationalsozialistischen Revolution stehen wir vor der Tatsache, dass
wir weder in der Lage sind, das Fach der Rassenhygiene, geschweige denn das Gebiet der
Rassenbiologie an den deutschen Hochschulen in Forschung und Lehre wirklich vertreten zu
lassen. Wir sind ebenfalls nicht in der Lage, den heute schon bestehenden und künftig noch zu
erwartenden Ansprüchen des Staates an ausgebildeten Kräften auf diesem Gebiete zu entspre-
chen. Dieser Zustand ist untragbar.“ Aufgrund dieser Einschränkung müssten unter anderem
eine „Reihe wichtiger Auseinandersetzungen mit wissenschaftlichen und weltanschaulichen
Gegnern [...] unterbleiben“ oder könnten „nicht in der Weise geführt werden, wie es eigentlich
gefordert werden müsste, weil die eigentliche Kleinarbeit sie davon abhält“.103

Auseinandersetzung, wenngleich nicht mit „weltanschaulichen Gegnern“. Ebenso wie Reche

  
mitsamt der „Rassenkunde“ an die Medizin ein; Reche hingegen plädierte schon seit einigen
Jahren vehement für die Verortung der „Rassenhygiene“ an einem Anthropologischen bzw.
„Rassenkundlichen“ Institut, das seinen Platz in der Philosophischen oder Naturwissenschaft-
lichen, jedoch keinesfalls in der Medizinischen Fakultät haben sollte, und vor allem für die
Unabhängigkeit der „Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ von der Medizin:
„Der Mediziner soll bei seinen Leisten bleiben, bei der Heilkunst. Logisch wäre über-
haupt, wenn die gesamten Rassendinge von einem Anthropologen geleitet würden, und wenn
die Mediziner mehr in die Reihe der Hilfskräfte gestellt würden.“104
In Wien, wo sich die Anthropologen sowie der Dekan mit der geplanten Errichtung eines
„Rassenbiologischen Instituts“ an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien und der
         
einen anderen Argumentationsstrang: Um der Einverleibung des Anthropologischen in das
„Rassenbiologische Institut“ entgegenzuwirken, betonten Geyer, sein Institutsmitarbeiter (und
ab 1943 Nachfolger) Karl Tuppa (1899–1981) sowie Dekan Christian, wie wichtig es sei, die
„Rassenkunde“ von der „Rassenhygiene“ getrennt zu halten und die Eigenständigkeit der
Anthropologie zu bewahren. Dabei ging es, wie es ähnlich auch Mayer im Anschluss an die
Pionierarbeit von Edith Saurer konstatierte,105 wohl weniger um ideologische Differenzen als
vielmehr um Erwägungen hinsichtlich akademischer Autonomie, Mitspracherecht und Ein-

Geyer stand sicherlich auch die eigene Karriere im Vordergrund. Darüber hinaus beschäftigte
die Wiener Anthropologen auch – mehr oder weniger bewusst – die Frage, wie viel sie einfor-
dern können, ohne quasi den Verlust ihres Instituts zu riskieren.
102 UAL, Ethnologie Re XIV; Reche, 20. Juli 1939, an Greite. Es liegen bislang keine Hinweise vor, dass der Verleih
der Geräte im Zusammenhang mit den Untersuchungen stand, die unter der Leitung von Wastl an 440 Juden im
Wiener Stadion im September 1939 durchgeführt wurden (vgl. Spring 2005).
103 
104 UAL, Ethnologie Re X.1; Reche, 22. Juni 1935, an H. F. K. Günther.
105 Vgl. Mayer 2013, 163–164; Mayer 2015; Saurer 1989, 317–319.
950 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
Was Weninger betraf, nährte Christian Hoffnungen, dieser könne womöglich am neuen
„Rassenbiologischen Institut“ tätig werden. Im Juli 1939, kurz nachdem das REM dem ge-
planten Institut ein umfangreiches Budget zugesprochen hatte106, schrieb er an Weninger,
-
lung in Wien wegen eines Arbeitsplatzes für Dich das Notwendige durchsetzen zu können.“107
Tatsächlich besetzte Weniger jedoch hier nie eine Stelle.
Eberhard Geyer erhielt indessen mit Beginn des Zweiten Weltkriegs immer wieder Einbe-
rufungen zum kriegsvorbereitenden Dienst. Über Feldpostbriefe blieb Geyer in Kontakt mit
seinen Kollegen, tauschte sich nicht zuletzt auch mit Christian über die neuen Entwicklungen
an der Wiener Universität und die Situation und Zukunft des Anthropologischen Instituts aus.
Anfang Dezember 1939 weigerte sich Geyer, einer Aufforderung des Ministeriums für innere
und kulturelle Angelegenheiten nachzukommen. Er war im Falle seiner Berufung zum a.o.
Professor für Anthropologie an der Universität Wien zu einer schriftlichen Kenntnisnahme
angehalten worden, „dass die Frage der künftigen organisatorischen Beziehung dieses Lehr-
stuhles und des mit ihm verbundenen anthropologischen Universitätsinstitutes zur philosophi-
schen und zur medizinischen Fakultät und innerhalb dieser insbesondere zu dem zu errichteten
Institut für Erb- und Rassenbiologie zunächst in Schwebe bleibt“; Geyer solle sich „der künf-
tigen organisatorischen Neuordnung in jeder Richtung unterwerfen“.108
Um die Ablehnung dieser Klausel zu begründen, zitierte Geyer im Folgenden Auszüge aus

und strukturellen Argumenten führte Geyer an, er könne eine Zusammenlegung, auch räum-
lich, nur befürworten, wenn dem Anthropologischen Institut „die Wahrung seiner vollen Selb-
ständigkeit“ und eine „grundsätzlich anerkannte Gleichberechtigung beider Fakultäten“
garantiert werde.109
Wie auch Reche betonte Geyer ferner die Bedeutung der „Rassenkunde“ als Leitwissen-
schaft: Er erkenne durchaus „die Rassenhygiene [als] ein für Lehrer wichtiges Unterrichts-
fach“ an, aber es sei „eine weltanschauliche Ausrichtung der Lehrer und der Mediziner auf
rassischer Grundlage als Voraussetzung noch wichtiger“. Für diese Weltanschauung habe „die
philosophisch aufgefasste Anthropologie [...] vor allem die Grundlagen“ geschaffen: „Wir
würden heute keine rassische ausgerichtete Weltanschauung haben, wenn nicht philosophische
Köpfe, wie Gobineau und Chamberlain und nicht zuletzt H. F. K. Günther die theoretischen
Voraussetzungen dafür geliefert hätten.“110
        
Bedeutung der medizinischen bzw. naturwissenschaftlichen Disziplin für „rassenkundliche“
           
Geisteswissenschaften“ und hatte sich daher bereits in Königsberg für die Eingliederung des
„Rassenbiologischen Instituts“ sowohl an der Philosophischen als auch an der Medizinischen
Fakultät eingesetzt.111 Eine ähnlich gestaltete Anbindung an die Philosophische Fakultät

jedoch ohne Erfolg.112
106 Vgl. Mayer 2013, 163.
107 UAW, PH PA 3.702, Personalblätter; Christian, 28. Juli 1939, an Weninger.
108 UAW, PH PA 1.732; zit. n. Geyer, 8. Dezember 1939, an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenhei-
ten, Abt. IV., Erziehung, Kultus und Volksbildung.
109 Ebd.; Geyer, 8. Dezember 1939, an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, Abt. IV., Erzie-
hung, Kultus und Volksbildung.
110 Ebd., Herv. im Orig.
111 
112 Vgl. Mayer 2015, 174–179.
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 951
Derweil wurden auch auf internationaler Ebene Grundsatzdiskussionen von „Eugenikern“
und „Rassenhygienikern“ geführt. Die Gegensätze waren hier mitunter unüberbrückbar.113
Außerdem berieten sich prominente Vertreter der „Rassenhygiene“ aus dem „Altreich“ und
Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern, darunter Mitglieder der bereits erwähnten
IFEO, an welchem Ort, in welchem Rahmen und unter welcher Leitung bzw. Schirmherrschaft
         
Diejenigen, die die eugenischen NS-Maßnahmen prinzipiell befürworteten, konnten sich
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besprechung im Februar 1939 beteiligten sich Vertreter verschiedener Ministerien, darunter
solche des Reichs innenministeriums, des Propagandaministeriums, des Reichsgesundheits-
amtes, des Auswärtigen Amtes, des Reichsausschusses für Volksgesundheitsdienst sowie des
Stabes Rudolf Hess und führende Mitglieder der „Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene“.
Man einigte sich auf Wien, um die „Werbung für den Rassengedanken in der Ostmark“ voran-
zutreiben.114 Schirmherr sollte Reichsinnenminister Wilhelm Frick (1877–1946), Präsident
des Kongresses Ernst Rüdin sein. Im Arbeitsausschuss waren lediglich Fachvertreter aus dem
„Altreich“, nicht jedoch aus der „Ostmark“ vorgesehen. Abgesehen vom Bevölkerungs-
wissenschafter Friedrich Burgdörfer (1890–1967), dem Juristen Falk Ruttke (1894–1955) und
dem Botaniker Fritz von Wettstein (1895–1945)115 waren die im Ausschuss vertretenen
„Rassen hygieniker“ medizinisch ausgebildet worden.116-
ausschuss berufen. Letztendlich fand der „IV. Internationale Kongress für Rassenhygiene
(Eugenik)“ nicht statt. Er sollte auf die Zeit nach Kriegsende verschoben werden.117
Eberhard Geyer, der sich seit Sommer 1940 im Ersatzbataillon in Linz bzw. auf dem
Truppenübungsplatz Döllersheim befand, drängte gegenüber Christian verstärkt auf seine
Ernennung zum Professor:
„Es scheint mir aber doch außerordentlich wichtig, daß die Neubesetzung des Anthropo-
-
ders gegen alle unberechtigten Expansionsbestrebungen auftreten, als jetzt ohne jegliche
Legitimation.“118
Die Situation in Wien wurde erneut auf einer „Tagung der Rassenkundler- u. R. Hygieni-
ker im kleinen Kreis in München“ diskutiert, die im November 1940 stattfand und an der
Geyer teilnehmen konnte. Die Einladung war über den Reichsdozentenführer erfolgt. Geyer
berichtete Christian:
„Vor allem fanden so ziemlich alle unsere Wiener Ansichten über die Notwendigkeit einer
selbständig arbeitenden Rassenkunde, über die Bedeutung von Lehrstühlen, über die
Errichtung des Mittelschullehrer Nachwuchses und über die Versorgung unseres akademischen
Nachwuchses nahezu widerspruchslos Zustimmung bei allen Teilnehmern.“119
Christian stimmte Geyer zu, dass die „Rassenkunde“ eine „ausgesprochene Angelegenheit
der philosophischen bezw. naturwissenschaftlichen Fakultät sei“. Die „ganze Atmosphäre der
Medizin tut der Rassenkunde gewiss nicht gut“. Dass sich nun Geyers Ernennung zum a.o.
Professor weiter verzögerte, erklärte sich Christian damit, dass „das Ministerium für die Er-
nennung die Unterschrift des Führers“ benötige und dieser habe „gegenwärtig viele andere
113 Siehe hierzu und im Folgenden Kühl 2014, insb. 163–214.
114 Zit. n. Kühl 2014, 195.
115 Wettstein entstammte zwar einer österreichischen Familie, war aber seit 1923 in Deutschland tätig.
116 Vgl. Internationaler Kongress für Rassenhygiene (Eugenik) 1940, 3–4.
117 Vgl. Kühl 2014, 196.
118 UAW, PH PA 1.732; Briefwechsel Prof. Geyer; Geyer, 28. August 1940, an Christian.
119 Ebd.; Geyer, 11. November 1940, an Christian.
952 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
wichtige Aufgaben“.120 Aber auch am Wiener Anthropologischen Institut sah Christian „drin-
gende“ Arbeiten zu erledigen: Wiederholt um die Uk-Stellung Geyers bemüht, erläuterte er im
August 1941 beispielsweise, dass aufgrund von Personalmangel und den zunehmenden Auf-
gaben des Instituts Geyers „Anwesenheit dringend notwendig sei, um den Betrieb aufrecht
erhalten zu können“. Unter anderem ergebe sich „vielleicht auch noch die Notwendigkeit [...],

und ich meine, dass man die einmalige Gelegenheit wissenschaftlich einwandfrei bestimmbare
Skelette zu bergen, nicht vorüber gehen lassen soll.“121
Während seines Kriegseinsatzes drängte Geyer, auch mit „Rücksicht auf die materielle
Sicherung meiner Familie“, immer wieder auf seine Ernennung zum a.o. Professor, denn
„jeder Tag kann mir meine Feuerprobe bringen“.122 Schließlich wurde er mit Wirkung vom
1. September 1941 zum a.o. Professor innerhalb der Philosophischen Fakultät und zum
Direktor des Anthropologischen Instituts ernannt. Dies erfuhr er, während er sich als Wehr-
machtssoldat bereits im Kriegseinsatz befand.123 Von der Front in Russland schrieb er an
Christian und betonte dabei, dass er sich in ihrer beider Sinne für das Institut einsetzen werde
und dass die „Wiener Lösung“ hoffentlich Modellcharakter haben werde:
„Ich freue mich naturgemäß zunächst einmal aus rein persönlichen Gründen über diese
Regelung, weil ich nun diesem Institute, dessen Mitarbeiter ich seit dem Jahre 1924 bin, nun
auch jene Note geben kann, die für die Wiener Verhältnisse und bei der Zugehörigkeit zur
philosophischen Fakultät meines Erachtens notwendig ist. Das Institut wird in diesem Rah-
men vor allem weltanschaulich ausrichtend wirken und den Fächern unserer Fakultät, den
Historikern, Geographen, Prähistoriker, Linguisten, Ethnologen u.s.w. jene Richtung geben
können, die zum planmäßigen Aufbau einer weltanschaulich zielstrebigen ‚Universität‘ Vor-
aussetzung sind.“124
Dies solle keinesfalls bedeuten, so Geyer, dass „die exakte naturwissenschaftliche For-
schung [...] nicht mehr die entscheidende Rolle in unserer Arbeit spielen solle“. Gerade die
„bisherige Arbeit am Institut“ baue schließlich „vor allem auf der unmittelbaren Wechselwir-
kung von Theorie u. Rassen“ auf. Geyer betrachtete das Verhältnis des Anthropologischen
Instituts „zu Rassenhygienischen Einrichtungen“ wie „das Verhältnis von Psychologie und
Psychiatrie“.
Eine „krampfhafte Zusammenziehung von Anthropologie und Rassenhygiene an einer Fa-
kultät“ würde die „anregend wirkende Bipolarität des ganzen Aufgabenkreises beseitigen“.
Außerdem müsse nun der „Nachwuchs anthropologischer Institute an philosophischen Fakul-
täten nicht mehr befürchten [...] an irgend einem Rieseninstitut für Rassenforschung der
mediz. Fak. nur als zweitrangiger Mitarbeiter unterkommen zu können“. Geyer hoffte, dass
„diese Wiener Lösung prinzipiell auch als richtig für die schwebenden Organisationsfragen an
anderen deutschen Hochschulen angesehen wird. Dann erst würde ich wirklich das befriedi-
gende Gefühl haben, dass nicht nur der Person, sondern auch der Sache gedient worden ist.“125
Im Jänner 1942 hatte Reche noch an Walter Gross im RPA geschrieben, es würde der An-
thropologie und damit dem „Rassegedanken“ schädigen, würden sich die Mediziner die
„Rassen lehre“ einverleiben. Vielmehr sollten Anthropologen entsprechende Vorlesungen für
120 Ebd.; Christian, 13. November 1940, an Geyer.
121 Ebd.; Christian, 7. August 1941, an Geyer. Siehe dazu auch Gingrich zu Christian im „Ahnenerbe“ in diesem Band.
122 UAW, PH PA 1.732; Geyer, 3. November 1941, an Christian.
123 UAW, PH PA 1.732 und UAW, PH RA 9.108, fol. 6; anonym verfasster Nachruf auf Eberhard Geyer, o.D.
124 BArch, WI, Eberhard Geyer; Geyer, 15. März 1942, an Christian.
125 Ebd.
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 953
angehende Mediziner übernehmen.126 Derweil diskutierte Christian in Wien weiter in dieser
Angelegenheit: Dem Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien gegenüber betonte
er im Frühling 1942, es seien sich die „führenden Gelehrten der Fächer Anthropologie und
Rassenhygiene, Fischer, Lenz, Molison [sic], Rüdin und Reche [...] darüber einig, dass die
Anthropologie ihren Sitz an der naturwissenschaftlichen Fakultät, die Rassenhygiene dagegen
           
Bereiche: Es sei die „Aufgabe der Anthropologie Rassenkunde, Abstammungslehre und Erb-
    
darstelle.127 Dass Reche mit einer Gegenüberstellung in dieser Form einverstanden gewesen
wäre, ist – entgegen Christians Behauptung – kaum vorstellbar. „Rassenhygiene“ und

das andere an die Medizinische Fakultät. Sowohl Christian als auch Reche fochten ihren
Kampf gegen die Mediziner; Christian und Geyer zeigten sich hier aber kompromissbereiter
als Reche, indem sie zumindest die „Rassenhygiene“ den Medizinern zu überlassen bereit
waren.

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„Rassenbiologischen Institut“ letztendlich nicht die enorme Summe zugesprochen, die ihm zu
Beginn der Planung noch zugedacht war. Es erlangte auch nicht die Bedeutung, die Friedrich
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1940 Staatskommissar für Erziehung, Kultus und Volksbildung beim Reichsstatthalter in
Wien, angestrebt hatte. Dennoch rangierte das sechs Abteilungen umfassende Wiener „Ras-
-
tung im Vergleich zu anderen Instituten mit ähnlichem Schwerpunkt innerhalb des „Deutschen
Reiches“ deutlich an oberster Stelle.128
Geyer bemühte sich indessen wiederholt darum, „unabkömmlich“ gestellt zu werden.129
Als im Herbst 1942 die Besetzung des ordentlichen Lehrstuhls am neu einzurichtenden Insti-
tut für Anthropologie in Straßburg diskutiert wurde, stand Geyers Name an dritter Stelle hinter
Gerhard Heberer und Wolfgang Abel.130 Geyer erhielt weder diesen Ruf, noch wurde er aus

dem er erfahren hatte, dass dieser „unsere im Gutachterdienst eingesetzten Assistenten vom
Wehrmachtsdienst frei zu bekommen“ versuchte: „Trotz meiner 55 Monate Kriegsdienst ist es
mir bisher nicht gelungen von der Ostfront einen Arbeitsurlaub zu bekommen.“131
Auch mit der Situation am Wiener Anthropologischen Institut während seiner Abwesen-
heit war Geyer ausgesprochen unzufrieden. Hier hielten die Anthropologin Dora Maria Kön-
ner (1905–1970)132 und Karl Tuppa den Institutsbetrieb aufrecht. Rein formal war Könner als
Assistentin zunächst der wissenschaftlichen Hilfskraft Tuppa übergeordnet gewesen.133 Erst
zum Juli 1941 war Tuppa auf die Assistentenstelle aufgerückt, die durch den Weggang Routils
126 Vgl. UAL, Ethnologie Re XVII; Reche, 13. Jänner 1942, an Gross.
127 UAW, Rektorat, 755 ex 1938/39; Christian, 14. Mai 1942, an den Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen in
Wien.
128 Vgl. Mayer 2013, 163–165; Mayer 2015, 87–107; Mayer 2017, 115–125.
129 Siehe UAW, PH PA 1.732; Briefwechsel Prof. Geyer.
130 BArch, R 4901/25789; Ernst Anrich (1906–2001), NS-Dozentenbund, Der Bevollmächtigte für die Universität
Straßburg, 5. November 1942: Gutachten zu der Berufungsliste der Naturwissenschaftlichen Fakultät für die Be-
setzung des ordentlichen Lehrstuhls für Anthropologie.
131 UAL, Ethnologie Re XVIII; Geyer, 28. Dezember 1942, an Reche.
132 Dora Maria Könner heiratete im Jänner 1940 ihren Kollegen Herbert Kahlich und trug den Doppelnamen Kahlich-
Könner (vgl. Heiratsanzeige in UAL, Ethnologie Re XV). Zu Kahlich-Könner vgl. Fuchs 2002.
133 Vgl. UAW, PH PA 3.492; Christian, 5. März 1941, an den Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen.
954 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
an das Naturhistorische Museum freigeworden war.134 Im März 1942 erfolgte Tuppas Ernen-
nung zum Oberassistenten.135 Geyer schrieb im November 1942 an Christian: „Ich habe leider
den Eindruck, dass in meinem Institut in meiner Abwesenheit eine rechte Weiberwirtschaft
eingerissen ist. [...]
Ich lasse keine Frauenzimmer zur Habilitation zu und wenn sie Partei-Mitgliedsnummer
10 oder weniger haben. Wenn man unsere Wissenschaft ernst nimmt, dann braucht man dazu
auch Männer, die das Leben ernst nehmen [...]. Ich bin über diese unerquicklichen Zustände
im Wiener Institut sehr unglücklich.“136
Was seine eigene wissenschaftliche Arbeit betraf, plante Geyer Aufnahmen zu verarbeiten,
„die R. Pöch und J. Weninger im ersten Weltkrieg an russischen Kriegsgefangenen gemacht
hatten“ und „sie nach dem jetzigen Krieg auf Grund seiner eigenen Anschauungen der Völker
des Ostraumes besonders fruchtbringend gestalten zu können“.137 Die „Zeit des Einsatzes“, so
schrieb Geyer an Christian im November 1941, sei für ihn nämlich „auch wissenschaftlich
wertvoll, denn ich konnte die russische Volksseele erleben“. Erst jetzt, durch sein „persönli-
ches Erlebnis“, seien „die ganzen Untersuchungen Pöchs in den Kriegsgefangenenlagern [...]
wertvoll“. Fast erscheint es, als übte Geyer, der selbst bis dahin in großem Stile Menschen
vermessen hatte, eine leise Kritik an der Anthropometrie, wenn er hinzufügte: „All diese Bil-
der und Zahlen haben für mich nun erst Leben gewonnen.“138
Eberhard Geyer war es ebenso wenig möglich, die Arbeit anhand der Aufzeichnungen von
Pöch und Weninger fertigzustellen, wie er auch seine konkrete Tätigkeit als Leiter des Anth-
-
nadierregiments starb er am 5. Februar 1943 im Alter von 42 Jahren in Nepotchataya (Oblast
Orjol, Zentralrussland) an den Folgen einer durch einen Granatsplitter verursachten Kopfver-
letzung.139
Für das Mitteilungsblatt der „Deutschen Gesellschaft für Blutgruppenforschung“, der
„Zeitschrift für Rassenphysiologie“, verfasste der Herausgeber Otto Reche einen Nachruf auf
Geyer, mit dem er sich „immer eng befreundet gefühlt habe“.140 Reche würdigte ihn, seine
„reiche wissenschaftliche Forschung“ und seine Tätigkeit „besonders im Rahmen der Wiener

verantwortungsbewußter, nimmermüder und einsatzbereiter deutscher Kämpfer“.141
Die Nachfolge Eberhard Geyers
Unmittelbar nach Geyers Tod wurde über die Nachbesetzung verhandelt. Wie schon bei sei-
nem eigenen Weggang aus Wien im Jahr 1927 bemühte sich Reche auch jetzt wieder um
142 Am 1. April 1943 fragte er bei Tuppa an, „wie Sie
und Ihr Freundeskreis (wer ist das alles?) die Lage beurteilen und wen Sie sich u.U. als Nach-
134 Ebd.; Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen, 8. Mai 1941, an Tuppa und Christian, 13. Mai 1941, an das
Anthropologische Institut, Wien.
135 Ebd.; Marchet, 26. Februar 1942, an Tuppa.
136 UAW, PH PA 1.732 Briefwechsel Prof. Geyer; Geyer, 11. November 1942, an Christian.
137 UAW, PH RA 9.108, fol. 6; anonym verfasster Nachruf auf Eberhard Geyer, o. D.
138 UAW, PH PA 1.732 Briefwechsel Prof. Geyer; Geyer, 3. November 1941, an Geyer.
139 Ebd.; Rektorat der Universität Wien, 11. März 1943, an den Dekan der Philosophischen Fakultät.
140 UAL, Ethnologie Re XVIII; Reche, 1. April 1943, an „die derzeitige Leitung des Anthropologischen Institutes der
Universität Leipzig“.
141 Reche 1943, 62. Siehe auch den Nachruf von Christian 1942, erwähnt in Gingrich (zu Christian an der Universität
Wien, AGW und AWW) in diesem Band.
142 Vgl. den Beitrag von Geisenhainer, Gescheiterte Interventionen in diesem Band.
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 955
folger von Geyer wünschen würden“.143 Reche selbst empfahl als Geyers Nachfolger Michael
Hesch, der sowohl in Wien als auch in Leipzig als sein Assistent tätig gewesen war.144 Hans F.
K. Günther sagte Reche in dieser Angelegenheit seine Unterstützung zu.145 Im September
1943 wurde auf einer Sitzung des Dozentenbundes in München über die Besetzung der Lehr-
stühle in Straßburg und Wien diskutiert. Nach Aussagen von Reche war er selbst derjenige
gewesen, der zuvor für beide Städte Hesch ins Gespräch gebracht habe.146 Gieseler griff diese
Empfehlung auf und schlug für Wien und Straßburg „jeweils [Emil] Breitinger und Hesch an
erster Stelle“ vor. Auch Tuppa selbst stand auf der „Vorschlagsliste“ für Wien. Seine Promoti-
on im Jahr 1935 bei Weninger über „Anthropologische Untersuchungen an kriegsgefangenen
Tipteren“ war ebenso auf der Grundlage eines Teils des Pöch-Nachlasses erfolgt wie seine
Habilitation 1940 über „Mischeren und Tipteren. Ein Beitrag zur Anthropologie der Türkvölker
in Rußland“, die im Ahnenerbe-Stiftung Verlag publiziert wurde. 1942 hatte das Gaupresse-
amt Niederdonau der NSDAP Tuppas „Rassenkunde von Niederdonau“, dem „Ahnengau des
Führers“, als Heft 22 der „Schriftenreihe für Heimat und Volk“ herausgegeben.147 Gegen
Tuppa als Nachfolger Geyers gebe es, so Gieseler, selbst aus Wien „erhebliche Widerstände“.148
149 sprach sich
-
den, wen er eventuell für „die Neubesetzung des Extraordinariates für Anthropologie von
-
menarbeit mit Hesch gut vorstellen, „wenn ich auch unberechtigterweise durch den Aufbau
meines eigenen Institutes in den Verdacht gekommen bin, die Anthropologie insbesondere in
Wien überzuschlucken und vermedizinern zu wollen“.150 An erster Stelle habe er zwar der
Reichsdozentenführung gegenüber Breitinger empfohlen, an zweiter jedoch Hesch.151 Mit

schönen Zusammenarbeit kommen“.152
zum Anthropologischen Institut und der Philosophischen Fakultät an: Er könne aber, so

Gruppen der Philosophischen Fakultät jede Äußerung, die von mir kommt, als ‚gegen die
Anthropologie gerichtet‘ ansehen“.153
-
dest ansatzweise zur Mitsprache hinsichtlich eines Nachfolgers von Eberhard Geyer aufgefor-
     
eventuell auch ein besserer Zugriff auf das Anthropologische Institut, zumindest aber eine
mögliche Zusammenarbeit mit diesem realisierbar gewesen.
Zu jenem Zeitpunkt hatte Viktor Christian bereits sein Amt als Dekan niedergelegt, und
der NS-Dozentenbundführer, Mineraloge und Petrograph Arthur Marchet (1892–1980) war
143 UAL, Ethnologie Re XVIII; Reche, 1. April 1943, an Tuppa.
144 Ebd.; Reche, 23. September 1943, an Gieseler.
145 Ebd.; Günther, 5. Juni 1943, an Reche.
146 „Ich habe mich inzwischen weiter in Ihrem Interesse wegen Strassburg bemüht und erfahre soeben, daß auf
meine Veranlassung – jetzt auch Gieseler in seiner Eigenschaft als derzeitiger Vorsitzender der Deutschen Gesell-
schaft für Rassenforschung sich dahingehend bemüht hat, daß Sie sowohl für den Lehrstuhl in Wien wie auch für
den in Strassburg genannt werden [...]“ (UAL, Ethnologie Re XVIII; Reche, 1. Oktober 1943, an Hesch).
147 Eine detaillierte Studie über Karl Tuppa steht noch aus.
148 UAL, Ethnologie Re XVIII; Gieseler, 23. September 1943, an Reche.
149 Ebd.; Reche, 23. September 1943, an Gieseler.
150 
151 
dieses Anthropologen benannt haben.
152 
153 
956 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
Abb. 24.7a, b
Geyers Gedanken zur Stellung von „Anthropologie“, „Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ (Briefausschnitt S. 2–3).
Der am 15. März 1942 an der russischen Front verfasste Brief war an Dekan Christian adressiert und drückte auch
Geyers Freude aus, endlich zum a.o. Professor ernannt worden zu sein.
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 957
Abb. 24.7b
958 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
auf diese Position gerückt. Die Nachfolge von Geyer trat letztendlich Tuppa selbst an, den
Gieseler als „noch reichlich jung im Fach“ erachtet hatte.154 Eine reibungslosere Zusammen-

nicht erwarten, zumal er die Vorlesungen von Tuppa am „Rassenbiologischen Institut“ im
Sommer 1942 abgesetzt hatte.155 Über Tuppa fällte auch Weninger „ein vernichtendes Urteil,
            
Schreiben zu berichten gewusst.156 Weninger stand offensichtlich auch nach seiner Entlassung
noch mit Kollegen in Kontakt. Eineinhalb Jahre später mussten mit Kriegsende in Europa


Resümee
Das Ringen um das Monopol „Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ ist nicht zuletzt vor dem
Hintergrund zu sehen, dass das Denken in „rassenideologischen“ Kategorien ein wesentliches
Element des Nationalsozialismus bildete. „Rassenkundler“ geistes- und naturwissenschaftli-
cher sowie medizinischer Ausbildung standen einander hier oftmals gegenüber. Da über die
„Rassenkunde“ ein Weltbild (sowie entsprechende konkrete praktische Vorgehensweisen)
wissenschaftlich legitimiert werden sollte, waren inhaltliche Differenzen auch innerhalb
eines Faches symptomatisch und ein weiteres Indiz für die Beliebigkeit der Theorien, die
kaum zu einer kohärenten und homogenen Ideologie zusammengeführt werden konnten.157
Die hier dargestellten Debatten, die offen oder in Korrespondenzen geführt wurden, berührten
sowohl inhaltliche als auch institutionelle Fragen: Wer vertrat aus welchen Gründen welche
Schwerpunkte; welche Bereiche sollten der Anthropologie und welche der Medizin zugespro-
chen und an welcher Fakultät sollten die jeweiligen Fachgebiete verortet werden? Vollkom-
men kongruente Positionen sind dabei nur schwer auszumachen. Im unmittelbaren Kontakt
spielten neben diesen Faktoren sicherlich auch persönliche Sympathien und Antipathien eine
Rolle, nicht zuletzt dann, wenn es um Berufungsfragen ging.
Hatte sich Reche wiederholt für die enge Zusammenarbeit von Anthropologie und Völker-
kunde eingesetzt – ein Anliegen, das er bei allen Dissonanzen mit seinem Wiener Kollegen
Viktor Lebzelter teilte –, so beschäftigten ihn weitaus mehr die Verteidigung der „Rassenkunde“
und mit ihr der „Rassenhygiene“ vor dem Zugriff der Mediziner. Reche kämpfte in dieser
Angelegenheit bereits rund fünf Jahre früher für seine eigenen institutionellen Interessen in
diesem Feld als seine Wiener Kollegen. Sicherlich auch aus Ressentiment gegenüber den Me-
dizinern betonte Reche beständig, dass eine „Rassenhygiene“ ohne umfangreiche Kenntnisse
auf dem Gebiet der „Rassenkunde“ undenkbar sei und aus diesem Grund kompromisslos den
Anthropologen und nicht den Medizinern überlassen werden sollte. Die „Rassenkunde“, eben-
so wie die „Rassenhygiene“, gehörte nach Reche eher noch an die Philosophische als an die
Medizinische, am besten jedoch an die Naturwissenschaftliche Fakultät. Zweifelsohne ging es
in diesen Auseinandersetzungen, an denen sich nicht nur Reche beteiligte, immer auch um
Ressourcen, um akademische Macht und Kompetenzen sowie um Prestige.
Eine Anthropologie ohne „rassenkundlichen“ Schwerpunkt vertrat hingegen seit einigen
Jahren und bis in die unmittelbare Nachkriegszeit hinein sein Wiener Kollege Josef Weninger.
154 Ebd.; Gieseler, 23. September 1943, an Reche. Die universitätsinternen Verhandlungen im Vorfeld von Tuppas
Ernennung zum Nachfolger Geyers erfordern noch eine genauere Betrachtung.
155 Vgl Mayer 2015, 246.
156 UAL, Ethnologie Re XVIII; Gieseler, 23. September 1943, an Reche.
157 Vgl. auch Geisenhainer 2000, 2002, 138–140, 260–266.
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 959
Im Zentrum von Weningers Studien standen in dieser Phase erbbiologischen Fragen nichtpa-
           
-
fasste er sich somit – wenn überhaupt – mit Aspekten der „positiven Eugenik“, die ohne Fo-
kussierung auf eine vermeintliche „Rassenreinheit“ auskam. Die „negative Eugenik“, die bei-
spielsweise die „Verhütung erbkranken Nachwuchses“ zum Inhalt hatte, gehörte genauso
wenig zu Weningers wie zu Reches eigenen Forschungsschwerpunkten. Sicherlich auch vor
dem Hintergrund der sich zuspitzenden antisemitischen Atmosphäre hatte sich Weninger, der
mit der aus jüdischem Hause stammenden Margarete Taubert verheiratet war, innerhalb der
Anthropologie somit gewissermaßen einem neutralen Forschungsgebiet zugewandt. „Rassen-
hygiene“ und auch „Rassenkunde“ wurden für ihn in den Jahren des NS-Regimes aus
persönlichen Gründen zu einem unsicheren oder gar gefährlichen Terrain.
Weningers Zusammenarbeit mit dem niederländischen Eugeniker Frets, einem Kritiker
der „rassenhygienischen“ wie judenfeindlichen Maßnahmen der Nationalsozialisten, kann als
weiterer Beleg für diese Lesart verstanden werden. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das
Deutsche Reich waren es nicht fachinterne Kontroversen, die Weninger beschäftigten. Das
nationalsozialistische Engagement, das er an seinem Institut in den Jahren vor 1938 gewähren

zu seiner Frau Margarete und musste sein Amt an der Universität aufgeben. Aufgrund seiner
wissenschaftlichen Reputation erhielt er jedoch vereinzelte wissenschaftliche Aufträge.
Weningers Meinung war nicht mehr gefragt, als es an der Wiener Universität um das Ver-
hältnis des Anthropologischen Instituts zum neu einzurichtenden „Rassenbiologischen Insti-
-
rierte sich zwar auch allgemein auf die menschliche Erblehre, widmete sich jedoch
insbesondere der Erforschung von Erbkrankheiten und setzte sich etwa für die konkrete Um-
-
ger den umgekehrten Weg und wandte sich als überzeugter Verfechter des NS-Regimes und
         
Königsberg und dann in Wien verstärkt „rassentheoretischen“ Ansätzen zu.
Weningers Nachfolger Eberhard Geyer kämpfte mit der Unterstützung des Dekans Viktor
Christian um den Verbleib des Anthropologischen Instituts in der Philosophischen Fakultät.
-
senbiologisches Institut“ integriert hätte. Geyer und Christian führten somit zwar inhaltlich
einen ähnlichen Kampf wie Geyers Lehrer Otto Reche, allerdings in noch stärker zugespitzter
Form. In Wien ging es nicht nur darum, in welchem Fach oder an welcher Fakultät „Rassen-
kunde“ und „Rassenhygiene“ zu verorten seien: Hier war das gesamte Anthropologische Ins-
titut von der Vereinnahmung durch ein medizinisch ausgerichtetes „Rassenbiologisches Insti-
tut“ bedroht. Geyer musste ferner erkennen, dass er für all sein NS-Engagement nicht den
wohl erhofften Lohn empfangen durfte; es war ein Kollege aus dem „Altreich“, der dieses
gigantische „Rassenbiologische Institut“ in der Hauptstadt der „Ostmark“ zugesprochen
bekam und darüber hinaus eben noch Geyers Institut zu übernehmen plante. Generell bestand
offensichtlich im neu entstandenen Großdeutschem Reich innerhalb der Fachgemeinschaft der
„Rassenhygieniker“ und „Rassenkundler“ kein Bedarf an weiteren Fachvertretern in vorders-
ter Reihe, die sich mit ihren eigenen Vorstellungen einzubringen versuchten. Eberhard Geyer
hatte ohnehin nur wenig Zeit, sich unter den neuen Bedingungen weiter zu etablieren; schon
bald wurde er in den Kriegsdienst eingezogen und musste sich aus der Ferne um seine Ernen-
nung zum a.o. Professor sowie – vergebens – um seine Uk-Stellung bemühen.
960 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
Reche hielt daran fest, dass „Rassenhygiene“ nicht von Medizinern vertreten werden
könne, sondern dafür sogenannte Voll-Anthropologen mit entsprechender Ausbildung unab-
dingbar seien, und tauschte sich hierüber in privater Korrespondenz mit seinen Fachkollegen

Anthropologie und „Rassenhygiene“ als Bereiche der „Rassenbiologie“ an der Medizinischen

offensichtlich von diesem sich konträr gegenüberstehenden Fachverständnis unbelastet. Dabei
spielte sicherlich auch eine Rolle, dass Reche in Leipzig schließlich nicht unmittelbar von

eine Position besetzt, der Reche tendenziell mit Respekt begegnete. Gegenüber dem Reichs-
leiter des RPA, Walter Gross, vertrat Reche jedoch selbstbewusst seine Position.
Geyer und Christian betonten indessen – ähnlich wie Reche – die Bedeutung der Anthro-
pologie bzw. der „Rassenkunde“ für die weltanschauliche Ausbildung von Lehrkräften und
Medizinern und insistierten, dass das Institut u.a. auch mit dieser Aufgabe an der Philosoph-
ischen Fakultät verbleiben sollte. Ihre Bereitschaft, die „Rassenhygiene“ der Medizinischen
Fakultät zu überlassen, zeugt wohl in Anbetracht der Stärke der Wiener Medizinischen
Fakultät von einer realistischen Einschätzung der Kräfteverhältnisse. Dieses gewissermaßen
unfrei willige Zugeständnis sollte sie womöglich vor weiteren Einbußen hinsichtlich Position
und Selbstbestimmung schützen.
Aus heutiger Sicht mag es müßig erscheinen, derartige fachinterne Kontroversen der Ver-
gangenheit im Detail nachzuzeichnen, zumal es dabei überwiegend um Annahmen ging, die
heute von seriösen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern abgelehnt werden. Es erlaubt
jedoch einen weiteren Einblick in die zahlreichen Dispute innerhalb eines Fachgebiets, das
eigentlich eine vermeintlich konsistente Ideologie bedienen sollte. Dass die „Rassenkunde“
von ganz besonderem Wert für das nationalsozialistische Großdeutschland sei, darüber waren

die unmittelbare Verbreitung ihrer Theorien und deren direkte Anwendung ein, jeder auf seine

Kampf für den Nationalsozialismus, zu dem er sich schon früh bekannt hatte. Anders als

weniger prestigeträchtige Ausrichtung, sondern auch für das Ende seiner Karriere unter Hitler.
Auch für die Fachgeschichte der Ethnologie sind diese hier rekonstruierten Auseinander-
setzungen von Interesse. Zwar hatten sich vor 1933 zahlreiche Völkerkundlerinnen und Völ-
kerkundler für die Loslösung ihrer Disziplin von der Anthropologie und der „Rassenkunde“
eingesetzt, mit Beginn des NS-Regimes in Deutschland rückte jenes Anliegen jedoch in den
Hintergrund. Ebenso verlor ihre Kritik beispielsweise an Reches Bemühungen um eine bedin-
gungslose Zusammenarbeit von Anthropologie und Völkerkunde in jenen Jahren an Vehe-
menz. Anders als in anderen Ländern trug jedoch langfristig das Engagement für diesen
Fächerverbund, das Reche mit einigen seiner Fachkollegen gemeinsam an den Tag legte, in
den deutschsprachigen Ländern keine Früchte. Dass seitens der Ethnologie an einer Zusam-
menlegung heute kein Interesse besteht, ist eben nicht zuletzt mit jenem düsteren Kapitel in
der Geschichte der Physischen Anthropologie, dem Eifer ihrer Vertreter während der NS-
Diktatur und den fatalen Folgen zu erklären. Die fachinterne Aufarbeitung begann bekanntlich
erst verhältnismäßig spät.
1945 konnte Weninger erneut die Leitung des Anthropologischen Instituts in Wien über-
nehmen. Er publizierte unter anderem auch wieder „rassenkundliche“ Schriften, die wie
etwa schon seine Arbeiten von 1918 – teilweise auf den Kriegsgefangenenuntersuchungen des
Ersten Weltkriegs basierten. Sie erschienen mitunter in der Reihe „Rudolf Pöchs Nachlaß,
„Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ am Beispiel Wien 1938–1943 961
Serie A, Physische Anthropologie“.158
wieder als Vaterschaftsgutachter, wie viele andere Anthropologen auch, die zuvor „rassen-
-
sächsischen Landesgesundheitsrates, außerdem als anerkannter Strahlengenetiker in die deut-
sche Atomkommission aufgenommen, beteiligte sich in den 1950er Jahren in der Inneren
Mission an der Diskussion über die Novellierung des Sterilisationsgesetzes und war zunächst
Lehrbeauftragter an der TH und anschließend an der Medizinischen Hochschule in Hannover.
1961 erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.159 Otto Reche wurde mit Unterstützung
von Breitinger und Wastl im Mai 1965 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und
Kunst 1. Klasse verliehen.160
Archivmaterialen
Archiv des Museums für Völkerkunde Dresden, Staatliche Ethnographische Sammlung
Sachsen (SMVD)
NL Bernhard Struck, Schriftwechsel
Bundesarchiv Berlin (BArch), Berlin-Lichterfelde
BArch (ehem. BDC), PK Weninger, Josef
Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung

R 4901/2737 Internationale Kongresse und Tagungen, 1935–1941
R 4901/13263 Hochschullehrerkartei Eberhard Geyer, 1934–1939
R 4901/25789 Ohne Titel: Eberhard Geyer, 1941–1944
WI (ehem. BDC; Wissenschaft), Eberhard Geyer
Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Wien
Allgemeines Verwaltungsarchiv (AVA)
Unterricht, Fasz. 763
Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden (SächsHStA)
10209 (Ministerium für Volksbildung)/48
10230 (Ministerium für Volksbildung)/26
Universitätsarchiv Leipzig (UAL)
PA 831 Otto Reche
Ethnologie (Ehemaliges Archiv des Instituts für Ethnologie der Universität Leipzig)
Re VIII (Ethnologisch-Anthropologisches Institut [Behörden]) 1931–1935
Re IX.2 (Ethnologisch-Anthropologisches Institut) 1933–1934 (F–I)
Re X.1 (Institut für Rassen- und Völkerkunde) 1935–1936 (A–K)
Re XII.2 (Institut für Rassen- und Völkerkunde) 1936–1938 (G–Z)
Re XIII (Institut für Rassen- und Völkerkunde) 1938
Re XIV (Institut für Rassen- und Völkerkunde) 1939
Re XV (Institut für Rassen- und Völkerkunde) 1940
158 Vgl. Weninger 1951, 1955 und zusammen mit Margarete Weninger 1959.
159 Vgl. Klee 2005, 376; Mayer 2015, 321–322.
160 Vgl. Geisenhainer 2002, 402–403.
962 1938–1945: Ethnologische Netzwerke zum „Altreich“
Re XVII (Institut für Rassen- und Völkerkunde) 1942
Re XVIII (Institut für Rassen- und Völkerkunde) 1943
Re XXII (Gesellschaft für Blutgruppenforschung) 1930–1931
Re XXIII (Gesellschaft für Blutgruppenforschung) 1930–1938
Re XXXV (Marianne Schmidl) 1926–1940
Re XXXIX (Diverses 1) 1933–1945
Re Festschrift
Universitätsarchiv Wien (UAW)
PH PA 1.732 Eberhard Geyer
PH PA 3.492 Karl Tuppa
PH PA 3.702 Josef Weninger
PH RA 9.108 Eberhard Geyer
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Rektorat, 755 ex 1938/39
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
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Abbildungsnachweis
Abb. 24.1 UAW, 106.I.1602, Urheber (Fotograf): Max Schneider
Abb. 24.2 UAW, PH PA 3.702
Abb. 24.3 BArch, R 73/11229
Abb. 24.4a-d BArch, R 4901/2737
Abb. 24.5a, b UAL, Ethnologie Re XIV
Abb. 24.6 UAL, Ethnologie Re XIV
Abb. 24.7a, b BArch, WI, Eberhard Geyer
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Re X.1 (Institut für Rassen-und Völkerkunde) 1935-1936 (A-K)
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Die Internationale der Rassisten. Der Aufstieg und Niedergang der internationalen Bewegung für Eugenik und Rassenhygiene im zwanzigsten Jahrhundert
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Bis an die Grenzen des Möglichen": Der Dekan Viktor Christian und seine Handlungsspielräume an der Philosophischen Fakultät
  • Irene Maria
Irene Maria LEITNER: "Bis an die Grenzen des Möglichen": Der Dekan Viktor Christian und seine Handlungsspielräume an der Philosophischen Fakultät 1938-1943, in: Mitchell G. ASH;
Das Institut für Völkerkunde der Universität Wien 1938-45 unter Mitberücksichtigung des Museums für Völkerkunde Wien. Band 2 (Quellenteil). Magisterarbeit, Universität Wien
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Das Rassenbiologische Institut der Universität Wien 1938-1945. Dissertation
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