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Völkerkunde zur NS-Zeit
aus Wien (1938–1945):
Institutionen, Biographien und Praktiken in Netzwerken
Band 1
Andre Gingrich und Peter Rohrbacher (Hg.)
Angenommen durch die Publikationskommission der philosophisch-historischen Klasse der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften:
Michael Alram, Bert G. Fragner, Andre Gingrich, Hermann Hunger, Sigrid Jalkotzy-Deger,
Renate Pillinger, Franz Rainer, Oliver Jens Schmitt, Danuta Shanzer, Peter Wiesinger,
Waldemar Zacharasiewicz
Open Access: Wo nicht anders festgehalten, ist diese Publikation lizenziert
unter der Creative Commons Lizenz Namensnennung 4.0
Open access: Except where otherwise noted, this work is licensed
under a Creative Commons Attribution 4.0 Unported License.
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Bildnachweis für das Cover:
Röcks Skizzen zum Hakenkreuz um 1935, Universitätsarchiv Wien;
Plakette zur Wiener Reichskolonialtagung 1939, Der Samstag 2, Folge 15 (15. April 1939), 9;
Gedenkstein von Marianne Schmidl 2017, Foto: Mehmet Emir;
Widerstandszeichen O5 am Stephansdom, Foto: Mehmet Emir;
Künstlerische Gestaltung: Mehmet Emir.
Diese Publikation wurde einem anonymen, internationalen Begutachtungsverfahren unterzogen.
die Voraussetzung für eine dauerhafte Archivierung von schriftlichem Kulturgut.
Bestimmte Rechte vorbehalten.
Copyright © Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2021
ISBN 978 -3-7001-8670-0
Lektorat: Martina Paul und Christine Kanzler, Wien
Druck: Prime Rate, Budapest
https://epub.oeaw.ac.at /8670-0
https://verlag.oeaw.ac.at
Made in Europe
Ve r öf f en t l ic h t m i t U n te r s tü t z un g de s F o n ds z ur F ör d e ru n g d e r w i ss e n-
schaftlichen Forschung (FWF): PUB 809 – Z sowie der Fakultäten für
Lebenswissenschaften und für Sozial wissenschaften gemeinsam mit
dem Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien
Jüdische Lebenslinien in der
Wiener Völkerkunde vor 1938:
Das Beispiel Marianne Schmidl
Katja Geisenhainer
Als Marianne Schmidl im April 1942 deportiert wurde, gab es für sie keine Überlebenschance
mehr. Lange hatte sie gehofft, der Verfolgung entkommen und auch ihr wissenschaftliches
Werk vollenden zu können. Details über ihr Leben zu ermitteln, war später nur mehr schwer
möglich. „Auch keiner ihrer noch lebenden früheren Kollegen wußte von irgendetwas.“1 Die-
ses Nichtwissen bzw. Nichtwissenwollen war symptomatisch für die Nachkriegszeit. Archiv-
material gewann verstärkt an Bedeutung. Im Folgenden soll Marianne Schmidls persönliches
und wissenschaftliches Netzwerk, in das sie durchaus mittel- oder unmittelbar eingebunden
war, ins Zentrum der Betrachtung rücken. Grundlage hierfür bilden schriftliche Dokumente
– darunter auch solche, die für die Monographie zu Marianne Schmidl (2005) noch nicht vor-
lagen – , außerdem Primär- und Sekundärliteratur und nicht zuletzt die Erinnerungen der
Nachkommen.2 Dass dabei mitunter auch bereits Bekanntes neuerlich erwähnt wird, ist unver-
meidbar.
Familie, Kindheit und Jugend in Wien
Für Marianne Schmidls Lebensverlauf war in vielerlei Hinsicht ihre Familiengeschichte von
Bedeutung: Ihr Vater, Josef Bernhard Schmidl (1852–1916), entstammte einer jüdischen Fa-
milie aus Mähren. In Penzing (seit 1892 eine Gemeinde von Wien) als drittes von acht Kindern
geboren und in Wien-Leopoldstadt aufgewachsen, studierte er in den 70er Jahren des 19. Jahr-
hunderts Jura und arbeitete schließlich als promovierter Hof- und Gerichtsadvokat.3
Marianne Schmidls Mutter Marie/Maria Elisabeth Louise, geborene Friedmann (1858–1934),
war mütterlicherseits eine Enkelin von Friedrich von Olivier (1791–1851) und Großnichte
von Ferdinand von Olivier (1785–1841), zwei den Nazarenern4 nahestehenden Künstler-
brüdern. Ihr Vater, Adolf Eduard Friedmann (1824–1891), war ein aus jüdischer Familie
1 Fischer 1990, 176.
2 Für die vielen interessanten Gespräche sowie für den Zugang zu privaten Dokumenten der Familie möchte ich
mich auch an dieser Stelle ganz herzlich bedanken.
3 Vgl. ÖNB Wien, Akt 39/1938; Schmidl im Fragebogen, ausgefüllt am 30. September 1938; UAW, M32.2-38,
Schmidl, Josef Bernhard; Weiss, E-Mail 2002.
4 Die Nazarener vertraten eine Kunstrichtung, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts an der kaiserlichen Akademie der
bildenden Künste in Wien in Ablehnung des hier vertretenen Stils und der entsprechenden Ausbildung entwickelt
wurde (weiterführend vgl. z.B. Gallwitz 1977; Grote 1999, 115–124; Hollein/Steinle 2005).
154 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
stammender Börsesensal und späterer Privatier. Gleichfalls in Wien geboren, herangewachsen
in einem großbürgerlichen und künstlerisch geprägten Milieu, arbeitete Marie Friedmann in
München für den schon zu Lebzeiten hoch angesehenen Autor Paul Heyse (1830–1914) und
war selbst schriftstellerisch tätig.5
Während der Vater von Marianne Schmidl Vertreter einer sozialdemokratischen und „all-
gemein menschenfreundlichen Richtung“ war, zeichnete die Mutter eine eher konservative,
deutschnationale und auch kühle Haltung aus.6 Ungeachtet dieser Diskrepanzen bestand zwi-
schen den Eltern eine tiefe Zuneigung, mit der sie der Skepsis der Eltern Friedmann trotzten.7
Nachdem Josef Schmidl zum Protestantismus konvertiert war, heirateten sie 1889 und lebten
gemeinsam in Wien, wo Josef Schmidl eine eigene Kanzlei hatte.8
Marianne Schmidl wurde als erste von zwei Töchtern am 3. August 1890 in Berchtesga-
den, „deutsch-österreichischer Staatsangehörigkeit und nach Wien zuständig“9, geboren, als
sich die Eltern gerade im Hause Friedmann aufhielten. Ob die Eltern bewusst nach jüdischem
Brauch handelten, als sie beim Standesamt angaben, ihre Tochter habe noch keinen Namen, ist
ungewiss. Erst am 16. September, mehr als zwei Wochen nach der protestantischen Taufe,
teilte die Großmutter mütterlicherseits, Margareta Friedmann (1831–1921) den Namen ihrer
Enkeltochter, Therese Marianne Luise Emilie Marie, auf dem Standesamt mit.10
Sie wuchs in Wien gemeinsam mit ihrer zehn Monate jüngeren Schwester Franziska
(1891–1925), genannt Franca, in einem liberalen Umfeld auf, das von Bildung und kulturel-
lem Interesse geprägt war. Dies zeigte sich u.a. im Klavierunterricht, in Theaterbesuchen
sowie in der Auswahl der Schule. So besuchte Marianne Schmidl nach den gängigen fünf
Jahren Volksschule und drei Jahren Bürgerschule die vierte Klasse eines Lyzeums.11 Im Feb-
ruar 1905, Marianne Schmidl war 14 Jahre alt, hörte sie einen Vortrag des Polarforschers Nils
Otto Gustav Nordenskjöld (1869–1928) über dessen Antarktis-Expedition zwischen 1901 und
1903. Ausführlich schilderte sie anschließend ihrer Mutter von Nordenskjölds Reisebericht.
„Es war wunderschön!“, schrieb Marianne Schmidl gleich zu Beginn.12
Offensichtlich bemüht, ihrer Tochter eine sehr gute und für Mädchen zur damaligen Zeit
außergewöhnliche Schulausbildung zu ermöglichen und vermutlich unzufrieden mit dem Un-
terricht im Lyzeum, entschieden die Eltern, dass Marianne Schmidl im Alter von fünfzehn
Jahren im Oktober 1905 auf die Reformschule von Eugenie Schwarzwald (1872–1940) wech-
selte. Diese Schule umfasste ein Mädchenlyzeum mit „Gymnasialkursen, wissenschaftlichen
Fortbildungskursen“ sowie eine „Koëdukationsvolksschule für Knaben und Mädchen“.13
Schmidl besuchte „das 4-klassige Schwarzwald’sche Gymnasium“.14 Eugenie Schwarzwald
lehnte Druck und Gewalt ab und legte Wert auf eine umfassende Bildung, auf Kreativität
sowie auf ein persönliches Verhältnis zu ihren Schülerinnen und Schülern, die sie nicht aus-
schließlich als Lehrerin betrachten sollten.15 Dementsprechend berichtete Schmidl in einem
5 Z.B. Marie Schmidl 1890; 1900; 1906. Vgl. auch HAN ÖNB, Cod. Ser. n.38860; Marie Schmidl: Nach Josefs Tod.
Allein! Mein Leben, 12. September 1916, 8.
6 Vgl. ebd., Leben, 12. September 1916, S. 8.
7 Ebd. Leben, 15. September 1916, S. 17–25 sowie Juli 1918, S. 26–27.
8 Adolph Lehmann 1889, 1368.
9 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fb2a Nat. Bibl. 2604/1921; Schmidl in ihrem Lebenslauf für die Nationalbibliothek in
Wien; Eingangsstempel vom 20. Mai 1920.
10 Geburtenbuch der Gemeindeverwaltung Berchtesgaden 1890, Nr. 110.
11 UAW, PH RA 4.175 Marianne Schmidl; Curriculum vitae, o.D. (vermutl. 1915).
12 Privater Nachlass der Familie Schiller; M. Schmidl, 17. Februar 1905, an ihre Mutter. Vermutlich handelte es sich
dabei um einen von insgesamt sieben Vorträgen, die Nordenskjöld in jenem Jahr an der Wiener Urania gehalten
hatte (vgl. Petrasch 2007, 79–80).
13 Mädchen-Lyzeum der Frau Dr. phil Eugenie Schwarzwald 1906; Titelseite.
14 UAW, PH RA 4.175 Marianne Schmidl; Curriculum vitae, o.D. (vermutl. 1915).
15 Vgl. Holmes 2012, 132.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 155
Brief an ihre Mutter von ihren Zeugnisnoten und ihrer Unzufriedenheit mit der Bewertung in
Mathematik, und auch davon, dass Schwarzwald ihren Schülerinnen die Noten nicht nur
erteilte, sondern diese auch mit ihnen besprach:
„Nach der Zeugnisverteilung rief mich Frl. Dr. herein und frug mich, wie ich mit d. Noten
zufrieden sei. Als ich es ihr nun sagte, hielt sie mir eine lange Lobrede. [...] Zum Schluss
küsste sie mich noch und sagte wir sollten sie doch besuchen da wir allein zu Hause sind. Was
sagst Du dazu?“16
Eugenie Schwarzwald war Jüdin und auch verhältnismäßig viele ihrer Schülerinnen
kamen aus jüdischen Familien.17 Im sozialen Umfeld der Familie von Marianne Schmidl, die
seit der Jahrhundertwende in der Colloredogasse 31 im 18. Wiener Bezirk (Währing) wohnte,
hatte die Mehrheit jüdische Vorfahren.18 Dies entsprach auch dem relativ hohen Anteil jüdi-
scher bzw. konvertierter Personen in der Wiener Kultur- und Gelehrten-Szene jener Jahre.19
die selbst protestantisch getauft war,20 durchaus auch mit dem Judentum vertraut. Kurz vor
ihrem sechzehnten Geburtstag besuchte sie gemeinsam mit ihrem Vater im Sommer 1906 das
Theaterstück „Uriel Acosta“ von Karl Gutzkow (1811–1878) mit Georg Reimers (1860–1936)
und Adolf Sonnenthal (1834–1909) in den Hauptrollen. Sie war fasziniert von der Aufführung,
konnte aber im Nachgang „hier mit niemanden recht darüber reden, denn der Vater ist ja fort“,
sodass sie ihrer Mutter detailliert in einem Brief über viele Seiten hinweg die Vorstellung
schilderte.21 Besonders gut hatte ihr die Szene im dritten Akt gefallen, in der Sonnenthal als da
Silvas auf Uriel einredet, „und er redet so warm auf ihn ein, das [sic] man schließlich selbst
überzeugt wird. Die Religion der Juden, sagt er, hat schon tausende beeindruckt, aber deine
neue Weisheit nicht einmal dich selbst.“22
Wie ihre Mutter schätzte auch Marianne Schmidl Aufenthalte in der Natur. In den Som-
merferien ging sie jeden Tag schwimmen, „sonst lese ich fast den ganzen Tag Sven Hedin,
oder gehe spazieren“.23 Ihre frühe Begeisterung für die Schriften des populären schwedischen
Zentralasien-Forschers Sven Hedin (1865–1952) lässt sich als weiterer Hinweis auf erwa-
chendes Interesse an interreligiösen und interkulturellen Fragen deuten.
Studium an der Universität Wien und erste Berührungen
mit der Volks- und Völkerkunde
Während ihre Schwester Franca im November 1909 „zum Lehramte für die französische Spra-
che [...] als mit Auszeichnung befähigt erklärt“ wurde24, legte Marianne Schmidl im Sommer
1910 die Matura ab25 und entschied sich – obwohl gefesselt von Nordenskjölds und Hedins
der von Schmidl besuchten universitären Veranstaltungen zeigt jedoch, dass sie im ersten Semes-
ter in erster Linie die Ethik-Vorlesung des freigeistigen Philosophen Friedrich Jodl (1849–1914)
16 Privater Nachlass der Familie Schiller; M. Schmidl, o.D., an ihre Mutter.
17 Vgl. Richarz 1997, 86.
18 Familie Schiller, Gespräch 1999.
19 Vgl. z.B. Pauley 1993, 80; Taschwer 2015, 35–37.
20 Vgl. Evangelisch-lutherisches Pfarramt Bad Reichenhall; Kirchenbuch 1890, 4.
21 Die Mutter hielt sich zu dieser Zeit mit der jüngeren Tochter Franca am Tegernsee auf.
22 Privater Nachlass der Familie Schiller; M. Schmidl, 5. Juni 1906, an ihre Mutter (Poststempel).
23 Ebd.; M. Schmidl, o.D., an ihre Mutter.
24 Ebd.; Lehrbefähigungs-Zeugnis, Frl. Schmidl, Franziska, Wien, 2. Dezember 1909.
25 Vgl. UAW, PH RA 4.175 Marianne Schmidl; Curriculum vitae, verfasst von M. Schmidl (vermutl. 1915).
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 157
Abb. 5.1
Marianne Schmidl (r.) mit ihrer Familie.
Abb. 5.2
Marianne Schmidl, o.J.
158 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
besuchte.26 Dieser liberale Gelehrte, mit dem Schmidl gleich zu Beginn ihres Studiums in
Kontakt kam, hatte neben Philosophie auch Geschichte und Kunstgeschichte studiert, engagier-
te sich für einen breiten Bildungszugang, forderte die Selbstverständlichkeit einer „Höheren
Religion im Allgemeinen wie der katholischen Kirche im Besonderen, nicht zuletzt auf das
österreichische Schulwesen. In diesem Sinne setzte er sich als Mitbegründer der „Deutschen
Gesellschaft für Ethische Kultur“ für den Ethik-Unterricht anstelle des Faches Religion an den
staatlichen Schulen ein.27
In den folgenden fünf Semestern widmete sich Schmidl konsequent dem Studium der
Mathematik und Theoretischen Physik, wobei zu ihren Lehrern vor allen die Mathematiker
Karl Gustav Kohn (1859–1921) und Wilhelm Wirtinger (1865–1945) sowie die Physiker
Friedrich Hasenöhrl (1874–1915), Ernst Lecher (1856–1926), Franz S. Exner (1894–1926)
und Felix Ehrenhaft (1879–1952) zählten. Wie sehr Schmidl von diesen Fächer – zumindest
zunächst – gefesselt war, bezeugt ein Brief an ihre Eltern, in dem sie ihnen eigene naturwis-
senschaftliche Beobachtungen und Überlegungen schilderte.28 Schmidl interessierte sich je-
doch auch für andere Fachbereiche, wie schon ihr Besuch der Ethik-Vorlesung im ersten Se-
mester zeigte. So hörte sie im dritten Semester bei dem Archäologen Emil Reisch (1863–1933)
„Erklärungen antiker Bildwerke“.29 Im Wintersemester 1912/13 beteiligte sich Schmidl erst-
mals an einem „Seminar für Ethnographie“, das der Leiter des k.k. Museums für österreichi-
sche Volkskunde Michael Haberlandt (1860–1940) anbot,30 der 1911 auf der Tagung der Deut-
schen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte im Anschluss an den
Vortrag von Bernhard Ankermann (1859–1943) als Kritiker der Kulturkreislehre hervorgetre-
ten war. Auch im darauffolgenden Sommersemester 1913 machte dieses Seminar von Haber-
landt zwei Stunden im Wochenplan von Schmidl aus, während sie weiterhin Mathematik stu-
dierte.31 Ganz offensichtlich faszinierten sie die Themen, die bei Haberlandt diskutiert wurden,
denn sie trat 1913 dem „Verein für Österreichische Volkskunde“ bei und bezog die „Zeitschrift
für Österreichische Volkskunde“.32 Haberlandt zählte Schmidl schon bald zu seinen „bewähr-
ten und eifrigen Hörer[n] und Hörerinnen“ und erachtete sie für ausreichend kompetent und
außerdem für vertrauenswürdig genug, sie noch im selben Jahr mit „direkte[r] Aufsammlungs-
tätigkeit im Feld selbst“ zu beauftragen.33 Seit 1912 Mitglied im Alpen-Skiverein,34 reiste
Schmidl hierfür nach Umhausen im Ötztal, wo sie eine Reihe von unterschiedlichen Alltags-
gegenständen und Arbeitsgeräten erwarb. Sie schrieb Haberlandt zwar nicht „wegen jeder
Kleinigkeit“, unterrichtete ihn aber ausführlich über bereits getätigte Ankäufe und bestehende
Angebote und hoffte letztens, „keine Duplikate angekauft oder sonst reingefallen“ zu sein.35
Als Haberlandt schließlich öffentlich mit „lebhaften Dank [...] der eifrigen und erfolgreichen
Bemühungen“ um „Vermehrung unserer Sammlungen“ gedachte, erschien Schmidls Name in
einer Reihe mit denen von Hella von Schürer (1893–1976), der späteren Ehefrau von Rudolf
Pöch (1870–1921), Eugenie Goldstern (1884–1942), Oswald Menghin (1888–1973) und
26 UAW, Nat. Phil. Fak., WS 1910/1911, A-Z; Frauen, Eintrag von Marianne Schmidl.
27 Jodl stand dem Wiener Volksbildungsverein vor und popularisierte seine wissenschaftlichen Erkenntnisse bei
öffentlichen Vorträgen. Zu Jodl vgl. Fink 2014.
28 Privater Nachlass der Familie Schiller, M. Schmidl, o.D., an Mutter und Vater.
29 UAW, Nat. Phil. Fak., WS 1911/1912, L-Z; Frauen, Eintrag von Marianne Schmidl.
30 UAW, Nat. Phil. Fak., WS 1912/13, L-Z; Frauen, Eintrag von Marianne Schmidl.
31 UAW, Nat. Phil. Fak., SS 1913, N-Z; Frauen, Eintrag von Marianne Schmidl.
32 Verein und k.k. Museum für österreichische Volkskunde 1913a, 74.
33 M. Haberlandt 1913, 65.
34 Der Schnee 1912, 7.
35 Archiv des Museum für Volkskunde in Wien, Inventarakt 1913–1915, Inv. Nr. 32.621-642; M. Schmidl, 1913
(ohne genaues Datum), an „Regierungsrat“ Haberlandt.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 159
Arthur Haberlandt (1889–1964).36 Neben dem Erwerb neuer Gegenstände für das Volkskunde-
museum hatte sich Schmidl auch dem „Flachsbau und der Flachsbereitung“ selbst gewidmet.
Ihre Studien mündeten in ihre erste Publikation, die noch im selben Jahr, also 1913, in der
„Zeitschrift für Österreichische Volkskunde“ erschien.37 Wann genau Schmidl für sich ent-
schied, ihr Mathematik- und Physik-Studium ganz aufzugeben und statt dessen ab Winterse-
mester 1913/14 Ethnologie im Hauptfach und Anthropologie und Prähistorische Archäologie
im Nebenfach zu studieren,38 ist bislang nicht zu rekonstruieren. Als sie im September nach
Wien zurückkehrte,39 war jedoch ganz deutlich die Entscheidung gefallen: Schmidl besuchte
die Vorlesung und Übungen bei Moritz Hoernes (1852–1917) zur „Prähistorische Formenlehre“,
Lehrveranstaltungen zur Anthropologie und Ethnographie bei Pöch sowie zur „Germanische[n]
Geographie u. Ethnogr.“ bei Rudolf Much (1862–1936); später zählten außerdem der Geograph
Eugen Oberhummer (1859–1944) und weiterhin Michael Haberlandt zu ihren Lehrern,
während sie bei dem Prähistoriker Menghin nur eine einstündige Übung besuchte.40
Im Rahmen ihres im Oktober 1913 begonnenen Volontariats am Volkskunde museum und
gemäß Michael Haberlandts Forderung, den Forscherblick über die Grenzen der Vielvölker-
monarchie hinaus auch auf andere Länder zu richten41, arbeitete Schmidl gemeinsam mit
Eugenie Goldstern an einer „Sonderausstellung der großen ethnographischen Sammlung aus
dem Baskenlande“.42 Zusammengetragen hatte jene Sammlung der Mediziner, Volkskundler
und außerdem Mäzen des Volkskunde museums und Förderer von Goldstern43, Rudolf
Trebitsch (1876–1918). Schmidl, Goldstern und Trebitsch verband nicht nur ethnographisches
war, war Trebitsch 1910 – wie zuvor Schmidls Vater – vom Judentum zum Protestantismus
konvertiert. Nun wurden Trebitschs „bedeutende[n] Sammlungseinkäufe [...] vom Kustos Dr.
A. Haberlandt unter Beihilfe von Fräulein E. Goldstern und Fräulein M. Schmidl ordnungsge-
mäß gebucht und magaziniert“.44 Eine weitere Aufgabe von Schmidl bestand in der Erstellung
des Sachregisters des 19. Bandes der „Zeitschrift für Österreichische Volkskunde“.45 Ihre
36 M. Haberlandt 1913, 65 (Tätigkeitsbericht für 1912).
37 Schmidl 1913.
38 UAW, PH RA 4.175 Marianne Schmidl; Curriculum vitae, verfasst von M. Schmidl (vermutl. 1915) und SMB-PK,
Ethnologisches Museum, I/MV, Akt Schmidl; Lebenslauf, verfasst von M. Schmidl am 20. Dezember 1915.
39 Archiv des Museum für Volkskunde in Wien, Inventarakt 1913–1915, Inv. Nr. 32.621–642; Schmidl, 1913 (ohne
genaues Datum), an „Regierungsrat“ Haberlandt.
40 UAW, Nat. Phil. Fak., WS 1913/14, L-Z; SS 1914, L-Z); WS 1914/15, R-Z; SS 1915, L-Z, jeweils Frauen, Einträge
von M. Schmidl.
41 Michael Haberlandt hatte nach seinem Studium der Indologie und Sprachwissenschaften 1882 bei dem Linguisten,
Ethnographen und Sanskrit-Professor Friedrich Müller (1834–1898) promoviert. Durch Haberlandts „Eintritt in
die damals erst geplante anthropologisch-ethnographische Abtheilung des k.k. naturhistorischen Hofmuseums in
Wien im Sommer 1884 erhielt“ er, so schrieb er selbst, „zum ersten Male den Impuls, mich mit Allgemeiner Eth-
nographie zu befassen“ (ÖStA, AVA, U.-Allg. 181/1893, Michael Haberlandt Curriculum vitae Mai 1892). Wäh-
rend M. Haberlandt 1885 die erste Nummer der Zeitschrift für österreichische Volkskunde herausgab, publizierte
-
gang über die Erde Völker vor, deren Kulturgrad der allerverschiedenste ist. Von den tiefststehenden Völkergestal-
ten [...] steigt sie auf bis zu den großen Nationen Europas [...]“ (1898, 8–9). 1892 habilitierte sich Haberlandt als
Erster in der k.u.k. Monarchie für Ethnographie an der Universität Wien.
42 Verein und k.k. Museum für österreichische Volkskunde 1913a, 260, Herv. im Orig.
43 Vgl. Ottenbacher 1999, 57, 60.
44 Verein und k.k. Museum für österreichische Volkskunde 1913a, 260, Herv. im Orig. Zu Eugenie Goldstern vgl.
Ottenbacher 1999.
45 Vgl. Verein und k.k. Museum für österreichische Volkskunde 1913b.
160 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
V olontariatsstelle lief 1914 aus.46 Im selben Jahr trat Schmidl auch der „Anthropologischen
Gesellschaft“ in Wien bei.47
Michael Haberlandt blieb weiterhin Schmidls Lehrer.48 Hingegen besuchte sie keine Ver-
anstaltungen des Sohnes Arthur Haberlandt, den Schmidl spätestens während der Bearbeitung
von Trebitschs Sammlung näher kennengelernt haben muss. Arthur Haberlandt war nur ein
Jahr älter als Schmidl, hatte aber bereits 1911 bei Hoernes mit seiner Schrift „Prähistorisch-
Ethnographische Parallelen“ promoviert und habilitierte sich 1914. Inwieweit bereits in jenen
Jahren Arthur Haberlandts völkische Gesinnung ausgeprägt war, er diese auch kund tat, und
inwiefern dies für Schmidl zu diesem Zeitpunkt ein Grund gewesen sein könnte, beispielswei-
se seine Vorlesung zur „Ethnographie von Afrika“49 zu meiden, ist noch unklar. Während Ru-
dolf Trebitsch sich kritisch zum ansteigenden Rassismus äußerte, in dem er – unter anderem
unter Berufung auf Franz Boas (1858–1942) – betonte, „daß die geistigen Anlagen bei den
Völkern aller Rassen ursprünglich ungefähr dieselben sind“50 und an die Leitworte der franzö-
-
listischen, chauvinistischen und aggressiven Stimmung“ in die Feldforschung.51 Trebitsch
starb schließlich im Oktober 1918 an den Folgen eines Suizidversuchs. Es habe ihm, so
Michael Haberlandt gegenüber Eugenie Schwarzwald, als diese das Volkskundemuseum
be suchte, „auf der Welt nicht gefallen“.52
Schmidl hatte zwar ihr Studium der Mathematik aufgegeben, ihr Interesse an Zahlen und
Systematik begleitete sie aber auch künftig bei ihren völkerkundlichen Studien. Darüber hinaus
hatte dieses Studium auch im privaten Bereich Folgen: Sie hatte währenddessen Karl Wolf
(1886–1950) kennengelernt, der 1909 seine Lehramtsprüfung in Mathematik und Physik bestan-
den und im Jahr darauf in Physik promoviert hatte. Schmidl traf offensichtlich Wolf während
seiner Zeit als Assistent am Lehrstuhl für Reine Mechanik an der Wiener Technischen Hoch-
schule. Schmidl hatte ihn in das elterliche Haus eingeladen. Auf diese Weise begegnete Wolf
seiner künftigen Frau, Marianne Schmidls jüngeren Schwester Franca. Sie heirateten im Juli
1914 in Salzburg.53 Wolf habilitierte sich 1915 und wurde Privatdozent. 1916 wurde ihre erste
Tochter Hildegard geboren, eineinhalb Jahre später ihre Tochter Notburga. Wolf wurde 1921
zum a.o. Professor und 1924 zum ordentlichen Professor ernannt.54 Dass seine Schwägerin
Marianne ihre mathematischen Kenntnisse künftig mit völkerkundlichen Untersuchungen ver-
knüpfte, schien er eher zu belächeln.55 Dessen ungeachtet war Schmidl ein regelmäßiger Gast im
Hause Wolf. Karl Wolf stand ihr auch bis zu ihrer Deportation unter dem NS-Regime bei.
Ihr Schwager ahnte nicht, dass Schmidls Befähigung zur Verknüpfung ihres mathemati-
schen Wissens mit ihren völkerkundlichen Kenntnissen ihr weit über den gewaltsamen Tod
46 Vgl. UAW, PH RA 4.175 Marianne Schmidl; Curriculum vitae, verfasst von M. Schmidl (vermutl. 1915); SMB-
PK, Ethnologisches Museum, I/MV, Akte Schmidl; Lebenslauf, verfasst von M. Schmidl am 20. Dezember 1915
sowie ein Schreiben von Schmidl, 26. Juni 1920, an den Geheimrat.
47 Vgl. Anthropologische Gesellschaft in Wien 1914–15, [21]. Zu dieser Gesellschaft vgl. auch Ranzmaier 2013.
48 M. Haberlandt 1911.
49 Universität Wien 1914, 56. Nachdem Haberlandt als Kriegsfreiwilliger verwundet vom Balkan zurückkehrte und
vom Kriegsdienst enthoben worden war, führte er im Sommer 1916 für ein halbes Jahr eine Balkan-Expedition
durch. Seit 1918 Beamter am Museum für Volkskunde, übernahm er 1924 nach der Pensionierung seines Vaters
die Museumsleitung. Im selben Jahr wurde er zum außerordentlichen Universitätsprofessor ernannt (zum weiteren
Verlauf seiner Biographie vgl. Bockhorn 1994, 501–516; Geisenhainer 2005, 135, Fn. 285; Reuter 2011, 206;
L. Schmidt 1964).
50 Trebitsch 1917, 212.
51 Schwarzwald 1926, 12. Zu Trebitsch vgl. Hurch 2009; Nikitsch 2005.
52 Schwarzwald 1926, 12.
53 Privater Nachlass der Familie Schiller, Hochzeitsanzeige Franziska Schmidl/Karl Wolf.
54 Ebner, E-Mail 2016. Zu Karl Wolf siehe auch Basch 1950; Dick 1973; Murlasits/Dorfstetter 2013, 337–338.
55 Elisabeth Kleedorfer, Gespräch 2015 und Johann Schiller, Gespräch 2015.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 161
hinaus einen Pioniernamen in einer wissenschaftlichen Disziplin einbrachte, die erst rund
siebzig Jahre später als „Ethnomathematik“ bezeichnet werden sollte. So wird in entsprechen-
den Studien wiederholt auf ihre Dissertation verwiesen56, die sie bereits rund zwei Jahre nach
ihrem Fachwechsel fertigstellte.
Promotion über „Zahlen und Zählen in Afrika“
Marianne Schmidl promovierte 1915 als erste Frau in Österreich in der Disziplin Völkerkunde
mit ihrer Schrift „Zahlen und Zählen in Afrika“. Während sie an dieser Schrift arbeitete, war
es neben Michael Haberlandt und Rudolf Pöch, die „das freundliche Interesse“ ihrer „Arbeit
entgegenbrachten und mit Rat und Tat bewährten“, außerdem Pater Ferdinand Hestermann
(1878–1959), „der in der selbstlosesten Weise jederzeit meine Arbeit unterstützte“.57 Hester-
mann, zwölf Jahre älter als Schmidl, war seit 1893 in der Steyler Mission und nach einigem
hin und her 1907 zum Priester geweiht worden. In dem Monat, Oktober 1915, als Schmidl ihre
Dissertationsschrift einreichte, trat Hestermann jedoch aus dem Orden aus, heiratete und pro-
movierte ein Jahr nach Schmidl mit einer Arbeit über „Die Äquatorialvölker Afrikas“.58
Neben Michael Haberlandt, Pöch und Hestermann bedachte Schmidl auch Carl Meinhof
(1857–1944), zu jener Zeit Professor für afrikanische Sprachen am Hamburger Kolonial-
institut, in ihrer Dissertationsschrift mit Dank. Er habe ihr „manche Anregung“ zukommen
lassen.59
Pöch zeigte sich sehr zufrieden mit der Arbeit seiner Studentin, die „in ihrer Dissertation
das Problem des Zählens primitiver Völker nach dem über ein räumlich begrenztes Gebiet
vorliegendes Material“ behandelt hatte. „Der Umstand“, so Pöch, „dass sie nicht von den
bisher aufgestellten Theorien, sondern von den Tatsachen ausgeht, sowie die räumliche Be-
schränkung auf ein Gebiet, nämlich Afrika, begründen den dauernden Wert der vorliegenden
Abhandlung“. Besonders hob er Schmidls Bibliographie hervor, die „285 Angaben“ umfasste
und damit „wohl den Anspruch auf grosse Vollständigkeit erheben“ dürfe. Schmidl sei es ge-
lungen, „dieses umfangreiche und verschiedene Material zu verarbeiten und in übersichtliche
Weise zu ordnen“. Außerdem zeige sie „bei grosser Vorsicht in ihren Schlüssen eine zweifel-
lose Beherrschung des Stoffes“.60 Pöch erkannte darüber hinaus auch den besonderen Wert
ihrer Arbeit:
„Eine zusammenfassende Behandlung des Zählens der afrikanischen Völker hat noch
nicht existiert; manche Tatsache [...] sind von der Kandidatin zum ersten Male in klarer Weise
ausgesprochen worden. [...] Die Kandidatin hat durch diese wissenschaftlich vollwertige
Arbeit ihre Eignung zur selbständigen Forschung bewiesen.“61
Zweitgutachter von Schmidls Arbeit war Hoernes. Er schloss sich der Beurteilung Pöchs
„vollständig an“.62 Bereits 1915 in den „Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft
Wien“ publiziert, erhielt Schmidls Studie u.a. Aufmerksamkeit über zwei positive Bespre-
chungen durch Meinhof in der „Zeitschrift für Kolonialsprachen“ und in „Dr. A. Petermanns
Mitteilungen“ sowie durch eine Rezension von Bernhard Struck (1888–1971) in der „Zeit-
schrift für Ethnologie“. Schmidls „sehr wertvolle Arbeit“, so Meinhof, bedeute einen „sehr
56 Vgl. z.B. Gerdes 2000, 315; Zaslavsky 1970, 345, 350, 352; 1994, 4; 1999, 14–15, 39ff., 238ff.
57 Schmidl 1915, 166.
58 Zu Hestermann vgl. Geisenhainer 2005, 86–87, Fn. 103; außerdem AG SVD, 28/09-29/H; SVD-Karteikarte von
F. Hestermann sowie UAW, PH RA 4.280 Hestermann; Brief von Eva Lips o.D.
59 Schmidl, 1915, 166.
60 UAW, PH RA 4.175 Marianne Schmidl; Pöch, 28. Oktober 1915.
61 Ebd.
62 UAW, PH RA 4.175 Marianne Schmidl; Hoernes, 28. Oktober 1915.
162 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
wichtigen Beitrag zur Aufklärung der Geschichte der afrikanischen Sprachen“.63 Er begrüßte
Schmidl gewissermaßen im Kreis der Experten, indem er sich „dieses Zuwachses an ernster
Mitarbeit in afrikanischen Sprachen“ freute.64 Meinhof schätzte nicht zuletzt „ihr maßvolles
und verständiges Urteil“.65
Struck vermisste zwar ein „abgerundetes Gesamtergebnis“ ebenso wie einen „Vergleich
mit den von den Ethnologen unabhängig von allen Sprachgruppierungen abgesonderten Kul-
turkreisen und -schichtungen“, führte dies jedoch darauf zurück, dass Schmidl eine Haber-
landt-Schülerin sei, der ja „bekanntlich die Kulturkreismethode grundsätzlich ablehnt“.66
Nichtsdestotrotz lobte auch Struck die „sehr bemerkenswerten Ergebnisse“ und hoffte, „daß
Verf. auch für die Südsee eine ähnliche Studie noch folgen lassen wird“.67
Als der Steyler Missionar und Naturwissenschafter Damian Kreichgauer (1859–1940) in
einer Rezension die Studie „Das Rechnen der Naturvölker“ des Mathematikers Ewald Fett-
weis (1881–1967) kritisierte, dieser habe „[e]thnologische und historische Gesichtspunkte [...]
-
in hätte der Verfasser von Marianne Schmidl in der Arbeit ‚Zahl und Zählen in Afrika’ man-
ches lernen können.“68 Ausführlich widmete sich hingegen der Sprachwissenschafter Her-
mann Jacobsohn (1879–1933) in seinem Beitrag „Zahlensystem und Gliederung der
indogermanischen Sprachen“ diesem „ausgezeichneten Aufsatz von Marianne Schmidl [...],
dessen Kenntnis ich einem Manuskript P. W. Schmidt verdanke“.69
Der US-amerikanische Mathematiker David Eugen Smith (1860–1944), der an der Co-
lumbia-University künftige Lehrer ausbildete und im Laufe seines Lebens eine umfangreiche
Sammlung von Materialien zur Geschichte der Mathematik weit über die Grenzen Nordame-
rikas und Europas hinaus anlegte, bewertete Schmidls Dissertation 1923 in seiner „History of
Mathematics“ als „the standard authority on the number systems in Africa, together with a full
bibliography“.70 Bis heute wird auf Schmidls Dissertation verwiesen, „qui reste fondamentale
par la richesse de son information“.71
Tätigkeiten an verschiedenen Museen in Deutschland
Durch den Kriegseinsatz vieler männlicher Kollegen konnten nun verstärkt Frauen auf die
dadurch frei gewordenen Arbeitsplätze rücken, wenn auch nur bis „Friedensschluss“, wie An-
kermann vorab klarstellte72, als sich Schmidl an der Afrikanischen Abteilung des Königlichen
Museums für Völkerkunde in Berlin bewarb.73 Von Pöch „warm empfohlen“, nahm Schmidl
nach ihrem Rigorosum am 14. Februar 1916 ihre Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfsarbeite-
rin unter Ankermann an der Afrikanischen Abteilung des Berliner Museums für Völkerkunde
63 Meinhof 1915/16, 251.
64 Ebd., 252.
65 Meinhof 1917, 225.
66 Struck 1920/21, 492.
67 Ebd., 491–492.
68 Kreichgauer 1928, 351, Herv. im Orig.
69 Jacobsohn 1926, 77, Herv. im Orig. Jacobsohn nahm sich zwei Tage nach seiner Suspendierung am 27. April 1933
das Leben (vgl. Maier-Metz 1996).
70 Smith 1923, 14. Zu D. E. Smith vgl. Simons 1945.
71 Gerschel 1962, 693. Siehe auch Schebesta/Höltker 1925, 857; Gonda 1953, 29 sowie die Hinweise in Fn. 51.
72 SMB-PK, Ethnologisches Museum, I/MV, Akt Schmidl; Ankermann, 3. Jänner 1916, an die „Herren Generaldirek-
toren“.
73 Ebd.; Schmidl, 20. Dezember 1915, an die Generalverwaltung der königlichen Museen, Museum für Völkerkunde
in Berlin.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 163
auf74 und wurde im Frühling desselben Jahres Mitglied der „Berliner Gesellschaft für Anthro-
pologie, Ethnologie und Urgeschichte“.75
Schmidl war somit von Beginn an von Vertretern sehr unterschiedlicher Richtungen in die
Fächer Volks- und Völkerkunde eingeführt worden. Ihre ersten intensiveren Berührungen mit
der Volkskunde hatte sie über Michael Haberlandt erfahren. Haberlandt verwies in seinen
allgemeinen Abhandlungen über die Völkerkunde zwar beispielsweise auf Friedrich Ratzel
(1844–1904), aber eben auch auf Adolf Bastian (1826–1905) und konkret auf die Schrift von
Richard Andree (1835–1912), „Ethnographische Parallelen und Vergleiche“ (1878).76 Jeden-
falls stand Michael Haberlandt dem diffusionistischen Ansatz kritisch gegenüber. Vielmehr
ging er von „unzählige[n] Parallelen und Konvergenzerscheinungen (Angleichungen) auf
allen Punkten der Erde“77 aus – eine Überlegung, in der ihn außerdem Felix von Luschan
(1854–1924), Mediziner, Archäologe, Anthropologe, Völkerkundler und Nachfolger Bastians,
bestärkte.78 Ethnologie sei auch nicht, so Haberlandt, nur „Kulturgeschichte; sie ist ebenso
sehr Psychologie des sozialen Menschen als Geschichte desselben“. Die „materielle, soziale
und psychologische Struktur“ der Völker „sind und bleiben das Hauptproblem der
Völkerkunde“.79 Schmidls Doktorvater Pöch vertrat sowohl Völkerkunde als auch Anthropo-
logie mit Schwerpunkt auf letzterer. In Berlin arbeitete Schmidl nun allerdings mit Michael
Haberlandts Kontrahenten Ankermann zusammen. Genau dessen Ausführungen über „Die
Lehre von den Kulturkreisen“ hatte Haberlandt 1911 öffentlich kritisiert. Es liegen jedoch
keine Hinweise vor, dass Schmidl selbst oder die genannten Gelehrten damit ein Problem
hatten. Vielleicht lag es an den jeweiligen Persönlichkeiten, die vermutlich den Wert eines
sachlichen Diskurses erkannten oder an Pöchs Bemühungen, Schmidl „zu genauer und gewis-
senhafter Arbeit und zu vorurteilslosen Betrachtung der Dinge zu erziehen“.80 Pöch versicher-
te jedenfalls Ankermann gegenüber: „Auch mir persönlich bereitet es eine gute Befriedigung,
dass Sie eine Schülerin von mir an Ihrer Abteilung anstellen.“81 Es mag auch sein, dass
Schmidl, deren Eltern unter anderem politisch unterschiedliche Ansichten vertraten, mit einer
konstruktiven Diskussionskultur vertraut war, die offenbar die gegenseitige Wertschätzung
und Zuneigung nicht gefährdete. Auch in der Schwarzwald-Schule war der „vertrauensvolle
Meinungsaustausch“ als „lohnend und anregend“ empfunden worden. Eugenie Schwarzwald
hatte zu jener Zeit versichert, sie sei „sogar für begründete Einwände besonders dankbar,
wenn sie direkt, rückhaltlos und wohlwollend ausgesprochen werden“.82
Schmidls Zeit in Berlin war für sie von besonderer und weitreichender Bedeutung: Hatte
sich bereits Fritz Graebner (1877–1934), Mitstreiter von Ankermann auf dem Gebiet der Kul-
turkreislehre, ausführlicher mit kulturhistorischen Betrachtungen von Flechtarbeiten in der
Südsee befasst,83 so spielte dieses Handwerk in den auf Afrika konzentrierten Werken von
Ankermann bislang nur eine untergeordnete Rolle.84 Nun gewann er offensichtlich von seiner
wissenschaftlichen Hilfsarbeiterin Schmidl einen sehr guten Eindruck und schlug ihr vor, eine
„Arbeit über die afrikanischen Körbe“ zu schreiben, da er hierfür Schmidl „für geeignet
74 Ebd.; Schmidl, 3. Februar 1916, an Ankermann und Ankermann, 9. Juni 1917, an den Generaldirektor.
75 Vgl. Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 1916, 85.
76 Vgl. M. Haberlandt 1898, 2; 1917, 3–4.
77 M. Haberlandt 1917, 19; Herv. im Orig.
78 Vgl. Luschan 1918. Es handelt sich dabei um einen publizierten Vortrag, den Luschan 1916 in Wien gehalten hatte.
79 M. Haberlandt 1911, 162.
80 SMB-PK, Ethnologisches Museum, I/MV, Akte Schmidl; Pöch, 10. Jänner 1916, an Ankermann.
81 Ebd.
82 Schwarzwald 1907, 21–22.
83 Vgl. Graebner 1905, 41ff.; 1913.
84 Vgl. Ankermann 1905, 70, 82–83.
164 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
hielt“.85 Von großem Vorteil gereichten Schmidl dabei ihre mathematischen Kenntnisse, denn
sowohl die Herstellung selbst, insbesondere eines gemusterten Flechtproduktes, als auch das
Studium desselben im Hinblick auf Technik und vorab festgelegter Ornamentik erfordern
symmetrisches und geometrisches Verständnis.86 In derselben Vorgehensweise, mit der Anker-
mann seine Aufzeichnungen über afrikanische Musikinstrumente angelegt hatte, begann nun
Schmidl zu afrikanischen Körben zu arbeiten.87
sich auch das Familiengefüge ganz wesentlich: Zwei Wochen, nachdem ihre Eltern ihr „durch
-
re, uns angemessenere Wohnung zu beziehen“, erkrankte Josef Schmidl im Juni 1916 und
musste ins Spital gebracht werden. Schmidl wurde „telegraphisch an das Krankenlager ihres
Vaters nach Wien gerufen“.88 Nach „einer schweren Magenoperation“ ging es ihm vorüberge-
hend „wieder einigermassen besser“89 und er konnte auch nach Hause entlassen werden. Hier
starb Josef Schmidl jedoch kurze Zeit später in der Nacht vom 24. auf den 25. Juni 191690 –
einen Tag vor seinem 64. Geburtstag, während des dreiwöchigen Aufenthaltes seiner Tochter
Marianne.91 Beerdigt wurde er „auf der Türkenschanze“.92
In Wien kümmerte sich in der nächsten Zeit Franca Schmidl um die Mutter, die bis zu
ihrem Tod 1934 nicht über den Verlust ihres Mannes hinwegkommen sollte. Marianne
Schmidl, die wieder nach Deutschland zurückgekehrt war, wurde von ihrer Schwester auch
noch über ein Jahr später unterrichtet, in welch „unglückseliger Stimmung“ sich die Mutter
befände, verstärkt nun durch ihren Auszug aus der Colloredogasse, aus der „Wohnung, die
doch der Vater eingerichtet hat“. Vorerst zog die Mutter bei der Tochter Franca ein, die ihre
Schwester Marianne bat, nicht mit „Aufträgen oder Anfragen mehr zur Mutter zu kommen“,
diese sei „kaum fähig, das zu leisten“.93 Später verbrachte Marianne Schmidl mehrfach den
Urlaub mit ihrer Mutter und wurde zu einer wesentlichen Stütze für sie. Dabei schien die
Mutter weniger die Tochter selbst, ihre Interessen und Tätigkeiten wahrzunehmen, als vor
allem Marianne Schmidls „Liebe“ zu empfangen, „die mich mehr als Du es weißt in diesem
letzten schweren Teil meines Lebens aufrecht erhalten hat“.94
Als Schmidl in Berlin tätig war, wirkte dort gleichfalls Felix von Luschan als Professor an
der Universität. Wie Schmidl gebürtiger Österreicher, gleichfalls in Wien akademisch soziali-
siert und zwei Jahre jünger als ihr Vater, hatte Luschan seit 1885 am Berliner Museum vorerst
kommissarisch und ab 1886 als Direktorial-Assistent und damit engster Mitarbeiter Bastians
bis zu dessen Tod gearbeitet. Von 1904 bis 1910 stand Luschan hier der Afrikanisch-ozeani-
schen Abteilung vor, bevor Ankermann die Leitung übernahm.95 Schmidl hatte in Berlin zwar
85 UAL, Ethnologie Re XXXV; Ankermann, 28. April 1939, an Reche.
86 „Although the mathematical aspects of these traditional cultural activities have so far not, or hardly, been recog-
nised by ‚Academia’, this does not render them less mathematical“ (Gerdes 1998, VII). Siehe auch Gerdes 1998,
11–19; Gerdes 2000; Seiler-Baldinger 1991, 4; Zaslavsky 1999, 172–180.
87 Vgl. UAM, NL Ankermann (Skizzen).
88 SMB-PK, Ethnologisches Museum, I/MV, Akte Schmidl; Ankermann am 22. Juni 1916.
89 Ebd.; Schmidl, 22. Juni 1916, an Ankermann.
90 Vgl. HAN ÖNB, Cod. Ser. n.38860, Marie Schmidl: Nach Josefs Tod. Allein! Mein Leben, 14. Oktober 1933,
S. 42.
91 Vgl. SMB-PK, Ethnologisches Museum, I/MV, Akte Schmidl.
92 Vgl. HAN ÖNB, Cod. Ser N. 38860, Marie Schmidl, An meine liebe Tochter Marianne Schmidl, am 3. Mai 1933.
Mit „Türkenschanze“ muss der Döblinger Friedhof in Wien gemeint sein.
93 Privater Nachlass der Familie Schiller; Franca Schmidl, 26. Oktober 1917, an Marianne Schmidl.
94 HAN ÖNB, Cod. Ser N. 38860; Marie Schmidl, An meine liebe Tochter Marianne Schmidl, 3. Mai 1933.
95 Vgl. Stelzig 2004, 89, 129.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 165
selten für Luschan selbst gearbeitet.96 Er hatte aber „doch oftmals Gelegenheit gehabt“,
Schmidls „Arbeit beurteilen zu können“.97 In dem Jahr, in dem Schmidl in Berlin tätig war,
hielt Luschan auf der Jahrestagung der Anthropologischen Gesellschaft in Wien seinen Vor-
trag über „Zusammenhänge und Konvergenz“,98 in dem er – wohl auch durch seinen Vorgän-
-
mene in verschiedenen Regionen nicht nur auf Diffusion zurückzuführen, sondern auch
parallele, voneinander unabhängige Entwicklungen in Erwägung zu ziehen. In dieser Hinsicht
war er sich weniger mit seinem Berliner Kollegen Ankermann als vielmehr mit Michael Ha-
berlandt einig.99 Möglicherweise war es eben jener Aufenthalt in Wien anlässlich seines
Vortrages, währenddessen Luschan sich mit Pöch über Schmidl austauschte. Luschan hatte
1892 allgemein „in seinem jüdischen Mitbürger nicht nur den lebenden Zeugen und Erben
einer uralten und ehrwürdigen Kultur, sondern [...] seinen besten und treuesten Mitarbeiter
und Streitgenossen im Kampfe um die höchsten Güter dieser Erde, im Kampfe um den
Fortschritt und um die geistige Freiheit“ gesehen,100 und einige Jahre später erklärt, es gäbe
„nur eine jüdische Religionsgemeinschaft, keine jüdische Rasse“.101 Schmidl aber sähe jü-
disch aus, und darüber diskutierte Luschan mit seinem Wiener Kollegen. Pöch war „über-
rascht“, als Luschan „von einem an Japan erinnernden jüdischen Typus der bewussten jungen
Dame“ sprach:
„Ich hatte früher nie etwas von einer jüdischen Abstammung gehört, und auch nicht ver-
muthet; in den Akten erschienen ihre Eltern ebenso wie sie ‚evangelisch‘, ich fand auch im
Aussehen, Sprache o[der] Gehaben weder bei ihr selbst noch ihren Eltern etwas, das mich auf
die Idee jüdischer Abstammung geführt hätte.“102
Der Korrespondenz nach war Luschans Ehefrau Emma, eine Tochter des aus einer Pfar-
rersfamilie stammenden Protestanten und etablierten Geologen Ferdinand von Hochstetter
(1829–1884), durch Schmidls in Frage kommende jüdische Herkunft beunruhigt. Jedenfalls
schrieb Schmidls Doktorvater Pöch an Luschan: „Die Besorgnisse von Frau Geheimrat sind
also grundlos, ich bitte das mitzuteilen.“103 Luschan war über diesen Brief erstaunt und notierte:
„Es ist curios, dass Pöch nicht merkt, dass diese junge Dame rein jüdisch aussieht. Ebenso sah
ihr Vater rein jüdisch aus. Als wir in Wien am akad. Gymn. studierten, war er noch Jude, wie
übrigens fast alle Schüler dieses Gymnasiums.“ Vermutlich stand Schmidl unmittelbar mit
seiner Frau Emma in dieser Angelegenheit im Austausch, denn Luschan beendete seine Notiz
mit dem Satz: „Inzwischen schrieb Frl. S an E., dass ihre Mutter Christin sei usw.“104
Bleiben auch einige Fragen zur Motivation jenes Gedankenaustauschs offen, so wird hier
einmal mehr deutlich, dass zu jener Zeit in den gebildeten Kreisen weitgehend bekannt war
und dies auch Gesprächsstoff bildete, wer jüdisch war oder auf jüdische Vorfahren blicken
konnte.105
96
Luschan; z.B. Schmidl, 29. August 1916, an Luschan.
97 SBB-PK, Handschriftenabteilung, NL Felix von Luschan; Schmidl, 9. Jänner 1920, an Luschan.
98 Publiziert wurde dieser Vortrag zwei Jahre später (Luschan 1918).
99 Sekundär hierzu Stelzig 2004; Six-Hohenbalken 2009, insb. 176–184.
100 Luschan 1892, 100.
101 Luschan 1907, 370.
102 SBB-PK, Handschriftenabteilung, NL Felix von Luschan, Pöch, Rudolf, Bl. 240–241; Pöch, 15. März 1917, an
Luschan.
103 Ebd.
104 Ebd.; Handschriftl. Notiz aus dem Jahr 1917 (ohne genaues Datum) von Luschan, auf dem Brief von Pöch vom
15. März 1917.
105 Vgl. z.B. SMVD, NL Bernhard Struck, Schriftwechsel; Struck, 7. August 1932, an Carl Uhlig und Struck, 28. Au-
gust 1939, an Reche. Siehe auch Taschwer 2015.
166 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
verhielt sich Schmidl gegenüber offensichtlich auch nicht ablehnend, sondern versuchte sie zu
fördern, wie noch aufgezeigt wird – , jedoch sprach sich nur eine Minderheit derart deutlich
gegen Judenfeindlichkeit aus, wie es beispielsweise der Südamerikaforscher und Leiter des
Stuttgarter Linden-Museums, Theodor Koch-Grünberg (1872–1924) nach Ende des Ersten
Weltkrieges tat:
„Mir ist es sonst gleichgültig, was für politische Ansichten meine Freunde haben, und ich
breche den Verkehr nur ab, wenn es mir gar zu bunt kommt. Ich habe seit Kriegsschluss schon
viele Briefe mit dem Ausland gewechselt, aber dabei, wenn es nur irgend ging, grundsätzlich
vermieden, über Politik zu schreiben. Nur von den für mich wahnsinnigen Vertretern einer
politischen oder Geistes-Richtung, den Antisemiten, halte ich mein Haus frei; und wenn einer
oder eine in meinem Hause auch nur halbwegs solche wüsten Schimpfereien gegen diese
Sündenböcke einer verlorenen Gewaltpolitik äussert, wie ich sie heute von Ihnen gelesen
habe, dann vergisst der oder die Betreffende das Wiederkommen.“106
Zu jenem Zeitpunkt, als Luschan und Pöch schriftlich über Schmidls Herkunft diskutier-
ten, hatte ihr der vielfach geehrte Koch-Grünberg107 bereits zugesagt, im Sommer desselben
Jahres bei ihm als Assistentin arbeiten zu können. Ankermann äußerte gegenüber dem Gene-
raldirektor Wilhelm von Bode (1845–1929): „Ich möchte dazu bemerken, dass Frl. Schmidl
sich sehr gut eingearbeitet und durchaus bewährt hat, und daß es mir leid tut, sie zu verlieren.“108
Bei Schmidl bedankte sich Ankermann „für die der afrikanischen Abteilung geleisteten Diens-
te“ und wünschte ihr „für ihre neue Tätigkeit bei dem Linden-Museum in Stuttgart den besten
Erfolg“.109
Im September 1917 begann Schmidl für rund zweieinhalb Jahre in der Afrikanischen Ab-
teilung des Linden-Museums zu arbeiten, wo sie in Abwesenheit Koch-Grünbergs „Dank dem
freundlichen Entgegenkommen“ des Kustos Heinrich Fischer sich bald „in Stuttgart schon
ganz gut zurecht“ fand.110 In den nächsten zwei Jahren gestaltete sich jedoch das Verhältnis zu
Fischer zunehmend negativ. Schmidl beklagte sich, Fischer spiele sich ihr gegenüber „als
Direktor“ auf111, und offensichtlich gab es darüber hinaus einige weitere Spannungen am Mu-
seum.112 Zwischen Schmidl, Koch-Grünberg und dessen Frau entwickelte sich hingegen
schnell ein recht vertrauensvolles Verhältnis, und Schmidl war froh, wenn Koch-Grünberg
106 Vk Mr, Akt 29; Koch-Grünberg, 1. Juni 1920, an Hermann Schmidt (Brasilien), der Koch-Grünberg früher in
Brasilien und Venezuela begleitet hatte.
107 1914 wurde Koch-Grünberg die venezolanische Auszeichnung der Büste Simon Bolivars III. Kl. verliehen. 1917
erhielt er von der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte die Rudolf Virchow-Pla-
kette und von der Berliner Gesellschaft für Erdkunde die Silberne Karl Ritter-Medaille. Der Verein für Völkerkun-
de in Leipzig ernannte Koch-Grünberg zum Ehrenmitglied. Neben weiteren Ehrenmitgliedschaften war er u. a.
korrespondierendes Mitglied der k.k. Geographischen Gesellschaft in Wien und der Anthropologischen Gesell-
schaft in Wien.
108 SMB-PK, Ethnologisches Museum, I/MV, Akt Schmidl; Ankermann, 9. Juni 1917, an den Generaldirektor der
Kgl. Museen in Berlin.
109 Ebd. Schmidl; Ankermann, 14. Juni 1917, an Schmidl.
110 Vk Mr, Akt 23; Schmidl, 4. September 1917, an Koch-Grünberg. Nach dem „Meldebuch für Kranken-, Invaliden-
und Hinterbliebenen-Versicherung“ war Schmidl vom 3. September 1917 bis zum 1. Juni 1920 in Stuttgart tätig.
In jenem Meldebuch erscheint sie zudem als wissenschaftliche Hilfsarbeiterin (Archiv des Lindenmuseums Stutt-
gart 1915–1923, II B 1, Meldebuch für Kranken-, Invaliden- und Hinterbliebenen-Versicherung vom Museum f.
Länder- u. Völkerkunde Lindenmuseum Stuttgart). Laut Bescheinigung von Koch-Grünberg vom 28. August 1920
war sie „vom 1. September bis 31. Mai 1920 als Assistentin im Dienste des Lindenmuseums [...] und ist wegen
Gleichfalls wird sie in der Publikation des Württembergischen Vereins für Handelsgeographie (Hg.) als Assistentin
genannt (1932, 6) und des Württembergischer Verein für Handelsgeographie, Museum für Länder- und Völkerkun-
de, Lindenmuseum Stuttgart (1939, 8).
111 Vk Mr, Akt 27; Schmidl, 3. August 1919, an Koch-Grünberg.
112 Vgl. ebd.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 167
selbst am Museum anwesend war.113 Auch politisch schienen sie einige Ansichten zu teilen:
Koch-Grünberg, der „schon seit langen Jahren vor dem Krieg“ die Ideen der Sozialisten und
„herzlichsten Wünschen für das kommende Jahr“ auch Schmidls Zeile, das „russische Frie-
densprogramm“ fände sie „durchaus vernünftig, – wenn es in seiner Gänze durchgeführt
wird“.114 Nach eigenen Angaben war sie zu jener Zeit „für einige Wochen“ Mitglied der Sozi-
aldemokratischen Partei Württembergs.115
Im Verlauf ihrer Tätigkeiten an unterschiedlichen Museen, ihrer Korbstudien, die sie fort-
führte, und ihrer späteren Arbeitssuche, kam Schmidl mit einer Reihe von Völkerkundlern
zusammen und hielt den Kontakt oft auch in den folgenden Jahren aufrecht. So hatte sie ihren
Urlaub, den sie im Sommer 1918 mit ihrer Mutter im bayerischen Birkenstein verbrachte, mit
Besuchen im Münchner Völkerkunde-Museum verknüpft, wo sie mit dem Direktor Lucian
Scherman (1864–1946) im Einverständnis mit Koch-Grünberg auch über den möglichen
Tausch von Dubletten sprach.116 Mit Ankermann blieb sie in Verbindung, und in seinem „schö-
nen Heim“ konnte Schmidl „bis auf weiteres wohnen“, als sie zu Studienzwecken im Spät-
sommer 1919 in Berlin weilte.117
Auf Arbeitssuche
Weihnachten 1919 wusste Schmidl bereits von ihrer bevorstehenden Entlassung „infolge
118 aus dem Linden-Museum, und auch Luschan hatte davon erfah-
ren. Er teilte ihr schriftlich mit, bei ihm würde eine Hilfsarbeiterstelle frei werden. Schmidl
befürchtete jedoch, soweit habe sie „Berlin im Sommer kennengelernt“, dass es einem „dort
ganz unmöglich“ sei, mit zweihundert Reichsmark auszukommen, sei man „noch so beschei-
den“. Sie wolle „ganz offen“ sprechen: „Meine Verhältnisse gestatten mir nicht, auch den
geringsten Zuschuss von zu Hause zu erwarten.“ Sie hoffte aber, es sei eventuell „möglich
mehr herauszubekommen“.119 Rund zwei Wochen später bat Schmidl Luschan darum, „einige
empfehlende Worte für mich an Herrn Dr. Christian zu richten“. Bei Viktor Christian
(1885–1963)120 wolle sie sich „um eine Assistentenstelle an der anthrop.-ethn. Abteilung des
Wiener Museums“ bewerben. Luschan kam der Bitte nach, Schmidl wies aber darauf hin, mit
einer Entscheidung in Wien sei noch nicht so schnell zu rechnen, „die ganze Organisation des
ehemaligen Hof museums ist selbst noch nicht klar“.121 Offensichtlich erhielt Schmidl jedoch
eine Absage.
113 Ebd.; Schmidl, am 22. August 1917 und am 3. August 1919, an Koch-Grünberg. Koch-Grünbergs Frau versorgte
Schmidl mit Proviant, als diese z.B. im Dezember 1917 nach München reiste (Vk Mr, Akt 25; Schmidl, 26. De-
zember 1917, an Koch-Grünberg) und im Herbst 1920 nach Weimar fuhr (Vk Mr, Akt 29; Schmidl, 18. Oktober
1920 (Poststempel), an Koch-Grünberg).
114 Vk Mr, Akt 25; Schmidl, 26. Dezember 1917, an Koch-Grünberg.
115 Wien ÖNB Akt 39/1938; Schmidl in dem Fragebogen, den sie am 30. September 1938 ausfüllte.
116 Vk Mr, Akt 25; Schmidl, 4. August 1918, an Koch-Grünberg, aus Birkenstein bei München. Im Museum für Völ-
kerkunde in München konnte weder etwas zu dieser Sammlung noch etwas zu einem Herrn Sievers bzw. zu diesem
geplanten Tausch in Erfahrung gebracht werden (Eisenhofer, E-Mail 2003).
Schmidls Mutter kam mit nach Stuttgart und verbrachte offensichtlich auch den Winter in der Stadt (vgl. HAN
ÖNB, Cod. Ser. n.38860; Marie Schmidl: Nach Josefs Tod. Allein! Mein Leben, 22. Februar 1933, S. 33).
117 Vk Mr, Akt 27; Schmidl, 22. August 1919, an Koch-Grünberg.
118 SMB-PK, Ethnologisches Museum, I/MV, Akt Schmidl; Schmidl, 26. Juni 1920, an „Herrn Geheimrat“ am Berli-
ner Museum für Völkerkunde.
119 SBB-PK, Handschriftenabteilung, NL Felix von Luschan; Schmidl, 27. Dezember 1919, an Luschan.
120 Zu Christian siehe Gingrich in diesem Band.
121 SBB-PK, Handschriftenabteilung, NL Felix von Luschan; Schmidl, 30. Jänner 1920, an Luschan.
168 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
Auch Ankermann und Koch-Grünberg unterstützten Schmidl in dem rund einem Jahr, in
dem sie intensiv eine neue Arbeitsstelle suchte, durch die Ausstellung entsprechender Arbeits-
zeugnisse. Noch vor Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in Stuttgart nutzte sie im Frühjahr
1920 einen Aufenthalt im „ausgehungerten Wien“ dazu, „um „wenigstens einiges zu Geld
machen, um für die nächsten Monate gesichert zu sein“122, und um mit M. Haberlandt, Pöch
und Pater Wilhelm Schmidt (1868–1954)123 über Arbeitsmöglichkeiten zu sprechen. Nachdem
Franz Heger (1853–1931) als Leiter der Anthropologisch-Ethnographischen Abteilung des
Naturhistorischen Museums pensioniert worden war, hatte sich Schmidl „natürlich sofort
darum beworben“ und bemühte sich „nun mein Gesuch mit allen möglichen Mitteln zu stüt-
zen“. Außerdem hoffte sie nun auch auf eine Arbeitsmöglichkeit in der Nationalbibliothek, der
„vormaligen Hofbibliothek […], wo allerdings keine Stelle momentan frei ist, aber ein grosser
Mangel an wissenschaftlichen Beamten herrscht“. Koch-Grünberg bat sie, „schöne, empfeh-
lende Zeugnisse oder Gutachten“ an den Bibliotheksdirektor Josef Donabaum (1861–1936)
sowie an den Nachfolger Hegers, den „Kustos Priv. Doz. Dr. Josef Bayer“ (1882–1931) im
„Naturhistorischen Staatsmuseum, Prähistorische Abteilung“ zu senden:124
„Lieber Herr Professor, nehmen Sie es mir nicht übel, dass ich Sie so mit meinen Angele-
genheiten belästige – ich würde nicht so unbescheiden sein, wenn es nicht um meine Existenz
ginge. Wenn diese Pläne scheitern, so weiss ich wirklich nicht mehr, was ich anfangen soll.
Entschuldigen Sie auch, wenn ich Sie bitte, mich etwas heraus zustreichen – hier in Wien ist
man gewöhnt, in solchen Dingen stark aufzutragen; auch wäre ich dankbar, wenn Sie das
Schriftstück mit einem möglichst grossen Museumsstempel versehen wollten, bei uns legt
man noch auf alle diese Dinge Gewicht, und bitte ja express und eingeschrieben zu senden,
sonst ist alles zu spät.“125
Koch-Grünberg erfuhr jedoch schließlich von Schmidl, dass es mit der „Stellung am Mu-
seum“ in Wien „leider schlecht“ stünde: „[I]ch fürchte die ganze Mühe war in dieser Bezie-
von P. Schmidt, mir da überhaupt Hoffnungen zu machen.“ Für eine künftige Tätigkeit hoffte
Schmidl unter anderem auch über Wehrli126 etwas erreichen zu können sowie über den schwe-
dischen Südamerika-Experten Erland Nordenskiöld (1877–1932), Direktor der Ethnographi-
schen Abteilung des Göteborg Museum und ein Freund von Koch-Grünberg.127
Während eine weitere Bewerbung Schmidls um eine Stelle als wissenschaftliche Hilfs-
kraft in der Abteilung für Urgeschichte im Berliner Museum trotz Hinweis auf ihr Prähistorie-
Studium bei Hoernes und Menghin ohne Erfolg blieb128, konnte sie ab Mitte Oktober 1920 für
122 Vk Mr, Akt 29; Schmidl, 7. März 1920, an Koch-Grünberg.
123 Zu P. W. Schmidt siehe Blumauer in diesem Band.
124 Vk Mr, Akt 29; Schmidl, o.D. [1920], an Koch-Grünberg. Die Anthropologisch-Ethnographische Abteilung des
Naturhistorischen Museums bestand aus einer Anthropologisch-Prähistorischen Sammlung und einer Ethnogra-
phischen. Bayer war zunächst Hilfskraft am Naturhistorischen Museum, seit 1907 Assistent in der Anthropolo-
gisch-Prähistorischen Sammlung und ab 1918 deren Leiter. Während Bayer als Nachfolger Hegers die Anthropo-
logisch-Ethnographische Abteilung leitete, unterstand innerhalb jener Abteilung Viktor Christian die
Ethnographische Sammlung (vgl. Anonym 1919, 22, 37). 1924 wurde aus den in einer Abteilung zusammengefass-
ten Sammlungen drei getrennte Abteilungen, eine Anthropologische, eine Prähistorische und eine Ethnographi-
sche. Aus dieser Ethnographischen Abteilung wurde 1927 ein selbstständiges Museum für Völkerkunde gegründet
(vgl. Blaha/Jungwirth/Kromer 1966).
125 Vk Mr, Akt 29; Schmidl, o.D. [1920], an Koch-Grünberg.
126 Ve r mu t l i c h h an d e l t e s si c h u m d e n Sc h w e i z er E t h n o l og e n , B u r ma - u n d I n di e n - E x pe r t e n H a ns We h r l i ( 1 87 1 – 1 9 4 5) ,
der zu jener Zeit die Direktion des Geographischen Instituts und der Sammlung für Völkerkunde der Universität
Zürich inne hatte (vgl. Steinmann 1943/44 und 1944/45).
127 Vk Mr, Akt 29; Schmidl, 7. März 1920, an Koch-Grünberg. Auskünfte über die Freundschaft Nordenskiöld –
Koch-Grünberg verdanke ich Michael Kraus, E-Mail 2015.
128 SMB-PK, Ethnologisches Museum, I/MV, Akt Schmidl; Schmidl, 26. Juni 1920, an den Geheimrat.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 169
zwei Monate den Museumsassistenten Freiherr Schenk zu Schweinsberg (1893–1990) am
„Museum für Kunst und Kunstgewerbe“ in Weimar vertreten.129 Neben ihrer Beschäftigung
am Museum mit Kupferstichen und Keramik ging Schmidl auch hier weiterhin ihren Studien
über afrikanische Körbe nach.130 Ihre Hoffnung, diese Arbeit „wenigstens z. T. noch in diesem
Herbst herausgeben zu können“, erfüllte sich jedoch nicht.131
Auch von Weimar aus und im Anschluss an diese Vertretungszeit ging die Suche nach
einer Stelle weiter. P. W. Schmidt berichtete Anfang Dezember 1920 Koch-Grünberg, er sei
„in Angelegenheit von Frl. Schmidl bei H. Prof. Christian, der jetzt an Stelle des pensionierten
Regierungsrat Heger die Ethnographische Abteilung [gemeint ist die Ethnographische
Samm lung in der Anthropologisch-Ethnographischen Abteilung] des Naturhistor. Hofmuseum s
leitet“, gewesen. Er freue sich, „nicht ganz ungünstiges berichten zu können“. Es seien „jetzt
zwei Stellen zu besetzen“ und wenn das „Staatsamt für Unterricht [...] überhaupt eine Dame
anstellen will, so hätte Frl. Schmiedl [sic] noch Aussicht, zunächst auf eine Aushilfsstelle mit
-
gehalt“. Christian habe, so Schmidt, empfohlen, Schmidl möge nun ihre Bewerbungsunterla-
gen und Separata schicken: „Persönlich will es mir scheinen, dass es gut wäre, wenn Frl.
Schmidl möglichst bald nach Wien käme und durch Vermittlung ihr wohlgesinnter Personen
abschließend, „auch Frl. Dr. Schmiedl [sic] mich bestens zu empfehlen und meine angelegent-
lichen Wünsche auf guten Erfolg aussprechen zu wollen“.132
Wieder in Wien, Anstellung an der Österreichischen Nationalbibliothek
Nachdem Schmidl den Jahreswechsel 1920/21 mit ihrer Mutter in Stuttgart verbracht hatte,
reiste sie im Jänner wieder nach Österreich und fand in Wien, wo sie bei der Ärztin Therese
Bettelheim im neunten Bezirk in der Sechsschimmelgasse133 wohnen konnte, die Verhältnisse
wie erwartet vor: „[A]lles zu haben, aber um Preise, die das 6 und 10 fache der Stuttgarter
sind. Es sind schon ganz unhaltbare Verhältnisse und es ist nur ein Wunder, dass dieses ganze
morsche Gebäude so lange zusammenhält.“134
Auf der Monatsversammlung der Anthropologischen Gesellschaft am 9. Februar 1921 bot
sich für Schmidl wohl erstmals die Möglichkeit, ihre Arbeit über afrikanische Korbarbeiten in
einem Vortrag zu präsentieren, in dessen Anschluss sich Arthur und Michael Haberlandt an der
Diskussion beteiligten.135 Bereits zuvor hatte „Dr. Christian [...], das ist jetzt der erste Sekretär
der anthropologischen Gesellschaft“ Schmidl angeboten, „meine Arbeit, wenn es irgend die
Mittel erlauben, in den Mitteilungen zu bringen“. Zum Schreiben kam Schmidl in das Anthro-
pologische Institut, wo sie aber nicht, wie erhofft, Pöch vorfand: „[E]r ist momentan in der
Schweiz und soll dort böse Gallenzustände gehabt haben.“136
129 Archiv der Kunstsammlung zu Weimar, Akt „H Verwaltung, Jahresberichte 1919–1957“, „Bericht des Museums
über das Jahr 1920 (bis April 1921)“ vom 6. Mai 1921. Das Museum für Kunst- und Kunstgewerbe ist nach dem
Ersten Weltkrieg in der Kunstsammlung zu Weimar aufgegangen.
130 Vk Mr, Akt 29; Schmidl, 28. Oktober 1920, an Koch-Grünberg.
131 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fb2a Nat. Bibl. 2604/1921; Schmidl in ihrem Lebenslauf für die Nationalbibliothek in
Wien; Eingangsstempel vom 20. Mai 1920.
132 Vk Mr, Akt 29; P. W. Schmidt, 2. Dezember 1920, an Koch-Grünberg.
133 Vgl. Adolph Lehmann 1925/1, 104.
134 Vk Mr, Akt 31; Schmidl, 21. Jänner 1921, an Koch-Grünberg.
135 Anthropologische Gesellschaft in Wien 1920–21.
136 Vk Mr, Akt 31; Schmidl, 21. Jänner 1921, an Koch-Grünberg.
170 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
Schmidl war bereit, für eine Arbeitsstelle Wien wieder zu verlassen und hoffte, dass Koch-
Grünberg über seine Kontakte zu entsprechenden Personen etwas erreichen könnte.137 Außer-
dem suchte sie P. W. Schmidt in St. Gabriel bei Mödling auf, der ihr nahe legte, sich auch bei
Walter Lehmann (1878–1939) zu bewerben, der in jenem Jahr die Leitung des Forschungs-
und Lehrinstituts am Berliner Museum übernahm.138 Lehmann habe P. W. Schmidt gegenüber
„bei seinem Besuch in Wien erwähnt, dass er für sein neues Institut eine Bibliothekarin suche
resp. Assistentin, die ihm bei der Einrichtung und Ordnung seiner Sammlungen und Notizen
an die Hand gehen könnte“.139 Koch-Grünberg kam Schmidls Bitte nach und empfahl sie auch
bei Lehmann:
„Ich kann sie Ihnen nur aufs Beste empfehlen. Sie hat zuerst längere Zeit bei Ankermann
gearbeitet und war dann zwei Jahre lang meine Assistentin in afrikanischen Fragen, bis wir aus
-
ten gezwungen waren, das Museumspersonal stark zu verringern. – Die ihr übertragenen Ar-
beiten hat Frl. Schmidl stets mit grossem Verständnis und grosser Ordnungsliebe ausgeführt.
Neben guter Erziehung und guter Bildung ist sie ein tapferer Mensch und ein guter Kamerad
in der Mitarbeit. – Sie stammt aus angesehener, ursprünglich wohlhabender Familie, die aber
durch die Ungunst der Zeiten in Schwierigkeiten geraten ist.– Sie würden gut mit ihr fahren
und zugleich ein gutes Werk tun, mir aber einen Gefallen.“140
All diese Bemühungen blieben, trotz der Unterstützung durch verschiedene Kollegen,
ohne Wirkung. Sicherlich gereichte es Schmidl hier zum Nachteil, dass sie eine Frau war, wie
es explizit auch ausgesprochen wurde. Inwieweit ihr bei der Arbeitssuche auch ihre jüdischen
Vorfahren „angelastet“ wurden, kann nur vermutet werden. Sicher ist, dass jener Teil ihrer
Familiengeschichte zumindest einigen Kollegen und Kolleginnen bekannt war und dass der
Antisemitismus, der in Wien in jener Nachkriegszeit erheblich anstieg, sich auch auf die
Stellenvergabe auswirkte.141 In M. Haberlandt, der sich – ähnlich seinem diesbezüglich noch
radikaleren Sohn – zunehmend deutschnational und judenfeindlich äußerte, sowie in
P. W. Schmidt, der generell einen katholisch motivierten Antisemitismus vertrat, hatte Schmidl
jedoch Förderer.142 Immerhin zeichnete sich ab, dass Schmidl Aussichten hatte, in der Natio-
nalbibliothek anzufangen. Sie hatte sich bereits im Mai 1920 dort für eine Praktikumsstelle
beworben, unterstützt durch M. Haberlandt, der „sie schriftlich und mündlich wärmstens emp-
Zeugnis“ von Koch-Grünberg; ihre Fächerkombination war jedoch zu jener Zeit nicht ge-
fragt.143 Erfolg hatte schließlich ihre Bewerbung als Hospitantin, „den bibliothekarischen
Dienst kennen zu lernen“. Schmidl wies darauf hin, dass sie sich „vor allem mit den natur-
137 In ihren Schreiben nennt Schmidl verschiedene Personen, so z.B. Schwörer (vermutlich der Wissenschaftsförderer
Viktor Schwörer (1865–1943) im badischen Kultusministerium), Nordenskiöld (wahrscheinlich Koch-Grünbergs
Freund Erland Nordenskiöld sowie eine Person mit dem Namen Rosen (Vk Mr, Akt 29; Schmidl, 28. Oktober
1920, an Koch-Grünberg, und Vk Mr, Akt 31; Schmidl, 21. Jänner 1921, an Koch-Grünberg).
138 Zu Walter Lehmann vgl. Kutscher 1939; Riese 1983; Smolka 1994, insb. 224–238.
139 Vk Mr, Akt 31; Schmidl, 31. Jänner 1921, an Koch-Grünberg. Das Schreiben ist auf den 31. Jänner 1920 datiert,
Schmidl muss sich aber auch hier bei der Jahreszahl verschrieben haben.
140 Ebd.; Koch-Grünberg, 31. Jänner 1921, an W. Lehmann.
141 Vgl. Pauley 1993, 168; Taschwer 2015, 99–132; zur Situation im Fach in Deutschland und Österreich jener Jahre
vgl. Nöbauer 2008; Hauschild 1997, 749.
142 Vgl. Geisenhainer 2005, 119–121. Zu P. W. Schmidts Unterstützung von Wehrmachtsdeserteuren und mitunter
auch verfolgten Juden während der NS-Zeit vgl. Rohrbacher 2016.
143 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fb2a Nat. Bibl. 2604/1921; Donabaum, 3. Februar 1921, an das Bundesministerium für
Inneres und Unterricht Unterrichtsamt, 10b. Bei diesem Schreiben von Donabaum handelt es sich um die Befür-
wortung eines Gesuchs von Marianne Schmidl um die Zulassung als Hospitantin, das diese im Jänner 1921 ein-
sandte. Aus dem Dokument geht hervor, dass die Gutachten bei einem vorangegangenen Gesuch von Schmidl im
Mai 1920 eingegangen waren.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 171
wissenschaftlichen Disziplinen beschäftigt habe“ und zählte in diesem Kontext neben der Ma-
thematik und Physischen Anthropologie auch die Ethnographie auf.144 Diese auf sechs Mona-
te befristete Tätigkeit konnte sie am 1. April 1921 aufnehmen. Noch vor Ablauf des halben
Jahres beantragte der Direktor der Nationalbibliothek, Donabaum, Schmidl als Praktikantin
für das naturwissenschaftliche Referat aufnehmen zu dürfen. Sie habe sich „nicht nur sehr
-
wiesen“. Würde sie eingestellt werden, sei sie „die einzige naturwissenschaftlich vorgebildete
Fachkraft der Bibliothek“. Es könne dann „ein bisher verwaistes Referat besetzt“ werden und da
„ihr engeres Fachgebiet ein solches ist, das auch für die wichtige geogr. Abteilung der Biblio-
thek (Ethnographie) in Betracht kommt, da ferner die Bibliothek an ihr schon eine geschulte
Kraft besässe, so wäre ihre Aufnahme ein ausgesprochener Nutzen für die Nationalbibliothek“.145
Donabaum ergänzte im November 1921, dass Schmidl sich als Hospitantin „so vorzüglich und
rasch einarbeitete, dass sie schon seit Monaten wie eine vollwertige Beamtin verwendet wer-
den kann und zwar ohne jede Entlohnung. Es ist wohl ein Gebot der Gerechtigkeit, sie endlich
als Praktikantin aufzunehmen.“146
Schmidl schlug sich in diesen Monaten „[m]anchmal auch mehr schlecht als recht“ durch
und wartete „noch immer“ auf ihre „Anstellung“.147 Ende November 1921 nahm Pöchs bishe-
riger Assistent Josef Weninger (1886–1959) im Anthropologisch-Ethnographischen Institut
die Sammlung des Wiener Schriftstellers und Orientreisenden Otto Caesar Artbauer (1879–
1916) entgegen148, damit Schmidl diese hinsichtlich „Lichtbildervorträge über afrikanische
Gebiete nach geographisch-ethnographischen Einheiten (Marokko, Tunis, die Rif-Bewohner,
Algier usf.)“ bearbeiten konnte.149 Für jene Tätigkeit hatte sie Franz Heger, der Schmidl „als
besonders tüchtig“ kannte, beim Unterrichtsamt empfohlen.150 Schmidl hatte zuvor ihre Hono-
rarforderungen von hundert Kronen in der Stunde151 „infolge der Verzögerung der geplanten
Arbeit und der inzwischen erfolgten Teuerung“ einen Monat später auf dreihundert erhöht.152
Es war wohl auch die Zeit, als sie in „München [...] bei Frobenius einige Tage arbeitete“,
wie sie Struck in Dresden berichtete. Sie fragte Struck, ob auch er, der ja wohl auch „regelmäs-
sig für das Institut“, also für das 1920 nach München übersiedelte ehemalige Afrika-Archiv
von Leo Frobenius (1873–1938) tätig sei, „an der Herausgabe des Atlas Africanus mitbeteiligt
144 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fb2a Nat. Bibl. 2604/1921; Schmidl, 12. Jänner 1921, an die Direktion der Nationalbibli-
othek in Wien.
145 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fb2a Nat. Bibl. 15324/1921; Donabaum, o.D. („eingelangt am 15. Juli 1921“), an das
Bundesministerium für Inneres und Unterricht, Unterrichtsamt, Abteilung, 10 b.
146 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fb2a Nat. Bibl. 25537/1921; Donabaum, 28. November 1921, an das Bundesministerium
für Inneres und Unterricht, Unterrichtsamt, Abteilung 10 b.
147 Vk Mr, Akt 33; Schmidl, o.D. (handschriftl. Notiz von Koch-Grünberg: „Antwort Brief 14.4.22, K.-Gr.“), an
Koch-Grünberg.
148 Vgl. ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 D 2 VB 25211/1921; Schmidl, 23. November 1921, an das Bundesministerium für
Inneres und Unterricht, Unterrichtsamt. Weninger unterschrieb, das „Verzeichnis der O. C. Artbauer’schen Samm-
lung“ am 28. November 1921 am Anthropologisch-Ethnographischen Institut entgegengenommen zu haben und
versah die Empfangsbestätigung mit dem Institutsstempel (ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 D 2 VB 23128/1921).
149 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 D 2 VB 21325/1921; Handschriftl. Entwurf eines Schreibens vom 12. Oktober 1921 an
Schmidl.
150 Ebd.; Notiz von Witt, 12. Oktober 1921.
151 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 D 2 VB 23128/1921; Schmidl, 25. Oktober 1921, an das Bundesministerium für Inneres
und Unterricht, Unterrichtsamt.
152 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 D 2 VB 25211/1921; Schmidl, 23. November 1921, an das Bundesministerium für Inneres
und Unterricht, Unterrichtsamt.
172 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
sind?“. Zu jenem Zeitpunkt dachte Schmidl, „vielleicht einige Blätter dafür [zu] bearbeiten“,153
wozu es aber offensichtlich nicht kam.
-
fentlichen Dienst zu sparen bemüht war, konnte Schmidl schließlich am 19. April 1922 ihre
Beschäftigung als Beamtenanwärterin antreten.154 Sie behielt sogar trotz Angestelltenabbau-
gesetz vom 24. Juli 1922 ihren Arbeitsplatz. Das war umso beachtlicher, als u.a. nicht nur
diejenigen aus der Bibliothek ausscheiden sollten, deren Dienstzeit weniger als drei Jahre be-
trug, sondern diese Maßnahme auch zum Abbau von weiblichen Angestellten im öffentlichen
Dienst führte.155 Dass Schmidl von diesen Bestimmungen verschont blieb, hatte sie nicht nur
Donabaums Antrag auf „Sondergenehmigung wegen Unentbehrlichkeit“156 zu verdanken;
ebenso hatte sich P. W. Schmidt für Schmidl eingesetzt. An Koch-Grünberg schrieb sie:
„Wissen Sie übrigens, wem ich letzten Endes hier mein Glück verdanke? P. Schmidt war
es, der mich eigentlich auf die Bibliothek gebracht hat. Er hat sich unaufhörlich auf das Ener-
gischste für mich eingesetzt und da er viele und gute politische Beziehungen hat, konnte ich
braf [?] droben dem Beamtenabbau und Sparvorschriften die Anstellung erhalten.“157
Schmidl berichtete auch Luschan von ihrer Anstellung an der Hofbibliothek und stellte
außerdem im Kontext ihrer Korbstudien konkrete Fachfragen an ihn. „Ich bin nämlich jetzt
glücklich am Abschluss meiner Korbarbeit, die ich nun endlich nach langer Pause wieder
vornehmen konnte.“158
Zum 1. Jänner 1924 erhielt Schmidl nach zweijährigem Vorbereitungsdienst schließlich
den Beamtenstatus.159 Laut einer „Konsignation“ von 1924 arbeitete sie in der Druckschriften-
sammlung als Referentin für „Anthropologie, Naturwissenschaft, Mathematik, Medizin“.160
Dieser Zuständigkeitsbereich wurde offensichtlich in den nächsten Jahren erweitert, denn in
einem Schreiben vom Jänner 1938 erscheint zwar nicht mehr die Anthropologie, jedoch zu-
sätzlich Vor- und Urgeschichte sowie Ethnologie.161 So hatte zwar Schmidl keine Stelle an
einer explizit völkerkundlichen Institution erhalten, ihr Fachwissen war aber, zumindest was
bibliographische und Literaturkenntnisse anbelangte, auch hier gefragt. Für ihre eigenen Stu-
dien und die damit verbundenen Literaturrecherche und -beschaffung war ihre Arbeitsstelle in
Fachkollegen in Kontakt, für die sie mindestens eine der ersten Ansprechpersonen in der
153 SMVD, NL Bernhard Struck, Schriftwechsel; Dieses Schreiben ist ohne Datum; es kann jedoch nicht vor 1922
(1922) dankte. Schmidl muss vor Frobenius Umzug nach Frankfurt im Jahr 1925 in München gewesen sein.
154 Die Ernennung zur Beamtenanwärterin wurde auf den 1. Februar 1922 datiert (ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fb2a Nat.
Bibl. 2636/1922).
155 Vgl. Bader-Zaar/Hämmerle.
156 Donabaum 1968, 605.
157 Vk Mr, Akt 33; Schmidl, 7. Juli 1922, an Koch-Grünberg.
158 SBB-PK, Handschriftenabteilung, NL Felix von Luschan; Schreiben vom 31. Juli 1922.
159 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fb2a Nat. Bibl. 13976/1924; Österreichische Bundesministerium für Unterricht, 30. Juli
1924, an Direktion der Österreichischen Nationalbibliothek. Donabaums Nachfolger Josef Bick, seit 1923 Gene-
raldirektor der Nationalbibliothek, betitelte Schmidl im Oktober 1924 als „Praktikantin“, als er aus „dienstlichen
Gründen“ ihrem Ansuchen, den Studienaufenthalt in Bulgarien verlängern zu dürfen, nicht entsprach (ÖStA, AVA,
U.-Allg. 2Fb6 Nat. Bibl. 23323/1924; Josef Bick, 6. Oktober 1924, an das Bundesministerium für Unterricht).
160 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fc1 Nat. Bibl. 13454/1924.
161 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fb2a Nat. Bibl. 647/1938; Generaldirektor der Nationalbibliothek, Josef Bick, 7. Jänner
1938, an das Bundesministerium für Unterricht in Wien, und ÖNB Wien, Akt 39/1938, handschriftlicher Entwurf
vom 7. Jänner 1938. Bei Trenkler heißt es, Schmidl arbeite als „Referentin für Volkskunde, Naturwissenschaften
und Medizin“ (1973, 102).
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 173
Nationalbibliothek war, zumal 1924 die Universitätsbibliothek über einen längeren Zeitraum
geschlossen blieb.162
Völkerkundliche Studien
Neben ihrem Bibliotheksdienst ging Schmidl wieder ihren wissenschaftlichen Studien nach
und befasste sich außerdem, offenbar bei Wilhelm Czermak (1889–1953), „jetzt viel mit afri-
kanischen Sprachen, wofür Wien eine eigene Lehrkanzel hat“.163 Rudolf Pöch, der im März
1921 gestorben war, hatte auch Schmidl genannt, als er der Österreichische Akademie der
Wissenschaften seine anthropologisch-ethnographische Sammlung vermachte und sie testa-
mentarisch dazu bestimmte, „die Sorge der zweckmässigen Verteilung des Materials an ge-
schulte Fachmänner“ zu übernehmen.164 Während in der folgenden Zeit die neu eingerichtete
Pöch-Kommission unter wesentlicher Mitwirkung von Hella Pöch auch Wissenschafter, die
nicht in Rudolf Pöchs Testament genannt waren, mit der Bearbeitung des Nachlasses beauf-
tragten, wurde Schmidl hierfür nicht herangezogen. Wer genau für diese Entwicklung verant-
wortlich war und ob dies auch mit Pöchs Nachfolger Otto Reche (1879–1966) zu tun hatte, der
im Anschluss an seine Berufung nach Wien im Jahr 1924 an der Diskussion zur Bearbeitung
des Pöch-Nachlasses auf der Sitzung am 26. Jänner 1926 teilnahm, ist unklar.165 Jedenfalls
konnte Walter Hirschberg (1904–1996), nachdem er 1931 bei der Akademie angefragt hatte,
einen Teil von Pöchs Material auswerten und 1936 die Schrift „Völkerkundliche Ergebnisse
der südafrikanischen Reisen Rudolf Pöch’s in den Jahren 1907 bis 1909“ publizieren und sich
auf Grundlage dieser Veröffentlichung 1938 habilitieren.166 Die aus jenem Nachlass resultie-
renden Ergebnisse wurde von der Anthropologischen Gesellschaft in Wien in zwei Reihen,
eine für Anthropologie und eine für Ethnographie, Prähistorie und Linguistik, publiziert.167
Schmidl verfasste in den folgenden Jahren neben ihrer Arbeit an der Nationalbibliothek
Rezensionen168 und nicht zuletzt auf Grundlage eines von P. Wilhelm Koppers (1886–1961)169
ihr eigens zur Verfügung gestellten Manuskripts einen Beitrag über „Naturvölker im Lexikon
der Ernährungskunde“.170 Darüber hinaus hielt Schmidl weiterhin Kontakt zum Museum für
Volkskunde, wo im Jänner 1924 im „Zuge der allgemeinen Abbauaktion der Bundesangestell-
ten“ Michael Haberlandt als Direktor in den Ruhestand versetzt wurde, schließlich aber sein
Sohn Arthur Haberlandt vom Kustos zum Museumsdirektor aufsteigen konnte.171 Zwar hatte
der Staat mittlerweile die Bezahlung einer Reihe von Museumsangestellten übernommen,
dennoch war auch hier „der nahezu unerträgliche wirtschaftliche Notstand“ eingetreten.172
Gerade hatte Michael Haberlandt neben anderen auch Schmidl erwähnt, die sich im Verein
für Volkskunde „auf das Rühmlichste“ betätigt habe,173 als auf Anregung Viktor Lebzelters
(1889–1936) anlässlich des 30-jährigen Bestehens von Verein und Museum für Volkskunde
eine Festschrift für Michael Haberlandt vorbereitet und Schmidl für den Kreis der Autorinnen
162 Vgl. ÖStA, AVA, U.-Allg. 2Fb6 Nat. Bibl. 23323/1924; Schreiben von Bick, 6. Oktober 1924, an das Bundesmi-
nisterium für Unterricht.
163 Vk Mr, Akt 33; Schmidl, 7. Juli 1922, an Koch-Grünberg.
164 AÖAW, „Pöch-Komission“; Testament (Abschrift) von Rudolf Pöch, 6. August 1920.
165 Sienell, E-Mail 2003. Vgl. auch Sitzungsprotokolls vom Dezember 1925 (aus AÖAW 74, Handakt Pittioni/1959).
166 Zu Hirschberg siehe Baldwin in diesem Band sowie Gingrich 2018.
167 Zum Pöch-Nachlass vgl. Berner 2005, 178–181; Stangl 2000, 187–210.
168 Schmidl 1921; 1923a; 1924.
169 Zu Koppers siehe Rohrbacher in diesem Band.
170 Schmidl 1923b.
171 M. Haberlandt 1924a, 21.
172 Ebd., 23.
173 M. Haberlandt 1924b, 102.
174 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
und Autoren ausgewählt wurde.174 So brachte Schmidls Forschungsreise nach Bulgarien, die
175 begann und
insgesamt sechs Wochen dauerte, dem Museum für Volkskunde zum einen einige neue Expo-
nate ein und mündeten zum anderen in dem gewünschten Festschrift-Beitrag „zur Kenntnis
der Trachten von Südwest-Bulgarien“.176 In der Planungsphase hatte Schmidl dem Kultusmi-
nisterium gegenüber versichert, dass „Herr Prof. Oberhummer und Herr Prof. Haberlandt [...]
an der Excursion und den zu erwartenden Resultaten lebhaften Anteil“ nähmen.177 Arthur Ha-
-
beiten auf Kosten des Museums aufzusammeln“ ermächtigt sei und ermöglichte dadurch auch
die Einfuhr der Objekte nach Österreich.178-
Stefan Lazarov Kostov (1879–1939), der von 1907 bis 1909 in Wien studiert und nach seiner
bedankte sich in ihrem Beitrag außerdem namentlich bei vier „Freunden“ und bei „allen übri-
gen für alle mir erwiesenen Dienste und Informationen“. Sie hätten ihr durch Dolmetscher-
dienste ihre Studien erst ermöglicht. „Ich habe eine Gastfreundschaft genossen, die mich nicht
anders als mit den innigsten Gefühlen an dieses freundliche Land zurückdenken läßt.“179 Wäh-
rend sich Schmidl in der Haberlandt-Festschrift auf die Trachten in Südwest-Bulgarien kon-
zentrierte, konnte sie in der „Festschrift der Nationalbibliothek in Wien“, die 1926 „Zur Feier
des 200jährigen Bestehens des Gebäudes“ herausgegeben wurde, allgemein ihre
Spende“ hatte Schmidl ferner zur Finanzierung der Bebilderung der „Wiener Zeitschrift für
Österreichische Volkskunde“ beigetragen.180
der „Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte“ kündigen, da es
ihr „als Österreicherin bei dem hohen Stand Ihrer Währung nicht mehr möglich“ sei, den Mit-
gliedsbeitrag zu zahlen. Schmidl versicherte: „[M]it dem Herzen werde ich immer bei all
Ihren Unternehmungen sein und sie mit verfolgen, ist doch meine ganze Arbeit zu sehr mit den
Ihrigen verknüpft.“181 Zu ihrer Freude kam ihr die Berliner Gesellschaft jedoch entgegen, und
Schmidl antwortete, sie könne auf den Bezug der „Prähistorischen Zeitschrift“ verzichten und
den gleichen Betrag, den sie der Wiener Anthropologischen Gesellschaft zahle, 100.000 Kro-
nen, auch der Berliner Gesellschaft zukommen lassen.182
Während sich Schmidl in Bulgarien aufgehalten hatte, war am 8. Oktober 1924 Koch-
Grünberg während einer Brasilien-Expedition an Malaria gestorben. Schmidl berührte diese
Nachricht sehr, hatte sie „ausser dem Forscher auch den Menschen in ihm verehrt“.183 Viel-
mehr noch muss sie aber der Tod ihrer Schwester getroffen haben, die 1925 bei der Geburt
ihres dritten Kindes starb. Sie hinterließ ihre beiden sechs und neun Jahre alten Töchter
Notburga (geb. am 6. November 1918) und Hildegard (geb. am 12. März 1916) sowie ihren
174 Vgl. A. Haberlandt 1925.
175 Schmidl 1926, 723.
176 Schmidl 1925a.
177 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fb6 Nat. Bibl. 22848/1924 und ÖNB Wien, Akt 1096/1924; Schmidl, 12. Juli 1924, an das
Ministerium für Kultus und Unterricht.
178
vom 29. September 1924.
179 Schmidl 1925b, 46.
180 Verein und Museum für Volkskunde 1926, 37; vgl. A. Haberlandt 1925.
181 BGAEU, MIT 151/1-34; Schmidl, o.D., an „Herrn Dr.“.
182 Ebd.; Schmidl, 25. Jänner 1925, an die BGAEU.
183 Vk Mr, Akt 37; Schmidl, 11. Dezember 1924, an die Witwe Koch-Grünbergs.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 175
Ehemann Karl Wolf. Vermutlich führte der Tod von Marianne Schmidls Schwester Franca zu
einer noch engeren Bindung der alleinstehenden Mutter, die Ende 1921 nach dem Verkauf des
Hauses in Wien und „nach schrecklicher heimatloser Zeit“ in ein evangelisches Heim in Wels
gezogen war,184 an ihre nun einzige Tochter Marianne. Marianne Schmidl selbst hatte weiter-
hin auch regelmäßigen Kontakt zu ihrem Schwager, Karl Wolf, der gerade im Jahr zuvor zum
ordentlichen Professor an der Technischen Hochschule in Wien ernannt worden war, sowie zu
ihren beiden Nichten. Sie selbst wohnte seit März 1926 in der Vegagasse 10 in Döbling,185 im
selben Bezirk (Wien XIX) wie Karl Wolf und seine Töchter, die in der Obkirchergasse 42
lebten.
Als der Geologe und Afrika-Forscher Oskar Lenz (1848–1925) im März 1925 starb,
schrieb Schmidl einen dreieinhalb Seiten langen Nachruf für das Wiener Blatt „Völkerkunde“.
Ob sie Lenz persönlich erlebt hatte, etwa bei einem seiner Vorträge, ist ungewiss.186
Im Oktober 1925 richtete Fritz Röck (1879–1953)187, als neuer Leiter der gerade von der
anthropologischen Sammlung losgelösten Ethnographischen Abteilung des Wiener Naturhis-
torischen Museums, ein Schreiben an das Unterrichtsministerium, in dem er sich vehement
gegen eine Einstellung von Schmidl in der Ethnographischen Abteilung aussprach. Er sei „von
informierter Seite“ von diesem „von nichtfachmännische[r] Seite gemachte[n] Vorschlage“
unterrichtet worden. Eine Dame einzustellen widerspräche der „bisherige[n] dienstliche[n]
188 Den Tat-
sachen widersprechend brachte Röck als eines von weiteren Argumenten gegen Schmidl vor,
sie habe „seit 10 Jahren nicht mehr ernstlich ethnographisch gearbeitet und mit Ausnahme
ihrer Doktordissertation ‚Zahl und Zählen in Afrika‘ im Jahre 1915 überhaupt keine wissen-
schaftliche Arbeit veröffentlicht“. Hingegen verfüge der männliche Bewerber Dr. R. Bleich-
steiner (1891–1954) über eine „zweifellos bessere Eignung“ und habe „seine wissenschaftli-
che und museale Befähigung in einer fast zweijährigen freiwilligen Dienstleistung bereits
erwiesen“.189
Förderung durch das Staatlich-Sächsische Forschungsinstitut
Schmidl, die weiterhin ihren völkerkundlichen Studien nachging, nahm im September 1926
an der sechsten gemeinsamen Tagung der Deutschen und der Wiener Anthropologischen
184 HAN ÖNB, Cod. Ser. n.38860; Marie Schmidl: Nach Josefs Tod. Allein! Mein Leben, 22. Februar 1933, S. 36.
185 Magistrat der Stadt Wien, schriftl. Mitteilung 2017.
186 Beispielsweise hatte Lenz am 22. November 1912 einen Vortrag in der Urania gehalten (vgl. Illustrierte Kronen
Zeitung 1912; Neues Wiener Tagblatt 1912).
187 Zu Röck siehe Rohrbacher in diesem Band.
188
wissenschaftliche Beamte einzustellen, solange männliche Anwärter mit der erforderlichen wissenschaftlichen
Befähigung zur Verfügung stehen“ (WMW Archiv, Direktionsakt 1925; Röck, 20. Oktober 1925, an das Bundes-
ministerium für Unterricht Wien). Röck hat sich hier aber offensichtlich verschrieben und wollte eigentlich genau
das Gegenteil behaupten.
189 WMW Archiv, Direktionsakt 1925; Röck, 20. Oktober 1925, an das Bundesministerium für Unterricht Wien.
176 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
Gesellschaft190 in Salzburg teil, wo sie einen Vortrag über afrikanische Korbarbeiten im Hinblick
auf „Das Verhältnis von Form und Technik bei der Übertragung afrikanischer Flechtarbeiten“
hielt.191 Hier lernte sie auch Bernhard Struck persönlich kennen, nachdem sie schon seit eini-
1922 für seine Rezension ihrer Dissertation gedankt, jedoch eingelenkt, sie sei mittlerweile „in
mancher Hinsicht“ von Haberlandts Standpunkt „abgerückt, vor allem in den methodischen
Fragen. Ich stehe heute durchaus auf dem Boden der Kulturkreisforschung, wenn ich auch
glaube, dass ihre jetzigen Ergebnisse, vor allem für Afrika sich noch in vielfacher Weise um-
gestalten werden. Haberlandt aber verteidigt sicher einen verlorenen Posten!“192 Jedenfalls
dankte Schmidl keine zwei Wochen nach der Tagung Struck für die Zusendung der
„Lehmann’sche Tabelle“, womit es sich sicherlich um die „Systematik und geographische
und Berichten des Königlichen Zoologischen und Anthropologischen Ethnographischen Mu-
seums zu Dresden publiziert hatte.193 Schmidl freute sich, im Rahmen ihrer Korbarbeit und der
damit verbundenen Recherchen in den einschlägigen Museen „ihre Salzburger Bekanntschaft
weiter fortsetzen zu können“, wie sie am 15. November 1926 an Struck schrieb.194 Zu diesem
Zeitpunkt hatten sich Schmidls „Salzburger Hoffnungen verwirklicht“: Fritz Krause (1881–
1963), nach dem Tod von Karl Weule (1864–1926) vorübergehend Leiter des Ethnographi-
schen Seminars und des Staatlich-Sächsischen Forschungsinstituts für Völkerkunde in Leip-
zig, hatte Schmidl zugesagt, die Fertigstellung ihrer Korbstudien mit Mitteln des
Forschungsinstituts zu unterstützen.195 Jenes Forschungsinstitut war 1914 gegründet worden
und wurde mit staatlichen und städtischen Mitteln sowie durch die „König-Friedrich-August-
Stiftung“ für wissenschaftliche Forschung in Leipzig und durch Unterstützung des Leipziger
196 -
Dennoch hatte Krause nach ausführlicher Erörterung der bis dahin vorliegenden Aufzeichnun-
gen von Schmidl ihr vorab in Aussicht gestellt, das Forschungsinstitut werde, „in jeder Weise
ersetzen für die Besorgung Ihnen fehlender Literatur aus öffentlichen Bibliotheken und Ihnen
die Mittel geben, um Studienreisen nach den in Betracht kommenden Museen zu unterneh-
men. Denn dem F. I. [Forschungsinstitut] liegt daran, dass alles irgendwie erreichbare Material
auch wirklich berücksichtigt worden ist.“197
190 Als im Jahr 1868 in Dresden die Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte stattfand, wurde eine eigene
„Sektion für Anthropologie und Ethnologie“ gegründet (vgl. Andree 1969, 10). Im darauffolgenden Jahr diskutier-
te man in jener Sektion die Gründung einer „Deutsche Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urge-
schichte“. Für Rudolf Virchow (1821–1902) und Wilhelm Koner (1817–1887), Mitglieder des Gründungsauschus-
ses, zog sich dies offenbar zu lange hin, sodass sie zu der Gründung eines Berliner Lokalvereins aufriefen. So
wurde also noch 1869 die Berliner „Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte“ gegründet. Im
März 1870 wurde auch in München eine Gesellschaft mit dem gleichen Namen gegründet. Gründungsmitglied war
hier u.a. der Virchow-Schüler Johannes Ranke (1836–1916) (vgl. Geus 1987, 11). Im Monat darauf folgte in Mainz
die Gründung der „Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte“, oftmals abgekürzt
gesonnen war offensichtlich das Verhältnis der Berliner und der Deutschen Gesellschaften zueinander, wenngleich
die Berliner Gesellschaft die bedeutendere wurde (vgl. Andree 1969, 11ff.).
191 Vgl. Schmidl 1927.
192 SMVD, NL Bernhard Struck, Schriftwechsel; Schmidl, 28. Februar 1922, an Struck.
193 Ebd.; Schmidl, 25. September 1926 (Poststempel), an Struck.
194 Ebd.; Schmidl, 15. November 1926, an Struck.
195 UAL, Ethnologie Re XXXV; Krause, 6. November 1926, an Schmidl.
196 Vgl. UAL, Ethnologie We FI 1911-1916; zur Geschichte des Staatlich-Sächsischen Forschungsinstituts für
Völkerkunde in Leipzig siehe Geisenhainer 2002, 141–147, 162–166.
197 UAL, Ethnologie Re XXXV; Krause, 8. Oktober 1926, an Schmidl.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 177
Krause erklärte sich einverstanden, dass Schmidls Arbeit „auf ein bestimmtes Ziel lossteuert,
198 Schmidl hatte sich le-
unter dem Vorbehalt, den Sie ja auch in Ihrem letzten Schreiben machen, dass dieser Plan kein
festes Zwangschema ist, sondern dass Aenderungen sehr wohl vorgenommen werden können,
soweit sie sich im Laufe der Bearbeitung als notwendig erweisen“.199 Ein Zeitrahmen für die
Förderung wurde nicht festgelegt. Zweifelsohne freute sich Schmidl nicht nur über die damit
sondern auch über diese Form der Anerkennung ihrer völkerkundlichen Arbeit. An Krause
schrieb sie dankbar, er habe „den Schlüssel zum Paradies in Händen“.200
Bereits im Jänner 1927 fragte Schmidl bei der Direktion der Nationalbibliothek um einen
zehnwöchigen Urlaub, um ihre Studienreise in „die Museen Deutschlands, [...] ferner nach der
Schweiz, Frankreich, England und Belgien“ durchführen zu können. Sie sei, was ihre Korb-
Völkerkunde in Leipzig nunmehr in die Lage versetzt, ihre Arbeiten durch eine Studienreise
abzuschliessen und ihre Monographie im Rahmen der Publikationen des genannten Institutes
zu veröffentlichen“.201 Sie könne durchaus auf ihren Urlaub verzichten und die „durch ihre
Abwesenheit bedingten Rückstände“ in ihrer freien Zeit erledigen.202
Generaldirektor Josef Bick (1880–1952) befürwortete Schmidls Gesuch: Schließlich, so
schrieb er gegenüber dem Unterrichtsministerium am 24. Jänner 1927, käme „auch dem Amte
die Erweiterung des Horizontes durch eine so ausgedehnte Reise über die wichtigsten Studi-
enstätten des Auslandes zu Gute“ und es würde sich dies „in erhöhter Leistungsfähigkeit bei
Führung der wissenschaftlichen Agenden auswirken“.203 Schmidl erhielt die Genehmigung für
einen zehnwöchentlichen „Studienurlaub“204
Mittel für die ersten beiden Studienreisen, die Schmidl in den Monaten März und April 1927
in die einschlägigen Museen der Schweiz, Frankreichs, Englands und Belgiens führten. Sie
schickte aus den verschiedenen Orten Ansichtskarten und unterrichtete auf diesem Weg Krau-
se über den Fortgang ihrer Studien. Aus Paris schrieb Schmidl: „Auch Prof. Rivet habe ich
hier besucht – den Sie ja auch kennen, der ebenfalls ein Freund von Prof. Koch war.“205 Im
Juni und Juli desselben Jahres folgten Studienreisen in die Museen im Süden und Westen
Deutschlands sowie – zur Fortsetzung der hier bereits begonnenen Arbeiten – in die Museen
von Brüssel und Tervuren, wo Joseph Maes „ganz entgegenkommend“ war.206 Sie konnte
ihrem „Schicksal gar nicht genug dankbar sein, das mich diese Arbeit nicht vor dieser Reise
veröffentlichen liess: die meisten Schlüsse hätten sich kaum aufrecht erhalten lassen
können.“207
198 Ebd.; Krause, 6. November 1926, an Schmidl.
199 Ebd.
200 UAL, Ethnologie Re XXXV; Krause, 22. Dezember 1926, an Schmidl.
201 ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fc6 Nat. Bibl. 2209/1927; Schmidl, 19. Jänner 1927, an die Direktion der NB.
202 Ebd.
203 Wien ÖNB, Akt 2234/138/1927 und ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fc6 Nat. Bibl. 2209/1927; Bick, 24. Jänner 1927, an
das Österreichische Bundesministerium für Unterricht.
204 Wien ÖNB, Akt 2234/138/1927 und ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fc6 Nat. Bibl. 2209/1927; Österreichisches Bundes-
ministerium für Unterricht, 27. Jänner 1927, an Bick.
205 UAL, Ethnologie Re XXXV; Schmidl, 23. März 1927, an Krause. Schmidl erwähnt hier Paul Rivet (1876–1958).
206 Ebd.; Schmidl, 10. November 1927, an Krause. Bei ihrer ersten Reise besuchte sie die Museen von Zürich, Basel,
Bern, Neuchâtel, Paris, London, Oxford, Cambridge, Brüssel und Tervuren; auf ihrer zweiten Reise innerhalb
Deutschlands hielt sie sich in München, in der Mission St. Ottilien, in Frankfurt/M., Mannheim und in Köln auf
(vgl. UAL, Ethnologie Re XXXV).
207 UAL, Ethnologie Re XXXV; Schmidl, 25. April 1927, an Krause. Ähnliches schrieb sie auch an Struck am 25. Juli
1927 (SMVD, NL Bernhard Struck, Schriftwechsel).
178 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
Abb. 5.3a-c
Marianne Schmidl dankte am 22. Dezember 1926 Fritz Krause für die Förderungszusage: Er habe „den
Schlüssel zum Paradies in Händen“.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 179
Krause gab „seiner grossen Freude Ausdruck […] über das so äusserst günstige Ergebnis
Ihrer Studien an den ausländischen Museen. Auch ist es mir sehr lieb gewesen zu erfahren,
dass Sie seitens der dortigen Museumsleitungen weitgehendstes Entgegenkommen und Unter-
stützung Ihrer Arbeit gefunden haben.“208 Wegen „Überschreitung der Zeit“ müsse sie sich, so
Krause weiter, „keine Gewissensbisse“ machen, „das lässt sich ja von vornherein nicht genau
aus ihrem Bericht klar hervor.“209 Der Umfang ihres Forschungsvorhabens und der damit ver-
bundene Arbeitsaufwand war Schmidl während dieser Reise bewusst geworden, und sie fragte
bei Krause an, „wie Sie sich die Fortsetzung meiner Studien denken, da ja davon mein ganzer
Arbeitsplan für die nächste Zeit abhängt“.210 Dieser bestätigte sie in ihrer bisherigen Arbeits-
weise, erklärte aber auch, dass künftig nicht mehr er, sondern Otto Reche für Schmidls
Forschung zuständig sein würde:
„Ich werde ihm bei der Uebergabe der Geschäfte genauen Bericht über Ihre Arbeit erstat-
ten und hoffe, dass er sich von der Notwendigkeit überzeugt; Ihnen auch noch das Studium der
ausstehenden deutschen Sammlungen zu ermöglichen.“211
Wenige Tage zuvor hatte Schmidl an Struck geschrieben: „Inzwischen haben sich ja auch
in Leipzig – leider – die Verhältnisse sehr geändert, so dass ich eigentlich nicht ganz ohne
Sorgen der Entwicklung der Dinge entgegen sehe.“212 Dass Schmidl ausgerechnet in jenem
Sommer 1927, als schon sicher war, dass Reche von Wien nach Leipzig wechseln und damit
auch die Leitung des Forschungsinstituts übernehmen würde, sich erneut um eine Stelle an
einem Völkerkunde Museum bemühte, mag also kein Zufall gewesen sein. Eventuell sah
Schmidl bessere Chancen, ihre Korbstudien fortzusetzen, wenn sie an einem Völkerkunde
Museum angestellt wäre, sofern es mit der weiteren Finanzierung durch das Forschungsinsti-
tut Probleme gäbe. Jedenfalls erinnerte sie Struck an „unser letztes Gespräch in Salzburg [...]
puncto einer Museumsanstellung – ich wäre Ihnen für jedes Gedenken in dieser Hinsicht sehr
dankbar“. Außerdem habe sie die „erfreuliche Nachricht“ von einem Ruf Strucks nach Wien
vernommen. Sie hoffe nur, so schrieb sie an Struck, „dass Sie uns Wienern keinen Korb geben
werden. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie hierher kämen.“213 Außerdem bat sie Röck,
offensichtlich in Unkenntnis von dessen eher ablehnenden Haltung ihr gegenüber, unter Hin-
weis auf ihre Berufserfahrungen in den Museen in Berlin, Stuttgart und Weimar, ihrer Kennt-
nis „fast sämtliche[r] grössere[n] ethnographische[n] Museen und Sammlungen in Europa“
sowie auf ihre fünf Veröffentlichungen – die Rezensionen listete Schmidl nicht auf – „um
Vormerkung für eine Stelle an der ethnographischen Abteilung des naturhistorischen Staats-
museums“ in Wien.214
In Leipzig hatte vorerst Hans Plischke (1890–1972) die geschäftlichen Angelegenheiten
des Ethnographischen Seminars übertragen bekommen. Krause unterrichtete ihn im Septem-
ber 1927 von den beiden Studienreisen von Schmidl und dass eine dritte Reise für das Jahr
1928 in Aussicht gestellt worden sei.215-
lichen Professor der Völkerkunde an der Philosophischen Fakultät und „vom gleichen Zeit-
punkt an zum Direktor des Ethnographischen Seminars, das künftig die Bezeichnung ‚Ethno-
208 UAL, Ethnologie Re XXXV; Krause, 7. Mai 1927, an Schmidl.
209 Ebd.
210 Ebd.; Schmidl, 15. Juli 1927, an Krause.
211 Ebd; Krause, 21. Juli 1927, an Schmidl.
212 SMVD, NL Bernhard Struck, Schriftwechsel; Schmidl, 15. Juli 1927, an Struck.
213 Ebd.; Schmidl, 25. Juli 1927, an Struck. Struck war als Nachfolger Reches in Diskussion, hatte aber keinen Ruf
erhalten. Vgl. den Beitrag „Gescheiterte Interventionen“ von Geisenhainer in diesem Band.
214 WMW Archiv, Direktionsakt 1927; Schmidl, 2. August 1927, an Röck.
215 UAL, Ethnologie Re I; Krause, 1. September 1927, an Plischke.
180 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
logisch-anthropologisches Institut‘ führt, sowie zum Direktor des staatlichen
Forschungsinstituts für Völkerkunde“216 ernannt worden. Aus Wien schrieb wenig später
Schmidl an Reche einen Brief, um ihn „in Ihrem neuen Wirkungskreis auf das ergebenste zu
begrüssen – wiewohl ich es bedaure, dass wir Sie in Wien verloren haben“. Besonders interes-
siert war Schmidl natürlich daran, „in welcher Weise Sie zu meinen Studien Stellung nehmen
wollen und wie Sie sich ihre Weiterführung denken“.217
-
nanzielle Zuwendung noch die Aufnahme der Arbeit in die Institutsreihe zusagen.218 Diese
Einstellung zu Schmids Arbeit unterschied sich vollständig von der Haltung von Reches Leip-
ziger Kontrahenten Krause, der sich zu Beginn gewünscht hatte, Schmidl möge ihre Studie
weitaus umfassender anlegen und der ihr dafür jede Unterstützung zugesagt hatte. Schmidl
verwies Reche auf die „vollkommen verbindliche Abmachungen“ mit Krause, der ihr im No-
vember 1926 versichert habe, „er werde meiner Arbeit alle Unterstützung angedeihen
lassen“.219 In Anbetracht der „Geldverhältnisse“ gab sich Schmidl mit der Zahlung von drei-
hundert Reichsmark für ihre nächste Reise zufrieden. Diese Zahlung knüpfte Reche an drei
-
schungsinstitut zu stellen“ und das „druckfertige Manuskript Ihrer Arbeit einschließlich sämt-
licher Abbildungsvorlagen und sonstiger Beigaben bis spätestens 1. Januar 1929“, also in rund
einem Jahr, an das Forschungsinstitut einzuliefern und ihm das Druckrecht zu übertragen.
Darüber hinaus solle sie „ausdrücklich“ anerkennen, „dass Nichterfüllung der von Ihnen ein-
220
Schmidl willigte ein, konnte aber Reche davon überzeugen, den Abgabetermin auf den 1. Juli
1929 zu legen, da sie die folgenden Studienreisen erst antreten könne, wenn sie „noch eine
andere Geldquelle erschlossen“221 habe und unterschrieb diesen Vertrag am 30. März 1928.222
Parallel zu diesen Verhandlungen verfasste Schmidl nicht zuletzt auf Grundlage des
„altägyptische[n] Material[s], das mir als Nebenfrucht meiner letzten Reisen und Arbeiten zu-
gefallen ist“,223 ihren Beitrag „Altägyptische Techniken an afrikanischen Spiralwulstkörben“224
für die von P. W. Koppers herausgegebene Festschrift für P. W. Schmidt, der am 16. Februar
1928 seinen 60. Geburtstag feierte. In der Rezension jenes umfangreichen Werks wählte Her-
mann Baumann (1902–1972) von den insgesamt 76 Beiträgen einige aus, die er eigens
er wähnte, darunter auch jenen von Marianne Schmidl:
„M. Schmidl (S. 645ff.) gibt eine Kostprobe aus der lang erwarteten Arbeit über die Korb-
neben der üblichen noch heute in Ägypten gebräuchlichen hamitischen Spiralwulsttechnik.
Jene Form konnte sie nur an einem Hut vom Benue nachweisen, von den hamitischen Spiral-
wulstkörben Altägyptens stellt sie aber charakteristische Zierformen (Spaltenbildung, Um-
sicher mit Recht, die altägyptische Abstammung dieser Stücke.“225
216 UAL, PA 831; Sächs. Min. f. Volksbildung, 9. Juli 1927, an die Phil. Fak.; UAL, Ethnologie Re IV, Sächs. Min. f.
Volksbildung, 14. Juli 1927, an die Direktion des Ethnographischen Seminars.
217 UAL, Ethnologie Re XXXV; Schmidl, 26. September 1927, an Reche.
218 Ebd.; Reche, 25. Oktober 1927, an Schmidl.
219 Ebd.; Schmidl, 6. November 1927, an Reche, Herv. im Orig.
220 Ebd.; Reche, 14. Dezember 1927, an Schmidl.
221 Ebd.; Schmidl, 7. Jänner 1928, an Reche.
222 Ebd.
223 Ebd.; Schmidl, 30. März 1928, an Reche.
224 Schmidl 1928.
225 Baumann 1928, 168.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 181
Auch Struck, dem Schmidl einen Sonderdruck jenes Beitrages zusandte, freute sich über
diese „vorzügliche Kostprobe aus ihrer grossen afrikanischen Korbarbeit“. Es „schmeckt nach
mehr!! Ich bewundere ausserdem höchstlichst Ihre Belesenheit in der altägyptischen Literatur,
da kommt so leicht kein Ethnologe mit.“226
Über dieses Lob hinaus machte Struck Vorschläge hinsichtlich „Ihrer grossen Arbeit“ und
erinnerte Schmidl außerdem an ihre „Absicht, noch unser hiesiges Material anzusehen“. Dies
könne sie doch vor dem „Hamburger Anthropologentag“ erledigen. „Ich halte es ohnehin für
menschenunmöglich, von Wien nach Hamburg durchzufahren, und da liegt Dresden doch so
schön in der Mitte. Vielleicht könnten wir dann zusammen weiterfahren?“227
Mit einer Subvention von vierhundert Schilling durch das österreichische Unterrichtsmi-
nisterium228 und von dreihundert Reichsmark durch das Leipziger Forschungsinstitut229 be-
gann Schmidl im Juli 1928 ihre dritte Studienreise zunächst nach Dresden, anschließend aber
nicht direkt nach Hamburg, sondern nach Leipzig, wo sie Gelegenheit hatte, Reche persönlich
von ihren Studien im Dresdner Museum zu berichten.230 Bei ihrem folgenden Besuch in Ham-
burg verknüpfte sie ihre Korbstudien im Völkerkunde-Museum mit der Teilnahme an der Ta-
gung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft, die Anfang August 1928 in der Hanse-
stadt stattfand.231 Im Hamburger Museum war im Mai des Jahres unter der Leitung von Walter
Scheidt (1895–1976) „Die erste rassenkundliche Schausammlung Deutschlands“232 eröffnet
worden, mit welcher der Museumsleiter Georg Thilenius (1868–1937) nicht zuletzt den
Tagungsteilnehmern „etwas Besonderes“ bieten wollte.233
Offensichtlich nutzte der Forschungs- und Sammelreisende Julius Konietzko (1886–1952)
jene Tage, um eine Runde von Völkerkundlerinnen und Völkerkundlern einzuladen, darunter
auch Schmidl sowie den nicht zuletzt auf Ornamentik und Stil spezialisierten Kustos der
Afrikanischen Sammlung des Leipziger Völkerkunde Museums, Paul Germann (1884–1966),
und den kommissarischen Leiter des Frankfurter Völkermuseums Johannes Lehmann
(1876–1960), der mit Schmidl das Interesse für Flechtarbeiten teilte. Zwölf Jahre später sollte
Lehmann sich Reche gegenüber erinnern, Schmidl habe ja auch „im Frkf. Museum gewirkt“.
Er, Lehmann, habe sich für Schmidls „Arbeit sehr interessiert“ und daher seine „Photos,
Zeichnungen u. Notizen zur Verfügung gestellt und natürlich auch versucht, mit ihr über ihre
Arbeit zu sprechen“. Sie sei aber damals auf seine Versuche, über die Arbeit zu reden, „nicht
so recht“ eingegangen.234 Er hätte manchmal den Eindruck gehabt, „als ob sie ziemlich planlos
alles zusammentrug“, aber von Ankermann habe er gewusst, „daß sie sich schon lange […]
mit dieser Materie beschäftige. Dass sie Jüdin ist, wusste ich übrigens damals noch nicht.“235
In jenem Brief an Reche rief sich Lehmann auch das Hamburger Treffen in Erinnerung:
„In Hamburg, wo wir anlässlich des Anthropologischen Kongresses mal bei Konietzko
eingeladen waren, wurde ihr [M. Schmidl] von Germann recht unverblümt ihr jüdisches
226 SMVD, NL Bernhard Struck, Schriftwechsel; Struck, 10. Mai 1928, an Schmidl.
227 Ebd.
228 ÖNB Wien, Akt 2234/138/1927; ÖStA, AVA, U.-Allg. 2 Fb2a Nat. Bibl. 35037/1927 und UAL, Ethnologie Re
XXXV; Schmidl, 25. Mai 1928, an Reche.
229 UAL, Ethnologie Re XXXV; Reche, 6. Juli 1928, an das Rentamt der Universität Leipzig.
230 Vgl. UAL, Ethnologie Re XXXV; Schmidl, 24. August 1928, an Reche (der Brief ist auf den 24. August 1929
datiert, es dürfte sich jedoch um einen Tippfehler handeln). Weitere Details zu diesem Gespräch zwischen Reche
und Schmidl liegen nicht vor.
231 Vgl. Thilenius 1929.
232 Hamburger Nachrichten, 15. Mai 1928 (zit. nach Laukötter 2007, 238).
233 Hamburger Nachrichten, 12. Mai 1928 (zit. nach Laukötter 2007, 236).
234 UAL, Ethnologie Re XXXV; J. Lehmann, 23. Februar 1940, an Reche.
235 Ebd.
182 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
Verhalten während ihrer Studien am Leipziger Museum vorgeworfen. Sie hatte dort die
Aufseher ungebührlich stark in Anspruch genommen.“236
Wie dieses Gespräch in Hamburg im August 1928 genau verlief, welche Rolle andere
Kollegen von Schmidl dabei spielten und ob auch Struck anwesend war, kann heute nicht
mehr geklärt werden. Ebenso unklar ist, ob Schmidls Besuch in der Hansestadt etwas damit zu
tun hatte, dass anschließend der Briefkontakt zwischen ihr und Struck offensichtlich ab-
brach.237 Vielleicht stand dieser Verlauf ihres Verhältnisses aber auch im Zusammenhang mit
der zu jener Zeit guten Beziehung zwischen Struck und Reche, der Schmidl mit wachsender
Ablehnung gegenüberstand. Reche hatte Schmidl, wie er 1939 behauptete, „ja während meines
mehrjährigen Aufenthaltes in Wien zur Genüge kennengelernt“.238 Nichtsdestotrotz sollte
Schmidl im Juli 1930 Reche vorschlagen, sich nicht nur an Ankermann, sondern auch „an Struck
oder sonst einen Afrikanisten“ zu wenden, wolle er Auskünfte über ihre Person einziehen.239
Schmidl hatte sich bis zum 7. August 1928 in Hamburg aufgehalten und war anschließend
für eine Woche nach Berlin gereist. Zu ihrer Zeit als „wiss. Hilfsarbeiterin am Museum für
Völkerkunde in Berlin“ sei „ja der weitaus grössere Teil der Sammlung unzugänglich
gewesen“.240 Zurück in Wien schrieb sie Reche, sie habe in Berlin innerhalb der kurzen ihr zu
Verfügung stehenden Zeit „mit grosser Anstrengung“ weitgehend „das vorgenommene Pro-
gramm erledigen können, so dass, was den Umfang meines Materials betrifft, mir wohl nichts
Wesentliches mehr fehlen dürfte“. Es fehle nun lediglich „der Besuch des Museo Laterano in
Rom, da dieses durch seine Gegenüberstellung von Missionsarbeiten und Originalarbeiten der
abzuschätzen“.241
Im Jahr darauf kam Schmidl rund zwei Monate vor dem vereinbarten Abgabetermin ihrer
Studie erneut auf den Besuch des Missionsmuseums in Rom zu sprechen. Es sei für sie nicht
möglich, ihre „Arbeit wirklich abzuschliessen, ohne das Missionsmuseum des P. Schmidt in
Rom gesehen zu haben“.242 Schmidl hoffte auf einen Zuschuss seitens des Forschungsinstituts
-
zung vom österreichischen Unterrichtsministerium die Reisekosten nicht decken könne.
Schmidl war sich „allerdings bewusst mit dieser Bitte, den Bestimmungen unseres Vertrages
nicht ganz entsprechend zu handeln, aber ich hoffe, Sie verärgern es mir nicht“.243 Mit Unter-
stützung des Staatlich-Sächsischen Forschungsinstituts habe sie ihre Arbeit beginnen können,
„lassen Sie sie mich nun auch jetzt zu einem guten Ende führen! Sie ist ja für ihre Publikatio-
nen bestimmt!“244
Reche sah „durchaus die Notwendigkeit ein, [...] auch noch die Flechtarbeiten im Vatika-
nischen Museum ansehen“ zu müssen, verwies aber darauf, dass sich das Forschungsinstitut
„in einer wenig glücklichen geldlichen Lage“ befände. Sicherlich nicht zuletzt in Kenntnis des
Beitrages von Marianne Schmidl für die Festschrift für P. W. Schmidt erwähnte Reche nun
Schmidls „gute Beziehungen zur [sic] Pater Schmidt und den Mödlingern und die Kirche hat
doch bekanntlich viel mehr Gelder als heutzutage die Wissenschaft“ und „schliesslich liegt es
doch auch im Interesse des Vatikanischen Museums, wenn sein Material wissenschaftlich
236 Ebd.
237 Zumindest liegt für die Zeit danach im NL Struck keine Korrespondenz mit Schmidl mehr vor.
238 UAL, Ethnologie Re XXXV; Reche, 8. Mai 1939, an Ankermann.
239 Ebd.; Schmidl, 17. Juli 1930, an Reche.
240 Ebd.; Schmidl, 24. August 1928, an Reche (der Brief ist fälschlicherweise auf den 24. August 1929 datiert).
241 Ebd.
242 Ebd.; Schmidl, 30. April 1929, an Reche.
243 Ebd.
244 Ebd.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 183
bearbeitet und das neue Museum dadurch schliesslich auch bekannter wird“.245 Darüber hinaus
-
gelegenheiten nach Rom geschaffen, die Sie geschickt ausnutzen könnten. Ich glaube mich
z.B. zu erinnern, dass auf diese Weise einmal Herr Dr. Wenninger [sic] auf billige Weise als
‚Pilger’ nach Rom und zurück gekommen ist.“246
Schmidl sah jedoch keine Möglichkeit, noch mehr Unterstützung aus St. Gabriel zu emp-
fangen, „schon aus dem Grunde, weil ich bereits mit Prof. Koppers im Detail über alle diese
Dinge gesprochen habe und er ist es ja auch gewesen, der die Subventionen im Ministerium
erwirkt hat. Mehr ist aber auf keinen Fall zu erreichen, ganz abgesehen davon, dass ich nicht
zu der engsten Gefolgschaft von St. Gabriel gehöre, auch wissenschaftlich nicht. Dann wird
doch meine Arbeit in Ihren Publikationen erscheinen und nicht im Anthropos, wie früher ge-
plant war; wie sollten Schmidt oder Koppers da eine Unterstützung gewähren, wo dazu noch
sehr fraglich ist, ob letzten Endes meine Arbeit ihren Intensionen entsprechen wird?“247
Schließlich meldete sich Schmidl für den „Ersten Weltkongreß der Bibliotheken und der
Bibliographie“ an, der im Juni 1929 in Rom stattfand. Auf diese Weise konnte sie eine Sub-
vention ihrer Reise nach Rom von dreihundert Schilling durch das österreichische Bundesmi-
nisterium für Unterricht erwirken.248 Schmidl nahm sich jedoch vor, sich „nach Möglichkeit
dort [zu] drücken“, um insbesondere im Museum arbeiten zu können.249 Auch der Generaldi-
rektor der Österreichischen Nationalbibliothek erachtete es als „wünschenswert, wenn der
Unterstaatsbibliothekarin Dr. Marianne Schmidl in Verbindung mit dem Besuche dieses Kon-
gresses Gelegenheit gegeben würde, für den Abschluss ihres Buches über die Geschichte der
-
ßen Bestände des lateranensischen Museums in Rom zu studieren“.250 Reche überwies ihr
nochmals hundert Reichsmark aus Mitteln des Sächsischen Forschungsinstituts, und Marianne
Schmidl konnte in den letzten beiden Juniwochen des Jahres 1929 ihre Studien in Rom
aufnehmen.251
über das gewonnene Material“ zu erhalten, um schließlich am 3. August an Reche zu schrei-
ben. Zwar befände „sich die vatikanischen Sammlungen noch im ersten Stadium der Aufstel-
lung und Ordnung“, aber es sei ihr doch möglich gewesen, „– wenn auch in etwas umständli-
cher Weise –, viele Lücken in meiner Arbeit auszufüllen“. Nun war ja der Abgabetermin ihrer
Korbstudien mit Ablauf des 1. Julis 1929 verstrichen. „Ich weiss“, so schrieb Schmidl an
Reche, „ich bin nach unserer Abmachung mit Haut und Haaren Ihnen verfallen – nichtsdesto-
weniger bleibt mir nichts anderes übrig, als Sie vielmehr um Entschuldigung und – um ein
wenig Geduld zu bitten“.252 Als Bibliotheksbeamtin bleibe ihr für ihre Studien „nur ein gerin-
ger Teil des Tages“. Des Weiteren erwähnte Schmidl „Schwierigkeiten aller Art – oft die ba-
nalsten Dinge – Sie werden ja selbst von Ihrem Aufenthalt in Wien wissen unter welchen
Verhältnissen wir uns hier durchschlagen müssen!“253 Sie verwies auf „schlechtgeheizte Zim-
mer, Nebenverdienste, keine Schreibmaschine etc etc – alles Umstände, die oft tagelang keine
245 Ebd.; Reche, am 4. Mai 1929, an Schmidl.
246 Ebd.; Reche, am 4. Mai 1929, an Schmidl.
247 Ebd.; Schmidl, 7. Mai 1929, Herv. im Orig.
248 ÖNB Wien, Akt 149/1048/1929; Österreichisches Bundesministerium für Unterricht, 15. Mai 1929.
249 UAL, Ethnologie Re XXXV; Schmidl, 24. Mai 1929, an Reche.
250 ÖNB Wien, Akt 149/982/1929; Generaldirektor der Österreichischen Nationalbibliothek, 8. Mai 1929 an das
Österreichische Bundesministerium für Unterricht.
251 Vgl. UAL, Ethnologie Re XXXV; Schreiben von Schmidl, 24. und 31. Mai 1929, an Reche.
252 Ebd.; Schmidl, 3. August 1929, an Reche.
253 Ebd.
184 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
fruchtbringende Arbeit gestatten“. Nun käme außerdem noch die „Durch- und Einarbeitung
meines römischen Materials“ hinzu, das, so Schmidl, „nicht zu unterschätzen“ sei. Schmidl bat
in jenem Schreiben an Reche, den „Termin etwas bis nächste Ostern verlängern zu wollen“.254
„Ich arbeite jetzt schon so lange an dieser Sache, dass ich es nicht über mich bringen kann,
sie wegzugeben, ehe nicht wirklich das Möglichste getan ist. Schliesslich führt jede Arbeit ein
gewisses Eigenleben, bitte beschneiden Sie es meiner nicht, damit sie sich so entwickeln kann,
dass Sie Ihnen und mir zur Freude und Ehre gereicht!“255
Reche beauftragte seinen Assistenten Günther Spannaus (1901–1984), Schmidl mitzutei-
len, dass der „Ablieferungstermin für Ihre Arbeit [...] bis Ostern 1930 verlängert ist“. Darüber
hinaus wurde Schmidl gebeten, „den genauen Titel Ihrer Arbeit“ anzugeben, damit dieser „in
den Ankündigungen des Forschungsinstitutes als ‚in Vorbereitung‘ angegeben werden
kann“.256 Schmidl entschied sich für den Titel „Afrikanische Körbe“.257
In Leipzig hatte im Herbst 1929 die erste Tagung der gerade ins Leben gerufenen Gesell-
schaft für Völkerkunde stattgefunden. Anliegen jener Gesellschaft war es, dem „Bedürfnis
nach voller Selbständigkeit der Völkerkunde als Kulturwissenschaft“ entgegenzukommen und
ihre Entfernung von den Naturwissenschaften bei gleichzeitiger Annäherung an die Geistes-
wissenschaften zu unterstützen. „Die Gesellschaft wird auf deutschsprachiger Grundlage er-
richtet; doch wird sie nichtdeutschen Ethnologen ebenfalls offenstehen.“ Dies war neben an-
derem aus dem „Aufruf zur Gründung einer Gesellschaft für Völkerkunde“ vom März 1929 zu
erfahren, den Fritz Krause gezeichnet hatte, der aber gleichfalls von Kollegen aus dem In- und
Ausland unterstützt wurde.258 Neben einer Reihe von Wiener Kollegen trat auch Schmidl
dieser Gesellschaft bei.259
Als Ostern 1930 Schmidls Arbeit nicht in Leipzig eintraf, fragte Spannaus im Juni des
Jahres bei ihr an, „ob mit einer Einlieferung des Manuskriptes in der allernächsten Zeit zu
rechnen ist. Andernfalls müssten wir den Druck Ihrer Arbeit auf unbestimmte Zeit
verschieben.“260 Schmidl erklärte, sie sei „ausserordentlich durch Berufsarbeit und Nebenver-
dienst aufgehalten“ worden und bat erneut um Verlängerung des Abgabetermins. Sie wolle bis
spätestens Juni 1931 ihre Arbeit fertiggestellt haben. Auch könne sie sich vorstellen, ihre Ar-
beit in zwei Teilen zu publizieren: „In diesem Falle wäre ich bereit Ihnen den ersten Teil ent-
haltend die Systematik und die Behandlung der genähten Körbe d. s. die Spiralborten – und
die Spiralwulstkörbe spätestens Ende November zukommen zu lassen.“ Bezugnehmend auf
die kulturhistorische Behandlung ihres Themas verwies sie auf die zeitintensive Rekonstruk-
tion einer jeden „Stammesgeschichte“:
„Die Art meiner Arbeit, der Geschichte jedes einzelnen Stammes nachzugehen – und ich
glaube, dass gerade darin ihr Wert beruht, denn nur so ist zu entscheiden, was sekundär über-
nommen und was wirklich altes Stammesgut ist, – erfordert viel Zeit.“261
Reche reagierte nun ungehalten und nannte als „äussersten Ablieferungstermin“ den
1. Jänner 1931: „Eine weitere Verlängerung werde ich nicht zugeben. Im Nichtlieferungsfalle
254 Ebd.
255 Ebd.
256 Ebd.; Spannaus i. A., 13. August 1929, an Schmidl.
257 Ebd.; Schmidl, 7. September 1929, an Reche.
258 Aus diesem Aufruf ist auch zu erfahren, dass es einen ersten Aufruf bereits im Oktober 1928 gegeben hatte und
seitdem „fast 100 Ethnologen ihren Beitritt angemeldet“ hatten (UAL, Ethnologie Re VI).
259 Vgl. UAL, Ethnologie Re VI; „Gesellschaft für Völkerkunde. Mitglieder-Verzeichnis nach dem Stand vom
28. September 1929.“
260 UAL, Ethnologie Re XXXV; Spannaus, 14. Juni 1930 an Schmidl.
261 Ebd.; Schmidl, 23. Juni 1930, an Reche.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 185
wird dann der § 4 unseres am 30. März 1928 abgeschlossenen Vertrages in Wirkung treten.“262
Nach jenem Paragraphen war „das Forschungsinstitut zu Ersatzforderungen berechtigt“, wenn
-
zig der Gerichtsort.263
Schmidl beharrte auf ein zusätzliches Jahr. Sie fühle sich „gerade durch die Höhe der mir
herauszuholen“.264 Insbesondere die Untersuchungen der „einzelnen Stammesgeschichten“
und „Schichtungen“ seien sehr zeitintensiv:
„Meiner Meinung nach kann eine Darstellung der Korbarbeiten in Afrika nur auf der
Grundlage einer genauesten Kenntnis der historischen Verhältnisse erfolgen, wobei die einzel-
nen Stammesgeschichten aufs genaueste zu berücksichtigen sind. Ich glaube, es genügt nicht
einfach eine Typologie aufzustellen und der Verbreitung dieser Typen nachzugehen. Dazu sind
die Schichtungen heute viel zu kompliziert. Für derartige Studien liegen aber für Afrika nur
sehr wenig brauchbare Grundlagen vor, so dass man fast immer auf die zerstreuten Original-
berichte zurückgreifen muss. Das braucht aber Zeit und wieder Zeit.“265
Abgabetermin für ihre Studie über afrikanische Korbarbeiten sei.266
Mitglied der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Afrikanische Kulturgeschichte
Marianne Schmidl wurde bei der Stellenvergabe am neuen Wiener Völkerkundemuseum
nicht bedacht. Hingegen konnte der vierzehn Jahre jüngere Walter Hirschberg seit 1929
so wohl für drei Tage die Woche einer Tätigkeit als Bibliothekar am Anthropos Institut in
St. Gabriel bei Mödling als auch in der übrigen Zeit als wissenschaftliche Hilfskraft an dem
Röck unter stehendem Museum nachgehen.267 Wie Schmidl war Hirschberg den Patres von
St. Gabriel zunächst verbunden, positionierte sich mittlerweile aber zunehmend kritisch
gegen über der „Wiener Kulturkreislehre“ und kam dabei wohl auch mit Schmidl ins Gespräch,
die im Mai 1929 bezweifelte, dass ihre Korb-Studie den „Intentionen“ von Schmidt und Koppers
entsprechen würde.268 Rückblickend schrieb Hirschberg im Jahr 1977, er habe gemeinsam mit
Schmidl und Robert Routil (1893–1955) im Herbst 1929 ein „Afrika-Archiv“ gründen wollen,
„im Verlauf zahlreicher Diskussionen“ sei daraus jedoch die Wiener Arbeitsgemeinschaft für
Afrikanische Kulturgeschichte (WAFAK) entstanden. „Zu deren Mitgliedern zählten von Be-
ginn an Marianne Schmidl, Gaston van Bulck, Dominik Josef Wölfel, Routil und ich. Unsere
Zusammenkünfte fanden entweder im Museum für Völkerkunde oder in irgend einem Kaffee-
haus, zumeist im Stadlmann (9. Bezirk) statt.“269
270 und be-
richtete am 21. September desselben Jahres erstmals Struck gegenüber von der WAFAK, die
sich mit „wirtschaftlichen Fragen“, mit „Wandersagen“ und „verfolgbaren geschichtlichen
262 Ebd.; Reche, 9. Juli 1930, an Schmidl.
263 Ebd.; am 30. März 1928 von Schmidl unterschrieben.
264 Ebd.; Schmidl, 17. Juli 1930, an Reche, Herv. im Orig.
265 Ebd.
266 Ebd.; Spannaus, 28. Juli 1930, an Schmidl.
267 SMVD, NL Bernhard Struck, Schriftwechsel; Lebenslauf von Hirschberg, o.D., aber einem Brief an Struck vom
10. April 1933 beigelegt.
268 UAL, Ethnologie Re XXXV; Schmidl, 7. Mai 1929, an Reche.
269 Hirschberg 1977a, 3–4. Hirschberg gibt an, diese Zeilen unter Zuhilfenahme seiner Tagebuchaufzeichnungen aus den
Jahren 1930–1932 geschrieben zu haben (vgl. Hirschberg 1977a, 4). Zu Wölfel siehe Rohrbacher in diesem Band.
270 Hirschberg 1931.
186 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
Abb. 5.4a-c
Marianne Schmidl erläuterte gegenüber Reche am 17. Juli 1930 ihre Vorgehensweise und weshalb ihre Studie
intensive Recherche und damit viel Zeit erfordere.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 187
Abb. 5.4b
188 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
Abb. 5.4c
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 189
Ereignisse[n]“ befasse. Von „den Ethnologen“ würde „gerade darauf wenig geachtet“ werden,
„sodass das Material in dieser Richtung oft mehr als lückenhaft ist“. Die neu gegründete
Arbeitsgemeinschaft habe sich entschlossen, „diesen Fragen in erster Linie an den Leib zu
rücken“. Hirschberg erläuterte das Anliegen der „Wiener Arbeitsgemeinschaft für Afrikanische
Kulturgeschichte“:
„Wie gesagt haben wir uns als Aufgabe gestellt, die Wandersagen und Traditionen afrika-
nischer Stämme und Völker zu sammeln, sie kritisch zu verarbeiten. Ferner richten wir unse-
ren Blick auf alles geschichtlich im engeren Sinne Erreichbare, weil wir von der Ueberzeu-
gung durchdrungen sind, dass einmal bei den jüngsten Schichten begonnen werden muss und
dass wir vorher einmal hier klarer sehen müssen, ehe wir in die Tiefe dringen können. Ob von
‚oben‘ oder von ‚unten‘ begonnen werden müsse, war Thema einer der letzten Diskussions-
abende im Rahmen des ethnologischen Institutes. Ich persönlich glaube mich wohl für das
‚oben‘ entscheiden zu müssen. Es ist unserer Arbeitsgemeinschaft natürlich daran gelegen mit
ausländischen Gelehrten in Fühlung zu kommen. Folgendermassen haben wir uns das ge-
dacht. Wir bitten vor allem um Mitarbeit an unserem Unternehmen. Wenn es einem oder dem
anderen Herren möglich ist ein wenig Material beizusteuern (Wandersagen oder Traditionen,
in einer führenden Fachzeitschrift (in Wien kommt der Anthropos und die Mitteilungen der
Anthropologischen Gesellschaft in Betracht) mit dem Obertitel ‚Mitteilungen der Wiener Ar-
beitsgemeinschaft für Afrikanische Kulturgeschichte‘ veröffentlichen. Darüber habe ich be-
reits mit den Herren Prof. Koppers und Prof. Christian gesprochen und auch die Zusage erhal-
ten. Wir glauben durch diese Sammelarbeit einen wertvollen Beitrag für die afrikan.
Kulturgesch. geben zu können und glauben damit allen Interessenten dienen zu können.“271
An Struck und sicherlich auch an andere Fachvertreter richtete Hirschberg nun die Frage,
ob er sich „an unserem Unternehmen beteiligen“ möchte oder „mit Ratschlägen uns an die
Hand“ ginge. Auch Diedrich Westermann (1875–1956) stünde ihrem „Wollen wohlwollend
gegenüber“. Die Arbeitsgemeinschaft begänne „bescheiden --- den Wiener Verhältnissen an-
gemessen“, sie hofften aber „gerade deshalb auf Erfolg“.272
Struck seinerseits begrüßte diese Initiative „aufs herzlichste“:
„Ihre Ziele scheinen mir durchaus adäquat zu sein und die Methode [...] durchaus ein-
wandfrei und sympathisch. Auch bei denjenigen Ihrer Freunde, die, wie Sie sagen, ‚von unten‘
anfangen, wird die eigene kritische Arbeit zum mindesten zu der längst erwünschten Revision
der Kulturkreise in afrikanischer Anwendung bzw. Deutung führen können und, glaube ich,
müssen – der Anschluss an die Wiener Schule auf der andern Seite vor allzu schnellem Über-
bordwerfen des für sicher erarbeiteten Bestandes bewahren.“273
Hirschberg hatte im Sommer 1930 in einer anderen Angelegenheit den Briefwechsel mit
Struck aufgenommen. Während Schmidl zu jener Zeit offensichtlich keinen wesentlichen
Kontakt mehr zu Struck hatte, gestaltete sich die Korrespondenz zwischen Hirschberg und
Struck im Verlauf der folgenden Jahre zunehmend vertraulich.274 Nicht zuletzt aus diesen Brie-
fen wird deutlich, dass es nicht allen, die sich in der WAFAK an jenen Diskussionen um Für
und Wider der Wiener Kulturkreislehre und um alternative Wege beteiligten, lediglich um eine
271 SMVD, NL Bernhard Struck, Schriftwechsel; Hirschberg, 21. September 1931, an Struck.
272 Ebd.
273 Ebd.; Struck, 26. Juni 1932, an Hirschberg.
274 Zu einem ersten persönlichen Treffen kam es, als Hirschberg im Sommer 1932 im Zusammenhang mit der Bear-
beitung des Pöch-Nachlasses mehrere Museen in verschiedenen deutschen Städten, darunter auch in Dresden,
besuchte (vgl. SMVD, NL Bernhard Struck, Schriftwechsel, Briefe von Hirschberg, 6. und 17. Juli und 10. Okto-
ber 1932, an Struck).
190 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
Frage des wissenschaftlichen Ansatzes ging, sondern auch um die der jeweiligen politischen
Positionierung. Zu jener Zeit in der Anthropos-Bibliothek angestellt, hatte offensichtlich
Hirschberg gemeinsam mit den anderen, sowohl Koppers als auch Christian, zunächst in die
Ideen der Arbeitsgemeinschaft einbezogen. Das war sicherlich zum einen der alten Verbun-
denheit mit dem Universitätsinstitut und dessen Vorstand geschuldet, zum anderen gewiss
auch Kalkül, standen der WAFAK damit u.a. auch Publikationsorgane und bessere Vortrags-
möglichkeiten offen. Bereits ein Jahr später ergänzte Hirschberg eine Einladung an Struck,
doch einen Vortrag in Wien zu halten, um folgende Anmerkung:
„Die dazu notwendigen Vorbereitungen würden nicht von Seiten Prof. Koppers ausgehen,
sondern von einer Ihnen weltanschaulich und politisch näher stehenden Seite. Sie verstehen
mich. Auch wir in Wien legen unsere Hände nicht mehr müßig in den Schoss.“275
Ende März 1933, in Deutschland hatten rund zwei Monate zuvor die Nationalsozialisten
begonnen, ihre Diktatur zu errichten, sollte Hirschbergs Haltung gegenüber Koppers noch
deutlicher werden: „Koppers macht jetzt in national. Es ist zum totlachen. Der Katholizismus
ist anpassungsfähig.“ Koppers sei „nur die Taschenausgabe“ des „ehemals allmächtige[n]
Schmidt“. Hirschberg beteuerte: „Ich habe Gelegenheit gehabt ein wenig hinter die Kulissen
zu blicken. Ich habe die klerikale Schule wirklich genossen bis zum letzten.“276
Zu P. W. Schmidt und dem Anthropos-Institut hatte auch Robert Routil Verbindungen, der
dritte im Bunde, der mit Hirschberg und Schmidl anfänglich ein Afrika-Archiv gründen woll-
te. Wie Schmidl hatte der drei Jahre jüngere Routil mit einer mathematischen und naturwis-
senschaftlichen Ausbildung begonnen und, nach Teilnahme am Ersten Weltkrieg, anschließen-
dem Abschluss des Studiums der Versicherungsmathematik und darauffolgender Tätigkeit als
Statistiker, gleichfalls zur Völkerkunde und Anthropologie gefunden. 1929, dem Jahr seiner
Dissertation über „Kindheit und Jugend bei den Völkern des mittleren Afrikas“ bei Koppers,277
arbeitete Routil ebenso wie Hirschberg, wenn auch von geringerer Dauer, gleichfalls am
Anthropos-Institut. 1930 war Routil vorübergehend am Naturhistorischen Museum in Wien
beschäftigt, bevor er 1931 Assistent am Anthropologischen Institut der Wiener Universität
wurde.278 Während Schmidl ihren mathematischen Neigungen künftig im Studium von
Flechtarbeiten nachging, konzentrierte sich Routil insbesondere auf die vermessende Anthro-
pologie wie auch auf anthropologische Vaterschaftsnachweise und begrüßte die Reche’sche
Begriffsbestimmung von „Rasse“.279-
ten Kontakte zu Reche in Leipzig, dennoch waren beide von ihm geprägt worden und sollten
sich 1939 mit Beiträgen an der Festschrift für Reche beteiligen.280 Reche war für Routil „als
281 Routil war seit dem
275 SMVD, NL Bernhard Struck, Schriftwechsel; Hirschberg, 10. Oktober 1932, an Struck.
276 Ebd.; Hirschberg, 26. März 1933, an Struck.
277 UAW, PH RA 10.362 Routil.
278 1941 wurde er wieder am Naturhistorischen Museum angestellt, wo man ihn 1945 zum Leiter der Anthropologi-
schen Sammlung ernannte (vgl. Ehgartner 1954/55).
279 Vgl. Routil 1934, 273.
280 Vgl. Hirschberg 1939; Routil 1939.
281 Routil 1940, 117.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 191
3. Februar 1933 bis zum Verbot in Österreich Mitglied der NSDAP. Seine Anträge auf erneute
Aufnahme in die Partei im Mai 1938 und Juni 1942 wurden allerdings abgelehnt.282
Der junge Hirschberg, der im April 1933 in die NSDAP eintreten sollte283 und sich derart
geringschätzig über Kollegen äußerte, wie auch der auf Physische Anthropologie fokussierte
Routil, unterschieden sich in mancherlei Hinsicht von dem zunächst gleichfalls der WAFAK
angehörigen und älteren Dominik J. Wölfel. Wölfel, der seine Schrift über den Spanischen
Bürgerkrieg 1937 General Franco widmen sollte. Er war einerseits nicht gefeit vor Antisemi-
tismen katholischer Ausprägung und begrüßte 1933 „das Hinwegfegen des übermächtigen
284
Andererseits war er mit einer Frau verheiratet, die wie Schmidl jüdische Vorfahren hatte, und
verfolgte, laut Rieger, mit seiner Widmung für Franco die Aussicht auf eine Exilmöglich-
keit.285 NSDAP-Mitglied war Wölfel nie. Was seine Haltung zu P. W. Schmidt betraf, bezeich-
nete ihn Wölfel bei aller Kritik als seinen „grosse[n] Lehrer“, einen „trotz allem so
verehrenswürdige[n] Mann [...], dem ich so viel verdanke, [...] wenn er für mich auch nicht
mehr, schon lange nicht mehr derjenige ist, an den Berechnung und Intrige nicht reicht“.286 Der
-
chivreisen und war daher auch nicht immer anwesend, wenn in Wien im Anschluss von Fach-
vorträgen lebhaft diskutiert wurde und diese Debatten „auch unsere jugendlichen Gemüter
erheblich erhitzt und so auch Form und Charakter der Diskussionen in der Arbeitsgemein-
287
Welche Rolle Gaston van Bulck, ein belgischer Jesuiten-Novize – die Priesterweihe er-
folgte im August 1936 – und der fünfte von Hirschberg in diesem Kontext genannte Völker-
kundler in der WAFAK spielte, ist noch recht unklar. Nach einer Promotion in Klassischer
Philologie in Paris 1929 war van Bulck nach Wien gekommen, um hier Völkerkunde und Af-
rikanische Sprachen bei Schmidt, Koppers, Czermak und bei dem Priester und Ägyptologen
Hermann Junker (1877–1962) zu studieren. Nach seiner weiteren Promotion im Sommer 1931
mit seinem Werk „Beiträge zur Methodik der Völkerkunde“ bei P. W. Schmidt verließ van
Ob ihn darüber hinaus etwas mit Hirschberg oder Routil, aber auch mit Wölfel oder Schmidl
verband, ist kaum anzunehmen.288
Inwieweit bei den Treffen der Arbeitsgemeinschaft neben den fachlichen Diskussionen
auch politische Themen eine Rolle spielten, ist heute gleichfalls schwer zu rekonstruieren.
Nun hatte Schmidl vielleicht den Vorteil, während ihrer Arbeit in der Bibliothek nicht
282 Der erste Antrag wurde abgelehnt, da Routil auch keine Beiträge mehr bezahlt und „sich um die Bewegung nicht
mehr gekümmert“ habe (BArch (ehem. BDC), PK, Routil, R., Personalfragebogen zum Antragschein auf Aufnah-
me in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, 20. Mai 1938, Vermerk vom Ortsgruppenleiter Leitner).
Als Grund für seinen Austritt aus der NSDAP gab Routil bei der erneuten Antragstellung an: „Überwachung durch
Pol. und annonyme [sic] Anzeigen a.d. damaligen Direktor der anthrop. Abt. des Museums“ (BArch (ehem. BDC),
PK; Routil, R., Personalfragebogen zum Antragschein auf Aufnahme in die Nationalsozialistische Deutsche
Arbeiter partei, 11. Juni 1942). Dieses Mal hieß es: „Die Ablehnungsgründe können nicht bekannt gegeben
werden“ (BArch (ehem. BDC), PK, Routil, R., Oberbereichshalter Schneider, 18. Dezember 1942, an den Gau-
schatzmeister des Gaues Wien, Erich Schulze). Vgl. auch BArch (ehemals BDC), NSDAP Zentralkartei;
Mitglieder karteikarte von R. Routil.
283 Hirschberg trat am 1. April 1933 in die NSDAP (Gau Wien), stellte jedoch die Beitragszahlung im Herbst 1934
(nach Inkrafttreten des Verbots der NSDAP in Österreich) ein. Als Begründung hierfür gab er in einem Personal-
fragebogen vom 24. Mai 1938 an: „sehr exponierte Stellung, Gefährdg [sic] der eigenen und fremder Personen“
(BArch, R 9361 II/416982).
284 Wölfel, 5. Juni 1933, an seinen Freund Gottfried Buschbell (1872–1946), 5. Juni 1933; zit. nach Rieger 2002, 91.
285 Vgl. Rieger 2002, 86–93.
286 Wölfel, 15. April 1932, an Buschbell; zit. nach Rieger 2002, 32.
287 Hirschberg 1977b, 7, siehe auch Hirschberg 1977a, 5–6; 1977b, 5–7.
288 Zu van Bulcks vgl. van Hoof 2003–2004; 2005.
192 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
zwischen Vertretern unterschiedlicher völkerkundlicher Lehrmeinungen zu geraten, die
darüber hinaus oft auch keinen großen Respekt vor der jeweils anderen Person zu haben
s chienen. Sicherlich waren diese anscheinend immer offener zutage tretenden Unstimmig-
keiten auch den Spannungen jener Zeit in Österreich geschuldet. Wollte Schmidl jedoch im
so waren gewiss jene Diskussionen im Völkerkundemuseum und im Kaffeehaus auch ein
Gewinn für sie.
Zunächst einmal gab es viele verbindende Elemente zwischen den Mitgliedern der
WAFAK; auch Schmidl hatte sich schon früh kritisch mit unterschiedlichen Ansätzen bzw.
ihren Vertretern insbesondere im Bezug zur „Kulturkreislehre“ auseinandergesetzt. Hirsch-
berg, Routil, van Bulck und Schmidl waren sich offensichtlich einig, nicht „die Kulturge-
schichte als etwas Statisches anzusehen, die sich nur nach außen verbreitet und als solche
unverändert bleibt. [...] Die Kultur ist stets dynamisch aufzufassen.“289
sich diese Sätze am Ende von van Bulcks Dissertationsschrift.290
Als nun die WAFAK beschloss, ihren Schwerpunkt „auf das Sammeln von Traditionen zu
legen“, war Wölfel nicht dabei. Er habe, so äußerte er sich nachher, zwar „weiter nichts dage-
gen“, doch wollte er sich „selbst daran nicht beteiligen“, bliebe aber in „allem Übrigen [...], ob
nun im engeren oder im weiteren Kreise“ ein „Mitarbeiter“ der WAFAK.291 Jedoch auch
Schmidl und van Bulck, so schrieb Hirschberg über vierzig Jahre später rückblickend, seien,
„wie aus ihren Veröffentlichungen leicht zu entnehmen ist, nur mit halben Herzen bei der
Sache“ gewesen.292 Eventuell waren auch divergierende politische Ansichten von Bedeutung,
als sich ausgerechnet Wölfel, van Bulck und Schmidl von der WAFAK bzw. von Hirschberg
und Routil distanzierten. Darüber hinaus spielten für Schmidl Aspekte der Physischen Anth-
ropologie nahezu keine Rolle, anders als für Routil und Hirschberg. Jedenfalls verließ sie im
Sommer 1931, wie Hirschberg rückblickend schrieb, „verärgert unsere Arbeitsgemeinschaft“.293
Ende Oktober 1931 sprach Schmidl in der Wiener Anthropologischen Gesellschaft über
ihre Studie „Mondkönige in Afrika“, eine Arbeit, die sie zu Beginn des Monats bereits in Paris
auf einem vom „International Institute of African Languages and Cultures“ organisierten Af-
rikanisten-Kongress hatte vorstellen können. Bezugnehmend auf Pater Paul Schebestas
(1878–1967) Studie über „Die Zimbabwe-Kultur in Afrika“ (1926), ging Schmidl hier „der
Herkunft der von Schebesta vermuteten fremden Macarangakultur“ nach, wobei sie sich dar-
auf konzentrierte, „die wichtigsten die Person des sagenhaften Monomotapa betreffenden Sit-
ten und Anschauungen herauszuheben“294 und die „einzelnen Elemente gesondert durch den
Kontinent“ zu verfolgen.295 Unter Einbeziehung auch der neuesten Publikationen widmete
sich Schmidl im Folgenden ausführlich diesen Aspekten und berücksichtigte dabei die bishe-
rigen Kenntnisse zur Geschichte der jeweiligen Gesellschaften und ihrer Strukturen ebenso
wie linguistische Kriterien. Schließlich kam sie zu dem Ergebnis, die „Macarangakultur“ be-
die eine ältere Bantuschicht überlagert hat“. Vielmehr gehörten die von ihr „betrachteten An-
schauungen und Sitten zum größten Teil den alten Ackerbaukulturen Ostafrikas an“. Schmidl
bestätigte sowohl „Schebestas Vermutung, dass die Ruinen zu den Monomotapa gehören, wie
289 Laut Hirschberg (1977b, 7) aus einem am 29. April 1931 von allen vier unterschriebenen Gedächtnisprotokoll.
290 Van Bulck 1931, 239–240.
291 Wölfel, 27. November 1931, an die WAFAK; zit. nach Hirschberg 1978, 16.
292 Hirschberg 1978, 22.
293 Hirschberg 1977a, 6.
294 Schmidl 1933, 28–29.
295 Ebd., 133.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 193
die Arbeiten von Caton-Thompson, die ebenfalls für den afrikanischen Ursprung der Ruinen
eintreten“.296 Später sollte sie Reche gegenüber erklären, jene Arbeit sei ein Nebenprodukt
ihrer Korbarbeit und dokumentiere, „wie sehr mir die allgemeine Fundierung des Spezialthe-
mas am Herzen liegt“.297
In ihrer 1934 publizierten „Übersicht“ über „Die Afrikaforschung seit 1931“ berücksich-
tigten Schmidls Kollegen Wölfel und Hirschberg auch jene Studie von Schmidl, und Wölfel
-
lich auf ‚Hamiten‘ zurückführen können.“ Ob allerdings Wölfels weitere Überlegung, man
müsse neben „Großstadtgebilden“, die „wohl auch unmittelbar zur See aus Vorderasien und
dem Mittelmeer nach Westafrika eingewandert“ seien, „auch andere und ältere weißafrikani-
sche ‚Schichten‘ heranziehen“,298 Schmidls Zustimmung fand, darf bezweifelt werden.299
Hirschberg schloss sich ebenso – Schmidls Arbeit erläuternd – ihrer Aussage an: „Es kann
keine Frage darüber bestehen, daß die bisherige Schulmeinung, die afrikanischen Königreiche
wären durch die Organisationskraft hamitischer Hirtenvölker entstanden, sich mit diesen
neuen Ansichten wird auseinander setzen müssen und es hat den Anschein, als ob auch hier ein
grundlegender Wandel in den Auffassungen zu erwarten wäre.“300
Wölfels ursprünglicher Plan, im Rahmen einer größeren Arbeit der WAFAK unter dem
Titel „Beiträge zur Nilotenfrage“ eine Reihe von Referaten der Mitglieder der Arbeitsgemein-
schaft, darunter auch Schmidls Beitrag „Mondkönige in Afrika“ zu veröffentlichen, wurde
fallen gelassen.301 Schmidls Arbeit erschien schließlich 1933 in „Congrès de l’Institut Interna-
tional des Langues et de Civilisations Africaines“, herausgegeben vom International African
Institute.
Über vierzig Jahre später schrieb Hirschberg über jenen Vortrag von Schmidl, er sei bei
P. W. Schmidt auf Ablehnung gestoßen „und Heine-Geldern machte im Verlauf der Diskussion
die vielsagende Bemerkung, die Ethnologie hätte sich schließlich nicht nur allein mit der ge-
schriebenen und überlieferten Geschichte zu befassen, sondern darüber hinaus noch weitere
und tiefere Aufgaben zu lösen“. Offensichtlich ging den Anwesenden Schmidls Ansatz, die
Entstehung der „Macarangakultur“ der autochtonen Bevölkerung und nicht etwa primär au-
von einer ‚Monroe-Doktrin‘ die Rede“ gewesen, „die Schmidl in der afrikanischen Kulturge-
schichte zu Unrecht verfechte“.302
-
danken. Indirekt wurde durch solche Aussagen auch das Kulturmissions-Argument unterwan-
dert, das wiederholt angeführt wurde, wenn es um (Rück-)Forderungen nach Kolonien ging.
Am 18. Jänner 1934 hielt Schmidl auf der Ethnologischen Fachsitzung der Anthropologi-
schen Gesellschaft in Wien am „kulturhistorischen Sprechabend“ einen Vortrag mit Lichtbil-
dern über „Libysches Kulturgut am Oberen Nil“, der im darauffolgenden Jahr unter dem Titel
„Die Grundlagen der Nilotenkultur“ in den „Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft
296 Ebd., 156. Schmidl gibt folgende Quelle an: G. Caton-Thompson, The Zimbabwe Culture, Oxford 1931.
297 UAL, Ethnologie Re XXXV; Schmidl, 30. Jänner 1934, an Reche.
298 Wölfel 1934, 18–19.
299 Zur Hamitentheorie vgl. Rohrbacher 2002.
300 Hirschberg 1934, 35. Hierzu heißt es bei Böhmer-Bauer: „Schmidl vertritt entgegen der damals herrschenden
Meinung die Ansicht, daß es sich bei den Shona-Königreichen um Kulturen handelt, die eng mit dem Bodenbau
verknüpft sind, was sich auf Grund der archäologischen Erkenntnisse über die Wirtschaftsform sowie der Symbo-
le (Hacke) und bestimmter Zeremonien des Muenemutapa (Ausstreuen von Getreide) stützen läßt.“ (2000, 431).
301 Vgl. Hirschberg 1978, 3–4, 8.
302 Hirschberg 1977a, 6.
194 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
in Wien“ erschien. „An der Aussprache nehmen teil die Herren Wölfel, Loeb, Mohr303,
Koppers, Heine-Geldern, Walle, Frau Pöch und die Vortragende.“304
Zu diesem Beitrag, in dem Schmidl, „die Kulturen der heute das obere Nilgebiet bewoh-
nenden Völker auf ihren Aufbau hin zu untersuchen“ sich vornahm305, wenngleich es „nicht in
allen Fällen möglich“ sei, „den Anteil der einzelnen Kulturen im Besitz der besprochenen
Völker nachzuweisen“,306
später Reche gegenüber, es erschien ihr „die Lösung der darin behandelnden Fragen als unum-
gänglich für jede weitere Arbeit, im speciellen der Korbarbeit im Sinne einer Darstellung einer
Art Vorgeschichte von Afrika“.307 Gewissermaßen verstand Schmidl jene Studie als Teil der
Grundlagenforschung für ihre Korbarbeit. Für diese wollte sie sich auf jene Weise dem gesam-
ten afrikanischen Kontinent widmen. Charakteristisch für Schmidls Ansatz war ihre abwägen-
-
gen Kategorisierungen. Immer expliziter sich von der damals verbreiteten Hamiten-Theorie
distanzierend, der eben auch Hirschberg nahe stand, schrieb Schmidl, die „Gleichung Hamite
= Großviehzüchter“308 müsse fallengelassen werden – eine Einsicht, die sie mit Wölfel teil-
te.309 Sie verwischte nicht nur die Grenzen zwischen Viehzüchtern einerseits und Ackerbauern
andererseits, sondern auch zwischen vermeintlich kulturschaffenden und kulturempfangenden
Völkern. Vielleicht lag es unter anderem auch an ihrem christlich-jüdischen Hintergrund, dass
das Werk Einer [sic] Rasse und Eines Kulturkreises war, sondern sich erst und in der
Vereinigung der bisher isoliert bestehenden Rassen und Kulturen bildete, die schon ihrerseits
sämtlich aus Mischungen der großen Grundrassen hervorgegangen waren“.310 Dement-
sprechend schrieb ebenso Koppers, alle „großen Völker- und Kulturkreise“ hätten zum „Hoch-
bau der menschlichen Kultur“ beigetragen.311 In diesem Punkt unterschieden sie sich in den
1930er Jahren von vielen ihrer Kollegen wie beispielsweise auch von Otto Reche, für den die
Mischung von Kulturen oftmals einer Degeneration gleichkam. Ihren Beitrag über „Die
Grundlagen der Nilotenkultur“ abschließend, bemerkte Schmidl:
„Wie eine Erscheinung niemals von einer Seite allein erklärt werden kann, so ist auch das
heutige Kulturbild nicht nur aus der gemeinsamen Grundlage heraus zu verstehen; sowohl die
-
turen haben im Laufe der Jahrhunderte in gleicher Weise mitgearbeitet, die Verhältnisse zu
schaffen, die uns heute am oberen Nil wie in Südafrika durch ihre Übereinstimmung in Erstau-
nen versetzen.“312
Die „Frage nach dem Grund der Übereinstimmung im Kulturbesitz der Völker am oberen
Nil und in Südafrika ist also weniger mit einem aut-aut als mit einem et-et zu beantworten“,
303 Richard J. Mohr (1900–1978) promovierte 1933 bei Koppers mit der Dissertation „Untersuchungen über Sexual-
ethik ost- und zentralafrikanischer Volksstämme“; zu Mohr siehe Schoenaker 1979.
304 Anthropologische Gesellschaft in Wien 1933–34, [21].
305 Schmidl 1935, 86.
306 Ebd., 90.
307 UAL, Ethnologie Re XXXV; Schmidl, 30. Jänner 1934, an Reche.
308 Schmidl 1935, 110.
309 Vgl. etwa Wölfel 1929, 110–111. Siehe auch Geisenhainer 2005, 90–91; zu Wölfels Position zur Hamitentheorie
vgl. Rohrbacher 2002, 195ff.
310 Schmidl 1935, 92.
311 Koppers 1935, 31. Jene positive Beurteilung von „Rassenmischung“ erachtete Linimayr „noch viel mehr als die
Ursprungsfrage selbst“ als „eine klare Opposition“ (1994, 39) zu den Verfechtern der reinen „nordischen Rasse“.
312 Schmidl 1935, 110–111.
Jüdische Lebenslinien in der Wiener Völkerkunde vor 1938: Das Beispiel Marianne Schmidl 195
so Schmidl.313 Nach Hirschberg war dies eine „für Schmidl typische Formulierung“, welche
die damals „in der Arbeitsgemeinschaft herrschenden gegensätzlichen methodischen Ansätze
deutlich zum Ausdruck“ gebracht habe.314
-
gemeinschaft für den Einzelnen wirklich hatte und inwieweit ihr Hirschberg nicht erst nach-
träglich eine größere Bedeutung zusprach, ist noch nicht vollkommen geklärt.315 Nach weni-
gen Jahren löste sich die WAFAK ganz auf. Jedenfalls hatten die Forderungen jenes
Arbeitskreises, das „Augenmerk auf alles geschichtlich im engeren Sinne Erreichbare“ zu
richten316, im Allgemeinen Schmidls Herangehensweise entsprochen, sich unter Einbeziehung
unterschiedlicher Aspekte der Geschichte einer bestimmten Bevölkerungsgruppe anzunähern.
Dies zeigten schon ihre Publikationen im Anschluss an ihre Studien in Bulgarien. Im Speziel-
len war jenes Ansinnen der WAFAK wie auch die Idee, eine entsprechende Kartothek anzule-
gen317, Schmidls Anliegen entgegengekommen, der „Geschichte jedes einzelnen Stammes“ in
Afrika nachzugehen.318 In der „genauesten Kenntnis der historischen Verhältnisse“319 des afri-
kanischen Kontinents sah sie die Grundlage ihrer Korbstudien, erkannte dabei jedoch nicht,
dass sie diese Aufgabe in der ihr zur Verfügung stehenden Zeit nicht bewältigen konnte.
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313 Ebd., 110.
314 Hirschberg 1978, 20.
315 Vgl. Dick 2009, 79–83.
316 Hirschberg 1931.
317 WMW Archiv, Direktionsakt 1932; Hirschberg gez. für die Wiener Arbeitsgemeinschaft für Afrikanische Kultur-
geschichte, 1. Dezember 1931.
318 UAL, Ethnologie Re XXXV; Schmidl, 23. Juni 1930, an Reche, auch Brief vom 17. Juli 1930.
319 Ebd.; Schmidl, 17. Juli 1930, an Reche.
196 1910–1938: Einblick in ethnologische Theorien und Methoden in Österreich
Bundesarchiv Berlin (BArch), Berlin-Lichterfelde
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Parteikorrespondenz (PK), Routil, Robert
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Gemeindeverwaltung Berchtesgaden
Geburtenbuch der Gemeindeverwaltung Berchtesgaden 1890, Nr. 110
Privater Nachlass der Familie Schiller
Briefe und weitere Dokumente
Archivum Generale, Societas Verbi Divini (AG SVD), Rom
28/09-29/H (betr. ausgetretene Mitbrüder)
Evangelisch-lutherisches Pfarramt Bad Reichenhall
Kirchenbuch, Jg. 1890
Handschriften-, Autographen- und Nachlass-Sammlung der Österreichischen Nationalbiblio-
thek (HAN ÖNB), Wien
Cod. Ser. n. 38860 (Marie Schmidl, Manuskripte)
Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Wien
Allgemeines Verwaltungsarchiv, Unterricht Allgemein (AVA, U.-Allg.)
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Direktionsakten 1925, 1927, 1932
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Stefan EISENHOFER, MfV München, 25. März 2003, E-Mail an Katja Geisenhainer
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persönliche Gespräche mit Katja Geisenhainer
Michael KRAuS, 13. November 2015, E-Mail an Katja Geisenhainer
MAgISTRAT DER STADT WIEN, Magistratsabteilung 8, 20. Juni 2017, schriftl. Mitteilung an Katja
Geisenhainer
Johann SCHILLER, 16. Jänner 1999, 27. August 2015 [und weitere]; persönliche Gespräche mit
Katja Geisenhainer
Stefan SIENELL (AÖAW), 9. September 2003, E-Mail an Katja Geisenhainer
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an Katja Geisenhainer
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Abbildungsnachweis
Abb. 5.1 Privatbesitz
Abb. 5.2 Privatbesitz
Abb. 5.3a-c UAL, Ethnologie Re XXXV
Abb. 5.4a-c UAL, Ethnologie Re XXXV