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Positionspapier
Informatische Bildung
in der Grundschule und
Zentren für Digitale Bildung
Dieses Positionspapier wurde in zwei Werkstattta-
gungen zur ,,Integration von Informatischer Bildung in
die Digitale Bildung der Grundschule“ am 18. Novem-
ber 2020 und 18. Februar 2021 erar-
beitet und auf der INFOS 2021
durch Ulrich Kortenkamp, Martin
Brämer, Henry Herper und Beat
Döbeli Honegger zur Diskussion ge-
stellt. An den Werkstatttagungen wa-
ren die folgenden Personen beteiligt:
Alexander Best, Katharina Geld-
reich, Henry Herper, Beat Döbeli
Honegger, Ludger Humbert, Johan-
nes Magenheim, Ralf Romeike,
Carsten Schulte (alle Didaktik der
Informatik), Volker Frederking
(Grundschuldidaktik Deutsch), Martin Brämer, Nicola
Meschede (beide Didaktik des Sachunterrichts), Gün-
ther Krauthausen, Silke Ladel, Joscha Müller-Späth
(alle Didaktik der Mathematik), Jasmin Bastian, Ilka
Goetz (beide Mediendidaktik). Die Erarbeitung des
Papiers wurde durch die Deutsche Telekom Stiftung ge-
fördert; die Projektleitung an der Universität Potsdam
hatten Ulrich Kortenkamp und Elke Binner mit Unter-
stützung von Anne Burghardt und Marie Siegling.
Zusammenfassung
Die Diskussion über Zentren für Digitale Bildung
als Einrichtungen der Länder im Rahmen der bundes-
weiten Digitalisierungsstrategie gibt Anlass dazu, die
Aufgaben solcher Zentren zu präzisieren. Eine Arbeits-
gruppe aus den Fachdidaktiken der Grundschule, der
Medienpädagogik und der Informatikdidaktik hat in
mehreren Arbeitstagungen den wichtigen Aspekt der
informatischen Bildung für die Grundschule als Aufga-
be der Zentren identifiziert und möchte mit diesem Pa-
pier Leitlinien für die inhaltliche und organisatorische
Ausgestaltung vorschlagen.
Zentren für Digitale Bildung können auf verschiede-
nen Ebenen für die informatische Bildung wirksam
werden. Auf der System-Ebene sehen wir die Zentren
als Unterstützung für die curriculare
Umsetzung eines Lehrens und Ler-
nens mit Medien und über Medien.
Dabei müssen nicht nur die Lan-
desinstitute, sondern auch die Uni-
versitäten als Vertreter der Wissen-
schaft und der 1. Phase der Lehr-
kräftebildung in die Ausgestaltung
der Zentren eingebunden werden.
Die gemeinsame Verantwortung für
die Lehrkräftebildung sollte sich
idealerweise auch in der Organisati-
onsstruktur der Zentren auf Lei-
tungsebene abbilden.
Auf der Material-Ebene können die Zentren hochwer-
tige Unterrichts- und Forschungsmaterialien, die mög-
lichst über forschungsbasierte Ansätze (weiter-)entwi-
ckelt werden, bereitstellen und die Qualitätssicherung in
Zusammenarbeit mit den Fachdidaktiken übernehmen.
Die technische Infrastruktur für die Verteilung von Ma-
terialien, die notwendigen Schulungen und den Support
müssen die Zentren leisten können. Eine Einbindung in
die Lernmanagement-Systeme der Schulen muss ge-
währleistet sein. Zudem ist es unerlässlich, sämtliche Un-
terrichtsmaterialien unter freien Lizenzen bereitzustel-
len.
Auf der Personal-Ebene müssen die Digitalzentren
den Transformationsprozess begleiten. Die starke Pra-
xisorientierung der Landesinstitute und die damit ver-
bundene Orientierung an der schulischen Realität
kann nur gemeinsam mit den empirisch abgesicherten
Forschungsergebnissen der Universitäten zu wirklichen
Veränderungen der schulischen Realität führen.
Die Kosten für die Einrichtung der Zentren sollten
dabei von Bund und Ländern gemeinsam getragen
werden. Die Länder können insbesondere durch die
Freistellung oder Abordnung von Lehrkräften für Fort-
bildungsmaßnahmen und gemeinsame Forschungs- und
Entwicklungsprojekte mit den Universitäten einen an-
gemessenen Beitrag leisten.
Leitlinien zur
• System-Ebene
• Material-Ebene
• Personal-Ebene
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Informatische Bildung
in der Grundschule –
eine Bestandsaufnahme
Noch vor einigen Jahren von Bildungspolitik, Bil-
dungsadministration und Forschung wenig beachtet,
hat informatische Bildung im Primarbereich immens
an Zuspruch gewonnen, und es wurde eine Vielzahl
von Empfehlungen, Positionspapieren, Handreichun-
gen und Unterrichtsmaterialien publiziert. Deutsch-
land folgt hiermit einem Trend, der sich international
schon seit geraumer Zeit abzeichnet und sich bereits in
zahlreichen Curricula der Grundschule widerspiegelt.
Im Oktober 2016 stellte das Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) sein Strategiepapier
,,Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesell-
schaft“ (BMBF, 2016) vor, in dem fünf Handlungsfel-
der für den ,,digitalen Wandel“ ausgewiesen werden.
Die Ziele werden im Papier ,,Digitale Zukunft: Lernen.
Forschen. Wissen.“ (BMBF, April
2019) quantifiziert. Es erhöht zum
Beispiel die Zielmarke im Jahr 2025
für den Anteil der Personen, die
über ,,digitale Grundkenntnisse“
verfügen, von den von Eurostat er-
rechneten 68 Prozent auf 75 Pro-
zent. Darüber hinaus sollen über
den MINT-Aktionsplan in den Jah-
ren 2019 bis 2023 entsprechende
Maßnahmen gebündelt werden
(BMBF, Februar 2019). Zwei Mona-
te nach dem BMBF-Strategiepapier
folgte die Kultusministerkonferenz (KMK) mit ihrer
Strategie ,,Bildung in der digitalen Welt“, die mittler-
weile in einer überarbeiteten und um das Kapitel ,,Wei-
terbildungen“ erweiterten Fassung (KMK, 2017) vor-
liegt. Neben der Vorgabe zur ,,digital gestützten Gestal-
tung von Lehr- und Lernprozessen“ wird anhand eines
aus sechs Bereichen bestehenden Kompetenzrahmens
eine Verortung von ,,Kompetenzen für die digitale
Welt“ in jedem Fach unter fachspezifischen Gesichts-
punkten ausgewiesen und eingefordert. Dies umfasst
sämtliche Schulstufen und Schulformen. Die Gesell-
schaft für Fachdidaktik (GFD) nimmt zu dem Strate-
giepapier der KMK Stellung und hält fest, dass aus ih-
rer Sicht Ergänzungen und Präzisierungen, bspw. die
Verknüpfung der digitalen Kompetenzbereiche mit
fachlichen Kompetenzen, notwendig seien (GFD,
2018). Darüber hinaus wird konstatiert, dass digitale
Bildung zwar im Fachunterricht gefördert werden kön-
ne, die dazu nötigen Grundlagen jedoch vorrangig in
einem spezifischen Informatikunterricht vermittelt
werden sollen.
Die im Jahr 2000 vorgelegten ,,Empfehlungen für ein
Gesamtkonzept zur informatischen Bildung an allge-
mein bildenden Schulen“ der Gesellschaft für Informa-
tik (GI) konnten nach entsprechenden Empfehlungen
für die Sekundarstufe I im Jahr 2008 und für die Sekun-
darstufe II im Jahr 2016 um Empfehlungen für den Pri-
marbereich im Jahr 2019 für alle Schulstufen komplet-
tiert werden (GI, 2000, 2008, 2016 und 2019). Hierbei
bestimmt ein aus jeweils fünf Inhalts- und Prozessberei-
chen bestehendes, bewährtes Kompetenzstrukturmo-
dell stringent alle Empfehlungen. Besonders bei den
Empfehlungen für den Primarbereich wurde die fehlen-
de informatische Bildung der Lehrkräfte berücksichtigt
und dieser zumindest über ein Glossar begegnet.
In den Jahren 2015 bis 2018 setzte sich eine durch die
Stiftung ,,Haus der kleinen Forscher“ initiierte Arbeits-
gruppe zu früher informatischer Bildung mit Zielen
und Gelingensbedingungen für den Elementar- und
Primarbereich auseinander. Neben einem Kompetenz-
rahmen, der sich auf das Modell der Gesellschaft für
Informatik stützt und diesen um einen sechsten Pro-
zessbereich ergänzt, wurden verschiedene Zieldimen-
sionen auf Ebene der pädagogischen Fach- und Lehr-
kräfte ausgearbeitet (Stiftung Haus der kleinen For-
scher, 2018).
Diese beiden Empfehlungen (GI, 2008; Stiftung
Haus der kleinen Forscher, 2018) werden von zahlrei-
chen Unterrichtsmaterialien und didaktisch-methodi-
schen Handreichungen flankiert, die an unterschiedli-
chen Universitätsstandorten ent-
standen und entstehen. Ein Beispiel
ist das in Nordrhein-Westfalen im
Auftrag des Ministeriums für Schule
und Bildung durchgeführte Modell-
projekt ,,Informatik an Grundschu-
len (IaG)“ (MSB NRW, 2019). Die
Entwicklung und Evaluation von
Unterrichtsmodulen in Kooperation
mit Grundschullehrkräften fanden
in einem Verbund der Universitäten
Aachen, Paderborn und Wuppertal
statt. Ein weiteres Beispiel ist das in
Niedersachsen durchgeführte und beschriebene Pro-
jekt ,,Informatische Bildung und Technik in der Grund-
schule“ (ifib, 2020). Weitere Projekte existieren z. B. a n
den Universitäten Bamberg, München oder Münster.
Die Deutsche Telekom Stiftung förderte über einen
Zeitraum von drei Jahren sechs Hochschulen im Pro-
jekt ,,Digitales Lernen Grundschule“, die Konzepte für
den produktiven Einsatz digitaler Medien im Grund-
schulunterricht entwickelt und an Schulen praktisch er-
probt haben (Deutsche Telekom Stiftung, 2020).
Insgesamt lässt sich also festhalten, dass Empfehlun-
gen sowohl zur Struktur als auch inhaltlichen Ausge-
staltung informatischer Bildung in der Grundschule
existieren und im wissenschaftlichen Diskurs verankert
sind. Die Auswirkungen der politischen Vorgaben auf
die Praxis sind aber nur bedingt sichtbar.
Ziele informatischer Bildung
in der Grundschule
Informatische Bildung ist eine entscheidende Grund-
lage digitaler Bildung. Dies gilt sowohl für allgemeine
Informatische Bildung
im Primarbereich hat
immens an Zuspruch
gewonnen.
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digitale Bildung, wie sie die KMK in ihrem Strategiepa-
pier (KMK, 2017) beschreibt, als auch für fachliche Bil-
dung in der digitalen Welt, wie sie in dem Positionspa-
pier der Gesellschaft für Fachdidaktik (GFD, 2018)
konkretisiert wird. Informatik ist das Kernfach infor-
matischer Bildung und sollte deshalb einen festen Platz
im schulischen Fächerkanon der Grundschule und der
weiterführenden Schulen erhalten. Neben dem Unter-
richtsfach ,,Informatik“ sollte informatische Bildung je-
doch in fachspezifischer Form auch in anderen Fächern
wie Deutsch, Mathematik oder Sachunterricht ange-
bahnt und gefördert werden. So fordern wir in diesem
Positionspapier eine verpflichtende informatische Bil-
dung innerhalb der Grundschulen, mit der einerseits in-
formatikdidaktische Zielstellungen verfolgt werden und
die andererseits den spezifischen Gegebenheiten der ein-
zelnen Fachdidaktiken der Grundschule gerecht wird.
Hierbei sollen die Kerngedanken der Fachdidaktiken
erhalten bleiben und historische Fehler wie bspw. mo-
noperspektivisch-fachorientierte Ansätze Ende der
1970er (Thomas, 42013, S. 36) oder die erste Welle fach-
lich-informatischer Bildung in der Schule der 70er- und
80er-Jahre (Eickelmann u. a., 2019, S. 115) vermieden
werden.
Informatikdidaktische Zielstellun-
gen wären hierbei vor allem in zwei
Dimensionen zu sehen: Zum einen
als Einüben und Kennenlernen ei-
nes informatischen Zugangs zur
Welt, zum anderen als das Verstehen
der digitalen Welt und dadurch mög-
liches selbstständiges Handeln in
dieser. Zur ersten Facette gehören
das informatische Problemlösen,
Modellieren und Implementieren
sowie Computational Thinking. Zur
zweiten Facette gehören das Erfassen des Aufbaus und
der Arbeitsweise digitaler Artefakte und Informatik-
systeme sowie das Verstehen ihrer Bedeutung und der
Interaktion und Wechselwirkung von Mensch und Ma-
schine.
Für die Deutschdidaktik könnte dies bedeuten, dass
Konzepte entwickelt werden, in denen mithilfe von fach-
übergreifender Kooperation mit dem Informatikunter-
richt sprachbasierte Vorbereitungen bzw. Verarbeitungen
informatischen Lehrens und Lernens zum selbstverständ-
lichen Bestandteil des Sprachunterrichts werden. Münd-
lich und/oder schriftlich kann z. B. die Nutzung von All-
tagsgeräten oder Mikrocontrollern vorbesprochen wer-
den. Auch die Klärung von Fachbegriffen bedarf hier der
sprachlichen Reflexion. Nach der experimentellen Nut-
zung können die im Umgang mit digitalen Artefakten ge-
machten Erfahrungen mündlich diskutiert und im An-
schluss schriftlich festgehalten werden. Darüber hinaus
sind Besonderheiten digitaler Texte ebenso ein Gegen-
stand des Deutschunterrichts und berühren dabei auch
Fragen informatischer Bildung (Frederking, 2020; Freder-
king/Krommer, 2019). So setzen die Rezeption und Pro-
duktion digitaler Texte den kompetenten Umgang mit ih-
ren interaktiven und kommunikativen Möglichkeiten vo-
raus. Dies wiederum erfordert zumindest ein basales Ver-
stehen informatischer Prozesse. Auch die hypertextuelle
und hypermediale Struktur und die für viele Internet- und
Softwareangebote schon von Kindern als typisch wahrge-
nommene polymodale bzw. symmediale Verbindung von
Schrift-, Bild-, Ton- und Filmebene bedürfen spezifischer
Fähigkeiten digitalen Lesens und digitalen Schreibens, die
das fachliche Spektrum des Sprachunterrichts in der
Grundschule erweitern. Auch hier leistet die Einbezie-
hung informatischen Wissens über die Entstehung digita-
ler Texte einen wichtigen Beitrag zur kompetenten An-
wendung, aber auch zum Schutz vor potenziellen Gefah-
ren (Frederking, 2021; Philipp, 2018).
Für die Mathematikdidaktik bieten sich primär An-
knüpfungspunkte an Elemente des funktionalen Den-
kens, die Idee des Algorithmus sowie Problemlösungs-
und Modellierungskompetenzen an. Elemente des funk-
tionalen Denkens werden bereits in der Primarstufe
bspw. über die Leitidee Muster und Strukturen aufge-
baut und später mit algebraischen Strukturen fortge-
führt. Die zentralen Begriffe der Variable und des Terms
sowie die operative Sichtweise auf Rechenverfahren sind
fundamentale Ideen nicht nur in der Mathematik, son-
dern auch in der Informatik. Auch die Idee des Algorith-
mus wird nicht nur in den schriftlichen Rechenverfahren,
sondern auch bei verschiedenen anderen Handlungsan-
weisungen sichtbar, wie zum Beispiel
beim Vergleichen zweier Zahlen oder
bei Konstruktionsbeschreibungen im
Bereich der Geometrie. Diese grund-
legenden Arbeitsweisen werden in
der Sekundarstufe ausgebaut und die
Algorithmen auf allgemeinere Pro-
bleme übertragen. Die Idee des Algo-
rithmus kann bei einer Meta-Sicht-
weise auf diese Verfahren von einer
rein kalkülhaften Beherrschung der
Verfahren auf eine informatische Be-
trachtung erweitert und bereichert
werden (Krauthausen, 1993). In dem Zusammenhang
können auch die prozessorientierten Kompetenzen des
Problemlösens und Modellierens gefördert werden, de-
ren einzelne Phasen aus mathematikdidaktischer und in-
formatikdidaktischer Seite sehr ähnlich sind. Das Lernen
von Mathematik mithilfe von digitalen Medien bietet
auch in der Grundschule die Gelegenheit zum Lernen
über digitale Medien (Frederking/Ladel, 2021; Krauthau-
sen, 2012). Die Dekonstruktion von technischen Hilfs-
mitteln wie Taschenrechner oder Geometriesoftware
zeigt die Potenziale und Grenzen der Technisierung und
die Notwendigkeit der mathematischen Bildung auf.
Für den Sachunterricht bedeutet dies unter anderem,
dass auch informatische Bildung immer vielperspekti-
visch und lebensweltbezogen mit dem Ziel der individu-
ellen Welterschließung gedacht werden sollte (GDSU,
2013 und 2021). Die Kinder sollten kritisch-reflexive und
wertebasierte Handlungspotenziale entwickeln und da-
durch sowohl zur Teilhabe an gesellschaftlichen Diskur-
sen über Digitalisierung als auch zur Bearbeitung von
Problemen im eigenen sowie gesellschaftlichen Leben
(bspw. zur Förderung von Demokratisierung und Nach-
haltigkeit) befähigt werden (Brämer u. a., 2020; Pokraka/
Gryl, 2017; Straube u. a., 2019).
Zusätzlich zu diesen fachlichen spielen auch über-
fachliche Zielstellungen eine Rolle. So sollten Kinder in
der Grundschule, möglichst vor einer stereotypen Prä-
Verpfl i c h tend e
informatische
Bildung
an Grundschulen!
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gung (bspw. aufgrund bestimmter Gendervorstellun-
gen), Einblicke in informatische Phänomene und Prak-
tiken erhalten und auf dieser Basis eigenständige Hal-
tungen sowie Interessen ausprägen. Des Weiteren ist
die Entwicklung einer hohen Selbstwirksamkeitserwar-
tung sowie einer sogenannten Gestalter-Perspektive
(Prosumer statt Consumer) in Bezug auf informatische
bzw. digitale Inhalte eine zentrale Aufgabe der infor-
matischen Bildung in der Grundschule.
Die benannten Zielstellungen setzten jedoch die Mit-
wirkung der Lehrkräfte in der Praxis voraus. Diese
müssen hierfür in Form von Aus-, Fort- und Weiterbil-
dungen unterstützt werden, die insbesondere motivatio-
nale und affektive Aspekte berücksichtigen sowie eine
positive Haltung gegenüber informatischen Inhalten,
Arbeits-, Handlungs- und Denkweisen transportieren.
Dies sollte dabei einerseits durch eine möglichst trans-
parente Vermittlung fachlicher sowie fachdidaktischer
Inhalte und Prozesse aus der Informatik und anderer-
seits durch einen Bezug zu den jeweiligen ,,eigenen“
Fächern sowie einem hohen Grad an Selbstbestimmung
innerhalb der Weiterbildungen erreicht werden.
Die Kompetenzzentren für
Digitale Bildung als Katalysator
für die informatische Bildung
in der Grundschule
Die aktuell in der Diskussion befindlichen Kompe-
tenzzentren für Digitale Bildung können aus unserer
Sicht einen entscheidenden Beitrag zur Sicherstellung
der informatischen Bildung in der Grundschule leisten.
Grundsätzlich sehen wir sowohl Bildungs-, als auch
Wissenschaftsministerien in der Trägerverantwortung
dieser Einrichtungen. Diese ergibt sich zum einen aus
den skizzierten Aufgaben, zum anderen aber auch aus
der Gestaltung der Lehrkräftebildung in mehreren
Phasen. Nur durch eine gemeinsam von Landesinstitu-
ten und Universitäten getragene Einrichtung kann die
Lehrkräftebildung in ihrer Breite adressiert werden
und die bereits vorhandene Expertise aus Schulpraxis
und Wissenschaft eingebracht werden.
Auf Grundlage vorhandener Kompetenzbeschrei-
bungen für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte be-
nötigt eine Umsetzung informatischer Bildung für die
Grundschule insbesondere
䉯konkrete Anregungen für alle Schulstufen mit beson-
derem Fokus auf Übergänge,
䉯Hinweise zur Ausgestaltung der Kompetenzanforde-
rungen für Schülerinnen und Schüler und
䉯Bausteine zur Kompetenzentwicklung für (künftige)
Lehrkräfte mit Fokus auf konzeptionelles Wissen,
vor allem für Lehrkräfte, die nicht Informatik unter-
richten, sondern Expertinnen und Experten für ihre
eigenen Fächer Deutsch, Mathematik oder Sachun-
terricht sind.
Darüber hinaus sollten die erste, zweite und dritte
Phase der Lehrkräftebildung aktiv in den Betrieb der
Zentren eingebunden werden. Hier kann – bezogen auf
die Zusammenarbeit zwischen der ersten und zweiten
Phase – auf Erfahrungen aus dem Praxissemester zu-
rückgegriffen werden. Insbesondere ist zu klären, dass
die Zentren durch Leitungsgremien geführt werden, in
denen die drei Phasen der Lehrkräftebildung, Studie-
rende, Referendarinnen und Referendare sowie Lehr-
kräfte Stimmrecht erhalten.
Entscheidend für den Erfolg der Kompetenzzentren
für Digitale Bildung ist die Chance, Lehrkräfte so zu
erreichen, dass sie für ihre Arbeit einen Zugewinn er-
fahren, der sie zu Multiplikatorinnen und Multiplikato-
ren der Ideen befördert und Mut macht, Elemente der
Informatik im eigenen Unterricht umzusetzen.
Als konkretes Angebot sollten Kolleginnen und Kol-
legen aus den Grundschulen und weiterführenden
Schulen die Möglichkeit erhalten, sich miteinander und
mit Expertinnen und Experten informatischer Bildung
in den Zentren zu treffen, um dort in ko-kreativen Pro-
zessen an Elementen aus den Bildungsplänen/Kern-
lehrplänen/Rahmenlehrplänen eine Feinstruktur für
ihre jeweiligen Lerngruppen zu entwickeln.
So ist die Idee eines Spiralcurriculums Informatik
untereinander und miteinander umzusetzen und wei-
terzuentwickeln. Begleitet werden können diese Teams
durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, so-
dass diese professionellen Lerngemeinschaften einen
bidirektionalen Transfer zwischen Forschung und Pra-
xis initiieren.
Diese stufenübergreifende Zusammenarbeit betont
die fundamentalen Ideen, der zeitinvarianten Konzepte
der Informatik, die sich durch eine Stabilität gegenüber
Modetrends auszeichnen. Für alle Teilnehmenden
sichtbar können diese für den eigenen Unterricht als
Richtschnur herausgearbeitet und entwickelt werden.
Für eine nachhaltige Sicherung dieser Zusammenarbeit
bedarf es der Abordnung von Lehrkräften aus den
Schulen und Seminaren an die Kompetenzzentren.
Eine weitere Möglichkeit böten die Kompetenzzen-
tren für Lehrkräfte und Studierende dadurch, dass man
in ihnen umfassende Handlungskompetenzen im Um-
gang mit digitalen Medien auf fachlicher und konzep-
tioneller Grundlage erwerben könnte. Dazu müssen die
räumliche und technische Ausstattung für den Unter-
richt vor Ort verfügbar sein. In Zusammenarbeit mit
den Schulträgern könnten so exemplarische Ausstat-
tungsmodelle bereitgestellt werden, die einfach auch
an die Schulen vor Ort transferiert werden können.
Die konkreten Unterrichtsideen samt ihrer Umset-
zung müssen in den Kompetenzzentren gesammelt und
strukturiert werden. Entwickelte, erprobte und evaluier-
te Unterrichtsmaterialien müssen unter einer freien Li-
zenz als Open Educational Resources (OER) publiziert
werden. Die in den Zentren gewonnenen Erkenntnisse
tragen dadurch zur curricularen Weiterentwicklung aller
Fächer bei. Die konsequente wissenschaftliche Beglei-
tung durch die Universitäten und ggf. beteiligte außeru-
niversitäre Forschungseinrichtungen sorgt dabei für die
empirische Absicherung der Arbeit. Dies bedarf letztlich
aber auch einer dauerhaften Finanzierung der Kompe-
tenzzentren durch Bund und Länder.
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D I S K U S S I O N
Alexander Best, Martin Brämer, Volker Frederking,
Katharina Geldreich, Ilka Goetz, Henry Herper,
Ludger Humbert, Ulrich Kortenkamp,
Günter Krauthausen, Silke Ladel, Carsten Schulte
Kontakt:
Ulrich Kortenkamp
E-Mail: ulrich.kortenkamp@uni-potsdam.de
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D I S K U S S I O N