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TEXTE
133/2021
Für Mensch & Umwelt
Teilbericht
Neue Allianzen für Nachhaltig-
keitspolitik – Systematisierung
der sozialen Dimension von
Umweltpolitik
von:
Ulrich Petschow, Dr. Pauline Riousset, Helen Sharp unter Mitarbeit von Nick Holzberg
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Berlin
Dr. Klaus Jacob, Anna-Lena Guske
Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU), Berlin
Herausgeber:
Umweltbundesamt
TEXTE 133/2021
Ressortforschungsplan des Bundesministeriums für
Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
Forschungskennzahl 3717 11 104 0
FB000127/ZW,1
Teilbericht
Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik –
Systematisierung der sozialen Dimension
von Umweltpolitik
von
Ulrich Petschow, Dr. Pauline Riousset, Helen Sharp unter
Mitarbeit von Nick Holzberg
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Ber-
lin
Dr. Klaus Jacob, Anna-Lena Guske
Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU), Berlin
Im Auftrag des Umweltbundesamtes
Impressum
Herausgeber
Umweltbundesamt
Wörlitzer Platz 1
06844 Dessau-Roßlau
Tel: +49 340-2103-0
Fax: +49 340-2103-2285
buergerservice@uba.de
Internet: www.umweltbundesamt.de
/umweltbundesamt.de
/umweltbundesamt
Durchführung der Studie:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105
10785 Berlin
Abschlussdatum:
April 2021
Redaktion:
Fachgebiet I 1.1 Grundsatzfragen, Nachhaltigkeitsstrategien und -szenarien, Ressourcen-
schonung
Dorothee Arenhövel, Daniel Eichhorn
Fachgebiet I 1.4 Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Umweltfragen, nachhaltiger
Konsum
Dr. Angelika Gellrich
Publikationen als pdf:
http://www.umweltbundesamt.de/publikationen
ISSN 1862-4804
Dessau-Roßlau, Oktober 2021
Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
5
Kurzbeschreibung: Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierug der sozialen
Dimensionen von Umweltpolitik
Im Nachhaltigkeitsdiskurs hat, neben der ökologischen und ökonomischen, auch die soziale Di-
mension seit langem einen festen Platz. Dennoch herrscht über die Konzeptualisierung sozialer
Nachhaltigkeit im Diskurs ebenso wenig Einigkeit und Klarheit wie über die Konzeptualisierung
des ‚Sozialen‘ im Allgemeinen in der Soziologie, wo unterschiedliche Theorieschulen seit Jahr-
zehnten um die Deutung dieses so zentralen und doch so schwer zu fassenden Begriffes disku-
tieren. Im Fokus dieses Papiers steht dabei insbesondere die Systematisierung der sozialen Di-
mensionen von Umweltpolitik. Die vorliegende Literaturstudie nähert sich der Herausforderung
auf unterschiedlichen Ebenen. Zunächst werden Quellen ausgewertet, die sich explizit mit der
Herausforderung der sozialen Dimension im Kontext des Nachhaltigkeitsbegriffes befassen und
mögliche Zugänge analysieren. Im folgenden Abschnitt werden dafür zentrale Konzepte und Di-
mensionen der verschiedenen Zugänge zu sozialer Nachhaltigkeit weiter vertieft (Kapitel 2 für
die substanzielle Nachhaltigkeit und Kapitel 3 für den prozeduralen Zugang). In Kapitel 4 wer-
den die verschiedenen Zugänge für zwei konkrete Politikfelder (Verkehrs- und Energiepolitik)
beleuchtet. Kapitel 5 stellt eine weitere Fokussierung und Vertiefung dar: Hier wird untersucht,
wie die substanzielle Dimension sozialer Nachhaltigkeit in der Politikfolgenabschätzung berück-
sichtigt wird. Kapitel 6 fokussiert dann auf die prozedurale Seite und diskutiert institutionen-
ökonomische Zugänge zum gesellschaftlichen Wandel sowie die Multi-Level Perspektive trans-
formativen Wandels. Schließlich werden in Kapitel 7 die „Ökologische Modernisierung 2.0“ und
damit „Soziale Veränderungsprozesse und die Dynamik von Umweltpolitik“ thematisiert.
Abstract: New Alliances for Sustainability Policy - Systematizing the Social Dimensions of Environ-
mental Policy
In the sustainability discourse, alongside the ecological and economic, the social dimension has
long had a firm place. Nevertheless, there is as little agreement and clarity about the conceptual-
ization of social sustainability in the discourse as there is about the conceptualization of the 'so-
cial' in general in sociology, where different schools of theory have been debating for decades
about the interpretation of this so central and yet so elusive concept. The focus of this paper is in
particular the systematization of the social dimensions of environmental policy
This literature review approaches the challenge at different levels. First, it evaluates sources that
explicitly address the challenge of the social dimension in the context of the concept of sustaina-
bility and analyzes possible approaches. In the following section, key concepts and dimensions
of the different approaches to social sustainability are further explored for this purpose (Chapter
2 for substantive sustainability and Chapter 3 for procedural approach). Chapter 4 illuminates
the different approaches for two specific policy areas (transport and energy policy). Chapter 5
provides further focus and depth: Here, we examine how the substantive dimension of social
sustainability is considered in policy impact assessment. Chapter 6 then focuses on the proce-
dural side and discusses institutional economics approaches to social change as well as the
multi-level perspective of transformative change. Finally, Chapter 7 addresses "Ecological Mod-
ernization 2.0" and thus "Social Change Processes and the Dynamics of Environmental Policy."
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
6
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................................. 8
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................................ 9
Zusammenfassung ................................................................................................................................. 10
Summary ............................................................................................................................................... 15
1 Einleitung – Interpretationen Sozialer Nachhaltigkeit .................................................................. 19
2 Die Unterscheidung zwischen substanzieller und prozeduraler sozialer Nachhaltigkeit.............. 22
3 Die substanzielle Dimension von sozialer Nachhaltigkeit ............................................................. 25
3.1 Welche Grundkategorien werden unterschieden? .............................................................. 25
3.2 Erläuterung der Grundkategorien ......................................................................................... 26
3.3 Zusammenhänge und Operationalisierung der Grundkategorien ........................................ 27
4 Die prozedurale Dimension von Sozialer Nachhaltigkeit .............................................................. 29
5 Die sozialen Dimensionen in Sektorpolitiken: Verkehrs- und Energiepolitik ................................ 32
5.1 Die Sozialen Dimensionen von Energiepolitik ....................................................................... 32
5.1.1 Die sozialen Auswirkungen von Energieverbrauch und -politik ....................................... 32
5.1.2 Die soziale Bedingtheit von Energiepolitik ....................................................................... 33
5.2 Die sozialen Dimensionen von Verkehr und Verkehrspolitik ................................................ 34
5.2.1 Soziale Auswirkungen von Verkehr und Verkehrspolitik .................................................. 35
5.2.2 Die soziale Bedingtheit von Verkehr ................................................................................. 36
6 Politikfolgenabschätzung .............................................................................................................. 38
6.1 Einleitung .............................................................................................................................. 38
6.2 Die soziale Dimension in der Politikfolgenabschätzung ....................................................... 39
6.3 Handreichungen zur Politikfolgenabschätzung .................................................................... 40
6.3.1 Die soziale Dimension in den Handreichungen der Europäischen Kommission zur
Politikfolgenabschätzung .................................................................................................. 40
6.3.2 Die Soziale Dimensionen in der Gesetzesfolgenabschätzung in Deutschland.................. 41
6.4 Anwendung in der Praxis ...................................................................................................... 42
6.5 Fazit und Schlussfolgerungen zur Politikfolgenabschätzung ................................................ 43
7 Das „Soziale“ als Vorbedingung für den ökonomischen und ökologischen Wandel .................... 44
7.1 Institutionenökonomische Zugänge zum gesellschaftlichen Wandel ................................... 44
7.2 Die Multi-Level-Perspektive und Wandelprozesse ............................................................... 45
7.3 Fazit ....................................................................................................................................... 48
8 Ökologische Modernisierung 2.0: Dynamische Perspektive auf Soziale und ökologische
Nachhaltigkeit ............................................................................................................................... 49
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
7
8.1 Ökologische Modernisierung: Innovation und Umweltpolitik .............................................. 49
8.2 Umweltpolitik und soziale Dynamiken ................................................................................. 50
8.2.1 Umweltpolitik mit sozialpolitischen Co-Benefits .............................................................. 51
8.2.2 Perspektiven der sozialen Dimension von Umweltpolitik ................................................ 53
8.3 Dynamisierung von Umweltpolitik durch Verknüpfung mit sozialen Prozessen? ................ 54
9 Quellenverzeichnis ........................................................................................................................ 57
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Teilbericht
8
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die zwei Zugänge zur sozialen Nachhaltigkeit .......................... 23
Abbildung 2: Darstellung eines typischen Politikzyklus ................................. 30
Abbildung 3: Die vier Ebenen im Institutionengefüge ................................... 45
Abbildung 4: Multi-Level-Perspektive und mögliche Entwicklungspfade im
Energiesystem .......................................................................... 46
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Teilbericht
9
Abkürzungsverzeichnis
BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
CGE Computational Equilibrium Modellen
EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz
EFI Expertenkommission Forschung und Innovation
GFA Gesetzesfolgenabschätzung
GGO Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien
GIA Gender Impact Assessment
HIA Health Impact Assessment
IASS Institute for Advanced Sustainability Studies
PFA Politikfolgenabschätzung
PIA Poverty Impact Assessment
SDG Sustainable Development Goals
SIA Social Impact Assessment
UBA Umweltbundesamt
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Teilbericht
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Zusammenfassung
Im Nachhaltigkeitsdiskurs hat, neben der ökologischen und ökonomischen, auch die soziale Di-
mension seit langem einen festen Platz. Dennoch herrscht über die Konzeptualisierung sozialer
Nachhaltigkeit im Diskurs ebenso wenig Einigkeit und Klarheit wie über die Konzeptualisierung
des ‚Sozialen‘ im Allgemeinen in der Soziologie, wo unterschiedliche Theorieschulen seit Jahr-
zehnten um die Deutung dieses so zentralen und doch so schwer zu fassenden Begriffes disku-
tieren.
Die vorliegende Literaturstudie nähert sich der Herausforderung einer Systematisierung daher
auf unterschiedlichen Ebenen. Zunächst werden Quellen ausgewertet, die sich explizit mit der
Herausforderung der sozialen Dimension im Kontext des Nachhaltigkeitsbegriffes befassen und
mögliche Zugänge analysieren. Hierfür werden zentrale Konzepte und Dimensionen der ver-
schiedenen Zugänge zu sozialer Nachhaltigkeit weiter vertieft. Dabei wird differenziert nach ei-
nem substanziellen und einem prozeduralen Verständnis des Sozialen. In der Folge werden die
verschiedenen wissenschaftlichen Zugänge für zwei konkrete Politikfelder (Verkehrs- und Ener-
giepolitik) dahingehend ausgeleuchtet. Anschließend wird untersucht, wie die substanzielle Di-
mension sozialer Nachhaltigkeit in der Politikfolgenabschätzung berücksichtigt wird. Anschlie-
ßend wird auf die prozedurale Dimension des Sozialen fokussiert und analysiert, wie diese in
institutionenökonomischen Zugängen zum gesellschaftlichen Wandel sowie der Multi-Level Per-
spektive transformativen Wandels reflektiert werden. In einem abschließenden Kapitel „Ökolo-
gische Modernisierung 2.0“ werden soziale Veränderungsprozesse und die Dynamik von Um-
weltpolitik thematisiert.
Die analysierte Literatur verweist darauf, dass die Operationalisierung der sozialen Dimension
äußerst heterogen ist und zudem vielfach vornehmlich in der Aufzählung verschiedener Bedin-
gungen besteht. Darüber hinaus ist auch strittig, ob der Begriff soziale Nachhaltigkeit eigene, un-
abhängige Zielsetzungen beinhaltet und inwieweit eine allgemeinverbindliche Definition mög-
lich ist oder eher von der Pluralität des Konzepts auszugehen ist. Das Spektrum reicht vom Drei-
Säulen-Modell der Nachhaltigkeit hin zu konstruktivistischen Perspektiven. Diese Mehrdeutig-
keit führt in entsprechenden Debatten vielfach zu Irritationen.
Von einigen Autor*innen wird deshalb die Unterscheidung von prozeduralen und substanziellen
Zugängen vorgenommen. Die substanzielle Konzeption interpretiert soziale Nachhaltigkeit als
eine der drei Dimensionen von Nachhaltigkeit mit eigenen Zielsetzungen. Die prozedurale Kon-
zeption sozialer Nachhaltigkeit stellt die Frage, welche gesellschaftlichen Grundvoraussetzungen
für eine nachhaltige Entwicklung erforderlich sind, hier wird soziale Nachhaltigkeit also als Vo-
raussetzung für die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit konzipiert. Diese Differenzie-
rung wird in der Folge für die weitere Analyse zu Grunde gelegt.
Die substanzielle Dimension von sozialer Nachhaltigkeit
Die substanzielle Dimension sozialer Nachhaltigkeit, also die konkreten Zielsetzungen umfassen
in vielen Konzeptualisierungen sozialer Nachhaltigkeit weitgehend deckungsgleiche Grundkate-
gorien. Bei allen Unterschieden im Detail gehören dazu (i) die Befriedigung materieller und im-
materieller Grundbedürfnisse, also das gesellschaftliche Ziel, die Grundbedürfnisse der Einzel-
nen zu erfüllen sowie (ii) soziale Gerechtigkeit, also u.a. die gerechte Verteilung von Wohlstands-
gütern und Chancengleichheit unter Berücksichtigung der sozialräumlichen und zeitlichen Di-
mensionen und der sozialen Gruppen. Zudem müssen die Interdependenzen zwischen den un-
terschiedlichen (Teil-) Dimensionen berücksichtigt werden.
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Teilbericht
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Die prozedurale Dimension von sozialer Nachhaltigkeit
Die prozedurale Dimension beschreibt, auf welche Weise und mit welchen Mitteln nachhaltige
Entwicklung erreicht werden kann und ist insofern immer mit einem zeitlichen Bezug zu verse-
hen. Zudem lassen sich zu dieser Perspektive eher politikwissenschaftliche Zugänge verorten,
bei denen insbesondere der allgemeine (Entscheidungs-)Prozess in den Fokus gestellt wird. Es
werden u.a. Fragen aufgeworfen nach den Zugangsmöglichkeiten zu Informationen oder auch
der Befähigung zur Partizipation. Mit Blick auf den Ablauf bzw. der zeitlichen Dimensionen wird
z.T. der übliche typisierte Politikzyklus zu Grunde gelegt.
In der soziologischen Betrachtung der prozeduralen Dimension sozialer Nachhaltigkeit wird hin-
gegen davon ausgegangen, dass „nachhaltige Entwicklung“ ein Ergebnis sozialer Prozesse sein
wird und dass „das Soziale“ somit konstitutiv für Nachhaltigkeit ist. Hier wird also nicht nur der
politische Entscheidungsfindungsprozess, sondern die gesamte gesellschaftliche und soziale Be-
dingtheit von Nachhaltigkeit in den Fokus gerückt, also die Idee, dass es immer spezifische sozi-
ale Konfigurationen und Konstellationen sind, die zu bestimmten (nicht) nachhaltigen Entwick-
lungen führen können.
Die sozialen Dimensionen in Sektorpolitiken: Verkehrs- und Energiepolitik
In einem folgenden Arbeitsschritt wird exemplarisch auf die Betrachtung und Nutzung des Kon-
zeptes soziale Nachhaltigkeit in der Verkehrs- und Energiepolitik eingegangen. Dazu wurde eine
Literaturanalyse der Fachliteratur zu Verkehrs- und Energiepolitik durchgeführt. Es wurde fest-
gestellt, dass sich die Forschungsansätze zu den sozialen Dimensionen der beiden Politikberei-
che in zwei generelle Zugänge zusammenfassen lassen: erstens die Betrachtung der sozialen Ef-
fekte von Energie- bzw. Verkehrspolitik und zweitens die Betrachtung der sozialen Bedingtheit
von Energie- bzw. Verkehrspolitik. Zum einen ist das Soziale bzw. Gesellschaftliche natürlich ein
Faktor, der das Entstehen bestimmter Energie- und Verkehrspolitik bedingt. Zum anderen ha-
ben Energie- und Verkehrspolitik soziale Auswirkungen und beeinflussen somit ihrerseits die
soziale Dimension der Gesellschaft, beispielsweise dadurch, welche Mobilität bestimmten Indivi-
duen durch gegebene Verkehrsinfrastruktur ermöglicht wird.
Die analysierte Literatur zur Sozialen Dimensionen zu Energieverbrauch und Energiepolitik geht
von dem energiepolitischen Leitbild einer wirtschaftlichen, sicheren und umweltverträglichen
Energieversorgung aus, die zugleich die ökologische, ökonomische und soziale Dimension be-
rücksichtigen soll. Die sozialen Auswirkungen von Energieverbrauch und Energiepolitik sind
vielfältig, die relevanten Aspekte lassen sich unter dem Aspekt der „Nutzen und Kosten“ von
Energieverbrauch und Energiepolitik erfassen und deren meist asymmetrische Verteilung im
bestehenden System, aber auch im Kontext von Strukturwandelprozessen vor dem Hintergrund
des Klimaschutzes. Dabei wird insbesondere auch auf die Gesundheitsbelastungen durch Luft-
schadstoffe und Klimawandelfolgen verwiesen und auf die monetären Kosten der Energienut-
zung, also auf die Frage der Energiearmut von einkommensschwachen Haushalten abgehoben.
Die soziale Bedingtheit der Energiepolitik ist Teil der sozialen Dimension von Energieverbrauch
und Energiepolitik. Die Herausbildung des sozio-technischen Energiesystems ist selbst Ergebnis
von (sozialen) Aushandlungsprozessen. In der deutschsprachigen Literatur wird zum einen auf
die Teilhabe an der Entwicklung von Energiepolitik und zum anderen auf den Aspekt der Akzep-
tanz und Akzeptabilität bestimmter Energietechnologien und energiepolitischer Projekte ver-
wiesen. Der Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz des Energiesystems wird gegenwärtig als
ein zentraler Treiber der Transitionsprozesse angesehen. Ergänzend spielt auch das Konzept
der Akzeptabilität eine Rolle in der akademischen Beurteilung der sozialen Kompatibilität von
Energietechnologien.
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Auch im Kontext der Literatur von Verkehr und Verkehrspolitik konnte die grundsätzliche Un-
terscheidung zwischen sozialen Effekten (insbesondere Verteilungseffekten) von Verkehrspoli-
tik und der sozialen Bedingtheit von Verkehrspolitik festgestellt werden. Im Fokus dieser Litera-
tur stehen insbesondere das Thema Mobilitätsarmut und die Thematik der sozialen Kosten des
Verkehrs. Die Forderung nach der Möglichkeit zur Verwirklichung vorhandener Mobilitätsan-
sprüche und –bedürfnisse, also der Überwindung der Mobilitätsarmut, ist ein wichtiger Diskus-
sionsstrang. Dabei wird vor allem auf den Aspekt der Teilhabe (bzw. der Exklusion) an zentralen
Lebensaspekten wie Arbeit, Bildung, Gesundheitsversorgung, Freizeitangeboten und sozialen
Kontakten fokussiert. Grundsätzlich können die Ursachen für Mobilitätsarmut in drei Kategorien
zusammengefasst werden: a) gesundheitliche Einschränkungen von Personen, b) Geld- und Zeit-
mangel und c) periphere, mit Infrastrukturen schlecht ausgestattete Wohnstandorte.
Zudem fokussiert die Forschung auf die sozialen Kosten von Verkehr, die durch das gesellschaft-
liche Zusammenwirken im Verkehr entstehen, die allerdings höchst ungleich verteilt sind: Die
sozialen Kosten des Verkehrs sind entlang der Muster der Sozialstruktur, also schicht- oder klas-
senspezifisch verteilt.
Die soziale Bedingtheit von Verkehr wird insbesondere von der Verkehrsgeneseforschung ana-
lysiert, Hier spielen etwa Elemente der sozialen Umwelt und damit der strukturellen Rahmenbe-
dingungen, wie gesellschaftliche Zeitstrukturen, Raum- und Siedlungsstrukturen, vorhandene
Verkehrssysteme etc. eine Rolle. Die spezifischen Formen von Verkehr und Verkehrspolitik einer
Gesellschaft sind immer Ausdruck der spezifischen sozialen Eigenschaften dieser Gesellschaft.
Beispielsweise kann hier der Blick auf die spezifisch individualistische Konfiguration von Ver-
kehr in der modernen Gesellschaft gerichtet werden. Bezüglich der sozialen Bedingtheit von
Verkehrspolitik ist auch Teilhabe an Verkehrspolitik bzw. Partizipation vielfach Gegenstand der
Forschung. Entscheidend wird darin die Gestaltung eines inklusiven Diskurses zur gemein-
schaftlichen Erarbeitung des kollektiven Verständnisses und Leitbildes nachhaltiger Verkehrs-
politik angesehen.
Politikfolgenabschätzung
Bevor neue Gesetze - in anderen Ländern auch Strategien und Programme - beschlossen werden,
werden sie einer Folgenabschätzung unterzogen, bei der die wesentlichen wirtschaftlichen, bud-
getären, ökologischen und auch sozialen Folgen betrachtet werden. Das international am wei-
testgehende Verfahren dafür ist das System des Impact Assessment der Europäischen Kommis-
sion. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, welche Vorgaben zu sozialen Aspekten ge-
macht werden, um daraus abzulesen, wie das substanzielle Verständnis sozialer Nachhaltigkeit
ausgeformt ist. Dafür wurden Handreichungen und Leitfäden daraufhin untersucht, welche Ka-
tegorisierungen und Operationalisierungen vorgeschlagen werden und welche Methoden für die
Durchführung empfohlen werden. In einem weiteren Schritt wurde der Forschungsstand zur
praktischen Anwendung dieser Analysen zusammengefasst.
Im Einzelnen wurden zunächst spezialisierte Verfahren der Abschätzung sozialer Folgen, z.B.
Social Impact Assessment, Health Impact Assessment, Poverty- oder Gender Impact Assessment
beschrieben. In einem zweiten Schritt wurde untersucht, wie die soziale Dimension in dem inte-
grierten Verfahren des Impact Assessment der Europäischen Kommission konzipiert wird. Ana-
log wurden die Vorgaben zur Gesetzesfolgenabschätzung im Rahmen der Gemeinsamen Ge-
schäftsordnung der Bundesministerien (GGO) für Deutschland untersucht. Für die Analyse der
Anwendung in der Praxis wurden Untersuchungen in Bezug auf die Praxis der Folgenabschät-
zung in der EU und in den USA herangezogen.
Im Ergebnis zeigt sich, dass bei Folgenabschätzungen ein breites Verständnis der substanziellen
sozialen Dimension zu Grunde gelegt wird. Es werden sowohl ökonomische Wirkungen auf
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Haushalte (Einkommen und Beschäftigung) als auch Gesundheitsfolgen und weitere „weichere“
Faktoren, wie gesellschaftliche Teilhabe oder Lebensqualität aufgenommen und operationali-
siert. In der praktischen Durchführung von Folgenabschätzungen für umweltpolitische Initiati-
ven werden jedoch nicht alle Aspekte in gleichem Umfang berücksichtigt. Es überwiegt die Be-
trachtung des Sozialen als sozioökonomische Kategorie – insbesondere Auswirkungen auf Ein-
kommen und Beschäftigung werden weitaus häufiger betrachtet als die „weicheren“ Aspekte des
Sozialen.
Das „Soziale“ als Vorbedingung für den ökonomischen und ökologischen Wandel
Das „Soziale“ als Vorbedingung für den ökonomischen und ökologischen Wandel fokussiert auf
die prozedurale Dimension des Sozialen. Dies wird anhand eines institutionsökonomischen Zu-
gangs und der Multi-Level Perspektive (einem Ansatz aus der evolutionären Ökonomie) disku-
tiert. Beide Ansätze zielen darauf ab, Wandel- bzw. Transitionsperspektiven zu öffnen und vor
allem Dynamiken und Wechselwirkungen auf unterschiedlichen Ebenen und das Zusammen-
spiel der Ebenen in und für Wandelprozesse zu erfassen.
Für soziale Dimensionen von Umweltpolitik spielt die Betrachtung von Institutionen (informelle
und formelle Institutionen auch mit ihren handlungsorientierenden und sinnstrukturierenden
Funktionen), die eng mit Wandelprozessen verbunden sind, eine wesentliche Rolle. Gesellschaft-
liche Entwicklungsprozesse sind in der Regel vielschichtig. Unterschiedliche Wissenschafts-
zweige haben für dynamische gesellschaftliche Entwicklungen Erklärungsansätze entwickelt:
Beispielhaft werden ein institutionenökonomischer Ansatz und die Multi-Level Perspektive skiz-
ziert. Der institutionenökonomische Ansatz verweist darauf, dass gesellschaftliche (Selbst-) Steu-
erungsprozesse auf verschiedenen Ebenen und Zeitskalen stattfinden. Williamson (2000) diffe-
renziert dabei vier Ebenen: (i) Institutionelle Einbettung – informelle Regeln, Traditionen etc.,
(ii) Institutionelles Umfeld – formale Regeln u.a. Recht, (iii) Governancemechanismen – Einhal-
tung von Spielregeln, Anreizsysteme und schließlich (iv) Ressourcenallokation – Effizienz der
Allokation. Die Multi-Level-Perspektive ist im Kontext der holländischen Diskurse über das Tran-
sitionsmanagement entwickelt worden und stellt eine wesentliche Heuristik in Hinblick auf ge-
sellschaftliche Wandelprozesse dar. Der Ansatz unterscheidet im Grundsatz drei Ebenen: (i)
Landschaft, also externe Faktoren für das sozio-technische Regime, (ii) das sozio-technische Re-
gime, welches durch die kognitiven, regulativen und normativen Regeln charakterisiert wird
und (iii) Nischen. Wandelprozesse sind das Ergebnis der vielfältigen Interaktionen in und zwi-
schen den unterschiedlichen Ebenen, die sowohl durch soziale, aber auch technologische Inno-
vationen ausgelöst werden, bzw. diese selbst auslösen.
In der Zusammenschau wird deutlich, dass das Soziale letztlich elementar für sämtliche Heuristi-
ken des Verständnisses von Wandel- bzw. Transformationsprozessen ist. Das Soziale ist aus die-
ser Sicht die zentrale Vorbedingung bzw. Grundlage für den Wandel und beeinflusst in der Folge
sowohl die ökonomische als auch die ökologische Nachhaltigkeit.
Ökologische Modernisierung 2.0: Dynamische Perspektive auf Soziale und ökologische Nachhaltig-
keit
Wenn in einer prozeduralen Perspektive soziale Nachhaltigkeit als Voraussetzung für eine um-
fassende nachhaltige Entwicklung verstanden wird und umgekehrt, eine nachhaltige Entwick-
lung in den verschiedenen Handlungsfeldern soziale Prozesse anstößt und verändert und wei-
terhin soziale Prozesse Eigendynamiken aufweisen, dann erscheint es sinnvoll, die wechselseiti-
gen Beziehungen in einer dynamischen Perspektive zu betrachten. Es wurde daher diskutiert,
inwieweit sich aus der Interaktion sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit Dynamiken ergeben,
die auch gestaltend genutzt werden können.
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Es wurde insbesondere gefragt, ob sich analog zu dem Verständnis ökologischer Modernisierung
aus sozialen Veränderungsprozessen Dynamiken für Umweltpolitik ergeben, bei der Umweltpo-
litik die treibenden Kräfte sozialen Wandels aufgreift und unterstützt und umgekehrt daraus zu-
sätzlicher Antrieb für Umweltpolitik erwächst. Dafür wurde in einem ersten Schritt der Kern
ökologischer Modernisierung dargelegt: Durch eine Verknüpfung von Innovation und Umwelt-
schutz wird die Logik von Wettbewerb und ökonomischer Modernisierung genutzt, um effizien-
tere Technologien zu entwickeln und zu vermarkten.
In einem zweiten Schritt wurde danach gefragt, ob es analog zu einer Verknüpfung von Umwelt-
und Innovationspolitik auch Schnittmengen mit Sozialpolitik gibt. Dafür wurden Beispiele ge-
zeigt, aber auch systematische Grenzen.
In einem dritten Schritt wurde diskutiert, ob es Eigenlogiken und Richtungen sozialer Verände-
rungsprozesse jenseits von Sozialpolitik gibt, an die Umweltpolitik anknüpfen kann, ganz ähn-
lich wie Ökologische Modernisierung an die Logik ökonomischen Wettbewerbs anknüpft. Hier
stimmt der Befund aber skeptisch: Weder eindeutige Treiber noch Richtungen sozialen oder kul-
turellen Wandels lassen sich bestimmen. Allerdings gibt es empirisch vorfindbare Trends oder
soziale Innovationen, die Umweltpolitik unterstützen kann und dadurch Akteure und Akteurs-
strukturen schafft, die wiederum ein Eigeninteresse an Umweltpolitik entwickeln. Es wird
schließlich angeregt, die Bedingungen zur Ausbreitung von innovativen sozialen Praktiken und
der Entstehung von Leitbildern, die diese aufgreifen, zum Gegenstand von Forschung zu machen,
um daraus weitere Ansatzpunkte für Umweltpolitik abzuleiten.
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Summary
In the sustainability discourse, alongside the ecological and economic, the social dimension has
long had a firm place. Nevertheless, there is as little agreement and clarity about the conceptual-
ization of social sustainability in the discourse as there is about the conceptualization of the 'so-
cial' in general in sociology, where different schools of theory have been debating for decades
about the interpretation of this so central and yet so elusive concept.
This literature review therefore approaches the challenge of systematization at different levels.
First, sources that explicitly address the challenge of the social dimension in the context of the
concept of sustainability are evaluated and possible approaches are analyzed. For this purpose,
central concepts and dimensions of the various approaches to social sustainability will be fur-
ther explored. A differentiation will be made between a substantive and a procedural under-
standing of the social. Subsequently, the different scientific approaches for two concrete policy
fields (transport and energy policy) will be examined. It then examines how the substantive di-
mension of social sustainability is taken into account in policy impact assessment. Subsequently,
the procedural dimension of the social is focused on and analyzed how it is reflected in institu-
tional economic approaches to social change as well as the multi-level perspective of transform-
ative change. A concluding chapter, "Ecological Modernization 2.0," addresses social change pro-
cesses and the dynamics of environmental policy.
The literature analyzed points out that the operationalization of the social dimension is ex-
tremely heterogeneous and, moreover, in many cases consists primarily in the enumeration of
various conditions. Furthermore, it is also disputed whether the term social sustainability con-
tains its own independent objectives and to what extent a universally binding definition is possi-
ble or whether it is rather to be assumed that the concept is plural. The spectrum ranges from
the three-pillar model of sustainability to constructivist perspectives. This ambiguity often leads
to irritations in corresponding debates.
Some authors therefore distinguish between procedural and substantive approaches. The sub-
stantive conception interprets social sustainability as one of the three dimensions of sustainabil-
ity with its own objectives. The procedural conception of social sustainability poses the question
of which basic societal prerequisites are necessary for sustainable development, thus conceptu-
alizing social sustainability as a prerequisite for ecological and economic sustainability. This dif-
ferentiation will be used as a basis for further analysis.
The substantive dimension of social sustainability
The substantive dimension of social sustainability, i.e. the concrete objectives, comprises basic
categories that are largely congruent in many conceptualizations of social sustainability. For all
the differences in detail, these include (i) the satisfaction of basic material and immaterial needs,
i.e., the social goal of meeting the basic needs of individuals, and (ii) social justice, i.e., among
other things, the equitable distribution of wealth goods and equality of opportunity, taking into
account the socio-spatial and temporal dimensions and social groups. In addition, the interde-
pendencies between the different (sub-) dimensions have to be taken into account.
The procedural dimension of social sustainability
The procedural dimension describes the ways and means by which sustainable development can
be achieved and, in this respect, must always be provided with a temporal reference. In addition,
political science approaches can be located to this perspective, which focus in particular on the
general (decision-making) process. Among other things, questions are raised about the possibili-
ties of access to information or the ability to participate. With regard to the process or the tem-
poral dimensions, the usual typified policy cycle is partly taken as a basis.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
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In the sociological view of the procedural dimension of social sustainability, on the other hand, it
is assumed that "sustainable development" will be a result of social processes and that "the so-
cial" is thus constitutive of sustainability. Here, therefore, the focus is not only on the political
decision-making process, but on the entire social and societal conditionality of sustainability, i.e.
the idea that it is always specific social configurations and constellations that can lead to certain
(non-)sustainable developments.
The social dimensions in sector policies: Transport and energy policy
In the following work step, the consideration and use of the concept of social sustainability in
transport and energy policy is examined as an example. For this purpose, a literature review of
the literature on transport and energy policy was conducted. It was found that the research ap-
proaches on the social dimensions of the two policy areas can be summarized in two general ap-
proaches: first, the consideration of the social effects of energy or transport policy and second,
the consideration of the social conditionality of energy or transport policy. On the one hand, the
social or societal is of course a factor that conditions the emergence of certain energy and
transport policies. On the other hand, energy and transport policies have social effects and thus,
in turn, influence the social dimension of society, for example, by determining which mobility is
made possible for certain individuals by given transport infrastructure.
The analyzed literature on the social dimensions of energy consumption and energy policy is
based on the energy policy model of an economic, safe and environmentally compatible energy
supply, which should take into account the ecological, economic and social dimensions at the
same time. The social effects of energy consumption and energy policy are manifold. The rele-
vant aspects can be grasped under the aspect of "benefits and costs" of energy consumption and
energy policy and their mostly asymmetric distribution in the existing system, but also in the
context of structural change processes against the background of climate protection. Particular
reference is made to the health impacts of air pollutants and climate change impacts and to the
monetary costs of energy use, i.e., the issue of energy poverty of low-income households.
The social conditionality of energy policy is part of the social dimension of energy consumption
and energy policy. The formation of the socio-technical energy system is itself the result of (so-
cial) negotiation processes. In the German-language literature, reference is made on the one
hand to participation in the development of energy policy and on the other hand to the aspect of
acceptance and acceptability of certain energy technologies and energy policy projects. The lack
of social acceptance of the energy system is currently seen as a key driver of transition pro-
cesses. Complementarily, the concept of acceptability also plays a role in the academic assess-
ment of the social compatibility of energy technologies.
Also in the context of the literature of transport and transport policy, the fundamental distinc-
tion between social effects (especially distributional effects) of transport policy and the social
conditionality of transport policy could be identified. This literature focuses in particular on the
issue of mobility poverty and the issue of the social costs of transport. The demand for the possi-
bility to realize existing mobility claims and needs, i.e. to overcome mobility poverty, is an im-
portant strand of discussion. The focus is primarily on the aspect of participation (or exclusion)
in key aspects of life such as work, education, health care, leisure activities and social contacts.
Basically, the causes of mobility poverty can be summarized in three categories: a) health limita-
tions of individuals, b) lack of money and time, and c) peripheral residential locations poorly
equipped with infrastructures.
In addition, research focuses on the social costs of transportation that arise from social interac-
tion in transportation, but these costs are highly unevenly distributed: The social costs of
transport are distributed along patterns of social structure, i.e., class- or class-specific.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
17
The social conditionality of transport is analyzed in particular by transport genetic research.
Here, elements of the social environment and thus of the structural framework, such as social
time structures, spatial and settlement structures, existing transport systems, etc., play a role.
The specific forms of transport and transport policy of a society are always an expression of the
specific social characteristics of that society. For example, the focus here can be on the specifi-
cally individualistic configuration of transport in modern society. With regard to the social con-
ditionality of transport policy, participation in transport policy is also often the subject of re-
search. In this context, the design of an inclusive discourse for the joint development of the col-
lective understanding and model of sustainable transport policy is regarded as crucial.
Policy impact assessment
Before new laws - and in other countries also strategies and programs - are adopted, they are
subjected to an impact assessment in which the main economic, budgetary, environmental and
also social consequences are considered. The most far-reaching international procedure for this
is the European Commission's impact assessment system. In the present study, the specifications
for social aspects were examined in order to determine how the substantial understanding of
social sustainability is shaped. For this purpose, handouts and guidelines were examined to see
which categorizations and operationalizations are proposed and which methods are recom-
mended for implementation. In a further step, the state of research on the practical application
of these analyses was summarized.
Specifically, specialized methods of social impact assessment, e.g., social impact assessment,
health impact assessment, poverty or gender impact assessment, were first described. In a sec-
ond step, it was examined how the social dimension is conceptualized in the European Commis-
sion's integrated impact assessment procedure. Analogously, the specifications for impact as-
sessment within the framework of the Joint Rules of Procedure of the Federal Ministries (GGO)
for Germany were examined. For the analysis of the application in practice, studies related to the
practice of impact assessment in the EU and in the USA were used.
The results show that impact assessments are based on a broad understanding of the substan-
tive social dimension. Economic impacts on households (income and employment) as well as
health impacts and other "softer" factors, such as social participation or quality of life, are in-
cluded and operationalized. However, in the practical implementation of impact assessments for
environmental policy initiatives, not all aspects are considered to the same extent. Consideration
of the social as a socio-economic category predominates - in particular, impacts on income and
employment are considered far more frequently than the "softer" aspects of the social.
The "social" as a precondition for economic and ecological change
The "social" as a precondition for economic and ecological change focuses on the procedural di-
mension of the social. This is discussed using an institutional economics approach and the multi-
level perspective (an approach from evolutionary economics). Both approaches aim to open up
change or transition perspectives and, above all, to capture dynamics and interactions at differ-
ent levels and the interaction of levels in and for change processes.
For social dimensions of environmental policy, the consideration of institutions (informal and
formal institutions also with their action-orienting and sense-structuring functions), which are
closely linked to change processes, plays an essential role. Social development processes are
usually multi-layered. Different branches of science have developed explanatory approaches for
dynamic social developments: An institutional economics approach and the multilevel perspec-
tive are outlined as examples. The institutional economics approach points out that societal
(self-) governance processes take place at different levels and time scales. In this context,
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
18
Williamson (2000) differentiates four levels: (i) Institutional embeddedness - informal rules, tra-
ditions, etc., (ii) Institutional environment - formal rules including law, (iii) Governance mecha-
nisms - compliance with rules of the game, incentive systems, and finally (iv) Resource allocation
- efficiency of allocation. The multi-level perspective has been developed in the context of Dutch
discourses on transition management and represents an essential heuristic with regard to social
change processes. The approach basically distinguishes three levels: (i) landscape, i.e., external
factors for the socio-technical regime, (ii) the socio-technical regime characterized by the cogni-
tive, regulative, and normative rules, and (iii) niches. Change processes are the result of the man-
ifold interactions in and between the different levels, which are triggered by social but also tech-
nological innovations, or trigger them themselves.
In summary, it becomes clear that the social is ultimately elementary for all heuristics of under-
standing change or transformation processes. From this perspective, the social is the central pre-
condition or basis for change and subsequently influences both economic and ecological sustain-
ability.
Ecological Modernization 2.0: Dynamic Perspective on Social and Ecological Sustainability
If, in a procedural perspective, social sustainability is understood as a prerequisite for compre-
hensive sustainable development and, conversely, sustainable development triggers and
changes social processes in the various fields of action, and if social processes continue to exhibit
inherent dynamics, then it seems sensible to view the reciprocal relationships in a dynamic per-
spective. It was therefore discussed to what extent dynamics arise from the interaction of social
and ecological sustainability that can also be used in a formative way.
In particular, it was asked whether, analogous to the understanding of ecological modernization,
dynamics for environmental policy arise from social change processes, in which environmental
policy takes up and supports the driving forces of social change and, conversely, from which ad-
ditional impetus for environmental policy arises. For this purpose, the core of ecological mod-
ernization was outlined in a first step: By linking innovation and environmental protection, the
logic of competition and economic modernization is used to develop and market more efficient
technologies.
In a second step, it was asked whether, analogous to a linking of environmental and innovation
policy, there are also intersections with social policy. Examples were shown, but also systematic
limits.
In a third step, it was discussed whether there are inherent logics and directions of social change
processes beyond social policy to which environmental policy can link, much like ecological
modernization links to the logic of economic competition. Here, however, the findings are skepti-
cal: Neither clear drivers nor directions of social or cultural change can be determined. However,
there are empirically identifiable trends or social innovations that environmental policy can sup-
port, thereby creating actors and actor structures that in turn develop a vested interest in envi-
ronmental policy. Finally, it is suggested that the conditions for the spread of innovative social
practices and the emergence of guiding principles that take them up should be the subject of re-
search in order to derive further starting points for environmental policy.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
19
1 Einleitung – Interpretationen Sozialer Nachhaltigkeit
Im Nachhaltigkeitsdiskurs hat, neben der ökologischen und ökonomischen, auch die soziale Di-
mension seit langem einen festen Platz. Dennoch herrscht über die Konzeptualisierung sozialer
Nachhaltigkeit im Diskurs ebenso wenig Einigkeit und Klarheit wie über die Konzeptualisierung
des ‚Sozialen‘ im Allgemeinen in der Soziologie, wo unterschiedliche Theorieschulen seit Jahr-
zehnten um die Deutung dieses so zentralen und doch so schwer zu fassenden Begriffes disku-
tieren1. Im Fokus dieses Papiers steht dabei insbesondere die Systematisierung der sozialen Di-
mensionen von Umweltpolitik. Dies vor dem Hintergrund der Fragestellungen des Vorhabens
„Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik“2, in welchem die Kooperationspotenziale von sozial-
politischen Verbänden, wie Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden sowie Umwelt-
und Verbraucherverbänden ausgelotet und Handlungsorientierungen entwickelt werden sollten.
Die vorliegende Literaturstudie nähert sich der Systematisierung dabei auf unterschiedlichen
Ebenen. Zunächst werden Quellen ausgewertet, die sich explizit mit der Herausforderung der
sozialen Dimension im Kontext des Nachhaltigkeitsbegriffes befasst und mögliche Zugänge ana-
lysiert. Im folgenden Abschnitt werden dafür zentrale Konzepte und Dimensionen der verschie-
denen Zugänge zu sozialer Nachhaltigkeit weiter vertieft (Kapitel 2 für die substanzielle Nach-
haltigkeit und Kapitel 3 für den prozeduralen Zugang). In Kapitel 4 werden die verschiedenen
Zugänge für zwei konkrete Politikfelder (Verkehrs- und Energiepolitik) ausgeleuchtet. Kapitel 5
stellt eine weitere Fokussierung und Vertiefung dar: Hier wird untersucht, wie die substanzielle
Dimension sozialer Nachhaltigkeit in der Politikfolgenabschätzung berücksichtigt wird. Kapitel 6
fokussiert dann auf die prozedurale Seite und diskutiert institutionenökonomische Zugänge zum
gesellschaftlichen Wandel sowie die Multi-Level Perspektive transformativen Wandels. Schließ-
lich werden in Kapitel 7 die „Ökologische Modernisierung 2.0“ und damit „Soziale Veränderungs-
prozesse und die Dynamik von Umweltpolitik“ thematisiert.
In Folge des Brundtland-Berichtes wurde soziale Nachhaltigkeit insbesondere bis zur Jahrtau-
sendwende zumeist als eine der drei „Säulen“ der Nachhaltigkeit dargestellt, in ihrer Konzeptua-
lisierung gegenüber den anderen beiden Säulen (ökonomisch und ökologisch) jedoch deutlich
vernachlässigt. Oft liegt der Konzeptualisierung sozialer Nachhaltigkeit in akademischer For-
schung und politischer Praxis schlicht eine „auf Alltagsverständnis beruhende Plausibilität“
(Littig & Griessler, 2005, S.73) zugrunde.
Empacher und Wehling (1999) wie auch neuere Literatur (bspw. Boström, 2012, Boyer et al.,
2016; Littig & Griessler, 2005), verweisen darauf, dass sie auch in der Operationalisierung zu-
meist überwiegend aus „Aufzählungen verschiedener Bedingungen und Ziele“ besteht, die zu-
dem je nach Autor*innen außerordentlich stark divergieren können. Darüber hinaus ist auch
weiterhin strittig, ob soziale Nachhaltigkeit eigene, unabhängige Zielsetzungen beinhaltet oder
1 So verweist Autrata (2011) auf das von Max Weber genutzte „Regenschirmbeispiel“ zur Unterscheidung zwischen dem Sozialen
und dem nicht dem Sozialen zugehörigen. Er geht davon aus, dass das Soziale im Wesentlichen in der Interaktion zwischen Personen
stattfindet, dass also beispielsweise die Nutzung eines Regenschirms nicht dazugehört. Norbert Elias bezieht sich auf dieses Beispiel
und interpretiert das Soziale deutlich weiter, indem er darauf verweist, dass Regenschirme in bestimmten Kulturen eine besondere
Relevanz haben und von daher auch die Nutzung des Regenschirms unter dem Überbegriff des „Sozialen“ zu fassen ist. (Im Grund-
satz ist hier die Anlage zu der Betrachtungsweise von sozio-technischen Systemen gegeben).
2 Das Vorhaben „Identifizierung neuer gesellschaftspolitischer Bündnispartner und Kooperationsstrategien für Umweltpolitik“ (FKZ
3717 11 104 0) wurde von Juli 2017 bis März 2021 im Auftrag des Umweltbundeamts (UBA) und des Bundesministeriums für Um-
welt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) gemeinsam mit dem For-
schungszentrum für Umweltpolitik (FFU) der Freien Universität Berlin, sociodimensions sowie Kommunikation & Arbeit durchge-
führt. Siehe auch: Petschow. U., Sharp, H., Riousset, P., Jacob, K., Guske, A.-L., Kalt, G., Schipperges, M., Arlt, H.J. (2021): Hemmnisse,
Potenziale und Perspektiven neuer Allianzen für sozial-ökologische Transformationen: Umwelt-, gewerkschafts- und sozialpolitische
Akteure im Spannungsfeld unterschiedlicher Kontexte, Logiken und Zukunftsvorstellungen. Abschlussbericht. UBA-Texte. Dessau:
Umweltbundesamt.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
20
eher zur Unterstützung für einen (sozial-)ökologischen Transformationsprozess dienen soll. In
Anbetracht dieser und anderer Unklarheiten, gehen Empacher und Wehling (1999) davon aus,
dass es kaum möglich ist „eine allgemeinverbindliche Definition von sozialer Nachhaltigkeit the-
oretisch ableiten zu können“ (Empacher & Wehling 1999, S. 6).
Vielmehr scheint eine systematische Kategorisierung unterschiedlicher Zugänge zur sozialen
Nachhaltigkeit angebracht, um die Pluralität des Konzeptes zu erfassen und die jeweilige Nut-
zung des Begriffs zu „verorten“. Boyer et al. (2016) spannen das Feld der Nutzung des Begriffes
soziale Nachhaltigkeit weit auf und unterscheiden folgende Zugänge zur sozialen Nachhaltigkeit:
1. Als alleinstehende, unabhängige ‚Säule‘ der Nachhaltigkeit (Drei Säulen Modell)
2. Als ‚Dimension‘ der Nachhaltigkeit, die im Trade-Off-Verhältnis zu den anderen Dimensionen
der Nachhaltigkeit steht
3. Als Vorbedingung für ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit
4. Als kausale Ursache (und nicht allein Vorbedingung) für ökologische und ökonomische
Nachhaltigkeit
5. Als Teil eines integrierten und prozessorientierten Ansatzes für eine nachhaltige Entwick-
lung (meist lokal orientiert) mit einer engen Verbindung zwischen den unterschiedlichen
Handlungserfordernissen und Zielen nachhaltiger Entwicklung
Zu 1: Es wird unterstellt, dass die Säulen (und damit auch die soziale Säule) voneinander unab-
hängig und nicht in ein integratives Nachhaltigkeitsverständnis eingebettet sind. Diese Perspek-
tive wird aufgrund der inadäquaten strikten Trennung der unterschiedlichen Nachhaltigkeitsdi-
mensionen zunehmend kritisiert (Littig & Griessler, 2005).
Zu 2: Die Dimensionen der Nachhaltigkeit werden als Dreieck zueinander in Beziehung gesetzt,
wobei trade-off Beziehungen unterstellt werden. Die soziale Dimension stellt in dieser Betrach-
tung vielfach eine ‚Begrenzung‘ der beiden anderen Dimensionen dar. Auch diese Perspektive
wird aufgrund der inadäquaten, strikten Trennung der unterschiedlichen Nachhaltigkeitsdimen-
sionen kritisiert (Littig & Griessler, 2005).
Zu 3: Diese Perspektive geht davon aus, dass die ökonomische und ökologische Dimension von
Nachhaltigkeit mit der sozialen Dimension in beständiger Interaktion und wechselseitiger Ab-
hängigkeit steht. Vielfach wird hierbei davon ausgegangen, dass durch soziale Organisation und
Rekonfigurationen sozialer Normen, Umgangsformen, etc. auch ökologische und ökonomische
Nachhaltigkeit erreicht werden können. Das Soziale wird zur Vorbedingung für Nachhaltigkeit.
Zu 4: Soziale Nachhaltigkeit wird z.T. auch als Ursache und weniger als Vorbedingung für um-
weltorientierten und ökonomischen Wandel interpretiert. Demnach besteht die Wurzel von um-
weltorientierten und ökonomischen Herausforderungen in den sozialen Beziehungen, Umwelt-
und Wirtschaftsprobleme sind letztlich soziale und nicht allein technologische Probleme und der
technologische Wandel kann nicht vom sozialen Wandel getrennt werden (sozio-technische Sys-
teme). Nachhaltigkeit jeglicher Form wird aus dieser Perspektive erst durch sozialen Wandel er-
möglicht, für die Bewältigung von Umweltproblemen und ökonomischen Problemen muss dem-
nach ein Fokus auf die sozialen Beziehungen gelegt werden.
Wenn man den sozialen Wandel als Voraussetzung für den umweltorientierten und ökonomi-
schen Wandel ansieht, wird in der Konsequenz ein breiteres Portfolio von Politikinterventionen
für nötig befunden werden. Beispielsweise wird in der „social practice theory“ damit begonnen,
Herausforderungen des nicht nachhaltigen Konsums anzugehen, indem die alltäglichen Prakti-
ken fokussiert werden, die die Individuen tagtäglich unbewusst ausführen (Shove et al., 2012).
Zu 5: Dieser Ansatz löst sich gänzlich von dem Grundgedanken der Unterteilung in drei Dimensi-
onen von Nachhaltigkeit, und betrachtet Nachhaltigkeit als einen Ansatz, welcher immer
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
21
kontextspezifischen Aushandlungsprozessen entspringt. Er weist jegliche universalistische Kon-
zeption von Nachhaltigkeit (oftmals mit Verweis auf Problematiken von (Post-)Kolonialität und
anderen Marginalisierungsdynamiken) zurück und stellt stattdessen die Diversität lokaler Ver-
ständnisse und Zugänge zu ‚Nachhaltigkeitsproblemen‘ und der Umwelt in den Fokus.
Boyer et al. (2016) zeigen mit ihrer Systematisierung somit die Pluralität an Zugängen zum Kon-
zept sozialer Nachhaltigkeit auf. Das von ihnen dargelegte Spektrum an Zugängen reicht von
sehr engen, rigiden Auffassungen sozialer Nachhaltigkeit im Sinne des drei Säulen Modells (1)
bis hin zu konstruktivistischen Perspektiven, welche das Konzept der sozialen Nachhaltigkeit an
sich in Frage stellen und es in kontextuelle Praktiken ‚auflösen‘ (5).
Dass die Subsumierung einer derartigen Pluralität an Perspektiven unter eine Begrifflichkeit –
soziale Nachhaltigkeit - problematisch ist, erörtert unter anderem Lorenz (2017) in seiner Kriti-
schen Reflexion sozialer Nachhaltigkeit. Laut Lorenz‘ Analyse führt die Mehrdeutigkeit des Begrif-
fes in der Debatte zur sozialen Nachhaltigkeit immer wieder zu Problemen, Missverständnissen
und „begriffliche[n] Irritationen“ (Lorenz, 2017, S.128).
Um in der Debatte zur sozialen Nachhaltigkeit zumindest eine gewisse Klarheit zu schaffen, eig-
net sich die klare Unterscheidung zwischen prozeduralen und substanziellen Zugängen zum Kon-
zept sozialer Nachhaltigkeit, wie sie Boström (2012) aber auch Lorenz (2017) vornehmen. Diese
Unterscheidung wollen wir im Folgenden genauer erörtern.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
22
2 Die Unterscheidung zwischen substanzieller und proze-
duraler sozialer Nachhaltigkeit
In seiner Kritischen Reflexion sozialer Nachhaltigkeit bezieht sich Lorenz (2017) explizit (aber
nicht ausschließlich) auf die Arbeit Michael Opielkas zum Thema sozialer Nachhaltigkeit und In-
ternalisierungsgesellschaft (Opielka, 2017a; Opielka, 2017b). Mit Blick auf den allgemeinen
Nachhaltigkeitsdiskurs sieht Opielka (2017b), dass soziale Nachhaltigkeit typischerweise als ein
Begriff genutzt wird, mit dem der Blick auf „social justice [also] auf Ungleichheit und deren Be-
hebung“ (S.13) gerichtet wird. Doch findet er auch weiter gefasste Konzeptualisierungen sozia-
ler Nachhaltigkeit, wie beispielsweise im Artikel „Emerging Issues: The Social Drivers of
Sustainable Development“ der UN (2014): Hier werden unter dem Schlagwort soziale Nachhal-
tigkeit die „social drivers for sustainable development“ (UN, 2014, S.1) und somit Handlungsfel-
der von der Förderung informeller Ökonomie, über universalistische Sozialpolitik und Grundein-
kommen, „bis hin zu einer generell sozialen und solidarischen Ökonomie“ (Opielka, 2017b, S.13)
in den Fokus gerückt. Opielka bezieht sich mit dem Begriff soziale Nachhaltigkeit im weiteren
Verlauf seiner Argumentation sowohl auf die ‚social drivers‘ nachhaltiger Entwicklung als auch
auf den Aspekt der ‚social justice‘.
Lorenz kritisiert dieses Vorgehen, da hierbei zwei grundverschiedene Zugänge zur sozialen
Nachhaltigkeit in einen Topf geworfen und miteinander verglichen werden, ohne dass Opielka
auf den grundlegenden, entscheidenden Unterschied zwischen den beiden hinweist. Denn die
Betrachtung von ‚social justice‘ als Ziel sozialer Nachhaltigkeit formuliert eine eigenständige ‚so-
ziale‘ Zielsetzung, die unter dem Schlagwort soziale Nachhaltigkeit in den Nachhaltigkeitsdis-
kurs integriert werden kann. Boström (2012) nennt dies die substanzielle Dimension sozialer
Nachhaltigkeit. Die Betrachtung der ‚social drivers‘ nachhaltiger Entwicklung hingegen beziehen
sich auf soziale Nachhaltigkeit als eine Grundlage bzw. Vorbedingung für eine (ökologisch) nach-
haltige Entwicklung. Boström fasst dies als prozedurale Dimension sozialer Nachhaltigkeit. So-
wohl Lorenz (2017) als auch Boström (2012) weisen somit auf die folgende Unterscheidung hin:
1. Die substanzielle Konzeption sozialer Nachhaltigkeit als eine der drei Dimensionen von
Nachhaltigkeit. In dieser Konzeption wird soziale Nachhaltigkeit nebst ökonomischer und
ökologischer Nachhaltigkeit als ‚gleichrangiger‘ Bestandteil des allgemeinen Nachhaltigkeits-
konzepts betrachtet3 und beinhaltet eigene Zielsetzungen (bspw. ‚social justice‘). Dieser An-
satz spielt in vielen Politikbereichen, wie bspw. bei der Politikfolgenabschätzung (PFA) bzw.
Social Impact Assessement (SIA) eine wichtige Rolle. Oftmals werden hier insbesondere Ver-
teilungsfragen und andere ‚soziale Auswirkungen‘ von Nachhaltigkeitspolitik in den Blick ge-
nommen (rechte Seite in Abb.1).
6. Die prozedurale Konzeption sozialer Nachhaltigkeit als Vorbedingung bzw. Grundlage für
ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit4, stellt also die Frage, welche gesellschaftli-
chen Grundvoraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung förderlich sind. Hierbei wird
die soziale Nachhaltigkeit den anderen Dimensionen vorangestellt und die Position vertre-
ten, dass nachhaltige Entwicklung sich aus der sozialen Dimension ergeben muss. Diese An-
sätze bzw. Perspektiven nehmen verstärkt (soziale) Aushandlungs- und Gestaltungsprozesse
sowie Strukturen in den Blick und untersuchen, wie gesellschaftliche Veränderungen in
Richtung einer nachhaltigen Entwicklung angestoßen werden können (Abb.1).
3 Diesem Zugang sind bspw. auch die Ansätze 1 und 2 von Boyer et al. (2016) zuzuordnen.
4 Diesem Zugang sind bspw. auch die Ansätze 3 und 4 von Boyer et al. (2016) zuzuordnen. Ansatz 5 von Boyer et al. (2016) lässt sich,
da er grundlegend das Konzept soziale Nachhaltigkeit eher auflöst als es zu definieren, keinem der beiden Zugänge zuordnen.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
23
Abbildung 1: Die zwei Zugänge zur sozialen Nachhaltigkeit
Quelle: eigene Darstellung in enger Anlehnung an Lorenz (2017, S. 128), Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
Es geht also zum einen um die soziale Nachhaltigkeit als umfassende Grundlage für jegliche
Nachhaltigkeit (Abb.1) und zum anderen um soziale Nachhaltigkeit als eine spezifische Dimen-
sion umfassender Nachhaltigkeit (rechte Seite in Abb.1). Laut Lorenz lassen sich diese beiden
Zugänge allerdings „nicht in ein und demselben Begriff schlüssig zusammenbinden. Oder umge-
kehrt formuliert: Wenn man für beide Anliegen denselben Begriff wählt, sind Missverständnisse
vorprogrammiert“ (Lorenz, 2017, S.129). Im weiteren Verlauf dieser Analyse werden wir zum
Zwecke der Klarheit und der Vermeidung von Missverständnissen auf diese vorgeschlagene Un-
terscheidung zurückgreifen und uns ihren analytischen Mehrwert zur Analyse akademischer Li-
teratur zum Thema soziale Nachhaltigkeit zu Nutze machen. Insbesondere in Kapitel 3, sowie in
Kapitel 4 und 5 wird diese Unterscheidung eine leitende Funktion in unserer Untersuchung ein-
nehmen.
Der analytische Mehrwert dieser Unterscheidung wird unter anderem deutlich, wenn man die
Bedeutung der beiden Zugänge für umweltpolitisches Handeln gesondert betrachtet: Im Fall der
substanziellen sozialen Nachhaltigkeit geht es darum, eine klare Zielsetzung für die soziale Di-
mension nachhaltiger Entwicklung zu entwickeln und umzusetzen. Oftmals richten derartige
Zielsetzungen den Fokus insbesondere auf Verteilungseffekte und erklären ‚soziale Gerechtig-
keit‘ oder ähnliches zu Leitnormen umweltpolitischen Handelns. In der Praxis führt ein solcher
Zugang oft dazu, dass (Umwelt-)Politikmaßnahmen derart gestaltet werden, dass ihre soziale
Akzeptanz gewährleistet ist, bzw. die sozialen Effekte und Verteilungseffekte nicht zu uner-
wünschten Protesten gegen die Maßnahmen führen. Derartige soziale Flankierungen ökologi-
scher Maßnahmen sind beispielsweise Umverteilungen der Einnahmen einer Öko-Steuer.
Im zweiten, prozeduralen Zugang wird soziale Nachhaltigkeit sehr viel weiter gefasst, indem da-
von ausgegangen wird, dass das Soziale die Vorbedingung und Grundlage für den ökologischen
und ökonomischen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit ist. Die soziale Dimension wird somit da-
hingehend konkretisiert, sodass Mittel für eine nachhaltige Entwicklung sich aus der Gesell-
schaft und ihrer spezifischen Konfiguration ergeben müssen. In der Folge sind faire Teilha-
bechancen an den entsprechenden Aushandlungsprozessen zentral. In diesen Kontext sind bei-
spielsweise Forschungs- und Gestaltungsansätze wie „Models of Change“ und die Multi Level
Perspektive einzuordnen5. Diese Ansätze bzw. Perspektiven nehmen verstärkt (soziale) Aus-
handlungs- und Gestaltungsprozesse und -strukturen in den Blick und untersuchen, wie
5 Siehe Kapitel 6
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
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gesellschaftliche Veränderungen in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung angestoßen wer-
den können. Im Folgenden wollen wir die beiden Zugänge noch etwas genauer erläutern.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
25
3 Die substanzielle Dimension von sozialer Nachhaltigkeit
Im Hinblick auf die substanzielle Dimension sozialer Nachhaltigkeit, also die konkreten Zielset-
zungen, die unter diesen Begriff gefasst werden, sind in vielen Konzeptualisierungen sozialer
Nachhaltigkeit weitestgehend deckungsgleiche Grundkategorien zu erkennen. Im Folgenden
wollen wir beispielshaft auf drei Konzeptualisierungen sozialer Nachhaltigkeit eingehen und
eine davon etwas näher darstellen.
3.1 Welche Grundkategorien werden unterschieden?
Die meisten substanziellen Konzeptualisierungen sozialer Nachhaltigkeit machen gewisse
Grundkategorien aus und leiten von diesen im Weiteren dann spezifische Indikatoren zur Opera-
tionalisierung bzw. Evaluation sozialer Nachhaltigkeit in bestimmten Kontexten ab. Je nach Au-
tor*innen unterscheiden sich diese Grundkategorien, dennoch lassen sich gewisse Gemeinsam-
keiten ausmachen.
So identifizieren Empacher und Wehling (1999) vier Kernelemente sozialer Nachhaltigkeit:
► Existenzsicherung aller Gesellschaftsmitglieder
► Erhaltung und Weiterentwicklung der Sozialressourcen
► Chancengleichheit im Zugang zu Ressourcen
► Partizipation an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen
Murphy (2012) schlägt vier „pre-eminent policy concepts” vor:
► Equity
► Awareness for sustainability
► Participation
► Social cohesion
Schließlich schlagen Littig und Griessler (2005) drei Kernaspekte vor, um soziale Nachhaltigkeit
zu erfassen:
► Die Befriedigung materieller und immaterieller Grundbedürfnisse
► Soziale Gerechtigkeit
► Sozialer Zusammenhalt („social cohesion“)
Diese und ähnliche normative Grundvorstellungen liegen sozialer Nachhaltigkeit zugrunde.
Diese werden in der Folge mit weiteren Konzepten bzw. Indikatoren unterlegt und auf die Ge-
sellschaft insgesamt oder auch auf einzelne Handlungsfelder bezogen.
In der Folge nehmen wir Bezug auf den Zugang von Littig und Griessler und setzen die von ihnen
gewählten Zugänge mit Zugängen anderer Autor*innen in Verbindung, um so die Überschnei-
dungen der unterschiedlichen Konzeptualisierungen sozialer Nachhaltigkeit auf substanzieller
Ebene aufzuzeigen.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
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3.2 Erläuterung der Grundkategorien
In diesem Kapitel werden einige analytische Dimensionen sozialer Nachhaltigkeit aufgezählt und
beschrieben. Wie bereits erwähnt, weisen Littig und Griessler (2005) auf drei grundsätzliche
analytische Kategorien6 der sozialen Nachhaltigkeit hin, die sich zunächst auf die substanziel-
len Dimensionen beziehen:
1. Materielle und immaterielle Grundbedürfnisse bzw. Sozialer Zusammenhalt
Die Perspektive materieller und immaterieller Grundbedürfnisse fokussiert auf das Indivi-
duum und das gesellschaftliche Ziel, die Grundbedürfnisse der Einzelnen zu erfüllen. Es geht
einerseits darum, ein Grundniveau zu erreichen und andererseits darum, dieses langfristig
aufrecht zu erhalten („resilience“). Eine resiliente Gesellschaft hat die Voraussetzungen und
Fähigkeiten, sich selbst zu erhalten und ihre Grundbedürfnisse zu stillen (Sen, 1987; Letho-
nen, 2004; Littig & Griessler, 2005).
Eine Gesellschaft als Ganzes, bzw. Gemeinden, Gemeinschaften oder Nachbarschaften auf lo-
kaler Ebene sind nachhaltig, wenn sie fähig sind, das zur Selbsterhaltung notwendige Funkti-
onsniveau aufrecht zu erhalten und fortzuführen und mithin den sozialen Zusammenhalt zu
sichern. Damit assoziiert sind die Konzepte des sozialen Kapitals und sozialer Kohäsion, in
welchen soziale Netzwerke und Regeln der Gegenseitigkeit (Reziprozitätsnormen) eine zent-
rale Rolle spielen (Coleman, 1988), ebenso wie das sich daraus ergebende soziale Verhalten
(Dempsey, 2008). Um bspw. soziale Kohäsion zu beschreiben, müssten laut Littig und Griess-
ler (2005) die Integration in soziale Netzwerke und die Teilnahme an gemeinsamen Aktivitä-
ten und Prinzipien wie Solidarität und Toleranz erfasst werden.
2. Soziale Gerechtigkeit
Soziale Gerechtigkeit ist ein Schlüsselkonzept von sozialer Nachhaltigkeit und beinhaltet, be-
ruhend auf dem Prinzip der Fairness, die gerechte Verteilung von Wohlstandsgütern und
Chancengleichheit. Gerechte Verteilung bedeutet, dass alle Gesellschaftsmitglieder, unabhän-
gig ihres Geschlechts, Alters, Herkunft etc., die gleichen Überlebenschancen und Möglichkei-
ten zur Entwicklung ihrer Potentiale haben.
Diese Definition umfasst unter anderem Bereiche wie den gerechten und gleichen Zugang
zu sauberem Wasser, Ernährung, Erwerbsbeschäftigung, Bildung, Unterkunft, medizinischer
Versorgung, sauberer Lebenswelt und Möglichkeiten der sozialen Vernetzung (Murphy,
2012). Durch die Auswirkungen des Klimawandels verschärfen sich bereits bestehende Un-
gleichheiten, Konflikte und Migrationstendenzen (Gough et al., 2008). Nachhaltigkeitspolitik
soll diese Auswirkungen berücksichtigen und eine Verschärfung von Ungleichheiten vermei-
den bzw. Ungleichheiten reduzieren.
6 In der Folge werden von den drei Kategorien zwei zusammengeführt, da die Trennschärfe von zwei vorgenommenen Unterschei-
dungen eher begrenzt ist.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
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Die Konzepte gelten im nationalen, internationalen und intergenerationalen Kontext. Wirkungen
entfalten sich zeitlich und räumlich nicht gleich. Insbesondere bezieht sich die gerechte Vertei-
lung auf folgende Dimensionen:
► Sozialräumliche Dimensionen:
⚫ Nationale vs. internationale Wirkungen
⚫ Urbane vs. ländliche Räume
⚫ Lokale vs. nationale vs. globale Entscheidungsprozesse
► Soziale Gruppen (u.a.):
⚫ Soziodemographische Gruppen
⚫ Sozioökonomische Gruppen
⚫ Ethnisch und kulturell unterscheidbare Gruppen
► Zeitliche Dimension bzw. Dauerhaftigkeit
3.3 Zusammenhänge und Operationalisierung der Grundkategorien
Die oben beschriebenen grundsätzlichen analytischen Kategorien sozialer Nachhaltigkeit müs-
sen gemeinsam betrachtet werden, da Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen ihnen
bestehen:
Auf der Ebene der materiellen und immateriellen Grundbedürfnisse lassen sich verschiedene
Grundbedürfnis-Kategorien identifizieren, in welchen gesellschaftlich definierte Mindeststan-
dards gelten sollen (z.B. Einkommen). Die Grundbedürfnis-Kategorien werden dann üblicher-
weise durch Indikatoren spezifiziert. Anhand der Indikatoren kann festgestellt werden, ob das
jeweilige Bedürfnis dem definierten Mindeststandard entspricht (z.B. Einkommen oberhalb der
Armutsgrenze). Abhängig vom politischen Handlungsfeld müssen die Indikatoren angepasst
werden, da die Relevanz der Auswirkung vom Handlungsfeld abhängt.
Für die Ebene der sozialen Gerechtigkeit spielen die Verteilung von und der Zugang zu Gütern
eine entscheidende Rolle. Wie oben erläutert wurde, bezieht sich die Verteilungsgerechtigkeit
auch auf die genannten Bedürfnis-Kategorien (Einkommen, Beschäftigungsverhältnis, Gesund-
heit etc.). Auf diese Weise ist die Gerechtigkeits-Dimension mit der Grundbedürfnis-Dimension
verknüpft. Bei der Betrachtung der Gerechtigkeits-Dimension müssen zudem innerhalb der rele-
vanten Kategorie die sozialräumlichen und zeitlichen Dimensionen sowie die unterschiedlichen
sozialen Gruppen berücksichtigt und analysiert werden (z.B. geschlechterabhängige Einkom-
mensungleichheit).
Auch die Dimension des sozialen Zusammenhalts muss mit in Betracht gezogen werden, wenn
die oben beschriebenen kollektiven Aspekte des alltäglichen sozialen Lebens im Sinne der sozia-
len Nachhaltigkeit gewährleistet sein sollen.
Zur Operationalisierung ihres Konzeptes der sozialen Nachhaltigkeit leiten Littig und Griessler
von den aufgezeigten Grundkategorien eine Reihe von Operationalisierungen und Indikatoren
ab, welche genutzt werden können, um die soziale Nachhaltigkeit in bestimmten Bereichen zu
ermitteln bzw. bemessen. Wie Littig und Griessler selbst jedoch bemerken, entsteht bei der ana-
lytischen Betrachtung unterschiedlicher Konzeptualisierungen und Operationalisierungen sozia-
ler Nachhaltigkeit schnell der Eindruck, dass „die Auswahl der verwendeten Indikatoren häufig
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
28
nicht theoretisch begründet wird, sondern oftmals auf einer auf Alltagsverständnis beruhenden
Plausibilität zu basieren scheint“ (Littig & Griessler, 2005, S.37). Auf spezifische Sets von Indika-
toren soll daher nicht weiter eingegangen werden. Stattdessen wollen wir im folgenden Kapitel
die prozedurale Dimension sozialer Nachhaltigkeit näher betrachten.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
29
4 Die prozedurale Dimension von Sozialer Nachhaltigkeit
Wie eingangs beschrieben, wird der prozeduralen Dimension im Kontext der Diskussion um so-
ziale Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle zugeschrieben (Boström, 2012; Lorenz, 2017; Boyer et
al., 2016;Littig & Griessler, 2005).
Die prozedurale Dimension beschreibt, auf welche Weise und mit welchen Mitteln nachhaltige
Entwicklung erreicht wird. Da es sich um einen Prozess handelt, ist immer auch der zeitliche Be-
zug relevant. Grundlegend fällt auf, dass es zum einen eine eher politikwissenschaftliche Ausei-
nandersetzung mit der prozeduralen Dimension sozialer Nachhaltigkeit gibt (Boström, 2012)
und zum anderen eine eher soziologische (Lorenz, 2017). In der politikwissenschaftlichen Be-
trachtung der prozeduralen Dimension sozialer Nachhaltigkeit rückt insbesondere das Thema
Partizipation in den Fokus, es wird aber auch der allgemeine Prozess betrachtet, innerhalb des-
sen nachhaltigkeitspolitische Entscheidungen gefällt werden. Beispielhaft hierfür stehen die pro-
zeduralen Aspekte sozialer Nachhaltigkeit, die Boström (2012) unter der Frage „how to achieve
sustainable development?“ fasst:
► Zugang zu Informationen über Risiken der jeweiligen (Nachhaltigkeits-) Maßnahmen, etc.
► Partizipationsmöglichkeiten und Teilhabe an Entscheidungsprozessen (zu verschiedenen
Zeitpunkten und während des gesamten Prozesses), bei der Definition von Fragestellungen,
Kriterien und Gerechtigkeitsnormen
► Proaktive Kommunikation mit den Stakeholdern und Abstimmung während des Prozesses
► Befähigung zur Partizipation (Awareness, Bildung, Netzwerke, ökonomische Kompensation
etc.)
► Soziales Monitoring der Policy, Planung und den Prozessen der Standardsetzung
► Verantwortungsvolles Policy-Management, Planung und Formulierung von Standards
Des Weiteren wird zur Konkretisierung der prozeduralen Dimension oftmals der allgemeine Po-
litikzyklus herangezogen, der ein grundlegendes Verständnis der Dynamiken politischer Arbeit
vermittelt (Abb.2).
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
30
Abbildung 2: Darstellung eines typischen Politikzyklus
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Schutter et al. (2017), Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
Der Politikzyklus als analytische Strukturierung des Politikprozesses hilft, die zeitliche Dimen-
sion politischer Entscheidungsfindung ins Auge zu fassen. Er verdeutlicht dabei auch die ver-
schiedenen zeitlichen Momente, in denen gesellschaftlich auf die Politikentwicklung eingewirkt
wird und/oder werden kann. Bezüglich der prozeduralen Dimension sozialer Nachhaltigkeit
sind diese Momente vor allem während der Politikformulierung zu finden, wenn gesellschaftli-
che Akteure (sofern möglich) durch Partizipation Nachhaltigkeitspolitik mitbestimmen können.
Sie sind aber auch in der Stufe der Evaluation zu finden, in der die substanziellen sozialen Ef-
fekte bspw. einer umweltpolitischen Maßnahme begutachtet werden. Hier tritt die soziale Di-
mension dann zumeist in Form der Verteilungsdimension auf, also in Form der Frage, wer wel-
che Kosten und welche Vorteile trägt.
Im Kontrast zu der politikwissenschaftlichen Perspektive wird in der soziologischen Betrach-
tung der prozeduralen Dimension sozialer Nachhaltigkeit vielmehr die allgemeine Gegebenheit
thematisiert, dass jegliche ‚nachhaltige Entwicklung‘ nur ein Resultat sozialer Prozesse sein
kann, und dass ‚das Soziale‘ somit konstitutiv für Nachhaltigkeit ist. Lorenz spricht in diesem
Kontext auch von der „soziologische[n] Bestimmung von nachhaltiger Entwicklung“ (2017,
S.125). Hier wird also nicht nur der politische Entscheidungsfindungsprozess, sondern die ge-
samte gesellschaftliche und soziale Bedingtheit von Nachhaltigkeit in den Fokus gerückt, also die
Idee, dass es immer spezifische soziale Konfigurationen und Konstellationen sind, die zu be-
stimmten (nicht) nachhaltigen Entwicklungen führen können. Beispielhaft hierfür stehen auch
die zu Beginn von Boyer et al. (2016) angeführten Zugänge 3) und 4) zum Konzept der sozialen
Nachhaltigkeit, bei denen soziale Nachhaltigkeit als Vorbedingung (Zugang 3) bzw. Ursache (Zu-
gang 4) jeglicher Nachhaltigkeit betrachtet wird. Nichtsdestotrotz kann auch hier eine klare Ver-
bindung zum Politikzyklus hergestellt werden: die im soziologischen Verständnis gefasste ge-
sellschaftliche Bestimmung nachhaltiger Entwicklung findet zuvorderst, quasi als ‚Impuls‘ für
jegliches politisches Handeln, in der Phase der Problemdefinition statt. Die Entscheidung, was
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
31
als ein Problem der (mangelnden) Nachhaltigkeit durch politisches Handeln zu adressieren ist,
entspringt zuvorderst sozialen Prozessen.
Im folgenden Kapitel wollen wir nun exemplarisch auf die Betrachtung und Nutzung des Kon-
zeptes soziale Nachhaltigkeit in der Verkehrs- und Energiepolitik eingehen. Wir werden hierbei
die soeben angeführte Unterscheidung zwischen substanzieller und prozeduraler sozialer Nach-
haltigkeit zur Analyse und Darstellung der Erkenntnisse nutzen und somit die Unterschiede die-
ser beiden Zugänge nochmals verdeutlichen. Wir werden vorrangig auf die Arbeit Lorenz‘
(2017) mit seiner soziologisch fundierten Auffassung prozeduraler Nachhaltigkeit verweisen.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
32
5 Die sozialen Dimensionen in Sektorpolitiken: Verkehrs-
und Energiepolitik
Im Folgenden werden beispielhaft die sozialen Dimensionen zweier Politikbereiche betrachtet
und analysiert: die der Energiepolitik und die der Verkehrspolitik. Hierfür wurde eine systemati-
sche Recherche deutschsprachiger akademischer Literatur zu den sozialen Dimensionen dieser
Politikbereiche durchgeführt, um prominente Thematiken und relevante Ideen zusammenzutra-
gen.
Dabei wurde festgestellt, dass sich die Forschungsansätze zu den sozialen Dimensionen der bei-
den Politikbereiche gemäß des in den vorherigen Kapiteln erwähnten Schemas von Lorenz
(2017) in zwei generelle Zugänge zusammenfassen lassen: erstens die Betrachtung der sozialen
Effekte von Energie- bzw. Verkehrspolitik und zweitens die Betrachtung der sozialen Bedingt-
heit von Energie- bzw. Verkehrspolitik. Zum einen ist das Soziale bzw. Gesellschaftliche natürlich
ein Faktor, der das Entstehen bestimmter Energie- und Verkehrspolitik bedingt – so hat bei-
spielsweise die fehlende Akzeptanz von Atomkraft in der deutschen Bevölkerung einen aus-
schlaggebenden Einfluss auf den Atomausstieg gehabt (Wolling & Arlt, 2014). Zum anderen ha-
ben Energie- und Verkehrspolitik natürlich soziale Auswirkungen und beeinflussen somit ihrer-
seits die ‚soziale Dimension‘ der Gesellschaft, beispielsweise dadurch, welche Mobilität bestimm-
ten Individuen durch gegebene Verkehrsinfrastruktur ermöglicht wird. Dementsprechend sind
die folgenden, zusammenfassenden Berichte zu den sozialen Dimensionen von Energiever-
brauch und -politik (erstens) und Verkehrspolitik (zweitens), der Übersichtlichkeit und Ver-
ständlichkeit halber gemäß diesem Schema gegliedert.
5.1 Die Sozialen Dimensionen von Energiepolitik
Für die folgende Darstellung der sozialen Dimensionen von Energiepolitik wurde eine Reihe
akademischer Publikationen zu diesem Thema analysiert und zusammengefasst. Darunter be-
fanden sich einschlägige Handbücher zur sozialwissenschaftliche Energieforschung (Großmann,
Schaffrin & Smigiel, 2017), Gutachten (Krewitt & Schlohmann, 2006) und Regierungsdokumente
(BMWi, 2013; BMWi & BMU, 2010) sowie diverse akademische Artikel und Studien (Tews, 2013;
Kopatz, 2009; Heindl, Schüßler & Löschel, 2014; Hohmeyer, 1989, Wolling & Arlt, 2014; Groß-
mann, 2017; Beyer et al., 2018, Heindl, 2015; Hauff et al., 2011; Littig & Zielinska, 2017; Rabel-
hofer & Pfeiffer, 2017; Meyer-Abich, 1999).
Das allgemeine Ziel der deutschen Energiepolitik ist „eine umweltschonende, zuverlässige und
bezahlbare Energieversorgung“ (BMWi & BMU, 2010, S.3), denn „eine wirtschaftliche, sichere
und umweltverträgliche Energieversorgung ist die Grundlage für die Funktionsfähigkeit unserer
Volkswirtschaft, für den Wohlstand der Menschen und für die Zukunftschancen nachfolgender
Generationen“ (BMWi, 2013, §1). In diesen Formulierungen des Bundeswirtschaftsministeriums
tritt neben der ökonomischen und ökologischen Dimension der Energieversorgung auch die so-
ziale Dimension von Energieverbrauch und Energiepolitik hervor, die im Folgenden detaillierter
betrachtet wird. Hierbei wird zuerst auf die sozialen Auswirkungen von Energiepolitik eingegan-
gen und anschließend auf ihre soziale Bedingtheit.
5.1.1 Die sozialen Auswirkungen von Energieverbrauch und -politik
Die sozialen Auswirkungen von Energieverbrauch und Energiepolitik sind vielfältig, doch die re-
levanten Aspekte lassen sich unter dem Punkt ‚Nutzen und Kosten‘ von Energieverbrauch und
Energiepolitik erfassen. Es geht vor allem um die Verteilung der Kosten und Nutzen von energie-
politischen Maßnahmen innerhalb der Gesellschaft und die Frage, ob diese den
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
33
Gerechtigkeitsnormen der Gesellschaft entsprechen. Anzumerken ist dabei, dass die Energie-
wende durch intra- und intergenerationelle Verteilungswirkungen (externe Effekte) motiviert
ist und der Transitionsprozess wiederum selbst mit Verteilungswirkungen verbunden ist.7 Bei-
spielhaft für eine Bilanzierung von Nutzen- und Kostenelementen ist die Analyse bzw. das Moni-
toring des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS). Diese(s) analysiert die Vertei-
lungseffekte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), mithilfe von Indikatoren wie dem Anteil
einkommensschwacher Haushalte am Einspeisungsgewinn aus EEG-geförderten Anlagen, oder
dem Anteil der Haushalte, die mehr als 10% des Nettoeinkommens für Strom aufwenden (Gold-
ammer et al., 2013).
In der akademischen Debatte um die Verteilung der Nutzen und Kosten von Energie treten ins-
besondere zwei Themen hervor. Auf der einen Seite geht es um die Verteilung der sozialen Kos-
ten, die, beispielsweise in Form von Gesundheitsbelastungen durch Luftschadstoffe, im Energie-
sektor entstehen (Krewitt & Schlomann, 2006; Hohmeyer, 1989). Auf der anderen Seite wird die
Verteilung der monetären Kosten der Energienutzung, insbesondere in Bezug auf die Problema-
tik von ‚Energiearmut‘ thematisiert (Heindl, Schüßler & Löschel, 2014; Tews, 2013; Kopatz,
2009; Großmann, 2017).
Energiearmut
Ein zentraler Aspekt hinsichtlich der sozialen Dimensionen von Energieverbrauch und Energie-
politik ist die Thematik der Energiearmut (Heindl, Schüßler & Löschel, 2014; Tews, 2013; Ko-
patz, 2009). Diese bezeichnet das „strukturelle Problem einkommensschwacher Haushalte […],
einen notwendigen Bedarf an Energiedienstleistungen nur zu überproportional hohen Kosten
oder nur unzureichend decken zu können.“ (Tews, 2013, S. 4). Die konstituierenden Faktoren
hierfür sind das Zusammenkommen von (hohen) Energiepreisen und geringem Einkommen
(Tews, 2013), da der Anteil des Einkommens, der in einem Haushalt prozentual für die Energie-
nutzung aufgewendet werden muss, trotz meist geringeren Energieverbrauchs mit abnehmen-
dem Einkommen steigt (Heindl, Schüßler & Löschel, 2014). In Deutschland wurde Energiearmut
in jüngster Zeit im Rahmen der Energiewende vermehrt thematisiert, da die EEG-Umlage, eines
der zentralen Instrumente der Energiewende, zu einer Kostensteigerung im Bereich Strom
führte. Daraus resultieren regressive Verteilungswirkungen, welche ärmere Haushalte überpro-
portional belasten (Heindl, Schüßler & Löschel, 2014; Großmann, 2017).
Soziale Kosten von Energie
Ein anderer zentraler Aspekt der sozialen Dimensionen von Energieverbrauch und Energiepoli-
tik sind die sozialen Kosten, die in der Energiewirtschaft entstehen und (als externe Kosten) von
der Gesellschaft getragen werden (Hohmeyer, 1989; Krewitt & Schlomann, 2006). Hierzu zählen
insbesondere der Klimawandel und Klimawandelfolgen, Gesundheitsschäden, Agrarschäden,
Materialschäden und Ökosystemschäden, die durch Luftschadstoffe, sowie die Folgen von Unfäl-
len (bspw. in Kraftwerken), Lärmemissionen und visuellen Beeinträchtigungen resultieren (Kre-
witt & Schlomann, 2006). Da erneuerbare Energien besonders in den Bereichen Luftschadstoff-
und Treibhausgasemissionen besser abschneiden als fossile Energieträger, sind ihre sozialen
Kosten gemäß der Analyse von Krewitt & Schlomann (2006) auch signifikant geringer.
5.1.2 Die soziale Bedingtheit von Energiepolitik
Wie eingangs erwähnt ist auch die soziale Bedingtheit der Energiepolitik Teil der sozialen Di-
mension von Energieverbrauch und Energiepolitik. Die Herausbildung des sozio-technischen
7 Die Nutzenelemente begründen die Klimapolitiken, sie werden im Kapitel zur Energiepolitik mitgeführt aber nicht weiter disku-
tiert. Die Kosten der Energiewendepolitiken sind hingegen i.d.R. zurechenbar und diese haben in der gegenwärtigen Ausgestaltung
vielfach regressive Wirkungen, weshalb das Monitoring des IASS entsprechend ausgerichtet ist.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
34
Energiesystems ist selbst Ergebnis von (sozialen) Aushandlungsprozessen, deren Leitbilder sich
in dem energiepolitischen Zieldreieck „eine[r] umweltschonende[n], zuverlässige[n] und bezahl-
bare[n] Energieversorgung“ (BMWi & BMU, 2010) wiederfinden.
Bezüglich der sozialen Bedingtheit von Energiepolitik und Energiesystemen wird in der deutsch-
sprachigen Literatur zum einen auf die Teilhabe an der Entwicklung von Energiepolitik (Littig &
Zielinska, 2017) und zum anderen auf den Aspekt der Akzeptanz und Akzeptabilität bestimmter
Energietechnologien und energiepolitischer Projekte verwiesen (Beyer et al., 2017).
Wie der Atomausstieg (Wolling & Arlt, 2014) und die Verhandlungen zum Braunkohleausstieg in
Deutschland (BMWI 2019) gezeigt haben, ist die gesellschaftliche Akzeptanz gewisser Energie-
technologien ausschlaggebend für die Energiepolitik (Bsp. Atomausstieg) und oftmals entschei-
dend für den Erfolg oder Misserfolg einzelner energiepolitischer Projekte (Bsp. Tagebau Ham-
bach) (IASS, 2017). Besonders „in den letzten Jahren ist die Umsetzung energiepolitischer Ziele
[…] häufig an einem Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz gescheitert“ (Hauff et al., 2011,
S.85). Es ist also wesentlich, die gesellschaftliche Akzeptanz noch vorrangiger in der Energiepoli-
tik zu beachten. Hauff et al. (2011) schlagen diesbezüglich vor das eingangs erwähnte energiepo-
litische Zieldreieck von Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit,
um den vierten Aspekt Gesellschaftliche Akzeptanz zu erweitern. Dies würde darauf abzielen
energiepolitische „Handlungsfähigkeit wiederherzustellen und das tiefsitzende Misstrauen ge-
gen energiepolitische Entscheidungen“ (Hauff et al., 2011, S.86) zu überwinden.
Ergänzend spielt auch das Konzept der Akzeptabilität eine Rolle in der akademischen Beurtei-
lung der sozialen Kompatibilität von Energietechnologien. Im Gegensatz zur Akzeptanz, bezieht
sich die Akzeptabilität nicht auf die faktische Einstellung der Menschen gegenüber einer gewis-
sen (Energie)Technologie, sondern die theoretische „Annehmbarkeit oder Hinnehmbarkeit [ei-
ner Technologie] relativ zu einem kulturellen Rahmen“ (Meyer-Abich, 1999, S.309). Die Akzepta-
bilität einer Technologie ist dabei insofern sozial bedingt, als dass für eine derartige Beurteilung
die Risiken einer Technologie auf Kompatibilität mit gesamtgesellschaftlichen Werten und Nor-
men geprüft werden.
Um Probleme der Akzeptanz (und ggf. auch der Akzeptabilität) frühzeitig zu erkennen und zu
umgehen, bietet es sich an die „demokratiepolitische Teilhabe an Entscheidungsprozessen“
(Littig & Zielinska, 2017, S.56) zu stärken. Dadurch können Bürger*innen frühzeitig ihre (Nicht-
)Akzeptanz gegenüber energiepolitischen Projekten signalisieren und entsprechende Aushand-
lungsprozesse können beginnen. Es verwundert daher nicht, dass im Energiesektor „europaweit
Trends zu verstärkten Partizipationsmaßnahmen mit relevanten Stakeholdern zu beobachten“
sind (Rabelhofer & Pfeiffer, 2017).
5.2 Die sozialen Dimensionen von Verkehr und Verkehrspolitik
Wie für die Energiepolitik wurden auch für die zusammenfassende Erforschung der sozialen Di-
mensionen der Verkehrspolitik eine Vielzahl von akademischen Publikationen analysiert und
zusammengefasst. Dies waren unter anderem Handbücher (Schwedes, Canzler & Knie, 2016;
Schwedes, 2014; Schwedes, 2011), Präsentationen (Daubitz, 2015), Diskussionspapiere (Ahrend
et al., 2013), Regierungsdokumente (OECD, 1997), sowie akademische Artikel und Studien
(Runge, 2005; Scherhorn, 2008; Dangschat & Segert, 2011; Manderscheid, 2016; Lucas et al.,
2016; Lucas, 2012; Church, Frost & Sullivan, 2000; Scheiner, 2009; Rammler & Schwedes, 2018;
Tully & Baier, 2007; Ruppenthal & Lück, 2009; Kollosche & Schwedes, 2016; Schwedes & Bor-
mann, 2017).
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
35
Auch für die Verkehrspolitik war hierbei festzustellen, dass grundsätzlich zwischen sozialen Ef-
fekten (insbesondere Verteilungseffekten) von Verkehrspolitik und der sozialen Bedingtheit von
Verkehrspolitik unterschieden werden kann.
5.2.1 Soziale Auswirkungen von Verkehr und Verkehrspolitik
Hinsichtlich der sozialen Auswirkungen von Verkehr und Verkehrspolitik sind in der deutsch-
sprachigen Literatur besonders das Thema Mobilitätsarmut und die Thematik der sozialen Kos-
ten des Verkehrs dominant.
Mobilitätsarmut
Im Zentrum der akademischen Diskussion zur Teilhabe am Verkehr steht die Forderung nach
der „Möglichkeit zur Verwirklichung vorhandener Mobilitätsansprüche und –bedürfnisse“
(Runge, 2005, S.6) für alle. Gemäß vieler Gerechtigkeitsvorstellungen sollte gleicher Zugang zur
Erfüllung von Mobilitätsbedürfnissen gewährleistet werden. Ankerpunkt dieser Diskussion ist
das Konzept der Mobilitätsarmut, welches im deutschsprachigen Raum erstmals von Diana
Runge als „verringerte Möglichkeit zur Verwirklichung vorhandener Mobilitätsansprüche und -
bedürfnisse, die zu einer Benachteiligung der Betroffenen in anderen Bereichen des gesellschaft-
lichen Lebens führt“ (2005, S.6) definiert wurde.
In Deutschland fehlt es noch an quantitativen Daten zu diesem Thema, doch Studien aus Groß-
britannien haben gezeigt, dass Mobilitätsarmut selbst in hochentwickelten westeuropäischen
Gesellschaften noch ein gravierendes Problem darstellt (Lucas, 2012; Lucas et al., 2016; Church,
Frost & Sullivan, 2000). Denn Mobilitätsartmut ist nicht bloß eine Unannehmlichkeit, sondern
sie beschränkt in einer modernen „Mobilitätsgesellschaft“ (Tully & Baier, 2007, S.15) die Teil-
habe an zentralen Lebensaspekten wie Arbeit, Bildung, Gesundheitsversorgung, Freizeitangebo-
ten und sozialen Kontakten (Daubitz, 2014). Verschärft wird die Problematik durch die selbster-
haltende Dynamik sozialer Exklusion durch Mobilitätsarmut: „Mobilität ist ein wichtiger Bau-
stein für die soziale Inklusion von Menschen, denn der fehlende Zugang zu Beschäftigung, Ge-
sundheitsdienstleistungen, Bildungs- und Kultureinrichtungen ist sowohl Ergebnis als auch Ur-
sache sozialer Ausgrenzung.“ (Daubitz, 2011, S.183).
Grundsätzlich können die Ursachen für Mobilitätsarmut in drei Kategorien zusammengefasst
werden: „a) körperliche und mentale Einschränkungen von Personen, b) Geld- und Zeitmangel
und c) periphere, mit Infrastrukturen schlecht ausgestattete Wohnstandorte“ (Dangschat & Se-
gert, 2011, S.61). Bisherige Lösungsansätze sind größtenteils im Bereich der „Bearbeitung der
ökonomischen Dimension“ (Daubitz, 2014, S.442), bspw. durch das Einführen von Sozialtickets
oder einer gänzlichen Subventionierung des öffentlichen Nahverkehrs sowie dem Ausbau beste-
hender Verkehrsinfrastrukturen (Daubitz, 2014) zu verorten.
Soziale Kosten von Verkehr und Verkehrspolitik
Neben der Forschung zu Teilhabe an Verkehr und Verkehrsarmut ist die Forschung zu den sozi-
alen Kosten von Verkehr als zweites zentrales Themenfeld zur sozialen Dimension von Ver-
kehrspolitik auszumachen. Flade (2016) definiert ‚soziale Kosten‘ dabei grundlegend als „ex-
terne Kosten, die dem einzelnen Menschen aufgebürdet werden, die sein Wohlbefinden und
seine Gesundheit schmälern, die seinen Handlungsspielraum und seine Lebensmöglichkeiten
einschränken und die bewirken, dass sich eine negative Haltung zu den nichtmotorisierten Fort-
bewegungsarten und zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel herausbildet.“ (S.473).
Die sozialen Kosten des Verkehrs bestehen u.a. aus Stau, Unfällen, Lärm- und Schadstoffbelas-
tungen, Stress, ästhetischen Verlusten und Reizarmut, Zeitverlusten und anderen Beeinträchti-
gungen des Lebensalltags (Brenck, Mitschu & Winter, 2016; Flade, 2016). All diese Aspekte
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Teilbericht
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entstehen durch das gesellschaftliche Zusammenwirken im Verkehr, fallen jedoch im Endeffekt
in Form von sozialen Kosten auf einzelne Individuen zurück (Flade, 2016). Und auch die Ent-
wicklung nicht nachhaltiger Einstellungen (bspw. einer Autoorientierung bedingt durch die Er-
fahrung von Unsicherheit als Radfahrer*in in einem von Autos dominierten Verkehrssystem)
zählt Flade (2016) zu den sozialen Kosten des Verkehrs, da solche nicht nachhaltigen Einstellun-
gen in Zukunft hohe soziale Kosten mit sich bringen werden. Wie auch bei der Frage des Zugangs
zu Verkehr und Mobilität ist auch bezüglich der sozialen Kosten besonders die ungleiche Vertei-
lung problematisch. Denn die sozialen Kosten des Verkehrs sind „nach wie vor überwiegend ent-
lang der Muster der Sozialstruktur, also schicht- oder klassenspezifisch verteilt“ (Rammler &
Schwedes, 2018, S.11). So befinden sich beispielsweise „bezahlbare Sozialwohnungen […] viel
häufiger entlang vielbefahrener Magistralen mit einer schlechten Luftqualität“ (Rammler &
Schwedes, 2018, S.11) als teurere Grundstücke und Eigentumswohnungen.
5.2.2 Die soziale Bedingtheit von Verkehr
Da es sich beim Verkehr ebenfalls um einen gesellschaftlichen Prozess handelt, der aus der In-
teraktion von Individuen hervorgeht, beschäftigt sich die Literatur auch damit, wie (bestimmte
Formen von) Verkehr und Verkehrspolitik aus (bestimmten) sozialen Prozessen und Konstellati-
onen hervorgehen (Schwedes, 2011; Manderscheid, 2016; Scheiner, 2009). In dieser Betrach-
tungsweise wird, gemäß dem zu Beginn genannten Schema (Lorenz, 2017), das Soziale als Vor-
bedingung und Grundlage für die (ökologische und ökonomische) Verkehrswende in Richtung
Nachhaltigkeit betrachtet.
Ein Blick in die Verkehrsgeneseforschung, also die Forschung zur Verkehrsentstehung, offen-
bart, dass die Entstehung von Verkehr grundsätzlich als soziales Phänomen zu verstehen ist.
Denn es werden fast ausschließlich Elemente der „sozialen Umwelt und damit der strukturellen
Rahmenbedingungen“ (Scheiner, 2016, S. 684) zur Erklärung der Verkehrsgenese herbeigezo-
gen. Beispiele hierfür sind gesellschaftliche Zeitstrukturen, Raum- und Siedlungsstrukturen, vor-
handene Verkehrssysteme, ökonomische Rahmenbedingungen, Technologien, Handeln von Ak-
teur*innen aus Politik und Planung, sowie individuelle Lebenslage, Lebensstil, Verkehrsmittel-
verfügbarkeit, Einstellungen und Normen (Scheiner, 2016).
So sind also die spezifischen Formen von Verkehr und Verkehrspolitik einer Gesellschaft immer
Ausdruck der spezifischen sozialen Eigenschaften dieser Gesellschaft. Beispielsweise kann hier
der Blick auf die spezifisch individualistische Konfiguration von Verkehr in der modernen, kapi-
talistischen Gesellschaft gerichtet werden, welche laut Kollosche und Schwedes (2016) dem Im-
perativ „der Gewährleistung von Flexibilität im mobilen Alltag“ (S.8) folgt. In einer von Individu-
alisierung geprägten Gesellschaft (Beck, Giddens & Lash, 1996), werden Mobilitätsbedürfnisse
meist mit individualisierten Lösungen befriedigt (zuvorderst der PKW in Eigenbesitz). Dass an-
dere soziale Normen, Werte und Praktiken zu anderen, (ökologisch) nachhaltigeren Formen von
Verkehr führen können, belegt beispielhaft die Auseinandersetzung mit ‚intentional communi-
ties‘8. In der Forschungsarbeit zu einer kalifornischen Intentional Community beobachteten Bo-
yer et al. (2016) „how an unconventional investment in communication and conflict resolution
skills allows for a lifestyle of abundance amidst strong self-imposed limitations to resource con-
sumption“ (Boyer et al., 2016, S. 878). Die Mitglieder der Gemeinde üben sich täglich in Kommu-
nikationspraktiken wie gewaltfreier Kommunikation und Mediation, unter anderem, um die ge-
meinschaftliche, kooperative Nutzung von Ressourcen zu ermöglichen. Auf diese Art teilen sich
die mehr als 60 Mitglieder nur 4 Fahrzeuge und nutzen diese kommunal und effizient durch
8 Intentional Communities bezeichnet alternative Gemeinschaften, welche sich mit klaren Zielsetzungen und Prinzipien gegründet
haben und diesen im alltäglichen Leben Folge leisten. Oftmals sind die Zielsetzungen auf sozialen Zusammenhalt, ökologische Nach-
haltigkeit und/oder Gemeinwohl gerichtet.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
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kollektive Koordination der Fahrten. So schaffen sie es mit nur etwa 10% des durchschnittlichen
pro-Kopf-Spritverbrauches eine*r Amerikaner*in auszukommen, obwohl sie in einer Gegend le-
ben, in der es keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt und kaum ein Ziel mit dem Fahrrad zu er-
reichen wäre (Boyer et al., 2016). Durch die aktive Umgestaltung sozialer Beziehungen wird
hierbei mehr Nachhaltigkeit in der Verkehrspraxis erreicht. Auf derartigen Beobachtungen be-
zieht sich die Perspektive, laut der die zentrale verkehrspolitische Aufgabe für eine Verkehrs-
wende hin zur Nachhaltigkeit darin bestehe, „der Bevölkerung den Sinn eines veränderten Ver-
kehrsverhaltens im Rahmen einer neuen Mobilitätskultur nahezubringen“ (Schwedes & Bor-
mann, 2017, S.3).
Bezüglich der sozialen Bedingtheit von Verkehrspolitik ist auch Teilhabe an Verkehrspolitik
bzw. Partizipation vielfach Gegenstand der Forschung. Denn obwohl das Leitbild einer (ökolo-
gisch, ökonomisch und sozial) nachhaltigen Verkehrspolitik „unstrittig“ (Schwedes, 2011, S.23)
zu sein scheint, sind die genauen „Auffassungen darüber, wodurch sich eine nachhaltige Ver-
kehrspolitik auszeichnet und woran eine nachhaltige Verkehrsentwicklung zu erkennen ist, kei-
nesfalls einhellig“ (Schwedes, 2011, S.23). Deswegen ist auch hier die Gestaltung eines inklusi-
ven Diskurses zur gemeinschaftlichen Erarbeitung des kollektiven Verständnisses und Leitbildes
nachhaltiger Verkehrspolitik entscheidend. Anstatt einen Blueprint zu suchen, der nachhaltige
Verkehrspolitik predefiniert, betonen viele Autor*innen die Wichtigkeit lokaler, integrativer
Prozessstrukturen. Diese sollen sicherstellen, dass es in der Verkehrspolitik Partizipationsmög-
lichkeiten für alle Interessengruppen gibt und es allen ermöglicht wird, ihre Anforderungen in
gleichen Maßen geltend zu machen, sodass „die widerstreitenden Interessensgruppen einen für
die Beteiligten tragbaren Kompromiss aushandeln“ (Schwedes, 2011, S.27).
Gerade auch in Verbindung zur Mobilitätsarmut scheint dies von besonderer Bedeutung zu sein,
da gerade jene, die am stärksten von Mobilitätsarmut betroffen sind, Gefahr laufen, durch exis-
tierende „Machtgefälle im Politikfeld Verkehr“ (Schwedes, 2011, S.20) im Entscheidungsfin-
dungsprozess am wenigsten berücksichtigt zu werden. Denn, „dass sich Verkehrs- und Mobili-
tätsforscher[*innen], Verkehrsplaner[*innen] und verkehrspolitische Entscheidungsträger[*in-
nen] mit dem Verkehrsverhalten von einkommensarmen Menschen beschäftigen, ist leider in
Deutschland eher die Ausnahme“ (Daubitz, 2011, S.181).
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6 Politikfolgenabschätzung
6.1 Einleitung
Im vorangegangenen Abschnitt wurde umfassend danach gefragt, wie eine soziale Nachhaltig-
keit in konkreten Politikfeldern thematisiert wird. Dabei wurde sowohl die substantielle als
auch – soweit in der Literatur darauf Bezug genommen wird – der prozedurale Zugang disku-
tiert. Zudem wurden nicht nur die Politikinstrumente, sondern auch die sozialen Prozesse im Zu-
sammenhang von Energie- und Verkehrspolitik diskutiert.
Im Folgenden soll demgegenüber weiter fokussiert werden: Es wird danach gefragt, wie insbe-
sondere die substanzielle Dimension sozialer Nachhaltigkeit in der Politikformulierung betrach-
tet wird.
Eine Möglichkeit der zumindest ansatzweise systematischen Analyse der Berücksichtigung von
sozialen Aspekten in Politikprozessen ist die Auswertung von Vorgaben zur Durchführung von
Politikfolgenabschätzungen (PFA), sowie deren tatsächliche Anwendung. PFA (oder englisch:
Impact Assessments, IA) werden ca. seit dem Jahr 2000 in vielen Ländern und der EU als ein zu-
nehmend wichtiger Prozess der Politikformulierung etabliert. Durch eine umfassende Vorabana-
lyse von Folgewirkungen geplanter Gesetze, Verordnungen, ggf. auch Programmen und Strate-
gien sollen mögliche unerwünschte Nebenwirkungen vermieden und die Qualität von Politik
verbessert werden. In den meisten Ländern gibt es Vorgaben, um neben ökonomischen Auswir-
kungen auch Umweltwirkungen und soziale Auswirkungen zu untersuchen. Diese Vorgaben und
ihre jeweiligen Operationalisierungen können genutzt werden, um Rückschlüsse auf die Konzi-
pierung des Sozialen in Politikprozessen zu ziehen.
Auch wenn diese Verfahren auch als Prozesse betrachtet werden können, in dessen Rahmen die
Beteiligung verschiedener Akteure organisiert werden kann und damit ein Beitrag zu einem pro-
zeduralen Zugang sozialer Nachhaltigkeit zumindest potenziell geleistet werden kann, steht dies
nicht im Vordergrund. Allenfalls ausnahmsweise werden Politikprozesse im Rahmen von PFA
selbst thematisiert, vielmehr stehen allerdings die Wirkungen und damit die substanzielle Di-
mension im Vordergrund.
Eine besondere Herausforderung zur Erfassung der sozialen Wirkungen ergibt sich dabei ers-
tens aus den vielfältigen indirekten Wirkungen. Denn häufig treten die sozialen Wirkungen einer
Politik nicht als direkte Folge einer Politik auf, sondern werden indirekt ausgelöst, wenn eine
Politik z.B. Veränderungen im Wirtschaftssystem auslöst. Zweitens sind soziale Wirkungen häu-
fig schwer messbar, da besonders Wirkungen auf Faktoren wie Lebensqualität oder gesellschaft-
liche Teilhabe subjektiv geprägt sind und schwer zu messen sind. Es ist auch zu beachten, dass
die Erschließung, wie soziale Wirkungen in politischen Prozessen erfasst werden, über PFA auch
Nachteile hat: PFAs können nur symbolisch oder selektiv durchgeführt werden, um bereits ge-
troffene Entscheidungen zu legitimieren (z.B. Jacob et al. 2008). Dies kann damit einhergehen,
dass soziale Wirkungen, die zwar im politischen Prozess von zentraler Bedeutung sind, keine
Berücksichtigung in PFAs haben, weil die PFA nur randständig ist und die Politikaushandlung in
anderen Foren stattfindet. Umgekehrt können soziale Aspekte, die in PFAs analysiert werden, im
politischen Prozess nicht mehr aufgegriffen werden. Trotz dieser Möglichkeiten, dass mit einer
Erhebung des Sozialen in PFAs der politische Prozess nicht umfassend erfasst wird, scheint eine
Betrachtung dennoch sinnvoll, nicht zuletzt wegen der wachsenden Bedeutung von PFA für die
Politikvorbereitung in vielen Ländern.
Das folgende Kapitel enthält daher eine Zusammenfassung der Auswertung ausgewählter Hand-
reichungen und Richtlinien zur Durchführung von Politikfolgenabschätzungen. Es wird ein
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
39
kurzer Überblick gegeben, wie die soziale Dimension in PFA gefasst wird, welche Ansätze zur
Kategorisierung und Operationalisierung genutzt werden und welche Methoden dafür empfoh-
len werden.
6.2 Die soziale Dimension in der Politikfolgenabschätzung
In der allgemeinen Politikfolgenabschätzung ist es gute Praxis, die Wirkungen geplanter Politi-
ken auf alle Dimensionen nachhaltiger Entwicklung zu überprüfen. Dies schließt auch die sub-
stanzielle soziale Dimension ein. In Deutschland ist dies die Gesetzesfolgenabschätzung im Rah-
men der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO), in den Europäischen
Institutionen wiederum das Integrated Impact Assessment. Darüber hinaus existieren mehrere
fokussierte Assessment-Verfahren, die gezielt soziale Aspekte in der Wirkungsanalyse in den
Blick nehmen. Solche spezialisierten Tests werden zum Beispiel in Großbritannien oder den Nie-
derlanden gefordert, wenn eine Vorprüfung („Scoping“) ergeben hat, dass relevante Wirkungen
in diesem Bereich zu erwarten sind und damit eine vertiefte Analyse erforderlich ist. Zu diesen
spezifischen IAs gehören unter anderem:
► Social Impact Assessment (SIA) wird definiert als ex-ante Abschätzung der sozialen Folgen,
die sich voraussichtlich aus einer Politik ergeben (Burdge/Vanclay 1995: 32). Dabei werden
insbesondere die Wirkungen auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen betrachtet. In SIAs
werden die sozialen Ziele in einen normativen Kontext eingebunden, um auszudrücken, zu-
künftig auf eine gerechtere und nachhaltigere Entwicklung der Gesellschaft hinzuwirken
(Vanclay 2003; Esteves et al. 2012, Jacob et al. 2016).
► Health Impact Assessment (HIA) konzentriert sich explizit auf die Gesundheitsfolgen, die
eine geplante Politik, ein Projekt oder Plan nach sich ziehen kann, die nach Möglichkeit auch
in Bezug auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen darzustellen sind (WHO 2008: 4). HIA
ist häufig ein Bestandteil von Umweltverträglichkeitsprüfungen. Dabei sollten verschiedene
Kategorien von Gesundheitsfolgen berücksichtigt werden, die z.B. nahrungs- bzw. trinkwas-
serbezogene Gesundheitsfolgen abdecken können, aber auch gesundheitsschädliche Materi-
alen, usw. (IFC 2008: 20, Jacob et al. 2016).
► Poverty Impact Assessment (PIA) (im Kontext der Weltbank auch PSIA: Poverty and Social
Impact Analysis) beschreibt den Prozess, neue Politiken und Programme insbesondere hin-
sichtlich ihrer Wirkungen auf Ungleichheit in der Gesellschaft und Armut zu untersuchen.
Diese Form des Assessments legt also explizit einen Fokus auf die Verteilungswirkungen po-
litischer Initiativen und konzentriert sich dabei insbesondere auf armutsgefährdete Bevölke-
rungsgruppen. Diese Form der Berücksichtigung sozialer Politikfolgen wird nicht nur in Ent-
wicklungsländern angewandt und durch die Weltbank verbreitet, sondern auch in europäi-
schen Ländern, wie zum Beispiel Irland, angewendet (World Bank 2003; Department of the
Taoiseach 2006).
► Gender Impact Assessment (GIA) ist ein Instrument, dass seit der Einführung der
Gendermainstreaming-Strategien Ende der 1990er Jahre implementiert wurde und Politi-
ken, Pläne und Maßnahmen auf ihre Wirkungen im Hinblick auf Gleichstellungsfragen unter-
sucht. Dazu wurden z.B. auf EU-Ebene, aber auch in Deutschland verschiedene Instrumente
entwickelt (z.B. GIA Checkliste des BMUB, 6-Schritte-Modell in Niedersachsen) (EIGE, 2016;
NsMFAS, 2001; BMUB, 2002).
Für diese fokussierten Impact Assessments gibt es zahlreiche Handreichungen und methodische
Anleitungen. Alle diese Aspekte finden jedoch auch Berücksichtigung in den allgemeinen Verfah-
ren der integrierten PFA. Es gibt die Tendenz, verstärkt integrierte PFAs durchzuführen, die alle
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
40
Dimensionen nachhaltiger Entwicklung berücksichtigen. Zuvor entwickelte spezialisierte Tests
und Anforderungen an die sozialen Dimensionen wurden in Leitlinien zur Durchführung von
PFA integriert. Dies ist zum Beispiel in der Europäischen Kommission der Fall, aber auch in Ir-
land wurden soziale Aspekte, die in HIAs oder PIAs abgedeckt wurden, in die allgemeine PFA in-
tegriert (European Commission, 2016; Department of the Taioseach, 2006). Im Folgenden wer-
den daher ausgewählte Richtlinien vorgestellt, die diese sozialen Aspekte in der PFA berücksich-
tigen und dargestellt, welche Impact-Kategorien vorgeschlagen werden und welche Schwer-
punkte dabei gesetzt werden.
6.3 Handreichungen zur Politikfolgenabschätzung
6.3.1 Die soziale Dimension in den Handreichungen der Europäischen Kommission zur
Politikfolgenabschätzung
Das Impact Assessment der Europäischen Kommission hat ein besonders ausdifferenziertes Sys-
tem und ausführliche Handreichungen zur Durchführung von PFA entwickelt. Mit der jüngsten
Überarbeitung der Handreichungen 2016 zur Durchführung dieser PFA wurde auch eine Tool-
box entwickelt, die Hinweise darauf gibt, welche Wirkungskategorien im Assessment berück-
sichtigt werden müssen und wie diese in Leitfragen gefasst werden können. Für die soziale Di-
mension umfassen diese die folgenden Kategorien:
► Fundamental rights & human rights
► Employment, working conditions, income distribution, social protection & inclusion
► Education and training, culture and youth (ETCY)
► Health impacts
► Consumers
Für jede Kategorie werden Leitfragen definiert und es wird näher erläutert, welche Aspekte be-
sonders zu beachten sind. Beispiele für diese Leitfragen sind:
► Kategorie Beschäftigung: sind direkte Beschäftigungswirkungen in spezifischen Sektoren,
Berufsgruppen, Qualifikationen, Regionen oder Länder oder Kombinationen daraus zu er-
warten? Welche spezifischen sozialen Gruppen sind davon betroffen?
► Kategorie Gesundheit: erwachsen aus der Politikoption Gesundheitsrisiken oder werden sol-
che reduziert? Wird die Sicherheit von Patienten beeinflusst?
Darüber hinaus werden in einigen Fällen Methoden vorgeschlagen, wie Effekte erfasst und be-
wertet werden können. Für Gesundheitsfolgen sind dies zum Beispiel sowohl monetäre Ansätze
(z.B. Value of Statistical Life) aber auch nicht-monetäre Betrachtungsweisen (z.B. Quality Ad-
justed Life Years). Für Fragen rund um Themen wie z.B. Beschäftigung werden darüber hinaus
auch Informationen zur Nutzung von Modellen für die Analysen bereitgestellt. Darin werden bei-
spielsweise direkte/indirekte/induzierte Wirkungen oder brutto und netto Effekte auf Beschäf-
tigung thematisiert. Es wird darauf hingewiesen, dass eine Kombination aus qualitativen und
quantitativen Methoden genutzt werden soll, um soziale Aspekte einer Politik abzuschätzen.
Wenn beispielsweise ein Input-Output-Modell verwendet wird, um makroökonomische Wirkun-
gen der Politik zu bestimmen, sollten zusätzlich die Verteilungswirkungen zumindest qualitativ
geschätzt werden. Andere Möglichkeiten wären die Nutzung von Computational Equilibrium
Modellen (CGE), in denen Einkommenswirkungen für betroffene Gruppen disaggregiert werden
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
41
oder Mikrosimulationen. Die Wahl der Methoden wird jedoch den Bearbeiter*innen der PFA
überlassen. Indikatoren zur Messung der Impact-Kategorien werden in den Richtlinien nicht
vorgesehen. Um die Bearbeiter*innen stattdessen auf besonders relevante Wirkungszusammen-
hänge hinzuweisen, werden darüber hinaus für einige Impact-Kategorien typische Kausalzusam-
menhänge dargestellt. Beispiele hierfür sind:
► Kategorie Beschäftigung: Indirekte Effekte auf den Arbeitsmarkt können sich zum Beispiel
durch eine verbesserte Kaufkraft ergeben, wenn in einem anderen Sektor neue Arbeitsplätze
geschaffen werden.
► Kategorie Inklusion: Initiativen, die die Preise für Güter wie Wasser, Lebensmittel oder Ener-
gie, etc. verändern können zu Armut und sozialer Exklusion führen.
6.3.2 Die Soziale Dimensionen in der Gesetzesfolgenabschätzung in Deutschland
Auch in Deutschland ist die Durchführung einer Gesetzesfolgenabschätzung (GFA) verpflichtend.
Sie ist in §44 GGO geregelt und legt fest, dass Aspekte nachhaltiger Entwicklung in der Analyse
berücksichtigt werden müssen. Diese Nachhaltigkeitsprüfung findet im Rahmen der umfassen-
den GFA statt. Als Grundlage für die Nachhaltigkeitsprüfung – und damit auch die Betrachtung
der sozialen Dimension von Gesetzesvorhaben – dient die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie und
die darin festgelegten Ziele und Indikatoren. In der überarbeiteten Nachhaltigkeitsstrategie von
2016 sind die Sustainable Development Goals (SDGs) der Agenda 2030, die im Rahmen der Ver-
einten Nationen entwickelt wurden, als Ziele festgelegt. Darüber hinaus wurden für Deutschland
spezifische Indikatoren entwickelt, um den Fortschritt hin zur Erreichung dieser Ziele messen zu
können.
Zusätzlich existieren weitere Leitfäden zur Durchführung von PFAs in Deutschland, wie zum Bei-
spiel der von Porsch et al. (2015) entwickelte Leitfaden zur Nutzen-Kosten-Analyse umweltpoli-
tischer Aspekte in der Folgenabschätzung, die auch die Wirkungen auf die Gesellschaft in den
Blick nimmt und dabei vor allem auf Verteilungswirkungen fokussiert (Porsch et al., 2015). Der
Leitfaden von Porsch et al. (2015) konzentriert sich jedoch auf die Umweltwirkungen geplanter
Politiken (und den daraus erwachsenden gesellschaftlichen Nutzen) sowie deren wirtschaftliche
Folgen und stützt sich nicht auf die SDGs als Referenzrahmen. Es werden allerdings Wirkungen
auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen in Bezug auf Einkommen, aber auch Gesundheitswir-
kungen und Lebensqualität berücksichtigt. Andere soziale Wirkungskategorien, wie Teilhabe
oder Gleichstellung, sind in diesem Leitfaden nicht aufgenommen.
Die Operationalisierung im Rahmen der Nachhaltigkeitsprüfung auf der Basis der Agenda 2030
und dessen Adaptation für Deutschland fokussiert auf die SDGs und die für jedes Ziel relevanten
Indikatoren. Für die soziale Dimension sind insbesondere die folgenden SDGs relevant:
► SDG 1: Armut in jeder Form und überall beenden (Indikatorbeispiel: Materielle Deprivation)
► SDG 3: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlerge-
hen fördern (Indikatorbeispiel: Anteil der Bevölkerung mit erhöhter PM10-Exposition)
► SDG4: Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten des le-
benslangen Lernens für alle fördern (Indikatorbeispiel: Ganztagsbetreuung für Kinder)
► SDG5: Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestim-
mung befähigen (Indikatorbeispiel: Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern)
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
42
► SDG8: Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive
Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern (Indikatorbeispiel: Gesam-
trohstoffproduktivität)
► SDG10: Ungleichheit in und zwischen den Ländern verringern (Indikatorbeispiel: Gini-Koef-
fizient der Einkommensverteilung)
► SDG11: Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten
(Indikatorbeispiel: Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche)
► SDG16: Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, al-
len Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige
und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen (Indikatorbeispiel: Straftaten)
6.4 Anwendung in der Praxis
In den Leitlinien zur Durchführung von PFAs werden substanzielle soziale Wirkungen umfas-
send gefasst und schließen mit Kategorien von Einkommen und Beschäftigung über Gesundheit,
Bildung, Gleichstellung bis hin zu Menschenrechten eine Vielzahl der in der wissenschaftlichen
Literatur genannten relevanten Kategorien ein. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit diese
Kategorien auch in der praktischen Durchführung von PFAs berücksichtigt werden. Zu dieser
Frage gibt es keine systematischen Auswertungen, nicht zuletzt, weil schwierig zu beurteilen ist,
ob die (Nicht-)Berücksichtigung von Teilaspekten sachlich zu rechtfertigen ist.
In dem Projekt „Verteilungswirkungen umweltpolitischer Instrumente und Maßnahmen“ im
Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) wurde jedoch eine Analyse durchgeführt, inwieweit so-
ziale Folgen und insbesondere Verteilungswirkungen in den IA-Berichten der Europäischen
Kommission zu umweltpolitischen Instrumenten berücksichtigt werden. Diese Auswertung
ergab, dass soziale Wirkungen nur eingeschränkt aufgenommen wurden. Am häufigsten be-
trachtet wurden Wirkungen in Bezug auf Einkommen und Beschäftigung. Aber auch Gesund-
heitsaspekte werden thematisiert. Aspekte wie soziale Inklusion oder Gendergerechtigkeit wer-
den in einem deutlich geringeren Maße angesprochen (Jacob et al., 2016).
Auch eine Auswertung von ausgewählten IAs in den USA zur Berücksichtigung von sozialen Wir-
kungen kommt zu dem Schluss, dass eine Lücke zwischen den Vorgaben in den Guidelines und
der praktischen Durchführung zu beobachten ist (Robinson et al., 2014). Es dominieren dem-
nach solche Aspekte, für die Daten leicht verfügbar sind und die dazu beitragen, die Effizienz von
Politik im Sinne des Nutzen-Kosten-Verhältnis zu beurteilen. Andere, schwer fassbare Aspekte
werden dagegen weitaus seltener betrachtet. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Studie
im Auftrag der OECD, der zufolge die sozialen Wirkungen in den Folgenabschätzungen der Mit-
gliedsländer bisher nur eingeschränkt berücksichtigt werden, auch wenn die Aufnahme von As-
pekten wie Genderimpacts seit der letzten Evaluation 2008 zugenommen hat. Genderimpacts
und Verteilungseffekte sind in etwas mehr als der Hälfte der OECD-Staaten in jeder PFA enthal-
ten. Wirkungen auf Armut werden zum großen Teil jedoch nicht aufgenommen (Deighton-Smith
et al. 2016).
Daraus lässt sich schließen, dass soziale Aspekte, die über Beschäftigungswirkungen und Ge-
sundheitsaspekte hinausgehen, in der Politikentwicklung noch nicht umfassend betrachtet wer-
den, obwohl entsprechende Guidelines existieren. Dies zeigt, dass weiterer Bedarf besteht, die
soziale Dimension handhabbarer zu fassen und zu spezifizieren und methodische Ansätze zu
entwickeln, die die Berücksichtigung dieser Aspekte in der Politikentwicklung vereinfachen.
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6.5 Fazit und Schlussfolgerungen zur Politikfolgenabschätzung
Die beispielhafte Auswertung von Leitfäden zur Durchführung von PFAs in Bezug auf die Be-
rücksichtigung der sozialen Dimension in Politikfolgenabschätzungsprozessen zeigt, dass ein
breites Verständnis der substanziellen sozialen Dimension zu Grunde gelegt wird. Es werden so-
wohl ökonomische Wirkungen auf Haushalte (Einkommen und Beschäftigung) als auch Gesund-
heitsfolgen und weitere „weichere“ Faktoren, wie gesellschaftliche Teilhabe oder Lebensqualität
aufgenommen und operationalisiert. Dennoch zeigen Studien auch, dass die Berücksichtigung
dieser Aspekte in der praktischen Durchführung von PFAs für umweltpolitische Initiativen (Ja-
cob et al. 2016) noch nicht durchgängig erfolgt und nicht alle Aspekte in gleichem Umfang be-
rücksichtigt werden. In den Politikformulierungsprozessen, bei denen PFA genutzt werden,
überwiegt die Betrachtung des Sozialen als sozioökonomische Kategorie – insbesondere Auswir-
kungen auf Einkommen und Beschäftigung werden weitaus häufiger betrachtet als die „weiche-
ren“ Aspekte des Sozialen.
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44
7 Das „Soziale“ als Vorbedingung für den ökonomischen
und ökologischen Wandel
Wie bereits einleitend beschrieben, wird das Soziale im Kontext der Nachhaltigkeitsdiskussion
sehr unterschiedlich gefasst. In der Folge geht es nun darum, das Soziale als Vorbedingung für
eine nachhaltige Entwicklung mithin die prozedurale Dimension des Sozialen auszuloten. Dazu
wird zunächst ein institutionsökonomischer Zugang kurz dargestellt, der unterschiedliche Ebe-
nen identifiziert, die einerseits aufeinander aufbauen und andererseits eng miteinander ver-
zahnt sind und zugleich sehr unterschiedliche zeitliche Perspektiven von Wandelprozessen um-
fassen. Anschließend wird ein analytischer Zugang zu Wandelprozessen dargestellt: die Multi-
Level Perspektive, die maßgeblich von Geels (2011) (aus einer Perspektive der evolutionären
Ökonomie) mitentwickelt wurde. Diese Heuristik wird für die Erklärung von Wandelperspekti-
ven vielfach genutzt.9
7.1 Institutionenökonomische Zugänge zum gesellschaftlichen Wandel
Für soziale Dimensionen von Umweltpolitik spielt die Betrachtung von Institutionen (informelle
und formelle Institutionen), die eng mit Wandelprozessen verbunden sind, eine wesentliche
Rolle. Dabei wird z.B. von Offe(1989) davon ausgegangen, dass Institutionen einen spezifischen
Problembezug haben, da sie letztlich zur „Sozial-, Interessen- und Wertstruktur (der Gesell-
schaft) passen“ müssen, um ihre Wirksamkeit entfalten zu können. Zudem haben Institutionen
eine handlungsorientierende und sinnstrukturierende Funktion, weil sie u.a. eine bestimmte
Wahrnehmung und Bewertung der Welt vermitteln und letztlich auf Leitideen beruhen.10 Diese
Leitideen werden durch spezifische Diskurse gestützt und reproduziert. In den Blick kommt da-
mit der symbolische Konstruktionsprozess von Wirklichkeitsdeutungen, die akteursspezifischen
Framing-Strategien, Diskurskoalitionen und damit auch die Problemrahmungen.
Gesellschaftliche Entwicklungsprozesse sind in der Regel vielschichtig. Unterschiedliche Wissen-
schaftszweige haben für dynamische gesellschaftliche Entwicklungen Erklärungsansätze entwi-
ckelt: Beispielhaft sei der institutionenökonomische Ansatz skizziert, der darauf verweist, dass
gesellschaftliche (Selbst-) Steuerungsprozesse auf verschiedenen Ebenen und Zeitskalen statt-
finden. Williamson (2000) differenziert dabei vier Ebenen (siehe Abb. 4), die für die gesellschaft-
lichen (Selbst-) Steuerungsprozesse von Bedeutung sind und die sich in unterschiedlichen Zeit-
fristen als veränderbar erweisen.11
Ebene 1: Institutionelle Einbettung – informelle Regeln, Traditionen etc.
Ebene 2: Institutionelles Umfeld – formale Regeln u.a. Recht (auch Eigentumsrechte)
Ebene 3: Governancemechanismen – Einhaltung von Spielregeln, Anreizsysteme
Ebene 4: Ressourcenallokation – Effizienz der Allokation
9 Weitere Zugänge, wie bspw. das Schildkrötenmodell oder der Models of Change Ansatz werden an dieser Stelle nicht ausgeführt.
10 Der Versuch Nachhaltigkeit als Leitbild zu etablieren, macht sich eben diesen Mechanismus zu Nutze, um damit durch die struktu-
rierende Kraft dieser Idee, die Handlungsrichtung der Akteure zu beeinflussen.
11 Ähnliche Differenzierungen wie die hier dargestellten, werden auch in anderen Wissenschaftsdisziplinen verwendet, allerdings
mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten, insbesondere Governance- und Institutionenbegriff (bspw. Prittwitz 2000, North 1992). Die
hier gewählte Darstellung soll allein typisierend die Projektebenen aufzeigen.
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Teilbericht
45
Abbildung 3: Die vier Ebenen im Institutionengefüge
Quelle: Williamson, 2000, S. 597
Diese Systematisierung geht davon aus, dass die unterschiedlichen Ebenen in enger Form mitei-
nander verschränkt sind und sich gegenseitig beeinflussen. Kurz schematisch skizziert ergeben
sich aus der Ebene 1 Werthaltungen und Leitbilder, die in den formalen Institutionen (Ebene 2)
ihren Ausdruck finden und auf der Ebene 3 die Spielregeln bestimmen. Ebene 4 bezieht sich hier
auf die Effizienz der Ressourcennutzung. Für die soziale Dimension ist die Analyse aller vier Ebe-
nen erforderlich, also von Leitbildern und Institutionen (d.h. informelle und formelle Institutio-
nen) sowie von Governancemechanismen und Ressourcenallokationen. Die Zeitskalen für Verän-
derungsprozesse unterscheiden sich von langfristig (Ebene 1) bis kurzfristig (Ebene 4).
Die Verschränkung der unterschiedlichen Ebenen ist nicht allein bezogen auf ein Land zu inter-
pretieren, vielmehr führten und führen Marktöffnungsprozesse dazu, dass die informellen und
formalen Regelungen zunehmend in Wettbewerb treten, was einen kontinuierlichen Verände-
rungs- und Anpassungs- aber auch Gestaltungsbedarf mit sich bringt.
7.2 Die Multi-Level-Perspektive und Wandelprozesse
Die Multi-Level-Perspektive ist im Kontext der holländischen Diskurse über das Transitionsma-
nagement entwickelt worden und stellt eine wesentliche Heuristik in Hinblick auf gesellschaftli-
che Wandelprozesse dar. Der Ansatz unterscheidet im Grundsatz drei Ebenen (Geels, 2011):
1. Die Landschaft, also externe Faktoren, die das Regime und das System indirekt beeinflussen.
Dazu gehören u. a. Weltbilder bzw. deren Veränderung und Rahmenbedingungen wie der
demographische Wandel, die wirtschaftliche Liberalisierung etc.
2. Das sozio-technische Regime, das die Elemente "Markt, Industrie, Gesellschaft, Politik und
Forschung” umfasst (Infrastrukturen wurden in diesem Kontext nicht explizit erwähnt, stel-
len aber nach Auffassung der Autor*innen eine besondere Kategorie dar). Das sozio-techni-
sche Regime wird durch drei Ebenen strukturiert:
a. den kognitiven Regeln (Ziele, dominante Logiken, Visionen und Leitorientierungen), die
diesem konkreten sozio-technischen Regime zu Grunde liegen),
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Teilbericht
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b. den regulativen Regeln, wie Standards, Regulierungen etc.,
c. den normativen Regeln, wie Beziehungen, Werte und Lebensstile.
3. Die Nischen (Markt und Technologie), in denen sich soziale und technische Innovationen
herausbilden können.
Die Herausforderungen an das sozio-technische Regime ergeben sich folglich durch „externe”
Faktoren („von oben”) aus der sozio-technischen Landschaft wie bspw. die Rolle des Klimawan-
dels und dessen Ursachen, welche als Herausforderung an das sozio-technische Regime fungie-
ren können, wenn Politik und Gesellschaft diese Vorstellungen aufgreifen.
„Von unten” wird das sozio-technische Regime bspw. von (technischen oder auch sozialen) Inno-
vationen aus Nischen herausgefordert, wenn diese Innovationen nicht einfach in das Regime
übernommen werden können (bspw., weil sie andere institutionelle Arrangements notwendig
machen).
Die folgende Abbildung 5 verdeutlicht diese Dynamiken und Abhängigkeiten am Beispiel von un-
terschiedlichen Entwicklungsrichtungen des sozio-technischen Regimes mit Blick auf die Ener-
giewende im Strombereich (im Sinne zentraler und dezentraler Lösungen).
Abbildung 4: Multi-Level-Perspektive und mögliche Entwicklungspfade im Energiesystem
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Geels und Schot (2007), Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
Die Abbildung veranschaulicht, dass sich die „Landschaft” („von oben”) verändert (bspw. Klima-
wandel wird als relevant erachtet und neue Leitbilder der gesellschaftlichen Entwicklung entste-
hen) und neue Anforderungen an das sozio-technische Regime gestellt werden (z. B. low carbon
energy). Die bestehenden Strukturen des fossilen (Energie-) Systems werden in Frage gestellt
und das sozio-technische Regime wird destabilisiert (durch Delegitimation, Regulierungen und
neue Leitorientierungen). Nischeninnovationen erhalten eine Chance, sich zu etablieren. Dies
geschieht einerseits durch staatliche Regulierungen (bspw. Einspeisevergütung), andererseits
werden sie zeitgleich durch Lerneffekte wettbewerbsfähiger und stellen die Strukturen des so-
zio-technischen Systems weiter in Frage.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
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Es sind unterschiedliche Entwicklungspfade denkbar. So kann sich das sozio-technische System
in eine dezentralere oder eine zentralere Richtung entwickeln. Dies hängt von vielfältigen Ein-
flussfaktoren ab. Mit Blick auf das Energiesystem hat bspw. das EEG und speziell die Einspeise-
regelung (in die Netzinfrastruktur) wesentlich zur Herausbildung von EE-Technologien und zu
einem Innovationsschub in diesem Bereich beigetragen. Diese Interaktion hat dann dazu ge-
führt, dass das bestehende (fossile) sozio-technische System destabilisiert und die Entstehung
neuer Entwicklungspfade ermöglicht wurden. In dem Sinne haben sich Nischentechnologien ent-
wickeln können und das bestehende fossile sozio-technische Energieregime in Frage gestellt.12
Mit Blick auf die Zeitlichkeiten erweisen sich Infrastrukturen (mentale, organisatorische und
bauliche) als höchst relevant. Die Infrastrukturen stellen quasi die Basisgrundlagen sowohl für
die alltäglichen Transaktionen als auch für die Entwicklungspotenziale und -richtungen innova-
tiver Ansätze (von Technologien und Geschäftsmodellen) aber auch für soziale Innovationen
dar. Infrastrukturen (insbes. bauliche Infrastrukturen) stellen hinsichtlich ihrer Langlebigkeit
die Basis für die weiteren Bereiche dar, deren Erneuerungszyklen zumeist kürzer sind. Mit Blick
auf Verkehrsinfrastrukturen sind es bspw. die Fahrzeuge, die an die Infrastrukturen angepasst
sind und ggf. Veränderungen der Fahrzeuge selbst wieder Veränderungen der Infrastrukturen
erforderlich machen.
Die Multi-Level-Perspektive geht von sozio-technischen Systemen oder Regimen aus, in denen
das „Soziale“ und das „Technische“ eng miteinander verwoben sind. Entwicklungspfade in Rich-
tung einer nachhaltigen Entwicklung sollen mittels Transition-Management oder auch strategi-
schem Nischenmanagement entwickelt werden. Im Grundsatz geht es dieser Perspektive um
„Systeminnovationen“, die entweder auf die Gesellschaft insgesamt gerichtet sind oder auf ge-
sellschaftliche Funktionsbereiche bezogen sind, wie Energie, Ernährung oder Transport. Zent-
rale Annahme in diesem Modell ist, dass es zu gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen für eine
nachhaltige Entwicklung kommt oder kommen soll. Lernprozesse und neue Routinen und Re-
geln spielen dann eine wichtige Rolle für die Veränderung des Systems.
Gleichwohl wird dieser Ansatz auch kritisch gesehen, insbesondere die Vertreter*innen „eines
praxistheoretisch fundierten Verständnisses sozialer Innovationen“ (Howaldt & Schwarz 2017)
gehen davon aus, dass damit kein angemessenes Verständnis für gesellschaftliche Transformati-
onsprozesse hergestellt werden kann. Konkret wird der Fokus auf „transition in practices“ ge-
legt, die die zentrale Untersuchungseinheit darstellen würden. Wie bereits zu Beginn erwähnt,
haben Shove et al. (2012) den Fokus auf “dynamics of social practice“ und auf „everyday life and
how it changes“ gelegt, um die Mechanismen des Wandels zu identifizieren. Transformative
Wandelprozesse erfordern eine Veränderung der sozialen Praktiken. In dem Sinne sind „Lebens
und Praxisformen zugleich Voraussetzung und Produkt sozialer Praktiken“. Allerdings ist in die-
sem Kontext auch die Verwobenheit mit den materiell technologischen Gegebenheiten relevant:
soziale Praktiken sind dementsprechend eng mit den technischen und materiellen Kontexten
wie beispielsweise Infrastrukturen verbunden. Damit wird nicht infrage gestellt, dass soziale
Praktiken veränderbar sind, sie sind aber auch eingebettet in technische und mentale Infra-
strukturen. Gleichwohl hat die Idee sozialer Innovationen an Relevanz gewonnen und wird von
der EU und mittlerweile auch vom Innovationsberatungsgremium der Bundesregierung, der Ex-
pertenkommission Forschung und Innovation (EFI), als relevantes Handlungsfeld angesehen.
Dies ist eng verbunden mit der Relativierung des Beitrags neuer Technologien zur Lösung
12 Von den vielfältigen vorgeschlagenen „Wenden“ in den unterschiedlichen Handlungsfeldern hat sich bislang alleine die Energie-
wende umsetzen lassen. Unbestritten dürfte in diesem Fall sein, dass Politik in diesem Prozess eine eminente Rolle gespielt hat. Dies
darf gleichwohl nicht dazu führen, die Rolle von Nischen zu Beginn und die Akteurskonstellationen zu unterschätzen, da beide die
Durchsetzung entsprechender regulativer Maßnahmen überhaupt erst ermöglicht haben.
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großer gesellschaftlicher Herausforderungen und der Notwendigkeit neuer (durchaus auch poli-
tischer) Ansätze der Gestaltung von Transformationsprozessen.
7.3 Fazit
In der Zusammenschau wird deutlich, dass das Soziale aus einer prozeduralen Perspektive letzt-
lich elementar für sämtliche Heuristiken des Verständnisses von Wandel- bzw. Transformations-
prozessen ist. Das Soziale ist aus dieser Sicht die zentrale Vorbedingung bzw. Grundlage für den
Wandel und beeinflusst in der Folge sowohl die ökonomische als auch die ökologische Nachhal-
tigkeit. Die institutionsökonomische Betrachtungsweise hat verdeutlicht, dass die ökonomischen
Austauschprozesse wie wir sie heute beobachten und was in der Regel als ökonomische Dimen-
sion der Nachhaltigkeit gefasst wird, auf einem tiefen Fundament von informellen Institutionen
und Traditionen beruht, die die formellen Institutionen (Spielregeln) hervorbringen, auf denen
dann die ökonomischen Transaktionen stattfinden. Wie deutlich geworden sein sollte, fußt die
ökonomische Dimension auf sozialen Vorbedingungen. Die gegenwärtige Konfiguration erweist
sich in dem Sinne als nicht nachhaltig, weil die umweltorientierten Externalitäten gegenwärtig
weder auf den sozialen noch den ökonomischen Ebenen berücksichtigt werden. Erforderlich ist
demnach ein sozialer Wandelprozess, der die Internalisierung vorantreibt, auch durch die Ver-
änderung der sozialen Praktiken, und damit die ökonomische Dimension „einbettet“.
Die Heuristik der Multi-Level-Perspektive versucht, mögliche Treiber des Wandels in Richtung
einer nachhaltigen Entwicklung zu identifizieren und handhabbare Konzepte der Beförderung
zu erschließen. Im Grundsatz sind wesentliche Elemente des institutionenökonomischen Ansat-
zes mit enthalten, indem auf der obersten Ebene (u. a. Leitbilder gesellschaftlicher Entwicklung)
grundlegendere Institutionen zumindest thematisiert werden und deren Einfluss sowohl auf das
Regime als auch die Nischen thematisiert werden. Es ist darauf zu verweisen, dass es sich um
eine Heuristik handelt, die je nach Fragestellung einen jeweils spezifischen Fokus erfordert
(bspw. Bedürfnisfelder). Erst aus diesem Fokus ergeben sich die konkreten Analysezugänge
(Strukturen und Akteure) um handlungsorientierte Initiativen zu starten.
Die Ansätze der sozial-ökologischen Forschung13, wie sie sich zum Teil auch in praxistheoreti-
schen Ansätzen wiederfinden, erweisen sich für Wandelprozesse zunehmend als relevant, indem
der „praktische“ Wandel in den Fokus gerät. Reallabore und Experimentierräume sind als An-
sätze mittlerweile ubiquitär anerkannt und stellen gerade auch für die nachhaltige Entwicklung
einen zentralen Ansatzpunkt dar. Allerdings erscheinen diese Ansätze auch in dem Sinne erwei-
terungsfähig zu sein, als die übergeordneten Strukturen und Institutionen auch stärker in den
Blick geraten müssen. Dies gerade deshalb, um die einfache Formel des Upscaling von Nischen
zumindest zu erweitern.
13 Die Ansätze der sozial-ökologischen Forschung, wie sie sich seit Ende der 90er Jahre insbesondere auch im Rahmen einer Förder-
initiative des BMBF wiederfinden, haben in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, indem sie bspw. Impulse für die Entwicklung
neuer Forschungsformate gesetzt haben und sich zugleich die Entwicklung von innovativen Nischen zum Ziel gesetzt haben.
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8 Ökologische Modernisierung 2.0: Dynamische Perspek-
tive auf Soziale und ökologische Nachhaltigkeit
In der prozeduralen Perspektive wird soziale Nachhaltigkeit als Voraussetzung für eine umfas-
sende nachhaltige Entwicklung gesehen und umgekehrt, stößt eine nachhaltige Entwicklung in
den verschiedenen Handlungsfeldern soziale Prozesse an und verändert weiterhin soziale Pro-
zesse, die Eigendynamiken aufweisen. Demnach erscheint es sinnvoll, die wechselseitigen Bezie-
hungen in einer dynamischen Perspektive zu betrachten. Im Folgenden wird diskutiert, inwie-
weit sich aus der Interaktion sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit Dynamiken ergeben, die
auch gestaltend genutzt werden können.
Es wird insbesondere gefragt, ob sich analog zu dem Verständnis ökologischer Modernisierung
aus sozialen Veränderungsprozessen Dynamiken für Umweltpolitik ergeben, bei der Umweltpo-
litik die treibenden Kräfte sozialen Wandels aufgreift und unterstützt und umgekehrt daraus zu-
sätzlicher Antrieb für Umweltpolitik erwächst. Dafür wird in einem ersten Schritt der Kern öko-
logischer Modernisierung dargelegt: Durch eine Verknüpfung von Innovation und Umweltschutz
wird die Logik von Wettbewerb und ökonomischer Modernisierung genutzt, um effizientere
Technologien zu entwickeln und zu vermarkten.
In einem zweiten Schritt wird danach gefragt, ob es analog zu einer Verknüpfung von Umwelt-
und Innovationspolitik auch Schnittmengen mit Sozialpolitik gibt (s.a. Stieß et al., 2012). Dafür
werden Beispiele gezeigt, aber auch systematische Grenzen. In Zukunft dürfte die Bedeutung der
sozialpolitischen Dimension von Umweltpolitik allerdings zunehmen.
In einem dritten Schritt wird diskutiert, ob es Eigenlogiken und Richtungen sozialer Verände-
rungsprozesse jenseits von Sozialpolitik gibt, an die Umweltpolitik anknüpfen kann, ganz ähn-
lich wie Ökologische Modernisierung an die Logik ökonomischen Wettbewerbs anknüpft. Hier
stimmt der Befund aber skeptisch: Weder eindeutige Treiber noch Richtungen sozialen oder kul-
turellen Wandels lassen sich bestimmen. Allerdings gibt es empirisch vorfindbare Trends oder
soziale Innovationen, die Umweltpolitik unterstützen kann und dadurch Akteure und Akteurs-
strukturen schafft, die wiederum ein Eigeninteresse an Umweltpolitik entwickeln. Es wird
schließlich angeregt, die Bedingungen zur Ausbreitung von innovativen sozialen Praktiken und
der Entstehung von Leitbildern, die diese aufgreifen, zum Gegenstand von Forschung zu machen,
um daraus weitere Ansatzpunkte für Umweltpolitik abzuleiten.
8.1 Ökologische Modernisierung: Innovation und Umweltpolitik
Ökologische Modernisierung bezeichnet zugleich ein wissenschaftliches Konzept wie eine politi-
sche Strategie. Es geht im Kern davon aus, dass Unternehmen kontinuierlich auf der Suche nach
Verbesserungsmöglichkeiten sind, um entweder mit neuen oder verbesserten Produkten bzw.
Prozessen neue Märkte zu erschließen oder Kosten zu reduzieren und damit ihre Marktanteile
zu vergrößern. Dieser Suchprozess wird im Kern von der Logik des Wettbewerbs angetrieben.
Er bezieht sich zudem auf alle Aspekte von Gütern mit dem Ziel, deren Marktfähigkeit zu verbes-
sern.
Wenn Umweltaspekte Teil dieses Prozesses werden, dann können diese und die ihnen zugrun-
deliegenden Triebkräfte genutzt werden, um umweltschonendere Güter zu entwickeln. Auslöser
und Ausgangspunkt dafür ist im Regelfall Umweltpolitik, die mit ihren Zielvorgaben und ihren
Instrumenten Anreize dafür gibt, das Innovationsgeschehen in diese Richtung zu lenken. Umwel-
tinnovateure haben ihrerseits ein Interesse an der Weiterentwicklung von Umweltpolitik, weil
dies ihre Marktbedingungen verbessert. Umgekehrt finden umweltpolitische Akteure durch Ver-
weis auf die Machbarkeit und Marktfähigkeit von Umweltinnovationen Legitimation für
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
50
weiterreichende umweltpolitische Maßnahmen. Es entsteht eine Dynamik zwischen umweltpoli-
tischen Akteuren und den (wachsenden) Anbietern von Umweltinnovationen, die dazu beiträgt,
dass neue Innovationen mit wachsenden Marktanteilen durch immer anspruchsvollere Umwelt-
politik ko-evolvieren (Jänicke, 2000; Jänicke & Rennings, 2011).
Eine zentrale Begründungsfigur sind dabei wirtschaftliche Vorteile von Umwelttechnologien, sei
es, dass durch Effizienzvorteile gegenüber konventionellen Technologien Kosten eingespart
werden, dass mit den Umweltinnovationen auch Exportmärkte erschlossen werden oder dass
mit der Herstellung der Umweltgüter Beschäftigungseffekte erzielt werden. Damit wird nicht zu-
letzt auch eine umweltpolitische Vorreiterrolle begründet: Wenn Länder früher als andere Effizi-
enzvorteile nutzen oder Industrien für Umweltinnovationen aufbauen, dann entsteht daraus ein
Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Ländern (Porter, 1990 Taistra, 2000; Wagner, 2004).
Kritisch wird gegen das politische Konzept ökologischer Modernisierung eingewandt, dass es
sich ausschließlich auf solche umweltpolitischen Problemlagen anwenden ließe, für die es
marktgängige Güter gibt, dass es keine adäquate Antwort auf Rebound- und Wachstumseffekte
geben würde, im Gegenteil diese sogar noch verschärfen würde (z.B. Unmüßig et al., 2012). Statt
allein auf neue Technologien zu setzen, müssten soziale Praktiken in den Blick genommen wer-
den. Weiterhin wird kritisch angemerkt, dass eine Vorreiterrolle unter den Bedingungen von
Globalisierung und der Innovationsfähigkeit anderer (Schwellen-)Länder nicht mehr mit ökono-
mischen Vorteilen verbunden sei, weil Umweltinnovationen nicht mehr vorwiegend auf den hei-
mischen Märkten produziert würden und sich im Ergebnis eine Vorreiterrolle nicht mehr öko-
nomisch auszahlt (Quitzow et al., 2014). Schließlich kann ökologische Modernisierung im Hin-
blick auf sozio-ökonomische Verteilungswirkungen problematisch sein, wenn Umweltinnovatio-
nen teurer sind oder Investitionen erfordern und sie damit Bezieher*innen niedriger Einkom-
men nicht zur Verfügung stehen (z.B. Mol & Spaargaren, 2000).
Ob die Potenziale ökologischer Modernisierung tatsächlich ausgeschöpft sind oder damit sogar
kontraproduktive Wachstumseffekte verbunden sind, ist eine empirische Frage. In vielen Berei-
chen erscheinen Effizienzpotentiale und potenzielle Umweltinnovationen wie auch damit ver-
bundene ökonomische Chancen bei weitem noch nicht ausgeschöpft (z.B. Weizsäcker et al.,
2010). Ebenso erscheinen Rebound-Effekte, die neuen Technologien zugeschrieben werden,
eher überschätzt (Gillingham et al., 2013). Wachstumseffekte durch steigende Einkommen und
damit einhergehender Konsum existieren jedoch unbestritten (z.B. UNEP 2019). Allerdings zei-
gen sowohl eine Reihe von Umweltindikatoren als auch die Stagnation in der umweltpolitischen
Agenda, dass die Dynamik der ökologischen Modernisierung aktuell nicht ausreichend ist, um
den Umweltproblemen Deutschlands hinreichend Rechnung zu tragen. Der Verlust an Biodiver-
sität, die stagnierenden THG Emissionen, Einträge von Stickstoffen u.a. lassen deutlich werden,
dass weitere umweltpolitische Anstrengungen erforderlich sind.
8.2 Umweltpolitik und soziale Dynamiken
Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob es andere Dynamiken gibt, die analog zu den Prozessen
ökologischer Modernisierung genutzt werden können, um umweltpolitischen Anliegen neuen
Schub zu geben und andere Dynamiken zu nutzen, ähnlich und analog zu der durch Wettbewerb
getriebenen kontinuierlichen Suche nach Verbesserungen von Gütern oder nach neuen Gütern.
Im Folgenden sollen unter diesem Gesichtspunkt Dynamiken sozialer Prozesse untersucht wer-
den und insbesondere unterschiedliche Dynamiken systematisiert werden. Dabei wird im ersten
Schritt untersucht, ob eine verstärkte Verknüpfung von umweltpolitischen und sozialpolitischen
Anliegen und Handlungsansätzen sinnvoll ist und im zweiten Schritt, ob es eigendynamische so-
ziale Prozesse gibt, an denen Umweltpolitik anknüpfen könnte.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
Teilbericht
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8.2.1 Umweltpolitik mit sozialpolitischen Co-Benefits
Ein erster Ausgangspunkt für solche Dynamiken könnten Ziele sein, die Gegenstand öffentlicher
Politik sind: Im Rahmen der Bekämpfung von Armut, Umverteilung, Bildung oder des Ausgleichs
zwischen Stadt und Land oder Regionen, Gesundheit sollen soziale Ungleichheiten verringert
und vergleichbare Ausgangsbedingungen für Menschen unterschiedlicher Herkunft geschaffen
werden. Dabei ist häufig das Ziel, den Status quo zu erhalten. Insoweit aber darüber hinaus Um-
verteilungen angestrebt werden, ist denkbar, dass dieses Ziel mit Umweltzielen verknüpft wird.
Vorstellbar wäre es, Transferleistungen an die Berücksichtigung von Umweltaspekten der adres-
sierten Haushalte zu knüpfen und/oder auch diese zu erhöhen, um Mehrkosten für umwelt-
freundlichen Konsum auszugleichen. So könnte beispielsweise die Ausstattung mit effizienten
Haushaltsgeräten, Fahrzeugen, der Kauf von umweltverträglich produzierten Lebensmitteln
oder Energie für Bezieher*innen niedriger Einkommen subventioniert werden. Eine solche
Kopplung von Transferleistung und Anreizen, sich umweltfreundlicher zu verhalten scheint al-
lerdings nur als Bonussystem sinnvoll. Wenn Transferleistungen gekürzt würden, weil sich die
Bezieher*innen nicht umweltfreundlich verhalten, dann würde dies kaum Akzeptanz finden. In
diesem Sinne könnte auch die Höhe von Wohngeld oder vergleichbaren Leistungen an Energie-
effizienzstandards der Wohnungen gekoppelt werden, so dass Bezieher*innen niedriger Ein-
kommen (z.B. Wohngeldempfänger*innen) einen Anreiz haben, entweder energieeffiziente
Wohnungen zu suchen oder sich um energetische Sanierung ihrer Wohnungen zu bemühen. Für
Gas, Strom oder Wasser sind progressive Tarife denkbar, die etwa von einem bestimmten Frei-
betrag pro Haushaltsmitglied ausgehen. Davon würden Bezieher*innen niedriger Einkommen,
die typischerweise auch einen geringeren Energie- und Wasserverbrauch haben, überproportio-
nal profitieren. Bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises könnten Beiträge für Krankenkas-
sen für solche Personen subventioniert werden, die sich fleischfrei und damit sowohl gesünder
als auch umweltverträglicher verhalten, oder die das Fahrrad als Verkehrsmittel nutzen oder zu
Fuß gehen. Denkbar wäre auch, über das Einkommenssteuerrecht Anreize für umweltfreundli-
ches Verhalten oder Investitionen zu setzen, etwa mit Hilfe von Abzugsmöglichkeiten oder Frei-
beträgen z.B. für energetische Sanierung, den Kauf von energieeffizienten Autos, u.a.. Die Höhe
dieser Hilfen hinge vom zu versteuernden Einkommen ab – je höher das Einkommen, desto ge-
ringer die Abzugsmöglichkeiten.
Für ein solches issue-linking von sozial- und umweltpolitischen Zielen gibt es bereits eine Reihe
von Beispielen, sowohl national als auch international. So gibt es einkommensabhängig bezahlte
Kaufprämien für effiziente Haushaltsgeräte (Deutschland (Caritas NRW, 2018), Brasilien (Bär &
Jacob, 2017)) oder für Beleuchtung (Indien (Chunekar et al., 2014)). Unter anderem in China
wird mit progressiven Tarifen für Elektrizität experimentiert (Sun & Lin, 2013), in Südafrika
wiederum für Wasser – hier gibt es eine Grundmenge, die kostenlos bezogen werden kann,
darüberhinausgehender Verbrauch ist zu steigenden Preisen zu bezahlen (DWAF, 2007). Chile
räumt kleinen, traditionell arbeitenden Fischer*innen bevorzugt Fangquoten ein und sichert da-
mit sowohl eine umweltverträgliche Fangmenge als auch Einkommensmöglichkeiten für diese
Gruppe (Gelcich et al., 2017).
Die Potenziale für eine solche Instrumentierung sind kaum ausgeschöpft. Grundsätzlich er-
scheint eine sozialpolitische Komponente bei umweltpolitischen Instrumenten geeignet, um die
Akzeptanz von weiterreichenden umweltpolitischen Maßnahmen in der Öffentlichkeit zu si-
chern. Nicht zuletzt, um den Eindruck zu vermeiden, dass Umweltschutz mit Mehrkosten ver-
bunden sei, den sich nur Besserverdienende leisten können. Ein weiterer Aspekt ist, dass mit der
Verknüpfung von Themen innerhalb von Regierungen und Netzwerken zusätzliche Bündnis-
partner gefunden werden und Koalitionen mit wechselseitigen Vorteilen gebildet werden kön-
nen.
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Allerdings gibt es auch Argumente gegen eine solche Verknüpfung. Zum einen könnte eingewen-
det werden, dass ein Instrument, das mehrere Ziele verfolgt, ineffizienter sei als ein Instrumen-
tenbündel, bei dem für jedes Ziel ein passgenaues Instrument entwickelt wird (siehe Bennear &
Stavins, 2007 für die umweltökonomische Argumentation). Entsprechend wären ‚optimale‘ um-
weltpolitische Instrumente und ‚optimale‘ sozialpolitische Instrumente in ihrer Kombination zu
bevorzugen, statt solche Instrumente, die beide Ziele adressieren, aber nicht ‚optimal‘ im Sinne
eines ‚besten‘ Verhältnisses von Kosten und Nutzen bzw. Wirksamkeit gewählt und gestaltet
sind.
Dem gegenüber könnte eingewendet werden, dass nicht allein Kosteneffizienz ausschlaggebend
ist, um erfolgreich Politik durchzusetzen und dafür Mehrheiten zu gewinnen, sondern dass Re-
gierungshandeln Kompromisse finden muss, um Mehrheiten zu gewinnen. Unterschiedliche Ak-
teure und ihre jeweiligen Ziele sollten dafür bedient werden, womit im Ergebnis aus ökonomi-
scher Sicht eher ‚second best‘ Politiken umgesetzt werden (Lipsey & Lancaster, 1956).
Dieses Argument wird nicht nur akademisch vorgetragen, sondern findet sich auch in der politi-
schen Auseinandersetzung wieder: „Tanken für die Rente“ als ein politischer Slogan, der gegen
die Ökologische Steuerreform vorgebracht wurde, kann als eine Überdehnung von Themenver-
knüpfungen interpretiert werden und als eine Kritik der Ungeeignetheit von Instrumenten, die
zwei Ziele adressieren.
Ein zweiter, ökonomisch verwandter Einwand kann darin bestehen, dass für Instrumente, die
darauf abzielen umweltfreundliches Verhalten durch Transferzahlungen zu belohnen und dies
nach Einkommen zu staffeln, ein doppelter bürokratischer Aufwand entsteht. Es ist nicht nur zu
klären, ob das Verhalten auch eingetreten ist (z.B. Kauf von energieeffizienten Geräten, Verzicht
auf umweltschädliche Ernährung, energieeffiziente Sanierung von Häusern und Wohnungen,
sparsame Verwendung von Energie, usw.), sondern auch, wie die Einkommensverhältnisse lie-
gen, um daraus die Höhe der Subvention abzuleiten.
Dagegen könnte eingewendet werden, dass es in Sozial- und Umweltpolitik bereits entspre-
chende Standards gibt, auf die entsprechende Instrumente aufsetzen. So gibt es zum Teil ver-
bindliche Klassifikationen für z.B. Energieeffizienzstandards oder Umweltkennzeichen. Für sozi-
alpolitische Programme gibt es ebenfalls Klassifikationen, um Einkommen zu bewerten, dabei
wird insbesondere auch den unterschiedlichen Lebenssituationen Rechnung getragen. In erster
Näherung ginge es nur darum, beide Ansätze miteinander zu verbinden, statt neue Klassifikatio-
nen und Bewertungen zu entwickeln.
Vergleicht man eine Themenverknüpfung von sozial- und umweltpolitischen Themen mit dem
ursprünglichen Konzept ökologischer Modernisierung, dann würde dies analog eine Verknüp-
fung von umwelt- und innovationspolitischen Zielen darstellen. Dabei ist die Notwendigkeit von
Innovationspolitik weitgehend unbestritten, allenfalls ihre konkrete Ausgestaltung ist Gegen-
stand von Kontroversen, also beispielsweise, ob sie themenoffen sein soll oder missionsorien-
tiert, angebotsseitig oder auch nachfrageseitig ansetzen soll oder mit welchen konkreten Instru-
menten oder Programmen Innovationspolitik ausgestaltet werden sollte. Für Sozialpolitik (als
Politik, die auf Umverteilung und gleiche Lebensbedingungen abzielt) gilt dies nicht. Hier ist
nicht nur die Ausgestaltung, sondern der Umfang von staatlichem Handeln umstritten: Soll Sozi-
alpolitik im Wesentlichen darauf abzielen, minimale Bedürfnissicherung zu garantieren, oder ist
Ausgleich ein anzustrebendes Ziel? Dies ist der Kern der Kontroverse zwischen Konservatismus
und Sozialismus.
Insofern wäre, wenn Umweltpolitik und Sozialpolitik stärker als bisher verknüpft werden sollen,
jeweils zu konkretisieren, welche Perspektive auf Sozialpolitik eingenommen wird. Umweltpoli-
tik zielt nicht per se auf Umverteilung und Ausgleich ab (Paehlke, 1989; Deaton, 2017), sondern
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kann auch aus liberaler Perspektive (Ermöglichung von Freiheit und Selbstverwirklichung, Ver-
meidung von Marktversagen, Modernisierung gegenüber Staat, Kirche, usw.) (Bernstein, 2002)
oder aus konservativer Sicht (Bewahrung der Schöpfung) begründet werden (Pilbeam, 2003).
Entsprechend unterschiedlich würden sich die Anknüpfungspunkte an die Sozialpolitik gestal-
ten.
8.2.2 Perspektiven der sozialen Dimension von Umweltpolitik
Umweltpolitik hat sich seit ihrer Etablierung in den 1970er Jahren mit ihren sozialen Folgen
auseinandersetzen müssen. Zwischen Arbeit und Umwelt wurden teils Gegensätze gesehen, was
in Deutschland nach der dynamischen Phase der Regierung Brandt/Genscher in der Rezession in
Folge der Ölkrise 1974/75 von Helmut Schmidt zum Anlass genommen wurde, umweltpoliti-
sches Anspruchsniveau zu reduzieren (Jänicke et al., 2003; Müller, 2015). Zwar wurde auch in
der frühen Phase von Umweltpolitik schon ihre soziale Bedeutung betont. Der von Brandt gefor-
derte „blaue Himmel über der Ruhr“ etwa lässt sich als Verknüpfung sozialer und umweltpoliti-
scher Anliegen deuten. Die von Umweltverschmutzung in besonderem Maße betroffenen Arbei-
terinnen und Arbeiter sollten nicht nur im Hinblick auf ihre sozialen Verhältnisse geschützt wer-
den, sondern auch im Hinblick auf den Zustand ihrer lebensweltlichen Umwelt.
Insgesamt überwog in der jüngeren deutschen Geschichte aber ein umweltpolitischer Ansatz,
von dem keine weitreichenden sozialen Verwerfungen ausgingen. Auch ökologisch vorteilhafte
Strukturwandelprozesse waren bisher kaum umweltpolitisch getrieben, sondern entweder öko-
nomisch oder als Effekt der Wiedervereinigung (Binder et al., 1998; Jacob, Knopf & Kahlenborn
2010). Zumindest staatliche Umweltpolitik betont überwiegend die Synergiepotenziale, sei es
mit Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit (s.o.) oder in sozialer Hinsicht bezüglich der Schaf-
fung von Arbeitsplätzen (z.B. Lehr et al., 2012) oder der Gesundheitsfolgen (Landrigan et al.,
2018).
Mit dem Übergang zu einer Umweltpolitik, die nicht nur auf Modernisierung, sondern auch auf
Strukturwandel abzielt und eine Ausschleusung und Exnovation (Heyen, 2016) von problemati-
schen Technologien forciert, ändert sich dies. Bereits im Zusammenhang mit dem Ausstieg aus
der Atomkraft wurden Auswirkungen auf Arbeitsplätze thematisiert. Im Vordergrund der Ver-
handlungen stand allerdings die Abschreibung des investierten Kapitals bzw. der entgangenen
Einnahmen. Im Zusammenhang des Ausstiegs aus der Kohleverstromung stehen die sozialen
Auswirkungen für Regionen und Beschäftigte dagegen zentral. Für die Automobilindustrie gibt
es in Deutschland bislang keinen vergleichbaren Prozess. Demgegenüber haben aber bereits
mehrere Länder einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor angekündigt und terminiert: Nor-
wegen schon ab 2025, Frankreich 2040 und Großbritannien 2050.
Weitreichende strukturelle und damit auch soziale Wirkungen sind auch zu erwarten, wenn die
Kosten für Energie oder Lebensmittel bisher externalisierte Kosten berücksichtigen – Wohnen
und Heizen, Ernährung, Mobilität dürften bei voller Internalisierung der externen Kosten von
Treibhausgasemissionen oder dem Verlust von Biodiversität substanziell teurer werden bzw.
Investitionen in Effizienzverbesserungen nach sich ziehen, die wiederum mit (zu verteilenden)
Mehrkosten verbunden sind.
Der Übergang zu einer transformativen Umweltpolitik, die nicht allein auf Verbesserung von be-
stehenden Technologien setzt und dabei win-win Potenziale aus Effizienzsteigerung, Steigerung
der Wettbewerbsfähigkeit oder Zugewinn an Beschäftigung sucht, sondern auch darauf abzielt,
bestehende Strukturen abzulösen und Technologien auszuschleusen, wird absehbar auch mit
weiterreichenden sozialen Wirkungen verbunden sein. Eine solche Umweltpolitik wird kaum
umhinkommen, die Verteilungswirkungen verstärkt in den Blick zu nehmen, nicht zuletzt, um
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Akzeptanz zu schaffen und Koalitionen zu bilden. Darüberhinausgehend und letztlich auch die
prozedurale Perspektive aufgreifend, kann Umweltpolitik auch als Gesellschaftspolitik konzi-
piert werden, die etwa demokratische Institutionen oder kulturelle Aspekte betont (Wehrspaun
& Schack, 2013). Ein möglicher Ausdruck findet sich in der Debatte zu „just transition“, wie sie
von gewerkschaftlicher Seite aus betrieben wird. Allerdings bezieht sich hier transition nicht
notwendigerweise bzw. nicht allein auf Nachhaltigkeitstransformationen, sondern auch auf
Transformationsprozesse aus Digitalisierung, Globalisierung und demographischem Wandel.
Eine weitere Dynamik, die das Verhältnis von Umwelt- und Sozialpolitik betreffen könnte, ist die
Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs). Die Grundprinzipien der Nachhaltigkeitsa-
genda fokussieren auf Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt (‚Leaving no one behind‘). Sie
implizieren, dass auch Umweltaspekte die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen inte-
griert betrachten, wie auch umgekehrt die anderen Dimensionen Umweltaspekte nicht vernach-
lässigen können. Die SDGs lassen sich nicht in sinnvoller Weise separat oder gar in Konkurrenz
zueinander verfolgen, sondern nur, wenn sie zusammengedacht werden.
8.3 Dynamisierung von Umweltpolitik durch Verknüpfung mit sozialen Pro-
zessen?
Von einem issue linking von sozial- und umweltpolitischen Zielen bei der Ausgestaltung von Po-
litikinstrumenten könnten solche umweltpolitischen Ansätze unterschieden werden, die mit so-
zialen Prozessen verbunden werden, die zumindest vordergründig unabhängig von Politik sind,
diese aufgreifen und ihre Dynamik nutzen, um die eigenen Ziele zu verfolgen. Hier geht es um
die Dynamiken sozialer Prozesse, die nicht Gegenstand von Sozial- und verwandten Politiken
sind.
Stattdessen soll im Folgenden danach gefragt werden, welche eigendynamischen sozialen Pro-
zesse identifiziert werden können und mit welchen eine Verknüpfung mit umweltpolitischen
Zielen sinnvoll erscheint. Darüber hinaus soll – soweit dies in der Kürze und Vorläufigkeit des
vorliegenden Papiers möglich ist – diskutiert werden, wie diese in einer konkreten Instrumen-
tierung genutzt werden können. In Analogie zu dem ursprünglichen Konzept ökologischer Mo-
dernisierung geht es darum, das Äquivalent zu unternehmerischem Wettbewerb als Triebkraft
von Modernisierungsprozessen zu identifizieren. Wettbewerb wird durch den politisch gesetz-
ten Ordnungsrahmen ermöglicht, behindert, oder in seiner Richtung bestimmt, aber nicht ver-
ordnet, er ist vielmehr ein integraler Bestandteil des Wirtschaftssystems.
Soziale Prozesse unterliegen weiteren Dynamiken. Sie sind dadurch getrieben, dass Menschen
ihre Bedürfnisse befriedigen und Werte verwirklichen oder praktizieren. Zu fragen ist also, in-
wieweit sich Praktiken, Bedürfnisse oder Werte verändern, inwieweit dies strukturbildend
wirkt und welche Bedeutung dies für Umweltpolitik haben kann.
Ein erster Ansatzpunkt ergibt sich aus dem Postulat eines Wertewandels von Ronald Inglehart
(1977). Demnach ist mit steigendem Wohlstand die Neigung verbunden, sich postmaterialisti-
sche Werte etwa nach Selbstverwirklichung, aber auch Umweltschutz zu eigen zu machen. In
vormodernen Gesellschaften stehe das Überleben im Vordergrund, die Moderne sei durch das
Streben nach Sicherheit geprägt und die Postmoderne wiederum durch die Suche nach Selbst-
verwirklichung. Formative Sicherheit (d.h. materieller Wohlstand während des Aufwachsens)
wird als Voraussetzung für eine postmaterialistische Orientierung gesehen. Inglehart baut inso-
fern auf eine Hierarchie von Bedürfnissen auf, wie sie von Maslow (1954) vorgeschlagen wurde
und wendet diese auf gesellschaftlichen Wandel an. Neben dieser Dimension wird auch die Ori-
entierung entlang traditioneller versus säkulär-rationalistischer Werte als weitere Dimension
von Wandel gesehen.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
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Empirische Erhebungen zu postmaterialistischen Werteorientierungen existieren bereits in um-
fangreichen Befragungen, sowohl weltweit als auch für Europa (World Value Survey:
http://www.worldvaluessurvey.org/WVSContents.jsp und European Value Survey: https://eu-
ropeanvaluesstudy.eu/
Die Annahme einer gerichteten Entwicklung und den damit verbundenen Prognosen zukünftiger
Entwicklungen können empirisch allerdings kaum belegt werden. Als Erklärung bieten Beck et.
al (1996) das Konzept einer reflexiven Modernisierung an: Modernisierung produziert uner-
wünschte Nebenfolgen wie Umweltzerstörung oder Ungleichheiten, die behoben werden müs-
sen – wie dies geschieht, ist aber offen und hat keine Richtung oder Konsistenz. In dieses Bild
passt auch die Rückbesinnung auf traditionelle Werte, wie sie etwa in populistischen Strömun-
gen zum Ausdruck kommt.
Wertewandel impliziert auch, dass die Bedeutung großer Institutionen für die Vermittlung von
Werten abnimmt und durch kleinere ggf. auch autonome Subsysteme übernommen wird. Auch
dies trägt zu Differenzierung bei, jedoch wiederum nicht zu einer zielgerichteten Entwicklung,
vielmehr können auch traditionelle Werte wiederentdeckt werden.
Der Fokus von gesellschaftlichem Wandel- bzw. Modernisierungstheorien auf gesamtgesell-
schaftliche und wirtschaftliche Strukturen wird durch kulturalistische und Handlungstheorien
herausgefordert. Hier tritt das Individuum, dessen Suche nach Sinn und Bedeutung ins Zentrum
des Interesses. Giddens (1984) betont den Zusammenhang zwischen den Handlungen Einzelner
und der Herausbildung gesellschaftlicher Strukturen und unterstreicht ebenfalls die Offenheit
der Entwicklungen.
Dieser nur kursorische Überblick zu Theorien sozialen Wandels und Wertewandel zeigt, dass
weder eine Richtung gesellschaftlichen Wandels noch eine eindeutige Triebkraft zu bestimmen
ist. Auch wenn im Unterschied zu den Theorien ökologischer Modernisierung keine dem Wett-
bewerb vergleichbare eindeutige Triebkraft vorzufinden ist, kann sich Umweltpolitik zumindest
mit den empirisch vorfindbaren Erscheinungen von Wandel auseinandersetzen und danach fra-
gen, ob und wie diese als Quelle für ihre Dynamisierung nutzbar sein könnten.
Beispielsweise zeigt der vom BMBF initiierte Foresight-Prozess „Gesellschaftliche Veränderun-
gen 2030“ (Zweck et al., 2015) eine Reihe von Trends auf bzw. identifiziert aus einem Horizon
Scanning mögliche Veränderungen in der Perspektive bis 2030. Zu den insgesamt 60 identifi-
zierten Trends bzw. möglichen Trends gehören:
► Digitalisierung: digitaler Kompetenzdruck, Mensch-Maschinen Verhältnis, Vertrauen im In-
ternet, Nutzung digitaler Güter, Privacy, digitaler Nachlass, Gamification, Drohnen;
► demographischer Wandel: Jugend als Randgruppe, Frauen als Pionierinnen globaler Trans-
formation, Dörfer als Vorreiter der Post-Wachstumsgesellschaft, europäische islamische Kul-
tur;
► Neu-Definition von Wohlstand: Selbstoptimierung, Zeitsouveränität, Familien in der Multi-
optionsgesellschaft, zunehmende Bedeutung der sozialen Funktion von Freundschaft, Um-
gang mit Adipositas, soziale Innovation, Sterbekultur.
Der Bericht stellt die Frage nach Innovationsbedarfen, um auf dieser Grundlage Forschungspoli-
tik zu beraten. Durchaus vergleichbar können diese (möglichen) Trends auch aus umweltpoliti-
scher Sicht bewertet und ggf. aufgegriffen werden und danach gefragt werden, ob sich soziale
Dynamiken ergeben, die umweltpolitisch genutzt wie auch unterstützt werden können. So
könnte Umweltpolitik stärker als bisher auf den ländlichen Raum fokussieren und durch Förde-
rung und Vernetzung den Trend aufgreifen, dass sich in Dörfern soziale Netzwerke bilden, die
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einen Gegenentwurf zu Globalisierung und Wachstumsorientierung entwerfen. Umweltpolitik
könnte stärker als bisher geschlechtersensibel sein und geschlechterspezifischen Wertehaltun-
gen und Praktiken Rechnung tragen. Umweltpolitik könnte das Interesse an Gemeinwohlökono-
mie bzw. sozial verantwortlichem unternehmerischem Handeln aufgreifen und entsprechende
Innovationen und Geschäftsmodelle fördern. In sozialen Innovationen werden erhebliche Poten-
tiale für Nachhaltigkeitstransformationen gesehen (z.B. Schwarz et al., 2010; Aderhold et al.,
2014; Rückert-John et al., 2016). Die Innovationen entstehen vielfach bottom up, aus gesell-
schaftlicher Initiative. Das bezieht auch ihre Governance mit ein (Jacob et al., 2019). Erste Vor-
schläge, um politische Rahmenbedingen dafür zu schaffen wurden erarbeitet (z.B. Kny et al.,
2015; Rückert-John et al., 2021).
Damit würden idealerweise auch Akteure und Akteursnetzwerke entstehen, die wiederum ein
Interesse an entsprechender Umweltpolitik entwickeln. Dies ist nicht zwingend eine Förderung,
sondern kann auch bedeuten, Zugang zu Infrastrukturen und öffentlichen Räumen, Beteiligungs-
oder Gestaltungsmöglichkeiten usw. zu schaffen. Umweltpolitik kann Räume schaffen und anbie-
ten, die von nachhaltigkeitsaffinen Akteuren genutzt und gestaltet werden.
Eine zentrale, aber offene Frage bleibt, wie aus solchen Innovationen und innovativen Akteuren
Trends und Leitbilder entstehen, die in die Gesellschaft hineinwirken. Zwar gibt es aus der For-
schung zu Transitionen Konzepte, die danach fragen, wie aus Nischen ein weitreichender, syste-
mischer Wandel erwächst. Während dort sozio-technische oder sozio-ökonomische Systeme
und deren Regime zentral stehen, sollte in der Perspektive sozialer Dynamiken jedoch zunächst
einmal danach gefragt werden, wie sich soziale Praktiken, Kultur und schließlich gesellschaftli-
che Strukturen im Wechselspiel zueinander verändern. Auch wenn – wie gezeigt wurde - nicht
erwartet werden kann, dass monokausale Erklärungen und eindeutige Entwicklungsrichtungen
für soziale Dynamiken gefunden werden können, so können unter Umständen aus einer Sich-
tung des Forschungsstands zu sozialen Praktiken Ansatzpunkte abgeleitet werden, die umwelt-
politisch gestaltet werden können. Zwar ist kaum zu erwarten, dass Umweltpolitik eine steu-
ernde Rolle bei der Skalierung sozialer Praktiken, der Entstehung von Trends oder gesellschaft-
lichen Leitbildern einnehmen wird, aber Umweltpolitik kann zumindest Foren schaffen und Dia-
logprozesse anstoßen und moderieren, die dies wahrscheinlicher machen.
TEXTE Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik – Systematisierung der sozialen Dimensionen von Umweltpolitik –
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