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Die Übersetzung situativer ‚Bauchgefühle' in eine Analyse politischer Affekte: Potentiale ethnografischer Affektforschung für die Untersuchung von rechter Politik

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Abstract

Emotionen und Affekte haben in der öffentlichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit nationalistischer und neurechter Politik Konjunktur. Während Forschung ‚aus der Distanz’ jedoch häufig dabei stehen bleibt, ‚negative’ Emotionen zu problematisieren, nimmt ethnografische Forschung die Komplexität affektiver Dynamiken nuancierter in den Blick. Darüber hinaus ist Feldforschung selbst derart affektiv geprägt, dass sie eine erhöhte Sensibilität für affektive Wissensproduktion aufweist: Die situativ auftretenden ‚Bauchgefühle’ der Forschenden können so zum Gegenstand der Analyse werden. Unser Beitrag widmet sich der affektiven Dimension des Forschungsprozesses anhand eigener ethnografischer Forschung mit neurechten Akteur/-innen in Deutschland. Wir zeigen, wie affekttheoretische Einsichten dazu beitragen können, emotional herausfordernde Begleiterscheinungen wie Unwohlsein, Abstoßung oder Hin- und Hergerissenheit in der Forschung mit neurechten Gruppen in ihren politischen und normativen Dimensionen zu interpretieren. Der Beitrag entfaltet dafür einen zweifachen methodischen Übersetzungsschritt: ‚Bauchgefühle‘ und die eigene Emotionsarbeit werden in ‚affective fieldnotes‘ übersetzt, um dann in einem zweiten Schritt affekttheoretisch gedeutet zu werden. Was als individuelle Bauchgefühle im Forschungsprozess erscheint, lässt sich so als affektiv vermittelte Normativität untersuchen: Politische und forschungsethische Debatten über rechte Gruppen materialisieren sich im Feld als inkorporierte politische Affekte. -------------------------------- Open Access: https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1336
Die Übersetzung situativer ‚Bauchgefühle‘ in eine
Analyse politischer Affekte
Potentiale ethnografischer Affektforschung für die
Untersuchung von rechter Politik
Florian Spissinger und Julia Leser
Beitrag zur Ad-hoc-Gruppe »Wie untersucht man gesellschaftliche Spannungen als affektive
Phänomene? Zur empirischen Erforschung von Affektivität«
Einführung
Die wissenschaftliche Untersuchung von rechter Politik stellt Sozialwissenschaftler/-innen vor prakti-
sche und ethische Herausforderungen: Sollten sie mit rechten Unterstützer/-innen reden oder bieten
sie ihnen damit eine Bühne für ihre rassistischen und nationalistischen Ansichten? Wie verhalten sie
sich ‚neutral‘ und sollten sie das überhaupt? Wie verwirklichen sie Fairness gegenüber den For-
schungssubjekten, ohne selbst Kompliz/-innen zu werden? Insbesondere Ethnograf/-innen erleben
rechte Forschungsfelder als kompliziert (Boumaza, Campana 2007), komplex und umstritten schließ-
lich nähern sie sich Subjekten, die von ihnen in politischer Hinsicht als „repugnant other“ (Lennon
2018), „unlikeable“ (Pasieka 2019) oder „distasteful groups“ (Pilkington 2016, S.13) empfunden werden.
In der Erforschung rechter Politik bilden ethnografische Herangehensweisen deshalb die Ausnahme.
Zwar ist in den letzten Jahren eine Fülle an ethnografischen Arbeiten entstanden (dazu Toscano 2019),
dominiert wird das Forschungsfeld jedoch von externalistischen Analysen von Makrostrukturen und
Einstellungsmustern das heißt: die Forschung zu Rechten bleibt vorwiegend auf Distanz (einführend
Blee 2007).
Auch in unseren eigenen ethnografischen Forschungen mit (neu)rechten Organisationen und
Akteur/-innen in Deutschland
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beobachteten wir häufig, dass wir uns in bestimmten Situationen
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Den gemeinsamen Forschungszusammenhang der Autor/-innen bildete das Forschungsprojekt Fremde im eigenen
Land? Eine Studie über die Veränderbarkeit nationaler Narrative mithilfe Politischer Laboratorien (PoliLab) (20182021),
das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter dem Förderkennzeichen 01UM1805Y gefördert
wurde. Das Projekt untersuchte mithilfe von Gruppeninterviews und ethnografischen Beobachtungen, wie die Nation in
Deutschland vor dem Hintergrund des Aufstiegs neurechter Politik praktiziert wird. Zudem untersucht Florian Spissinger
in seinem affekttheoretisch inspirierten Dissertationsprojekt mittels ethnografischer Forschung das affektive Milieu des
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unwohl oder hin- und hergerissen fühlten. Sorgen, Unwohlsein oder Abstoßung und die damit ver-
bundene Emotionsarbeit sind in der ethnografischen Forschung in rechten Feldern weit verbreitet. In
den emotionalen Anstrengungen im Forschungsprozess sehen wir jedoch nicht bloß eine forschungs-
praktische Hürde, sondern zugleich ein Reservoir für affekttheoretische Reflexionen. In diesem
methodologischen Beitrag schlagen wir deshalb vor, ‚Bauchgefühle‘ in Forschungsprozessen nicht als
subjektive Befindlichkeiten abzutun, sondern sie in ihrer affektiv-politischen Dimension zu interpretie-
ren denn wie Ditte Marie Munch-Jurisic feststellt: visceral gut feelings like discomfort can be better
understood as collective and public, when they reflect implicit biases that an individual has interna-
lised (2020, S. 277). Die Gefühle eines Individuums sind, wie u.a. Arlie R. Hochschild (1979) eindrucks-
voll dargelegt hat, stets auch Ausdruck bestimmter normativer Ordnungen, die kulturell, sozial und
politisch definiert werden. Auch das Forschen in rechten Feldern ist normativ gerahmt: sowohl durch
politische Diskurse über ‚Nazisals öffentliche Hassfiguren (Shoshan 2016) als auch durch Debatten
über die praktische und ethische Durchführbarkeit von empirischer Forschung mit rechten Akteur/-
innen (Pilkington 2016; Teitelbaum 2019; für Deutschland s. Feustel et al. 2019; Diefenbach et al.
2019). Die den Forschungsprozess begleitenden Empfindungen, die den Forschenden zunächst als
‚bloße Bauchgefühle‘ erscheinen mögen, so die Annahme dieses Beitrags, spiegeln diese normative
Prägung des Forschungsfeldes wider. Die in rechten Forschungskontexten auftretenden ‚Bauchgefüh-
le‘ können jedoch methodisch reflektiert und in Form eines zweistufigen Übersetzungsprozesses Ein-
gang in die Auswertung des ethnografischen Datenmaterials finden: Die situativen ‚Bauchgefühle‘ der
Forscher/-innen werden zunächst in Feldnotizen übersetzt (‚affective fieldnotes‘) und anschließend als
politische Affekte affekttheoretisch gedeutet.
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Der Beitrag zeigt, wie die affektiven Eindrücke der For-
schenden selbst für die Wissensproduktion genutzt werden können.
Wir schlagen im Folgenden zunächst zwei methodische Blickrichtungen auf Affekte in rechten
Forschungsfeldern vor und argumentieren für die Potentiale ethnografischer Affektforschung: Erstens
skizzieren wir, wie Ethnografien einen nuancierten Blick auf ‚rechte Affekte‘ eröffnen können. Zweitens
zeichnen sich Ethnografien durch eine erhöhte Sensibilität für die affektiven Eindrücke der Forschen-
den selbst aus, die damit Eingang in das methodische und analytische Vorgehen der Untersuchung
finden können. Anhand von eigenen ‚affective fieldnotes‘ (Hentschel 2020, S. 5) illustrieren wir im letz-
ten Teil des Beitrags, wie sich ‚Bauchgefühle’ (Munch-Jurisic 2020) als politische Affekte deuten lassen.
Damit unterbreiten wir einen methodologischen Vorschlag zur ethnografisch-affekttheoretischen
Analyse der affektiven Eindrücke im Forschungsprozess und leisten somit einen Beitrag zur empiri-
schen Erforschung von Affektivität.
Ethnografische Perspektiven auf ‚rechte Affekte‘
Geht es um rechte Politik, dann werden nicht bloß die rassifizierenden und nationalistischen Narrati-
ve, sondern oft auch die Emotionspolitik und bestimmte emotionale Prägungen der rechten Wähler/-
neurechten Aktivismus. Gemeinsam gehen die Autor/-innen der Frage nach, welchen Beitrag ethnografische Feldfor-
schung in neurechten Kontexten für die Affektforschung leisten kann (Leser et al. 2019; Leser, Spissinger 2020; Spissin-
ger, Leser 2021).
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Wir bevorzugen den Affektbegriff, um die politische Dimension von gefühlsmäßigen Phänomenen zu betonen. Im An-
schluss an affekttheoretische Debatten verstehen wir Affekte als gesellschaftlich inhärente Machtphänomene (einfüh-
rend Bens et al. 2019), die politische Ordnungen und kollektive Identitäten stabilisieren, aber auch herausfordern kön-
nen (Bargetz 2019).
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innen problematisiert. Journalistische und wissenschaftliche Arbeiten fokussieren häufig darauf, wie
rechte Politiker/-innen Ängste zur Verbreitung von antimuslimischem Rassismus mobilisieren, rechte
Demonstrationen Wut auf Eliten schüren oder wie in sozialen Medien Hass verbreitet wird. Insbeson-
dere ethnografische Studien haben diese Reduktion von rechter Politik auf einige wenige destruktive
bzw. negative Emotionen problematisiert und um Untersuchungen zur Bedeutung von kollektivem
Stolz, Hoffnung, Freude, Langeweile, Liebe oder Trauer in rechten Feldern erweitert: Capturing more
fully the emotional dynamics of these movements not only gives us a more complete picture of them,
but also helps us understand key movement processes, such as identity formation […]“ (Busher 2021,
S. 278). Die ethnografische Offenheit für die affektive Komplexität in rechten Feldern folgt jedoch nicht
bloß dem Erkenntnisinteresse, sondern auch einem forschungsethischen Anspruch: [O]ne of the
ways in which we can make others less human is by denying, or overlooking, their capacity for ‚com-
plex‘ or ‚secondary‘ emotions“ (Busher 2021, S. 278). Die Reduktion auf ‚negative‘ Emotionen dient
insofern immer auch der Herabsetzung und politischen Disqualifizierung (Leser, Spissinger 2020).
Auch methodisch stellen ethnografische Ansätze eine Ergänzung zur stark auf Einstellungen und
diskursive Strategien zentrierten Forschung über rechte Emotionalität‘ dar (weiterführend Spissinger,
Leser 2021). ‚Rechte Affekte‘ können in Ethnografien zusätzlich zur narrativ-diskursiven Ebene auch in
einer praxeologischen Hinsicht untersucht werden. So geraten neben Affektartikulationen (Leser et al.
2019), affizierenden Begrifflichkeiten, Anspielungen und Metaphern (Hentschel 2021) oder provokati-
ver Rhetorik (Kølvraa 2015) auch affektive Praktiken und räumliche Atmosphären in den Blick. Ausge-
hend vom Konzept affektiver Praktiken zeigt die Soziologin Hilary Pilkington etwa, wie das ‚Zusammen-
Abhängen‘ und der Spaß am gemeinsamen Aktivismus die antimuslimischen Unterstützer/-innen der
English Defence League emotional verbindet und sie zur ‚one big family‘ werden lässt. Damit wider-
spricht Pilkington zugleich der dominanten Vorstellung, wonach rechte Affekte ‚top-down‘ orchestriert
seien (2016, S. 177202). Anhand unserer eigenen ethnografischen Beobachtungen bei AfD-
Zusammenkünften lässt sich wiederum illustrieren, wie sich die Analyse von affektiven Praktiken mit
räumlichen Atmosphären zusammendenken lässt. So deuten wir etwa das von uns beobachtete
Gelächter über die politischen Gegner/-innen und deren Ansichten zu Gender, Migration oder
Klimawandel und die amüsierte Stimmung bei AfD-Zusammenkünften als affektive Performanz einer
überlegenen, ‚eigentlichen‘ Wahrheit (Leser, Spissinger 2020). Dabei funktioniert das gemeinsame
Lachen bei AfD-Veranstaltungen vor dem Hintergrund, dass die Anwesenden solche Zusammenkünfte
als ‚safe space‘, d.h. geschützt von sozialen Normen der ‚political correctness‘ wahrnehmen und dabei
eine Intimität unter Gleichgesinnten kultivieren (Leser, Spissinger 2020, S. 333f.). Ethnografische For-
schung sensibilisiert für 'affektive Räume' (Hentschel 2021, S. 66) und kann so auch die räumlichen
Ermöglichungsbedingungen, das ‚affective arrangement‘ (Slaby et al. 2017) bzw. die Situiertheit affekti-
ver Dynamiken erfassen. Auf diese Weise lassen sich etwa die Witze und das Gelächter bei AfD-
Veranstaltungen als affektive Resonanzen lesen, deren Funktionieren wiederum bestimmte räumlich-
atmosphärische Bedingungen und ein ‚geteiltes Wissen‘ der Anwesenden voraussetzt (Spissinger
2020). Ähnlich wie Pilkington für die affektiven Praktiken der English Defence League gezeigt hat, stiftet
das gemeinsame Lachen bei AfD-Zusammenkünften eine anziehende Gruppenidentität. Auch in
Feldern rechter Politik bieten ethnografische Herangehensweisen insofern affektanalytische Vorteile,
um unser bisheriges Verständnis zu vertiefen. Sie eröffnen einen Zugang zu den affektiven Praktiken
und affizierenden Identifikationsangeboten, den Selbstdarstellungen und kulturellen Deutungen der
politischen Rechten (Toscano, Di Nunzio 2019; Blee 2007).
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Affektive Sensibilisierungen aus der Ethnografie
Ethnografische Herangehensweisen zeichnen sich grundsätzlich durch ihr hohes Maß an Sensibilität
für die Forschungsfelder aus, in denen sich die Forschenden bewegen, denn wie Edward Schatz fest-
stellt: „[…] ethnography is a sensibility that goes beyond face-to-face contact. It is an approach that
cares with the possible emotional engagement it implies to glean the meanings that the people
under study attribute to their social and political reality(2009, S. 5). Zur Auseinandersetzung mit dem
Feld zählt somit auch die emotionale Auseinandersetzung. Ethnografisches Forschen bietet dabei nicht
nur einen nuancierten Blick auf die affektiven Dynamiken rechter Politik, sondern auch auf die affekti-
ven Eindrücke der Forschenden im Feld selbst. So reflektiert Kathleen Blee (2018), die sich in ihren
Interviews mit Mitgliedern des Ku-Klux-Klans stets als Antirassistin vorgestellt hat, dass ihre For-
schungsbeziehungen von gegenseitiger Angst geprägt waren. Lisa K. Waldner und Betty A. Dobratz
(2019, S. 4852) betonen bei ihrer Forschung zum White Power Movement, dass sie die politischen Diffe-
renzen weder verborgen noch hervorgehoben haben, um so ein ‚respektvolles Zuhören‘ zu praktizie-
ren. Bei Arlie R. Hochschild (2016) dient wiederum die Empathie für das politische Gegenüber als
methodischer Ausgangspunkt ihrer Analyse der politischen Spaltung in den USA. Und Agnieszka
Pasieka (2019) argumentiert vor dem Hintergrund ihrer Forschung mit rechten Jugendlichen in Italien,
Polen und Ungarn, dass anthropologisches Verstehen der rechten Anziehungskraft trotz der Abscheu
gegenüber rechten Ansichten auch Raum für die ‚normalen‘, lustigen und sympathischen Momente
der Forschungssubjekte erfordert. Was diese ethnografischen Herangehensweisen, Positionierungen
und Erfahrungen in rechten Feldern gemeinsam haben, ist dass die Forschenden ihre eigenen affekti-
ven Eindrücke nicht aus der Analyse tilgen, sondern sie mitteilen, reflektieren und analysieren.
Spätestens seit dem ‚affective turn‘ (Clough, Halley 2007) gewinnt die Rolle von Affekten in sozial-
wissenschaftlichen Forschungsprozessen an Relevanz. Damit verbunden ist auch die Bedeutung, die
dem Affektiven als analytische Kategorie zukommt. Methodisch prädestiniert für die Untersuchung
emotionaler Phänomene scheint uns die ethnografische Feldforschung, da sie derart affektiv geprägt
ist (Stodulka et al. 2019), dass neben den ‚von außen beobachtbaren‘ affektiven Praktiken auch die
affektiven Eindrücke der Forschenden selbst für die Wissensproduktion dienen können. Besonders
deutlich wird dies in autoethnografischen Arbeiten, beispielsweise in Ann Cvetkovichs Studie Depressi-
on (2012), in der sie sich mit ihren Affekten auseinandersetzt und diese vor dem Hintergrund der Ein-
bettung depressiver Verstimmungen in die normative Ordnung des neoliberalen Kapitalismus analy-
siert. Ethnografien beziehen Affekte also in der Regel explizit in den Forschungsprozess und die Wis-
sensproduktion mit ein, was sie klar von anderen, ‚distanzierteren‘ Herangehensweisen unterscheidet.
Wie Jonas Bens et al. betonen in affekttheoretischer Fortsetzung der Kritik an wissenschaftlicher
‚Objektivität‘ (Daston, Galison 2007) oder ‚Neutralität‘ (Haraway 1988) , ist jede Form der Wissenspro-
duktion affektiv geprägt: Scholars are commonly trained to produce research that is unbiased by
emotions, and tend to represent themselves within their scholarship as emotion-free agents. Yet the
very premise of emotion-free neutrality overlooks the fact that all knowledge production whether
academic or nonacademic is affective” (2019, S. 109).
Im Folgenden unterbreiten wir einen Vorschlag, wie sich diese affektive Situiertheit unseres Wis-
sens (Bens et al. 2019, S. 110) für Ethnografien in rechten Feldern nutzen lässt. Dafür machen wir
unsere affektiven Eindrücke im Forschungsprozess zum expliziten Bestandteil der Analyse. Wie ein-
gangs skizziert, prägte unsere ethnografische Forschung zu ‚rechten Affekten‘ immer auch eine diffuse
Gemengelage schwer greifbarer Gefühle von Anspannung, Aufregung, Abstoßung und Unwohlsein.
Wir argumentieren, dass diese als ‚Bauchgefühle‘ erscheinenden affektiven Phänomene nicht als per-
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sönliche Befindlichkeiten übersehen werden sollten. Vielmehr lesen wir sie als inkorporierte politische
Affekte, die untrennbar mit normativen wissenschaftlichen und politischen Diskursen über rechte
Gruppen verwoben sind. Die emotionalen Hindernisse und Anstrengungen im Forschungsprozess
können insofern analytisch produktiv sein. Um die politisch-normative Dimension dieser Bauchgefühle
herauszuarbeiten, führen wir abschließend einen zweifachen Übersetzungsschritt vor, in dessen Zent-
rum das methodische Instrument der ‚affective fieldnotes‘ steht.
‚Affective fieldnotes‘ als methodisches Instrument
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Ähnlich wie wir dafür plädieren, ‚rechte Affekte‘ in sozialen Praktiken und Räumen zu situieren anstatt
sie als Charaktereigenschaften zu deuten, interpretieren wir auch unsere situativen ‚Bauchgefühle‘
während der Feldforschung nicht einfach als innerliche Phänomene, sondern als inkorporierte politi-
sche Affekte. Affekte sind insofern nicht ohne Weiteres als ‚Daten‘ verfügbar, sondern immer schon
von uns interpretierte soziale Phänomene.
Um die affektiven Eindrücke der Forschenden analytisch fruchtbar zu machen und ein Verständnis
für die normativen und politischen Rahmungen des Feldes zu entwickeln, in die unsere ‚Bauchgefühle‘
auf bestimmte Art und Weise eingebettet sind, schlagen wir vor, die eigenen Gefühle bereits während
des Forschungsprozesses in die Feldnotizen einzuschreiben. Wir nutzen dafür das von Christine Hent-
schel entwickelte Instrument der ‚affective fieldnotes‘:
“Whether I shadow a demonstration, watch a propaganda video or read a rightwing
Bildungsroman, I need a technique to grasp what’s going on in this emotionally loaded
and aesthetically orchestrated rightwing field. […] [N]ot only do they [affective field-
notes] need to capture experiences, sensations, and moments of puzzlement beyond
live situations, i.e. when trying to carve out the affective texture of a written piece, a
video, or a song. They must also tease out the affective mechanisms at work more
explicitly. Having a grip on my own affective reactions to such rightwing articulations,
from unease or disgust to secret admiration, can help me get a sense of how they may
work on other people.” (Hentschel 2020, S. 5)
‚Affective fieldnotes‘ bilden das zentrale methodische Werkzeug, um die affektiven Eindrücke im (eth-
nografischen) Forschungsprozess zu erfassen und in einen ‚Text‘ zu übersetzen. Während die ver-
schriftlichten affektiven Reaktionen bei Hentschel dazu dienen, einen analytischen Zugang zur Wir-
kungs- und Funktionsweise neurechter Affektpolitik zu schaffen, beziehen wir sie in diesem Beitrag auf
die normative Prägung unserer Wissensproduktion in rechten Feldern. Gleichwohl die affektsensiblen
Feldnotizen persönliche und situierte Eindrücke übersetzen ein Umstand, dem durch wiederholte
und intersubjektive Beobachtungen sowie durch Literaturbezüge Rechnung getragen werden kann ,
können sie Auskunft über normativ-politische Dimensionen unserer Forschungsfelder geben. Wie
solche autoethnografisch inspirierten Feldnotizen dafür in eine Analyse politischer Affekte übersetzt
werden können, zeigen wir im Folgenden anhand von Beispielen aus unserer Forschung.
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Wir danken Christine Hentschel für den frühen Einblick in ihre affektanalytischen Konzepte und für ihre wertvollen Hin-
weise zu ihrem Einsatz von ‚affective fieldnotes‘.
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Affektiv vermittelte Normativität im Feld: Beispiele aus der
ethnografischen Forschung
Die folgende Feldnotiz beschreibt ein erstes Treffen mit zwei rechten Aktivist/-innen:
Ich betrete pünktlich zum vereinbarten Termin das Restaurant und sehe [MS] und
eine Freundin, [KS] (Pseudonyme) von ihm etwas abseits von anderen Restaurant-
besucher/-innen an einem Tisch sitzen. Sie winken mir zu und ich setze mich dazu. […]
Ich gebe beiden die Hand […] Ich merke, dass ich angespannt bin. Ich weiß ehrlich ge-
sagt nicht so recht, was ich sagen soll; ich weiß nicht, welche Art von einleitendem
Smalltalk in so einer Situation üblich ist. […] Während des Gesprächs fällt mir immer
wieder auf, dass beide sehr freundlich und höflich sind. Sie lächeln oft. Sie erzählen
mir von ihren Perspektiven, Eindrücken und Gefühlen; sie reden über „Menschlich-
keit“; ihre Geschichten sind für mich nachvollziehbar; nur an einzelnen Schlagworten
werde ich an ihre rechten Einstellungen erinnert. Ich versuche, neutrale Fragen und
Nachfragen zu stellen, meine eigenen politischen Einstellungen sollen außen vor blei-
ben. […] Ich versuche, nicht den Eindruck von tatsächlichem Verständnis zu vermitteln,
weiß aber, dass meine Hörersignale, mein Kopfnicken, mein „Ja“-Sagen wichtige Tech-
niken in dieser Situation sind, um mehr aus meinen Interviewpartner/-innen heraus-
zulocken. Ich fühle mich hin- und hergerissen. Fast überwiegt das Gefühl, mich inner-
lich dagegen zu wehren, die beiden mir gegenüber Sitzenden nett zu finden. Fast
krampfhaft warte ich auf Aussagen, die sie als diejenigen „Monster“ entlarven, die ich
hier erwartet habe. […] Am Ende unseres Interviews fragen sie mich nach meiner Per-
son und meiner „persönlichen politischen Meinung“. Ich fühle mich überrumpelt,
gerate in Panik und entscheide mich, zu lügen. Als Politikwissenschaftlerin, sage ich,
interessiere ich mich schon für das tagespolitische Geschehen, sei aber auch oft nicht
zufrieden mit der Bundespolitik, bleibe also so vage wie möglich. [MS] und [KS] inter-
pretieren meine Aussage jedoch als „Systemkritik“ und sagen lächelnd: „In der Zeitung
würde man Sie aufgrund dieser Aussage als rechtsextrem bezeichnen.“ Und [MS] sagt:
„Allein schon deshalb, weil Sie mit uns reden.“ Sie lachen. Mir wird etwas übel; es fühlt
sich an, als rutsche mein Herz in die Hose, aber ich lache zurück, um meine Fassade
und Rolle als Interviewerin zu bewahren.” (Feldnotiz, J. Leser, 2018)
Diese Feldnotiz beschreibt eine Situation, die in ethnografischer Forschung eigentlich zum Tages-
geschäft gehört: Es geht hier schließlich um ein erstes Treffen mit Interviewpartner/-innen und eine
Art Anspannung oder Nervosität ist in solchen Situationen nicht ungewöhnlich. In dieser Situation
fühlt sich die Forschende jedoch emotional fast überfordert, „hin- und hergerissen“. Obwohl sie beide
Gesprächspartner/-innen zum ersten Mal trifft und eigentlich noch nicht weiß, mit wem sie es hier zu
tun hat, zeigen ihre Bauchgefühle ihre Voreingenommenheit an: trotz des Bewusstseins, dass Offen-
heit eine wichtige Maxime ethnografischer Forschung ist. Warum war diese Situation für die Autorin
der Feldnotiz also mehr als unangenehm? Wir können Bauchgefühle als Hinweise lesen, wie das For-
schungsfeld an sich für ‚uns Forschende‘ normativ strukturiert ist. Genauer können wir hier erkennen,
wie sich Diskurse um die Forschung mit rechten Akteur/-innen in der Interviewsituation materialisie-
ren. Als Forscher/-innen sind wir mit den politischen Diskursen um Rechte vertraut, aber auch in der
Wissenschaft ist das Nähe-Distanz-Verhältnis zu rechten Gruppen umstritten und politisch aufgeladen.
So wird einerseits problematisiert, dass man als Forschende rassistischen und nationalistischen Narra-
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tiven eine Plattform gebe und zu deren Normalisierung beitrage (Mondon, Winter 2021). Auf der ande-
ren Seite steht neben dem Erkenntnisinteresse auch der forschungsethische Anspruch, respektvoll,
fair und nicht auf de-humanisierende bzw. dämonisierende Weise mit Rechten zu forschen (dazu
Busher 2021). Diese Diskurse sind so wirkmächtig, dass sie sich emotional in der Interviewsituation
manifestieren. Sie entwickeln eine performative Kraft. In ihrer Konflikthaftigkeit werden solche diskur-
siven Rahmungen durch die Forschende inkorporiert und situativ als Unwohlsein, Unsicherheit und
Hin- und Hergerissenheit wahrgenommen. Auf diese Weise zeitigt die Konflikthaftigkeit der politischen
und forschungsethischen Diskurse affektive Wirkungen im Feld selbst. Diese verkörperten Effekte
politisierter Diskurse sind jedoch, wenn man darauf achtet, les- und analysierbar.
Wir als Forschende scheinen solche ‚Bauchgefühle‘ – ‚visceral gut feelings‘ (Munch-Jurisic 2020) wie
Unwohlsein, Anspannung oder gar Übelkeit vor allem dann wahrzunehmen, wenn normative Ord-
nungen gestört und übertreten werden bzw. wenn wir es mit normativen und politischen Spannungen
zu tun haben. Jonas Bens et al. betonen, dass Affekte vor allem dann bemerkt werden, wenn sich be-
stimmte Modalitäten verschieben: „It is only when emotional and affective aspects of the political dis-
rupt normative patterns that they come into view as affectivity and emotionality per se“ (2019, S. 109).
Wie auch die folgende ‚affective fieldnote‘ illustriert, können wir durch unsere ‚Bauchgefühle‘ Erkennt-
nisse über die normative Prägung unserer Forschungsfelder erlangen, denn wie Munch-Jurisic (2020,
S. 280) gezeigt hat, sind diese stets gesellschaftlich geformt.
Ich reise mit der Bahn aus Leipzig direkt zur AfD-Veranstaltung. […] Schon die ganze
Fahrt über bin ich aufgeregt gewesen und habe einen inneren Widerstand vor dem
bevorstehenden Forschungsaufenthalt wahrgenommen. „Das vorerst letzte Mal“ sage
ich mir selbst. Ich rechne damit, dass sich die Veranstaltung zeitweise sehr unange-
nehm anfühlen wird. So war es schließlich fast immer. Es ist 30°C warm, doch ich
komme nicht nur deshalb ins Schwitzen. Wie zur Beruhigung sage ich mir selbst, dass
ich mittlerweile in meiner Rolle geübt und vor Ort akzeptiert bin. […] Jetzt wo ich ge-
genüber von dem Veranstaltungsort sitze, fallen mir drei Personen auf, die ich für eine
muslimische Familie halte, weil die Frau ein Kopftuch trägt. Ich notiere mein schlech-
tes Gewissen und die Hemmungen, zur AfD-Veranstaltung zu gehen. Mit einem Ruck
gehe ich los. [...] Im Nebenzimmer des Restaurants sind etwa 25 Personen anwesend.
Auf der rechten Seite stehen drei Männer mit aufgebauter Filmausrüstung. Sie waren
von einem Fernsehsender angekündigt, was mich bereits Wochen vorher in Aufruhr
versetzt hat. Ich gehe auf einen der drei Journalisten zu, grüße und frage, wo ich mich
hinsetzen kann, wenn ich nicht gefilmt werden möchte. Er weist in Richtung noch frei-
er Plätze [...] An meinem Platz sitzen drei lokale AfD-Sympathisanten, die ich noch
nicht kenne. Ich grüße sie und setze mich. Von der gegenüberliegenden Seite des
Raums winken mir bisherige Interviewpartner/-innen zu. Ich lächle und winke zurück.
Soll ich direkt zu ihnen rüber gehen? Und soll ich mich den Journalisten als Wissen-
schaftler vorstellen? Dem Distanzierungsbegehren zum Trotz entscheide ich mich, nur
zu den AfD-Unterstützer/-innen zu gehen.” (Feldnotiz, F. Spissinger, 2019)
Was bedeuten das antizipierte Unwohlsein, die Unruhe und die affektiven Widerstände bei der Anreise
und das Verlangen, sich gegenüber den Journalisten von der AfD distanzieren zu wollen? Wie andere
Forscher/-innen berichten, kann das Stigma rechter Gruppen auch auf die Forschenden überspringen
(Waldner, Dobratz 2019; Pilkington 2016; Blee 2018). Andere Ethnograf/-innen betonen daher ihr Un-
wohlsein, ihr Distanzierungsbegehren und ihre Sorgen, öffentlich mit rechten Gruppen assoziiert zu
werden (etwa Busher 2021, S. 277). Wir schlagen vor, solche Phänomene als politische Affekte und
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damit als Ausdruck und Regulation einer normativen Ordnung zu deuten. Die abstoßenden ‚Bauchge-
fühle‘ erinnern ‚uns Forschende‘ daran, zu den ‚Guten‘ und nicht zu den Rassist/-innen zu gehören. Sie
dienen zugleich als Warnung: ‚Geh nicht dort hin!‘, ‚Distanzier dich!‘, ‚Geh weg von denen!‘. Die affekti-
ven Eindrücke im Forschungsprozess verweisen auf eine politische Ordnung und sind zugleich Aus-
druck derselben. Wie wir von Sara Ahmed (2014) wissen, regulieren Affekte Nähe und Distanz zwi-
schen kollektiven Körpern aus diesem Grund sprechen wir von politischen Affekten. Schon die physi-
sche Annäherung und Bewegung hin zum öffentlich Inakzeptablen, zum ‚rechten Körper‘ und sei es
für Forschungszwecke zeitigt Effekte physischer Abstoßung. Die skizzierten Affekte im Forschungs-
prozess artikulieren und regulieren folglich die Relation zwischen dem ‚politisch normalen Körper‘ und
dem ‚politisch devianten Körper‘ (Shoshan 2014).
Ausblick: Das Potential ethnografischer Affektforschung
Wie der Beitrag zeigt, bietet die ethnografische Affektforschung Potential, um unser Verständnis für
die Dynamiken und Kontexte rechter Politik zu vertiefen und zu detaillierten Einsichten zu gelangen.
Ethnografische Studien eröffnen nicht nur nuancierte Perspektiven auf die affektiven Dynamiken rech-
ter Zusammenkünfte, sondern demonstrieren auch, wie die affektiv geprägten Interaktionen zwischen
Forschenden und Forschungssubjekten sowie die ‚innerlich‘ erscheinenden Gefühle der Forschenden
selbst zur Wissensproduktion beitragen können. Wie wir exemplarisch vorgeführt haben, können
‚Bauchgefühle‘ als inkorporierte politische Affekte verstanden werden, die in einem zweifachen Über-
setzungsschritt Eingang in die Analyse finden können: Die affektiven Eindrücke der Forschenden wer-
den dafür in Form von ‚affective fieldnotes‘ verschriftlicht und in einem interpretativen Schritt als poli-
tische Affekte gedeutet.
Eine abschließende Feldnotiz zu einer AfD-Veranstaltung soll andeuten, dass die affektive Absto-
ßung nicht bloß auf diejenigen wirkt, die fernbleiben oder die sich zu Forschungszwecken überwinden,
sondern auch auf diejenigen, die als politisch Überzeugte teilnehmen:
Es ist gleich 19 Uhr. In wenigen Minuten beginnt eine Podiumsveranstaltung der AfD.
Schon von weitem sind sechs Polizeitransporter vor dem Veranstaltungsort zu sehen.
Es werden wohl Gegendemonstrationen erwartet. Wo noch vor zwei Stunden einzig
ein AfD-Aufsteller das Abendprogramm ankündigte, sind mittlerweile Absperrbänder
angebracht worden. Sie markieren die verbleibenden zehn Meter von der Hauptstraße
zum Eingangsbereich. Dort stehen ein paar Polizist/-innen und im Eingang wartet Si-
cherheitspersonal für die Taschenkontrolle. Unten stehen zwei Männer, die ich als
‚links‘ identifiziere. Ich sehe ein Grinsen in ihrem Gesicht. Sie schauen diejenigen direkt
an, die den Weg zur AfD-Veranstaltung nehmen. Ein Mann läuft links neben ihnen un-
ter den Absperrbändern hindurch. Ich beschließe dem Teilnehmer zu folgen, um so
den Blicken auszuweichen.” (Feldnotiz, F. Spissinger, 2019)
Effekte von Nähe und Distanz lassen sich als affektive Phänomene interpretieren (Ahmed 2014). Aus-
gewichen von Forscher und AfD-Sympathisant gleichermaßen wird in diesem Fall dem normieren-
den Blick auf rechte Körper. Die normative Kritik an der AfD operiert vor Ort vermittels der Sorge,
‚gesehen‘ und damit als Nazi markiert zu werden. Politische Gegenkräfte materialisieren sich im Loka-
len als abstoßende Affekte, die neben den Ausweichmanövern oder dem Fernbleiben auch dazu bei-
tragen, dass sich die Teilnehmenden bei AfD-Veranstaltungen selbst als ‚mutiger Widerstand‘ verste-
hen.
DIE ÜBE R SE TZ UN G S IT UA TI V ER ‚BA U C H GEF Ü H L E I N E I NE AN AL YS E P OL IT IS CH ER AF F EK T E
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Wer sich ethnografisch in rechten Kontexten bewegt, nimmt zumindest punktuell an der normativ-
affektiven Erfahrung teil, ‚rechts‘ zu sein. Damit stellt sich die Frage, inwiefern die ‚Bauchgefühle‘ der
Forschenden auch Rückschlüsse auf die von rechten Sympathisant/-innen erlebten politischen und
normativen Gegenkräfte erlauben. Lassen sich dabei lokale Unterschiede ‚spüren‘? Und bedeutet dies
etwa an Orten, an denen rechte Politik viel Zustimmung und Akzeptanz erfährt, gerade das situative
Aussetzen, die zeitweise Abwesenheit von abstoßenden Affekten im Forschungsprozess zu registrieren?
Anders gefragt: Lässt sich die situative und lokale Akzeptabilität, Anziehung und Normalisierung neu-
rechter Gruppen auf diese Weise affektanalytisch untersuchen? Solche weiterführenden Fragen
machen das affektanalytische Potential ethnografischer Forschung für politische Felder deutlich. Denn
wenn ‚affective fieldnotes‘ Hinweise über die affektive Funktionsweise normativer Diskurse liefern,
dann lässt sich damit auch die Wirkung politischer Gegenkräfte vor Ort untersuchen.
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