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12. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2021
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SENDER – Nachhaltige Flexibilisierung des
Stromverbrauchs im Haushaltsbereich1,2
Wilhelm SÜßENBACHER
3(1)
, Michael HERBURGER
(1)
, Josefine KUHLMANN
(2)
,
Friedrich SEEBER
(2)
(1)
FH Oberösterreich,
(2)
FH Burgenland
Kurzfassung:
Das EU Horizon 2020 Projekt „SENDER“
4
(Sustainable Consumer engagement and demand
response) untersucht verschiedene Möglichkeiten zur nachhaltigen Flexibilisierung des Strom-
verbrauchs im Haushaltsbereich. Dabei werden unter der aktiven Einbindung von Haushalts-
kunden im Rahmen eines Co-Creation-Prozesses neuartige Services und Dienstleistungen
entwickelt, die eine langfristige Flexibilisierung der Verbraucherlast im Haushaltsbereich
ermöglichen. Im folgenden Beitrag wird das Forschungsprojekt vorgestellt und eine erste
Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen für die praktische Umsetzung der Anwendungen
im Rahmen von Pilotprojekten präsentiert.
Keywords: Demand Response, Co-Creation, Digitaler Zwilling, Regulierung
1 Einleitung
Der steigende Anteil erneuerbarer Energien im elektrischen Energiesystem führt zu einem
erhöhten Bedarf an Flexibilität. Diese ist erforderlich, um die mit dem Dargebot schwankende
Stromproduktion jederzeit ausgleichen zu können. Stromverbrauchsanlagen stellen ein
zentrales Element des elektrischen Energiesystems dar und können mittels Demand
Response (DR) Maßnahmen einen wichtigen Beitrag zur sicheren Energieversorgung leisten.
Dies gilt auch insbesondere für den Haushaltsbereich. In den vergangenen Jahren und Jahr-
zehnten wurden bereits viele verschiedene Ansätze zur aktiven Einbindung von Haushalts-
stromkunden in den Strommarkt bzw. zur Flexibilisierung der Haushaltslast untersucht. Diese
führten zu teils sehr unterschiedlichen Ergebnissen
5
. Wesentliche Herausforderungen in dem
Zusammenhang stellen die Identifizierung der konkreten Lasten und Prozesse dar, welche für
Flexibilisierungsmaßnahmen in Fragen kommen und andererseits die Ausgestaltung der
1
The SENDER project has received funding from the European Union’s Horizon 2020 Research and
Innovation programme under Grant Agreement No. 957755. The information and views set out in this
document are those of the author(s) and do not necessarily reflect the official opinion of the European
Union. Neither the European Union institutions and bodies nor any person acting on their behalf may be
held responsible for the use which may be made of the information contained therein.
2
Das in dieser Arbeit gewählte generische Maskulinum bezieht sich zugleich auf die männliche, die
weibliche und andere Geschlechteridentitäten. Zur besseren Lesbarkeit wird auf die Verwendung
männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Alle Geschlechteridentitäten werden ausdrücklich
mitgemeint, soweit die Aussagen dies erfordern.
3
Stelzhamerstraße 23, 4600 Wels, wilhelm.suessenbacher@fh-wels.at
4
https://www.sender-h2020.eu/
5
Siehe [1], [2], [3]
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erforderlichen Anreize, damit diese Flexibilität durch die Haushaltskunden auch langfristig
bereitgestellt wird. Im Rahmen des Forschungsprojekts SENDER werden daher unterschied-
liche Stromverbrauchsanlagen im Haushaltsbereich eingebunden und gemeinsam mit den
Haushaltskunden in einem Co-Creation-Prozess neuartige Services und Dienstleistungen ent-
wickelt. Dies soll einerseits ermöglichen, das Demand Response Potential zu heben und
andererseits einen nachhaltigen Nutzen für die Kunden sowie ein breites Interesse an den
entwickelten Dienstleistungen sicherstellen. Die Services sollen sich dabei nicht nur auf den
Energiebereich fokussieren, sondern je nach Kundeninteresse auch sektorenübergreifende
Dienstleistungen in den Bereichen Home-Automation, Home-Convenience oder Assisted-
Living inkludieren. Diese Anwendungen werden anschließend in drei Pilotregionen umgesetzt.
Ein wesentliches Augenmerk liegt hierbei auf den regulatorischen Rahmenbedingungen,
welche im Zuge der Projektimplementierung zu berücksichtigen sind. Hierfür wird der auf die
Pilotprojekte anzuwendende Rechtsrahmen untersucht und daraus konkrete Prüfkriterien
abgeleitet. Basierend auf den Erkenntnissen der Umsetzungsphase werden erforderliche
regulatorische Anpassungen ermittelt und Handlungsempfehlungen für die nationalen Regu-
lierungsbehörden erarbeitet.
In der vorliegenden Arbeit soll ein erster Überblick über SENDER gegeben werden. Hierfür
werden zuerst die organisatorischen Rahmenbedingungen dargestellt (Abschnitt 2) und
anschließend die Ziele des Projekts (Abschnitt 3), das Umsetzungskonzept (Abschnitt 4), die
wissenschaftliche Methodik (Abschnitt 5) und die SENDER Entwicklungen über aktuellen
Stand der Technik hinaus (Abschnitt 6) detailliert erläutert. Abschließend werden die ersten
Zwischenergebnisse aus der Analyse der regulatorischen Rahmenbedingungen für Demand
Response und eine aktive Kundenbeteiligung präsentiert.
2 Organisatorische Rahmenbedingungen
Das EU Horizon 2020 Forschungsprojekt SENDER wird im Rahmen des Calls „LC-SC3-EC-
3-2020: Consumer engagement and demand response“ gefördert. Übergeordnetes Ziel dieses
Arbeitsprogramms ist es, neue und intelligente Wege zu finden, Verbrauchern saubere
Energie bereitzustellen. Der geforderte Technologie-Reifegrad (Technology Readiness Level,
TRL) des Calls wurde mit 5 bis 8 festgelegt. SENDER stellt daher ein Demonstrations- bzw.
Systementwicklungsprojekt dar, indem die Anwendungen in einem relevanten bzw. operativen
Arbeitsumfeld geprüft und eingesetzt werden sollen. Das Gesamtbudget des Projekts beträgt
6,63 Mio. EUR, wovon 5,83 Mio. EUR über EU-Fördermittel finanziert werden.
Das SENDER Konsortium setzt sich aus 14 Forschungspartnern aus 6 EU-Mitgliedsländern
(Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Spanien) und Norwegen zusammen.
Konsortialführer ist das norwegische Forschungs- und Entwicklungsunternehmen „Smart Inno-
vation Norway“. Die drei Pilotregionen des Projekts in Espoo (Finnland), Weiz (Österreich) und
Alginet (Spanien) werden durch die lokalen Projektpartner VTT (Finnland), Weiz Forschungs
& Entwicklungs GmbH (Österreich) und ADEE (Spanien) betreut. Die FH Oberöstereich fokus-
siert sich im Rahmen des Projekts auf die Themenbereiche Prognose von Energieerzeugung
und -verbrauch, Energiemarktregulierung sowie Geschäftsmodelle und Innovationen.
Der Projektstart von SENDER erfolgte am 1. Oktober 2020. Die gesamte Laufzeit des Projekts
beträgt vier Jahre und gliedert sich in insgesamt zehn Arbeitspakete an deren Ende ein fortge-
schrittener Technologie-Reifegrad der Stufe 8 erreicht werden sollte (siehe Abbildung 1).
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Abbildung 1: SENDER Projektstruktur
Weiterführende Informationen zum aktuellen Projektstatus sowie bereits verfügbare Projekt-
ergebnisse können über die SENDER-Homepage https://www.sender-h2020.eu/ abgerufen
werden.
3 SENDER Ziele
Insgesamt wurden in der im Zuge der Planung von SENDER acht eindeutig definierte und
messbare Ziele festgelegt, die dazu beitragen sollten, die Flexibilität im Haushaltsbereich zu
stärken und sowohl den Kunden als auch den Systembetreibern einen nachhaltigen Nutzen
zu stiften. Diese Ziele werden im folgenden Abschnitt näher beschrieben.
3.1 Entwicklung innovativer DR Maßnahmen mittels Co-Creation
In den letzten Jahren wurden nur begrenzte Fortschritte bei der aktiven Bereitstellung von DR
durch Haushaltskunden erzielt
6
. Dieses Problem war zumeist auf zu geringe finanzielle
Anreize oder einen zu geringen Nutzen für die Haushaltskunden zurückzuführen. SENDER
versucht dieses Problem durch eine aktive Beteiligung der Haushaltskunden in der Gestaltung
der Services mittels Co-Creation zu adressieren. Im Rahmen dieses Prozesses können Haus-
haltskunden ihre konkreten Ideen und Wünsche einbringen und diese gemeinsam mit den
Dienstleistern vor Ort umsetzen. Ziel ist es, innovative Services mit finanziellen, aber auch
nicht-finanziellen Anreizen zu entwickeln, die eine aktive Beteiligung der Stromkunden über
die Laufzeit des Projekts hinaus langfristig sicherstellen. Die entwickelten Lösungen sollen den
Haushaltskunden einen nachhaltigen Mehrwert generieren und auch sektorenübergreifende
6
Siehe hierfür z.B. [1], [2], [3], [4]
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Services in den Bereichen Home-Automation, Home-Convenience oder Assisted-Living bereit-
stellen. Insgesamt sollte den Haushaltskunden durch diese Services langfristig eine einfachere
Bereitstellung von Flexibilität und eine aktive Beteiligung am Strommarkt ermöglicht werden.
3.2 Neue Ansätze zur Verbrauchprognose von Haushaltsstromkunden
Die Verfügbarkeit von Verbraucherinformationen und -daten war noch nie höher als heute.
Zudem gab es große technologische Fortschritte bei gleichzeitig sinkenden Kosten in der
automatisierten Erkennung von Mustern sowie in der Verbrauchsprognose mittels künstlicher
Intelligenz (KI) und Machine-Learning (ML). Trotzdem basieren im Bereich DR nach wie vor
viele Ansätze und Verfahren auf der Wirkungsweise sehr einfacher Stellsignale, welche durch
den Netzbetreiber an die Stromkunden übermittelt werden. Das SENDER Projekt verfolgt das
Ziel, neue proaktive DR Ansätze zu entwickeln, in denen die Verhaltensmuster der Konsu-
menten zusätzlich zur Prognose ihres Verbrauchs herangezogen werden können. Für diesen
Zweck werden die Informationen von Sensoren und technischen Anwendungen in den
Haushalten, wie z.B. Temperatur- und Bewegungssensoren oder E-Autos mit Ladeinfra-
struktur, gesammelt, Verhaltensmuster abgeleitet und diese für eine optimierte Prognose des
Verbraucherverhaltens eingesetzt. Durch eine weitere Segmentierung der Haushaltskunden
mit Hilfe zielgruppenspezifischer Informationen (z.B. Geschlecht, Einkommen, Standort, Haus-
typ) kann eine noch kundenspezifischere Prognose durchgeführt werden bzw. können Ener-
giedienstleistungen und Services noch besser auf Kundenbedürfnisse abgestimmt werden.
3.3 Digitale Zwillinge zur besseren Abschätzung des verbraucherseitigen
Flexibilitätspotentials
Die Segmentierung der Haushaltskunden, wie oben angeführt, wird in SENDER zudem dafür
verwendet, digitale Zwillinge der realen Verbraucher bzw. Verbrauchergruppen zu entwickeln.
Mit Hilfe dieser digitalen Zwillinge können die im Projekt gesammelten Sensordaten und
kundenspezifischen Informationen aggregiert und für eine bessere Abschätzung des ver-
braucherseitigen Flexibilitätspotentials durch Netzbetreiber und Aggregatoren eingesetzt
werden. Dies sollte zu einer optimierten Ermittlung, Nutzung und Vermarktung des verbrauch-
erseitigen Flexibilitätspotentials führen, von dem auch Haushaltskunden profitieren. Zudem
kann DR auf diese Weise zu einem optimierten Netzbetrieb und einer besseren Integration
volatiler erneuerbarer Energien beitragen.
3.4 Innovative Geschäftsmodelle mit Erfolgsbeteiligung für Stromkunden und
Netzbetreiber
Viele der derzeitigen DR Projekte fokussieren sich primär auf den Nutzen für den Energie-
versorger bzw. den Netzbetreiber. Auch der wirtschaftliche Nutzen, z.B. in Form vermiedener
Ausbaukosten, wird nicht immer in gleichem Maße an die Stromkunden weitergegeben. Dies
hat in der Vergangenheit zu einer geringen Beteiligung von Stromkunden an DR Maßnahmen
geführt. Das SENDER Projekt verfolgt das Ziel dies zu ändern und durch neue innovative
Geschäftsmodelle auch Stromkunden und Prosumern einen fairen Anteil am generierter
Nutzen der DR Maßnahmen zukommen zu lassen. Dies stellt eine wesentliche Voraussetzung
für eine proaktive Beteiligung der Verbraucherseite im zukünftigen Energiemarkt dar. Aus
diesem Grund werden im Rahmen des SENDER Projekts mit Hilfe eines Co-Creation-
Prozesses und der Unterstützung einer Co-Creation Steering Group bestehend aus allen
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relevanten Stakeholdern, neue innovative Geschäftsmodelle entwickelt, die eine faire Auf-
teilung der Erlöse aus den DR Maßnahmen sicherstellen sollen.
3.5 Geeignete rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen für DR
Unflexible oder noch nicht angepasste regulatorische Rahmenbedingungen können ein Hin-
dernis für die Umsetzung neuer Lösungen im Bereich der Elektrizitätswirtschaft darstellen. Die
breite Diskussionen um die Einführung von Smart Metern und die Verwendung der dabei
erhobenen Daten stellt ein exemplarisches Beispiel hierfür dar. Das SENDER Projekt verfolgt
neuartige Ansätze in der Nutzung von Verbraucherdaten und setzt diese für eine optimierte
Ermittlung des Verbraucherverhaltens ein. Die Verwendung der Daten stellt daher einen er-
folgskritischen Faktor des Projekts dar. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen und
mögliche Hindernisse für die Umsetzung zu identifizieren, wird ein besonderes Augenmerk auf
die Analyse der rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen gelegt. Die Analyse
umfasst dabei nicht nur die europäische, sondern auch die nationale Ebene der Länder, in
denen die Pilotprojekte umgesetzt werden. Basierend auf den Ergebnissen der Analyse
werden Empfehlungen für die nationalen Regulierungsbehörden abgeleitet werden. Damit
sollte das Projekt zu einer einfacheren Umsetzung und harmonisierten Rahmenbedingungen
für DR Maßnahmen auf europäischer Ebene beitragen.
3.6 Validierung der entwickelten Lösungen im Rahmen von Pilotprojekten
Um die im Projekt entwickelten Services und Dienstleistungen validieren zu können, werden
diese an drei Standorten mit unterschiedlichen kulturellen und geographischen Gegeben-
heiten sowie Energiebedürfnissen in der EU umgesetzt. Dieser Ansatz soll die Repro-
duzierbarkeit der Lösungen nach Projektende an ähnlichen Standorten erleichtern und damit
fördern.
3.7 Nachhaltigkeit durch umfassende Veröffentlichungen und Nachnutzung
Viele relevante Projekte in den Bereichen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energie erhalten
nicht die erforderliche Aufmerksamkeit der Stakeholder, um eine nachhaltige Wirkung für die
Gesellschaft zu erzielen. Das SENDER Projekt setzt daher eine sehr starke Kommunikations-
und Veröffentlichungsstrategie auf, die eine große Reichweite der Projektergebnisse sicher-
stellen soll. Darüber beabsichtigt das SENDER Konsortium nachhaltige Lösungen zu ent-
wickeln, in dem es auf Ergebnisse früherer Horizon 2020 Projekte aufbaut, die Entwickler direkt
als Projektpartner miteinbezieht und neue Ansätze gemeinsam mit Stromkunden entwickelt.
Das Nachnutzungspotential des Projekts wird durch einen eigenen Nachnutzungsfahrplan
unterstützt, in dem die Umsetzbarkeit der Lösungen an anderen Standorten betrachtet wird
sowie durch die wirtschaftlichen Interessen der Projektpartner.
3.8 Kooperationen mit EU-Projekten und Fokus auf Querschnittsthemen
Der im Rahmen von SENDER angewandte Co-Creation-Prozess mit direkter Einbeziehung
der Verbraucher stellt eine aktuelle wissenschaftliche Methode im Bereich der Innovations-
und Technologieentwicklung dar. Der eingesetzte Open Innovation Ansatz mit Inside-Out-
Pozess, Coupled-Prozess sowie der durch die Europäische Union geprägte Responsible
Research and Innovation (RRI) Prozess basieren auf wesentlichen Erkenntnissen der Sozial-
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und Geisteswissenschaften und ermöglichen eine Berücksichtigung von Querschnittsthemen
wie z.B. Gleichbehandlung, in der Entwicklung von Services und Technologien. Auch diese
Themen werden im Rahmen von SENDER berücksichtigt. Darüber hinaus wird das SENDER
Konsortium eng mit anderen Horizon 2020 Projekten wie INTERRFACE oder COORDINET
zusammenarbeiten, welche das Thema Flexibilität mehr aus der Netzperspektive betrachten,
während SENDER sich auf die Konsumentensicht fokussiert. Durch eine Beteiligung an der
BRIDGE Initiative der Europäischen Kommission sollen zudem Synergien zum Vorteil aller
Projekte gefördert werden.
4 SENDER Umsetzungskonzept
Die Lösungsansätze des SENDER Projekts zeichnen sich durch ihre Proaktivität aus. Diese
ist dadurch gekennzeichnet, dass Verbraucher agieren und nicht nur auf Signale des Marktes
oder der Netzbetreiber reagieren, wie in vielen aktuellen DR Ansätzen. Hierfür werden Sensor-
daten in den Räumlichkeiten der Verbraucher und ihrer Umgebung gesammelt und verarbeitet,
um mittels KI typische Verhaltensmuster zu identifizieren. Dieser Ansatz ermöglicht es, hoch-
präzise digitale Zwillinge der Stromkunden auf Basis unterschiedlicher Profile zu erstellen. Die
erfassten Sensordaten werden zudem so aufbereitet, dass sie für Anwendungen in den
Bereichen Home-Automation, Home-Convenience oder Assisted-Living genutzt werden
können. Offene Schnittstelle zwischen den Akteuren und Services sowie umfangreiche Tests
sollen die Interoperabilität und Austauschbarkeit der Komponenten in den entwickelten
Lösungen sicherstellen. Dieser Ansatz erlaubt außerdem die Nutzung von Legacy-Systemen
bzw. Drittanwendungen samt neuer Geschäftsmodelle.
Abbildung 2: Gesamtkonzept des SENDER Projekts
Abbildung 2 zeigt das Gesamtkonzept von SENDER und die wesentlichen Innovationen des
Projekts. Im nun folgenden Abschnitt werden diese Innovationen ausführlich beschrieben.
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4.1 Virtueller thermischer Energiespeicher (VTES) mit Power-to-Heat (P2H)
Der virtuelle thermische Energiespeicher VTES ist eine innovative Lösung, welche die
thermische Speicherfähigkeit vorhandener Pufferspeicher und Gebäudeflächen nutzt, um
Flexibilität auf kostengünstige Weise bereitzustellen, ohne dabei den Komfort der Bewohner
oder tägliche Abläufe zu beeinträchtigen. Im Rahmen des SENDER Projekts wird ein opti-
miertes VTES-Heizsystem entwickelt, welches thermische Energiespeicher (TES) wie Puffer-
speicher optimal mit P2H-Anlagen wie Wärmepumpen betreibt. Hierfür werden dynamische
thermische Gebäudemodelle entwickelt und in den Anlagenbetrieb miteinbezogen. Darüber
hinaus werden auch umfangreiche Modelle von TES, wie Pufferspeichern inklusive ihrer
thermischen (z.B. Kapazität, Ausspeicherrate) und elektrischen (z.B. Nennleistung, aktuelle
Leistung, Einschalt- und Ausschaltzeiten) Eigenschaften entwickelt, um die thermische
Speicherkapazität und Flexibilität unter Berücksichtigung der Vorlieben der Bewohner und der
aktuellen Betriebsweise bestimmen zu können. Durch diesen dynamischen Modellierungs-
zugang wird ein „one-size-fits-all“-Ansatz vermieden und es können stattdessen thermische
Profile für individuelle Gebäude und deren Geräteausstattung erzeugt werden. Eine weitere
Entwicklung im Zuge des Projekts stellt das intelligente Control Interface (CI) für Puffer-
speicher dar, über welches thermische Speicher wie flexible Batterien betrieben werden
können. Hierfür wird die Höchsttemperatur des Wasserinhalts im Tank aktiv reguliert. Auf diese
Weise kann der Energiebedarf zur täglichen Bereitstellung von Warmwasser optimiert oder
überschüssige Energie aus dem Haushalt zwischengespeichert werden.
4.2 Intelligentes Laden und Vehicle-to-grid (V2G)
Smart Charging ist ein innovatives Energiemanagementsystem (EMS), das im Rahmen des
SENDER Projekts zur Flexibilisierung des Stromverbrauchs elektrischer Fahrzeuge eingesetzt
wird. Die Flexibilisierung erfolgt dabei mittels intelligenter Ladung und V2G Lösungen und kann
zur Verbrauchssteuerung in Verteilernetzen, lokalen Energiegemeinschaften oder für Regel-
reservezwecke eingesetzt werden. Das EMS basiert auf Smart Contracts und der Blockchain-
Technologie und erlaubt eine kosteneffiziente und nachvollziehbare Gebotslegung und Akti-
vierung von Flexibilitätsprodukten auf lokalen Flexibilitätsmärkten. Das EMS verfügt zudem
über Interfaces mit offenen Standards auf verschiedenen Ebenen (Datenmodel, Services, API)
und kann damit an die spezifischen Anforderungen der Pilotprojekte sowie an lokale Standards
angepasst werden. Hauptinnovationen des EMS sind die gesteuerte Ladung der Elektro-
fahrzeuge sowie die kosteneffiziente und verifizierbare Aktivierung der Flexibilitätsprodukte
mittels Blockchain und Smart Contracts. Letzteres stellt eine wesentliche Weiterentwicklung
gegenüber herkömmlichen Stellsignalen ohne Feedback dar, bei denen eine tatsächliche
Aktivierung der flexiblen Verbraucher im Nachgang nicht überprüft werden kann.
4.3 Nutzerzentriertes Demand Response mittels SENDER Smart Box
Der Datenaustausch zwischen den unterschiedlichen Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen
(Wärmepumpen, Batteriespeicher, PV-Anlagen, etc.), Smart Home Anwendungen und der IT-
Infrastruktur erfolgt über einen eigenen SENDER Gateway. Dieser basiert auf dem integrierten
Smart Home Gateway M/490 und stellt die Kompatibilität mit dem OneM2M Standard und
Smart Home Kommunikationsprotokollen wie Zigbee, BLE, 6LowPan, etc. sicher. Zudem wird
der SENDER Gateway auch zur Erfassung aller Sensordaten (Temperatur, Feuchtigkeit,
Helligkeit, etc.) und zur Übertragung der Stell- und Informationssignale zwischen der verteilten
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Logik und den Aktoren verwendet. Durch die umfassenden Sensordaten, die Smart Home
Anwendungen und die verteilte Logik können spezifische Verhaltens- und Komfortprofile der
Gebäudenutzer entwickelt werden. Diese ermöglichen eine nutzerzentrierte Aktivierung von
DR Anlagen ohne den Komfort der Kunden einzuschränken.
Eine speziell entwickelte SENDER Smart Box wird als Gateway zwischen dem Gebäude-
netzwerk und dem Stromnetz fungieren (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3: Konzept der SENDER Smart Box
Die SENDER Smart Box umfasst folgende Komponenten:
• eine Bridge, welche eine Multiprotokoll Kommunikation im Gebäude und in den ver-
schiedenen Gebäudenetzwerken ermöglicht;
• ein autonomes Sensor-Aktor-Kombigerät, in das spezifische Sensoren und Aktoren
integriert werden;
• einen Datenmanagementknoten, in dem die Informationen von Umgebungssen-
soren, Messpunkten und Steuereinrichten normalisiert, vorverarbeitet, komprimiert und
vor der Übermittlung verschlüsselt werden;
• einen Sensordatenaggregationsknoten, in dem die Komponenten der verteilten
Logik, welche für die Erstellung der dynamischen Kundenprofile, Flexibilitätsprofile und
Steuersignale erforderlich sind, physikalisch untergebracht werden;
• einen „Home Agent“, der den Nutzern Zugang zu zahlreichen Smart Home Anwend-
ungen ermöglicht;
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• einen „Prosumer Agent“, der für das Monitoring und die Zugangskontrolle z.B. durch
das Facility Management oder Energiedienstleister eingesetzt werden kann.
4.4 Sensordatenaggregation für dynamische Nutzer- und Flexibilitätsprofile
In den Pilotprojekten werden Sensor- und Energiemessdaten in den Gebäuden in Echtzeit
ausgelesen, aggregiert, damit kontextbezogene Nutzerprofile erzeugt und diese mit typischen
Haushaltsaktivitätsmustern gekoppelt. Diese Verknüpfung von Haushaltsaktivitätsmuster und
Echtzeitdaten ermöglicht die Erstellung detaillierter Aktivitätsprofile der Gebäudenutzer und
eine dynamische Prognose und Steuerung des Haushaltsenergiebedarfs. Durch eine Norma-
lisierung und Ergänzung der Benutzerprofile um relevante personen- und kontextbezogene
Informationen können in weiterer Folge noch detaillierte Benutzerprofile erstellt werden.
Darüber hinaus wird sich SENDER auch mit den Verbrauchbedürfnissen in den Bereichen
thermischer Komfort und Beleuchtung auseinandersetzen und präzise kurz- und mittelfristige
Prognose des Haushaltsenergieverbrauchs für Heiz- und Kühlzwecke, die Warmwasserauf-
bereitung und die Haushaltsbeleuchtung bereitstellen. Dabei wird SENDER auf die THOR
User Profiling Engine, welche vom Projektpartner Hypertech bereits als Prototyp entwickelt
wurde, zurückgreifen. Die Nutzerkomfortprofile, welche im Projekt entwickelt werden, model-
lieren die Haushaltsbewohner als dynamische und mit ihrer Umgebung interagierende
Einheiten und ermöglichen dadurch eine optimierte Steuerung von Heizungs-, Lüftungs- und
Klimaanlagen (HLK) sowie der Gebäudebeleuchtung. SENDER wird einen eigenen Frame-
work für Verbraucherflexibilitätsprofile entwickeln, der unter Einbeziehung von KI kurz- (intra-
hour) und mittelfristige (intra-day) Prognosen des Haushaltsverbrauchs bzw. der zur Verfüg-
ung stehenden Flexibilität in den Haushalten ermöglicht.
4.5 Nutzerorientierte Anreize für Demand Response
In SENDER werden drei Strategien verwendet, um Haushaltskunden einen Anreiz zur aktiven
Teilnahme am Projekt bereitzustellen. Diese Strategien sollen einerseits eine maximale Anzahl
an Haushaltskunden zur aktiven Teilnahme bewegen und andererseits auch sicherstellen,
dass diese während der gesamten Projektlaufzeit und darüber hinaus auf DR Signale
reagieren. Die drei Strategien setzen hierfür auf unterschiedlichen Ebenen an. Auf der ersten
Ebene ist geplant den Teilnehmern finanzielle Anreize zur aktiven Teilnahme am Projekt zur
Verfügung zu stellen
7
. Zu diesem Zweck wurde in der Budgetplanung ein separater Betrag für
die Teilnehmerakquise vorgesehen. Dieser soll im Rahmen einer Verlosung unter den
teilnehmenden Haushaltskunden aufgeteilt werden. Die zweite Ebene zielt auf eine umfas-
sende Information der Teilnehmer ab. Dafür werden die Haushaltskunden über alle Schritte
des Pilotprojekts informiert. Zudem erhalten sie durch ein Frontend umfassende Informationen
über ihre Energiedaten, zu Stromtarifen (z.B. Real-Time Pricing, Time of Use Pricing, Critical
Peak Pricing, Critical Peak Rabatte), zu Netzengpässen und zu weiteren Anreizen zur Last-
verschiebung. Die dritte Ebene verfolgt das Ziel ein Gesamtpaket bereitzustellen, in dem DR
in nichtenergiebezogene Services für Komfort, Gesundheit, Sicherheit, etc. so integriert wird,
dass Kunden bei der Nutzung der Services gleichzeitig auch ihr DR Potential zur Verfügung
stellen. Diese drei Strategien werden durch eine umfassende Kommunikationsstrategie im
7
Eine endgültige Entscheidung zur Durchführung dieser Maßnahme ist mit Stand August 2021 noch
nicht getroffen.
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Rahmen der Pilotprojekte ergänzt. Zudem sollen regelmäßige Workshops in den Pilotregionen
dazu dienen Feedback der Teilnehmer einzuholen sowie die Akzeptanz des Projekts und die
aktive Beteiligung der Haushalte zu fördern.
4.6 Paketlösung zur Förderung langfristiger Kundenbeteiligung
Eine zentrale Herausforderung für die erfolgreiche Implementierung von DR Maßnahmen
besteht darin, die langfristige Akzeptanz und das Engagement der Verbraucher für die
entwickelten Lösungen zu gewährleisten. Um dieser Herausforderung zu begegnen, entwickelt
das SENDER Projekt eine Paketlösung. Da das SENDER-Konsortium auf einen Co-Creation-
Ansatz setzt, wird die finale Entscheidung über die zu integrierenden Services von den Haus-
haltskunden getroffen. Die folgenden Anwendungen werden jedoch im Rahmen des Projekts
vom Konsortium vorgeschlagen:
• Bereiche „Smart Home-Security“ und „Home-Safety“: Typische Anwendungen in
diesen Bereichen sind Brand- oder Kohlenmonoxid-Melder. Im Falle eines Brandes
kann das Smart Home-Security System den Hausbesitzer alarmieren und Einsatzkräfte
verständigen.
• Bereich „Access-Control“: Bewegungsmelder können feststellen, ob eine Person im
Gebäude ein Bewohner, ein erlaubter Besucher oder eine nicht erlaubte Person ist.
Diese Information kann an verschiedene Empfänger (z.B. Hausbesitzer, Sicherheits-
dienst, Gebäudemanagement) gesendet werden.
• Bereich „Assisted-Living“: Bewegungsmelder können auch feststellen, ob ein
Bewohner zuhause ist. Wird über einen längeren Zeitraum keine Bewegung festge-
stellt, kann ein Warnsignal an Nachbarn, Verwandte oder die Hauspflege gesendet
werden, welche dann weitere Schritte setzen.
• Bereich „Home-Convenience“: Anwendungen in diesem Bereich können beispiels-
weise Dachfenster öffnen, um das Raumklima zu verbessern oder Beschattungsan-
lagen steuern. Darüber hinaus kann die SENDER Smart Box die Temperatur in
verschiedenen Räumen eines Gebäudes nach persönlichen Vorlieben der Bewohner
regeln. Zusätzliche Kundenwünsche aus dem Co-Creation-Prozess können einfach in
das SENDER-Konzept integriert werden. Beispiele hierfür sind Warnsysteme vor
Überflutungen, Stürmen und Großfeuer oder die Installation lokaler Systeme, welche
die Wasserqualität prüfen und im Falle von Verunreinigungen warnen.
4.7 SENDER Frontend und Nutzer Toolkit
Die Konfiguration der SENDER Services sowie die Darstellung der Daten und Informationen
erfolgt über ein spezielles Frontend. Hierfür wird auf Module aufgesetzt, welche bereits in Vor-
gängerprojekten entwickelt und validiert wurden. Dadurch kann ein vollwertiges Nutzerpaket
mit umfangreichen Services und Schnittstellen (Web, Mobil) für Endverbraucher und
Marktteilnehmer zur Verfügung gestellt werden. Die Schnittstellen sollen sicherstellen, dass
die Nutzer jederzeit Kontrolle über die Services in ihrem Haushalt besitzt (auch per
Fernzugriff). Die Darstellung der Informationen im Frontend wird sich an den Kunden-
bedürfnissen orientieren und auf benutzerfreundliche und verständliche Art und Weise
erfolgen. SENDER wird auch ein eigenes Frontend sowie ein Toolkit für Aggregatoren und
Netzbetreiber zur Verfügung stellen, mit denen die Abläufe der DR Prozesse dargestellt
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werden können und die eine umfassende Analyse der Verbraucherflexibilität mit Prognosen
für den Einsatz aktiver, passiver sowie impliziter und expliziter DR ermöglichen. Damit wird ein
verbesserter Netzbetrieb mittels DR sowie eine umfassende Zustandsanalyse ermöglicht.
Mittels Prognosewerkzeugen mit aktiven Zugriff auf DR Anlagen können Aggregatoren ihr
Portfoliomanagement zusätzlich optimieren.
4.8 Datensicherheit und Cybersecurity
Datenschutz und Cybersecurity sind wichtige Aspekte des SENDER Projekts, um das Ver-
trauen der Verbraucher in die entwickelten Lösungen und damit auch deren Nachhaltigkeit
sicherzustellen. Aus diesem Grund ist eine klare Kommunikation bzgl. der Verwendung der
Daten von hoher Relevanz. Im Rahmen des SENDER Projekts werden sensible Kundenin-
formationen zur Verbrauchsprognose und zur Anpassung der Lösungen verwendet. Aus
diesem Grund werden mehrere Co-Creation Workshops mit Kunden durchgeführt und ein Data
Protection Officer (DPO) für das Projekt nominiert werden. Zudem wird ein Datensicherheits-
konzept über verschiedene Bereiche des Projekts umgesetzt, welches folgende Teilbereiche
beinhaltet:
• Definition und Umsetzung eines Datensicherheits- und Datenschutzmanagement-
systems, welches den gesamten Lebenszyklus und das gesamte Ökosystem der
SENDER Lösungen umfasst. Dabei werden auch Cybersecurity Frameworks und
Privacy-by-Design Ansätzen integriert sowie die Empfehlungen der EU Kommission
bzgl. Cybersecurity im Energiesektor, der Smart Grid Task Force Expert Group 2
Report on Cybersecurity, die NISTIR 7628 Guidelines rev.1;
• Adressieren des Problems im Zusammenspiel von Sicherheits- und Datenschutzricht-
linien unter Berücksichtigung der jüngsten Fortschritte in den Bereichen Trust Manage-
ment, Trust Delegation, unter Verwendung rollenbasierter Zugangskontrollen und
Privacy Preference Management;
• Schaffung eines Konsenses über den Ansatz durch die BRIDGE Initiative und durch
die Errichtung eines Standardisierungsplans, welcher Arbeiten, wie ISO/IEC 27030
(„Guidelines for security and privacy in IoT“) oder ISO/IEC NP 30149 („IoT –
trustworthiness framework“) berücksichtigt.
Für die Datensicherheit und den Datenschutz der Pilotprojekte wird ein „Cybersecurity und
Datensicherheitsplan“ ausgearbeitet werden. In diesem werden die Maßnahmen zur Umsetz-
ung der notwendigen Schritte in den Pilotprojekten beschrieben als auch die Durchführung der
Sicherheits- und Risikoanalysen, die Anforderungen an die Risikominderungsstrategien und
die Analyse der Compliance in den Projekten.
4.9 Digitaler Zwilling und Kundengruppierung
Im Rahmen des SENDER Projekts werden digitale Zwillinge der Endkunden entwickelt, welche
in der Lage sind, das Verhalten der Stromkunden widerzuspiegeln. Diese digitalen Zwillinge
werden dazu verwendet, die in SENDER konzipierten Anwendungen zu testen und zu
überprüfen, ob diese auch auf andere Kundengruppen zu übertragen sind. Die Entwicklung
der digitalen Zwillinge erfolgt mit Hilfe von Big Data und selbstlernenden KI-Anwendungen und
verfolgt das Ziel die komplexen Wechselbeziehungen zwischen Stromkunden und ihrem
Verbrauchsverhalten zu modellieren. Durch diese virtuellen Modelle der Stromkunden sollen
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neue Möglichkeiten zur Optimierung des Energieverbrauchs geschaffen werden. Auch die
detaillierte Kundengruppierung stellt einen wichtigen Aspekt des SENDER Projekts dar. Durch
diese können individuelle Ansätze zur Optimierung je Kundengruppe entwickelt werden.
SENDER wird hierfür die wichtigsten Verbrauchertypen basierend auf einer Reihe von
Segmentierungsvariablen bestimmen. Diese Variablen werden neben traditionellen Infor-
mationen wie z.B. Alter und Einkommen auch weiterführende psychographische und soziale
Variablen wie angenommene soziale Normen der Stromkunden oder deren Umwelt-
bewusstsein beinhalten. Diese Segmentierung ermöglicht eine noch genauere Bestimmung
wie Kundengruppen auf bestimmte Eigenschaften von Energieprodukten und -services, wie
deren Preis oder zusätzlicher Komfort, reagieren. Diese Segmentierung kann damit zu einer
besseren Bestimmung der Inanspruchnahme bestimmter Energieprodukte und -services in
den verschiedenen Kundengruppen beitragen.
5 SENDER Methodik
Ziel des Projekts und der dahinterliegenden Methodik ist die Förderung nachhaltiger
Innovationen unter Anwendung eines multi-perspektivischen Ansatzes, der insbesondere die
Perspektive der Verbraucher auf das Netz und das Stromsystem berücksichtigt. In Abbildung
4 ist die in SENDER angewandte Methodik von der Analyse- bis zur Umsetzungsphase der
Innovation dargestellt. Wie ersichtlich, fokussiert sich die Methodik auf die drei Kernbereiche
Technologie, Verbraucher und Geschäftliches. Diese drei Bereiche werden im Rahmen der
gesamten Projektlaufzeit weiterentwickelt und sollen neue technologische Ansätze, die
Verbraucher in den Fokus stellen und wirtschaftlich Tragfähig sind, sicherstellen.
Abbildung 4: Die SENDER Methodik
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5.1 Übergeordnete Methodik
Als Innovationsansatz im Projekt wurde das Modell der Fünffach-Innovations-Helix
8
gewählt,
da dieses einen multi-perspektivischen Zugang sicherstellt und einen Innovationsrahmen für
nachhaltige Entwicklungen in einer wissensbasierten Wirtschaft sowie eine Reifung der
Wissensgesellschaft sicherstellt. Die fünf Helices des Modells repräsentieren die wichtigsten
Faktoren und Perspektiven der Gesellschaft, die für die Entwicklung von Innovationen relevant
sind, nämlich Wissenschaft, Gesellschaft, Umwelt, Regierung und Industrie. Diese Fünfer-
Helix wird im Rahmen des Projekts mit einem verbraucherzentrierten Innovationsansatz
verknüpft, woraus sich der in Abbildung 5 dargestellte Innovationsentwicklungs- und Replika-
tionsprozess ergibt.
Abbildung 5: Fünffach-Helix-Innovationsentwicklungs- und Replikationsprozess für SENDER
„Analyse“ Phase: Im Rahmen der Analysephase wird ein Co-Creation-Prozess aufgesetzt,
welcher sich auf die Verbraucherbedürfnisse konzentriert, aber auch die Perspektiven Wissen-
schaft, Umwelt, Regierung und Industrie mitberücksichtigt. Durch Workshops soll eine effek-
tive Verbindung zwischen den entwickelten Innovationen und deren Nutzern sichergestellt
werden und damit in weiterer Folge auch die soziale Akzeptanz der Lösungen. Die Experten
des Konsortiums werden den Nutzern im Rahmen der Co-Creation Workshops den Stand der
Technik im Bereich DR vorstellen sowie technische, rechtliche, regulatorische und umwel-
trelevante Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt. Diese Informationen bilden die Grundlage
für die Entwicklung der Innovationen im Co-Creation-Prozess. Parallel dazu werden die
wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen in den Pilotregionen untersucht und
eine Analyse der sicherheits- und datenschutzrechtlichen Risiken durchgeführt.
„Define“ Phase: Basierend auf den Ergebnissen der Analysephase werden in der Definitions-
phase, umsetzbare und allgemein akzeptierte Anwendungsfälle (Use cases) definiert. Dies
erfolgt im Rahmen eines moderierten Co-Creation-Prozesses wie in Abbildung 6 dargestellt.
Die Systemarchitektur, Smart-Home Anwendungen und Service Plattformen sowie die tech-
nischen und regulatorischen Rahmenbedingungen für die Umsetzung werden nachfolgend im
Projekt noch näher spezifiziert. Es ist zu erwarten, dass sich die vorgeschlagenen Lösungen
8
Siehe [5], [6]
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abhängig vom nationalen Kontext, auf Grund des unterschiedlichen Energieverbrauchverhalt-
ens, klimatischer Bedingungen, etc. zum Teil signifikant unterscheiden. Aus diesem Grund
werden die Lösungen in drei unterschiedlichen Ländern umgesetzt. Darüber hinaus werden
auch die Aspekte Datenschutz, Datensicherheit, Cybersecurity und der Regulierungsrahmen
auf nationaler Ebene untersucht. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen mittelfristig einen
großflächigen Rollout in unterschiedlichen europäischen Regionen unterstützen.
Abbildung 6: Co-Creation-Prozess und Akteure
„Technology Development“ Phase: In dieser Phase werden aufbauend auf den Ergeb-
nissen der Analyse- und Definitionsphase die technischen Lösungen entwickelt. In einem
ersten Schritt werden typische Verbrauchergruppen identifiziert und deren Eigenschafen sowie
das typische Verbrauchsverhalten ermittelt. Auf diese Weise können Verbrauchermuster und
maßgeschneiderte DR Maßnahmen konzipiert werden. Die Projektergebnisse werden in
weiterer Folge auch zur Entwicklung der Modelle für die digitalen Zwillinge der Verbraucher-
gruppen verwendet. Darüber hinaus werden energiebezogene Services zur Optimierung von
Energieerzeugung und Speichern in den Haushalten unter der Verwendung lokaler Last- und
Erzeugungsprogosen entwickelt, eine Plattform für den Peer-to-Peer Handel von Flexibilität
und Smart Home Anwendungen mit energiebezogenen Services und Komponenten zu
Gesamtlösungen zusammengeführt.
„Demonstration“ Phase: Die Demonstrationsphase beginnt mit dem Test der entwickelten
Lösungen unter Laborbedingungen. Im Zuge eines iterativen Prozesses werden dabei mög-
liche Mängel identifiziert und behoben. Damit soll die Entwicklung praktisch umsetzbarer Lös-
ungen sichergestellt werden. Um eine breite Teilnahme der Kunden in den Pilotregionen zu
gewährleisten, kommen die vorab konzipierten nutzerorientierten Anreizsysteme zum Einsatz.
Die speziellen SENDER Anwendung werden in der Folge in den teilnehmenden Haushalten in
den Pilotregionen installiert und deren Einsatz und Wirkungsweise mit speziellen KPIs
überwacht. Basierend darauf werden Berichte über die Wirkungsweise und identifizierte
Probleme erstellt sowie Verbesserungsvorschläge abgeleitet.
Pilotregionen
Die im Projekt gewählten Pilotregionen unterscheiden sich bewusst in Bezug auf ihre geo-
graphische Lage und Gegebenheiten, ihre Kultur sowie ihre Energiebedürfnisse. Mit Finnland,
Österreich und Spanien wurden Länder in Nord-, Mittel und Südeuropa gewählt.
Finnland: Der finnische Standort liegt im Süden des Landes, in einem Bezirk der Stadt Espoo,
die vor allem aus einem Universitäts- und Forschungscampus besteht. Der Projektpartner VTT
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betreibt dort mit Smart Otaniemi Innovation Ecosystem eine Pilotregion, in welcher Unter-
nehmen, Städte und Forschungseinrichtungen neue Lösungen in den Bereichen Sektoren-
kopplung und Digitalisierung umsetzen können. Im Rahmen des SENDER Projekts liegt der
Fokus auf der Ermittlung und Vermarktung des Flexibilitätspotentials von Elektrofahrzeugen.
Hierfür werden neue Ansätze der Datenanalyse und Lastprognose für die Ladeinfrastruktur
entwickelt und Kunden neue Services, welche auf die Daten der Ladeinfrastruktur und Elektro-
autos zurückgreifen, angeboten. Zudem wird das Ziel verfolgt, alle energiebezogenen Daten
auf einer zentralen Plattform zur Verfügung zu stellen, um so eine Optimierung in einem erwei-
terten Kontext zu ermöglichen.
Österreich: Die österreichische Pilotregion befindet sich in Weiz in der Steiermark und wird
vom Projektpartner Innovationszentrum Weiz betreut. Im Zusammenhang mit dem dort im
Entstehen begriffenen neuen Stadtviertel soll die systematische Erweiterung von groß-
flächigen Photovoltaiksystemen gemeinsam mit Stromspeicheranlagen, Lade- und Car-
sharing-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge vorangetrieben werden. Im Zuge des SENDER
Projekts soll die bereits bestehende Gebäude-Datenbank in Bezug auf Elektrizitäts- und Ver-
braucherverhalten erweitert werden. Zusätzlich werden in zirka 200 Haushalten Energiedaten
erhoben und Messgeräte installiert, um Informationen über Elektrizitätsverbrauch und deren
Verwendung in DR Management Systemen zu sammeln.
Spanien: Der spanische Projektpartner ADEE ist in Alginet in der Nähe von Valencia ange-
siedelt. ADEE ist eine Genossenschaft der lokalen Stromendkunden und gleichzeitig Besitzer
des lokalen Verteilernetzes. Auf Grund dieser besonderen Eigentümerstruktur, steht die
Optimierung des Netzes für die Verbraucher im Vordergrund. Mit Hilfe des bestehenden
SCADA Systems kann ADEE auf verschiedene Anlagen und Geräte im Netz per Fernwirk-
technik zugreifen. Zudem sind alle Zählpunkte im Netz mit Smart Metern ausgestattet, mit
welchen die Verbrauchsdaten an eine zentrale Datenbank übermittelt werden. Im Zuge des
SENDER Projekts sollen erste DR Maßnahmen in der Pilotregion umgesetzt werden und diese
sukzessive um zusätzliche Energiedienstleistungen erweitert werden.
„Evaluation“ Phase: In der Bewertungsphase erfolgt eine umfassende Analyse der imple-
mentierten Lösungen in den Pilotregionen. Basierend auf den Erkenntnissen werden konkrete
Empfehlungen für einen großflächigen Rollout abgeleitet. Dabei wird im Besonderen die
Bewertung aus Sicht von Wissenschaft, Gesellschaft, Umwelt, Regierung und Industrie be-
rücksichtigt. Die Co-Creation Steering Group nimmt dabei eine wichtige Rolle ein.
„Replication“ Phase: In der Phase der großflächigen Ausrollung werden Geschäftsmodelle
für die weitere Vermarktung der SENDER Lösungen entwickelt. Dabei werden auch regionale
Umsetzungshindernisse und Einschränkungen mitberücksichtigen. Diese Geschäftsmodelle
stellen die Grundlage für ortsspezifische Nutzungspläne und Umsetzungs-Roadmaps dar. Im
Rahmen dieser Phase werden zudem die Skalierbarkeit der SENDER Lösungen untersucht
und Empfehlungen für zukünftige Vermarktungspotentiale erarbeitet. In diesem Zusammen-
hang werden die Rückmeldungen aller Stakeholder im gesamten Innovationsentwicklungs-
und Replikationsprozess gesammelt, analysiert und in den Nutzungsplan integriert.
Abschließend werden von den Konsortialpartnern Empfehlungen für den Umgang mit
geistigem Eigentum, für die Phase nach dem Projekt erarbeitet.
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6 Entwicklungen über aktuellen Stand der Technik
Im folgenden Abschnitt wird dargestellt, inwiefern die in SENDER entwickelten Lösungen über
den aktuellen Stand der Technik hinausgehen und damit neue innovative Ansätze zur Nutzung
des Flexibilitätspotentials im Haushaltsbereich darstellen.
6.1 Innovative thermische Speicher
TES sind als Mittel zur Integration erneuerbarer Energien auf der Erzeugungsseite weitgehend
anerkannt, ihr Einsatz ist aber auch auf der Nachfrageseite möglich
9
. TES können als sensible
Wärmespeicher, Latentwärmespeicher oder thermochemische Wärmespeicher ausgeführt
werden. Das Interesse für den Einsatz dieser Technologien zur Verbrauchsflexibilisierung hat
sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Dies schließt auch die Berücksichtigung der
thermischen Gebäudemaße als VTES mit ein. Trotz des gestiegenen Interesses und umfang-
reicher Forschungsarbeiten
10
auf dem Gebiet der thermischen Speicher, ist es aber nach wie
vor erforderlich, die Gebäudeintegration sowohl aus technischer als auch aus wirtschaftlicher
Sicht weiterzuentwickeln
11
. Neben den genannten thermischen Speichertechnologien stellen
auch P2H-Anwendungen wirksame Flexibilitätsmaßnahmen dar. In diesem Zusammenhang
ist vor allem die Wärmepumpe als ausgereifte und günstige Technologie zu nennen. Auch
elektrische Heizkessel werden als relevante Option erachtet
12
.
Viele der derzeit verfügbaren TES-Anwendungen besitzen jedoch keine intelligente Logik, um
Parameter wie den thermischen Bedarf im Gebäude (kühlen, heizen, Warmwasser) oder die
individuellen Komfortwünsche der Kunden mit zu berücksichtigen und gemeinsam zu opti-
mieren. SENDER entwickelt daher eine über den Stand der Technik hinausgehende Logik,
welche den Einsatz der TES- und P2H-Anwendungen in Echtzeit gleichzeitig koordiniert und
optimiert. Das entwickelte VTES-Modul steuert dabei Anwendungen wie Heiz- und Klima-
geräte oder Warmwasserboiler und kann dabei die Komfortbedürfnisse der Bewohner mit-
berücksichtigen. Das VTES-Modul kann für verschiedene Geräte und Gebäudetypen einge-
setzt werden, unabhängig von deren Größe, Nutzung und baulichen Merkmale. Persona-
lisierten Komfortprofile der Bewohner erlauben die Vorgabe von Kenngrößen wie Innen-
raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit oder Warmwasserbedarf. Durch die Speisung der Nutzer-
modelle mit Echtzeitsensordaten kann das Flexibilitätspotential eines individuellen Haushalts
ermittelt werden. Dies passiert unter Berücksichtigung von
• Komfortvorgaben der Bewohner;
• Warmwasserbedarf im Haushalt und Verbrauchsprofil des Warmwasserboilers;
• einem dynamischen thermischen Modell der Gebäudemaße;
• einem dynamischen thermischen Modell des Warmwasserboilers.
9
Siehe [7], [8]
10
Siehe [9]
11
Siehe [10]
12
Siehe [11]
12. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2021
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Daraus kann das zeitliche Verlagerungspotential der Heiz- und Klimageräte im Gebäude sowie
des Warmwasserboilers ermittelt werden und der Haushalt durch Bereitstellung von Netz-
dienstleistungen zur Erhöhung der Netzstabilität bereitragen. Es können zudem auch zukünftig
verfügbare Informationen wie zeitveränderliche Tarife als Steuerungssignale mitberücksichtigt
werden.
6.2 Zustandsbasierte Flexibilitätsprofile
Der zunehmende Anteil von erneuerbaren Energien erfordert einen zunehmend flexiblen
Netzbetrieb, der von der flexiblen Erzeugung über stärkere Übertragungs- und Verteilungs-
systeme bis hin zur Speicherung und flexiblen Nachfrage reicht. Das Konzept des "flexiblen
Netzes" zielt darauf ab, die Verbraucher zu aktiven Akteuren im Energiemarkt zu machen, die
ihre Rolle über den einfachen Bezug von kWh aus dem Netz hinaus ausweiten. Die Fähigkeit
zur Nachfrageflexibilität ist zwar nicht neu, aber die neue Generation von Kommunikations-
und Steuerungstechnologien ermöglicht es, dass Verbraucher kontinuierlich auf veränderte
RES-Angebote und andere Marktsignale reagieren
13
.
Eine Lücke besteht jedoch in der Fähigkeit individuelle Kundenbedürfnisse und Informationen
über den Zustand im Gebäude in der Flexibilisierung der Last mit zu berücksichtigen. Das
SENDER Projekt schließt diese Lücke durch die Entwicklung eines neuartigen ganzheitlichen
Flexibilitätsmanagementsystem, welches mittels Komfortmodellierungstechniken und Echt-
zeitmessdaten aus dem Gebäude die Komfortparameter (z.B. Temperatur, Beleuchtungs-
stärke, etc.) ermittelt und basierend darauf die kurzfristige Nachfrageflexibilität (von 15 Minuten
bis 1 Stunde in die Zukunft) bestimmt. Auf diese Weise kann das Energiemanagement auf
Gebäudeebene optimiert werden, ohne den Betrieb zu stören oder den Komfort der Gebäude-
nutzer zu beeinträchtigen. Diese Flexibilität kann in weiterer Folge für verschiedene DR-
Strategien eingesetzt werden.
6.3 Digitaler Zwilling und Nutzerverhalten
Ein Digitaler Zwilling ist ein Modell eines physischen Prozesses, Objektes oder einer Dienst-
leistung und hat durch die Fortschritte in den Bereichen IoT, Big Data, ML und KI sehr stark
an Bedeutung gewonnen. In der jüngeren Zeit wurde das Konzept des Digitalen Zwillings auch
auf die Modellierung der Art und Weise, wie Menschen in ihrer physischen Umgebung leben
und arbeiten, ausgeweitet. Es besitzt jedoch nach wie vor großes ungenutztes Potential
14
.
In SENDER werden Digitale Zwillinge aus der Fertigungsindustrie genutzt und diese mit
unterschiedlichen Modellen zur Simulation des Nutzerverhaltens in Gebäuden kombiniert
15
.
Die Modelle für das Nutzerverhalten werden dabei in den drei folgenden Bereichen über den
Stand der Technik hinaus entwickelt
• Skalierbarkeit und flexible Einbindung neuer Arten von Verbrauchertypen;
• Verwendung einer standardisierten Methode (IEA EBC Annex 66);
13
Siehe [12]
14
Siehe [13]
15
Siehe [14], [15]
12. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2021
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• Bewertung der Funktionsweise des Modells auf Basis umfassender verhaltens- und
anwendungsorientierter Metriken.
Ziel ist die Einreichung eines Patents für den in SENDER entwickelten Digitalen Zwilling der
Verbraucher. Dieser soll dazu beitragen das Nutzverhalten und damit auch den Energie-
verbrauch in Gebäuden besser zu verstehen bzw. diesen besser vorhersagen zu können.
6.4 Prognose von Last und Demand Response
Last- und Erzeugungsprognosen erreichen eine relativ hohe Genauigkeit, wenn sie für größere
Netzbereiche erstellt werden. Wesentlich komplexer wird die Aufgabe jedoch, wenn kleinere
Abschnitte betrachtet werden sollen, wie z. B. Netzabzweige, eine Teilmenge der Nutzer oder
sogar nur einzelne Verbraucher. In diesem Fall sind traditionelle Prognosemethoden, die für
großräumige Vorhersagen eingesetzt werden, nur begrenzt anwendbar und alternative An-
sätze erforderlich.
Durch den Einsatz von intelligenten Zählern können in Zukunft große Mengen an Verbrauchs-
und Erzeugungsdaten erfasst werden. Die großen Fortschritte im Bereich von ML ermöglichen
es, basierend auf diesen Informationen, individualisierte Prognosemodelle für einzelne Haus-
halte und Nutzer zu erstellen. Viele der derzeit eingesetzten Prognosemodelle stützen sich
dabei auf probabilistische Ansätze. Diese werden jedoch zumeist für Betrachtungen auf einer
höheren aggregierten Ebene eingesetzt. Nur wenige wissenschaftliche Arbeiten beschäftigen
sich mit dem Einsatz probabilistischer Ansätze auf der Ebene der einzelnen Nutzer.
SENDER fokussiert sich genau auf diesen Bereich und wird unter Einsatz von ML proba-
bilistische Prognoseverfahren für einzelne Verbraucher entwickeln und diese mit Hilfe von Ver-
haltensmustern, Zustandsinformationen der Gebäude und soziale Eigenschaften der Ver-
braucher wie Alter, Einkommen, etc. weiter verfeinern. Auf der Erzeugungsseite wird das
probabilistische Prognosemodell mit lokalen Wettervorhersagedaten ergänzt, die aus globalen
Zirkulationsmodellen abgeleitet werden. Nach der Implementierung der Modelle wird deren
Effektivität für lokale Erzeugungs- und Verbrauchsprognosen ermittelt und kritisch analysiert.
Im Rahmen des SENDER Projekts werden die Modelle zur Ermittlung von Basisszenarien für
den Verbrauch von Nutzern einsetzt. Dadurch kann die Effektivität unterschiedlicher DR-
Strategien verglichen und bewertet werden. Ein weiterer Einsatz der entwickelten Prognose-
werkzeuge ist in Energiemanagementsystemen im Haushaltsbereich angedacht.
6.5 Verbraucherbeteiligung an der Energiewende
Untersuchungen zeigen, dass die Anreize für eine aktive Beteiligung von Verbrauchern an der
Energiewende vielfach noch nicht ausreichend sind
16
. Obwohl Möglichkeiten für eine aktive
Beteiligung an der Energiewende gegeben sind, z.B. durch Bürgerkraftwerke oder die Rolle
des Prosumers, werden diese nur unzureichend angenommen. Dieser Umstand kann als
Hinweis auf einen lückenhaften sozio-organisatorischen Wandel gedeutet werden. Der
Übergang zu einem nachhaltigen und rein auf erneuerbaren Energien basierenden System
erfordert einen tiefgreifenden, systemischen Wandel an den Orten, an denen diese neuen
16
Siehe [16]
12. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2021
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Technologien errichtet und betrieben werden sollen
17
. Es ist daher wichtig die Haupttreiber für
eine aktive Bürgerbeteiligung und den Umgang von Bürgern mit dem Thema Energie zu
ermitteln, wenn eine breite Beteiligung der Bevölkerung erzielt werden sollte.
Im Rahmen von SENDER wird daher eine umfassende Analyse der Einstellung von Verbrau-
chern in Bezug auf eine aktive Teilnahme an der Energiewende durchgeführt. Dabei werden
regionale, soziale, geschlechterspezifische und klimatische Faktoren mitberücksichtigt
18
.
Diese Analyse ist Teil des Co-Creation-Prozesses und wird dabei auch auf bestehendes
Wissen aus den Horizon 2020 Projekten SHAPE-ENERGY, ELAND und PEAK-APP aufbauen.
Die Ergebnisse der Analyse werden zur Entwicklung von Rahmenbedingungen und Prozessen
verwendet, welche die soziale Akzeptanz und die aktive Beteiligung der Verbraucher an der
Energiewende stärken sollen.
6.6 Virtuelles Labor
Ein besonderes Merkmal moderner Energiesysteme stellt deren Interoperabilität dar. Diese
ermöglicht die Zusammenarbeit von Geräten unterschiedlichen Typs und unterschiedlicher
Anbieter. Auf EU-Ebene wurden große Anstrengungen unternommen die Interoperabilität zu
verbessern
19
, da diese als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung neuer
Lösungen gesehen wird.
SENDER wird daher mit „Interoperability by Design“ eine neue Methode zur Gewährleistung
der Zusammenarbeit unterschiedlicher Geräte entwickeln. Hierbei wird in einem virtuellen
Labor (VLab) die Interoperabilität als wesentliches Merkmal der Anwendungen von der
Entwicklungsphase bis zur Test- und Überprüfungsphase integriert. Alle Projektpartner werden
in die Spezifikation des Systems eingebunden. Basierend darauf werden Aktoren, Interfaces
und APIs Software Development Kits (SKDs) entwickelt, eine Systemdokumentation erstellt
und schlussendlich ein transportfähiger Prototyp eines Testsystems angefertigt, der den
Projektpartner zur Verfügung gestellt werden kann. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass
jeder Projektpartner ein klares Bild bzgl. des vorgeschlagenen Testsystems besitzt und in der
Folge alle Services und Dienstleistungen unter gleichen Testbedingungen effizient entwickelt
werden können. Die gewonnenen Erfahrungen aus dem SENDER Projekt werden zur Defi-
nition der Rahmenbedingungen verwendet, die für einen „Interoperability-by-Design“ Ansatz
erfüllt sein müssen. Diese Rahmenbedingungen können in zukünftigen Projekten auf EU-
Ebene die Gewährleistung einer maximalen Interoperabilität auf kosteneffiziente Weise sicher-
stellen.
6.7 SENDER Innovations- und Marktpotential
Derzeit verfügbare Energiemanagementsysteme für den Haushaltsbereich werden zumeist
zur Optimierung des Eigenverbrauchs von PV-Anlagen eingesetzt. Darüber hinaus gibt es
noch verschiedene Smart-Home Produkte, die intelligente Steuerungsmöglichkeiten für den
Haushaltsbereich zur Verfügung stellen und dabei auch auf Wetter- oder Strahlungsdaten aus
17
Siehe [16]
18
Siehe [17]
19
Siehe http://www.ecis.eu/
12. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2021
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dem Internet zurückgreifen
20
. Auch Konzern wie Google oder Amazon sind mit speziellen
Produkten (Google Home Hub, Amazon Echo) in den Markt eingetreten. Viele dieser
Lösungen berücksichtigen die Kundenbedürfnisse jedoch nur unzureichend.
Die in SENDER entwickelten Lösungen werden über diesen Stand der Technik hinausgehen.
Durch den Co-Creation-Prozess werden potentielle Kunden in den Entwicklungs- und Spezi-
fikationsprozess miteingebunden. Dadurch sollen die entwickelten Lösungen die Kundenbe-
dürfnisse in besonderer Weise widerspiegeln. Aus Sicht der Datennutzung stellen die lokale
Erzeugungs- und Verbrauchsprognose mittels probabilistischem Ansatz sowie die Nutzung
von Sensordaten mittels KI zwei Kerninnovationen dar. Eine weitere Besonderheit ist das
breite Einsatzgebiet der entwickelten Anwendungen. Während derzeit verfügbare „Insel-
lösungen“ zumeist nur für einen Zweck verwendet werden können (z.B. Home-Security, Home-
Automation oder Energiemanagement) deckt SENDER eine Reihe von Anwendungen (z.B.
DR, V2G, Home Convenience, Home Security, etc.) ab. Durch die Einbettung von DR in dieses
Bündel an Services, kann auch die langfristige Nutzung durch die Verbraucher unterstützt
werden. Ein weiterer Vorteil der SENDER Lösung besteht darin, dass diese die Errichtung
„echter“ Energiegemeinschaften ermöglicht. Während derzeit verfügbare Produkte für den
Massenmarkt entwickelt wurden und lediglich die Errichtung von Gemeinschaften mit
anonymen Anwendern erlauben, können mit der SENDER Lösung lokale Energiegemein-
schaften oder Kooperationen errichtet werden. Auch Netzbetreiber und Energieversorger
können die SENDER Lösung einsetzen, um Flexibilität lokal zu nutzen
21
oder Kundentreue
lokal zu fördern. Insgesamt hat das Konsortium die 11 folgenden Schüsselanwendungen
identifiziert, welche nach Projektende zur weiteren Vermarktung genutzt werden können.
• SENDER Smart Box
• Kontextbezogenes Flexibilitätsmanagement
• Intelligentes Lademanagement für Elektrofahrzeuge
• Methodik zur Definition, Integration und Prüfung der Interoperabilität
• Frontend Anwendungen
• Intelligente Warmwasserbereitung
• Digitaler Zwilling der Haushaltsverbraucher
• Lokale Erzeugungs- und Verbrauchsprognosen
• Peer-to-Peer Handelssystem
• Virtuelles Labor (VLab)
• Global Plattform für SENDER Anwendungen
7 Regulatorische Rahmenbedingungen für Demand Response und
Kundenbeteiligung
Im nun folgenden Abschnitt werden die Zwischenergebnisse aus der Analyse der regula-
torischen Rahmenbedingungen für Demand Response und eine aktive Beteiligung von
20
Ein Beispiel für diese Produktkategorie ist die Anwendung Sunny Home Manager.
21
Siehe z. B. die gemeinsame Zusammenarbeit des deutschen Übertragungsnetzbetreibers Tennet mit
Sonnen auf diesem Gebiet (https://www.tennet.eu/news/detail/europes-first-blockchain-project-to-
stabilize-the-power-grid-launches-tennet-and-sonnen-expect-res/)
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Endkunden am Strommarkt dargestellt. Ziel ist es, die für die praktische Umsetzung der
SENDER Lösungen relevanten Rechtsakte und Bestimmungen zu identifizieren. In einem
nachgelagerten Schritt, welcher sich derzeit noch in der Ausarbeitung befindet, wird basierend
auf den hier dargestellten Rahmenbedingen die rechtskonforme Umsetzung der Pilotprojekte
vorab geprüft werden.
7.1 Energierecht
Die regulatorischen Rahmbedingungen des Projekts ergeben sich durch das vielschichtige
Zusammenspiel nationaler und EU-rechtlicher Bestimmungen. Insbesondere das letzte EU-
Energierechtspakt „Saubere Energie für alle Europäer“ enthält konkrete Zielvorgaben und
Vorschriften für die Integration von DR-Marktteilnehmern in den gesamten europäischen Ener-
giebinnenmarkt. Diese Integration hat unter Berücksichtigung marktwirtschaftlicher und wett-
bewerbsrechtlicher Prinzipien die Gleichbehandlung und Nicht-Diskriminierung aller Marktteil-
nehmer zu beachten, Transparenz sicherzustellen sowie die Erreichung des energie-
politischen Zieldreiecks aus Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicher-
heit zu fördern.
Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Vorgaben der Elektrizitätsbinnenmarktverordnung
sowie der nationalen Umsetzungen der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie [RL (EU) 2019/944]
zu richten, wobei auch andere relevante EU-Rechtsakte sowie deren nationale Umsetzungen
für die abschließende Klärung einzelner Detailfragen herangezogen werden müssen.
Erstmalig wird das Konzept von DR im EU-Recht definiert und dadurch auch EU-weit harmoni-
siert. Artikel 2 Z 20 RL (EU) 2019/944 besagt, dass DR „eine Abweichung der Endkunden-
Elektrizitätslast von ihren üblichen oder aktuellen Stromverbrauchsmustern als Reaktion auf
Marktsignale, etwa zeitabhängige Strompreise oder Anreizzahlungen, oder als Reaktion auf
das angenommene Angebot eines Endkunden, eine Nachfrageverringerung oder -erhöhung
zu einem bestimmten Preis auf einem organisierten Elektrizitätsmarkt […] zu verkaufen, allein
oder durch [Aggregation]“. Durch DR soll die Teilnahme und Teilhabe von Verbrauchern am
gesamten Elektrizitätsbinnenmarkt und somit auf sämtlichen geeigneten Teilmärkten gefördert
und verstärkt werden. Voraussetzung dafür ist eine großflächige Ausrollung von geeigneter
technischer Infrastruktur sowie die Schaffung von Möglichkeiten von Einzelpersonen und
Aggregatoren als Marktteilnehmern auf den unterschiedlichen Elektrizitätsmärkten aktiv zu
werden (Artikel 17 Abs 1 RL (EU) 2019/944). Maßgeblich dafür sind die in den jeweiligen
Ländern geltenden Marktregeln, die die Rolle von Aggregatoren und so genannten „aktiven
Kunden“ in Zusammenhang mit DR definieren. Dafür sollen, insbesondere für die neu
geschaffene Rolle von Aggregatoren, nationale Regelungsrahmen geschaffen werden, die
mindestens folgende Elemente enthalten (Artikel 17 Abs 3 RL (EU) 2019/944):
• Recht für (unabhängige) Aggregatoren auf Zutritt zu Elektrizitätsmärkten – ohne Zu-
stimmung anderer Marktteilnehmer;
• Diskriminierungsfreie und transparente Aufgaben und Zuständigkeiten aller Elektri-
zitätsunternehmen und Kunden;
• Diskriminierungsfreie und transparente Regeln und Verfahren für den Datenaustausch,
die den Schutz wirtschaftlich sensibler Informationen und der personenbezogenen
Daten der Kunden sicherstellen;
• Übernahme der finanziellen Verantwortung durch die Aggregatoren für die im Strom-
netz verursachten Ungleichgewichte;
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• Diskriminierungsverbot für Kunden die Verträge mit unabhängigen Aggregatoren
abgeschlossen haben;
• Streitbeilegungsmechanismus.
Im Rahmen der Überarbeitung der Marktregeln muss sichergestellt werden, dass die Teil-
nahme an den jeweiligen Elektrizitätsmärkten, insbesondere für Regelenergie, auch für DR
technisch und rechtlich möglich ist. Zusätzlich ist sicherzustellen, dass es weder für Anbieter
von DR noch für die Verbraucher zu Mehrkosten oder -aufwand kommt, wobei es jedoch auch
zu keiner Bevorzugung von DR kommen darf und Kosten, die durch die Aktivierung von DR
entstehen, auszugleichen sind [Artikel 17 Abs 4 RL (EU) 2019/944]. Diesbezüglich sind auch
die jeweiligen Tarife oder Methoden von den nationalen Regulierungsbehörden zu überprüfen.
7.2 Verbraucher- und Datenschutzrecht
Von besonderer Bedeutung ist, neben den energierechtlichen Rahmenbedingungen, auch der
vertragliche Rahmen, der derartigen Geschäftsmodellen zugrunden liegt. Dabei sind insbe-
sondere verbraucherschutzrechtliche als auch datenschutzrechtliche Vorgaben zu berück-
sichtigen, da durch die Einbindung zusätzlicher Markteilnehmer auch zusätzliche Vertrags-
beziehungen und Datenflüsse entstehen. Dabei ist insbesondere auf eine ausreichende,
kostenfreie, regelmäßige und klar verständliche Information der Verbraucher zu achten.
Soweit die Verarbeitung personenbezogener Daten ein Kernaspekt von SENDER ist, indem
Daten zur Identifizierung von Verhaltensmustern von Einzelpersonen, z. B. von Teilnehmern
an Pilotprojekten, erhoben werden, müssen datenschutzrechtliche Grundsätze in sämtlichen
Anwendungen beachtet und diese jeweils einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Es ist
sicherzustellen, dass Verbrauchdaten unter Kontrolle der Nutzer verarbeitet und nicht ohne
weiteres mit direktem oder indirektem Personenbezug an Dritte übermittelt werden.
Überdies ist zu gewährleisten, dass technische und organisatorische Maßnahmen nach dem
jeweils aktuellen Stand der Technik implementiert werden, die die Vertraulichkeit, Integrität,
Verfügbarkeit und Transparenz bei der Verarbeitung aller relevanten Verbrauchs- oder Steuer-
ungsdaten sicherstellen. Hierzu gehören insbesondere geeignete Verschlüsselungstechno-
logien. Die Anforderungen an den technischen Datenschutz sowie die IT-Sicherheit muss
jedenfalls der Sensitivität der Daten und den zu erwartenden Missbrauchsrisiken Rechnung
tragen.
7.3 Europäische und nationale Dimension
Wie eingangs erwähnt, sind für die Prüfung der regulatorischen Anforderungen in den Pilot-
projekten die nationalen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen. Die europäische Rechts-
setzung richtet sich lediglich an die nationalen Gesetzgeber und definiert die groben Rahmen-
bedingungen für eine effiziente Integration von DR in den Strommarkt. Die Umsetzung in den
Mitgliedsstaaten erfolgt durch die jeweiligen Gesetzgeber und kann sich auf Grund nationaler
Besonderheiten, wie unterschiedlichen Kompetenzverteilungen oder abweichenden Markt-
regeln und Bestimmungen zum Teil sehr deutlich unterscheiden. Die Prüfung der Rechts-
konformität in der Umsetzung hat daher immer unter Berücksichtigung der nationalen
Vorgaben zu erfolgen und ist für jede Pilotregion separat durchzuführen.
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8 Ergebnis und Schlussfolgerungen
SENDER ist ein Demonstrations- und Systementwicklungsprojekt in dem neue und intelligente
Lösungen zur Bereitstellung sauberer Energie für Verbraucher entwickelt werden sollen. Der
Fokus des Projekts liegt auf der aktiven Einbindung von Haushaltskunden in den Strommarkt,
so dass diese ihr verfügbares Flexibilitätspotential dem Markt zur Verfügung stellen. Um
sicherzustellen, dass dies auch langfristig der Fall ist, werden in einem Co-Ceation Prozess
gemeinsam mit den Kunden neue Services und Dienstleistungen entwickelt, die einen
nachhaltigen Mehrwert stiften. Dies können einerseits energiebezogene aber auch darüber-
hinausgehende Anwendungen wie Gebäudeschutz mittels Bewegungssensoren oder
Assisted-Living Lösungen sein. Durch die längerfristige Nutzung dieser Services bleibt auch
die Flexibilität der Kunden längerfristig verfügbar. Damit adressiert das Projekt einen der
wesentlichsten Probleme in der aktiven Einbindung von Haushaltskunden in den Strommarkt.
Auf Grund des Umstands, dass sich das Projekt noch in einer sehr frühen Phase befindet,
liegen noch keine abschließenden Ergebnisse vor.
Ein weiterer Aspekt, welcher in Rahmen des Projekts intensiv untersucht wird, sind die
regulatorischen Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Lösungen in den Pilotprojekten.
Wie die hier präsentierten Zwischenergebnisse zeigen, spielen neben den energierechtlichen
Vorgaben auch verbraucher- und datenschutzrechtliche Themen eine wichtige Rolle. Da vor
allem im Energierecht viele Vorgaben einer nationalen Umsetzung bedürfen und sich von
Mitgliedsland zu Mitgliedsland deutlich unterscheiden können, ist allenfalls eine detaillierte
Überprüfung der regulatorischen Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene erforderlich.
Diese wird in einem nächsten Schritt gemeinsam mit den Projektpartnern in den Pilotregionen
erfolgen.
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