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ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
1
Weißbuch
Citizen Science-Strategie 2030
für Deutschland
Version 5.8.2021
Entwurf zur öffentlichen Konsultation
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
2
Impressum
Bonn, A., Brink, W., Hecker, S., Herrmann, T.M., Liedtke, C., Premke-Kraus, M., Voigt-Heucke S., v.
Gönner, J., Altmann, C., Bauhus, W., Bengtsson, L., Brandt, M., Bruckermann, T., Büermann, A.,
Dietrich, P., Dörler, D., Eich-Brod, R., Eichinger, M., Ferschinger, L., Freyberg, L., Grützner, A.,
Hammel, G., Heigl, F., Heyen, N.B., Hölker, F., Johannsen, C., Kiefer, S., Klan, F., Kluß, T., Kluttig, T.,
Knapp, V., Knobloch, J., Koop, M., Lorke, J., Munke, M., Mortega, K.G., Pathe, C., Richter, A.,
Schumann, A., Soßdorf, A., Stämpfli, T., Sturm, U., Thiel, C., Tönsmann, S., van den Bogaert, V.,
Valentin, A., Wagenknecht, K., Wegener, R., Woll, S. (2021): Weißbuch Citizen Science Strategie 2030
für Deutschland. Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft,
Universitäten und außeruniversitäre Einrichtungen, Leipzig, Berlin. SocArXiv.
osf.io/preprints/socarxiv/ew4uk.
Danksagung
Dieses Weißbuch ist unter Beteiligung von über 150 Personen aus 115 Organisationen (siehe Liste, S.
x) aus wissenschaftlichen Einrichtungen, Museen und Archiven, Bibliotheken, Wissenschaftsläden,
Verbänden und Vereinen, Fachgesellschaften, Stiftungen sowie Privatpersonen entstanden, die sich
am AG Weißbuch-Prozess im Rahmen der Dialogforen und AG-Treffen, Schreibwerkstätten und der
umfangreiche online Citizen Science 2020 Umfrage beteiligt haben. Die öffentliche Online-
Konsultation im Juli -Sep 2021 mit x Beteiligten und die Positionspapiere aus x Organisationen
ermöglichten einen vertieften Review durch Bürger:innen und gesellschaftliche Akteur:innen.
Ermöglicht wurde dies Weißbuch durch das große Engagement aller Autor:innen und Mitwirkenden
in der AG Weißbuch, den öffentlichen Dialogforen, den Strategiewerkstätten und der öffentlichen
Konsultation. Finanziert wurde der Prozess durch eine 50 %-Koordinationsstelle des UFZ und durch
Zusammenarbeit mit dem Bürger schaffen Wissen Team, eine BMBF-Förderung für das 2.
Dialogforum sowie eine umfangreiche Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die
eine breite öffentliche Bürger:innen Beteiligung ermöglichte, u.a. mit der öffentlichen online
Konsultation, der Erstellung eines Begleitfilms, sowie der Publikation und des öffentlichen Launch des
Weißbuchs. Das Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften (GESIS) unterstützte fachlich die
Entwicklung der Citizen Science-Umfrage 2020.
Wir möchten uns bei allen Mitwirkenden, Teilnehmenden, Reviewern und Unterstützern des
Weißbuch Prozesses recht herzlich bedanken!
Disclaimer
Die in diesem Weißbuch geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen der
Beteiligten oder ihren Organisationen übereinstimmen
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative-Commons-Namensnennung – CC BY SA - Weitergabe
unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Satz und Layout: x
Lektorat: x
Druck: x
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
3
Beteiligte Autoren und Autorinnen
Koordinierende Leitautor:innen des Weißbuchs (in alphabetischer Reihenfolge)
Bonn, Aletta Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung-UFZ /
Friedrich-Schiller-Universität Jena / Deutsches Zentrum für integrative
Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Brink, Wiebke Wissenschaft im Dialog
Hecker, Susanne Museum für Naturkunde Berlin- Leibniz-Institut für Evolutions- und
Biodiversitätsforschung
Herrmann, Thora Martina Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung-UFZ / Deutsches Zentrum für
integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Liedtke, Christin Helmholtz-Gemeinschaft, Geschäftsstelle Berlin
Premke-Kraus, Matthias Geschäftsstelle der Leibniz-Gemeinschaft
Voigt-Heucke, Silke Museum für Naturkunde Berlin - Leibniz-Institut für Evolutions- und
Biodiversitätsforschung
von Gönner, Julia Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung-UFZ / Friedrich-Schiller-
Universität Jena / Deutsches Zentrum für integrative
Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Leitende Autor:innen der 15 Handlungsfelder (in alphabetischer Reihenfolge)
Altmann, Carolin Institut für Datenwissenschaften des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt e.V. (DLR)
Bauhus, Wilhelm Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Bengtsson, Luiza Max-Delbrück Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz
Gemeinschaft
Büermann, Andrea Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung-UFZ/ Deutsches Zentrum für
integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
Brandt, Miriam Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)
Bruckermann, Till Leibniz Universität Hannover
Dietrich, Peter Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
Dörler, Daniel Universität für Bodenkultur Wien
Eich-Brod, Regina Forschungszentrum Jülich
Eichinger, Michael Universitätsmedizin Mannheim
Ferschinger, Laura Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Freyberg, Linda Museum für Naturkunde Berlin- Leibniz-Institut für Evolutions- und
Biodiversitätsforschung
Grützner, Agnes Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB)
Hammel, Gertrud Helmholtz Zentrum für Umwelt und Gesundheit München
Heigl, Florian Universität für Bodenkultur Wien
Heyen, Nils B. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
Hölker, Franz Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Johannsen, Carolin Universität Bremen
Kiefer, Sarah Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
4
Klan, Friederike Institut für Datenwissenschaften des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt e.V. (DLR)
Kluttig, Thekla Sächsisches Staatsarchiv - Staatsarchiv Leipzig
Kluß, Thorsten Universität Bremen
Knapp, Valerie Ruhr-Universität Bochum
Knobloch, Jörn Museum für Naturkunde Berlin, Universität Lübeck
Koop, Monika Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Lorke, Julia Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und
Mathematik
Mortega, Kim Museum für Naturkunde Berlin
Munke, Martin Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
Dresden (SLUB)
Pathe, Carsten Friedrich-Schiller-Universität Jena/Institut für Datenwissenschaften des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)
Richter, Anett Johann Heinrich von Thünen-Institut Bundesforschungsinstitut für
Ländliche Räume, Wald und Fischerei
Schumann, Anke Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)
Soßdorf, Anna Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Stämpfli, Tiina Science et Cité
Sturm, Ulrike Museum für Naturkunde Berlin
Thiel, Christian Institut für Datenwissenschaften des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt e.V. (DLR)
Tönsmann, Susanne Partizipative Wissenschaftsakademie
Valentin, Anke Wissenschaftsladen Bonn
van den Bogaert, Vanessa Ruhr-Universität Bochum
Wagenknecht, Katherin Technische Hochschule Wildau
Wegener, Robert Forschungszentrum Jülich
Woll, Silvia Karlsruher Institut für Technologie
Weitere Mitautor:innen (in alphabetischer Reihenfolge)
Weitere Mitautor:innen, die inhaltlich die Handlungsfeldern mitgeschrieben haben. Alle Namen
werden in der Endfassung genannt.
Weitere Mitwirkende (in alphabetischer Reihenfolge)
Mitwirkende in den Dialogforen und/oder die einen Beitrag zu den Handlungsfeldern geleistet
haben. Alle Namen werden in der Endfassung genannt.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
5
Inhaltsverzeichnis
Impressum 2
Beteiligte Autoren und Autorinnen 3
Inhaltsverzeichnis 5
Vorworte 8
Kernbotschaften 8
➢ 1. Vernetzung und Austausch 9
➢ 2. Förderinstrumente 9
➢ 3. Freiwilligenmanagement 10
➢ 4. Synergien mit der Wissenschaftskommunikation 10
➢ 5. Anerkennungskultur in und für Citizen Science 11
➢ 6. Datenqualität und Datenmanagement 11
➢ 7. Recht und Ethik 12
➢ 8. Integration in wissenschaftliche Prozesse 12
➢ 9. Integration in Bildungsprozesse 13
➢ 10. Integration in Entscheidungsprozesse 13
➢ 11. Medizin und Gesundheitsforschung 14
➢ 12. Sensorik und künstliche Intelligenz 14
➢ 13. Archive, Bibliotheken, Museen und Wissenschaftsläden 14
➢ 14. Europäische Perspektive (D-A-CH) 15
➢ 15. Begleitforschung Citizen Science 15
Einleitung 17
Was ist Citizen Science? 17
Citizen Science heute 18
Politische Rahmenbedingungen 18
Die Entwicklung der Citizen Science-Landschaft in Deutschland 20
Grünbuch Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland (2016) 23
Stand und Entwicklung von Citizen Science seit Erscheinen des Grünbuchs: 23
Was hat sich verändert seit 2016? 24
Wo gibt es neue Entwicklungen seit 2016? 24
Wo bestehen weiterhin Herausforderungen? 25
Das Weißbuch Citizen Science Strategie 2030 für Deutschland 26
Citizen Science als transformatives Potential 26
Ausblick 28
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
6
Citizen Science – Handlungsfelder 29
1. Citizen Science - Vernetzung und Austausch 29
1.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch? 29
1.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 33
1.3. Handlungsempfehlungen 35
2. Citizen Science Förderinstrumente 37
2.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch? 37
2.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 37
2.3. Handlungsempfehlungen 39
3. Citizen Science Freiwilligenmanagement 41
3.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch? 41
3.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 43
3.3. Handlungsempfehlungen 46
4. Synergien mit der Wissenschaftskommunikation 48
4.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch? 48
4.2 Citizen Science im Diskurs der Wissenschaftskommunikation 49
4.3 Was sind die aktuellen Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 49
4.4. Handlungsempfehlungen 50
5. Anerkennungskultur in und für Citizen Science 53
5.1 Situationsanalyse: Wo stehen wir mit der Anerkennung gemäß Grünbuch heute
(2016-2020) 53
5.2 Was sind die Bedarfe an Anerkennung und Wertschätzung für und in Citizen
Science? 54
5.3 Handlungsempfehlungen 56
6. Datenqualität und Datenmanagement 58
6.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch? 58
6.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 59
6.3. Handlungsempfehlungen 61
7. Recht und Ethik 63
7.1 Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch? 63
7.1.1 Recht 63
7.1.2 Ethik 63
7.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 64
7.3 Handlungsempfehlungen 66
8. Integration in wissenschaftliche Prozesse 67
8.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit der Einbindung von Citizen Science in den
Forschungsprozess? 67
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
7
8.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 70
8.3. Handlungsempfehlungen 71
9. Integration in Bildungskonzepte 74
9.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch? 74
9.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 77
9.3. Handlungsempfehlungen 78
10. Integration in Entscheidungsprozesse 80
10.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch? 80
10.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 82
10.3. Handlungsempfehlungen 84
11. Medizin und Gesundheitsforschung 86
11.1 Situationsanalyse 86
11.2 Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 86
11.3 Handlungsempfehlungen 88
12. Sensorik und künstliche Intelligenz 91
12.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch? 91
12.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 91
Herausforderungen 92
12.3. Handlungsempfehlungen 93
13. Archive, Bibliotheken, Museen und Wissenschaftsläden 96
13.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch? 96
13.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 97
13.3 Handlungsempfehlungen 99
14. Europäische Perspektive (D-A-CH) 102
14.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch? 102
14.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 105
14.3. Handlungsempfehlungen 106
15. Begleitforschung Citizen Science 107
15.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch? 107
15.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen? 108
15.3. Handlungsempfehlungen 110
Entwicklungsprozess des Weißbuchs 111
Beteiligte Organisationen, die Positionspapiere eingereicht haben 117
Literaturverzeichnis 120
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
8
Vorworte
….
Kernbotschaften
Das Weißbuch Citizen Science Strategie 2030 stellt eine Strategie mit
Handlungsempfehlungen für Deutschland vor, die Citizen Science bis 2030 stärkt, um die
Innovationspotenziale für Wissenschaft, Gesellschaft und Politik entfalten zu können. Dazu
wurden im Weißbuch 15 wegweisende Handlungsfelder identifiziert. Jedes Handlungsfeld
zeigen konkrete Ziele und zentrale Ansatzpunkte auf, wie Citizen Science in Deutschland zu
wichtigen Zielen in Politik, Gesellschaft und Wissenschaft beiträgt und wie diese bis zum Jahr
2030 intensiver verankert werden können (Abb. 1).
Die Inhalte des Weißbuchs wurden von der AG Weißbuch, einem Konsortium der Helmholtz-
Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft zusammen mit universitären
und außeruniversitären Partnern auf Basis des Grünbuchs Citizen Science Strategie 2020
entwickelt. Über 150 an Citizen Science interessierten Personen aus mehr als 115
Organisationen, wissenschaftlichen Einrichtungen, Fachgesellschaften, Vereinen und
Verbänden, Stiftungen und Einzelpersonen entwickelt. Die AG Weißbuch mit Expertinnen aus
x Organisationen und dem Lenkungskreis mit Mitgliedern aus fünf Organisationen begleitete
den Entstehungsprozess des Weißbuchs mit über 50 AG Treffen, zwei öffentlichen Dialogforen
und zwei Schreibwerkstätten von April 2020 bis Mai 2021 (vgl. Abb. 10 “Entstehungsprozess
Weißbuch”). Auch über die digitalen Veranstaltungen hinaus waren viele Menschen als
Träger:innen des Weißbuch-Entwicklungsprozesses beteiligt: so wurde das Weißbuch durch
eine bundesweite öffentliche Online-Konsultation im Juli 2021 mit x Beiträgen und durch x
Positionspapiere ergänzt. Gefördert wurde der Prozess durch das Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) und durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU).
Abb.1: Die 15 Handlungsfelder des Weißbuchs
Kernaussagen und Leitbilder für jedes Handlungsfeld
Für jedes Handlungsfeld sind in einer Kernaussage die wichtigsten Ergebnisse
zusammengefasst und Stärken, Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen
herausgearbeitet. Für jedes Handlungsfeld werden in einem Leitbild die Visionen für das Jahr
2030 skizziert.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
9
➢ 1. Vernetzung und Austausch
Wir beobachten eine zunehmende Vernetzung von Citizen Science-Akteur:innen und
einen vermehrten, vertieften Austausch innerhalb der Citizen Science-Community. Der
Austausch unter den Kolleg:innen innerhalb und zwischen Organisationen ist wesentlich für
die Wissens- und Erfahrungsweitergabe zu Citizen Science.
Leitbild: Im Jahr 2030 lebt Citizen Science durch eine Vernetzung und den Austausch
zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Die Vernetzung und der regelmäßige Austausch
werden weiter gefördert: Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Synthese, der
Weitergabe und dem Austausch der Expertise zur Initiierung, Koordination und Durchführung
von Citizen Science-Projekten und dem damit verknüpften Erfahrungswissen.
➢ 2. Förderinstrumente
Die Anerkennung von Citizen Science als Bestandteil in Forschung und Förderung und
das Angebot an Citizen Science-Förderinstrumenten hat zugenommen. Der Förderbedarf
wird jedoch noch nicht annähernd gedeckt (z.B. kann die BMBF Förderrichtlinie
Bürgerforschung mit 15 geförderten Projekten nur ein Anfang sein). Eine wichtige Rolle spielen
niedrigschwellige Förderangebote, die nur selten angeboten werden. Es fehlen spezifische
Angebote wie Anschub- und Abschlussförderung, um Finanzierungslücken zu
überbrücken. Das Angebot im Kapazitätsaufbau (Beratung, Schulung, Aus- und
Weiterbildung) sollte eine Stärkung erfahren - auch strukturell - sowie die Förderung für
Koordinationsstellen in zivilgesellschaftlichen Vereinen und an Universitäten und
außeruniversitären Forschungsorganisationen ausgeweitet werden.
Leitbild: Im Jahr 2030 wird Citizen Science durch alle Akteur:innen in Wissenschaft,
Gesellschaft, Behörden und Praxis durch strukturelle und finanzielle Maßnahmen
unterstützt (z.B. Bundes- und Landesministerien und nachgeordnete Behörden und
Verwaltungen, Forschungs(förder-)organisationen, Stiftungen, Vereine, Netzwerke,
Bildungseinrichtungen). Förderorganisationen integrieren Citizen Science in ihr
Förderportfolio aus Instrumenten, Formaten und Maßnahmen für verschiedenste Akteur:innen
aus Gesellschaft und Forschung. Voraussetzung sollten immer qualitätsgesicherte Verfahren
und Standards durch regelmäßige Evaluationen sein, die sich an die Regeln der guten
wissenschaftlichen Praxis anlehnen. Dies schafft eine größere gesellschaftliche Teilhabe an
Wissenschaft und erhöht deren Akzeptanz und Relevanz.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
10
➢ 3. Freiwilligenmanagement
Eine gelungene Organisation und Koordination von Citizen Science-Projekten ist
Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Einbindung von Bürger:innen. Citizen Science-
Projekte brauchen ausreichend personelle und finanzielle Kapazitäten für das
Freiwilligenmanagement, um zu begeistern, zu leiten und Feedback zu geben. Das
Management der Freiwilligen kann innerhalb der Projekte geschehen oder in Zusammenarbeit
mit etablierten Freiwilligenverbänden und -initiativen.
Leitbild: Im Jahr 2030 zeichnen sich Citizen Science-Projekte durch ein professionelles
Freiwilligenmanagement aus. Beteiligten aus allen Bereichen der Gesellschaft wird eine
erfolgreiche und nachhaltige Teilhabe ermöglicht. Dafür werden Personalressourcen und
Finanzen in den Projekten bereitgestellt und eine Anbindung an etablierte
Freiwilligenstrukturen ermöglicht. Lokale und regionale Akteur:innen, Verbände und Stiftungen
im Bereich Freiwilligenmanagement sowie lokale und regionale Medien arbeiten gezielt in
Freiwilligenrekrutierung und -management zusammen. Gemeinsam führen sie bedarfs- und
zielgruppengerechte Aus- und Weiterbildungen in Citizen Science-Projekten durch.
➢ 4. Synergien mit der Wissenschaftskommunikation
Citizen Science ist ein Forschungsansatz und kein Format der
Wissenschaftskommunikation im Sinne der (zusätzlichen) Öffentlichkeitsarbeit.
Wissenschaftskommunikation spielt eine entscheidende Rolle für das Gelingen eines Citizen
Science-Projektes. Gute Kommunikation hilft z. B. Teilnehmende für das Projekt zu gewinnen,
eine gemeinsame Basis zwischen den beteiligten Expertengruppen zu schaffen und die
Ergebnisse des Projekts zu kommunizieren. Strategische und evidenzbasierte
Wissenschaftskommunikation stärkt das integrative und partizipative Potential der
Zusammenarbeit zwischen Forscher:innen und Bürger:innen und macht es sichtbar.
Leitbild: Im Jahr 2030 ist die strategische und evidenzbasierte
Wissenschaftskommunikation integraler und grundlegender Bestandteil in Citizen
Science-Projekten. Die Grundlage für Wissenschaftskommunikation bildet eine
Verständigung und Diskussion zu den Werten und Leitlinien von Citizen Science unter
Einbeziehung unterschiedlicher Akteur:innen (z. B. Praktiker:innen, Zivilgesellschaft und
Wissenschaft). Die Wissenschaftskommunikation nutzt das integrative und partizipative
Potential von Citizen Science, um einen Dialog zwischen Gesellschaft und Wissenschaft zu
ermöglichen. Aus-, Fort - und Weiterbildungen sowie unterstützende Schnittstellen an den
Institutionen können den Citizen Science-Aktiven helfen, die angestrebten Kommunikations-
und Wirkungsziele zu erreichen.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
11
➢ 5. Anerkennungskultur in und für Citizen Science
Für den Erfolg und die Aufrechterhaltung der Beteiligung an Citizen Science-Vorhaben
ist Anerkennung und Wertschätzung in und für Citizen Science essentiell. Um
Anerkennung und Wertschätzung zu etablieren und auszubauen, sind diese
zielgruppenspezifisch auf individueller, politischer und formaler Ebene zu entwickeln und
anzuwenden. Bereits etablierte und wirksame Instrumente der Anerkennung sind weiterhin zu
stärken und neue Instrumente der Anerkennung einzurichten.
Leitbild: Im Jahr 2030 werden zielgruppenspezifische Instrumente der Anerkennung
und Wertschätzung in und für Citizen Science in der Praxis von Citizen Science
angewandt und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit evaluiert. Die bisherigen Instrumente der
individuellen Anerkennung und Wertschätzung sind auf die Bereiche des beruflichen und
gesellschaftlichen Umfeldes der Beteiligten erweitert worden. Neue Strukturen und
Maßnahmen sind etabliert, die Anerkennung und Wertschätzung für Citizen Science auch auf
der institutioneller und politischen Ebene ermöglichen. Anerkennung und Wertschätzung in
Citizen Science ist mit Wissenschaft und qualitativer Forschung verknüpft und wird als ein
Qualitätsmerkmal von Citizen Science betrachtet.
➢ 6. Datenqualität und Datenmanagement
Citizen Science-Daten bergen ein enormes Potential für Wissenschaft und Gesellschaft.
Um dieses voll ausschöpfen zu können, müssen der Zugang, die Qualität und die
Nachnutzbarkeit von Citizen Science-Daten für Wissenschaft und Gesellschaft gleichermaßen
gewährleistet sein. Für die Umsetzung von Qualitätssicherungsmaßnahmen,
Datenmanagement und für die Forschung zu diesen Themen stehen ausreichend Ressourcen
zur Verfügung.
Leitbild: Im Jahr 2030 existieren wiederverwendbare, flexible Methoden und Werkzeuge
für die Erhebung, die Qualitätssicherung und -kontrolle, die Analyse, die Archivierung
und die Veröffentlichung von Citizen Science-Daten. Citizen Science-Daten sind
nachhaltig nutzbar, erfüllen die FAIR-Prinzipien und werden durch allgemein anerkannte
Metadatenstandards beschrieben.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
12
➢ 7. Recht und Ethik
Eine erfolgreiche und faire Zusammenarbeit in Citizen Science-Projekten benötigt
eindeutige ethische und rechtliche Grundsätze und Rahmenrichtlinien. Ein
gemeinsames Grundverständnis eröffnet allen Interessierten aus Wissenschaft und
Zivilgesellschaft gleichermaßen Zugang und Partizipation.
Leitbild: Im Jahr 2030 haben Citizen Science-Projekte klare rechtlichen und ethische
Leitlinien. Diese Prinzipien und Rahmenregeln werden - wie auch in anderen Disziplinen
- bei der Planung, Durchführung bis hin zur Dokumentierung von Citizen Science-
Projekten gemeinsam vereinbart und eingehalten. Die Ethikbeiräte haben Citizen Science
als einen Bestandteil von Forschung aufgenommen und geben Leitlinien für Themenbereiche
wie Datenschutz und Persönlichkeitsrechte, Urheberrecht und geistiges Eigentum sowie
Versicherungsfragen.
➢ 8. Integration in wissenschaftliche Prozesse
Citizen Science bereichert und birgt großes Innovationspotential für die Wissenschaft
und die Wissenschaftskultur, u.a. durch Einbindung vielfältiger Wissensdomänen,
unterschiedlicher Blickwinkel der Bürger:innen und Erarbeitung neuer und
großskaliger Datensätze in Raum und Zeit. Eine nachhaltige Verankerung von Citizen
Science in wissenschaftlichen Prozessen, Strategien der Forschungsorganisationen und
Stabsstellen, sowie Aus- und Fortbildungsstrukturen kann einen gewinnbringenden Einsatz
von Citizen Science durch Forschende und Studierende ermöglichen.
Leitbild: Im Jahr 2030 ist Citizen Science in all seinen Facetten Ausdruck eines
modernen Wissenschaftsprozesses, der gesellschaftliche Teilhabe in Forschung durch
verschiedene Formate ermöglicht. Citizen Science ist eine Bereicherung der
Wissenschaftskultur, indem gemeinsam gesellschaftliche, ökologische und ökonomische
Herausforderungen identifiziert und erforscht werden. Citizen Science ist strukturell in den
Strategien der Hochschulen und Forschungsinstitutionen sowie durch Citizen Science
Stabsstellen in jeder größeren Forschungsorganisation verankert. Der Ausbau eines breiten
Expert:innen-Netzwerkes und gezielter interdisziplinärer Fort- und Weiterbildungsprogramme
als fester Bestandteil der universitären Lehre führt zu einer guten wissenschaftlichen Praxis,
und einer Anwendung von Citizen Science als Forschungsansatz durch
Fachwissenschaftler:innen.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
13
➢ 9. Integration in Bildungsprozesse
Citizen Science eröffnet Bildungskonzepten ein weiteres Format, um die Kompetenzen
im Umgang mit Wissenschaft in authentischen Lernkontexten zu entwickeln. Das
Bildungspotenzial von Citizen Science wird realisiert, wenn Bildungskonzepte an die
Interessen und Motive der Lernenden angepasst, forschungsbasiert für eine effektive
Lernförderung entwickelt, in Curricula integriert sowie fortwährend evaluiert werden.
Kooperationen zwischen Schulen, außerschulischen Lernorten, Hochschulen und anderen
Forschungseinrichtungen sollen gefördert und das Thema in Richtlinien und Lehrplänen durch
Unterstützung auf politischer Ebene eingebettet werden. Zum Anderen bedarf es eines
umfangreichen und langfristigen Förderprogramms, das Citizen Science in Schulen,
außerschulischen Lernorten, Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen integriert,
um so das Potential von Citizen Science für den Bildungsbereich nutzbar zu machen.
Leitbild: Im Jahr 2030 wird die Durchführung von Citizen Science-Projekten an
Bildungseinrichtungen durch Förderinstrumente ermöglicht, die eine enge
Zusammenarbeit mit Schulen, der universitären Bildung und außerschulischen
Lernorten fördern. Lehrende sind wichtige Multiplikatoren von Citizen Science. Ihnen stehen
Weiterbildungsangebote zur Integration von Citizen Science in Bildungskonzepte sowie Lehr-
und Lernmaterialien für die praktische Umsetzung zur Verfügung. Die Aktivitäten basieren auf
aktuellen Forschungsergebnissen und sind auf Lehrpläne und sonstige Rahmenbedingungen
abgestimmt.
➢ 10. Integration in Entscheidungsprozesse
Citizen Science entfaltet ihren gesellschaftlichen Mehrwert zur Gänze, wenn ihre
Ergebnisse konsequent in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen
berücksichtigt werden. Ein gemeinsames Verständnis von Politik, Verwaltung und der
Citizen Science-Community ist notwendig, wie Bürgerwissenschaften konkret zu
Entscheidungsprozessen beitragen können. Zudem werden strukturelle und prozessuale
Rahmenbedingungen (z.B. Citizen Science Strategien und Koordinierungsstellen in Behörden
und Ämtern, Workflows zur Einbindung von qualitätsgesicherten Citizen Science-Daten in
Politikgestaltung, Management und Monitoring) sowie spezifische Angebote zum
Kapazitätsaufbau benötigt (z.B. Citizen Science Anlaufstellen in Behörden und Ämtern mit
praxisorientierten Beratungsangeboten für Citizen Science Projekte).
Leitbild: Im Jahr 2030 liefert Citizen Science praxisnahe Erkenntnisse zu
gesellschaftsrelevanten Fragestellungen und unterstützt dadurch politische und
gesellschaftliche Entscheidungsprozesse. Citizen Science trägt zu evidenzbasierten
Entscheidungen in Politik und Management bei.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
14
➢ 11. Medizin und Gesundheitsforschung
Patient:innen als Bürgerforscher:innen in alle Phasen des Forschungsprozesses aktiv
einzubeziehen, hat das Potenzial, die Relevanz und den Nutzen der Ergebnisse für die
Gesundheitsversorgung zu erhöhen. Zudem wird dadurch die Rolle von Patient:innen
erweitert und gestärkt.
Leitbild: Im Jahr 2030 werden Patient:innen als Bürgerforscher:innen häufig in alle
Phasen der medizinischen und Gesundheitsforschung einbezogen. In der Medizin wird
die Erfahrung und Expertise von Patient:innen und ihren Angehörigen als bedeutsam
anerkannt. Ihr Einbezug in die Forschung durch Citizen Science erhöht die Relevanz und den
Nutzen der Forschungsergebnisse, erleichtert deren praktische Umsetzung und verbessert die
Situation der Patient:innen. Es sind neue Rahmenbedingungen und Strukturen entstanden,
die ein gemeinsames Forschen, den wechselseitigen Respekt aller Beteiligten, eine adäquate
Finanzierung und eine Anerkennung in der Wissenschaft und Medizin ermöglichen.
➢ 12. Sensorik und künstliche Intelligenz
Der Einsatz von Sensorik und künstlicher Intelligenz im Kontext von Citizen Science
verbessert Datengrundlagen in ihrem Umfang und in der Verfügbarkeit an
verschiedensten Orten und Zeiten. Die Verwendung von KI erlaubt die Bewertung und
Verbesserung der Qualität von Daten und eröffnet neue Möglichkeiten in der Datenanalyse.
Leitbild: Im Jahr 2030 sind Sensorik und künstliche Intelligenz etablierte Werkzeuge für
Citizen Science-Aktivitäten. In den Projekten können Bürgerforscher:innen unterschiedliche
Rollen einnehmen, beim Betrieb der Sensorik, Programmieren oder der Analyse von Daten.
Auch kostenintensive Instrumente werden von wissenschaftlichen Einrichtungen zur
Verfügung gestellt. Algorithmen als Basis für Entscheidungsprozesse sind offen und
transparent.
➢ 13. Archive, Bibliotheken, Museen und Wissenschaftsläden
Archive, Bibliotheken, Museen und Wissenschaftsläden haben eine lange Tradition als
Bindeglieder zwischen Forschung und Zivilgesellschaft und bieten daher langfristige
physische als auch konzeptionelle Räume für Citizen Science mit großer Bürgernähe.
Als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft schaffen sie damit innovative
Räume und Möglichkeiten des gemeinsamen Experimentierens und Lernens.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
15
Leitbild: Im Jahr 2030 verstehen sich Archive, Bibliotheken, Museen und
Wissenschaftsläden als Wissensräume und Bildungsstätten mit institutioneller
Vermittlungsaufgabe als Gedächtnis- und Transferorganisationen. Citizen Science ist als
Forschungs- und Transferansatz ein fester Bestandteil in den Leitbildern und im
Selbstverständnis der Archive, Bibliotheken, Museen und Wissenschaftsläden zur aktiven
Zusammenarbeit mit NutzerInnen. Als etablierte Anlaufstellen für Fachgesellschaften und
bürgerliches Engagement wirken sie als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft
und schaffen damit innovative Räume und Möglichkeiten des gemeinsamen Experimentierens
und Lernens durch Citizen Science.
➢ 14. Europäische Perspektive (D-A-CH)
Die Zusammenarbeit der DACH-Länder (Deutschland - A-Österreich - CH-Schweiz) im
Bereich Citizen Science ist vielfältig und hat sich in den letzten Jahren zu einer
wichtigen Komponente im europäischen Raum entwickelt. Das jeweilige
länderspezifische Capacity Building unterstützt die Entwicklung der nationalen Netzwerke. Die
engere Zusammenarbeit und der Austausch von Lernerfahrungen der Citizen Science-
Akteur:innen auf wissenschaftlicher, organisatorischer und politischer Ebene bietet Chancen
und Möglichkeiten zur gezielten Weiterentwicklung und Konsolidierung von Citizen Science.
Leitbild: Das DACH-Netzwerk ist auf politischer und fachlicher Ebene ein etablierter
Akteur im europäischen Citizen Science-Netzwerk. Länderübergreifende Maßnahmen und
Initiativen wie gemeinsam entwickelte Kapazitäten für die Community ebenso wie
gemeinsame Evaluierung verschiedener Förderrichtlinien machen Citizen Science zu einem
integralen Bestandteil von Forschung und zur zentralen Aufgabe verschiedener
Organisationen. Die vielfältigen Kooperationen auf politischer, wissenschaftlicher und
Netzwerkebene dienen als Best Practice-Beispiel für europäische Zusammenarbeit. Die
landeseigenen Strukturen in Deutschland, Österreich und der Schweiz werden dadurch
gestärkt und gefördert.
➢ 15. Begleitforschung Citizen Science
Die Erkenntnisse aus der Begleitforschung ermöglichen eine empirisch fundierte
Professionalisierung und Weiterentwicklung der Citizen Science-Praxis. Um dieses
umsetzen zu können, muss die gezielte Förderung von Begleitforschung ein integraler
Bestandteil der Förderstrategie von Citizen Science-Projekten werden.
Leitbild: Im Jahr 2030 ist Begleitforschung ein integraler Bestandteil der Citizen
Science-Projekte und wird bereits bei der Projektplanung initiativ mitgedacht und durch
entsprechende finanzielle Ressourcen unterstützt. Begleitforschung wird durch
interdisziplinäre Teams umgesetzt und orientiert sich an den wissenschaftlichen Standards
der empirischen Sozialforschung und bzw. Evaluationsforschung.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
16
Die Handlungsempfehlungen
Für die 15 Handlungsfelder des Weißbuchs ergeben sich insgesamt 98 politische
Handlungsempfehlungen für die Förderung von Citizen Science in Deutschland. Zielgruppen
als Adressaten (Abb 2) sind Akteur:innen und Verantwortliche in:
● Citizen Science-Community Praktiker:innen (ehrenamtliche Bürgerforscher:innen,
Projektkoordinierende)
● Zivilgesellschaftliche Organisationen (Nichtregierungsorganisationen, Vereine,
Verbände, Initiativen, Netzwerke)
● Wissenschafts Organisationen (Forschungsgemeinschaften, Universitäten,
Hochschulen, Hochschulrektorenkonferenz)
● Bildungsorganisationen (formale und nicht-formale Bildungseinrichtungen)
● Politische Entscheidungsträger (Ministerien, Behörden, Verwaltung), und
● Förderer (Forschungsfördereinrichtungen, Stiftungen, Auswahlgremien)
Abb 2. Handlungsempfehlungen des Weißbuchs und ihre Zielgruppen
Das Weißbuch richtet sich an die Wissenschaftspolitik und an Forschungseinrichtungen und
Fördereinrichtungen, als auch Bildungseinrichtungen und die breite Citizen Science
Community mit Verbänden und Privatpersonen. Die transformativen sozialen und technischen
Innovationspotentiale von Citizen Science ermöglichen eine Zusammenarbeit über Sektoren
hinweg. Verschiedene Bundesministerien und Ministerien auf Länderebene und Kommunen
können die Transformationspotenziale von Citizen Science und Bürgerschaftlichem
Engagement gewinnbringend fördern und in ihre Strategien und Programmen verankern
(siehe auch Einleitung, Box 2).
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
17
Einleitung
Was ist Citizen Science?
Citizen Science oder Bürgerforschung gibt es schon lange. Citizen Science beschreibt die
Beteiligung von Personen an wissenschaftlichen Prozessen, die nicht in diesem
Wissenschaftsbereich institutionell gebunden sind (Bonn et al 2016; Grünbuch Citizen
Science; siehe Box 1).
Die qualitativ hochwertige Kooperation von Forscher:innen aus Gesellschaft und
akademischer Wissenschaft bietet viele Innovationspotenziale für die Wissenschaft: Citizen
Science macht es möglich, innovative großskalige Datensätze zu generieren, neue
wissenschaftliche Fragestellungen zu entwickeln, und neues Wissen und Impulse aus der
Gesellschaft in die Forschung einfließen zu lassen [1,2,3]. Citizen Science und die
Erwartungen der Bürger:innen an die Forschung kann zu einer stärkeren gesellschaftlichen
Ausrichtung von Wissenschaft führen [4]. Zudem nimmt Citizen Science eine Schlüsselrolle
ein, wenn es um die Bereicherung neuer Konzepte wie Open Science,
verantwortungsbewusste Forschung und Innovation (Responsible Research and Innovation,
RRI) und transformative Wissenschaft geht [5]. Ebenso bietet Citizen Science viele Vorteile für
die Gesellschaft: Durch aktive Teilhabe können Bürger:innen ihr Wissen über verschiedene
Themenbereiche weitergeben und verbessern und dabei auch die Möglichkeiten und die
Grenzen wissenschaftlicher Methoden und Arbeitsweisen besser verstehen [6]. Ein gestärktes
Wissenschaftsverständnis wiederum kann auch das Vertrauen der Gesellschaft in die
Wissenschaft und eine positivere Einstellung zu Wissenschaften fördern [7,8,9]. Aktive
Bürgerbeteiligung in Citizen Science-Projekten dient weiterhin dem „empowerment“ der
Akteur:innen durch selbstbestimmtes Bearbeiten und Analysieren von gesellschaftspolitischen
Lösungsansätzen dort, wo sie auch umgesetzt werden können [10,11].
BOX 1 Der Begriff Citizen Science und Definitionen
Der Begriff “Citizen Science” entstand nahezu zeitgleich auf zwei verschiedenen Kontinenten in
unterschiedlichen Kontexten: einerseits definiert als konkrete Mitarbeit in Monitoring-Projekten der
Ornithologie [7]
und andererseits unter dem Aspekt einer Befähigung zur Mitgestaltung von
Wissenschaft, als Beitrag zu einer demokratischen Gesellschaft [12,13]. Beide Ideen finden sich in
den Ansätzen und dem Verständnis von Citizen Science von heute wieder. Es gibt eine großer
Diversität des Feldes, mit einer zum einen sehr langen Tradition in bestimmten Disziplinen, aber
auch rasanten Entwicklungen in neuen Bereichen, sowie neuen Möglichkeiten durch Digitalisierung,
mobiler Technologie und sozialen Medien. Hier verwenden wir hier die Definition des Grünbuchs
Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland:
Citizen Science beschreibt die Beteiligung von Personen an wissenschaftlichen Prozessen, die nicht
in diesem Wissenschaftsbereich institutionell gebunden sind. Dabei
kann die Beteiligung in der
kurzzeitigen Erhebung von Daten bis hin zu einem intensiven Einsatz von Freizeit bestehen, um sich
gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftlern und/oder anderen Ehrenamtlichen in
ein Forschungsthema zu vertiefen. Obw
ohl viele ehrenamtliche Forscherinnen und Forscher eine
akademische Ausbildung aufweisen, ist dies keine Voraussetzung für die Teilnahme an
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
18
Forschungsprojekten. Wichtig ist die Einhaltung wissenschaftlicher Standards, wozu vor allem
Transparenz im Hinblick
auf die Methodik der Datenerhebung und die öffentliche Diskussion der
Ergebnisse gehören.
Die Europäische Citizen Science Association hat gemeinsam “Prinzipien für die gute Citizen Science
Praxis” [14] entwickelt, die u.a. die wissenschaftliche Herangehe
nsweise und den Mehrwert für alle
Beteiligten betonen betonen. Die Bandbreite an Citizen Science Aktivitäten ist groß, und vielfältig,
und kann sowohl Beteiligungsprojekte als auch ko-
kreative Projekte einschließen [15]. Citizen
Science als Konzept ist ein dynamischer Entwicklungsprozess mit vielfältigen Citizen Science-
Akteur:innen. Insgesamt bedeutet Citizen Science durch die konkrete Zusammenarbeit in
wissenschaftlichen Projekten neue Erkenntnisse zu gewinnen und gleichzeitig auf individueller und
gesellschaftlicher Ebene Innovationspotenzial freizusetzen.
Citizen Science heute
Das erste von sechs Zielen der Vision 2020 des 2016 veröffentlichten Grünbuch Citizen
Science – Strategie 2020 für Deutschland formuliert, dass Citizen Science im Jahr 2020 „ein
integraler Bestandteil gesellschaftlicher und wissenschaftsbasierter Debatten und ein
gewinnbringender Ansatz für Wissenschaft, Politik und Gesellschaft“ sein wird [16, S.6].
Sicherlich ist Citizen Science inzwischen angekommen, auch in der etablierten Wissenschaft.
Die aktuelle Fridays-for-Future-Bewegung, die Klimaschutzdebatten und auch die
Diskussionen zur Covid19-Pandemie zeigen, dass das Interesse der Bevölkerung an
Wissenschaft und Forschung groß ist und weiter wächst. Für wirksame Lösungsansätze zu
drängenden gesellschaftlichen Fragen benötigt es eine engere Verzahnung zwischen
Wissenschaft und Gesellschaft und die Teilhabe von zivilgesellschaftlichen Akteur:innen und
ihrer unterschiedlichen Wissensexpertisen. Wir wissen aus den jährlichen Umfragen des
Wissenschaftsbarometers in Deutschland, dass 30-50 Prozent aller Bürger:innen an
Wissenschaft und Forschung interessiert sind, und im Jahr der Covid19-Pandemie waren es
sogar 60 Prozent [17,18,19,20]. Jede:r Zweite (49 Prozent) würde gerne auch persönlich in
einem wissenschaftlichen Projekt mitforschen [19].
Citizen Science erlebt heute sowohl in Deutschland als auch im europäischen und
internationalen Raum einen stetigen Aufschwung. Aktuell existieren über 120 Citizen Science-
Projekte in Deutschland. Die aktive Einbindung von ehrenamtlichen Citizen Scientists in
Forschungsarbeiten findet vor allem in den Natur-, Gesundheits- und Umweltwissenschaften
statt. Aber auch in den Geistes-, Kunst- und Kulturwissenschaften haben
Forschungsaktivitäten Ehrenamtlicher eine lange Tradition, und es entwickeln sich neue
Forschungsfelder in den Bereichen Künstliche Intelligenz oder Gesundheitsmessung (vgl.
Handlungsfeld 11). Ziel aller Citizen Science-Projekte ist das gemeinsame Schaffen neuen
Wissens.
Politische Rahmenbedingungen
Auf internationaler und nationaler Ebene hat sich der Bereich Citizen Science in den letzten
Jahren sehr vielfältig entwickelt. Citizen Science wird in Europa als integraler Bestandteil der
Open-Science-Agenda und der europäischen Open-Science-Cloud aufgefasst. Der
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
19
europäische Grüne Deal und die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 unterstreichen die Rolle von
gesellschaftlichen Akteur:innen und Citizen Science als wichtige Bestandteile einer
Wissensgesellschaft. In verschiedenen umweltpolitischen Dokumenten der EU-Kommission
werden Maßnahmen zur Bürgerwissenschaft gefordert (z.B. EU Initiative für Bestäuber).
Bereits im Jahr 2013 entstand ein Europäisches Grünbuch zu Citizen Science [21], und darauf
aufbauend erschien 2016 das Weißbuch zu Citizen Science in der EU [22], welches die
Potentiale von Bürgerforschung hervorhebt. Zahlreiche Dokumente der EU-Kommission, wie
das aktuelle Working Paper 174 zu Citizen Science Best-Practices im Umweltmonitoring [23]
enthalten konkrete Empfehlungen für den europaweiten Ausbau von Bürgerwissenschaften.
Internationale Netzwerke wie die 2015 gegründete Citizen Science Alliance, die European
Citizen Science Association (ECSA), sowie die US-amerikanische Citizen Science Association
(CSA), die Australian Citizen Science Association (ACSA) und CitizenScience.Asia fördern
den globalen Austausch für die weitere Entwicklung von Citizen Science. Die EU unterstützt
aktiv Citizen Science und die internationalen Plattformen EU-Citizen.Science, SciStarter oder
Zooniverse bündeln international aktuelle Projekte, Ressourcen und Trainingsangebote. In
Deutschland fand 2016 die erste Europäische Citizen Science Konferenz als Kooperation des
GEWISS Projektes zusammen mit ECSA statt, die dann 2018 von der Schweiz und 2020 von
Italien weitergeführt wurde.
In Deutschland, sowie in der Schweiz und in Österreich ist in den letzten Jahren eine aktive
Community mit Citizen Science-Aktiven aus zivilgesellschaftlichen Organisationen,
Universitäten und weiteren Forschungseinrichtungen, Fachgesellschaften, Museen,
Bibliotheken und anderen Bildungseinrichtungen entstanden. Es haben sich mehrere aktive
Citizen Science-Zentren sowie nationale Citizen Science-Plattformen und verschiedene
Netzwerke gebildet. Alle drei Länder organisieren jährlich Citizen Science-Konferenzen, die
von unterschiedlichen Organisationen als Gastgeber ausgerichtet werden, auch in
Kooperation mit den jeweiligen Citizen Science-Netzwerken der Nachbarländer (vgl.
Handlungsfeld 14). Daneben gibt es viele regionale oder thematisch orientierte Tagungen und
Workshops. Weiterhin wandelt sich die Förderlandschaft und in Deutschland, Schweiz, und
Österreich, und in den letzten fünf Jahren sind mehrere neue Förderprogramme für Citizen
Science in den Ministerien und weiteren Förderorganisationen entstanden. Die League of
European Research Universities (LERU) hat bereits 2016 ein Advice Paper [24] für ihre
Mitglieder vorgelegt, das wichtige Empfehlungen für die strukturelle Verankerung an den
Hochschulen und die Anerkennung von Bürgerwissenschaft in Forschungsförderungs- und
Evaluierungsprozessen beinhaltet (vgl. Handlungsfeld 8).
Viele Citizen Science-Projekte sind bottom-up organisiert und viele sind auch nicht in
Netzwerken organisiert. Dies ist eine ganz ureigene Eigenschaft von Bürgerforschung und oft
sind lokale Verankerungen und individuelle Formate wichtig für den Erfolg. Insgesamt lebt
Citizen Science von den Ideen und dem Engagement vieler und ist dadurch vielfältig und
lebendig.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
20
Die Entwicklung der Citizen Science-Landschaft in Deutschland
In Deutschland gilt Citizen Science als zunehmend wichtiges Instrument der Teilhabe und
wird mit Zielsetzungen und Strategien verschiedener Ressorts verknüpft (siehe Box 2). Aktuell
(2021) werden beispielsweise in einer zweiten Förderlinie des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung (BMBF) 15 Citizen Science-Projekte gefördert. Im BMBF Grundsatzpapier zu
Wissenschaftskommunikation ist Citizen Science als partizipatives Format ein wichtiger,
mehrfach erwähnter Bestandteil, sowie im Förderprogramm Biologische Vielfalt des
Bundesministeriums für Umwelt und Reaktorsicherheit (BMU). Das Innovationspotential von
Citizen Science wird auch in der Hightech-Strategie der Bundesregierung hervorgehoben
(“neue Quellen für neues Wissen”). In der Datenstrategie der Bundesregierung wird Citizen
Science eine wichtige Rolle in Zusammenhang mit der Nutzbarkeit von Daten und der
Förderung der Datenkompetenz der Bürger:innen zugeschrieben. Weitere Verknüpfungen
zwischen einzelnen Ressorts und Bundesstrategien sind in Box 2 zu finden.
Die Universitäten positionieren sich mit Citizen Science als Akteur:innen in der Region im
Rahmen der Third Mission, entwickeln teilweise eigene Förderlinien und schaffen
Schnittstellen und Instanzen, um Citizen Science an den Einrichtungen zu verankern. Unter
anderem wurde eine erste Citizen Science-Professur an der Universität Jena eingerichtet,
sowie strategische Netzwerke bzw Stabsstellen an den Universitäten Düsseldorf, Münster
oder der TU Berlin (siehe Box 3, und Handlungsfeld 8 für weitere Beispiele zur Umsetzung
von strategischer Citizen Science in die Praxis der Wissenschaft). Ein ähnliches Bild zeigt sich
innerhalb der großen außeruniversitären Forschungsorganisationen, die interne Förderlinien
entwickeln und Netzwerke aufbauen für den internen Austausch und Vernetzung (z.B.
CitizenScience@Helmholtz Netzwerk mit Förderung von Citizen Science Programm 2019-
2023, Leibniz-Netzwerk “Citizen Science”). Eine Auswahl wichtiger Citizen Science-
Akteur:innen sind in der Box 3 aufgelistet (vgl. Handlungsfelder 1, 8, 9, 13).
Die Umweltverbände und Fachgesellschaften führen ebenfalls seit Jahrzehnten und nun mit
den Möglichkeiten von Sozialen Medien vermehrt Citizen Science Projekte durch, entwickeln
Apps und organisieren Vernetzungsveranstaltungen. Weiterhin sind Wissenschaftsläden,
Reallabore oder auch FabLabs/Makerspaces für Citizen Science wichtige Anlaufstellen.
Weitere Akteure wären z.B. auch Volkshochschulen und Repair-Cafes, die nun in einigen
Projekten beteiligt sind.
Insgesamt ist ein grundsätzlicher Reputationsgewinn von Citizen Science festzustellen und
eine große Offenheit in Bezug auf die Förderung und Implementierung von Citizen Science als
Forschungsansatz zu beobachten. Gleichzeitig klafft jedoch noch eine Lücke zwischen dem
zugeschriebenen Potential auf der strategischen Ebene und der tatsächlichen Umsetzung auf
der konkreten Ebene: angefangen z.B. bei der Förderquote des BMBF für Citizen Science
Projekte (in 2020 mit unter 5% der eingereichten Projektskizzen), die insgesamt niedriger als
bei vergleichbaren Programmen ausfällt, bis hin zur tatsächlichen Integration von Ergebnissen
aus Citizen Science-Projekten in konkrete politische und gesellschaftliche
Entscheidungsprozesse, die noch kaum stattfindet.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
21
BOX 2 Innovationspotentiale von Citizen Science -
Verknüpfung mit Zielen und Strategien verschiedener Ressorts der Bundespolitik
Die aufgeführten Beispiele stellen nur eine Auswahl dar ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Citizen Science ermöglicht….
● Innovative Forschung mit großskaligen Datensätzen in Raum und Zeit, deren Generierung
anders nicht möglich ist (BMBF / DFG; Datenstrategie der Bundes-regierung 2021 [25])
Konkrete Anwendung: z.B. Patient Science zur Erforschung Seltener Erkrankungen – eine
bürgerwissenschaftliche Studie am Beispiel der Mukoviszidose (Fraunhofer ISI)
● Partizipative Forschung, Ko-Kreation und Einbindung unterschiedlicher
Wissensdomänen (BMBF / DFG)
● Wissenschaftliche Sprechfähigkeit, aktives lebenslanges Lernen und innovative
Wissenschaftskommunikation (BMBF / BMBF Grundsatzpapier zur
Wissenschaftskommunikation, 2019 [26])
● Innovative Potentiale zur Digitalisierung (Verkehrsministerium; BMBF Digitalstrategie,
2019 [27]; Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung, 2019 [28])
● Technologie Entwicklung mit neuer Sensorik und Künstlicher Intelligenz
(Verkehrsministerium, Hightech-Strategie 2025 der Bundesregierung, 2018 [29]; Reallabore-
Strategie des BMWi, 2019 [30])
● Umwelt- und Biodiversitätsmonitoring (BMU, BMEL, und nachgeordnete Behörden und
Institute) Konkrete Anwendung entstehen z.B. im Agrar- und Forstmonitoring des Thünen-
Institut/ Julius-Kühn-Institut, oder im Biodiversitäts- Monitoringzentrum des BfN,
Umweltmonitoring vom UBA)
● Sozialer Zusammenhalt, gesellschaftliche Ermächtigung (Familienministerium)
● Gesundheit, Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden (Gesundheitsministerium)
BOX 3 Citizen Science Akteur:innen in Deutschland,Tools und Kapazitäten
Die aufgeführten Beispiele stellen eine Auswahl dar ohne Anspruch auf Vollständigkeit Für ausführlichere
Beschreibungen siehe u.a. die Handlungsfelder 1, 8, 9, 13.
● Universitäten und Forschungsverbünde (vgl. Handlungsfeld 1, 8):
Strukturelle Citizen Science Verankerung und Vernetzung, z.B.
○ Citizen Science Professur an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
(https://www.geographie.uni-jena.de/professuren)
○ Stabsstelle Bürgeruniversität der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
(https://www.buergeruni.hhu.de/buergeruniversitaet-1)
○ Citizen Science Programm der TU Berlin / Berlin University Alliance (BUA)
(https://www.forschung.tu-
berlin.de/servicebereich/menue/forschung_an_der_tu/citizen_science_projekte_2018/)
○ Citizen Science an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (https://www.uni-
muenster.de/AFO/CS/)
○ Universität Heidelberg (z.B. https://www.uni-heidelberg.de/en/research/research-
profile/fields-of-focus/field-of-focus-iii/research-activities/cisar-Citizen Science-in-
archaeology)
○ Abteilung “Bürgerwissenschaften” am Institut für Datenwissenschaften des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) (DLR - Institut für Datenwissenschaften -
Bürgerwissenschaften)
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
22
● Außeruniversitäre Forschungsorganisationen (vgl Handlungsfeld 1, 8):, z.B.
○ CitizenScience@Helmholtz Netzwerk
(https://www.helmholtz.de/transfer/wissenstransfer/Citizen Science/ )
○ Leibniz-Netzwerk Citizen Science (https://www.leibniz-gemeinschaft.de/forschung/leibniz-
forschungsnetzwerke/Citizen Science.html )
○ Netzwerk von Fraunhofer-Instituten zu Citizen Science (u.a. Fraunhofer IMW, ISI, IRB,
UMSICHT)
○ CBS Open Science der Max-Planck-Gesellschaft (https://www.cbs.mpg.de/de/cbs-open-
science )
● Wissenschaftsläden & -häuser (vgl. Handlungsfelder 1, 9, 13): Netzwerk deutschsprachiger
Wissenschaftsläden (https://www.wissnet.de), Häuser der Wissenschaft (z.B. in
Braunschweig)
● Verbände (vgl. Handlungsfeld 1, 3): z.B. NABU, BUND, BBE-Bundesnetzwerk
Bürgerschaftliches Engagement, Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin (VBIO)
● Fachgesellschaften (vgl. Handlungsfeld 3): z.B. Fachgesellschaften für Naturkunde (u.a.
DDA, GdO, AraGes, NetPhyd), Geschichte und Genealogie (u.a. DGMPP, DGGN, GDUF),
Astronomie (AG)
● MakerSpaces / Fablabs / Repair Cafes / Reallabore (vgl. Handlungsfelder 8, 9): z.B.
Netzwerk Reallabore (www.reallabor-netzwerk.de) , Reallabor Schorndorf, Reallabor
Potsdam-MaaS L.A.B.S, Erlebniswelt Mobilität Aachen, Reallabore Berlin
(https://stadtmanufaktur.info/reallabore/ )
● Museen, Archive, Bibliotheken und Botanische Gärten (vgl. Handlungsfeld 13): zB. alle
größeren Naturkundemuseen mit Museum für Naturkunde Berlin Citizen Science-
Kompetenzzentrum, Museum König - Konferenz der Arten, Senckenberg Gesellschaft für
Naturforschung Museum Frankfurt /Museum Görlitz, Botanische Gärten in Berlin und Leipzig,
Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek etc
● Nationale Citizen Science Online Plattform von MfN und WiD (vgl Handlungsfeld 1)
Bürger Schaffen Wissen (www.buergerschaffenwissen.de)
● Akademien der Bundesländer (vgl Handlungsfeld 9): z.B. Sächsische Landesstiftung Natur
und Umwelt/ UmweltMobil
● Volkshochschulen: z.B. KVHS Anhalt-Bitterfeld, VHS Herford
● Ministerien & Stiftungen mit Citizen Science-Förderung (vgl Handlungsfeld 2): BMBF,
BMEL, BMU/BfN, DBU, Fritz Thyssen Stiftung, VolkswagenStiftung, etc.
● Nationale Behörden und nachgeschaltete Institute, Landesämter und Kommunen, (vgl
Handlungsfeld 13): z.B. Bundesamt für Naturschutz (BfN) Biodiversitätsmonitoring, Thünen-
Institut Braunschweig Agrar-Monitoring, Deutscher Wetterdienst DWD, Grünflächenamt Stadt
Leipzig
● Vielfältige Citizen Science-Initiativen ohne institutionelle Anbindung
Ausgewählte Tools und Kapazitären
● Leitfäden: z.B. Leitfaden für rechtliche Fragestellungen in Citizen Science-Projekten [31];
Good-Practice-Leitfaden für Co-Creation-Projekte [32], Anleitung zur Entwicklung von
Bürgerwissenschafts-Projekten in Schutzgebieten [33]
●
Zahlreiche Vernetzungsveranstaltungen
der verschiedenen Akteure
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
23
● Weiterbildung & Training: z.B. Bürger Schaffen Wissen Trainingsworkshops, BfN Seminare,
Naturgucker Konferenz, iDiv Citizen Science Sommerschule, vielfältige Veranstaltungen der
Citizen Science Projekte vor Ort
● Nationale Online Plattformen zur Datenerhebung, Eingabe bzw Vernetzung (vgl
Handlungsfeld 6, 12): z.B. NABU www.naturgucker.de; DDA www.ornitho.de ; TU
Ilmenau/MPI Jena www.FloraIncognita.de; Nationale Forschungsdateninfrastrukturen
www.nfdi.de
Grünbuch Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland (2016)
Von 2014 bis 2016 wurde im Bausteinprogramm „BürGEr schaffen WISSen – Wissen schafft
Bürger (GEWISS)“ ein bundesweit offener Dialog zur Entwicklung von Citizen Science in
Deutschland mit Akteur:innen aus Wissenschaft, Gesellschaft und Politik geführt. Im Fokus
standen die Entwicklung des Grünbuchs Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland mit
Visionen für Citizen Science in Deutschland, die Vernetzung von Akteur:innen aus
Wissenschaft, Gesellschaft und Politik sowie die Bereitstellung von praktischen Ressourcen
zur Entwicklung von Citizen Science-Kapazitäten. Koordiniert und wissenschaftlich begleitet
wurde das Gemeinschaftsprojekt von Einrichtungen der Helmholtz- und der Leibniz-
Gemeinschaft mit ihren universitären und außeruniversitären Partnern. Mehr als 1.200
Akteur:innen und Interessengruppen aus über 380 Organisationen und Einrichtungen
brachten ihre Perspektiven zu Citizen Science in Deutschland ein. Das Grünbuch wurde im
März 2016 veröffentlicht. Es stellt das Verständnis, die Bedürfnisse und Potenziale von Citizen
Science in Deutschland vor. Es reflektiert, welcher Mehrwert in den verschiedenen
gesellschaftlichen Bereichen entstehen kann und wo noch nicht ausgeschöpftes Potenzial
vorhanden ist. Konkrete Vorschläge für Handlungsoptionen und Maßnahmen zeigen, wie
Citizen Science in Deutschland gestärkt und welche Kapazitäten langfristig zur erfolgreichen
Durchführung von Citizen Science-Projekten notwendig sind, aber auch die Möglichkeiten
einer Anbindung von Citizen Science an politische und gesellschaftliche Ziele. Die Wirkung
des GEWISS-Bausteinprogramms bei der Etablierung von Citizen Science in Wissenschaft,
Gesellschaft und Politik war vielfältig. Das Projekt ermöglichte zunächst das offene
Aufeinander-Zugehen von Forschung, Gesellschaft und Politik. Gleichzeitig war es Anstoß für
viele beteiligte Akteur:innen, ihr Engagement im Bereich Citizen Science auszubauen,
beispielsweise in der Förderung von Citizen Science-Projekten innerhalb der Institutionen oder
der Integration von Citizen Science in die Strategiepapiere einzelner
Institutionen/Hochschulen. Die Entwicklung einer bundesweiten Citizen Science-Strategie
wurde international beachtet.
Stand und Entwicklung von Citizen Science seit Erscheinen des Grünbuchs:
Das Weißbuch basiert auf der Bestandsaufnahme der Umsetzung der Ziele des Grünbuchs
"Citizen Science Strategie für Deutschland 2020" und den darin formulierten Visionen und
Handlungsoptionen der Citizen Science-Community: Welche der Ziele und Optionen sind
umgesetzt? Welche wurden nicht oder nur teilweise umgesetzt? Welche haben sich als nicht
dienlich erwiesen? Und welche Felder in der heutigen Citizen Science-Landschaft sind neu
hinzugekommen?
Anhand dieser und weiterer Fragen wurde die Prüfung der Handlungsoptionen des Grünbuchs
sowie die Veränderungen entlang der drei Kernfelder - Stärkung, Neuschaffung und
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
24
Integration von Citizen Science in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik - mit der Citizen
Science-Community in einer offenen “AG Weißbuch” mit verschiedenen öffentlichen Formaten
zur Einbindung interessierter Stakeholder durchgeführt (Abb 3).
Was hat sich verändert seit 2016?
Als das Grünbuch 2016 erschien, war Citizen Science für viele entweder schon eine lang
etablierte Arbeitsform oder völlig neu und wurde auch mit Bedenken, vor allem aus der
akademischen Wissenschaft, gesehen. Das hat sich in den letzten fünf Jahren stark verändert
(Box 2), auch wenn Citizen Science für viele noch unbekannt ist.. So gibt es nun eine Vielzahl
von Citizen Science-Projekten und Citizen Science ist zunehmend Gegenstand von
Förderrichtlinien verschiedener Ressorts, Forschungsorganisationen, einzelner Institutionen
und Stiftungen. Fördersummen wurden erhöht und es gibt eine langsame Öffnung der
Forschungsförderprogramme auch für nicht-akademische Förderempfänger, wie Vereine oder
Fachgesellschaften. Es gibt eine erhöhte Identität mit dem Format auf der Projektebene,
ablesbar an der zunehmenden Zahl an Projekten auch aus anderen “verwandten”
partizipativen Forschungsbereichen (z.B. transdisziplinäre Forschung) und im Anstieg der
Verwendung von Citizen Science-Daten im Zusammenhang mit dringenden Forschungsfragen
(z.B. für Biodiversitätstrends). In den letzten fünf Jahren sind zudem eine Vielzahl an
Ressourcen entstanden, die ganz konkret auf der praktischen Ebene Hilfestellung für die
Umsetzung von Projekten (Leitfäden, Workshops, Vernetzungsformate) sowie auf der
strategischen Ebene Maßnahmen für die Implementierung und Stärkung in einzelnen
Disziplinen formulieren (z.B. UFZ Positionspapier zu Handlungsfeldern in der Umweltbildung
und Umweltkommunikation, [36]).
Wo gibt es neue Entwicklungen seit 2016?
Mehrere neue Entwicklungen sind seit Erscheinen des Grünbuchs festzustellen (Box 2, Abb.
3). Die Projektlandschaft fächert sich auf, es gibt eine erhöhte Identität mit dem Format auf der
Projektebene und eine Zunahme an Projekten aus den unterschiedlichsten Fachdisziplinen.
Gerade in den Bereichen der Social-Citizen Science, der künstlichen Intelligenz und Sensorik
als auch in der Medizin und in den Gesundheitswissenschaften entwickeln sich neue Felder
für Citizen Science - mit neuen Fragestellungen und Herausforderungen. Als neue
Akteur:innen, vor allem in den Sozial- und Geisteswissenschaften treten auch Bibliotheken
und Archive in Erscheinung. Universitäten binden Citizen Science auf der strategischen Ebene
in die Outreach-Aktivitäten in den Regionen ein. Es werden Anlaufstellen in den verschiedenen
Organisationen für den gezielten Dialog und den Wissensaustausch aufgebaut. Es zeichnet
sich ab, dass gerade im Aufbau und Ausbau lokaler Hubs und Anlaufstellen in jeder größeren
Organisationen und der regionalen Vernetzung ein großes Potential für nachhaltige Strukturen
liegt.
Inzwischen entwickeln sich auch verstärkt technische Infrastrukturen für Datenmanagement
mit verschiedenen Datenplattformen, die jedoch oft nicht standardisiert, fragmentiert und nicht
nachhaltig verankert bzw interoperabel mit anderen Datenbanken verschnitten sind und noch
wesentlich gestärkt werden müssen. Neue mobile Sensorik und Künstliche Intelligenz
Verfahren, sowie neue Projekte in der Medizin und den Gesundheitswissenschaften
ermöglichen Erweiterungen für Citizen Science.
Als Ergebnis des GEWISS ‘BürGEr schaffen WISSen’ Programms und der ersten
europäischen Citizen Science-Konferenz wurde in einem Sammelband das
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
25
Innovationspotenzial von Citizen Science für Offene Wissenschaft (Open Science),
Gesellschaft und Politik dargestellt, und verschiedene Handlungsoptionen für Akteur:innen
aus Politik, Praxis, Bildung und Forschungsorganisationen sowie eine Forschungsagenda
skizziert [3]. Insgesamt ist der Ausbau der Forschung über Citizen Science in eine
zunehmende Professionalisierung des Feldes einzuordnen , die sich nicht nur in den
entstehenden Schnittstellen und Strukturen zeigt, sondern auch in entsprechenden Angebote
zur Fort- und Weiterbildung im Bereich Citizen Science (z.B. Webplattformen,
Summerschools, Trainingsworkshops oder ThinkCamps organisiert).
Abb. 3 Entwicklung der Aktivitäten der Kernfelder vom Grünbuch 2020 zum Weißbuch
2030
Wo bestehen weiterhin Herausforderungen?
Trotz der vielfältigen Entwicklungen von Citizen Science auf unterschiedlichen thematischen
und räumlichen Ebenen gibt es noch große Herausforderungen, Entwicklungspotentiale und
Handlungsfelder. Nach wie vor ist die Anerkennung von Citizen Science-Aktivitäten und von
mit Citizen Science erlangten Erkenntnissen nicht gleichwertig zu der klassischer
Forschungsprozesse. Klassische Vorbehalte existieren zum Beispiel in Bezug auf die
Datenqualität, obwohl in mehreren wissenschaftlichen Studien nachgewiesen wurde, dass
Citizen Science valide Daten hervorbringt [35,36]. Nichtsdestotrotz sind genau diese
Qualitätssicherung, aber auch ein nachhaltiges Datenmanagement wichtige Themen für die
Zukunft. Kritisch hinterfragt werden muss, inwiefern Citizen Science Vertrauen in Wissenschaft
und “scientific literacy” in der Breite fördern kann, wenn die Teilnehmer:innen vor allem aus
der akademisch gebildeten wissenschaftsaffinen Mittelschicht stammen. Hier ist eine
Auseinandersetzung mit Diversität, mit inkludierenden und exkludierenden Faktoren, der
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
26
Passgenauigkeit von Angeboten und die aktive Einbindung erwünschter Zielgruppen
notwendig. Citizen Science benötigt (gleichzeitig) eine noch breitere Öffentlichkeit, um mehr
Aufmerksamkeit zu erlangen. Damit einhergehend ist es essentiell die Akzeptanz bei
Forscher:innen in universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, und
Fördermittelgebern zu erhöhen/generieren.
Um Citizen Science in Deutschland dauerhaft und fest zu verankern, ist es notwendig die
Visionen des Grünbuchs, die Strategien und Rahmenbedingungen (vgl. Box 2) umzusetzen,
und dadurch eine wachsende und vielfältige Community im Bereich Citizen Science zu
schaffen, die mit verteilter Expertise arbeitet, sich mit bestehenden Netzwerken und Initiativen
verbindet und die durch Neues lebt. Diese kann zu einer nachhaltigen Entwicklung unserer
demokratischen Wissensgesellschaft beigetragen.
Das Weißbuch Citizen Science Strategie 2030 für Deutschland
Das Weißbuch Citizen Science Strategie 2030 baut auf dem Grünbuch auf und setzt sich mit
den wichtigsten Herausforderungen, Bedürfnissen und Potenzialen von Citizen Science in den
nächsten zehn Jahren auseinander und zeigt anhand von Handlungsempfehlungen, was in
Zukunft getan werden muss, um Citizen Science in Deutschland weiter zu stärken und weiter
zu verankern. Der Entstehungsprozess des Weißbuchs ist im Kapitel “Entstehungsprozess
des Weißbuchs” beschrieben.
Citizen Science als transformatives Potential
Das Weißbuch hat das Ziel, Citizen Science in Gesellschaft und Wissenschaft zu stärken, um
die Innovationspotentiale entfalten zu können. Dabei macht es deutlich, vor welchen zentralen
Aufgaben wir stehen: Wie können die Bedingungen in der deutschen Forschungslandschaft
verbessert werden, damit sich mehr Menschen außerhalb von institutioneller Wissenschaft an
Forschung beteiligen? Was kann getan werden, damit das bürgerwissenschaftliche
Engagement für zum Beispiel das Monitoring der Biodiversität oder die Erforschung der
Geschichte eines Ortes Teil des wissenschaftlichen Diskurs wird? Wie können bestehende
Initiativen, Projekte und Vereine in ihrer Arbeit unterstützt werden? Was ist in Bezug auf
Datenqualität, Datenmanagement oder rechtliche und ethische Aspekte zu beachten? Diese
und weitere Möglichkeiten und Herausforderungen wurden im Weißbuch-Prozess in digitalen
Strategieworkshops und Dialogforen mit Akteur:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft
diskutiert.
Das Weißbuch zeigt für 15 Handlungsfelder konkrete Empfehlungen auf, wie Citizen Science
zu wichtigen Zielen aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft beiträgt und wie diese
intensiver verankert werden können. Sechs Adressatengruppen für die Umsetzung von
Handlungsempfehlungen wurden definiert und mit Icons illustriert (Abb. 4). Außerdem fasst
das Weißbuch jedes Handlungsfeld in einer Kernaussage zusammen. Eine Vision für die Rolle
von Citizen Science im jeweiligen Handlungsfeld im Jahr 2030 ist in Form eines Leitbildes
definiert und ergänzt die Handlungsempfehlungen (siehe Kernbotschaften).
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
27
Abb. 4: Adressatengruppen der Handlungsempfehlungen
Nun gilt es, diese Strategie in wissenschaftlichen Institutionen, zivilgesellschaftlichen
Organisationen und kommunalen Strukturen zu verankern, um die Weiterentwicklung von
Citizen Science zu befördern. Citizen Science, soll konkrete Partizipationsmöglichkeiten für
Bürger:innen diverse Zielgruppen ermöglichen Die aktive Zusammenarbeit Bürger:innen und
Wissenschaftler:innen kann durch neue Perspektiven, Ideen zur Anwendung oder Umsetzung
von Forschung in Handeln im Alltag bereichern und helfen, dass wissenschaftliche Fragen
gesellschaftliche Relevanz und Wirkung entfalten. Auch für ehrenamtliche Forscher:innen
bringt Citizen Science einen Mehrwert, sie können sehen und lernen, wie Forschung
funktioniert, sie bekommen Einsicht in neue Themen (Weiterqualifizierung), sie tauschen sich
mit Menschen aus, die ähnlichen Interessen haben und sie leisten einen Beitrag zu
wissenschaftlicher Erkenntnis, z.B. zur Erfassung von Beständen bedrohter Arten, zur
schnelleren und besseren Vorgehensweise gegen Krankheiten, oder zu Zwecken der
nachhaltigen Raumplanung.
Die Wissenschaften sind bereit und haben sich weiter für die Gesellschaft geöffnet. Die
steigenden Zahlen an interessierten Bürgerforscher:innen sind ein Indiz für die stärker
werdende Citizen Science-Community in Deutschland und im D-A-CH Raum. Die Covid 19 -
Pandemie hat den Blickwinkel gegenüber den Wissenschaften verändert und damit auch die
Aufmerksamkeit hin zu gemeinsamen Aktivitäten gelenkt [37]. Die Wissenschaft löst sich mit
der Zeit von ihrer Alleinstellungshaltung und die Offenheit und Partizipation rückt in den
Mittelpunkt der Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Akteur:innen. Wichtige Ansatzpunkte
sind auch die Vernetzung der Akteur:innen, zum Beispiel im Rahmen von Workshops
verschiedener Organisationen oder Citizen Science Foren (z.B. das jährliche Forum Citizen
Science, die Konferenz der Arten oder Tagungen der Verbände), die Schaffung von
Ansprechpersonen und Anlaufstellen an Universitäten und Instituten, die Aufnahme von
Citizen Science in die universitäre Lehre, die Fort- und Weiterbildung der Beteiligten, und die
Ausweitung von Förderprogrammen.
Citizen Science in Deutschland hat sich hin zu einer starken Säule für die Gesellschaft und
den wissenschaftlichen Betrieb entwickelt.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
28
Ausblick
Das Weißbuch stellt Weichen für die stetige Weiterentwicklung und Verankerung der Citizen
Science-Landschaft in Deutschland. Um die Strategie umzusetzen, müssen nun die
Adressat:innen aus Wissenschaft, Gesellschaft und Politik handeln durch:
● Aufstellen und Implementierung von konkreten Aktionsplänen zu den einzelnen
Weißbuch Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der geforderten Maßnahmen
durch die Adressat:innen.
● Demokratisierung der Wissenschaft durch Aufbrechen veralteter Strukturen hin zu
echter Open Science und Responsible Research and Innovation, sodass eine
transformative Veränderung der Wissenschaftslandschaft echte Partizipation als
wissenschaftliches Selbstverständnis für Innovation ermöglicht.
● Erweiterung der Empfehlungen und Lösungen durch eine aktive, vielfältige Citizen
Science-Community, die divers und sehr unterschiedlich verankert ist, und somit
weitere eigene, passende Lösungen entwickelt.
● Aktive Citizen Science Beiträge in wissenschaftlichen Fachjournalen und auf
Fachtagungen, um das wissenschaftliche Feld weiter auszubauen.
Die deutsche und internationale Politik, die Wissenschaftscommunity und die Gesellschaft
betonen, dass die Bewältigung der in den Sustainable Development Goals (SDGs)
festgeschriebenen Ziele – wie Ernährungssicherheit, Gesundheit und Wohlergehen,
Sicherung einer sauberen Energieversorgung, Ressourcenverknappung, Klima- und
Biodiversitätsschutz, nachhaltige Städte und Gemeinden – am effektivsten im Dialog und unter
Einbindung von Akteur:innen aus der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft zu erreichen ist
[38,Z. 1484 ff] [39,40].
Citizen Science setzt hier an, um die Millenniumsziele zu erreichen. Hierzu benötigt es
unseren kollektiven Willen und eine gezielte Förderung und Unterstützung aller Akteur:innen -
Bürger:innen, Vereine und Fachgesellschaften, Forschungs- und Bildungseinrichtungen,
Museen, aber auch Behörden und Wirtschaft - um eine gewinnbringende Zusammenarbeit
und nachhaltige Verankerung von Citizen Science in Gesellschaft und Wissenschaft in
Deutschland zu ermöglichen.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
29
Citizen Science – Handlungsfelder
1. Citizen Science - Vernetzung und Austausch
1.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch?
Wir beobachten eine zunehmende Vernetzung und einen vermehrten, vertieften Austausch
innerhalb der Citizen Science-Community. Unter Vernetzung verstehen wir die (Kontakt-)
Aufnahme und Pflege von Verbindungen zu Personen oder Einrichtungen, die sich mit Citizen
Science beschäftigen. Interessierte treten mit Citizen Science-Ansprechpersonen oder -
Projekten in Verbindung. Unter Vernetzung verstehen wir sowohl eine Vernetzung innerhalb
der wissenschaftlichen Community als auch eine Vernetzung mit der Zivilgesellschaft. Dabei
erleichtern Netzwerke auf allen Ebenen den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen
Wissenschaftler:innen und Bürgerforscher:innen, aber auch untereinander.
Ein Indiz für eine verstärkte Vernetzung innerhalb der vergangenen 5 Jahren läßt sich darin
sehen, dass zunehmend Plattformen / Netzwerke / Arbeitsgruppen / Projekte auf
verschiedenen Ebenen initiiert, ausgebaut und erweitert wurden. Die Umfrage macht deutlich,
dass Netzwerke (in welcher Form auch immer - formal, informell, organisiert oder lose) für die
Hälfte aller Befragten wichtig sind, um den Austausch zu beflügeln und damit Citizen Science-
Kompetenzen auf- und auszubauen: 41 % der Befragten (n= 185) sind bereits Mitglied in
einem Netzwerk, 9 % planen dies konkret.
Die bestehenden Anlauf- und Koordinierungsstellen organisieren den Austausch und die
Vernetzung innerhalb der Wissenschaften. Sie dienen als Vernetzungs- und Arbeitsort für
bürgerwissenschaftliche Aktivitäten aller Art. Beratungs- und Koordinierungsstellen helfen,
geeignete Partner:innen zu finden, erfolgreiche Förderanträge zu schreiben, Citizen Science-
Kompetenzen zu vermitteln und die hohe Qualität von und in Citizen Science-Projekten zu
sichern sowie Bürger:innen für Projekte zu gewinnen.
In der Citizen Science-Umfrage 2020 favorisieren 24 % der Befragten (n= 324; MC: 2
Antworten) regionale Beratungszentren und 22% eine zentrale, Institutionsübergreifende
Beratungsstelle (vgl. Abb. 5).
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
30
Abb. 5 Einschätzung der Teilnehmer:innen zur Gestaltung von Beratungsstellen
(Citizen Science-Umfrage 2020)
Die (webbasierten) Plattformen auf denen Projekte gelistet und vorgestellt werden, dienen
als zentrale Anlaufstellen und Informationsnetzwerke. Im deutschsprachigen Raum gibt es
unterschiedliche Plattformen (vgl. Handlungsfeld 14 - Europäische Perspektive). In
Deutschland bündeln sich unter der Plattform „Bürger schaffen Wissen“ (BsW)
(https://www.buergerschaffenwissen.de/) seit 2013 Citizen Science-Projekte. Die Plattformen
in Österreich: „Österreich forscht“ (https://www.Citizen Science.at/; seit 2014) und in der
Schweiz: „Schweiz forscht“ (https://www.schweiz-forscht.ch/de/; seit 2015) stellen in den
genannten Ländern Netzwerkknotenpunkte dar. Sie präsentieren, vernetzen und unterstützen
Citizen Science-Projekte und fördern den Austausch innerhalb der Community, insbesondere
durch zahlreiche Angebote wie jährlichen Citizen Science-Tagungen, Schulungen,
Workshops, etc. Sie sind Anlaufstelle für Wissenschaftler:innen, Bürgerforscher:innen,
Medienvertreter:innen und interessierte Bürger:innen. Über die Projekt-Datenbanken können
Citizen Science-Projekte gefunden und Wissenschaftler:innen zum gemeinsamen Forschen
kontaktiert werden.
Die Zahl der auf der Plattform BsW gelisteten Projekte ist von 10 (2014) auf über 150 inklusive
der abgeschlossenen Projekte (2021) gestiegen. Auf der österreichischen Plattform sind 69
Projekte gelistet, davon sind 18 bereits abgeschlossen. Unter “Schweiz forscht” sind aktuell
113 Projekte gelistet. Eine verstärkte Identität mit dem Format Citizen Science und die
gestiegene Anzahl von Citizen Science-Projekten resultieren aus dem vermehrten Austausch
und der verstärkten Vernetzung innerhalb der Community. Dabei führt das langsame, aber
stetige Wachstum wiederum zu höherer Sichtbarkeit und Akzeptanz von Citizen Science inner-
und außerhalb der Scientific Community.
Neben den zentralen nationalen Plattformen haben sich in den vergangenen fünf Jahren auch
Arbeitsgruppen (AGs) zu spezifischen Themen gegründet. Diese sind ebenso Ausdruck einer
größer werdenden Community, deren Anliegen und Herausforderungen zunehmen und
tragfähiger Lösungen bedürfen. Thematische AGs und regionale Netzwerke sind Zeichen des
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
31
vielfältigen und dezentralen Engagements für Citizen Science. Dabei werden unterschiedliche
Aspekte und Facetten in den AGs diskutiert und abgedeckt.
In den letzten fünf Jahren haben sich regionale, lokale und institutsinterne Netzwerke
gegründet und etabliert. Netzwerke machen die Vielfalt von Citizen Science für die
Forscher:innen und für die Öffentlichkeit sichtbar. Sie haben das Potenzial, das vorhandene
Wissen effizienter für die Community nutzbar zu machen und regionale und thematische
Besonderheiten zu berücksichtigen, auch werden gemeinsam neue Ideen entwickelt und so
kann Doppelarbeit z.B. bei der Zusammenstellung von Materialien und Ressourcen vermieden
werden. Netzwerke identifizieren und erarbeiten neue Inhalte und tragen wesentlich dazu bei,
die Citizen Science-Community zu öffnen und stetig zu vergrößern. Neben
Forschungseinrichtungen sind Hochschulen und Universitäten erste Anlaufstellen für Citizen
Science. Diese bringen sich vielfältig ein und stärken damit den Forschungsansatz. Einige
Hochschulen fördern und unterstützen zum Beispiel regional tätige Wissenschaftsläden oder
Reallabore.
Es existieren aktive Netzwerke und Plattformen, die Citizen Science nicht im Titel führen, aber
dennoch der bürgerwissenschaftlichen Idee verpflichtet sind (siehe auch Handlungsfeld 13
und Hinweis in Box 4).
BOX 4 Vernetzung & Austausch
Die aufgeführten Beispiele stellen nur eine Auswahl dar. Uns ist bewusst, dass es weitaus mehr als die
genannten Beispiele gibt.
Anlaufstellen / Koordinierungsstellen
◦ Bürgerwissenschaftliches Labor am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR Jena
◦ Partizipative Wissenschaftsakademie von ETH und Universität Zürich
◦ Stabsstelle Bürgeruniversität der Heinrich-Heine-Universitä
t Düsseldorf
u.a. Beratungs- und Förderstrukturen für Citizen Science (https://www.buergeruni.hhu.de ).
◦ Institutionalisierte Citizen Science-AG der Universität Münster
(https://www.uni-muenster.de/AFO/CS/index.html)
Netzwerke
◦ Kompetenznetzwerk “CitizenScience@Helmholtz” der Helmholtz-Gemeinschaft
(https://www.helmholtz.de/transfer/wissenstransfer/Citizen Science/), und assoziiertes
Förderprogramm
◦ Leibniz-Forschungsnetzwerk "Citizen Science" (https://www.leibniz-
gemeinschaft.de/forschung/leibniz-forschungsnetzwerke/Citizen Science.html),
◦ Netzwerk von Wildtierforscher:innen in Berlin (https://stadtwildtiere.de/info/berlin).
AGs
◦ AG D-A-CH https://www.buergerschaffenwissen.de/Citizen Science/arbeitsgruppen/dach
◦ AG Citizen Science Berliner Raum https://www.buergerschaffenwissen.de/Citizen
Science/arbeitsgruppen/berlin
◦ AG Region West https://www.buergerschaffenwissen.de/ag-netzwerk-region-west
◦ AG Science of Citizen Science https://www.buergerschaffenwissen.de/Citizen
Science/arbeitsgruppen/scienceofcitizenscience
◦ AGB Citizen Science in Schulen https://www.buergerschaffenwissen.de/Citizen Science/netzwerk
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
32
◦ AG Citizen Science & Recht
https://www.buergerschaffenwissen.de/Citizen Science/arbeitsgruppen/cs-recht
Aktive Netzwerke und Plattformen ohne Citizen Science im Namen
◦ Netzwerk der Wissenschaftsläden - Wissnet (https://www.wissnet.de/)
◦ living knowledge (https://www.livingknowledge.org )
◦ Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaftliche Weiterbildung für Ältere
(https://dgwf.net/bag-wiwa.html)
◦ Wissenschaftsladen Kubus Kooperations- und Beratungsstelle für Umweltfragen der TU Berlin
https://www.zewk.tu-berlin.de/v_menue/kubus_nachhaltigkeit_umwelt/
◦ Sozial-Wissenschaftsladen der Katholischen Hochschule NRW in Köln und der Evangelischen
Hochschule R-W-L in Bochum http://www.sozial-wissenschaftsladen.net/
◦ UNIAKTIV der Universität Duisburg https://www.uni-due.de/diversity/service_learning.php
◦ Science Shop Vechta / Cloppenburg, Wissenschaftsladen der Universität Vechta, https://www.uni-
vechta.de/forschung/wissenstransfer/science-shop-vechtacloppenburg/
◦ Reallabore (Raum für gemeinsames und gegenseitiges Lernen von Wissenschaften und
Zivilgesellschaft
◦ Netzwerk Reallabore der Nachhaltigkeit https://www.reallabor-netzwerk.de/
◦ Reallabor der TU Berlin https://www.oekohydro.tu-
berlin.de/menue/labor/reallabor_wassersensible_stadt/
◦ Reallabor der Universität Wuppertal http://www.idpf.eu/das-partizipative-reallabor/
◦ Reallabor des KIT https://www.itas.kit.edu/
◦ BUND verschiedene Citizen Science-Projekte https://www.bund.net/mitmachen/mitmachseite/
◦ Naturschutzbund NABU (Bsp. jährliche Vogelzählung) https://www.nabu.de/
◦ naturgucker.de als soziales Netzwerk für Naturbeobachter
https://naturgucker.de/natur.dll/wu6SCAYH62QYiennHkenZ7OJAuu/
◦ Ehrenamtsbörsen https://ehrenamt.bund.de/ (mit Links zu einzelnen Ehrenamtsportalen)
◦ Freiwilligenagenturen https://bagfa.de/
◦ Häuser der Wissenschaft
Die Vernetzung geht über die wissenschaftliche Community hinaus. Die Sichtbarkeit von
Projekten trägt dazu bei, dass der Citizen Science-Ansatz insgesamt stärker wahrgenommen
und als „echte“ Wissenschaft wertgeschätzt wird. Dieser grundsätzliche Reputationsgewinn
innerhalb der wissenschaftlichen Community (vgl. Handlungsfelder 5 und 8) ist die Grundlage
für einen Austausch zwischen Forscher:innen, die schon im Bereich Citizen Science aktiv sind.
Neue Citizen Science-Forschungsdesigns werden im Austausch zwischen Einzelnen, über die
wissenschaftliche Community hinaus, entwickelt. Die Umfrageergebnisse (vgl. Abb. 6) zeigen,
dass der Austausch stark dazu beiträgt, Kompetenzen aufzubauen. So geben 44 % der
Befragten (n= 339, Multiple Choice) an, der direkte Austausch mit Kolleg:innen anderer
Organisationen habe dabei geholfen, Citizen Science-Kompetenzen aufzubauen. Als
zweitwichtigste Option war für 35 % der Befragten der Austausch mit Kolleg:innen aus der
eigenen Organisation. Der direkte Austausch mit Kolleg:innen aus der eigenen und anderen
Organisationen trägt laut Umfrage am meisten zum Kompetenzaufbau bei. 30% der Befragten
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
33
(n= 324) wünschen sich zudem mehr Beratung zur Planung, Umsetzung und Durchführung
von Citizen Science-Projekten.
Abb. 6. Einschätzung der Teilnehmenden zum Aufbau von Citizen Science-
Kompetenzen (Citizen Science-Umfrage 2020)
1.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
Die Vernetzung zwischen Wissenschaftler:innen und Bürger:innen hat ein enormes Potenzial.
Sie kann dazu beitragen, Schwellenängste abbauen, das Verständnis über wissenschaftliche
Prozesse zu fördern und Wissenschaft stärker in der Gesellschaft zu verankern. Es braucht
noch mehr Ressourcen und die Intensivierung strategischer Partnerschaften (z.B. mit
Freiwilligenagenturen oder Fachnetzwerken in der Wissenschaft), um über die üblichen
Informationskanäle hinaus die Öffentlichkeit mit Citizen Science-Themen zu erreichen.
Was sind Barrieren/Herausforderungen?
Ca. 50 % aller Befragten in der Citizen Science-Umfrage haben noch nie an Citizen Science-
Veranstaltungen teilgenommen. Dieses Ergebnis der Umfrage ist sicher ein Zeichen für eine
starke eigenständige und diverse Citizen Science-Community, die durch viele Bottom-Up-
Initiativen lebt und sich vielleicht in anderen Communities austauscht, z.B. Fachgesellschaften,
Vereinen oder Wissenschaftsläden. Es gilt, dies wahrzunehmen, zu wertschätzen und weiter
zu unterstützen.
Wir erreichen einige Personenkreise nicht und können nicht in den Austausch treten. Das liegt
u.a. auch daran, dass die Zahl an lokalen und regionalen oder auch organisationsspezifischen
Citizen Science-Koordinierungsstellen (und -personal) nur langsam zunimmt und offene Labore
für Citizen Science-Initiativen weiterhin eher ein Desiderat als Realität sind.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
34
Strategie
Vernetzungsmethoden - siehe auch Handlungsempfehlungen
Zur Vernetzung ist der kommunikative Austausch zentral. Einige Kommunikationskanäle
werden im Handlungsfeld 4 “Synergien mit der Wissenschaftskommunikation” aufgeführt. Die
Vernetzung themenverwandter Projekte kann einen hohen Mehrwert innerhalb der Projekte
darstellen. Projektbeteiligte können sich über Gelingensbedingungen, aber auch mögliche
Hürden austauschen und voneinander lernen. Die Bereitschaft dafür ist eine Voraussetzung
(vs. Sicht als Konkurrenten um Fördermittel).
Veranstaltungen sind ein einfaches und gutes Tool, um sich persönlich zu vernetzen und in den
Austausch zu treten. Darüber hinaus sind diese ebenso Ausdruck von Anerkennung und
Wertschätzung (vgl. Handlungsfeld 5). Bei der Konzeption von Veranstaltungsformaten sollte
mitbedacht werden, an wen sich diese richten - zielgruppengerecht. Auch regelmäßige Treffen
im Rahmen bestehender lokaler oder regionaler Netzwerke (in Präsenz oder digital) stellen hier
eine gute Möglichkeit zum persönlichen Austausch dar.
Wo gibt es neue Möglichkeiten?
Die Digitalisierung bietet einmalige Chancen zur (ortsunabhängigen) Vernetzung und daraus
resultierend Möglichkeiten, bislang nicht erreichte Personen/-gruppen anzusprechen und zur
Beteiligung zu motivieren (um so in der Folge auch höhere Partizipationszahlen bei den
einzelnen Projekten zu erzielen). Ein Mittel sind digitale Trainingsworkshops oder Sommer-/
Winterschulen für Wissenschaftler:innen und Bürger:innen, wie bspw. von “Bürger schaffen
Wissen”, UFZ/iDiv und der PWA Zürich angeboten. Im Gegenzug können auch
Wissenschaftler:innen über maßgeschneiderte Online-Formate für Citizen Science
sensibilisiert werden, da diese Formate wesentlich zeitsparender zu realisieren sind als z.B.
eine Konferenzteilnahme. Hier könnte über themenspezifische Module nachgedacht werden
(Naturwissenschaften / Geistes- und Sozialwissenschaften).
Kurze modulartige Beiträge könnten nicht nur auf Online-Tagungen und -Workshops zum
Einsatz kommen, sondern auch auf den jeweiligen Fachtagungen.
Neben den Möglichkeiten des digitalen Austauschs sollte die Bedeutung der persönlichen
Kommunikation nicht unterschätzt werden. So können z.B. Mentoringprogramme aufgesetzt
werden, die Wissenschaftler:innen mit Citizen Science-Erfahrung und Citizen Science-
Interessierte miteinander zusammenbringen. Künftig sollte noch stärker berücksichtigt werden,
wie potentiell interessierte Bürger:innen möglichst niedrigschwellig erreicht und angesprochen
werden können. Hier verfügen die Wissenschaftsläden sowie weitere Akteur:innen (z. B. von
Freiwilligenagenturen) über langjährige Erfahrung, die künftig noch stärker geteilt werden sollte.
Diese Einrichtungen haben oft ein Netzwerk an engagierten Bürgern, die für Citizen Science
gewonnen werden können. An Universitäten bietet auch das Seniorenstudium ein Potenzial,
das künftig noch stärker genutzt werden könnte. Im Rahmen des Forscher:innen Lernens
werden dort bereits u.a. auch Citizen Science-Projekte durchgeführt. Dies könnte künftig auf
weitere Hochschulen ausgeweitet werden.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
35
1.3. Handlungsempfehlungen
(1).1.
Netzwerke und Arbeitsgruppen
sollten gestärkt werden. Vernetzung
sollte in Organisationen und in Fördermittelprogrammen finanziell und
ideell unterstützt werden, z.B. über
Netzwerktreffen geförderter
Projekte eines Programms oder mit regionalen
Vernetzungsworkshops für Citizen Science-Projekte.
(1).2.
Austauschangebote für Projektkoordinator:innen sollten strukturell in
Projekten verankert werden, da neue Projektkoordinator:innen am
meisten von erfahrenen Kolleg:innen lernen.
(1).3.
Fördermittelgeber und Institutionen aus Wissenschaft und Gesellschaft
(wie z.B. Wissenschaftsläden, Häuser der Wissenschaft, Museen,
Bibliotheken,...) sollten das umfangreiche Angebot an lokalen,
regionalen und nationalen Austauschplattformen verste
tigen und
garantieren. Dazu bedarf es neben der Bereitschaft auch finanzieller
Ressourcen.
(1).4.
Universitäten und Forschungsorganisationen sollten eigene Citizen-
Science-Anlauf-, Beratungs- und Koordinierungsstellen im Verbund
mit Wissenschaftsläden und -
häusern sowie Reallaboren einrichten.
Konkrete Ansprechpartner:innen (bestehende oder neue
Referent:innen) sollten partizipative, transdisziplinäre
Forschungsprojekte innerhalb der Hochschule bzw.
Forschungseinrichtung identifizieren, die Akteur:innen vernetzen, Citizen
Science zu intensivieren, Forschende verstärkt zu sensibilisieren, die
laufenden Citizen Science-Projekte sichtbar machen und beraten (bspw.
zu Forschungsdesign, Fördermöglichkeiten, Freiwilligenmanagement,
Kommunikation etc.).
(1).5.
Forschungseinrichtungen sollten Unterstützungs- und
Vernetzungsstrukturen für Citizen Science strukturell in Strategien und
Personalplanung
verankern.
(1).6.
Forschungseinrichtungen und Städte/Kommunen sollten gemeinsam
transdisziplinäre Stadt-/Reallabore und/oder
Häuser der
Wissenschaft gründen
. Diese sollten ein niedrigschwelliges Angebot
darstellen, um mit Wissenschaft in Berührung zu kommen, und könnten
auch Vorbilder und Gastgeber für Citizen Science-Netzwerke sein.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
36
(1).7.
Forschungseinrichtungen und die Citizen Science-Community sollten die
bisher noch nicht ausgeschöpften Potentiale der Vernetzung mit
Seniorenstudien an Hochschulen, Freiwilligenagenturen, Stadtteilbüros,
Stadtbibliotheken, etc. besser nutzen.
(1).8.
Zivilgesellschaftliche Organisationen, Forschungseinrichtungen und
Fördermittelgeber sollten
Formate zum Austausch und zur
Vernetzung wie bspw. die jährlichen nationalen Citizen- Science-
Tagungen verstetigen (mit unterschiedlichen Trägerschaften, z.B. über
einen Verein).
(1).9.
Die Citizen Science-Community sollte eine
Landkarte zu Citizen
Science-relevanten Netzwerken, Anlauf- und
Koordinierungsstellen, als auch physischen Räumen für
Wissenstransfer und Dialog mit der Zivilgesellschaft (wie z.B. Häuser
der Wissenschaft, Reallabore, Wissenschaftsläden...) erstellen. Hierbei
sollten Kommunen und lokale Multiplikatoren als Schnittstellen gesehen
und genutzt werden.
(1).10.
Die Citizen Science-Community sollte ein digitales Citizen Science-
Forum rund um Citizen Science-Fragen (wie gängige Frage- & Antwort-
Foren im Internet) aufbauen.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
37
2. Citizen Science Förderinstrumente
2.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch?
Seit 2016 ist ein Anstieg der Förderangebote bezogen auf die Projektförderung von Citizen
Science im deutschsprachigen Raum zu verzeichnen. Dies zeigt sich - bezogen auf
Deutschland - insbesondere vorrangig in spezifischen CS-Ausschreibungen besonders der
staatlichen Forschungsförderung verschiedener Bundesressorts (insb. BMBF-
Ausschreibungen 2016 und 2019) sowie der Integration von Citizen Science in bestehende
Förderprogramme (z.B. BMU - Bundesprogramm Biologische Vielfalt). Nach Angaben des
BMBF umfassen alleine die beiden Ausschreibungen 2016 und 2019 ein Fördervolumen von
rund 13,5 Mio. €). Die Ausschreibung von Citizen Science-Projekten der Bundesressorts ist
inzwischen Teil einer Gesamtstrategie, Wissenschaft und Gesellschaft stärker in den Dialog
miteinander zu bringen und die Partizipation und Transparenz von Wissenschaft zu erhöhen
(z.B. Die Bundesregierung 2018, BMBF 2019). Projektförderung von privaten
Förderorganisationen (insb. Stiftungen) und durch die Forschungsorganisationen selbst
spielen eine zunehmende Bedeutung. Die DFG fördert Citizen Science-Formate bisher nur im
Rahmen von Kommunikationsmaßnahmen oder im Rahmen von europäischen
Partnerschaften (z.B. BiodivERsA).
Im europäischen Kontext wird Citizen Science als integraler Bestandteil von Open Science
aufgefasst [41]. Die EU fördert Citizen Science im Rahmen des EU-
Forschungsrahmenprogramms (z.B. Vernetzungsaktivitäten, Wissensplattformen). In
Österreich hat der österreichische Wissenschaftsfonds (FWF) im Jahr 2020 bereits zum
fünften Mal die Förderinitiative „Top Citizen Science“ (TCS) [42] aufgelegt und das
österreichische Forschungsministerium (BMBWF) fördert seit über zehn Jahren mit dem
“Sparkling Science-Programm” [43] die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Schulen. In
der Schweiz werden Citizen Science-Projekte durch das Agora-Programm des
Schweizerischen Nationalfonds als Teil von Wissenschaftskommunikation gefördert [44].
Dennoch bleiben - jenseits der Projektförderung - Citizen Science-Finanzierungsinstrumente
immer noch eine Ausnahme und die Zuwendungsempfänger sind überwiegend
wissenschaftliche Institutionen. Außerdem ist das Förderangebot von Citizen Science-
Projekten außerhalb der traditionell starkn naturkundlichen Forschung immer noch recht
übersichtlich.
2.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen generell eine hohe Erwartungshaltung der Citizen
Science-Community gegenüber den Forschungs(förder-)organisationen für mehr
Finanzierungsmöglichkeiten im Bereich Citizen Science: Zwar geben knapp 70% (n=287)
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
38
an, dass die Öffnung bestehender Förderprogramme für Citizen Science-Projekte
zugenommen hat. Insgesamt sind aber nur rund 4 % der Auffassung, dass es aktuell
ausreichend Instrumente der Finanzierung von Citizen Science-Projekten gäbe. Die
Diskrepanz zwischen Nachfrage und Förderquote zeigt sich beispielsweise bei der BMBF-
Ausschreibung im Jahr 2019: Nach Angaben des BMBF waren rund 450 Projektskizzen in der
ersten Verfahrensstufe eingereicht worden. Davon bekamen lediglich 15 Projekte eine
Förderempfehlung [45]. Dies entspricht einer Förderquote von weniger als 5 %, was deutlich
unter dem Durchschnitt liegt. Insbesondere in den folgenden Teilbereichen besteht
Handlungsbedarf:
- Bemerkenswert ist, dass rund ¼ der Koordinator:innen (n=78) derzeit keine
Projektfinanzierung für die Koordinationsleistung erhalten.
- Zusätzlich zum Ausbau der projektbezogenen Finanzierung sollten strukturbildende
Maßnahmen zum langfristigen Kapazitätsaufbau erfolgen (z.B. durch die Förderung
von Dauerstellen für Koordination, Aus- und Weiterbildung, Training, Kommunikation,
Freiwilligenmanagement, Beratung).
- Eine wichtige Rolle spielen niedrigschwellige Förderangebote (z.B. „seed money-
Projekte“). Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass der Großteil der Fördervolumen
von CS-Projekten nach Auskunft der Förderer im fünfstelligen Bereich liegt (der Median
liegt nach Ergebnissen der Umfrage bei knapp 200.000 €). Ausnahmsweise werden
Citizen Science-Projekte auch mit einem sechsstelligen Betrag gefördert. Nur ein sehr
geringer Teil der Befragten (< 6 %) gibt an, dass es ausreichend Möglichkeiten für
solche niedrigschwellige Finanzierungen (“Mikrofinanzierung”) gäbe. Solche
Angebote ermöglichen eine Anschub- und Abschlussförderung, die im Kontext des
spezifischen Forschungsprozesses von Citizen Science-Projekten (Stichwort: Co-
Design, Co-Production), die oft mit verlängerten Projektphasen einhergehen,
Finanzierungslücken schließen können [10]. Diese umfassen beispielsweise
Maßnahmen und Aktivitäten zur Gewinnung und Schulung von Bürgerforscher:innen
oder Maßnahmen zur zielgruppengerechten Kommunikation der Ergebnisse (z.B.
verschiedene Sachleistungen für die Durchführung von Veranstaltungen, Webseiten
und Nutzung von sozialen Medien, Informationsbroschüren und Handreichungen für
Schulungen, Flyer und verschiedenes Equipment).
- Die projektbezogene Förderung sollte sich auch auf den Bereich Evaluation,
Begleitforschung und Forschung zur Wirkung von Citizen Science auf die
unterschiedlichen Akteursgruppen erstrecken (vgl. Handlungsfeld 15).
Im Hinblick auf den Aufbau von Informationsplattformen zur Bündelung, Beratung und
Vernetzung haben das seit 2014 durch das BMBF geförderte Projekt „Bürger schaffen
Wissen“ und verschiedene weitere (europäische) Plattformen (z.B. EU-CITIZEN.SCIENCE)
wesentlich dazu beigetragen, dass vorhandene Wissen zu laufenden Aktivitäten und Projekten
verfügbar zu machen. Dennoch zeigen die Ergebnisse der Umfrage, dass noch großer Bedarf
besteht: Knapp 70 % (n=273) der Befragten geben an, dass ihnen kein Beratungsangebot zur
Antragstellung bekannt sei. Dies zeigt die Notwendigkeit, die Plattform - nicht nur beschränkt
auf Antragsberatung, sondern auch beispielsweise für den Bereich Datenmanagement (vgl.
Handlungsfeld 6) dauerhaft zu fördern und zusätzlich regionale Beratungsangebote zu
schaffen (vgl. Handlungsfeld 1).
Im Hinblick auf die Projektförderung des Bundes (insb. BMBF) werden als Barrieren -
insbesondere bei der Gruppe der Bürgerforscher:innen und NGOs - die administrativen und
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
39
fördertechnischen Herausforderungen für Antragsteller:innen genannt (im Falle der BMBF-
Ausschreibung 3-stufig). Die komplizierten Vergaberichtlinien und die elektronischen
Antragsportale sowie das umfangreiche Projektmanagement stellt mitunter die
Zuwendungsempfänger vor größere Herausforderungen. Schließlich führt die lange
Begutachtungsphase (mitunter mehr als ein Jahr) dazu, dass das Förderformat vor allem für
Akteur:innen, die keine institutionelle Förderung erhalten, sondern sich überwiegend durch
Drittmittel, Spenden oder Mitgliedsbeiträge finanzieren, an Attraktivität verliert.
2.3. Handlungsempfehlungen
Bestehendes Stärken
(2).1.
Förderinstitutionen und weitere Akteur:innen sollten die spezifischen
Förderinstrumente für Projekte
ausbauen und bestehende
Förderprogramme für Citizen Science-Projekte weiter öffnen. Das Angebot
an niedrigschwelliger Förderung (“Mikrofinanzierung
”) sollte
ausgebaut. Die Förderung von
Begleitforschung und Forschung zur
Wirkung von Citizen Science
sollte unterstützt werden. Zusätzlich zum
Ausbau der projektbezogenen Finanzierung sollten strukturbildende
Maßnahmen
zum langfristigen
Kapazitätsaufbau
erfolgen.
(2).2.
Förderer und Akteur:innen sollten eine
Erweiterung des
Beratungsangebotes
für verschiedene Zielgruppen auf nationaler und
regionaler Ebene dauerhaft fördern.
(2).3.
Förderer sollten administrative und fördertechnische Barrieren
abbauen, so dass insb. Zivilgesellschaftliche Gruppen leichter an den
Förderprogrammen partizipieren können. Lange Begutachtungsphasen
sind zu vermeiden und
flexible Angebote
zu schaffen
.
(2).4.
Wirtschaft, Verwaltung, Bildungseinrichtungen (z.B. Volkshochschulen)
sollten ebenfalls Möglichkeiten ausschöpfen, gezielt Citizen Science-
Projekte zu fördern.
(2).5.
Wissenschaftliche Einrichtungen, Organisationen, Verwaltungen,
Bildungseinrichtungen, Vereine und Fachgesellschaften
sollten Citizen
Science-Koordinator:innen sowie -Kommunikator:innen durch
Drittmittel oder Dauerstellen fördern.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
40
Neues Schaffen
(2).6.
Schaffung von „Tech-Pools“
für Bürgerforscher:innen: Citizen
Science-Projekte erfordern oft -
besonders in der Naturkunde,
Archäologie oder Astronomie - eine Grundausstattung an einschlägiger
Fachliteratur und technischem Equipment. Ein Beispiel sind die
Erfassungsprogramme des Da
chverbands Deutscher Avifaunisten
(DDA) von Brutvögeln und Wasservögeln oder die Meldung von
Zufallsbeobachtungen auf dem Meldeportal ornitho.de. Voraussetzung
zum Mitmachen ist - neben fachlichem Wissen - eine ganze Reihe von
Bestimmungsliteratur und opti
schen Geräten (Fernglas, Spektiv mit
Köcher und Stativ, teilweise Tablets oder Smartphones zur digitalen
Erfassung etc.). Die Anschaffungskosten sind für Freiwillige sehr teuer
(je nach Fabrikat zwischen 500 bis über 1500 Euro) und ein
Hinderungsgrund nich
t nur für junge Leute, die Interesse haben
mitzumachen. Daher wäre es eine große Hilfe, wenn die
Projektförderung auch die Anschaffung der notwendigen
Grundausstattung zum Beispiel als Leihmaterial mit abdecken würde.
Die Ausleihe ließe sich zum Beispiel ü
ber die Koordinatorinnen und
Koordinatoren oder langfristig auch über Bibliotheken (bei Fachliteratur)
oder Volkshochschulen organisieren (vgl. Handlungsfeld 13).
Integration in Prozesse von Wissenschaft, Politik & Praxis
(2).7.
Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft sollten stärker bei der Auswahl von
Mitgliedern für verschiedene Auswahlgremien und Auswahlprozesse im
Kontext der Citizen Science-
Förderung berücksichtigt werden. Sie
bringen eine wichtige Perspektive in die Auswahl- und
Begutachtungsprozesse für Citizen Science-Projekte ein (z.B. Relevanz,
Grad der Durchführbarkeit, Anwendungsbezug, Innovationspotenzial).
Neben Auswahljurys könnte dies auf die Vergabe von Preisen, die
Durchführung von Strategieprozessen und ferner für Evaluationen
ausgeweitet werden.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
41
3. Citizen Science Freiwilligenmanagement
3.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch?
Zentrale Merkmale des Bürgerschaftlichen Engagements sind laut Enquete-Kommission
Freiwilligkeit, Gemeinsinnorientierung, Agieren im öffentlichen Raum und Unentgeltlichkeit.
Entsprechend dem vierten Freiwilligensurvey der Bundesregierung [46] ist ein wichtiges Motiv
für Bürger:innen, sich ehrenamtlich zu engagieren, die Gestaltung der Gesellschaft im Kleinen.
Im Kontext Citizen Science ist insbesondere der Aspekt des Engagements als Lern-
Gelegenheit relevant: Das Freiwilligenmanagement umfasst neben der Planung, Organisation
und Koordination von Citizen Science-Projekten insbesondere die Aus- und Weiterbildung der
freiwillig Engagierten [16].
Bürger:innen engagieren sich häufig für einen bestimmten Zeitraum in einem Citizen Science-
Forschungsprojekt. Das Engagement ist durch die spezifische Projektbindung und die
themenbezogene Rekrutierung gekennzeichnet. Bei der Zusammenarbeit von
FachWissenschaftler:innen und Freiwilligen wird eine hohe Selbstwirksamkeit und die aktive
Teilhabe an verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses angestrebt.
Seit der Veröffentlichung des Grünbuchs “Citizen Science” 2016 kann ein gesteigertes
Interesse von Seiten der Politik am Engagement der Zivilgesellschaft in wissenschaftlichen
Prozessen, insbesondere im Bereich des Umweltschutzes, verzeichnet werden [47]. Des
Weiteren hat sich das Angebot an Aus- und Weiterbildungsangeboten sowohl für
Koordinator:innen als auch für Forschende im Bereich Freiwilligenmanagement ausgeweitet
(vgl. Programm der Plattform BsW, Citizen Science-Webinare, Citizen Science-Toolbox, ...s.
Box 5). Trainings und Fortbildungen für Freiwillige zu unterschiedlichen Aspekten der
Teilnahme an Citizen Science-Projekten sind etabliert und haben sich fachspezifisch
ausdifferenziert (Bsp. Wildtiermonitoring, Gewässermonitoring…., s. Box 5).
Die Citizen Science-Umfrage 2020 zeigt, dass die Grünbuch-Handlungsoptionen im Bereich
Citizen Science-Freiwilligenmanagement seit 2016 teilweise umgesetzt wurden, dass aber
auch noch viele Bedarfe und Handlungslücken bestehen:
Der persönliche Austausch mit externen und internen Kolleg:innen mit Citizen Science-
Erfahrungen ist für ca. 45% der Befragten ein essentieller Faktor für den Aufbau ihrer Citizen
Science-Kompetenz (n= 339). Dieser Kompetenzaufbau wird auch beim Austausch auf
Workshops und Konferenzen bzw. durch lokale und regionale Plattformen gefördert. Weniger
als 10% der Befragten nennen strukturierte Workshops & Trainings als wichtigen Aspekt ihrer
Citizen Science-Aus- und Weiterbildung (vgl. Handlungsfeld 1).
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
42
Nur knapp ein Drittel der Befragten wünscht sich mehr Beratung zur Planung, Umsetzung und
Evaluation ihrer Citizen Science-Vorhaben (n=324). Von denjenigen, die sich mehr Beratung
wünschen, geben 69% den Bereich Freiwilligenmanagement als einen gewünschten
Beratungs- bzw. Veranstaltungsinhalt an (n=87).
Die Diversität der Freiwilligen sollte der befragten Citizen Science-Community zufolge noch
deutlich erhöht werden: nur 18% der Befragten stimmen zu, dass es durch aktuelle Citizen
Science-Aktivitäten bereits gelingt, Menschen verschiedener Hintergründe zum Mitforschen
zu bewegen. Die Freiwilligen schätzen die Auswirkung ihrer Citizen Science-Aktivitäten auf
ihre persönliche Entwicklung sehr positiv ein (vgl. Abb. 7, Handlungsfeld 9): Insbesondere die
Aspekte der kollektiven und individuellen Wirksamkeit durch die Bürgerforschung (“Ich habe
das Gefühl, gemeinsam mit anderen bzw. persönlich etwas bewirken zu können”, 91% bzw.
83% der Befragten), der Erwerb von Wissen über die Projektinhalte (92%), sowie die
Motivation zum langfristigen Engagement im Projekt (82%) wird häufig genannt (n= 113). Auch
geben 81% der Freiwilligen an, dass sie sich als „Teil einer Citizen Science-Community“ fühlen
und 73% sagen, ihre Leistungen für die Citizen Science-Projekte finden Anerkennung (n=113).
Zur Verbesserung der Citizen Science-Trainings- und Weiterbildungsangebote wünschen sich
43% der befragten Freiwilligen mehr Informationen zur Datenverarbeitung bzw. zum Umgang
mit den Projektergebnissen (42%), und 35% der befragten Freiwilligen sprechen sich für eine
allgemeine Ausweitung des Trainingsangebots aus. Allerdings haben ca. 60% der Freiwilligen
noch nicht an Citizen Science-Trainings oder Weiterbildungen teilgenommen (n=113). Als
Gründe für die Nicht-Teilnahme werden genannt: keine Angebote im Projekt (49%), kein
Trainingsbedarf im Projekt (43%), und Zeitmangel (21%, n=70).
Die Perspektive der befragten Citizen Science-Projekt-Koordinator:innen weist eindeutig auf
Herausforderungen und Lücken im Freiwilligenmanagement hin: In den in der Umfrage
repräsentierten Projekten werden nur wenige Daten zum soziodemografischen Hintergrund
der Freiwilligen erhoben (etwa 60% der n=79 Koordinator:innen geben an, überhaupt keine
Daten über die Freiwilligen zu erheben). Somit fehlt es an Wissen über die Motivation, die
Bedürfnisse und den Bildungsstand der Freiwilligen. Diese Daten sind jedoch eine wichtige
Grundlage für zielgruppenspezifische Projektkonzeption, -bewerbung und -kommunikation
(Handlungsfeld 4) sowie für eine gezielte Umsetzung von Bildungsinterventionen (vgl.
Handlungsfelder 8, 9) und Anerkennungsmechanismen (vgl. Handlungsfeld 5). Auch die
systematische Evaluation von Citizen Science-Projekten inkl. des Freiwilligenmanagements
ist noch ausbaufähig (n=79): Nur etwa 36% der befragten Projekte werden systematisch (d.h.
durch standardisierte Fragebögen oder strukturierte Interviews) intern evaluiert, und etwa 23%
werden systematisch von externen Gutachtern evaluiert (vgl. Handlungsfeld 15). 29 % der
befragten Citizen Science-KoordinatorInnen (n=79) geben an, dass ihr Projekt überhaupt nicht
evaluiert wird.
BOX 5 Leitfäden und Anlaufstellen zum Thema Freiwilligenmanagement
: Die aufgeführten Beispiele stellen nur eine Auswahl dar. Den Autor:innen ist bewusst, dass es
weitaus mehr als die genannten Beispiele gibt.
● “Was bedeutet Freiwilligenmanagement?” (von Stiftung Mitarbeit)
https://www.buergergesellschaft.de/praxishilfen/kampagnen-und-
aktionen/engagement-in-aktion/wie-funktioniert-freiwilligenkoordination-und-
management/was-bedeutet-freiwilligenmanagement/
● Reifenhäuser, O., & Reifenhäuser, C. (2013). Praxishandbuch
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
43
Freiwilligenmanagement. Beltz Verlagsgruppe.
● West, S. E., & Pateman, R. M. (2016). Recruiting and retaining participants in
Citizen Science: What can be learned from the volunteering literature?. Citizen
Science: Theory and Practice, 1(2), p.15. DOI: http://doi.org/10.5334/cstp.8
● Ausbildungsgang Strategisches Freiwilligenmanagement:
https://www.ehrenamt.de/1599_Ausbildungsgang_Strategisches_Freiwilligenmanag
ement_2021_S1.htm#
● Ausbildungsgang Freiwilligen-Management:
https://www.fes.de/akademie-management-und-
politik/ausbildungsgaenge/freiwilligen-management
● Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen mit “Agenturatlas”
www.bagfa.de
● Übersicht über Einrichtungen des Seniorenstudiums deutschlandweit
https://dgwf.net/mitglieder-107.html
● Beispiele für Fortbildungen für Freiwillige:
○ Wildtiermonitoring:
https://www.wald.sachsen.de/saechsisches-wildmonitoring-4513.html
○ Gewässermonitoring:
https://www.idiv.de/de/web/flow.html
3.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
Viele Potenziale zur Kommunikation, Freiwilligenrekrutierung, Aus- und Weiterbildung von
Freiwilligen bzw. Koordinator:innen und zur Vernetzung bzw. Evaluation von Citizen Science-
Projekten sind noch nicht ausgeschöpft.
Was wird noch benötigt?
Grundvoraussetzungen für ein gelingendes und nachhaltiges Freiwilligenmanagement sind
die Qualifikationen und zeitlichen Ressourcen der Citizen Science-Projektkoordinator:innen
und ProjektMitarbeiter:innen. Projektkoordinator:innen sind neben dem
Freiwilligenmanagement für viele weitere Aufgaben zuständig: sie arbeiten meist
hauptverantwortlich für die Projektkonzeption und –weiterentwicklung und vermitteln dabei
zwischen den Zielen bzw. Ansprüchen der Wissenschaft und den gesellschaftlichen
Bedingungen bzw. Bedürfnissen. Häufig organisieren sie (in Zusammenarbeit mit Instituten
und Verbänden) die Projektbewerbung und Öffentlichkeitsarbeit, sowie die
Freiwilligenrekrutierung und -betreuung und sind daher Ansprechpartner:innen für Freiwillige,
Forschende, Medien, Behörden und andere Stakeholder. Daher sollten
Projektkoordinator:innen bei ihrer Arbeit verstärkt unterstützt werden, indem insbesondere
Weiterbildungsformate zum persönlichen Austausch mit erfahrenen Kolleg:innen und bereits
etablierten Citizen Science-Projekten etabliert und gefördert werden (z.B. Face-to-face-
Workshops/Mentoring, Netzwerkaustausch). So können Synergien erzeugt und vermehrt
Ressourcen in das Freiwilligenmanagement investiert werden, welches insbesondere in der
Etablierungsphase und während der Citizen Science-Aktionszeiträume (z.B. „Feldsaison“) viel
Zeit in Anspruch nimmt.
69% der Befragten der Citizen Science-Online Umfrage 2020, die sich mehr Unterstützung bei
der Durchführung und Planung ihrer Citizen Science-Vorhaben wünschen (n=85), gaben an,
dass ein Weiterbildungs- und Beratungsbedarf zum Thema Freiwilligenmanagement besteht.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
44
Für die notwendige Stärkung von Evaluation und damit systematische Verbesserung des
Freiwilligenmanagements sollten strukturierte, indikatorenbasierte Leitfäden bzw.
Rahmenkonzepte zur internen Evaluation vermehrt unter Citizen Science-Koordinator:innen
verbreitet werden. In Form eines „Forums für externe Projektevaluation“ kann das Auffinden
von Citizen Science-Expert:innen erleichtert werden, die eine systematische externe
Projektevaluation anbieten.
Zur Rekrutierung neuer Freiwilliger und zur Diversifizierung der angestammten Zielgruppen
von Citizen Science-Projekten ist die Kooperation mit vorhandenen Infrastruktureinrichtungen
für Engagement und Teilhabe wichtig: Dazu gehören z.B. lokale Vereine, Wissenschaftsläden
und regional bzw. überregional arbeitende Verbände bzw. NGOs, aber auch Stiftungen und
Freiwilligenagenturen. Deren Hauptaufgabe ist es, Menschen zu beraten, die sich engagieren
möchten und sie dann an geeignete Stellen weiterzuvermitteln. Zudem unterstützen
Freiwilligenagenturen freiwilliges bzw. ehrenamtliches Engagement, indem sie verschiedenste
Weiterbildungsangebote für Bürger:innen und Projektorganisatoren anbieten (u.a. zu Thema
„Freiwilligenmanagement“). Im universitären Raum können Einrichtungen des
Seniorenstudiums Kontakte zu älteren Menschen vermitteln, die ein hohes Interesse an
Bildung und sinnvollem, freiwilligen Engagement haben. Um gezielt Personen aus nicht-
akademischem Umfeld, Berufstätige oder Senior:innen niedrigschwellig für Citizen Science-
Projekte zu gewinnen, bedarf es der Zusammenarbeit mit entsprechend kompetenten,
vernetzten lokalen Einrichtungen (z.B. Stadtteilläden, Mehrgenerationenhäuser,
Seniorenzentren, Einrichtungen des Seniorenstudiums).
Um eine stabile und kontinuierliche Projektdurchführung zu ermöglichen, sollten zeitweise im
Projekt tätige Freiwillige mit langfristig engagierten Ehrenamtlichen zusammenarbeiten (z.B.
in Form von Mentoring-Formaten zur Weitergabe von Know-How). Die verantwortlichen
Citizen Science-Projektträger (Wissenschaftsinstitutionen und Vereine) benötigen hierzu
finanzielle Mittel, um innovative Formate der Projektbindung von Freiwilligen umzusetzen.
Eine enge Zusammenarbeit zwischen Forscher:innen und Freiwilligen in Form ko-kreativer
Projekte wird von vielen Seiten nachgefragt. Passende Ansätze hierbei sind das gemeinsame
Entwickeln von Fragestellungen, Citizen Science-Agendasetting bzw. die Begutachtungen von
Projektanträgen (s. Finanzierung). Generell lohnt sich eine Projektplanung und -strukturierung,
die maßgeblich auf die Interessen der Freiwilligen zentriert ist.
Wo gibt es neue Möglichkeiten?
Die Möglichkeit des Online Volunteering findet immer mehr Anklang und ist aufgrund seiner
zeitlich und örtlich flexiblen Angebote (vgl. micro-volunteering) für viele Engagierte besonders
in Corona-Zeiten attraktiv.
Onlineplattformen und -Workshops bieten einen vielfältigen Zugang zu Citizen Science-
Projekten und Weiterbildungsangeboten (vgl. Webinare von BsW). Viele Freiwilligenagenturen
nutzen Online-Datenbanken, um Bürger:innen über lokale Engagementmöglichkeiten zu
informieren. Um die Citizen Science-Landschaft mit engagierten Bürger:innen in Kontakt zu
bringen, könnte bspw. auch eine Schnittstelle zwischen BürgerschaffenWissen und der
zentralen Freiwilligenagentur-Datenbank hergestellt werden.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
45
Kreative Lösungen wie der Einsatz von Projekt-Apps mit spielerischen Angeboten für
Freiwillige können wertvolle Beiträge zur Weiterbildung bzw. Motivation von Freiwilligen sowie
auch zur Projektevaluation leisten. So kann beispielsweise der Wissenszuwachs unter
Freiwilligen im Quizformat abgefragt werden.
Auch das Modell der Bürgerräte stellt ein mögliches Instrument dar, von deren Umsetzung
Citizen Science-Projekte Erfahrungen schöpfen könnten (Ergebnis der 2020 BBE Netzwerk
Tagung, [48]).
Die Bewegung des Corporate Volunteering (Unternehmen organisieren und/ oder unterstützen
das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitarbeitenden) sollte berücksichtigt werden, um
Menschen mittleren Alters, welche im Beruf zeitlich stark eingebunden sind, verstärkt zur
Teilnahme an Citizen Science-Projekte zu motivieren. Hierfür sind bei den
Freiwilligenagenturen und anderen Einrichtungen bereits kompetente Mittlerstrukturen
vorhanden.
Die Aus- und Weiterbildung von Studierenden und Wissenschaftler:innen im Bereich Citizen
Science bzw. Freiwilligenmanagement ist bisher nicht vorhanden (Ausnahmen wie die apl.
Professur Citizen Science an der FSU Jena ausgenommen). Dies stellt jedoch eine sehr
attraktive Option für Studienmodule in den Studienrichtungen Lehramt oder
Wissenschaftsjournalismus, Umweltbildung oder Nachhaltigkeitsmanagement dar (vgl.
Handlungsfeld 8). Auch hier haben einige Freiwilligenagenturen bereits Kooperation mit
Universitäten zum Thema Service learning aufgebaut.
Was sind Barrieren?
In vielen Citizen Science-Projekten wirken sich folgende Faktoren limitierend auf die
Umsetzung und den Erfolg des Freiwilligenmanagements aus:
1) Mangelnde Kapazitäten und unzureichende Ausbildung der Projektkoordinator:innen im
Bereich Freiwilligenmanagement (vgl. Kapitel 2 Förderinstrumente und Forderung des BBE
zum Hauptamt in zivilgesellschaftlichen Infrastruktureinrichtungen). Für die Langlebigkeit der
Projekte ist zudem förderlich, bereits eingerichtete Datenportale zu nutzen und einzubinden.
Idealerweise werden Anschlussprojekte angestoßen wie z.B. das Monitoring der
Langzeiteffekte von Maßnahmen)
2) fehlende strukturierte Projektevaluation zur evidenzbasierten und zielgruppengerechten
Verbesserung und Weiterentwicklung des Freiwilligenmanagements (bzw. der
Bildungsmaterialien und Kommunikationskanäle/-produkte (vgl. Handlungsfelder 4, 9)
3) zu geringe Vernetzung von Citizen Science-Projekten mit etablierten Einrichtungen des
Freiwilligenmanagements
4) Mangel an ko-kreativen Angeboten und institutionalisierten Möglichkeiten für Bürger:innen
zur Mitbestimmung bei Förderentscheidungen (Ergebnis der BBE Netzwerk Tagung)
5) fehlende Reichweite im Kreis potenziell interessierter Freiwilliger durch einseitige
Bewerbung des Projektes und einspurige Freiwilligenrekrutierung.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
46
3.3. Handlungsempfehlungen
(3).1.
Citizen Science-Netzwerke, Verbände und erfahrene Projekt-
Koordinator:innen sollten
fachspezifische Fortbildungsangebote und
strukturierte Vernetzungsangebote
für Projektkoordinator:innen zum
Thema Freiwilligenmanagement konzipieren und umsetzen. Dabei bietet
sich die Kooperation mit etablierten zivilgesellschaftlichen Einrichtungen
des Engagementmanagements an: Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches
Engagement (BBE)
, Bundesarbeitsgemeinschaft der
Freiwilligenagenturen (BAGFA), Bürgerstiftungen.
Citizen Science-Förderformate sollten die Aus-
und Weiterbildung
von Projektkoordinator:innen beinhalten
. Dafür sollten bestehende
Fortbildungsmaterialien überarbeitet, übersetzt, zugänglich gemacht und
besser gestreut und beworben werden, idealerweise in Zusammenarbeit
mit Freiwilligenagenturen. Es sollten verstärkt persönliche Formate zur
Weiterbildung zum Einsatz kommen. Auch Tutorials und Lehrvideos
können viele Fragen an die Projektkoordination abpuffern und damit deren
begrenzte zeitliche Kapazitäten schonen.
(3).2.
Projekt-Koordinator:innen und Bildungsorganisationen sollten bedarfs-
und zielgruppengerechte Trainings, Coaching- und
Mentoringangebote für Freiwillige
ausbauen bzw. weiterentwickeln
sowie Multiplikatorenworkshops („train the trainer“) von Beginn der
Projektentwicklung an einplanen zur Weitergabe fachlicher Expertise
durch erfahrene Freiwillige, Koordinator:innen und Citizen Science-
Projekte einrichten. H
ierfür sollte mit etablierten Akteur:innenn, z.B.
soziokulturelle Zentren, WiLAS und BBE/Freiwilligenagenturen kooperiert
werden. Es bietet sich an, eine Plattform mit Fortbildungsmaterialien und
Workshopangeboten für Koordinator:innen und Forschende (z.B. über
BsW) zu schaffen. Bereits in Förderanträgen sollten Ressourcen für
persönlichen Austausch zwischen Citizen Science-
Expert:innen und
Neueinsteigern bzw. die persönliche Betreuung oder das Hospitieren in
einem anderen Citizen Science-Projekt eingeplant werden.
(3).3.
Projekt-Koordinator:innen sollten
die Diversität von Teilnehmer:innen
und Initiator:innen von Citizen Science-Projekten erhöhen
, um den
Citizen Science-
Ansatz über akademische Kreise hinaus in die
sogenannte Mitte der Gesellschaft zu
tragen (z.B. durch gezielte
Zusammenarbeit mit Vereinen und Freiwilligenagenturen, Stadtteilläden,
Seniorenbüros und Einrichtungen des Seniorenstudiums; durch
zielgruppengerechte Projektkommunikation; Best-Practice-Beispiele oder
Champions).
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
47
(3).4.
Förderorganisationen und Wissenschaft sollten interne und externe
Instrumente zur
systematischen Evaluation des
Freiwilligenmanagements in Citizen Science-Projekten konzipieren und
umsetzen. Dies sollte Bestandteil und Voraussetzung für
Fördermechanismen
darstellen. Eine systematische Evaluation der
Citizen Science-
Projekte in Hinblick darauf, wer wie wann und warum
erreicht und motiviert wird, ist ein Anfang auf dem Weg zur Integration von
Citizen Science in die „gesellschaftliche Mitte“.
(3).5.
Die W
ertschätzung und Anerkennung des freiwilligen Engagements in
Citizen Science-Projekten ist als fester Bestandteil in Wissenschafts- und
Bildungsprozesse zu integrieren. Hier könnte eine zivilgesellschaftliche
Plattform für Forschungs- und Bildungspolitik e
inen wichtigen Beitrag
leisten (vgl. die von den Umweltverbbänden gegründete Plattform
"Forschungswende", https://www.forschungswende.de/). Die
Zusammenarbeit und Kommunikation mit der Zivilgesellschaft sollte als
wichtige Kompetenz von FachWissenschaftler
:innen etabliert werden. In
diesem Kontext könnten etablierte Infrastrukturen, Leitlinien und
Bildungsangebote zum Freiwilligenmanagement von NGOs, Verbänden
und Freiwilligenagenturen übernommen werden.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
48
4. Synergien mit der Wissenschaftskommunikation
4.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch?
Im Grünbuch von 2016 wurden bereits erste zentrale Entwicklungsbereiche im Hinblick auf
potenzielle Synergien von Wissenschaftskommunikation und Citizen Science identifiziert. In
diesem Zusammenhang wurde insbesondere darauf verwiesen, dass der Schwerpunkt auf
dem Ausbau von Kapazitäten und Qualifikationen liegen soll. So wurden Handlungsoptionen
aufgeschlüsselt, die sich auf die Schaffung klarer Strukturen und Verantwortlichkeiten in der
Projektkommunikation, der Konzeption von Leitlinien, den Ausbau von Qualifizierungen, die
Unterstützung von Kommunikationsabteilungen und Medien sowie um den verstärkten Einsatz
von digitalen und analogen Medien bezogen.
Die Einordnung von Citizen Science in das Repertoire der Wissenschaftskommunikation geht
mit der allgemein stärkeren Aufmerksamkeit und Bedeutung einher, die dieser in der heutigen
Zeit zugeschrieben wird [26]. Wissenschaftskommunikation informiert, klärt auf und
sensibilisiert für wissenschaftsbezogene Themen. Sie nimmt eine vermittelnde Rolle zwischen
der Wissenschaft und der Öffentlichkeit ein und schafft Räume, um den Dialog zu Fragen,
Erkenntnissen und Methoden der Forschung zu initiieren und aufrecht zu erhalten.
Anhand aktueller Umfragedaten und Rückmeldungen aus den jüngsten Umfragen wird
eindeutig erkennbar, dass diese im Grünbuch adressierten Handlungsoptionen zum Teil
bereits in der wissenschaftlichen Praxis umgesetzt werden konnten; an anderen Stellen
allerdings noch Nachbesserungen und konkrete Vorschläge erfolgen müssen.
So zeigen die Umfrageergebnisse und Studien, dass es viele verschiedene Ressourcen zu
einzelnen Themen oder Tools in Form von (englischsprachigen) Guidelines oder Leitlinien im
Bereich Wissenschaftskommunikation [49,50] und Citizen Science [6,51,52] gibt. Eine
synthetisierende Auseinandersetzung zu der Verbindung von Wissenschaftskommunikation
und Citizen Science kann allerdings noch verstärkt werden.
Die Daten der Citizen Science Umfrage 2020 weisen auf einen Bedarf an solchen konkreten
und strukturierten Leitfäden hin. Denn nur weniger als die Hälfte (43 %) der Befragten geben
an, dass sie im Rahmen der Citizen Science Projekte eine konkrete Strategie für
Wissenschaftskommunikation haben. Ebenso ist der Bedarf nach Trainings und Leitlinien für
Wissenschaftskommunikation in Citizen Science-Projekten vorhanden. Nur 37 % der
Befragten haben laut dieser Umfrage bereits einen Workshop zu Citizen Science und
Wissenschaftskommunikation besucht, während 68 % der Befragten einen Bedarf an solchen
beratenden Unterstützungsstrukturen sowie Workshops bestätigten (vgl. Citizen Science-
Umfrage 2020 Variable 128 und Variable 09).
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
49
4.2 Citizen Science im Diskurs der Wissenschaftskommunikation
Citizen Science vereint zentrale Kriterien der guten Wissenschaftskommunikation-Praxis
[49,26]: die aktive Zusammenarbeit an konkreten (gesellschafts-)relevanten Fragestellungen,
bei der in der Kommunikation nicht nur die Ergebnisse der Forschung im Vordergrund stehen,
sondern vor allem auch Methoden und Prozesse nachvollziehbar werden und durch den
Austausch neues Wissen entsteht. In der Verbindung von Citizen Science und
Wissenschaftskommunikation schwingen im Diskurs hohe Erwartungen mit, die sich vor allem
auf die Förderung von “scientific literacy” beziehen sowie auf die gesellschaftliche Relevanz
der bearbeiteten Themen [53,54]. Auf Ebene der Institutionen ist Citizen Science oftmals
verankert in Konzepte wie Transfer, Third Mission oder ähnliche Ansätze, die über
Wissenschaftskommunikation den Austausch mit der Region (im Sinne des direkten Umfelds)
bzw. den Transfer in die Gesellschaft fördern sollen. In diesem Kontext kann Citizen Science
ganz entscheidend zu einer partizipativeren und inklusiveren Ausrichtung von Wissenschaft
und Wissenschaftskommunikation beitragen. Dabei ist es jedoch grundlegend, dass Citizen
Science in erster Linie ein Forschungsansatz ist (also nicht als reines Instrument für
Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt wird). Auf dieser Basis kann Citizen Science eine
demokratisierende Wirkung entfalten und eine neue Kultur der Zusammenarbeit im Sinne einer
partizipativen Wissenschaft(skommunikation) mit etablieren.
4.3 Was sind die aktuellen Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
Erfolgreiche Kommunikation erfüllt in den Projekten folgende Zwecke: Sie lädt zum
Mitforschen ein und motiviert zum Weiterforschen. Zudem informiert sie über Projektziele,
über Methoden und Prozesse. Zudem eröffnet sie Räume für Diskussion, Feedback, Impulse
und Austausch und teilt Erkenntnisse und Ergebnisse aus dem Projekt. Formate, Kanäle und
konkrete Inhalte leiten sich dabei daraus ab, in welche Richtung mit welchem Zweck
kommuniziert wird bzw. Austausch gewünscht wird und sinnvoll ist (Weitere Bezüge zum
Thema Austausch und Vernetzung unter Handlungsfeld 1). Das setzt nicht nur eine
strategische Planung der Kommunikation voraus, sondern auch je nach Format Kompetenzen
und Kapazitäten, um die damit entstehenden Rollen füllen zu können: als Moderator:in, als
Tutor:in, als Netzwerker:in , als Vermittler:in etc. Viele Projekte möchten mit ihrer Arbeit zudem
auf individueller und gesellschaftlicher Ebene für Themen und Prozesse sensibilisieren und so
z.B. Veränderungen im Verhalten bewirken.
Eine besondere Rolle kommt in diesem Zusammenhang dem noch recht jungen Feld der
“Science of Science Communication” sowie der “Science of Citizen Science “zu. Hier wird
jeweils evidenzbasiertes Wissen geschaffen, welche Wirkung Formate der
Wissenschaftskommunikation bzw. Citizen Science auf welcher Dimension mit welchen
Instrumenten erzielen können (vgl. Handlungsfeld 15). Eine stärkere Verzahnung der
Forschungsfelder und ihr Transfer in die jeweilige (Kommunikations-)Praxis ist daher
zielführend. Dieser Blickwinkel wird in der Evaluation von Wissenschaftskommunikation in
Citizen Science Projekten noch zu wenig gelegt. So geben nur ein Drittel der Befragten an,
dass der Dialog zwischen Bürger:innen, Forscher:innen und Entscheidungsträger:innen
systematisch ausgewertet wird (vgl. Citizen Science Umfrage 2020, Variable 123).
Da das Feld sehr divers in der Art und Laufzeit der Projekte, den Themen, Disziplinen sowie
der Level/Typen der Beteiligung ist, erscheint eine allgemeingültige Empfehlung für gelungene
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
50
Kommunikationsstrategien nicht sinnvoll. Die folgenden Punkte erscheinen als Grundlage für
grundlegende Diskussionen und die Entwicklung entsprechender Positionen hilfreich:
1. Zunächst ist es empfehlenswert, Werte als Orientierung zu definieren, die in der
Kommunikation eine Rolle spielen bzw. mittransportiert werden sollten. So sind z.B.
Transparenz, Offenheit, Flexibilität im Prozess und Wertschätzung einige Werte, die
sich als hilfreich und fundamental erwiesen haben. Hier lässt sich auf Wissen,
Erfahrungen und Ressourcen aus dem Bereich der Partizipation bzw. der
Bürgerbeteiligung zurückgreifen [14,56].
2. Aufbauend auf einer Wertediskussion ist es zentral einen Leitfaden für die
Wissenschaftskommunikation in Citizen Science -Projekten zu entwickeln, der diese
Erkenntnisse der Wertediskussion zusammenführt und vor allem auch die
unterschiedlichen Ebenen der Kommunikation und die jeweiligen Ziele aufschlüsselt.
Als Grundlage könnte hier das “Framework on Citizen Science interaction and
communication” [55] herangezogen werden, ergänzt um konkrete Hinweise zu
möglichen Formaten, Tools, Methoden für die Umsetzung.
3. In diesem Zusammenhang ist eine strukturelle Verankerung der Kommunikation in den
Projekten in Form von Personen, Strukturen und Kompetenzen notwendig. Nur so kann
die Sichtbarmachung und Anerkennung der Errungenschaften von Citizen Science-
Projekten gelingen sowie eine stabile Förderung etabliert werden (vgl. Handlungsfeld
5 “Anerkennungskultur”).
4. All diese Bedarfe erfordern außerdem eine Implementierung von kontinuierlichen
Qualifizierungsangeboten und Gelegenheiten zum Austausch, damit sich die
beteiligten Personen auf aktuellem Stand der Forschung und anhand praktischer Best
Practices austauschen können. Projektkoordinator:innen sollten über
Metakompetenzen verfügen, z.B. über Grundlagen strategischer Kommunikation oder
der Partizipation. Sie sollten in der Lage sein, die nötigen Fachkompetenzen, wie z.B.
Webdesign oder Journalismus durch Einbindung Dritter zu akquirieren (vgl.
Handlungsfeld 3).
4.4. Handlungsempfehlungen
Die im Grünbuch eingeschlagenen Wege zu der Nutzung von Synergien zwischen
Wissenschaftskommunikation und Citizen Science sowie die in diesem Weißbuch
konkretisierten Vorschläge sollen nach Möglichkeit bis 2030 in die Praxis implementiert
werden. Dazu sollen bestehende Strukturen gestärkt und ausgebaut sowie neue Formen
entwickelt (siehe folgende Aufstellung) werden. Letztliches Ziel ist die Integration dieser
Vorschläge in die Prozesse von Wissenschaft, Politik und praktischer Anwendung. Entlang
einer Zuordnung der Maßnahmen zu Adressaten und einer Beschreibung der konkreten
Zeithorizonte werden die Umsetzungsvorschläge nachfolgend dargestellt bzw. konkretisiert
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
51
(4).1.
● Strukturell
: Wissenschaftskommunikation sollte als elementarer
und zwingender Bestandteil in Citizen Science-Projektanträgen
eingebunden werden, unter Berücksichtigung der notwendigen
Kompetenz und personeller Ressourcen.
● Strukturell: Eine Teilnahme der Projektbetei
ligten an Trainings/
Weiterbildungsmaßnahmen sollte ermöglicht werden.
● Operativ
: Es sollte die Formulierung, Umsetzung und Überprüfung
von konkreten Kommunikations-
und Wirkungszielen unter
Berücksichtigung des aktuellen Stands der Forschung und des noch
zu entwickelnden Leitfadens sichergestellt werden. (vgl.
Handlungsfeld 15 “Begleitforschung”)
(4).2.
● Strukturell
: Der Austausch zwischen Projektbeteiligten sowie
Fortbildungsangebote für Projektbeteiligte sollte weiter ausgebaut
und gefördert werden.
Der Transfer der Erkenntnisse aus dem
Forschungsfeld in die Praxis soll verstärkt werden. Für beides bedarf
es finanzielle Ressourcen und Strukturen.
● Operativ
: Es sollte eine Wertediskussion darüber geführt werden,
welche Werte für die Wissenschaftskommu
nikation in Citizen
Science-
Projekten essentiell sind. Aufbauend auf dieser
Wertediskussion sollte sich die Community um die Formulierung von
Leitlinien und die Erstellung von Leitfäden bemühen.
(4).3.
● Strukturell: Hochschul- und Studiengangsleitungen sollten den
Wandel der Gesellschaft zu mehr Wissenschaftsorientierung
aufgreifen und die Gelegenheit für einen Change zu mehr Teilhabe
der Welt an Wissenschaft nutzbar machen.
● Operativ: Bereits Studierende, Promovierende und
NachwuchsWissenschaftler:innen sollten die Potenziale von
Citizen Science kennenlernen und die Verknüpfung zur
Wissenschaftskommunikation herstellen können.
● Operativ: Wissenschaftskommunikations-Seminare sollten
grundsätzlich in die Ausbildung des akademischen Nachwuchses
einfließen.
(4).4.
● Strukturell: Wissenschaftskommunikation sollte als zentrales
Element in Citizen Science-Projekten entsprechend mit Personal-
und Sachmitteln auszustatten sein.
● Strukturell: Die bestehenden Angebote für entsprechende
Qualifizierungen sollten erweitert werden. Dazu ist es nötig, dass
Projektverantwortliche, Budget und Zeit für Trainings bei der
Beantragung von Citizen Science-Projekten einplanen können.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
52
● Operativ: Entsprechende Offenheit und Flexibilität in der
Ausgestaltung sollten bei den Fördergebern vorliegen;
entsprechend sind die Kriterienkataloge und Ausschreibungen zu
gestalten.
(4).5.
● Strukturell: Institutionen sollten Strukturen schaffen für Vernetzung
der
Kommunikation einzelner Projekte mit der institutionellen
Kommunikation mit einem Fokus auf Methoden und Prozessen und
Offenheit für den Austausch mit der Zivilgesellschaft.
● Operativ:
Bereits bestehende Strukturen (Pressestelle,
Transferbeauftragte, etc.) sollten verstärkt Unterstützung für Citizen
Science Projektinitiator:innen anbieten.
Seit der Veröffentlichung des Grünbuchs Citizen Science im Jahr 2016 haben sich die
beiden Bereiche Citizen Science und Wissenschaftskommunikation noch angenähert und
sind teilweise bereits zusammengewachsen. Dieser eingeschlagene Weg soll mit den in
diesem Weißbuch erarbeiteten Maßnahmen und Handlungsempfehlungen - sowohl auf
struktureller als auch auch operativer Ebene - weiterentwickelt und institutionell verankert
werden.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
53
5. Anerkennungskultur in und für Citizen Science
5.1 Situationsanalyse: Wo stehen wir mit der Anerkennung gemäß Grünbuch heute
(2016-2020)
An Citizen Science beteiligte Akteur:innen messen dem Erhalt von Anerkennung und
Wertschätzung eine wichtige Bedeutung bei, denn diese motiviert vielfach auch dazu, ein
Vorhaben zu initiieren und/oder sich daran zu beteiligen. Gleichzeitig ist dabei das Empfangen
von Anerkennung auch ein wichtiger Erfolgsfaktor und bestätigt einen gelungenen Verlauf des
jeweiligen Citizen Science-Vorhabens. Im Jahr 2020 ist erkennbar, dass den Erfolgen in der
Praxis der Anerkennung und Wertschätzung für und in Citizen Science auf individueller Ebene
Defizite auf der politischen und formalen Ebene gegenüber stehen. Anerkennung und
Wertschätzung für und in Citizen Science-Vorhaben auf individueller und gemeinschaftliche
Ebene sind vielfach gestärkt und teilweise auch in der Praxis umgesetzt. So sind unter
anderem Aktivitäten innerhalb der Forschung wie auch in den Bereichen Kommunikation,
Austausch und Vernetzung gemeinsam auf Augenhöhe entwickelt und durchgeführt worden
(vgl. Handlungsfeld 4). Darüber hinaus werden die Ergebnisse von Citizen Science-Vorhaben
von der Forschung und der Politik aufgegriffen und für Entscheidungen verwendet. Die
Vernetzung und der Austausch untereinander sowie die Strukturen und Möglichkeiten von
Förderungen für Citizen Science haben sich verbessert und zur Anerkennung des Ansatzes
von Citizen Science beigetragen (vgl. Handlungsfelder 1 & 2). Auch die Erfahrungen des
Freiwilligenmanagements (Handlungsfeld 3) werden genutzt. Die Einrichtung der Deutschen
Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) im Jahr 2020 als zentrale bundesweite
Anlaufstelle zur Förderung ehrenamtlichen Engagements ist ein klares Zeichen der Stärkung
des Engagements in Deutschland.
Trotz positiver Entwicklungen und Tendenzen im Bereich Anerkennung für Citizen Science
(vgl. Box 6), ist der Ansatz Citizen Science als Methode in zahlreichen wissenschaftlichen
Disziplinen weiterhin vielfach unbekannt, wie bspw. in den Sozial- und Geisteswissenschaften
oder in den Bereichen der Künstlichen Intelligenz und Medizin (vgl. Handlungsfelder 11 & 12).
Eine Mehrheit der Citizen Science-Wissenschaftler:innen und Bürgerwissenschaftler:innen
verweist darauf, dass insbesondere die Instrumente der Anerkennung wie z.B. die Nennung
der Beteiligten bei Fachpublikationen oder die Beachtung der Vorhaben in den Medien und in
der Gesellschaft aktuell unzureichend sind (vgl. Umfrage). Außerdem wird deutlich, dass bei
der Wahl von Instrumenten zur Anerkennung unterschiedliche Bedürfnisse kaum
berücksichtigt werden.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
54
5.2 Was sind die Bedarfe an Anerkennung und Wertschätzung für und in Citizen
Science?
Stärkung bereits bestehender Mechanismen für Anerkennung:
Die Ergebnisse der Umfrage und Expert:innengespräche zeigen, dass bereits umgesetzte
Instrumente der Anerkennung wie z.B. Lob, Netzwerktreffen, Weiterbildungen und eine hohe
Feedbackkultur als wertschätzend wahrgenommen werden. Ähnlich positive Wirkung wird
auch der Teilnahme an kostenfreien Kursen der Qualifikation und des Trainings, der
wissenschaftlichen Nutzung von Daten und Informationen sowie der gemeinsamen
Erarbeitung praktischer Umsetzungen der Projektergebnisse mit politischen
Entscheidungsträgern zugesprochen. Auch kleine Gesten der Wertschätzung und Dankbarkeit
besitzen eine hohe Akzeptanz. Diese bereits erfolgreich eingesetzten Instrumente der
Anerkennung sollten weiter gestärkt und ausgebaut werden.
Ermittlung zielgruppenspezifischer Bedarfe:
Für die Wahl der angemessenen Art von Anerkennung und Wertschätzung bedarf es einer
genauen Bestimmung der Bedürfnisse, die der Motivation zur Beteiligung an der (Bürger-
)Forschung zugrunde liegen. Diese können z. B. der Wunsch nach sozialem Kontakt oder nach
Neuem, nach Erkunden des persönlichen Umfelds und einem Wunsch nach Lernen sein. Wie
die Bedarfe an Anerkennung und Wertschätzung konkret aussehen, sollte gemeinsam mit den
beteiligten Akteur:innen ermittelt werden. Darüber hinaus sollte eine Differenzierung zwischen
der Anerkennung für das Mitmachen in einem Citizen Science-Vorhaben und für das
Umsetzen von Citizen Science auf einer formalen Ebene vorgenommen werden, da sich die
Bedürfnisse der Bürgerwissenschaftler:innen und die der Projektkoordinator:innen
unterscheiden können. So werden Anerkennung und Wertschätzung in unterschiedlichen
Rollen gegeben und empfangen und können sich im Laufe eines Vorhabens ändern, sodass
eine Anpassung der Instrumente notwendig wird. Die Maßnahmen der Anerkennung sind
daraufhin zielgruppenorientiert zu definieren und nach individuellen, gemeinschaftlichen,
politischen und formalen Anforderungen zu formulieren. Darüber hinaus sollte die Bedeutung
der Anerkennung und Wertschätzung in Citizen Science sowie die verfügbaren Instrumente
bzw. die Entwicklung neuer Instrumente der Anerkennung wissenschaftlich untersucht und
begleitet werden (vgl. Handlungsfeld 15).
Ermittlung der Wirkung von Instrumenten der Anerkennung:
Die Wirksamkeit der bisher etablierten Maßnahmen und Formen der Anerkennung sollte bis
2030 erfasst und evaluiert werden (vgl. Handlungsfeld 15). Hierfür ist die Entwicklung eines
Indikatorensets zur Messung der Wirksamkeiten der Instrumente notwendig. Auf der Basis der
ermittelten Wirksamkeit der Instrumente der Anerkennung, sind auch die Motivation der
Beteiligten zu betrachten. Die Instrumente sind dann entsprechend neu anzupassen bzw.
auszurichten.
Ausbau der Infrastruktur:
Die Umfrage zeigt, dass aktuell ein hoher Bedarf an einer frühzeitigen und fortlaufenden
Einbindung von Bürgerwissenschaftler:innen in Forschungsprozesse besteht (vgl. Citizen
Science Umfrage 2020 Referenz zur Umfrage). Dies setzt Strukturen und personelle
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
55
Ressourcen voraus, die bei der Planung und Umsetzung von Citizen Science-Aktivitäten
berücksichtigt und eingeplant werden sollten. Darüber hinaus sollte die Verankerung einer
Anerkennungskultur in und für Citizen Science ein Qualitätsmerkmal von Citizen Science
werden.
Stärkung der Sichtbarkeit:
Um die Anerkennung und Wertschätzung von Bürgerwissenschaftler:innen in Citizen Science-
Projekten zu verbessern, sollte ihre Beteiligung in Berichten, Vorträgen und Newsletter
kenntlich gemacht sowie bei Fachpublikationen namentlich, soweit möglich, genannt werden.
Diese Instrumente der Anerkennung werden, wie die Umfrage gezeigt hat, von den
Bürgerwissenschaftler:innen geschätzt und sollten deshalb breitere Anwendung finden.
BOX 6 Weiterführende Informationen zu Anerkennung und Wertschätzung
Aufbauend auf den umfangreichen Erfahrungen zur Anerkennung und Wertschätzung
innerhalb der Vereinsarbeit, wie z.B. in den Umweltvereinen BUND und Nabu, liegen
zahlreiche Handbücher und Empfehlungen vor, die für umweltbezogenes Citizen Science
genutzt werden sollten:
● https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/bundintern/KnowHow/Handbuec
her/Handbuch_Freiwillige_gewinnen.pdf
● https://sachsen.nabu.de/imperia/md/content/sachsen/150702-nabu-ehrenamt-
zukunftschance-fuer-den-naturschutz.pdf
Ein über die Umwelt- und Naturschutzarbeit hinausgehender Praxisleitfaden zu den
Instrumenten der Anerkennung liegt von der Landesfreiwilligenagentur Berlin vor. Die hier
vorgestellten Instrumente sind ggf. für Citizen Science zu überprüfen und anzuwenden:
https://landesfreiwilligenagentur.berlin/files/2015/10/InstrumenteAnerkennung_Katalog.pdf
Anerkennung und Wertschätzung sind auch auf finanzielle Förderung angewiesen. Eine
vielfältige, an den Bedarfen angepasste Förderung ist im Politikpapier “ Vorschläge für die
Förderung von Citizen Science in der Umweltbildung und Umweltkommunikation”
dargestellt und kann wegweisend für die Entwicklung solcher Förderinstrumente auch für
die Anerkennung in und für Citizen Science sein:
https://www.ufz.de/export/data/global/203484_DP_2018_2_Richteretal.pdf
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
56
5.3 Handlungsempfehlungen
(5).1.
Praktiker:innen in Citizen Science sollten bereits etablierte und
erfolgreiche Instrumente der Anerkennung verstärkt nutzen
und einsetzen, um eine verbesserte Anerkennung von Citizen
Science-Aktivitäten in Gesellschaft, Politik und Wissenschaft zu
erreichen. Ressourcen für die Anwendung dieser Instrumente (wie
z.B. zeitliche Ressourcen) sind entsprechend in der Planung und
im Verlauf von Citizen Science-Vorhaben zu berücksichtigen.
(5).2.
Forscher:innen sollten gemeinsam mit
Bürgerwissenschaftler:innen, politischen Akteur:innen und NGOs
Instrumente der Anerkennung als Bestandteil der Planung und
Durchführung eines Citizen Science-Vorhabens festlegen,
anwenden und hinsichtlich ihrer Wirkung evaluieren und ggf.
Weiterentwickeln. Die Ergebnisse der Begleitforschung zur
Anerkennung werden für die Optimierung von Prozesse in Citizen
Science eingesetzt.
(5).3.
Forscher:innen bzw. Praktiker:innen sollten die Mitwirkung der
Bürgerforscher:innen in Forschungsprozessen bei Vorträgen, in
Medienberichten und in Fachpublikationen
stärker sichtbar
machen. Eine formale Aner
kennung kann z.B. durch die
Einführung eines Citizen Science-Siegels, durch Logos,
Danksagungen oder Publikationen mit Namensnennung der
Datenerfasser:innen umgesetzt werden.
(5).4.
Forschungseinrichtungen sollten einen Social-Impact-Indikator
für Citizen Science-basierte Forschung als Reputationsfaktor
einrichten, der dem Publikationsindikator ähnlich ist.
(5).5.
Praktiker:innen, Forschungseinrichtungen und die Zivilgesellschaft
sollten Leitfäden und Qualitätskriterien zur Anwendung von
Instrumenten der Anerkennung in Citizen Science-Projekten
entwickeln. Die Anwendung dieser Instrumente wird in
Weiterbildungen und Trainings gelehrt und durch ein
Qualifikationszertifikat für Citizen Science ausgewiesen.
(5).6.
Universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und
Behörden sollten formale und politische Strukturen, wie z.B.
Referate und Strategien auf institutioneller wissenschaftlicher
und nichtwissenschaftlicher Ebene für Service und Beratung zu
Citizen Science einrichten bzw. entwickeln. Dadurch kann die
Etablierung einer Anerkennungskultur für Citizen Science
unterstützt werden.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
57
(5).7.
Ministerien und Behörden, Citizen Science Praktiker:innen und
Forschungseinrichtungen sollten gemeinsam neue innovative
Instrumente der Anerkennung schaffen und testen. So wäre ein
„Citizen Science-Tag“ denkbar, der innerhalb des beruflichen
Umfeldes auch Arbeitgeber einbindet und Zeitkontingente für
Citizen Science schafft. Andere Vorschläge wären z.B. die
Einführung von Rentenpunkten für das Engagement in Citizen
Science oder die Teilnahme von Forscher:innen oder politischen
Entscheidungsträger:innen in Citizen Science-Vorhaben.
(5).8.
Forschungsförderer sollten dauerhafte finanzielle und personelle
Ressourcen für die Umsetzung von Instrumenten und
Maßnahmen der Anerkennung zur Verfügung stellen. Dies kann
z.B. in Form von Mikrofinanzierung für Veranstaltungen,
Weiterbildungen und dauerhaftes Personal für die
Implementierung von Instrumenten der Anerkennung erfolgen.
Darüber hinaus gilt es Qualifikationsmöglichkeiten für Citizen
Science-Beteiligte zur Etablierung einer Anerkennungskultur
einzurichten.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
58
6. Datenqualität und Datenmanagement
Einleitung
Citizen Science-Projekte nutzen digitale sowie analoge Daten-Infrastrukturen, die als
vertrauenswürdige und datenschutzkonforme Umgebungen die Durchführung von Projekten
sowie die Teilnehmer:innen Akteur:innen unterstützen. So können Projektergebnisse
langfristig bereitgestellt werden. Um dem Anspruch eines echten Austauschs zwischen
Wissenschaft und Gesellschaft gerecht zu werden, existiert auch für die Öffentlichkeit ein freier
und auf ihre Bedürfnisse zugeschnittener Zugang zu Daten aus der Wissenschaft. Für
Projektinitiierende und -durchführende existieren Unterstützungs- und Beratungsangebote.
Finanzielle Ressourcen stehen für Datenmanagement und Qualitätssicherung in Citizen
Science-Projekten ausreichend zur Verfügung.
6.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch?
Mit außerordentlichem Engagement und oft mit enormem Fachwissen tragen Bürgerinnen und
Bürger zu wissenschaftlichen Projekten bei. Dieser Beitrag manifestiert sich insbesondere in
den Daten, welche BürgerInnen im Rahmen von Projekten erheben. Citizen Science-Daten
stellen daher ein besonders wertvolles Ergebnis bürgerwissenschaftlicher Projekte dar. Die
Datenerhebung durch engagierte BürgerInnen bietet insbesondere für die Wissenschaft
Möglichkeiten mit erheblichem Potential. Dies geht aus der Citizen Science -Umfrage 2020
eindeutig hervor. So sagten etwa drei Viertel der befragten ForscherInnen (n=75), dass durch
bürgerwissenschaftliche Beiträge wissenschaftliche Daten in einem größeren räumlichen und
zeitlichen Umfang erhoben werden können als dies im Rahmen traditioneller
wissenschaftlicher Projekte möglich wäre. Rund die Hälfte der befragten ForscherInnen sehen
durch die Bürgerbeteiligung eine Zeit- und Kostenersparnis bei Datenerhebung und -
auswertung. Rund ein Drittel der ForscherInnen geben an, dass Citizen Science-Daten dazu
beitragen wissenschaftliche Daten zu komplementieren. So könnten bestimmte Daten
aufgrund ihres Umfangs und der für die Erhebung notwendigen breiten Fachexpertise ohne
die Beteiligung von Freiwilligen gar nicht erhoben werden, z.B. für die Biodiversitätsforschung
wesentliche Daten zum Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten (siehe bspw. die
umfangreichen Datensätze der GBIF). Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen der letzten
Jahre belegen die grundsätzliche Verwendbarkeit und den Nutzen von Citizen Science-Daten
als zusätzliche Datenquelle für wissenschaftliche Untersuchungen in verschiedensten
Fachdisziplinen, u.a. der Ökologie oder der Medizin [57,58,59,60,61].
Wesentliche Voraussetzung für die wissenschaftliche Verwertbarkeit von Citizen Science-
Daten ist die Gewährleistung der Datenqualität. Zudem können nachvollziehbare und
transparente Konzepte der Qualitätssicherung und -kontrolle für bürgerwissenschaftliche
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
59
Daten helfen, bestehende Barrieren und Vorbehalte gegenüber Citizen Science auf Seiten der
Wissenschaft abzubauen. Nur so kann Citizen Science als Forschungsansatz anerkannt und
etabliert werden. Bereits heute haben Maßnahmen der Qualitätssicherung und -kontrolle einen
hohen Stellenwert in Citizen Science-Projekten. Sowohl im Vorfeld als auch während und nach
der Datenerhebung werden Maßnahmen zur Qualitätssicherung ergriffen. Diese sind
insbesondere die Entwicklung von Leitlinien zur -Datenqualität, die Etablierung von
standardisierten Vorgehensweisen für die Datenerhebung, das Training und die Begleitung
der Teilnehmer:innen, das Sammeln von Belegen sowie die Beurteilung der erhobenen Daten
durch Fachexperten. Dies geht aus der Citizen Science -Umfrage 2020 hervor. Auch
zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten befassen sich mit Fragen der Qualitätssicherung und
untersuchen den Wirkzusammenhang zwischen der Qualität der Daten und der Qualität der
daraus abgeleiteten wissenschaftlichen Ergebnisse [62,63,64,65,66].
6.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
Sicherung der Datenqualität
Qualitätssicherung und -kontrolle in Citizen Science-Projekten erfolgt zum überwiegenden Teil
manuell. Dies ist mit einem erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden. Automatische
Verfahren zur Qualitätssicherung haben das Potential diesen Aufwand erheblich zu reduzieren
(vgl. Handlungsfeld 12). Das betrifft insbesondere Verfahren zur automatischen Plausibilitäts-
und Vollständigkeitskontrolle direkt bei der Dateneingabe, maschinelle Lernverfahren der Bild-
und Texterkennung, der Detektion von auffälligen Datenpunkten sowie statistische Verfahren
für die Normalisierung von Daten. Diese müssen aber noch weiterentwickelt und zu
Werkzeugen ausgebaut werden, um in der Praxis einsetzbar zu sein. Darüber hinaus fehlt in
Citizen Science-Projekten oft die Expertise, um existierende automatische Verfahren in
Projekten sinnvoll einzusetzen. Unter 10% der Befragten in der Citizen Science-Umfrage 2020
(n=309) gaben an, dass in ihrem Cs- Projekt automatische Verfahren zur Qualitätssicherung
eingesetzt werden. Letztendlich müssen beide, also manuelle und automatische Verfahren zur
Qualitätssicherung, Hand in Hand gehen.
Nachhaltige Nutzbarkeit von Citizen Science-Daten
Um die langfristige Wirkung, Sichtbarkeit und Akzeptanz von Citizen Science zu gewährleisten
sollten Citizen Science-Daten nachhaltig und für breite Teile von Wissenschaft und
Gesellschaft nutzbar sein. Die in den FAIR Data Principles ([67], https://www.go-fair.org/fair-
principles/) formulierten Grundsätze der Auffindbarkeit, der Zugänglichkeit, der
Interoperabilität und der (Wieder-)verwendbarkeit für Forschungsdaten (Findable, Accessible,
Interoperable und Re-usable) setzen dabei den Maßstab für eine nachhaltige Nutzbarkeit. Eine
wichtige Rolle spielen beschreibende Daten zu den Daten (Metadaten). Diese gewährleisten
die spätere Interpretierbarkeit und Interoperabilität der Daten und machen die Herkunft und
Entstehung der Daten sowie Maßnahmen der Qualitätssicherung und -kontrolle
nachvollziehbar. Open Science sichert die Transparenz und Zugänglichkeit wissenschaftlicher
Erkenntnisse und ermöglicht deren Weiterverbreitung und Weiterentwicklung [68]. Wo dies
aus moralischer, ethischer und rechtlicher Sicht vertretbar ist (vgl. Handlungsfeld 7), sollten
Citizen Science-Daten und -methoden daher auch frei zugänglich und nutzbar sein.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
60
Dieses Ziel ist bisher nicht erreicht. Nur rund 65% der Befragten in der Citizen Science -
Umfrage 2020 (n= 309) gaben an, dass die in ihren Projekten erhobenen Daten veröffentlicht
wurden oder zukünftig veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung erfolgt vorwiegend in auf
Projektwebseiten (58%) oder in Fachpublikationen (44%), die Datenarchivierung auf
Institutsservern und in für die Citizen Scientists relevanten Medien. Wissenschaftliche Archive
und Repositorien werden kaum genutzt. Dies ist problematisch vor allem hinsichtlich der
Auffindbarkeit der Daten und des nachhaltigen Zugangs zu diesen. Etablierte
Veröffentlichungskanäle für Citizen Science-Daten existieren kaum [69]. Zu berücksichtigen
sind hier sowohl Zugangsmöglichkeiten für WissenschaftlerInnen wie auch für die Citizen
Scientists und die interessierte Öffentlichkeit.
Metadatenstandards für die Beschreibung von Citizen Science-Daten werden vom
überwiegenden Teil der Befragten, die in Citizen Science-Projekten für das Datenmanagement
verantwortlich sind (n=98), nicht genutzt bzw. sind diesen gänzlich unbekannt. Dies ist vor
allem hinsichtlich der Interoperabilität und Wiederverwendbarkeit der Daten, aber auch
hinsichtlich der Qualitätskontrolle problematisch. Erste Initiativen zur Standardisierung und
Verbesserung der Interoperabilität von Citizen Science-Daten existieren, beispielsweise die
Arbeitsgruppe 5 der COST Action CA15212 Citizen Science oder die Data and Metadata
Working Group der CSA, die das Metadatenvokabular PPSR (Public Participation in Scientific
Research) Common Conceptual Model (https://core.citizenscience.org) entwickelt. Ein breites
Spektrum an domänenspezifischen Metadatenstandards für Forschungsdaten existiert. Diese
Standards können auch im Kontext von Citizen Science verwendet werden. Daneben müssen
aber auch für Citizen Science-Daten und -projekte spezifische Aspekte abgebildet werden.
Diese betreffen unter anderem die Charakterisierung der ProjektTeilnehmer:innen (z.B.
hinsichtlich ihrer Expertise und Fähigkeiten), aber auch die Beschreibung der für Citizen
Science-Projekte üblichen Datenerhebungsstrategien, die sich teils grundsätzlich von denen
in traditionellen wissenschaftlichen Projekten unterscheiden [70].
Management von Citizen Science-Daten
Ein effektives Datenmanagement ist die Basis für Nachhaltigkeit und Wiederverwendbarkeit
von Citizen Science-Daten. Das stetige Anwachsen der Datenbestände in Wissenschaft und
Forschung macht das Management solcher Daten durch alle Stadien des Datenlebenszyklus
hindurch zu einer komplexen Aufgabe. Dies stellt Wissenschaftler und Bürgerwissenschaftler
in besonderem Maße vor große Herausforderungen. Auch im Bereich Citizen Science wird
Datenmanagement immer wichtiger, wobei sich dessen Bedeutung häufig noch nicht in
Ausschreibungen und Finanzierungen von Drittmittelgebern widerspiegelt. Dieser Umstand
wird auch vom mehrheitlichen Teil der Teilnehmer:innen der Citizen Science-Umfrage 2020
hervorgehoben. Daneben wünschen sich die Teilnehmer:innen geeignete Leitlinien und
Tutorials sowie Unterstützung bei der Datenarchivierung. Großer Beratungsbedarf besteht zu
den Themen Datenqualität und Archivierung, weniger bei Planung und Umsetzung der
Datenerhebung. Neben einer allgemeinen Beratung durch zentrale Stellen wünschen sich die
Teilnehmer:innen vor allem das Austauschnetzwerk zu datenwissenschaftlichen Experten zu
stärken.
Daneben wünschen sich die Befragten frei verfügbare und benutzerfreundliche Werkzeuge
zur Datenerhebung. Die Identifikation wichtiger Grundprinzipien für die Entwicklung solcher
Werkzeuge [71] sowie die Entwicklung grundlegender Methoden für die Datenerhebung durch
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
61
Laien sind Gegenstand der aktuellen Forschung. Wichtige Punkte sind dabei die
Benutzerfreundlichkeit der Werkzeuge, die auch wissenschaftlichen Laien die Erhebung
qualitativ hochwertiger Daten ermöglicht und diese zur Teilnahme motiviert, sowie die
Wiederverwendbarkeit dieser Werkzeuge [71]. Entscheidend ist dabei, dass methodische
Entwicklungen später direkt in Citizen Science-Projekten einsetzbar sind. Dies ist heute meist
noch nicht der Fall. Frei verfügbare Werkzeuge sind oft nur unter Mithilfe von IT-Experten
einsetzbar [72], kommerzielle Software ist eine Alternative, stellt aber einen großen
Kostenfaktor in Citizen Science-Projekten dar und verhindert zudem die Weiterentwicklung
von Werkzeugen durch die Citizen Science-Community.
6.3. Handlungsempfehlungen
(6).1.
Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen sollten gezielt an der
(Weiter-)Entwicklung von automatischen Methoden und
Werkzeugen zur Qualitätssicherung und -kontrolle arbeiten. Für
die notwendige methodische Forschung, die Umsetzung als
Werkzeug, deren Wartung und den Support für den Einsatz dieser
Werkzeuge müssen Fördermittel zur Verfügung gestellt werden.
(6).2.
Förderinstitutionen sollten die Nachhaltigkeit von
Projektergebnissen (einschließlich der erhobenen Daten) fördern.
Gleichzeitig sollte die Veröffentlichung der in Citizen Science-
Projekten entstandenen Daten gemäß der FAIR-Prinzipien
verbindlich sein.
(6).3.
Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen sollten Standards zur
Dokumentation von Citizen Science-Daten schaffen. Dazu müssen
geeignete Metadatenstandards für Citizen Science-Daten entwickelt
werden, die auf existierenden Metadatenstandards für
wissenschaftliche Daten (z.B. domänenspezifische Standards)
aufbauen und diese ggf. erweitern. Gleichzeitig sollten durch
Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen Leitfäden und Werkzeuge
erarbeitet werden, welche die Auswahl passender
Metadatenstandards und die standardisierte Beschreibung von Citizen
Science-Daten (auf einfache Weise) ermöglichen.
(6).4.
Um eine nachhaltige Nutzbarkeit von Citizen Science-Daten zu
erreichen müssen Förderer, Wissenschaftler:innen, und
Praktiker:innen Strukturen für die Datenarchivierung, -publikation
und den Zugang zu Citizen Science-Daten schaffen.
Dies macht die (Weiter-)entwicklung von Methoden, Werkzeugen und
Richtlinien für die Anonymisierung von Citizen Science-Daten mit
Personenbezug als Voraussetzung für eine Veröffentlichung der
Daten notwendig. Wissenschaftliche Einrichtungen sollten einheitliche
Möglichkeiten für die Archivierung von Citizen Science-Daten durch
Öffnung existierender bzw. entstehender Strukturen (z.B.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
62
wissenschaftlicher Langzeitrepositorien wie die NFDIs) oder durch
Neuschaffung von Strukturen ermöglichen. Gleichzeitig müssen
Zugänge zu (bürger-) wissenschaftlichen Daten (z.B. Datenportale) für
Bürgerforscher:innen geschaffen bzw. ausgebaut werden.
(6).5.
Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen sollten Methoden und
Werkzeuge für die Visualisierung und Exploration von Citizen
Science-Daten durch Bürgerforscher:innen (weiter-)entwickeln.
(6).6.
Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen sollten ein einheitliches
Zitierformat für Citizen Science-Daten schaffen und umsetzen.
(6).7.
Wissenschaftler:innen, und Praktiker:innen sollten zur Sicherung der
Datenqualität von Citizen Science-Daten ein effektives Management
von Citizen Science-Daten etablieren. Das kann erreicht werden
durch die Öffnung etablierter Unterstützungs- und Beratungsstrukturen
für Datenarchivierung, Datenmanagement und Qualitätssicherung
(z.B. Kontaktstellen für Forschungsdatenmanagement) für Citizen
Science-Projekte (auch für Projekte ohne institutionelle Anbindung),
durch die Etablierung und Stärkung eines Austauschnetzwerks zu
datenbezogenen Fragen in Citizen Science-Projekten, und das
Erstellen zielgruppengeeigneter Leitlinien/Tutorials zum Thema
Datenmanagement und Qualitätssicherung für Citizen Science in
leicht verständlicher Sprache, sowie die Schaffung von
wiederverwendbaren und konfigurierbaren Werkzeugen für die
Erhebung und Bereitstellung von Citizen Science-Daten.
(6).8.
Fördereinrichtungen sollten finanzielle Ressourcen für
Datenmanagement und Qualitätssicherung bei der Förderung
von Citizen Science-Projekten bereitstellen.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
63
7. Recht und Ethik
7.1 Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch?
Im Grünbuch wurden zwei Forderungen zu Recht und Ethik formuliert: Im Falle rechtlicher
Konflikte sollten Handlungsleitfäden zu den Themen „Daten-Offenheit“, „geistiges Eigentum“
und „Datenschutz“ für Citizen Science-Projektinitiatorinnen und -initiatoren sowie
Teilnehmende erarbeitet werden [16, S. 28]. In Bezug auf ethische Konflikte bedurfte es einer
weiteren Klärung und Überprüfung ethischer Fragen zu und über Citizen Science. Auf die
Forderungen wurde bisher sehr verschieden reagiert, weshalb wir streng den gegenwärtigen
Stand von Recht und Ethik trennen müssen.
7.1.1 Recht
In Bezug auf rechtliche Fragestellungen wurden bereits einige Handlungsempfehlungen des
Grünbuchs umgesetzt:
1. Umfrage zur rechtlichen Konflikten, Identifizierung von Konflikten und
Handlungsoptionen: Hier wurde im Juni 2020 eine Umfrage unter Projektleiter:innen
der deutschen Citizen Science-Community durchgeführt, die Fragen zu den
Themenfeldern Versicherungsschutz, Datenschutz und Urheberrecht sowie zum
Beratungsbedarf beinhaltete. Aus den Antworten der insgesamt 69 Teilnehmer:innen
lässt sich eine große Unsicherheit und ein sehr hoher Beratungsbedarf, vor allem zu
den Themen Bildrechte, Lizenzen sowie insgesamt zum Umgang mit Daten
identifizieren [73]. Auch in der Weißbuch-Umfrage DACH wurde ein Fragenblock zu
rechtlichen Fragestellungen aufgenommen. Hier steht beispielhaft für den hohen
Beratungsbedarf die Antworten nach der offiziellen Regelung im Umgang mit Daten
(Datenmanagementplan), die 38% mit ja, 22% mit nein und der Großteil (41%) mit ich
weiß es nicht beantworteten.
2. Erarbeitung eines Leitfadens, Finalisierung des Leitfadens: Konsultationen,
Formulierungen, Verbreitung, Vermittlung seiner Handhabung: Der rechtliche
Leitfaden wurde erstellt und setzt sich intensiv mit den für Citizen Science-Projekte
relevanten Fragestellungen, nämlich Versicherungsschutz, Datenschutz und
Persönlichkeitsrechte sowie dem Urheberrecht auseinander [31].
7.1.2 Ethik
Im Unterschied zu den Fortschritten bei den rechtlichen Fragen lässt sich bezüglich der
Forderungen zur Ethik eine weniger positive Bilanz ziehen. Tatsächlich lassen sich so gut wie
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
64
keine Fortschritte nachvollziehen. Zumindest kann auf der Basis der Weissbuch-Umfrage
DACH gesagt werden, dass auf der Schnittstelle zu formalisierten Regeln auch für ethische
Konflikte Lösungen existieren. So haben 48% die Frage nach dem Vorhandensein von Regeln
zum Umgang mit geistigem Eigentum bejaht, 9 % beantworteten sie mit nein und 43% gaben
an, dass sie es nicht wissen (n=289). Die Frage nach der Existenz ethischer Leitlinien im
Projekt für Konflikten beantworteten nur 6% mit ja, 41% mit nein und hier gab sogar die
Mehrheit von 53% an, dass sie es nicht wissen (n=287). Schließlich gab es auf die offene
Frage nach den vorhandenen Regelungen zur Klärung ethischer Konflikte 16 Antworten. Die
dort genannten Ansätze lassen sich mit denen in der Wissenschaft und anderen
Organisationen vergleichen. So gaben die Teilnehmer an, dass es in ihren Projekten unter
anderem folgenden Regelungen existieren: Verhaltenskodex, "Streitschlichter", strukturierte
Maßnahmen, Kodex nach den Qualitätskriterien von "Österreich forscht", Regelungen von
Ethikkommissionsanträgen, Netiquette, Vereinsstatuten.
7.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
Die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen im Bereich des Rechts lässt sich zum
einen am hohen Beratungsbedarf zu rechtlichen Fragestellungen festmachen. Weiterhin gibt
es eine große Unsicherheit zum Umgang mit Daten (Datenschutz) und geeigneten
Lizenzmodellen (Urheberecht) sowie zum Thema Bildrechte. Dies zeigt sowohl die Umfrage
zu rechtlichen Fragen [73] als auch die Weissbuch-Umfrage DACH. Dort ist zudem ein
generelles Bekenntnis zu Open Access festzustellen, die konkrete Beratung der
Realisierbarkeit stellt hingegen ein Desiderat dar.
Der Leitfaden [31] kann basierend auf der aktuellen Rechtslage Musterlösungen aufzeigen
und den rechtlichen Rahmen aufzeigen, jedoch eine individuelle Rechtsberatung nicht
ersetzen. Zudem ändert sich die Rechtslage durch neue Rechtsprechungen sowie die
Anpassung an europäisches Recht (vor allem das Urheberrecht wird sich im Juni 2021
reformieren).
Der Wunsch nach Austausch zu diesen Themen ist groß und dem konnte mit der Neugründung
der AG „Citizen Science & Recht“ nachgekommen werden. Zusätzliche (lokale) Workshops
und Beratungsangebote stellen einen weiteren Lösungsansatz dar.
Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen zur Ethik lassen sich nur interpretativ aus
der Weissbuch-Umfrage DACH herauslesen. Dazu haben wir die offene Frage nach den
Erfahrungen entsprechend der darin enthaltenen Konflikte, auch wenn sie nicht direkt benannt
werden, entsprechend bekannter ethischer Probleme zusammengefasst. Die Frage lautete:
„Mit welchen rechtlichen oder ethischen Fragestellungen im Bereich Citizen Science haben
Sie sich bereits beschäftigt? Welche Probleme sind in Ihrem Projekt bisher in diesem Bereich
aufgetreten? Schildern Sie uns hier gerne Ihre Erfahrungen.“ Es gab 108 Antworten, von
denen wir einige illustrativ auf vier Herausforderungen für die Konstitution ethischer Konflikte
zusammenfassen:
- Informationsproblem: Dieser Konflikt entsteht aus dem Unwissen der Beteiligten
über bestimmte Normen der gemeinsamen Forschungsarbeit. Exemplarisch wird dies
durch folgende Aussagen ausgedrückt: „Wann muss man einen Ethikantrag stellen?“ oder
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
65
„Ist die "Erhebung" des Inputs von Co-Forscher:innen bereits eine Datenerhebung, so dass
ein Ethikantrag gestellt werden muss?“ Gleich gelagert ist auch die Aussage guter
„wissenschaftlicher Praxis“, die unter Umständen nicht von allen gleich verstanden wird.
Durch den Mangel an Informationen nach welchen Regeln die gemeinsame
Forschungspraxis organisiert wird, können ethische Konflikte entstehen: „Reputation
bekommen die Forscher:innen, nicht die Bürger:innen, oder?“ Dafür steht auch die
folgenden Erfahrung:„Vereine und Initiativen sind sich Ihres wissenschaftlichen Potentials
nicht bewusst und können sich in einen wissenschaftlichen Arbeitsprozess nicht
einbringen.“
- Anerkennung: Eine Reihe von Aussagen behandeln die notwendige Anerkennung
der nicht akademisch Forscher:innen in den Projekten. Zum Beispiel zielt die in der
Umfrage geäußerte Frage: „Inwiefern sind Teilnehmer die Bodenproben beitragen als "Mit-
Erfinder" anzusehen?“ auf die grundsätzliche Anerkennung der Beteiligten als
gleichwertige Forschende oder im Sinne einer „Anerkennung von Citizen Science
innerhalb der Spitzenforschung“. Das Problem der Anerkennung scheint ebenso in der
Publikationspraxis ein wichtiger Punkt zu sein: „Nennung der Citizen Scientists in
Publikationen“. Das Problem der Anerkennung geht jedoch über die Publikationspraxis
hinaus, wie die folgende Aussage deutlich macht: „Frage der Entlohnung oder sonstigen
Anerkennung der Leistung von Freiwilligen war Thema an einem unserer Netzwerktreffen.
[…] Respekt gegenüber den Teilnehmer:innen ist auf alle Fälle essentiell.“ Die gleiche
Aussage lässt sich auch in der folgenden Erfahrung nachzeichnen: „Citizen Scientists
beteiligen sich in ihrer Freizeit. Sie möchten oft nicht nur einen kleinen finanziellen Obulus
für die Arbeit, sondern vor allem fachliche und persönliche Anerkennung ihrer Leistung und
ihres Wissens. [..]Das nicht zu beachten kann zu verstimmungen (sic!) führen und damit
das Projekt negativ beeinflussen.“ Ein letzter Punkt ist die nachhaltige Anerkennung der
Citizen Science, die aufgrund der projektbezogenen Organisationsform von Citizen
Science ein zunehmend schwierigeres Problem darstellt: „kurzfristige Projektdauer -->
Aufbauen einer Community --> nach Projektende --> Fallenlassen der Community (ethisch
vertretbar?)“
- Missbrauch: Das vermutlich dramatischste Feld ethischer Konflikte ist die Gefahr
des Missbrauchs von Citizen Science. Die bezieht sich zum einen auf die Freiwilligkeit der
Citizen Scientists, wie einer der Teilnehmer:innen Personen identifiziert: „Notwendigkeit
zur Kostenreduzierung in der Forschung (Auslagerung der Datenakquise)“. Der
Missbrauch der Citizen Science als kostengünstige Alternativen zu bezahlten Kräften wird
auch hier deutlich: „‘Ausbeutung‘ der Teilnehmer:innen“. Indes kann auch die
Instrumentalisierung der Citizen Science durch die aktuelle Wissenschaftspolitik einen
missbräuchlichen Charakter haben, wie die folgende Aussage der Umfrage
problematisiert: „Es könnte der Eindruck entstehen, dass ‚Citizen Science‘ nicht den
Ursprünglichen Zweck erfüllt, frei forschen zu können. Es scheint sich die Doktrin der
bürokratischen Wissenschaftsebene auf die freie ehrenamtliche Forschungsebene
überzugreifen. Der Spaß an Forschung geht möglicherweise dadurch verloren.“
- Konventionalisierung neuer Praxis: Eine vierte Herausforderung ist die notwendige
Aushandlung neuer Regeln für eine immer professionalisierte Citizen Science. Dabei steht
die Frage nach den anzunehmenden Regelungen und wer sie formuliert im Mittelpunkt.
Ethische Konflikte entstehen hierbei, wenn sie bestimmte Gruppen gegenüber anderen
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
66
durchsetzen und Citizen Science mit ihren Regeln quasi kapern. Die Sensibilität gegenüber
dieser Herausforderung wird etwa im Folgenden sichtbar: „Frauensegregation, wurde total
ignoriert wegen lokalen Umständen“. Auch eine gewisse Erwartungshaltung zu diesem
Prozess und seinen möglichen Problemen wird durch die Teilnehmer:innen Personen
formuliert: „Citizen Science und wissenschaftliche Integrität ist ein Aspekt, den die
Akademien und Science et Cité voraussichtlich aufgreifen werden“.
7.3 Handlungsempfehlungen
(7).1.
Förderer sollten den Aufbau und Betrieb eines
Rechtsberatungsangebotes finanziell, in Form von zusätzlichen
Personalstellen oder Projekten zur Ausarbeitung von offenen
Schulungsmaterialien, unterstützen.
(7).2.
Forschungs- und Bildungseinrichtungen sollten lokale Anlaufstellen für
Rechtsberatungen im Citizen Science-Umfeld anbieten, die unter
anderem Einzelberatungen sowie Workshopangebote für Interessierte
enthalten. Des Weiteren wäre eine nationales Netzwerk zum Austausch
der rechtlichen Anwendungsfälle für einen stetigen Wissensgewinn
förderlich.
(7).3.
Praktiker:innen und Wissenschaftler:innen sollten in Kooperation
Standards und Leitlinien verfassen, wie gerechte Citizen Science-
Praxis aussehen sollten, und darüber in ihrem Umfeld und Netzwerk
aufklären. (-> Verweis auf Handlungsfeld 9 “Bildungskonzepte”, da die
Themen Ethik und Recht auch Bestandteil von Weiterbildungen sein
sollten) Zur Einbindung der Community sind hier annotierbare
dynamische Dokument hilfreich.
(7).4.
Förderer sollten Citizen Science im Kodex „Leitlinien zur Sicherung
guter wissenschaftlicher Praxis“ verankern.
(7).5.
Die Arbeit bestehender Ethikräte und Ethikkommissionen in der
Wissenschaft sollte auf die Belange und Konflikte von Citizen Science
ausgeweitet werden
(7).6.
Initiator:innen aus Politik, Praktiker:innenn und Wissenschaft sollten
gemeinsame und von allen akzeptierte Spielregeln von Citizen Science-
Projekten vereinbaren. An der Formulierung der gemeinsamen Regeln
für Citizen Science-Projekte sollen alle Beteiligten gleich und fair
beteiligt werden.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
67
8. Integration in wissenschaftliche Prozesse
8.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit der Einbindung von Citizen Science
in den Forschungsprozess?
Das Handlungsfeld „Citizen Science in wissenschaftlichen Prozessen“ stellte eine
ganzheitliche Betrachtung auf das Wissenschaftssystem dar mit Verzweigungen in die
Themenbereiche der Projektförderung, Datenqualität und Anerkennungskultur. Auf die
Phasen des Forschungsprozesses -- von der Formulierung der Forschungsfrage, über die
Methodenwahl, das Datenerhebungsdesign, die Datengewinnung, -analyse und -interpretation
bis zur Kommunikation von Forschungsergebnissen bezogen -- kann Citizen Science in
unterschiedlichen Ausprägungen Anwendung finden. Shirk et al. [13] benennen entlang des
Intensitätsgrades der Bürgerinteraktion folgende Beteiligungsstufen in einem
Forschungsprojekt: „contract“, „contribute“, „collaborate“, „co-create“ und „colleagues“. Die
unterschiedlichen Beteiligungsformen von Bürgern entlang des Forschungszyklus wird auch
in der Umfrage mit 64% der Befragten (n=79) als Mehrwert bei der Sichtbarkeit und
gesellschaftlichen Akzeptanz von Forschung bestätigt. Leider ist in der Citizen Science
Projektlandschaft der contributory Ansatz in zahlreichen Bereichen nur ungenügend verankert
(so zum Beispiel in der Agrarforschung; ein erster positiver Trend ist hier der contributory
Ansatz im Monitoring der Agrarlandschaft [74] und der ko-kreative Ansatz der
Bürgerbeteiligung zu gesellschaftsrelevanten Themen [75] bleibt weiterhin unterrepräsentiert
[3]. Die vorherrschende Form der Einbeziehung der Bürger:innen in die etablierte
Wissenschaft liegt im Generieren von umfassenden Datensätzen (Bürger:innen als
Beobachter, Zähler, Datensammler). Dies bestätigt auch die Citizen Science Umfrage 2020:
54% der befragten ForscherInnen (n=75) bestätigten die Zeitersparnis und 58% (n=75) die
Kostenersparnis durch die Einbeziehung von Bürger:innen bei der Datenerhebung.
Die Einbindung von Bürgern in den Forschungsprozess verursacht einen nicht unerheblichen
Mehraufwand und Arbeitszeit. Um die Motivation für die Anwendung von Citizen Science als
Methodik in der Wissenschaft zu erhöhen, bedarf es aus der Perspektive der Forschung
heraus für das Engagement mehr Anerkennung und Wertschätzung von der eigenen
Wissenschaftscommunity (vgl. Handlungsfeld 5). Die Sichtbarkeit von Best-Practice-Ansätzen
ist zu weiten Teilen noch immer nicht gegeben, wie das Stimmungsbild aus der Umfrage zur
Honorierung und Verbreitung von Citizen Science Aktivitäten in den eigenen Fachbereichen
widerspiegelt (vgl. Handlungsfeld 5): so geben 54 % (n=280) der Befragten an, dass
Forschende für Ihr Engagement im Bereich Citizen Science nicht honoriert werden.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
68
Eine weitere essentielle Prämisse für die erfolgreiche Integration von Citizen Science-
Aktivitäten in den Forschungsprozess stellt die Akzeptanz der im Rahmen von Citizen Science-
Projekten erhobenen Daten dar. Weiterhin besteht eine Skepsis gegenüber der Qualität von
Daten aus Citizen Science-Projekten (vgl. Handlungsfeld 6). Die Umfrage hat gezeigt, dass
die Daten- und Ergebnisveröffentlichung von Citizen Science-Projekten vor allem auf
Projektwebseiten erfolgt. Dadurch durchlaufen die Ergebnisse der Citizen Science-Projekte
nicht den wissenschaftlichen Peer Review Prozess und sind zudem auch nur schwer
auffindbar und wiederverwertbar. Frühere Umfragen zeigten, dass einige Citizen Science-
Projekte auch gar keine wissenschaftlichen Publikationen vorsahen [76], und an dieser Stelle
muss sich die Citizen Science-Community dringend professionalisieren. Der exponentielle
Anstieg von Citizen Science-Veröffentlichungen und Citizen Science special issues in
renommierten Fachjournalen zeigt eine Änderung an (Box 7).
BOX 7 Citizen Science in der wissenschaftlichen Publikationslandschaft.
Die aufgeführten Beispiele stellen nur eine Auswahl dar. Den Autor:innen ist bewusst, dass es
weitaus mehr als die genannten Beispiele gibt.
Citizen Science Special Issues in Fachjournalen
● Citizen Science: Theory and Practice: an open-access, peer-reviewed Journal
https://theoryandpractice.citizenscienceassociation.org/
● https://journals.plos.org/plosone/browse/citizen_science
● https://www.mdpi.com/journal/ijgi/special_issues/Citizen_Science_Geospatial_Cap
acity_Building - ISPRS International Journal of Geo-
Information (Special Issue
"Citizen Science and Geospatial Capacity Building")
● https://www.mdpi.com/journal/sustainability/special_issues/citizen_sci_sus -
Sustainability (Special Issue "Citizen Science and the Role in Sustainable
Development")
● https://www.mdpi.com/journal/diversity/special_issues/citizen_science_diversity -
Diversity (Special Issue “Citizen Science for Biodiversity Conservation: Harnessing
the Power of the Public to Address Wicked Conservation Problems”)
● https://jcom.sissa.it/archive/15/03 -
Journal of Science Communication (Issue 03,
Special Issue: Citizen Science, Part II, 2016)
● https://www.britishecologicalsociety.org/introducing-the-Citizen Science-special-
feature-and-hub/ (- Special Feature in 6 Journals (Journal o
f Applied Ecology,
Journal of Animal Ecology, Journal of Ecology, Methods in Ecology and Evolution,
People and Nature, und Ecological Solutions and Evidence
) der British Ecological
Society: February 2021)
● https://cdnsciencepub.com/toc/as/6/3 -
Arctic Sciences Journal (Vol. 6, Issue 3 ,
Special Issue: Knowledge Mobilization on Co-Management, Co-
Production of
Knowledge, and Community-Based Monitoring to Su
pport Effective Wildlife
Resource Decision Making and Inuit Self-Determination., September 2020)
Citizen Science Fachbücher
● Vohland, K., Land-
zandstra, A., Ceccaroni, L., Lemmens, R., Perelló, J., Ponti, M.,
Samson, R., Wagenknecht, K. (Hrsg.) (2021) The S
cience of Citizen Science.
Springer. ISBN 978-3-030-58278-4
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
69
● Skarlatidou, A. & Haklay, M. (2021) Geographic Citizen Science Design: No one left
behind. UCL Press.
●
Lepczyk, C. A., Boyle, O. D., & Vargo, T. L. (Eds.). (2020). Handbook of Citizen
Science in Conservation and Ecology. University of California Press.
●
Noss, R. F. (2020). Handbook of Citizen Science in ecology and conservation.
University of California Press.
● Hecker, S., Haklay, M., Bowser, A., Makuch, Z., & Vogel, J. (Hrsg.). (2018). Citizen
Science: innovation in open science, society and policy. UCL Press.
●
Wink, M., & Funke, J. (Hrsg.). (2017). Wissenschaft für alle: Citizen Science.
Heidelberg University Publishing.
● Oswald, K., & Smolarski, R. (Hrsg.). (2016). Bürger Künste Wissenschaft: Citizen
Science in Kultur und Geisteswissenschaften. Computus Druck Satz Verlag.
Die Begleitforschung sowie die Evaluationsforschung von Citizen Science-Projekten werden
als zentrale Instrumente gesehen, die empirische Erkenntnisse zur Wirkung von Citizen
Science ermöglichen und den Mehrwert und das Potential von Citizen Science-Projekten
greifbarer für die wissenschaftliche Community zu machen. Deshalb wurde – im Prozess vom
Grünbuch zum Weißbuch – dieses Themenfeld in ein eigenes Handlungsfeld (vgl.
Handlungsfeld 15 “Begleitforschung”) ausgegliedert.
Im Grünbuch wurde 2016 die Weiterbildung und Befähigung von Wissenschaftler:innen
als zentrale Voraussetzung für die Anwendung von Citizen Science in zwei Handlungsoptionen
zum Ausdruck gebracht. Seit diesem Zeitpunkt haben sich in den Citizen Science-
Communities selbst Initiativen herausgebildet, die Weiterbildungsmaterialien und Maßnahmen
auf Online Plattformen zusammentragen. Eine aggregierte Übersicht über weltweite
Weiterbildungsangebote bietet die europäische Citizen Science-Plattform [77] an. In
Deutschland veranstaltet das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
eine Sommerschule und die Plattform “Bürger schaffen Wissen” bietet seit 2020
Trainingsworkshops [78] rund um das Thema an. Es ist erkennbar, dass sich das
akademische System langsam an den neuen Anforderungen orientiert. So wurde
beispielsweise Anfang 2020 an der Universität Jena die erste Citizen Science-Professur
besetzt. Auch weitere Universitäten und Wissenschaftsorganisationen implementieren Citizen
Science an ihren Einrichtungen mit Förderprogrammen (zB Helmholtz Innovationsfond) und in
ihren Strategien (z.B. Berlin University Alliance der Berliner Universitäten und der Charité,
Universität Potsdam – Gesellschaftscampus, Universität Münster–WWU-Citizen Science-
Wettbewerb 2020 Universität Düsseldorf – Bürgeruniversität, Citizen Science@Helmholtz,
Leibniz-Forschungsnetzwerk „Citizen Science“). Dennoch ist eine systematische Einbindung
von Citizen Science-Kompetenzen in die universitäre Lehre kaum erkennbar: Rund 60%
(n=75) der befragten Forscher:innen verneinen die Aussage, dass Citizen Science Bestandteil
von Curricula /Studienplänen ist. 69% (n=75) der Forscher:innen gaben an, dass es an ihren
wissenschaftlichen Einrichtungen keine Fortbildungen für Forschende zum Thema Citizen
Science gibt. Diesbezüglich zeigen die Ergebnisse der Umfrage auch, dass ein dringlicher
Bedarf an spezifischen Beratungsangeboten zu Citizen Science an wissenschaftlichen
Einrichtungen besteht. Die Handlungsoptionen bleiben deswegen auch 2020 bestehen. Eine
Erweiterung der Handlungsoption aus dem Grünbuch wäre das Einbinden von Citizen
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
70
Science-Methoden nicht nur in die universitäre Lehre sondern auch schon die frühzeitige
Heranführung von Kindern durch Schulen oder Kindergärten und das Einbinden von
Senior:innen durch das Seniorenstudium [79].
Seit der Erstellung des Grünbuchs wurden weitere Handlungsfelder für eine bessere
Durchdringung von Citizen Science in wissenschaftlichen Prozessen identifiziert. Es bedarf
einer stärkeren Sichtbarkeit von Citizen Science Projekten und deren Ergebnissen im
deutschen Wissenschaftssystem. Eine umfassende Dokumentation von Citizen Science
Projekten sichert eine bessere Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Die Beschreibung von
Anwendungsbereichen von Citizen Science als Forschungsmethode birgt das Potential, noch
nicht aktive Akteur:innen in den etablierten Wissenschaften abzuholen bzw. neu
Forschungsdisziplinen zu inspirieren. Der aktuelle Schwerpunkt liegt jedoch weiterhin bei den
Lebens- und Naturwissenschaften [3]. Aber auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften
werden Citizen Science-Projekte als eine Chance gesehen gesellschaftliche Fragestellungen
zu bearbeiten und diese werden unter dem Begriff der Social Citizen Science oder
‘transdisziplinärer Forschung’ zusammengefasst [80,81]. Eine Schärfung der verschiedenen
Begrifflichkeiten ist notwendig.
8.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
Auch wenn das Interesse an Citizen Science seit 2016 in der etablierten Wissenschaft
gestiegen ist (Box 7), führt die in manchen Fachgebieten immer noch vorhandene Skepsis der
‘klassischen’ Wissenschaft gegenüber der Bürgerforschung (24% der n=75 befragten
Forscher:innen gab an, dass Citizen aktuell keinen Mehrwert für das individuelle
Forschungsgebiet bringt) dazu, dass integrative Kooperationen zwischen
Bürgerforscher:innen und Wissenschaftsinstitutionen derzeit noch ungenügend sind. Eine
Steigerung der Anzahl dieser Kooperationen bedarf einer entsprechenden Unterstützung der
FachWissenschaftler:innen (auch auf Leitungsebene) und der interessierten Bürger:innen. Es
bedarf außerdem einer ständigen Kommunikation zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und
Wirtschaft, um existierende Kompetenzen zu nutzen und Forschungsergebnisse zu
kommunizieren. Darüber hinaus ist die Kooperation zwischen Bürger:innen und
Wissenschaftler:innen wichtig für die Vertrauensbildung (in die (Bürger)wissenschaft)
einerseits und für die Orientierung der Forschungsthemen an den gesellschaftlichen
Interessen andererseits. Citizen Science sollte als Teil guter akademisch-wissenschaftlicher
Praxis betrachtet werden.
In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass sich Citizen Science Projekte sehr vielfältiger
Fragestellungen annehmen und ganz unterschiedliche konzeptuelle Ansätze und
Beteiligungsformate verfolgen. Neue transformative Forschungsansätze wie sie die
Reallaborstrategie verfolgt (Wuppertal-Institut, KIT, TU Berlin, Thünen-Institut u.a.), wo
Lösungen für gesellschaftliche Probleme in Forschungsprozessen entwickelt, getestet und
umgesetzt werden, ermöglichen neuwertige Gestaltungsmöglichkeiten für Bürgerbeteiligung
und neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler:innen und
PraxisAkteur:innenn (vgl. Handlungsfeld 12 “Sensorik und KI”, als neues Forschungsgebiet in
den Citizen Science).
Die deutsche Citizen Science Community sieht dringenden Bedarf, den Intensitätsgrad des
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
71
Mitforschens von Bürgerwissenschaftler:innen in Citizen Science-Forschungsvorhaben zu
erhöhen. Die frühzeitige Einbeziehung von Bürgern bei der Forschungsfragen-Findung (der
Scoping-Phase oder der Ko-Kreation) stellt hierbei eine besondere Herausforderung dar. Den
direkten Kontakt zu den Bürgerwissenschaftler:innen zu pflegen, ist teils sehr zeitaufwendig.
Da finanzielle Ressourcen nicht ausreichend zur Verfügung stehen, kann aktuell nicht immer
genügend Raum der Scoping-Phase von Citizen Science-Projekten eingeräumt werden.
Dieser ist aber gerade bei Citizen Science-Projekten sehr wichtig für die frühzeitige Einbindung
von Bürger:innen und den weiteren Projektverlauf. Ähnliches gilt auch für die Nachbereitung
von Citizen Science-Projekten. Die Umfrage und Expertengespräche unterstreichen den
dringenden Bedarf an expliziter Einplanung von Zeit und mehr Instrumenten der
Forschungsfinanzierung für Citizen Science-Tätigkeiten in akademisch-wissenschaftlichen
Forschungsprojekten: Einen Großteil (64%) der befragten Forscher:innen (n=75) gab an, dass
es keine spezifischen Förderinstrumente für Citizen Science an wissenschaftlichen
Einrichtungen gibt (z.B. Wettbewerbe). 38% aller Befragten (n=276) gaben an, dass es derzeit
keine ausreichenden Instrumente zur Anschubfinanzierung von Citizen Science-Projekten
gibt, und 43,5% der Befragten (n=276) notierten keine ausreichenden Instrumente zur
Anschlussfinanzierung von Citizen Science-Projekten.
Großer Bedarf besteht in der verstärkten Öffnung des wissenschaftlichen Prozesses für
Bürgerforscher:innen an Hochschulen, Universitäten und Forschungsinstitutionen. Das
Hervorheben der Beteiligung von Bürgerforscher:innen (z.B. durch veröffentlichte
Danksagung) in Forschungsberichten oder auf der Projektwebseite, sowie das Führen als
Mitautor:innen in wissenschaftlichen Publikationen sowie ihre Teilnahme auf
wissenschaftlichen Fachkonferenzen (z.B. an der infolge der Corona-Pandemie vermehrt
organisierten online Veranstaltungen), um aus ihren Erfahrungen zu berichten, schaffen
Möglichkeiten “Nicht-Citizen Science-Wissenschaftlern" für Citizen Science-Methoden zu
sensibilisieren und Bürger:innen für die Mitwirkung an wissenschaftlichen Prozessen zu
motivieren (vgl. Handlungsfelder 5 & 1).
Die Initiative für die Anwendung von Citizen Science als Methode in Forschungsprojekten geht
weiterhin von einzelnen WissenschaftlerInnen aus und wird nicht immer von Fachbereichs-
oder Institutsleitungen willkommen geheißen. Deshalb besteht der Bedarf, weiterhin das
Bewusstsein für den Einsatz und Anerkennung von Citizen Science als Forschungsmethode
an Universitäten und Wissenschaftsorganisationen zu forcieren. Ein erster Schritt Citizen
Science sichtbarer zu machen, wäre die Einrichtung einer zentralen Citizen Science-
Stabsstelle als Anlaufstelle für Fragen, z.B. in Form eines institutionellen Citizen Science-
Ansprechpartners (z.B. Universität Düsseldorf).
8.3. Handlungsempfehlungen
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
72
(8).1.
Interaktion mit
Zivilgesellschaft muss Bestandteil des
Aufgabenprofils von Forscher:innen sein.
Forschungsgemeinschaften und Hochschulen sollten die
Anerkennung von Citizen Science als Forschungsmethode
erhöhen, z.B. durch das Einbinden von Citizen Science-Erfahrungen
i
n das wissenschaftliche Bewertungssystem (z.B. durch ein
Punktesystem für Citizen Science-
Engagement), und die Einbindung
von Citizen Science als Kriterium in die allgemeine Evaluierung von
Forschungsprojekten. Der gegenseitige Austausch zwischen Citizen
Science-
Projekten verschiedener Forschungsrichtungen und das
Forcieren interdisziplinärer Citizen Science-
Projekte würde die
Akzeptanz von Citizen Science zusätzlich bestärken.
(8).2.
Wissenschaftliche Einrichtungen, und Förderer sollten die Beteiligung
von Bürgerforscher:innen stärker in die akademische
Forschungslandschaft verankern, u.a. durch eine systematische
Prüfung von zukünftigen Forschungsvorhaben in relevanten
Fachrichtungen auf den Wirkungsgrad und den Einfluss von
Citizen Science.
(8).3.
Wissenschaftliche Bildungseinrichtungen sollten Aus- und
Fortbildungsmaterialien erstellen und Angebote für
Trainingsworkshops sowie Open Educational Ressources
ausweiten, um Citizen Science als Methode in der akademischen
Forschung bekannter zu machen.
Das kann z.B. durch das
Integrieren von Citizen Science-Skills, Open Science und partizipative
Methoden in universitäre Lehrpläne erreicht werden.
Gleichzeitig sollten Open Science Schulungsangebote an Hochschulen
(z.B. Einführungskurse in das wissensc
haftliche Arbeiten) für
Bürgerforscher:innen zugänglich gemacht werden und ausgebaut
werden.
(8).4.
Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen sollten
Beratungsstrukturen zu Citizen Science schaffen, die von den
eigenen akademisch
Forscher:innen und Studierenden in
Anspruch genommen werden
, z.B. durch die disziplinspezifische
Schaffung von lokalen Ansprechpartnern.
Unterstützend zu den lokalen Strukturen sollten politische
Entscheidungsträger eine Citizen Science-Beratungsanlaufstelle
errichten sowie den Ausbau eines nationalen Netzwerks zum
Austausch von Erfahrungen forcieren.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
73
(8).5.
Forschungsgemeinschaften und Hochschulen sollten die Präsenz
von eigenen CS-
Aktivitäten auf ihren Websites prägnanter
darstellen und gleichzeitig digitale Plattformen aufbauen, die
Citizen Science Projekte vorstellen, untereinander vernetzen und
unterstützen,
um eine erhöhte Sichtbarkeit von Citizen Science als
Innovationspotential für die Wissenschaft zu schaffen. Events und
Initiativen wie „Wissenschaftsnacht“ , „Wissenschaftsläden“, „Book-a-
scientist“ oder „Tag der offenen Tür“, die eine Annäherung zwischen
Wissenschaft und Bürgern begünstigen, sollten regelmäßig an
wissenschaftlichen Einrichtungen organisiert werden.
(8).6.
In Citizen Science-
Projekten sollten Wissenschaftler:innen die
Beteiligung von Bürgerforscher:innen systematisch hervorheben,
z.B. durch veröffentlichte Danksagung in Forschungsberichten, auf der
Projektwebseite oder Bürgerforscher:innen als Mitautor:innen in
wissenschaftlichen Publikationen führen (vgl. Handlungsfeld 5).
(8).7.
Wissenschaftliche Verlage/Journals sollten wissenschaftliche
Publikationsprozesse verstärkt für Citizen Science öffnen. Open-
Access-
Veröffentlichungsprozesse sollten bis 2030 einen finanziellen
Rahmen bieten, der eine bürgerwissenschaftliche Beteiligung fördert.
(8).8.
Bürgerforscher:innen
sollten vermehrt in wissenschaftlichen
Kongressen und Fachkonferenzen eingebunden werden
um z.B.
aus ihren Erfahrungen zu berichten und somit als Trigger für die "nicht-
Citizen Science-
Wissenschaftler:innen" und die Fachcommunity zu
fungieren. Deswegen sol
lten Förderer diese Aktivitäten in
Forschungsprojekten finanzieren.
(8).9.
Forschungsförderinstitutionen sollten einen größeren zeitlichen
Horizont und monetäres Volumen an Forschungsfinanzierung für
Citizen Science-Projekte einplanen, um
Findungsprozesse mit
den Bürgern attraktiver zu gestalten und für Wissenschaftler
umsetzbar zu machen.
Das kann durch eine ausreichende
Finanzierung für die Anfangsphase von Citizen Science-Projekten
und für die Nachbereitung
der Bürgerpartizipation an
Forschungsprojekten ermöglicht werden, und durch die Berufung von
Bürgerforscher:innen als Jurymitglieder
für die Verteilung von
Forschungsgeldern bei Auswahlverfahren zur Forschungsförderung
von Citizen Science-
Projekten (z.B. durch DFG, Bundesministerien,
Stiftungen).
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
74
9. Integration in Bildungskonzepte
9.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch?
Die Handlungsoptionen des Grünbuchs zu Bildungskonzepten und Citizen Science lassen sich
sinnvoll in vier Bereiche clustern: Schule, Außerschulische Lernorte, Universitäre Lehre,
Lebenslanges Lernen.
9.1.1 Schule:
Im Grünbuch wurden folgende Handlungsoptionen skizziert: 1) Integration von Citizen Science
als Ansatz in die schulischen Lehrpläne, 2) Ausbau und Anpassung der Lehrinhalte zu Citizen
Science, 3) Einbindung von Schüler:innen.
Es gibt einige Praxisbeispiele, die eine erfolgreiche Einbindung von Schüler:innen in Citizen
Science-Aktivitäten belegen. Dies basiert allerdings nicht auf institutionalisierten Strukturen -
eine exemplarische Analyse der Lehrpläne Gymnasium/Gesamtschule der Fächer Biologie
und Erdkunde für NRW (2019) und der Fächer Naturwissenschaft und Technik, Astronomie,
Informatik, Mensch-Natur-Technik, Biologie, Chemie, Geographie,
Gesellschaftswissenschaften, Kunst, Mathematik, Musik, Physik, Wirtschaft und Recht für
Thüringen (2012-2018) ergab keine Nennung von Citizen Science oder Bürgerwissenschaften.
Nur sehr wenige Lehrkräfte (n = 18, bei über 750.000 Lehrkräften in Deutschland 2019/20)
nahmen an der Umfrage der AG Weißbuch teil, davon waren 80% von Gymnasien und nach
eigenen Angaben hatten nur sechs bereits mit Lerngruppen an Citizen Science-Aktivitäten
teilgenommen, acht gaben an, dies zu planen. Die Lerngruppen, mit denen Citizen Science-
Projekte durchgeführt wurden oder geplant sind, sind hauptsächlich Lernende der Klassen 10-
12. Die Durchführung ist meist im Fachunterricht angesiedelt, findet seltener extracurricular
statt.
9.1.2 Außerschulische Lernorte:
Im Grünbuch wurde die Etablierung und Unterstützung von Citizen Science-Strukturen durch
den Ausbau von Citizen Science als Lernangebot in außerschulischen Lernorten (wie
beispielsweise Umweltbildungszentren, Museen oder Bibliotheken) als Handlungsoption
identifiziert.
Es konnten zahlreiche Beispiele für die Einbindung von unterschiedlichen außerschulischen
Lernorten in Citizen Science-Aktivitäten gefunden werden. Beispielsweise etablierte das
Schülerlabor Kieler Forschungs:werkstatt ein erfolgreiches Projekt, indem Schüler:innen die
Verschmutzung von Gewässern mit Plastik kartierten. Die Umfrageergebnisse (n = 92) zeigen
jedoch, dass bisher relativ wenig Kooperationen zu Museen (7%), Schülerlaboren (4%) oder
Bibliotheken (3%) bestehen. Häufiger gibt es Kooperationen mit Vereinen und NGOs (34%).
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
75
Einige Institutionen sind gemäß der Recherche in mehrere Citizen Science-Projekte
eingebunden. Die Hauptzielgruppe sind dabei die Erwachsenen.
9.1.3 Universitäre Lehre:
Die Einbindung von Citizen Science in wissenschaftliche Forschung in der universitären Lehre
und Integration in die Curricula der Studiengänge wurde im Grünbuch als Handlungsoption
angegeben.
Citizen Science als wissenschaftliche Methode wird bisher kaum gelehrt, auch wenn vereinzelt
punktuelle Maßnahmen wie Summer/Winter Schools und Trainingsworkshops angeboten
werden. Es werden kaum Abschlussarbeiten unter Anwendung von Citizen Science-Methoden
angefertigt. Citizen Science ist trotz des Potentials noch nicht in allen Fachbereichen
angekommen. Eine Reihe positiver exemplarischer Beispiele zeigt gewinnbringende, auf
Citizen Science-fußende Kooperationen zwischen Schulen und Universitäten. Ähnliches gilt
für Kooperationen zwischen Forschungsinstitutionen (in denen Citizen Science beforscht wird)
und akademischen Bildungseinrichtungen.
9.1.4 Lebenslanges Lernen:
Das Grünbuch identifizierte folgende Handlungsoption: Ermöglichung eines lebenslangen
Lernens durch Citizen Science für alle Bildungsgruppen. Diese Handlungsoption wird in die
Aspekte Lerneffekte und Bildungsangebote unterteilt. Die Umfrage legt nahe, dass Citizen
Science mehrheitlich positive Lerneffekte hat, wobei Teilnehmer:innen und
Projektkoordinator:innen in ihrer Einschätzung voneinander abweichen (vgl. Abb 7).
Teilnehmer:innen schätzen die Wirkung von Citizen Science auf ihr Wissen positiver ein
(nWissen = 94) als die Wirkung auf ihr Interesse (nInteresse = 93), ihre Fähigkeiten (nFähigkeiten = 94)
oder ihre Einstellungen (nEinstellungen = 93). Projektkoordinator:innen schätzen das erworbene
Wissen (nWissen = 26), die Fähigkeiten (nFähigkeiten = 20), das Interesse (nInteresse = 18) und die
Einstellungen (nEinstellungen = 16) von Teilnehmer:innen durchweg positiver ein. Mehrheitlich
haben Projektkoordinator:innen die Wirkung bisher nicht evaluiert. Die Einschätzung der
Wirkung auf Teilnehmer:innen basiert allerdings zum Großteil auf den Erfahrungen der
Projektkoordinator:innen. Finanziell geförderte Citizen Science-Projekte nutzen häufiger
strukturierte Interviews und/oder standardisierte Fragebögen zur Evaluation.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
76
Abb. 7: Vergleich der Einschätzung inwiefern Bildungsziele erreicht wurden im
Vergleich ziwschen Projektkoordinierenden und Teilnehmer:innen
Manche Bildungsangebote werden seltener in die Projekte aufgenommen (z.B. systematische
Rückmeldung, Expertiseplattform) obwohl sie ähnlich häufig von Teilnehmer:innen genutzt
werden. Ein Beispiel: Während die meisten Projekte (n = 79 befragte Koordinator:innen)
Infomaterialien anbieten (ca. 71%), nutzt nur knapp die Hälfte der Teilnehmer:innen (n = 113
befragte Teilnehmende) diese Infomaterialien (ca. 48%). Knapp die Hälfte der
Teilnehmer:innen berichtet auch, dass sie systematische Rückmeldungen in den Projekten
nutzt (ca. 45%) (vgl. Abb. 8). Obwohl systematische Rückmeldungen an Teilnehmer:innen
eine positive Wirkung auf die Einschätzung ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten haben, bieten
weniger Projekte den Teilnehmer:innen systematische Rückmeldung (ca. 38%).
Teilnehmende, die systematische Rückmeldung zu ihren Tätigkeiten im Projekt erhalten
haben, schätzen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten positiver ein als Teilnehmer:innen, die keine
Rückmeldung erhalten haben (Wissen: nFeedback = 51, nkeinFeedback = 59; Fähigkeiten: nFeedback =
51, nkeinFeedback = 56).
Abb. 8: Vergleich zwischen Teilnehmer:innen, die systematische Rückmeldung erheben
oder nicht.
*p < .05; **p < .01; ns = nicht signifikant
Teilnehmer:innen schätzen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in Abhängigkeit davon, ob sie
Infomaterialien genutzt oder nicht genutzt haben, nicht unterschiedlich ein (vgl. Abb. 9).
Infomaterialien scheinen gegenüber der systematischen Rückmeldung für das Wissen und die
Fähigkeiten der Teilnehmer:innen eine untergeordnete Rolle zu spielen (Wissen: nInfomaterial =
54, nkeinInfomaterial = 56; Fähigkeiten: nInfomaterial = 53, nkeinInfomaterial = 54).
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
77
Abb. 9: Vergleich zwischen Teilnehmer:innen, die Infomaterial genutzt haben oder nicht.
ns = nicht signifikant
9.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
9.2.1 Schule:
In den untersuchten Lehrplänen konnten Anknüpfungspunkte gefunden werden, die das
Potential Citizen Science in die Curricula zu integrieren, bestätigt. Jedoch bedarf es dazu einer
Kollaboration zwischen Kultusministerkonferenz, verantwortlichen Institutionen in den
einzelnen Bundesländern und der Citizen Science-Community. Zudem ist es erforderlich, das
Thema Citizen Science in die Lehreraus- und -fortbildung zu integrieren.
Ein Beleg für die mangelnde Vernetzung von Lehrkräften und Citizen Science ist die sehr
geringe Beteiligung von Lehrkräften an der Umfrage der AG Weißbuch. Die Lehrkräfte
scheinen entweder nicht erreicht worden zu sein oder das Thema nicht als relevant eingestuft
zu haben.
9.2.2 Außerschulische Lernorte:
Die mehrfache Beteiligung von außerschulischen Bildungseinrichtungen könnte darauf
hinweisen, dass sich Citizen Science als Ansatz in diesen Institutionen etabliert. Es zeigte sich
jedoch, dass Schülerlabore, die oft direkt mit Forschungsinstitutionen verbunden sind, selten
Kooperationspartner sind. Es bleibt offen welche Faktoren diesen Prozess begünstigen. Sind
es die Akzeptanz in der Institution, Fördermittel, designierte Ressourcen oder persönliche
Erfahrungen? Es scheint jedoch, dass es mehr Strukturen und Angebote braucht, die
interessierte außerschulische Lernorte und Citizen Science-Koordinierende anregt und
unterstützt. Die Befragten identifizierten drei Bereiche für Herausforderungen zur Aufnahme
von Citizen Science in ihre Lernangebote: wenig flexible Organisationsstrukturen, fehlenden
personelle und finanzielle Ressourcen und fehlende Fachkenntnisse und unterstützende
Materialien wie Leitfäden.
9.2.3 Universitäre Lehre:
Unter anderem aus der Umfrage geht hervor, dass aufgrund von Unkenntnis hinsichtlich des
Potentials von Citizen Science für die Forschung seitens vieler Studierenden eine geringe
Aufgeschlossenheit für Citizen Science-Inhalte besteht. Ähnliches gilt für die Dozierenden,
denen zwar Citizen Science mehrheitlich bekannt ist, jedoch aufgrund des Mangels an
Angeboten an Fortbildungsmöglichkeiten zum Thema Citizen Science diese Methoden nicht
lehren können. Es fehlt demnach das Lehrpersonal mit entsprechender Expertise sowie die
Verankerung in den Curricula der Studiengänge. Beides wird von der EU jedoch als wichtiger
Punkt angesehen und eingefordert [82]. Die Missstände in der universitären Lehre in der
Lehramtsausbildung hinsichtlich Citizen Science setzen sich naturgemäß in den Schulen fort.
9.2.4 Lebenslanges Lernen:
Die positiven Einschätzungen der Projektkoordierenden hinsichtlich Wissen, Interesse,
Fähigkeiten und Einstellungen der Teilnehmer:innen deuten auf positive Lern- und
Entwicklungseffekte in Citizen Science-Projekten hin. Allerdings sollten die Ursachen der
Abweichung zwischen den Einschätzungen der Teilnehmer:innen und
Projektkoordinator:innen ergründet und erklärt werden (z.B. sozial erwünschten Antworten,
Selbstselektion). Wichtiger scheint jedoch die Unterstützung von Projektevaluationen durch
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
78
eine Förderung zu sein, da so standardisierte Fragebögen und strukturierte Interviews zur
Gewährleistung vergleichbarer Evaluationen eingesetzt werden können.
Bildungsangebote, die in vielen Citizen Science-Projekten geschaffen werden, werden nicht
zwingend auch von mehr Teilnehmer:innen genutzt. Gefragte und erfolgreiche
Bildungsangebote (z.B. Rückmeldung zu Tätigkeiten) sollten in vielen Fällen weiter
ausgebaut werden.
9.3. Handlungsempfehlungen
Bestehendes Stärken:
(9).1.
Wissenschaft und Bildungseinrichtungen sollten gemeinsam
Praxisempfehlungen zur Etablierung von Citizen Science in
außerschulischen Lernorten (weiter)entwickeln und verfügbar
machen.
(9).2.
Um freiwilliges Lernen zu ermöglichen und attraktiv zu machen ,
sollten Citizen Science-Koordinator:innen Bildungsangebote auf die
Interessen und Fähigkeiten der Teilnehmer:innen abstimmen,
indem sie auf bisherige Forschung zur Motivation von
Teilnehmer:innen zurückgreifen.
(9).3.
Praktiker:innen sollten basierend auf Forschungsergebnissen
effektive Bildungsangebote, wie die systematischen Rückmeldungen
zu Tätigkeiten an Teilnehmer:innen, in Projekten ausbauen, um
Lernen zu fördern.
Neues Schaffen:
(9).4.
Die Kultusministerkonferenz und Bildungsministerien der Länder sollen die
Integration von Citizen Science als Thema in Lehrpläne sowie Aus- und
Fortbildung von Lehrkräften als Format für forschendes Lernen in
authentischen Kontexten initiieren und dies durch Entwicklung von Lehr-
und Lernmaterialien fördern.
(9).5.
Förderer unterstützen Citizen Science-Koordinator:innen,
Bildungseinrichtungen und Bildungswissenschaften bei der gemeinsamen
Entwicklung von Lehr- und Lernmaterialien basierend auf dem Stand der
aktuellen Forschung um Citizen Science in die Unterrichtspraxis zu
integrieren.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
79
(9).6.
Wissenschaftseinrichtungen sollten Capacity-Building-Maßnahmen zum
Thema Citizen Science für Hochschuldozent:innen anbieten im Rahmen von
geförderten internen oder externen Fortbildungsangebote, sodass Citizen
Science in die Modulpläne und somit die universitäre Lehre integriert wird
(vgl. Handlungsfeld 8).
(9).7.
Förderer und Wissenschaftseinrichtungen sollten die Evaluation sowie
Erforschung (vgl. Handlungsfeld 15) von Bildungsprozessen in Citizen
Science finanziell und fachlich unterstützen, indem Förderprogramme
entsprechende Evaluationen finanzieren und forcieren, über Leitfäden zur
Evaluation fachliche Hinweise vermitteln und Kooperationen zwischen
Citizen Science-Projekten und der Bildungsforschung stärken.
Integration in Prozesse von Wissenschaft, Politik & Praxis:
(9).8.
Entwicklung eines umfangreichen und langfristigen Citizen Science-
Förderprogramms, das Schulen, außerschulische Lernorten,
Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen integriert.
Ein erfolgreiches Best-Practice-Modell für die geforderten
Handlungsoptionen zur Stärkung der Zusammenarbeit von Bildung
und Wissenschaft im Bereich Citizen Science stellt das umfangreiche
und langfristige Förderprogramm Sparkling Science (2007 bis 2020, 3
Mio Euro pro Jahr mit sukzessiver Erhöhung auf 6,5 Mio Euro) in
Österreich dar. Der durch Evaluation belegte Erfolg des
Förderansatzes, der Schulen, außerschulische Lernorten,
Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen integriert, sollte
als Vorbild dienen für die Entwicklung innovativer Strukturen und
Aktivitäten im Bereich Bildungskonzepte und Citizen Science.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
80
10. Integration in Entscheidungsprozesse
10.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch?
Der Stellenwert von Citizen Science hat in den vergangenen Jahren auf deutscher und
europäischer Ebene zugenommen. Citizen Science ist Bestandteil der Open Science Strategie
der Europäischen Union [83] und der deutschen Hightech-Strategie 2025 [29]. Zudem hat
Bürgerforschung in zentrale forschungspolitische Grundsatzpapiere des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung zur Wissenschaftskommunikation [26] und zur Partizipation [84]
Eingang gefunden (siehe dazu Handlungsfeld 4 zu den Synergien zwischen Citizen Science
und Wissenschaftskommunikation). Während das Potenzial der Integration von Citizen
Science-Ergebnissen in Entscheidungsprozesse auf strategischer Ebene wiederholt formuliert
wurde, werden Citizen Science-Ergebnisse bisher nur selten in konkrete politische und
gesellschaftliche Entscheidungsprozesse einbezogen [85,86,87]. Eine Ausnahme bilden
ausgewählte Bereiche des Naturschutzes, in denen bereits heute Daten aus Citizen Science-
Projekten zur Erfüllung nationaler und internationaler Berichtspflichten wie dem European
Farmland Bird- [88,89] oder dem Grassland Butterfly-Indikator beitragen (vgl. Box 8) [90]. Die
Nutzung von Citizen Science-Ergebnissen im Naturschutz drückt sich u.a. auch durch die
strukturelle Verankerung von Citizen Science in einschlägigen Behörden aus (z.B. Citizen
Science Special Interest Group der European Environment Agency) [53].
BOX 8 Einbindung von Citizen Science-Ergebnissen in das europäische
Biodiversitäts-Monitoring und -Reporting
Citizen Science spielt für das Monitoring und Reporting der biologischen Vielfalt eine
tragende Rolle. Eine Vielzahl an Bürgerwissenschaftler:innen sammeln in ganz Europa
teilweise seit mehreren Jahrzehnten Daten, die in detaillierte Artenkartierungen und -listen
einfließen. Dies ermöglicht einen Abdeckungsgrad und eine Genauigkeit des Reporting, die
durch das offizielle Monitoring alleine nicht erreicht werden könnte. Citizen Science-Daten
liefern damit wich
tige Informationen für politische Entscheidungsträger:innen. Konkrete
Anwendungsbereiche sind:
- Das Pan-
European Common Bird Monitoring Scheme (PECBMS), in das ein
Netzwerk aus Bürgerforscher:innen Vogelbeobachtungen einspeist. Der daraus
erstellte PECBMS
Common Farmland Bird Index und der EU Common Bird Index
sind anerkannte Indikatoren zur Erfassung der biologischen Vielfalt in Europa und
flossen in
●
die Bewertung der ländlichen Entwicklungspläne der Mitgliedstaaten der
Europäischen Union,
● die Beurteilung der EU-
Biodiversitätsstrategie und der Fortschritte bei der
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
81
Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) und
● die Monitoring- und Bewertungsmaßnahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik
(GAP) ein.
- Bürgerwissenschafter:innen aus 20 europäischen Ländern sammeln im Rahmen des
European Butterfly Monitoring Scheme (eBMS) umfassende Daten zur Verbreitung
von Schmetterlingsarten. Auf Basis dieser Daten wird der Grassland Butterfly Index
ermittelt, in den Daten zu 17 Schmetterlingsarten eingehen. Der Indikator dient der
Beurteilung des Fortschritts im Rahmen der EU-
Biodiversitätsstrategie, der
Berichterstattung an die Convention on Biological Diversity und der Bewertung des
Fortschritts bei der Erreichung der SDGs. Im Rahmen des von der Europäischen
Union finanzierten Projekts Assessing Butterflies in Europe
(ABLE) wird das
Monitoring derzeit auf Süd- und Osteuropa ausgeweitet.
- Die Rote Liste der bedrohten Arten, die von der International Union for Conservation
of Nature im Jahr 1964 ins Leben gerufen wurde, hat sich zur umfassendsten
Informationsquelle zum Aussterberisiko von Tier-, Pilz- und Pflanzenarten entwickelt
(IUCN Red L
ist). Die Rote Liste der IUCN ist damit ein wichtiger Indikator für die
weltweite Biodiversität und ein wirkungsvolles Instrument zur Umsetzung politischer
Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt. Gefährdete Arten werden auf der
Roten Liste anhand v
on Standardkriterien in Kategorien eingeteilt. Bereits heute
fließen in die IUCN-Bewertungen zu Vogelarten Daten aus Citizen Science-
Repositories wie eBird, BirdTrack und xeno-canto ein. Citizen Science-
Daten zu
Verbreitungsgebiet, Populationsgröße, Lebens
raum und Ökologie, Nutzung und
Handel, Bedrohungen und Schutzmaßnahmen helfen dabei, notwendige
Schutzmaßnahmen zu treffen.
Citizen Science hat großes Potenzial, zu politischen und gesellschaftlichen
Entscheidungsprozessen beizutragen [85,86,91]. Indem Citizen Science-Projekte z.B. auf
lokaler Ebene politikrelevante Fragestellungen beantworten (z.B. kleinräumige Exposition
gegenüber Luftschadstoffen) oder Daten über große Raum-Zeitskalen liefern (z.B. Verbreitung
von invasiven Tier- und Pflanzenarten), können sie die Grundlage für evidenzbasierte
Politikgestaltung bilden [92,93]. Citizen Science kann in unterschiedlichen Phasen der
Politikgestaltung Beiträge leisten, die von der Vorbereitung politischer Entscheidungsprozesse
bis zum Monitoring reichen [94]. Politik, die auf Citizen Science-Ergebnissen basiert, hat das
Potenzial, für Bürger:innen relevanter zu werden, da sich politische Lösungen stärker an ihrer
Lebenswirklichkeit orientieren. Die Beteiligung von Bürger:innen an der Erhebung, Analyse
und Interpretation von Citizen Science-Daten steigert die Legitimität der
Forschungsergebnisse und in weiterer Folge die Akzeptanz von politischen Entscheidungen,
die auf Basis dieser Daten getroffen werden [95]. Zudem können Bürgerforscher:innen ein
vertieftes Demokratieverständnis entwickeln, indem sie im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit
Einblicke in die oftmals schwierigen Abwägungsprozesse erhalten, die mit politischen
Entscheidungen einhergehen.
Der Konsens, dass Citizen Science einen Beitrag zu politischen und gesellschaftlichen
Entscheidungsprozessen leisten kann, steht in einem Spannungsverhältnis zur oftmals
ausbleibenden Berücksichtigung von Ergebnissen aus Citizen Science-Projekten in der
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
82
Realpolitik. Dies spiegelt sich in den Ergebnissen der Citizen Science-Umfrage 2020 wieder.
Circa 58% der 281 Teilnehmer:innen sahen in den Ergebnissen von Citizen Science-Projekten
einen Mehrwert für politische und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse, da diese
ergänzend zu anderen Datenquellen die Grundlage für Entscheidungen bilden können. Etwa
30% gaben an, dass Citizen Science-Daten eine essenzielle Datengrundlage für
Entscheidungsprozesse darstellen. Lediglich 3% der Befragten maßen Citizen Science-Daten
auf Grund unsicherer Datenqualität keinen Wert für Entscheidungsprozesse bei.1 Für rund
65% 4 der 75 Teilnehmer:innen Forscher:innen liefert Citizen Science einen Mehrwert, indem
durch die gemeinsame Erarbeitung von Forschungsfragen mit Bürger:innen und weiteren
Stakeholdern die gesellschaftliche Relevanz von Forschung gestärkt wird. Für 49% der
Forscher:innen stellt zudem die effektivere Umsetzung von Forschungsergebnissen einen
Mehrwert dar. Die praktische Umsetzung von Forschungsergebnissen aus Citizen Science-
Projekten wird an unterschiedlichen Stellen der Umfrage deutlich. Zwischen 2016 - 2020
besuchten 20% der 199 Befragten Citizen Science-Veranstaltungen, in denen die Umsetzung
von Forschungsergebnissen in Politik und Praxis behandelt wurde. Die gemeinsame
Erarbeitung praktischer Maßnahmen auf Basis von Citizen Science-Ergebnissen und der
direkte Austausch mit Politiker:innen wurden von 74% bzw. 72% der 200 Befragten als
wichtige Anerkennungsfaktoren für Bürgerwissenschaftler:innen identifiziert. Im Gegensatz
dazu stimmten jedoch nur 16% der 276 Befragten zu, dass Citizen Science derzeit von
politischen Entscheidungsträger:innen als valides Instrument geschätzt wird, um
Entscheidungen zu treffen. Insgesamt legen die Ergebnisse der Citizen Science-Umfrage
nahe, dass die Bürgerwissenschaft ihr Potenzial in Bezug auf die Integration in
Entscheidungsprozesse derzeit nur sehr eingeschränkt entfalten kann.
10.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses, wie Ergebnisse aus Citizen- Science-
Projekten in Entscheidungsprozesse einfließen können
Citizen Science kann ihren gesellschaftlichen Mehrwert zur Gänze entfalten, wenn ihre
Ergebnisse konsequent in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen berücksichtigt
werden [84]. Diskrepanzen zwischen der angekündigten Möglichkeit, zu
Entscheidungsprozessen beitragen zu können, und dem Ausbleiben der Beteiligung können
die Glaubwürdigkeit der betroffenen Entscheidungsprozesse reduzieren und
Bürgerwissenschaftler:innen demotivieren. Um dies zu vermeiden, ist es wichtig, dass alle
beteiligten Akteur:innen gemeinsam festlegen, ob und ggf. in welcher Form Citizen Science
zum jeweiligen Entscheidungsprozess beitragen kann. Der Beteiligungsgrad sollte von allen
Akteur:innen als verbindlich betrachtet und über den gesamten Entscheidungsprozess
berücksichtigt werden. Die Festlegung ob und in welcher Form Citizen Science Beiträge zu
Entscheidungsprozessen liefern kann, muss daher am Beginn eines jeden
Entscheidungsprozesses stehen. Behörden und Ämter können die Einbindung in
Entscheidungsprozesse unterstützen, indem sie dies in ihren Strategien verankern, die
Kooperation mit Citizen Science-Projekten fest in ihr Behördenhandeln integrieren und ihr
Personal mit den dafür notwendigen Kompetenzen ausstatten und Handlungsräume
ermöglichen.
1 Teilnehmende, die die Option “weiß nicht” angaben, sind hier nicht ausgewiesen. Die kumulative
relative Häufigkeit liegt daher unter 100%.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
83
Berücksichtigung relevanter Qualitätsstandards, damit Ergebnisse von Citizen Science-
Projekten in Entscheidungsprozesse einfließen können
Die Sicherung der Datenqualität ist eine zentrale Herausforderung für Citizen Science-
Projekte, wobei häufig Bedenken hinsichtlich Qualität und Transparenz der Datenerhebung, -
aufbereitung und -analyse geäußert werden [95,96]. Vergleichbar mit Projekten außerhalb der
Bürgerwissenschaften, ist in allen Citizen Science-Projekten die Einhaltung etablierter
Qualitätsstandards sicherzustellen [95]. Neben allgemeinen Qualitätsstandards müssen
Citizen Science-Daten, in zahlreichen Politikfeldern zusätzlich gesetzlich festgelegte
Standards erfüllen, bevor sie in Entscheidungsprozesse einfließen können (z.B.
Wasserrahmenrichtlinie [WRRL], Monitoring der häufigen Brutvögel MhB, Pan-European
Common Bird Monitoring Scheme [PECBMS]) [97,98]. Derzeit sind Daten aus Citizen Science-
Projekten mit diesen Standards nicht oder nur teilweise kompatibel. Um hier Abhilfe zu
schaffen, ist es notwendig, dass die spätere Verwertung der Ergebnisse bereits während der
Konzeptionsphase von Projekten mitgedacht wird [85]. Die notwendigen Standards und
Methoden sollten von Beginn an in den Planungen berücksichtigt und dokumentiert werden,
da die Berücksichtigung zu einem späteren Zeitpunkt unter Umständen nur noch bedingt
möglich ist. Ein enger Austausch mit den Nutzer:innen der zu erhebenden Daten (z.B. lokale
und überregionale Umweltämter oder Naturschutzbehörden) ist hierfür sicherzustellen [85].
Zur Unterstützung frühzeitiger Abstimmungsprozesse kann die Benennung konkreter
Ansprechpersonen mit entsprechendem Mandat bei allen beteiligten Akteur:innen sinnvoll
sein. Im Rahmen mancher Entscheidungsprozesse sollten zudem Abwägungen getroffen
werden, wie sich Daten aus klassischen Forschungsprojekten und Citizen Science-
Ergebnissen sinnvoll ergänzen können [93].
Verknüpfung von deliberativen Verfahren und Citizen Science
In den vergangenen Jahren veränderte sich die Art und Weise, wie sich Bürger:innen in
politische und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse einbringen. Neben die klassische
Beteiligung über Wahlen traten in repräsentativen Demokratien zunehmend deliberative
Verfahren wie Bürgerbegehren oder Bürgerräte, die insbesondere auf Ebene der Kommunen
und Länder von Bedeutung sind [99]. Sowohl deliberative Verfahren als auch Citizen Science
zeichnen sich durch einen hohen Beteiligungsgrad von Bürger:innen aus. Vor diesem
Hintergrund ergeben sich vielversprechende Ansatzpunkte für die Verknüpfung von
deliberativen Verfahren mit Citizen Science-Ansätzen, die zu einer wechselseitigen Stärkung
führen könnten. Insbesondere bei Entscheidungsprozessen, die mit einem hohen
Konfliktpotenzial und geringer Legitimität des Entscheidungsprozesse einhergehen (z.B.
Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in Stadtvierteln, Einrichtung von Windkraftanlagen),
könnten deliberative Verfahren durch die Einbindung von Citizen Science-Ansätzen gestärkt
werden. Forschungsergebnisse, die im Rahmen von Citizen Science-Projekten entwickelt
werden und eine hohe Legitimität unter allen Akteur:innen haben, könnten in deliberative
Verfahren einfließen und zu einer Versachlichung des Diskurses beitragen. Deliberative
Verfahren könnten dadurch gestärkt werden. Bisher fehlt es im deutschen Kontext an
Erfahrungen zur Integration von Citizen Science-Ansätzen in deliberative Verfahren. Vor
diesem Hintergrund sollten im Sinne von Reallaboren einschlägige Modellprojekte
durchgeführt werden, die u.a. eine systematische Evaluation von Barrieren und
Gelingensfaktoren umfassen. Basierend auf den Erfahrungen aus den Modellprojekten sollten
mittelfristig strukturelle Voraussetzungen geschaffen werden und ein entsprechender
Kapazitätsaufbau erfolgen, damit Citizen Science-Ansätze im Erfolgsfall in der Breite in
deliberative Verfahren integriert werden können.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
84
Schaffung struktureller Voraussetzungen für die Integration von Citizen Science-Ergebnissen
in Entscheidungsprozesse
Die Integration von Ergebnissen aus Citizen Science-Projekten in politische und
gesellschaftliche Entscheidungsprozesse ist voraussetzungsreich und personalintensiv. Um
die Integration zu gestalten und mit ihr in Zusammenhang stehende Prozesse zu koordinieren,
sollten bei den beteiligten Akteur:innen Koordinierungsstellen und weitere strukturelle
Voraussetzungen geschaffen werden (z.B. lokale Anlaufstellen in Behörden, Verbänden,
Museen oder Universitäten für Citizen Science). Organisatorisch könnten
Koordinierungsstellen z.B. bei bereits bestehenden Wissenschaftsläden oder Reallaboren
verankert werden. Die Schaffung struktureller Voraussetzungen für die erfolgreiche und für
alle Seiten gewinnbringende Integration von Citizen Science-Ergebnissen in
Entscheidungsprozesse ist ein mittelfristiges Vorhaben. Dies kann nur durch eine nachhaltige
Strukturförderung realisiert werden. Eine kurzfristige Projektförderung eignet sich nicht, da es
selbst am Ende mehrjähriger Projekte in der Regel zu Diskontinuitäten kommt und
aufgebautes Wissen verloren geht.
Kapazitätsaufbau zur Integration von Citizen Science-Ergebnissen in Entscheidungsprozesse
Die Integration von Forschungsergebnissen in politische und gesellschaftliche
Entscheidungsprozesse ist voraussetzungsreich. Die reicht von der partizipativen Festlegung,
ob und inwiefern Citizen Science-Ergebnisse in Entscheidungsprozesse gewinnbringend zu
Entscheidungsprozessen beitragen können bis zur tatsächlichen Berücksichtigung der
Ergebnisse in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen. Für die erfolgreiche
Integration von Citizen Science-Ergebnissen in Entscheidungsprozesse sind vielfältige
Kompetenzen notwendig, die derzeit noch nicht flächendeckend vorhanden sind. Dies zeigte
sich u.a. in der Citizen Science-Umfrage 2020, in der sich 82% der 88 Teilnehmer:innen
Unterstützung und Beratung in Bezug auf die Umsetzung von Ergebnissen von Citizen
Science-Projekten in Politik und Praxis wünschten. Um dem Bedarf an Kapazitätsaufbau
gerecht zu werden, sollten einschlägige Aus- und Fortbildungsangebote an Universitäten und
außeruniversitären Einrichtungen (z.B. Wissenschaftsläden) geschaffen werden. Politische
Entscheidungsträger:innen und Förderinstitutionen sollten hierfür langfristige Anreizstrukturen
schaffen.
10.3. Handlungsempfehlungen
(10).1.
Entscheidungsträger:innen in Politik und Verwaltung sollten
die Integration von Citizen Science-Ergebnissen in
Entscheidungsprozesse in ihren handlungsleitenden
Strategien verankern und die Kooperation mit Citizen
Science-Projekten fest in ihr Behördenhandeln integrieren.
Dafür ist es notwendig, dass sie ihr Personal mit allen
Mandaten ausstatten, die eine konsequente Integration in
Entscheidungsprozesse ermöglichen.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
85
(10).2.
Um die Verwertbarkeit von Citizen Science-Ergebnissen in
Entscheidungsprozessen sicherzustellen, sollten die Citizen
Science-Community, Wissenschaftsinstitutionen und die
späteren Nutzer:innen der Ergebnisse (z.B. Behörden und
Ämter) zu beachtende Standards frühzeitig gemeinsam
festlegen. Die verbindlich festgelegten Standards sollten im
Anschluss bereits in der Konzeptionsphase von Citizen-
Science-Projekten berücksichtigt werden.
(10).3.
Die Citizen Science-Community, zivilgesellschaftliche
Organisationen und politische Entscheidungsträger:innen
sollten im Rahmen von Modellprojekten die Integration von
Citizen Science-Ansätzen in deliberative Verfahren wie
Bürgerbegehren oder Bürgerräte erproben. Die
Modellprojekte sollten systematisch wissenschaftlich
begleitet werden, um Barrieren und Erfolgsfaktoren für eine
erfolgreiche Integration und Best-Practice-Beispiele zu
identifizieren.
(10).4.
Zivilgesellschaftliche Organisationen und politische
Entscheidungsträger:innen sollten strukturelle
Voraussetzungen für die erfolgreiche Integration von Citizen
Science-Ergebnissen in Entscheidungsprozesse schaffen
(z.B. Koordinierungsstellen, festgelegte Workflows zur
Einbindung von qualitätsgesicherten Citizen Science-Daten
in Politikgestaltung, Management und Monitoring).
(10).5.
Zivilgesellschaftliche Organisationen, Wissenschafts- und
Bildungsinstitutionen sollten Angebote zum Kapazitätsaufbau
(z.B. Aus- und Fortbildungsformate an Universitäten und
außeruniversitären Einrichtungen) schaffen, die Akteur:innen
(z.B. Projektkoordinator:innen, Mitarbeiter:innen in Behörden)
beim Aufbau von Kompetenzen unterstützen, die für eine
erfolgreiche Integration von Citizen Science-Ergebnissen in
Entscheidungsprozesse notwendig sind. Zudem sollten
praxisorientierte Beratungsangebote für Behörden und Ämter
angeboten werden, die eine verstärkte Einbindung von
Citizen Science in Entscheidungsprozesse planen.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
86
11. Medizin und Gesundheitsforschung
11.1 Situationsanalyse
Im Grünbuch wurde Citizen Science im medizinischen und gesundheitsbezogenen Kontext
noch nicht als eigenständiges Thema behandelt. In der Evaluierungs-Umfrage schreiben die
befragten Akteur:innen dem Citizen Science-Ansatz in der Medizin zukünftig mehrheitlich eine
hohe Bedeutung zu. Tatsächlich ist Citizen Science in der Medizin in Deutschland bis heute
ein vergleichsweise junges Feld, besonders dann, wenn Citizen Science als eine intensive,
aktive Beteiligung von Patient:innen und Angehörigen betrachtet wird (siehe Box ##). Es gibt
allerdings im Bereich Public Health und Gesundheitsförderung eine lange, eigene Tradition
der Partizipation nicht-wissenschaftlicher Akteur:innen, etwa die Ansätze der partizipativen
oder community-basierten Gesundheitsforschung [100,101,102]. Hier stehen oft die
gesundheitsbezogenen Lebensverhältnisse sozial benachteiligter Menschen im Vordergrund.
In der medizinischen Forschung erlangen zwar “patient-reported outcomes” zunehmende
Bedeutung und werden mittlerweile als Gewinn für wissenschaftliche Erkenntnisse erkannt
[103], der Beteiligungsgrad ist hierbei aber eher als gering anzusehen. Gleichwohl ist die
Berücksichtigung von subjektiven Wahrnehmungen und Erlebnissen - wie Symptome,
Lebensqualität und Lebensgewohnheiten - als Zielkriterium in der medizinischen und
Gesundheitsforschung ein wichtiger erster Schritt hin zur Stärkung des Individuums im
Forschungskontext. Darüber hinaus kommen auch Crowdsourcing-Methoden zum Einsatz,
zum Beispiel bei der Identifizierung und Klassifizierung von Krebszellen [104]. Patient:innen
sind daran aber eher nicht beteiligt.
Gründe für diesen eher geringen Verbreitungsgrad von Citizen Science in der Medizin liegen
unter anderem darin, dass die Wissenskompetenzen hier sehr spezialisiert sind und einseitig
den Ärzt:innen zugeschrieben werden. Erfahrungen, Erlebnisse und Wahrnehmungen von
Patient:innen oder Bürger:innen werden in der Regel als unbedeutend abgetan, wenn sie in
das vorhandene Spezialwissen nicht eingeordnet werden können. Auch die medizinische
Fachsprache ist im deutschsprachigen Raum für Bürger:innenbeteiligung hinderlich [105].
11.2 Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
Citizen Science in medizinischer und Gesundheitsforschung unter aktiver Beteiligung von
Patient:innen ist in vielerlei Hinsicht besonders im Vergleich zu Citizen Science in anderen
Bereichen. Die größte Besonderheit besteht darin, dass Citizen Scientists in medizinischen
Projekten auch Patient:innen bzw. Betroffene sind und somit gleichzeitig Subjekt und Objekt
der Forschung. Die von ihnen gelieferten Daten sind somit oftmals stark personenbezogen.
Eine zweite relevante Besonderheit ist die Motivation der Teilnahme an einem Citizen Science-
Projekt. Während sich die Teilnahme an klassischen Citizen Science-Projekten oft in der
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
87
Freude am Lernen und in der Teilhabe an der Wissensproduktion begründet, sind in
medizinischen und gesundheitsbezogenen Citizen Science-Projekten eher der gemeinsame
Leidensweg, die Sorge um die eigene Gesundheit oder auch der Wunsch, die Erfahrung mit
der eigenen Erkrankung an andere weiterzugeben, als Motivation zu nennen. Drittens ist die
Kommunikation zwischen Ärzt:innen und Patient:innen und deren Angehörigen hierarchisch
aufgebaut. Diese Hierarchie wird im deutschsprachigen Raum zusätzlich durch die lateinische
medizinische Fachsprache begünstigt, was eine Öffnung für Partizipation von Bürger:innen an
der Forschung erschwert. Viertens sind Patient:innen immer auch Expert:innen für das Leben
mit ihrer Erkrankung bzw. für ihre Erkrankung selbst. Vor diesem Hintergrund sollte Citizen
Science in der medizinischen Forschung spezifischen Kriterien unterliegen. Zum Beispiel liegt
es mit Blick auf die Expertise der Patient:innen nahe, diese von Beginn an in das Citizen
Science-Projekt zu integrieren, also auch in die Festlegung der Forschungsfragen und des
Forschungsdesigns. Dies wurde bisher in nur wenigen Projekten umgesetzt (vgl. Box 9).
BOX 9 Best-Practice-Beispiele
Typ-1-Diabetes (T1D) ist eine Erkrankung, bei der die Bauchspeicheldrüse kein Insulin
mehr produziert und dieses von außen verabreicht werden muss. Technologische Systeme
haben die Situation von Menschen mit T1D in den letzten Jahren deutlich verbessert, sind
aber noch weit davon entfernt, die Funktion der Bauchspeicheldrüse wirklich zu ersetzen.
Einige Menschen mit T1D nutzen nun innovativ weiterentwickelte Do-It-Yourself (DIY)
Artificial Pancreas-Systeme, die die Effektivität der kommerziellen Technologien deutlich
übertreffen. Das Citizen Science-Projekt TeQfor1
(https://www.buergerschaffenwissen.de/projekt/teqfor1-auswirkungen-technischer-
systeme-auf-die-eigene-lebensqualitaet-von-menschen-mit) stellt den Nutzenden dieser
Systeme einen wissenschaftlichen Ansatz zur Seite, welcher ihnen eine fundierte und
valide Beurteilung der DIY-Technologien ermöglicht, bei der der Fokus auf ihren eigenen
Kriterien liegt.
Patient Science ist ein ko-kreativer Citizen Science-Ansatz für die medizinische und
Gesundheitsforschung, der im Zuge eines vom BMBF geförderten Pilotprojekts
(https://www.buergerschaffenwissen.de/projekt/patient-science-patienten-schaffen-wissen)
entwickelt und erprobt wurde [106]: Hier führte ein Ko-Forscher:innen-Team – bestehend
aus Patient:innen und Angehörigen von Patient:innen mit der chronischen seltenen
Erkrankung der Mukoviszidose einerseits und professionellen Forscher:innen aus
Sozialwissenschaften, Psychologie und Medizin bzw. ärztlichen und psychosozialen
Behandler:innen andererseits – eine komplette wissenschaftliche Studie zu
Alltagsproblemen im Leben mit Mukoviszidose durch, von der Bestimmung des konkreten
Forschungsthemas und -designs über die Datenerhebung und -auswertung bis hin zur
Ergebnisverwertung und -veröffentlichung.
Im Projekt Nachsorge Schwangerschaftsdiabetes
(https://www.buergerschaffenwissen.de/projekt/nachsorge-schwangerschaftsdiabetes-was-
ist-wichtig) w
ird erforscht, wie die Frauen selbst und Behandelnde die Nachsorgesituation
einschätzen. Patient:innen sowie Bürger:innen können sich beispielsweise an der
Auswertung von Interviews beteiligen. Ziel des Citizen Science-Ansatzes ist es, möglichst
unterschie
dliche Menschen zu beteiligen, die durch ihre verschiedenen Erfahrungen und
Fähigkeiten den Prozess bereichern. Um diese Vielseitigkeit zu erreichen, wird angestrebt,
dass teilnehmende Ko-
Forschende Männer wie Frauen sind, aus verschiedenen
Altersgruppen und Berufen kommen und auch Menschen mit Migrationshintergrund
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
88
vertreten sind.
Patient:innen öfter und stärker in alle Phasen des Forschungsprozesses aktiv einzubeziehen
hat das Potenzial, den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess sowohl umfassender als auch
bedarfsgerechter zu machen [106]. Dadurch kann die Relevanz und der Nutzen der
Ergebnisse für die Gesundheitsversorgung insgesamt erhöht werden. Weiter besteht das
Potenzial, dass Adhärenz und Vertrauen zwischen medizinischen Fachkräften und
Patient:innen steigen, wenn Forschung gemeinsam und nicht hierarchisch betrieben wird.
Außerdem erhöht sich die Chance auf eine zusätzliche Verbreitung der Ergebnisse eines
Citizen Science-Projekts durch die Teilnehmer:innen Citizen Scientists über ihre eigenen
(Patient:innen-)Netzwerke.
In der klassischen medizinischen Forschung wird ein strenges Regelwerk weltweit anerkannt
und gefordert [107]. Diese strengen Regeln sind bei der aktiven Beteiligung von Patient:innen
im Forschungsprojekt manchmal in Frage zu stellen. Wenn zum Beispiel Patient:innen als
Bürgerforscher:innen (und nicht als ausschließlich Beforschte) beteiligt werden, ist die
geforderte Pseudonymisierung der Daten nicht konsequent einzuhalten. Insofern sind
insbesondere die Anforderungen von medizinischen Ethikkommissionen für Citizen Science-
Projekte anzupassen. Gleichzeitig müssen die hohen Standards in der klinischen Forschung,
zum Beispiel bezüglich der Datenqualität, auch in Citizen Science-Projekten eingehalten
werden.
11.3 Handlungsempfehlungen
Um die oben genannten Potenziale zu verwirklichen, sollten Patient:innen und Angehörige
öfter und stärker in allen Phasen des Forschungsprozesses beteiligt werden. Es sollte mit
ihnen geforscht werden, nicht an ihnen oder über sie. Dafür ist der wechselseitige Respekt
aller Beteiligten eine Voraussetzung. Es sollte den Bürgerforscher:innen die Möglichkeit
eröffnet werden, Forschungsthemen zu benennen und sich an der Planung von Projekten zu
beteiligen. Denn aufgrund der oben skizzierten Besonderheiten tragen Citizen Science-
Projekte in der Medizin eine Verantwortung für ein Empowerment der Teilnehmer:innen
Patient:innen und für die Stärkung ihrer Perspektive. Um Citizen Science in der Medizin und
Gesundheitsforschung zu fördern und strukturelle Hemmnisse abzubauen, bestehen
(mindestens) folgende Handlungsbedarfe:
(11).1.
ForschungsAkteur:innen und Fördergeber sollten für die
Potenziale, Bedarfe und Herausforderungen von Citizen
Science-Projekten in Medizin und Gesundheitsforschung
sensibilisiert werden. Dazu müssen insbesondere die
professionellen Akteur:innen innerhalb der Citizen Science-
Community aktiv werden und den Mehrwert bekannter machen.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
89
(11).2.
Praktiker:innen und ForschungsAkteur:innen sollten
spezifische Weiterbildungsmöglichkeiten für das bestehende
medizinische Personal entwickeln und durchführen, um den
besonderen Anforderungen von Citizen Science-Projekten gerecht
zu werden.
(11).3.
Neues Fachpersonal an klinischen Institutionen sollte
aufgebaut werden, welches medizinisch gebildet ist, dessen
Kernaufgabe aber die Koordination und Anleitung des
Forschungsprozesses mit Patient:innen ist.
(11).4.
Neue Richtlinien müssen erarbeitet und institutionalisiert
werden, wie medizinische Ethikkommissionen mit Citizen
Science-Projekten in Medizin und Gesundheitsforschung
strukturell umgehen sollten. Es bedarf einer Anpassung der
ethischen Grundsätze, um die Position von Patient:innen im
Forschungsprozess zu stärken und eine gleichberechtigte
Beteiligung zu ermöglichen. Die Initiative hierzu sollte von Citizen
Science-Akteur:innenn aus Forschung und Zivilgesellschaft
kommen.
(11).5.
Die forschungsfördernden Institutionen sollten zusätzliche
finanzielle Mittel für die Finanzierung von Citizen Science-
Projekten in Medizin und Gesundheitsforschung bereitstellen,
die in der Regel besonders aufwändig sind. Dies kommt
insbesondere den ehrenamtlich engagierten Patient:innen und
Patient:innen-Organisationen zugute, die oft ein großes Interesse an
den Forschungsprojekten haben, aber keine Kapazitäten, um daran
teilzunehmen. Förderausschreibungen sollten die Option vorsehen,
dass sich auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie
Patient:innenverbände bewerben können.
(11).6.
In den relevanten Forschungs-Communities sollte eine
Anerkennungskultur für Citizen Science in Medizin und
Gesundheitsforschung etabliert werden. Das Engagement für die
stärkere Beteiligung von Patient:innen im Forschungsprozess sollte
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
90
durch Anreize (z.B. Wettbewerbe, Anrechnung in internen und
externen Bewertungsverfahren) honoriert werden und sich förderlich
auf die professionelle Karriere auswirken.
(11).7.
Die involvierten Bürgerforscher:innen sollten dazu motiviert
werden, zur Kommunikation der Citizen Science-
Projektergebnisse beizutragen, indem sie als Multiplikator:innen
fungieren und andere Kommunikationskanäle erschließen. Damit
kann ein großes und diverses Publikum für die Verwertung der
Forschungserkenntnisse erreicht werden.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
91
12. Sensorik und künstliche Intelligenz
Neue Technologien prägen Entwicklungen in der Gesellschaft. Citizen Science soll dazu
beitragen, diese Technologien menschen- und umweltfreundlich zu gestalten und somit zu
einer nachhaltigen, inklusiven Zukunft beizutragen. In diesem Handlungsfeld verfolgen wir
beispielhaft den Zusammenhang von Citizen Science mit Sensorik und Künstlicher Intelligenz.
12.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch?
Künstliche Intelligenz und Sensorik bieten neue Möglichkeiten für die digitale Transformation
und Gesellschaftsentwicklung. Die Citizen Science-Community nutzt diese Möglichkeiten im
Sinne einer aktiven Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für sich in immer stärkerem Maße,
auch wenn das Potential von bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Ein Treiber dieser
Entwicklung ist die immer bessere Verfügbarkeit intelligenter Sensoren. So steigt die Zahl
verkaufter Sensoren jedes Jahr um 17%, während der Preis von Sensoren jährlich um 8%
sinkt. Durch diese „Demokratisierung der Technologie“ können in Bürger:innenprojekten heute
in viel stärkerem Maße automatisiert Daten gesammelt werden.
Mit der wachsenden Menge an Daten, die in Citizen Science-Projekten anfallen, wächst auch
die Nachfrage nach effizienten Analyse-Tools. Hierfür hat sich bieten sich mit der künstlichen
Intelligenz (KI) neue Möglichkeiten, die es so 2016, im Erscheinungsjahr des Grünbuchs, noch
nicht gab. In der Citizen Science-Umfrage sehen daher auch ein großer Teil der Befragten
eine zunehmende Bedeutung von Sensorik und KI in Citizen Science-Projekten.
12.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
Die Rolle von Sensorik und künstlicher Intelligenz in Citizen Science kann prinzipiell aus zwei
Perspektiven betrachtet werden. Was ist der Nutzen von Citizen Science für Künstliche
Intelligenz und Sensorik, und was ist der Nutzen von künstlicher Intelligenz und Sensorik für
Citizen Science? Hier sind beide Zugänge wichtig. Beobachtungen von
Bürgerwissenschaftler:innen sind qualitativ hochwertige Eingangsdaten für künstliche
Intelligenz, die schon eine erste Qualitätsprüfung durch die Citizen Scientists durchlaufen
haben. Beispielsweise sind Daten zur Biodiversität, Bildverarbeitung oder Audioanalyse
hervorragend geeignet, um Citizen Science-Instrumente zu entwickeln, (z.B.
Pflanzenbestimmungs-App). Dadurch wird das “Datensammeln” auch für Datensammler:innen
interessant, weil die Daten auch sekundär genutzt werden können, während im Projekt die
Anwendung der künstlichen Intelligenz (Pflanzenbestimmung) im Mittelpunkt steht.
Darüber hinaus können große Datenmengen ohne persönliche Anwesenheit, ggf. an schlecht
erreichbaren, schlecht zugänglichen Orten gesammelt werden. Künstliche Intelligenz hilft
komplexe dynamische Systeme verständlich abzubilden, um sie zu erforschen, aber auch um
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
92
sie besser kommunizieren zu können. Die Visualisierung komplexer Daten bei Citizen
Science-Projekten oder komplexer Vorgänge wie dem Infektionsgeschehen während einer
Pandemie wird durch künstliche Intelligenz erleichtert. Dadurch kann künstliche Intelligenz und
Sensorik auch Teil didaktischer Konzepte in Schulen, Universitäten und anderen
Bildungseinrichtungen werden.
Herausforderungen
Citizen Science sollte stärker als Kooperation zwischen Bürger:innen und wissenschaftlichen
Einrichtungen gelebt werden. Eine solche Kooperation beinhaltet auch eine unterschiedliche
Beteiligung an Ressourcen für Sensorik und künstlicher Intelligenz. Dabei können
wissenschaftliche Einrichtungen auch kostenintensive Sensorik engagierten Bürgern zur
Verfügung stellen (SMARAGD). Die Bürger:innen können sich bei der Betreuung der
Sensorik, der kontextbezogene Interpretation von Daten sowie bei der Nutzbarmachung von
Daten einbringen. In einem solchen Modell sollten Bürgerwissenschaftler:innen in die
Prozessabläufe der wissenschaftlichen Einrichtung eingebunden werden, um die Ausbildung
der Bürgerwissenschaftler:innen zu ermöglichen, aber auch um Versicherungsfragen zu
klären. Auch die Vernetzung von Citizen Science-Initiativen kann ein wirksames Mittel sein,
um gemeinsam Ressourcen zu nutzen und einen Mehrwert zu schaffen. So stellen in Projekten
wie Data Science for Social Good und CorrelAid Programmierer und Data Scientists ihre
Fähigkeiten für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung.
Oft stehen Citizen Science-Projekte vor der Herausforderung, verschiedenste Akteur:innen
in produktive Kooperation zu bringen. Citizen Science-Projekte sollten so geplant werden,
dass Bürgerwissenschaftler:innen verschiedene Rollen vom Sammeln bis zur Datenanalyse
und -interpretation entsprechend ihrer Motivation und ihrem Kenntnisstand einnehmen können
(Bee Observer). Mögliche Aufgaben sollten vor Projektbeginn definiert und kommuniziert
werden, damit klar ist, an welchen Stellen die Bürger:innen Beteiligungsoptionen haben und
welche Rollen ihnen zur Verfügung stehen. Wichtig ist hier auch die jeweilige Akzeptanz der
Beiträge anderer, denn Sensorik und künstliche Intelligenz erfordert die Beteiligung von
ProjektTeilnehmer:innen mit Fachwissen. Die Bürgerwissenschaftler:innen sollten für ihre
Aufgabe ausgebildet und Lead-Citizens für diverse Innovationsprozesse aktiv und behutsam
eingebunden werden.
Die Mitarbeit sollte als Wissens-Partnerschaft organisiert werden. Dazu gehört auch, dass die
Nachhaltigkeit eines Projektes über die Projektlaufzeit hinaus sichergestellt wird. Aus unserer
Perspektive steht die Arbeit mit bestehenden Gruppen, das Vermitteln von Kooperationen und
das Entwickeln von Workflows über dem inhaltlichen Ziel einer Toolentwicklung oder
Datensammlung. Es sollten im Projekt die Voraussetzungen geschaffen werden, dass die
Bürgerwissenschaftler:innen das Projekt selbstständig weiterführen können.
Als einen Hinderungsgrund für die Nutzung von Sensorik und künstlicher Intelligenz sehen
74% der Befragten die Kosten für deren Einsatz. Dabei sollte bei der Diskussion um Kosten
unbedingt der Wert der Daten in Bezug auf finanzielle Konsequenzen von Entscheidungen
gesehen werden, die auf diesen Daten basieren sowie in Bezug auf die Akzeptanz von
Entscheidungen.
Trotz des großen Potentials von künstlicher Intelligenz bei der Analyse großer Datenmengen,
das auch von der Mehrheit der Citizen Science-Umfrage attestiert wird, gibt es noch
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
93
Akzeptanzprobleme für künstliche Intelligenz in der Citizen Science-Community. Hier geht es
auch um ethische Aspekte. Ansätze, die bei der Technologieentwicklung auf Prinzipien des
Humanity Centered Design basieren, tragen dazu bei, diese Akzeptanzprobleme abzubauen.
Algorithmen als Basis für Entscheidungsprozesse sollten transparent sein. Künstliche
Intelligenz kann verstehbar gemacht werden, um einen bewussten Umgang damit zu
ermöglichen (z.B. mit kommerziellen Datensammlern). Die Bürger:innen sollten in die Lage
versetzt werden, die Ergebnisse von künstlicher Intelligenz beurteilen zu können. Im Bereich
künstlicher Intelligenz und Sensorik ist die Digitale Kompetenz als ein Schlüssel zum
Engagement. So basiert das Projekt Algorithm Inventarium auf partizipativen Methoden,
Citizen Innovation und starker Einbindung von Künstler:innen.
12.3. Handlungsempfehlungen
(12).1.
Praktiker:innen und Wissenschaftler:innen sollten den
potentiellen Mehrwert des Einsatzes von künstlicher Intelligenz
und Sensorik klar darstellen.
Allgemein gilt, je belastbarer die
durch den Einsatz der Technologien gewonnen Informationen sind
desto fund
ierter sind die aus diesen Informationen abgeleiteten
Schlussfolgerungen und Entscheidungen.
(12).2.
Wissenschaftler:innen sollten die Ziele des Einsatzes von
künstlicher Intelligenz und Sensorik klar definieren. Mit Sensorik
und künstlicher Intelligenz können in Citizen Science-Projekten
Forschungsfragen verschiedener Komplexität beantwortet
werden. Auf einem niedrigen Level stehen Fragestellungen wie: Wie
grün ist meine Nachbarschaft? Wie hoch ist die Konzentration von
Feinstaub in meiner Umgebung? Ko
mplexere Fragestellungen
beinhalten Analysen zu zeitlichen Trends. Wie haben sich die
Eigenschaften dieser Elemente mit der Zeit verändert, und gibt es
Tendenzen zur nachhaltigen Entwicklung oder ist sie gegenläufig?
Die am meisten komplexen Studien kombin
ieren unterschiedliche
Datensätze und schließen die eigene Betroffenheit ein, z.B.: wie wirkt
sich die Luftqualität auf meine Gesundheit aus und was bedeutet das
für meine Umgebung?
(12).3.
Etablierte Forschungseinrichtungen sollten in weit stärkerem Maße
Sensorik bereitstellen und Citizen Science-
Projekte bei Wartung
sowie Kalibrierung unterstützen.
Damit wissenschaftliche
Einrichtungen auch kostenintensive Sensorik engagierten
Bürgern zur
Verfügung stellen können, sind entsprechende
rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
94
(12).4.
Die Politik sollte die Infrastrukturen bereitstellen um von
Bürger:innen generierte und andere frei verfügbare Daten
(insbesondere Umwelt-, Nutzungs-, Stadtstruktur-, sozio-
ökonomische sowie andere Geodaten) aufzubereiten und in eine
gemeinsame Geodateninfrastruktur
zu überführen. Mit diesem
Schritt werden den Bürger:innen ihre eigenen Daten zurückgegeben:
„Bring the (geo-)data back to the people“. Analysetools zu relevanten
Forschungsfragen sollten in zentralen Plattform (z.B.
SDG12 one
planet Network) bereitgestellt werden.
(12).5.
Bildungsstätten sollten Bürgerwissenschaftler:innen Wege eröffnen,
um zu derartigen Informationen zu kommen und sich in Netzwerke
so niedrigschwellig wie möglich einzubringen. Eine Möglichkeit
könnte eine Plattform für Vernetzung und Innovation (vgl.
Hand
lungsfeld 6 “Datenqualität und Datenmanagement”) sein, wo
Links zu bestehenden Tools ebenso bereitgestellt werden und
Demonstratoren gelistet sind, um Communities und finale
Innovationsnetzwerke zu erschließen.
(12).6.
Wissenschaftler:innen und Prakti
ker:innen sollten verschiedene
Online- und Offline-Werkzeuge
bereitstellen, um den Dialog
zwischen Bürger:innen, Wissenschaft als auch kommunalen
Akteur:innenn, wie Firmen, Politik und NGOs zu fördern. Dazu
gehören insbesondere Bürger:innenlabore, ein zentrales Web-Gis
mit Analysefunktionen sowie mobile Apps. Ein wesentliches
Projektziel ist eine sozial ausgewogene und integrierend wirkende
Einbindung von Akteurinnen und Akteur:innenn der
Zivilgesellschaft in wissensbasierte lokale und regionale
Entscheidungsprozesse
. Die Bürger:innen stehen dabei am
Anfang und werden über verschiedene Grade der Beteiligung
eingebunden, insbesondere Mitwirkung bei der Datengewinnung und
Kollaboration bei der Definition der Forschungsfrage und
Datenanalyse.
Moderne Entwicklungen z.B. das Internet of Things können genutzt
werden. Nicht nur, um sie zur Datensammlung zu nutzen, sondern
auch, um Zugang zu Daten, Rechte an Daten auf
gesellschaftlicher/politischer Ebene zu diskutieren und den
Wissenshintergrund für einen fundierten Diskurs zu schaffen.
Ein Beispiel könnte die verstärkte Etablierung der Nutzung Sensorik
und Künstliche Intelligenz durch Citizen Science zur Datenerhebung
und Datenauswertung im Kontext von Prozessen bei der Planung
und Realisierung von
Infrastrukturmaßnahmen (z.B. Bereitstellung
von Sensorik an Bürger, wenn es um die Ermittlung von
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
95
Umweltbelastungen (z.B. Lärm, Luftverschmutzung) geht.
(12).7.
In Citizen Science-Projekten können Forschende und
Praktiker:innen das große Potential von Sensorik und künstlicher
Intelligenz in neuen Anwendungsfeldern gezielt nutzen, wie
zum Beispiel
● Artbestimmung, Biodiversität, Environmental DNA,
Medizinforschung, Tierschutz
● Umwelt- und Klimaschutz, Monitoring sich verändernder
Prozesse (Landnutzung)
● Stadtentwicklung (Ermittlung von Hotspots in
Umweltbelastungen; Mobilität; soziologische Aspekte,
Migration)
● Mit künstlicher Intelligenz geschaffene Kunst, mit künstlicher
Intelligenz generierte Texte /Gebrauchstexte, lyrische Texte
etc.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
96
13. Archive, Bibliotheken, Museen und Wissenschaftsläden
13.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch?
Citizen Science- und Open Science-Projekte haben in Zahl und thematischer Breite in
Deutschland seit Herausgabe des Grünbuchs erkennbaren Zuwachs erfahren. Dies erstreckt
sich auch auf Archive, Bibliotheken, Museen und Wissenschaftsläden, die im Grünbuch noch
nicht adressiert wurden. Die zunehmende Digitalisierung wissenschaftlicher Sammlungen
ermöglicht beispielsweise die Einbeziehung von Bürgerforscher:innen, die an verschiedenen
Orten in der Welt leben und nun gemeinsame Austauschplattformen haben (vgl. Box 10)
[104,105]. Es besteht großes Potential, Citizen Science als kreativen Ansatz mit einem
Mehrwert für Gesellschaft und Wissenschaft zu nutzen. Doch während Open Science bereits
einen festen Platz hat, gibt es im deutschsprachigen Raum jenseits von Crowdsourcing-
Projekten [106,107] vergleichsweise wenig partizipative Forschung an Museen, Archiven und
Bibliotheken, die sich als Bürgerforschung versteht und sich bspw. auf der nationalen Plattform
„buergerschaffenwissen.de“ registriert hat [108,109]. Dabei gibt es mit den historischen und
kulturellen Vereinen eine teilweise schon über 150-jährige Tradition bürgerwissenschaftlichen
Engagements, an die angeknüpft werden könnte (vgl. am Beispiel von Geschichtsvereinen
[110]). Besonders Archive, aber auch Bibliotheken und Museen waren und sind seit dem 19.
Jahrhundert feste Kooperationspartner von Fachgesellschaften und Vereinen, stell(t)en
Räume als Treffpunkte zur Verfügung, boten/bieten deren Sammlungen einen Ort und
veröffentlich(t)en deren Publikationen. Aktuelle Beispiele aus dem Bibliotheksbereich, die an
diese Tradition anknüpfen, sind die enge Verbindung zwischen der Oberlausitzischen
Bibliothek der Wissenschaften und des Kulturhistorischen Museums Görlitz als städtischen
Einrichtungen mit der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften e.V. als
bürgerschaftlich organisierter Fachgesellschaft, oder der SLUB Dresden als Landesbibliothek
mit dem Dresdner Verein für Genealogie e.V. und dem Verein für sächsische
Landesgeschichte e.V., der zusätzlich eng mit dem Sächsischen Staatsarchiv –
Hauptstaatsarchiv Dresden kooperiert.
Wissenschaftsläden (und öffentliche Bibliotheken) nähern sich der Bürgerforschung von der
partizipativen Methodik her, während Archive, (wissenschaftliche) Bibliotheken und Museen
meist über Inhalte, d.h. ihre Bestände und ihre Sammlungsschwerpunkte in
bürgerwissenschaftlichen Kontexten aktiv sind. Beide Ansätze in Kombination machen den
gemeinsamen Wert als Transfereinrichtungen aus, der über eine reine Dienstleistungsfunktion
hinausgeht und die Befähigung der Bürgerinnen und Bürger zum eigenständigen Forschen in
den Fokus stellt. Mithilfe solcher Transfereinrichtungen kann es zu einer Transformation
kommen, bei dem das Schaffen wissenschaftlicher Erkenntnisse Teil eines partizipativen
Prozesses wird und akzeptiert wird, dass sich diese Erkenntnisse stetig weiterentwickeln und
verändern. Hier sind insbesondere Transfereinrichtungen in der Pflicht, einen offenen Umgang
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
97
mit Wissenschaft voranzutreiben, um die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft in Zeiten der
Wissenschaftsskepsis zu befördern.
13.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
Heute verfügbare digitale Formate bieten vielfältige Möglichkeiten, um das Sammeln und
Auswerten von Daten, das Entwickeln von Forschungsfragen und das praktische Anwenden
von Forschungsergebnissen als Gemeinschaftsaktivität von Forschungs-„Profis“ und -„Laien“
auszubauen. Dabei zeichnen sich erfolgreiche Formate dadurch aus, dass die Einrichtungen
sie flexibel auf die Zielgruppen anpassen bzw. sie mit ihnen gemeinsam entwickeln, indem
beispielsweise das vorhandene Datenmaterial aus Sammlungen genutzt wird, um es mit
Forschungsfragen von ehrenamtlich Forscher:innen abzugleichen. Nicht jeder
Forschungsprozess macht als bürgerwissenschaftlicher Prozess Sinn, aber optimal im Sinne
von Citizen Science wird er in unserem Kontext überall dort, wo Bürgerinnen und Bürger
Fragen formulieren, die wissenschaftlich mithilfe unserer Sammlungen und Bestände
beantwortet werden können.
Die Erfahrung zeigt, dass die Ziele der Forscher:innen oft weit auseinanderliegen: Die einen
wollen ihr Herzensanliegen ergründen, die anderen gesellschaftlich relevante Probleme lösen,
wieder andere Zusammenhänge oder Grundlagen erforschen – oder sie haben schlicht Freude
am Mit-Tun und Mit-Entdecken. Gerade wenn „Profis“ und „Laien“ im gemeinsamen Prozess
forschen, liegt in der Klärung der Ziele eine ganz wesentliche Herausforderung. Diese Klärung
kann auch der Schlüssel dazu sein, mehr Offenheit für den Forschungsprozess des jeweils
anderen zu entwickeln. ABMWs können jenseits eines konkreten Erkenntnisinteresses
aufgrund ihrer breiten inhaltlichen Ausrichtung eine Anlaufstelle und ein Ort des Austausches
für alle diese Spezialinteressen sein. Dabei müssen sie auf die Einhaltung wissenschaftlicher
Standards und Standards guter Zusammenarbeit mit Bürgerforscher:innen und
ProjektpartnerInnen ebenso achten wie auf die Beachtung rechtlicher Vorgaben und ethischer
Diskussionen (vgl. Handlungsfeld 7).
Die Aufgabe von Transferorganisationen wie Archiven, Bibliotheken, Museen und
Wissenschaftsläden sollte es sein, immer wieder flexibel Partizipations- und
Kommunikationsformate zu entwickeln und anzuwenden. Dabei sollten sie aktiv auf die
Zielgruppen zugehen, für die sie aufgrund ihrer Bestände, Methodenkompetenz und
Forschungserfahrung Angebote machen können. Ein Beispiel hierfür sind
Transkriptionswerkstätten, in denen die Teilnehmer:innen gemeinsam mit Mitarbeitenden aus
ABMWs an historischen Dokumenten arbeiten und z.B. über die eigene Auswahl von
Dokumenten in die wissenschaftliche Arbeit integriert werden.
Ihre Aufgabe ist es außerdem, gemeinsame und getrennte Forschungswege zu definieren,
damit jede/r Akteur:in im inter- und transdisziplinären Forschungsteam das eigene Ziel erreicht
und sich nicht als Handlanger des jeweils anderen wahrnimmt. So kann es wertvoll sein, ein
Stück des Forschungsprozesses gemeinsam zu bestreiten, um dann wieder getrennt
weiterzumachen. Ein Beispiel ist die gemeinschaftliche Erstellung von Korpora in der
Transkription historischer Datenbestände, auf deren Basis dann jeweils unterschiedliche
Forschungsfragen bearbeitet werden können. Jenseits der Verfolgung eigener Ziele – z.B. der
Unterstützung bei der Erschließung eigener Bestände durch Crowdsourcing – können ABMWs
u.a. in der Bereitstellung von Beständen, aber auch in der Vermittlung von Methoden und
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
98
Techniken oder in der Bereitstellung von Arbeitsplattformen und Publikationsmöglichkeiten
Bürgerforscher:innen an verschiedenen Punkten des Forschungskreislaufes bei deren
eigenen Projekten unterstützen. Dies kann für die Gedächtnisinstitutionen u.a. auch bedeuten
jenseits der eigenen Systeme dort tätig zu werden, wo die Bürgerforscher:innen selbst aktiv
sind – z.B. in den verschiedenen Wikimedia-Portalen wie Wikipedia, Wikisource, Wikidata und
Wikimedia Commons, wo zahlreiche Objekte aus den Einrichtungen digital vorgehalten,
erschlossen und weiterbearbeitet werden [111, S.165-169, S.174-177].
BOX 10 Netzwerke, AG’s & Best-Practice-Beispiele
Netzwerke
◦ Netzwerk der Wissenschaftsläden - Wissnet (https://www.wissnet.de/)
◦ living knowledge (https://www.livingknowledge.org )
AG’s
◦ LIBER Citizen Science Working Group: Arbeitsgruppe zum Thema Bürgerwissenschaft
der Ligue des Bibliothèques Européennes de Recherche – Association of European
Research Libraries (https://libereurope.eu/working-group/liber-Citizen Science-working-
group/)
◦ Arbeitskreis Offene Archive im Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V.
(https://www.vda.archiv.net/arbeitskreise/offene-archive.html)
Best-Practice Projekte
◦ Bürgerinnen und Bürger helfen mit, die Hymenopteren-Sammlung des Museums für
Naturkunde Berlin durch Transkription der Etiketten zugänglich zu machen
(https://www.zooniverse.org/projects/mfnberlin/bees-and-bytes)
◦ In der Transkriptionswerkstatt der Historischen Arbeitsstelle des Museums für
Naturkunde Berlin transkribiert eine engagierte Gruppe historische Dokumente aus
Sütterlin und Kurrent und digitalisiert die Texte
(https://:www.museumfuernaturkunde.berlin/de/mitmachen/transkriptionswerkstatt)
◦ Bürgerinnen und Bürger können Fotos entweder selbst knipsen oder alten Fotoalben
nach Bildern von Flutmarken, vom Arbeitskampf und Streiks auf den Bremerhavener
Werften und von künstlerischen Darstellungen der Bremer Kogge mit dem Deutschen
Schifffahrtsmuseum teilen (https://www.dsm.museum/mitmachen/Citizen Science)
◦ Der Verein für Computergenealogie e.V. („CompGen“) betreibt verschiedene Projekte zur
Familienforschung gemeinsam mit Archiven und Bibliotheken (https://www.compgen.de/),
z.B. „Kartei Leipziger Familien“ mit dem Sächsischen Staatsarchiv - Staatsarchiv Leipzig
(http://wiki-de.genealogy.net/Kartei_Leipziger_Familien) und „Dresdner Totengedenkbuch
(1914-1918)“ mit der SLUB Dresden (http://wiki-
de.genealogy.net/Totengedenkbuch_Dresden/Projektbeschreibung)
Wie auch immer Partizipation und öffentliches Engagement in Projekten oder
Forschungsprozessen ausgestaltet wird, sie sollte von allen Beteiligten stets als „Bestreben
zu Lernen“ verstanden werden. Jenseits einer reinen „Partizipationsfähigkeit“ von
Bürgerforscher:innen müssen ABMWs auch eine eigene „Zusammenarbeitsfähigkeit“ [112]
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
99
entwickeln, also sich auf unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen einstellen lernen und
dafür geeignete Strukturen und Prozesse entwickeln. Die vorhandene Vielfalt von
partizipativen Formaten und Instrumenten für Beteiligung und Engagement sollte genutzt oder
neu kombiniert werden. Es müssen experimentelle Räume geschaffen werden – sowohl
physisch als auch virtuell und konzeptionell –, in denen Austausch und gemeinsames Lernen
in den ansonsten eher getrennten Bereichen von Gesellschaft und Wissenschaft stattfinden
können [113,114]. Durch ihre institutionelle Stabilität und durch ihre Rolle als Treffpunkte, die
jährlich von vielen Tausend Menschen unterschiedlicher Herkünfte und Hintergründe besucht
werden, sind AMBWs in besonderer Weise als Schnittstellen geeignet. Dafür ist es wichtig,
dass sie künftig auch untereinander stärker kooperieren und ihre Bestände und Sammlungen
stärker aufeinander beziehen – die Voraussetzungen dafür sind durch die Digitalisierung mehr
denn je gegeben [115].
Thesenartig lässt sich für die künftige Entwicklung von Citizen Science in diesen Einrichtungen
daher folgern: 1) Um die Funktion als Schnittstelle wahrzunehmen, müssen die
Gedächtnisinstitutionen sich aus einer passiven Rolle des “besucht”- oder “genutzt”-Werdens
hinaus begeben und aktiv die Zusammenarbeit mit ihren NutzerInnen suchen und fördern. 2)
Als Transfereinrichtungen sollten Archive, Bibliotheken, Museen und Wissenschaftsläden ihre
Chance nutzen, Räume des gemeinsamen Experimentierens und Lernens zu schaffen und
dadurch das Vertrauen in eine Wissenschaft zu ermöglichen, die sich selbst fortwährend in
Frage stellen und Ergebnisse überprüfen darf. 3) Angesichts beschränkter Ressourcen muss
die (bürger-)wissenschaftliche Partizipation durch die Festlegung gemeinsamer und
getrennter Ziele der Forscher:innen effektiv gestaltet werden. 4) Um das Wissensmanagement
auf eine breitere Basis zu stellen, müssen die Transfereinrichtungen zusätzlich verstärkt
digitale Kommunikationsformen und Projekte entwickeln oder diese unterstützen.
13.3 Handlungsempfehlungen
Integration in Prozesse von Wissenschaft, Politik & Praxis
(13).1.
Aktiv werden:
Um die Funktion als Schnittstelle wahrzunehmen,
müssen die Gedächtnisinstitutionen wie Archive, Bibliotheken,
Museen und auch Wissenschaftsläden (ABMW) sich
aus einer
passiven Rolle des “besucht”- oder “genutzt”- Werdens hinaus
begeben und aktiv die Zusamm
enarbeit mit ihren NutzerInnen
suchen und fördern
. Hierfür müssen Stellenanteile eingeplant, in
Tätigkeitsbeschreibungen aufgenommen und in Ausschreibungen
verankert werden. Citizen Science muss von Leitungen als
Handlungsziel befördert werden und in die entsprechenden
Strategien und Haushaltsplanung aufgenommen werden. Damit
Archive, Bibliotheken, Museen und Wissenschaftsläden diese
Aufgaben adäquat erfüllen können, sind entsprechende finanzielle
Rahmen und Förderrichtlinien zu schaffen, um den hauptamtlich
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
100
Beschäftigten durch unbefristete Anstellungsverhältnisse Sicherheit
und Handlungsspielraum zu ermöglichen.
Bestehendes Stärken
(13).2.
Zusammenarbeit mit Communities:
Als Transfereinrichtungen
sollten ABMWs ihre Chance nutzen, Räume des gemeinsamen
Experimentierens und Lernens zu schaffen
. ABMW können als
Bindeglied zwischen der Wissenschaft und existierenden
Forschungscommunities (z.B. historische, genealogische oder
naturkundliche Vereine) agieren und durch die Bereitstellung
geeigneter
Werkzeuge und Infrastrukturen die Zusammenarbeit
stärken. Sie können dadurch das Vertrauen in eine Wissenschaft
ermöglichen, die sich selbst fortwährend in Frage stellt und
Ergebnisse überprüfen darf.
Neues Schaffen
(13).3.
Die Methode muss zum Ziel passen:
Angesichts beschränkter
Ressourcen muss die (bürger-)wissenschaftliche Partizipation durch
die Festlegung gemeinsamer und getrennter Ziele der
Forscher:innen effektiv gestaltet werden. ABMWs sollten sich hierbei
auf ihre jeweiligen Kernthemen und -kompetenzen konzentrieren, um
eine effektive Forschungsunterstützung leisten zu können.
(13).4.
Digitalisierung:
Um das Wissensmanagement auf eine breitere
Basis zu stellen, müssen Transfereinrichtungen wie ABMWs
zusätzlich
verstärkt digitale Kommunikationsformen und Projekte
entwickeln oder diese unterstützen. ABMWs sollten daher
Digitalstrategien für die Förderung von Citizen Science-Aktivitäten
formulieren, die nach innen gerichtet eine angemessene technische
Ausstattung u
nd einen Zugang zu notwendigen digitalen Tools
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
101
ermöglichen. Nach außen gerichtet sind öffentliche Räume und
inklusive Zugänge zu Technik und Tools zu ermöglichen sowie
Nutzende in deren Anwendung zu schulen.
(13).5.
Mitarbeiter:innen von ABMWs sollten Fortbildungen im Bereich
Citizen Science wahrnehmen,
um auf die Anforderungen
vorbereitet zu sein. Zudem sollten sie untereinander im Austausch
stehen – inner- wie interinstitutionell –
, um von Erfahrungen
gemeinsam zu profitieren.
(13).6.
Citizen Science ist Teil der archivarischen, bibliothekarischen
und museologischen Ausbildung,
um frühzeitig ein Bewusstsein
und Verständnis für Citizen Science in den Berufszweigen zu fördern.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
102
14. Europäische Perspektive (D-A-CH)
14.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch?
Auf europäischer Ebene existieren unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit zu Citizen
Science: In vielen Projekten der Förderlinie Horizon 2020 arbeiten europäische wie
internationale Forschungsinstitutionen wie zivilgesellschaftliche Organisationen erfolgreich
zusammen. Im Europäischen Verein für Citizen Science (European Citizen Science
Association, ECSA) findet Austausch über strategische und inhaltliche Themen statt, sowie
die Entwicklung gemeinsamer Visionen und Förderanträge. Ein prominentes Beispiel für die
Zusammenarbeit ist die Veröffentlichung der ECSA Characteristics (2020), zugleich ein
wichtiger Meilenstein in der Konsolidierung von Citizen Science. In einem kollaborativen und
länderübergreifenden Arbeitsprozess wurden unter Einbezug der Community die Merkmale
von Citizen Science mittels Vignettenanalyse ermittelt und diskutiert [116,117]. Auch in der
Citizen Science COST ACTION 15212 führte die europäische Community zwischen 2016 und
2020 wichtige Diskussionen zur inhaltlichen und strategischen Entwicklung von Citizen
Science auf europäischer Ebene [6]. Die erste Europäische Citizen Science Konferenz im Mai
2016 in Berlin mit 29 internationalen Partnern bot Gelegenheit zum strategischen Vernetzen
und wissenschaftlichen Austausch, organisiert vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung-
UFZ, dem BürGEr Schaffen WISSen (GEWISS) Konsortium der Helmholtz- und Leibniz-
Gemeinschaft mit Universitäten und 17 internationalen Partnern , und anschließender
Herausgabe eines Citizen Science Buches [85,53]. Im Oktober 2020 war Berlin
Veranstaltungsort für die von der Europäischen Kommission geförderte Konferenz zu den
globalen Nachhaltigkeitszielen und Citizen Science, organisiert vom Museum für Naturkunde.
Die Synergien zwischen nationaler Entwicklung und europäischer Perspektive sind dabei für
den Bereich Citizen Science besonders wichtig.
Die Zusammenarbeit der DACH-Länder im Bereich Citizen Science ist vielfältig und hat sich
in den letzten Jahren stark entwickelt.
Situationsanalyse der Zusammenarbeit, oder: Wie gestaltet sich die Kooperation
der DACH-Länder untereinander?
Auf verschiedenen Ebenen, in informellen Netzwerken zum Erfahrungsaustausch, als auch in
institutionalisierten Formaten des Netzwerkens findet die Zusammenarbeit in Deutschland,
Österreich und insbesondere dem deutschsprachigen Teil der Schweiz statt. Ein aktuelles
Beispiel für diese enge Zusammenarbeit ist eine gemeinsame Umfrage, auf deren
Ergebnissen das vorliegende Weißbuch Citizen Science basiert.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
103
Ein zentrales Instrument für die gemeinsame Arbeit ist die Arbeitsgruppe D-A-CH
(https://www.buergerschaffenwissen.de/Citizen Science/arbeitsgruppen/dach): Es gibt
regelmäßige Arbeitstreffen, gemeinsame Beiträge und Präsentationen auf Konferenzen und
strategische Aktivitäten wie beispielsweise dem Austausch zu Ergebnissen der AG
Qualitätskriterien von Österreich forscht im Rahmen eines Strategieworkshops von Bürger
schaffen Wissen. Bei den jeweiligen nationalen Konferenzen in der Schweiz, Österreich und
Deutschland sind die Beiräte gemeinsam besetzt, es gibt gemeinsame Einreichungen und das
Publikum setzt sich aus Teilnehmer:innen der drei Länder zusammen.
Situationsanalyse, oder: Wo stehen die DACH-Länder?
Wir skizzieren hier die unterschiedlichen Situationen und Citizen Science-Aktivitäten in
Deutschland, Österreich und der Schweiz, deren Zusammenarbeit maßgeblich die jeweilige
Entwicklung in den Ländern gestaltet. Während sich die Entwicklung der Citizen Science-
Landschaft in Österreich als selbstorganisierter Bottom-up Prozess verstehen lässt, und in der
Schweiz verschiedene Institutionen gemeinsam am Aufbau von verteilten Strukturen und
Inhalten arbeiten, war in Deutschland von Anfang an eine politische Förderung maßgeblich.
Alle drei Prozesse haben jedoch ein länderspezifisches Capacity Building ermöglicht, durch
welches die nationalen Netzwerke entstanden sind.
Österreich
Citizen Science-Projekte haben eine lange Tradition in Österreich, allerdings gab es
unterschiedliche Bezeichnungen dafür (z.B. Freiwilligenforschung, Bürgerforschung). Mit der
Gründung von Österreich forscht (www.Citizen Science.at) 2014 entstand eine Plattform, auf
der sich wissenschaftliche Projekte mit aktiver Bürgerbeteiligung gemeinsam unter dem Begriff
Citizen Science darstellen. Die Plattform ist Ergebnis einer Bottom-up-Initiative von Citizen
Science-Praktiker:innen für Citizen Science-Praktiker:innen ohne offiziellen
Gründungsauftrag.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt koordinieren die beiden Gründer Österreich forscht und das
korrespondierende Citizen Science Network Austria (CSNA) (https://www.Citizen
Science.at/netzwerk) in Zusammenarbeit mit den Projektleiter:innen und Partner:innen auf
Österreich forscht in Form einer “Do-ocracy”, bei der jene Partner:innen die Entwicklung
mitsteuern können, die auch Ressourcen einbringen. Dies war vor allem aufgrund der in der
Anfangsphase sehr begrenzten Ressourcen eine gut funktionierende Methode, um die Arbeit
auf viele Schultern zu verteilen und ein Gefühl der Ownership zu schaffen. Zu dieser Arbeit
gehört auch die seit 2015 jährlich organisierte Österreichische Citizen Science Konferenz, die
seit 2019 in Kooperation mit den Citizen Science-Netzwerken aus Deutschland und der
Schweiz organisiert wird. Mittlerweile präsentieren sich ca. 50 aktuell laufende Projekte aus
unterschiedlichen Fachbereichen und von verschiedenen Organisationen und Bürger:innen
auf der Österreich forscht Plattform, die nationalen Qualitätskriterien für Citizen Science
entsprechen. Österreich forscht sowie das CSNA werden von der Universität für Bodenkultur
Wien finanziert. 2019 bekannte sich die Universität für Bodenkultur Wien zu einer langfristigen
Unterstützung von CSNA und Österreich forscht, indem durch die unbefristete Anstellung der
beiden Koordinatoren eine Verstetigung der Citizen Science-Aktivitäten ermöglicht wurde mit
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
104
dem konkreten Arbeitsauftrag, Citizen Science in Österreich weiter auszubauen und zu
verstärken.
Schweiz
Im Jahr 2015 wurde eine erste Beschreibung der Situation der Citizen Science-Aktivitäten in
der Schweiz durch Science et Cité (https://www.science-et-cite.ch/de/) erstellt. Science et Cité
ist eine Stiftung, die sich dem Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft verpflichtet hat
und im Verbund der Akademien der Wissenschaften Schweiz lokalisiert ist. Mit der Einrichtung
der Geschäftsstelle Citizen Science hat Science et Cité die erste nationale Koordinationsstelle
eingerichtet. 2016 wurde das Citizen Science Netzwerk Schweiz gegründet; im gleichen Jahr
wurde die Plattform “Schweiz forscht” (www.schweiz-forscht.ch) lanciert. Ziele sind, Projekte
sichtbar zu machen, gemeinsames Lernen zu ermöglichen und zu informieren. Im Jahr 2018
hat Science et Cité die 2. Internationale Citizen Science Konferenz (ECSA) ausgerichtet. Die
Akademien der Wissenschaften Schweiz haben Citizen Science in ihre Mehrjahresplanung
aufgenommen und unterstreichen damit die Relevanz, die sie Citizen Science beimessen.
Die Universität Zürich und die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich gründeten 2017
das Citizen Science Center; im Jahr 2018 konnte dank Förderung durch die Stiftung Mercator
Schweiz die Partizipative Wissenschaftsakademie (PWA) eingerichtet werden. Das Center
spezialisiert sich auf die Entwicklung von digitalen Tools. Bei der PWA liegt der Fokus auf
Training und Weiterbildung für Projekte mit einem hohen Partizipationsgrad. Hervorzuheben
ist das starke Commitment der Universität Zürich und der ETH Zürich, sowie der Stiftung
Mercator Schweiz. Die Zürcher Initiativen arbeiten auf die Verstetigung hin.
In der französischsprachigen Schweiz gibt es wichtige Forschungsgruppen, namentlich an der
Universität Lausanne Professor Alain Kaufmann, ColLaboratoire (Public participation in
science and technology), der Universität Genf Professor François Grey (Citizen Cyberlab) und
Professor Bruno Strasser „The Rise of the Citizen Science: Rethinking Public Participation in
Science” (gefördert vom Schweizerischen Nationalfonds).
Das Citizen Science Center, die PWA, Science et Cité und CitizenCyberLab richteten
gemeinsam die erste Schweizer Citizen Science Konferenz aus, die 2021 digital stattfand. Ziel
der Konferenz war es, die Schweizer Community noch stärker zu vernetzen und inhaltlichen
Austausch zu ermöglichen. Eine besondere Herausforderung ist die Mehrsprachigkeit.
Deutschland
In Deutschland finanzierte das Ministerium für Forschung und Bildung (BMBF) in den Jahren
2014-2016 das Konsortiums-Projekt “Bürger schaffen Wissen - Wissen schafft Bürger”
(GEWISS) zum Aufbau von Kapazitäten im Bereich Bürgerwissenschaften, um das Potenzial
und die Herausforderungen der Bürgerwissenschaften zu bewerten. Forscherinnen und
Forscher aus allen Bereichen, Bürgerinnen und Bürger, zivilgesellschaftliche Organisationen
und wissenschaftliche Einrichtungen brachten ihre Ideen und Erfahrungen in ein Programm
ein, das auf Dialog und Partizipation aufbaute, um die Bürgerwissenschaften zu stärken. Das
daraus resultierende Grünbuch "Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland" fand in der
Politik und in internationalen Netzwerken der Bürgerwissenschaften große Beachtung. Im
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
105
Anschluss und auf Basis des Capacity-Building-Programms und des Grünbuchs [16] hat das
BMBF seit 2017 zwei Förderprogramme für Citizen Science-Projekte aufgelegt. Auch andere
Institutionen, sowohl Bundesministerium (z.B. das Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und nukleare Sicherheit) als auch Stiftungen (z.B. Deutsche Bundesstiftung
Umwelt) fördern dezidiert Citizen Science-Projekte.
Das “Bürger schaffen Wissen”-Projekt wurde dann von zwei Konsortiumspartnern zentral
weitergeführt und betreut nun eine Projekt-Website, fördert das Citizen Science-Netzwerk,
bietet zahlreiche Veranstaltungen für verschiedene Zielgruppen sowie Beratungsangebote für
Citizen Science-Projekte und veranstaltet das jährliche Citizen Science-Forum. Die Plattform
hat darüber hinaus in 2020 den ersten Testlauf von Trainingsworkshops für
Hochschulangehörige in Forschung und Forschungsmanagement angeboten und führt dies in
2021 fort. In Zusammenarbeit mit der deutschen Citizen Science-Plattform haben sich
regionale und fachspezifische Arbeitsgruppen gebildet (z.B. AG Region West, AG Weißbuch
oder AG Recht) sowie weitere regionale Vernetzungen. Citizen Science-Aktivitäten finden in
vielfältiger Form und verschiedenen Sektoren statt, zum Beispiel in und durch
Wissenschaftsläden, Reallabore, Verbände, Universitäten (siehe Box 4, Handlungsfeld 1).
14.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
1. Schwerpunkt Diskrepanz zwischen Strategiepapieren und Förderung
Die Anforderungen, die durch die Politik an Citizen Science gestellt werden, formulieren sich
in Deutschland, Österreich und Schweiz ähnlich: Citizen Science soll im Sinne einer
Kollaboration zwischen Akteur:innen aus der Wissenschaft und der nicht-wissenschaftlichen
Öffentlichkeit eine Integration der Bürger:innen erreichen, globale Themen der
Nachhaltigkeitsziele lokal transformieren und Vertrauen sowie Transparenz herstellen. Diesen
umfassenden Ansprüchen gegenüber stehen die gemeinsam formulierten Forderungen der
Citizen Science-Community nach mehr Anerkennung von Citizen Science als valider Ansatz
in der Forschung, der Aufwertung von Wissenschaftskommunikation, eine Verstetigung der
dafür benötigten Infrastrukturen, sowie der Anerkennung der geleisteten Arbeit. In der
derzeitigen Situation werden Citizen Science-Aktivitäten und die damit verbundenen Aufwände
(z.B. Wissenschaftskommunikation, Datenmanagement, Freiwilligenmanagement oder
Klärung rechtlicher Fragestellungen) jedoch weitgehend als selbstverständlicher
Mehraufwand verstanden.
Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 Citizen Science-Projekte als integralen Bestandteil von
Forschung und zentrale Aufgabe verschiedener Organisationen zu etablieren. Die bereits
vorhandenen Strukturen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sollen dabei gestärkt und
gefördert werden. Dafür braucht es eine veränderte Sichtweise in der Wissenschaft und auf
politischer Ebene.
2. Schwerpunkt Kapazitäts- und Kompetenzaufbau
Für die Entwicklung nachhaltiger Strukturen von und für Citizen Science braucht es den Auf-
und Ausbau von Kapazitäten und Strukturen. In der für Europa einmaligen Situation der drei
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
106
deutschsprachigen Länder besteht die Möglichkeit der engen Zusammenarbeit und
gegenseitigen Unterstützung der jeweiligen Citizen Science-Netzwerke. Durch die bereits
vorhandene Zusammenarbeit ergeben sich vielfache Möglichkeiten für Synergieeffekte, die
weiter aktiv gestützt und ausgebaut werden sollten, z.B. indem erfolgreiche Tools auf allen
Plattformen zur Verfügung gestellt werden können. Auch der strukturelle Aufbau von
Kapazitäten in der Community in und durch die Institutionen und Organisationen, wie er bereits
punktuell in den drei Ländern stattfindet, sollte ausgebaut und unterstützt werden.
Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 das DACH-Netzwerk durch länderübergreifende Maßnahmen
und Initiativen auf politischer und fachlicher Ebene zu etablieren. Das so gestärkte DACH-
Netzwerk bietet unter anderem folgende Mehrwerte: länderübergreifender Wissensaustausch
und Kapazitätsbildung; gegenseitige Beratungs- und Unterstützungskultur; intensiver
fachlicher Austausch und Weiterentwicklung des Forschungsbereichs Citizen Science.
Alle Maßnahmen berücksichtigen die vorhandenen Strukturen und Besonderheiten der Citizen
Science-Netzwerke in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In der Pilotierung,
Entwicklung Evaluierung von gemeinsamen Förderprogrammen bietet sich für die politische
Ebene die Möglichkeit zur länder- und fachübergreifenden Zusammenarbeit zu Citizen
Science.
14.3. Handlungsempfehlungen
(14).1.
Fördergeber und politische Institutionen in den DACH-Ländern
sollten gemeinsame länderübergreifende Citizen Science-
Förderprogramme entwickeln, pilotieren und evaluieren, um eine
Verzahnung der Gesellschaften in den drei Ländern zu fördern.
(14).2.
Fördergeber sollten sich bzgl. des Erfolgs verschiedener
Förderprogramme der drei Länder austauschen und gemeinsame
Lernprozesse initiieren.
(14).3.
Die Online-
Plattformen und verschiedene Citizen Science
Akteur:innen der drei Länder sollten gemeinsam übergreifende
fachliche Themen erarbeiten, z.B. in der Konzeption des
Kompetenzaufbaus für Trainings und Weiterbildungen
, die
strategische Weiterentwicklung von Qualitätskriterien
oder auch
notwendige
strukturelle Veränderungen in den verschiedenen
Sektoren und verteilten Organisationen
zur nachhaltigen
Stärkung der Citizen Science Akteur:innen.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
107
15. Begleitforschung Citizen Science
Einleitung
An die Wirkung von Citizen Science werden hohe Ansprüche gestellt: Citizen Science soll
Wissen vermitteln, das Verständnis von Forschungsprozessen erhöhen, gesellschaftliches
Engagement stärken und eine Öffnung der Wissenschaft vorantreiben. Bisher ist allerdings
kaum erforscht, inwiefern Citizen Science diesen unterschiedlichen Ansprüchen gerecht wird
bzw. werden kann. Erkenntnisse hierzu kann die Begleitforschung liefern.
Der Begriff Begleitforschung bezeichnet einen anwendungsorientierten Forschungstyp, der
zum Ziel hat, durch Anwendung von qualitativen und quantitativen wissenschaftlichen
Methoden die Wirksamkeit und den Nutzen wirtschaftlicher, technischer oder politischer
Maßnahmen und Programme abzuschätzen. Dabei gibt es Schnittmengen insbesondere zur
Evaluations- und Innovationsforschung. Während die verwendeten wissenschaftlichen
Methoden identisch sein können, liegt der Evaluation immer eine bewertende Perspektive
zugrunde, die durch die Ausarbeitung konkreter Ziele und der Zugrundelegung eines
spezifischen Maßstabs legitimiert wird. Der Fokus einer wissenschaftlichen Begleitforschung
hat dagegen primär keinen bewertenden Charakter [118]. Eine Begleitforschung für Citizen
Science hat die Aufgabe, Wissen über Citizen Science-Projekte, speziell auch ihre
Durchführung und Wirkung zu generieren.
Unter Begleitforschung im Bereich Citizen Science versteht man daher die wissenschaftliche
Untersuchung der Umsetzung und Effekte von Citizen Science-Projekten bzw. -Programmen.
Sie beschreibt alle Forschungsaktivitäten, die nicht die Forschungsfrage des Projektes,
sondern das Projekt selbst zum Gegenstand haben. Beispielsweise Fragen danach, welche
Zielgruppen mit einem Projekt erreicht wurden, welche Faktoren die Motivation der
Teilnehmer:innen beeinflussen und was die Bürger:innen aus dem Projekt mitnehmen, können
im Rahmen von Begleitforschung adressiert werden. Diese Forschung ist essentiell, um
herauszufinden, welche Ansprüche an Citizen Science tatsächlich erfüllt werden. Erst durch
diese Erkenntnis ist es möglich, das Feld Citizen Science wissenschaftlich fundiert
weiterzuentwickeln – konzeptionell wie analytisch. Die Erreichung der Ziele in einem Citizen
Science-Vorhaben wird durch Evaluationsforschung überprüft. Auch wenn die Übergänge
zwischen Begleitforschung und Evaluationsforschung vielfach fließend sind und beide den
gleichen vielfältigen und jeweils individuell an den Forschungsprozess anzupassenden Kanon
wissenschaftlicher Methoden verwenden, gilt es zu unterscheiden, welche Form der
Forschung angewendet wird und welche Ziele damit verfolgt werden.
15.1. Situationsanalyse: Wo stehen wir mit dem Grünbuch?
Begleitforschung zu Citizen Science findet bereits im Grünbuch für eine Citizen Science
Strategie 2020 für Deutschland Erwähnung. Seither sind das Interesse an und der Bedarf nach
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
108
begleitenden Forschungsmaßnahmen seitens der Politik, der Gesellschaft sowie der
Wissenschaft stark gestiegen. In vielen Förderprogrammen ist jedoch die Notwendigkeit für
Begleitforschung von Citizen Science noch nicht ausreichend dokumentiert: Für eine
nachhaltige und wissenschaftliche Entwicklung des Feldes Citizen Science braucht es eine
wissenschaftliche Begleitforschung, die als eigenständige professionelle Leistung mitgedacht
– und vor allem gefördert – wird.
Bisher ist die Expertise zur Erforschung von Citizen Science in Deutschland noch begrenzt.
Zugleich sind wenige Erfahrungen hinsichtlich der Konzeption und Implementierung von
Studiendesigns vorhanden. Die Arbeitsgruppe Science of Citizen Science in Zusammenarbeit
mit Bürger schaffen Wissen versucht daher, die Perspektive der wissenschaftlichen
Begleitforschung in Deutschland zu etablieren. Der hohe Bedarf an wissenschaftlich fundierten
Studien zur Wirksamkeit von Citizen Science wird auch in der internationalen Literatur immer
wieder hervorgehoben [119,75,120,121,122]. Um Begleitforschung überhaupt durchführen zu
können, ist es darüber hinaus notwendig, die Akzeptanz und das Verständnis für
Begleitforschung und damit die Bereitschaft zur Teilnahme in der Bevölkerung zu erhöhen.
Das kann durch eine gezielte Wissenschaftskommunikation über den Mehrwert der
Begleitforschung gelingen (vgl. Handlungsfeld 4).
Nachdem die Evaluation von Citizen Science-Projekten bereits eine Bedingung in einer
Vielzahl an Förderrichtlinien darstellt, wurde im Juli 2020 erstmalig die begleitende Evaluation
eines gesamten Förderbereichs (Förderbereich Bürgerforschung des BMBF) in Auftrag
gegeben. Die Ergebnisse der begleitenden Evaluation sollen dazu beitragen, Erkenntnisse
bezüglich der Auswirkungen von bürgerwissenschaftlichen Projekten in der Wissenschaft, in
den beteiligten Institutionen, bei den beteiligten Bürgerforscher:innen und
Wissenschaftler:innen zu erlangen. Diese begleitende Evaluation von Citizen Science ist eine
wichtige Entwicklung im Feld des Qualitätsmanagements. Dennoch sollte Forschung über
Citizen Science nicht auf evaluative Betrachtungen beschränkt bleiben, sondern kann
beispielsweise auch Analysen der Zielgruppen und deren Bedarfe, Interesse und Motivation
sowie Untersuchuchungen des Nutzer:innenverhaltens umfassen.
15.2. Was sind die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen?
Es gibt erste Ansätze, Begleitforschung im deutschsprachigen Raum strukturell zu verankern
(z. B. AG Science of Citizen Science in Zusammenarbeit mit Bürger schaffen Wissen,
Professur für Citizen Science an der FSU Jena oder die Arbeitsgruppe Citizen Science in
Agrarräumen am Johann Heinrich von Thünen-Institut Bundesforschungsinstitut für Ländliche
Räume, Wald und Fischerei), jedoch muss Begleitforschung zu Citizen Science-Projekten
stärker etabliert und gefördert werden (vgl. Box 11).
Eine Herausforderung für die Begleitforschung ist die Diversität der Citizen Science-Projekte.
Das Forschungsdesign der Begleitforschung muss spezifisch an die Ziele, den Inhalt und die
Methoden jedes Projektes angepasst werden. Dabei sind qualitative wie quantitative
Methoden und Zugänge gleichermaßen relevant wie sinnvoll. In vielen Fällen erfordert eine
umfassende Begleitforschung die Einbeziehung der o. g. interdisziplinären Perspektive.
Zudem müssen die jeweils angepassten Forschungsdesigns stets eine Übertragung in andere
Citizen Science-Projekte mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen mitdenken und
diskutieren. Optimal eignen sich empirische Zugänge, die generalisierbare Erkenntnisse über
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
109
Wirkzusammenhänge erzeugen, die auf andere Projekte und Themen übertragbar sind. Dazu
ist eine klassische Wirkungsmessung anhand geeigneter Untersuchungsdesigns wichtig, um
die Forschung über Citizen Science durch Erkenntnisse der Ursache-Wirkungs-Beziehungen
zu untermauern.
Eine allgemeine Herausforderung wissenschaftlich-empirischer Arbeitsweisen – auch für die
Citizen Science-Begleitforschung – besteht darin, dass sie sich an Gütekriterien der
empirischen Sozialforschung halten muss, um die Aussagefähigkeit ihrer Ergebnisse
sicherstellen zu können. Begleitforschende sollten sich dieser Qualitätsansprüche bewusst
sein und eine Sichtbarkeit der Begleitforschung über die Citizen Science-Community hinaus
anstreben. Das bedeutet auch, dass Begleitforschung entsprechende Kompetenzen und
Kapazitäten erfordert und damit mehr ist als eine Zusatzaufgabe für Mitarbeitende in Citizen
Science-Projekten. Gleichzeitig steckt in diesen Anfängen auch ein großes Potential für die
(Weiter-)Entwicklung von ko-kreativen Zugängen der Begleitforschung. Nennenswert sind hier
erste Ansätze der sog. Ko-Evaluierung, in der die Teilnehmer:innen an der Entscheidung über
Projektziele und Evaluierungsinstrumente beteiligt sind.
BOX 11 Best-Practice-Beispiele
Ein erwähnenswertes Beispiel stellt in diesem Kontext das Verbundprojekt WTimpact des
Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin, des Leibniz-Instituts für
Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig, des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der
Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) in Kiel und des Leibniz-Instituts für
Wissensmedien (IWM) in Tübingen dar. Ziel des Projektes ist es herauszufinden, was die
Teilnehmer:innen aus Citizen Science-Projekten mitnehmen. Dabei wird z. B. untersucht,
wie sich Fachwissen und die Fähigkeit zum wissenschaftlichen Denken der
Teilnehmer:innen über die Projektlaufzeit entwickeln, wie die Teilnehmer:innen
Bürger:innen ihre eigene Aktivität sowie die Themen des Projektes wahrnehmen, und ob
sich ihre Einstellungen zu Naturwissenschaften und Citizen Science verändern. Aus den
gewonnen Erkenntnissen sollen Empfehlungen für die Gestaltung und Umsetzung
zukünftiger Citizen Science-Projekte entwickelt werden.
(Projektlaufzeit: 09/2017 – 02/2021; gefördert vom BMBF; weitere Infos: http://www.izw-
berlin.de/de/buergerwissenschaften-1581.html)
Ein weiteres Beispiel stellt die Begleitforschung der Citizen Science-Aktion „Plastic Pirates
– Go Europe!“ dar. Diese wird am Lehrstuhl für Lehr-Lernforschung der Ruhr-Universität
Bochum realisiert. Ziel ist es, Erkenntnisse über die Wirkung der Teilnahme an der Aktion
zu gewinnen und den Erfolg der Wahrnehmung innerhalb der EU auf die Aktion sichtbar zu
machen. Um kausale Effekte in großangelegte Citizen Science-Projekten messen zu
können, wurde ein Forschungsdesign entworfen, das die Untersuchung großer
Stichproben mit Wirkstudien in kontrollierten experimentellen Settings verbindet. Es wird
der Frage nachgegangen, ob die wissentliche Teilnahme an der Citizen Science-Aktion
anhaltende Effekte z. B. auf das Interesse und die motivationale Qualität der Schüler:innen
hat. Erfasst werden neben dem Interesse von Schüler:innen am Projektthema, deren
Motivation, wissenschaftliche Arbeitsweisen anzuwenden u. a. auch ein möglicher
themenspezifischer Wissenszuwachs bei den Schüler:innen durch die Teilnahme an der
Aktion.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
110
(Projektlaufzeit: 09/2020 – 12/2021; gefördert vom BMBF; weitere Infos:
https://ife.rub.de/lllf/forschung/plasticpirates)
15.3. Handlungsempfehlungen
(15).1.
Citizen Science-Koordinator:innen sollten Begleitforschung als
festen Bestandteil in Citizen Science-Projekte einplanen. Umgesetzt
werden muss Begleitforschung durch interdisziplinäre Teams, bestehend
aus den inhaltlich relevanten Fachwissenschaften und
Sozialwissenschaftler:innen bzw. Bildungsforscher:innen.
(15).2.
Forschende sollten die bestehenden Methoden der
Begleitforschung für Citizen Science weiter differenzieren.
Gleichzeitig sollten neue Methoden entwickelt und erprobt werden.
(15).3.
Wissenschaftler:innen, Praktiker:innen und Förderinstitutionen
sollten Begleitforschung und deren Ergebnisse an eine
interessierte Öffentlichkeit kommunizieren.
(15).4.
Politiker:innen sollten Entscheidungen zu Citizen Science auf
Grundlage von fundierten Ergebnissen der Begleitforschung
treffen. Dabei sollten die Messung von Effekten mit empirischen
Methoden sowie die Untersuchung von Kausalmechanismen mit
theoriegeleiteten Forschungsansätzen verfolgt werden. Nur so lässt sich
wissenschaftsbasiert prüfen, ob eine Maßnahme – insbesondere, wenn
sie aus öffentlichen Geldern finanziert ist – ihre angestrebten Ziele
erreicht und was die Erfolgskriterien hierfür sind. Begleitforschung
schafft somit die Voraussetzungen für die Akzeptanz und die langfristige
Verankerung von Citizen Science in der Gesellschaft.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
111
Entwicklungsprozess des Weißbuchs
Die AG-Weißbuch
Um die Visionen und Handlungsfelder des Grünbuch Citizen Science-Strategie 2020 für
Deutschland zu überprüfen und in einer Weißbuch Strategie zu verankern wurde die AG
Weißbuch als bottom-up Netzwerk von verschiedenen Organisationen im April 2020 initiiert.
In der AG Weißbuch waren alle Interessierten der Citizen Science-Community in Deutschland
eingeladen, aus dem Grünbuch der Citizen Science-Strategie für Deutschland 2020 ein
Weißbuch zu entwickeln. Die Visionen und Handlungsoptionen, die die Citizen Science-
Community im Grünbuch formuliert hat, wurden kritisch überprüft und daraus aktuelle und
konkrete Handlungsempfehlungen formuliert, wie sich Citizen Science in Deutschland bis 2030
entwickeln soll.
Die AG Weißbuch startete unter Mitarbeit von 150 Personen aus 115 Organisationen,
wissenschaftlichen Einrichtungen, Fachgesellschaften, Vereinen und Verbänden, Stiftungen
und Einzelpersonen diesen Strategieprozess im April 2020. Bedingt durch die Corona-
Pandemie wurde der Prozess vollständig im virtuellen Format durchgeführt. Dazu fanden 50
Treffen im zweiwöchentlichen Rhythmus statt, an denen durchschnittlich 20 bis 30 Personen
teilnahmen. Moderiert wurde der gesamte Prozess vom Lenkungskreis.
AG-Weißbuch-Lenkungskreis
Zum AG-Weißbuch-Lenkungskreis gehören: Aletta Bonn – Friedrich-Schiller-Universitât Jena
/ Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) / Deutschen Zentrum für integrative
Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig; Wiebke Brink – Wissenschaft im Dialog
(WiD); Susanne Hecker – Museum für Naturkunde Berlin (MfN); Thora Martina Herrmann –
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) / Deutschen Zentrum für integrative
Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig; Christin Liedtke – Geschäftsstelle der
Helmholtz-Gemeinschaft; Matthias Premke-Kraus – Geschäftsstelle der Leibniz-
Gemeinschaft; Silke Voigt-Heucke – Museum für Naturkunde Berlin (MfN); und Julia von
Gönner – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) / Deutschen Zentrum für integrative
Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig.
AG Weißbuch
Zu den Mitwirkenden in der AG Weißbuch gehören: Lena Albrecht – Naturschutzbund
Deutschland e.V (NABU); Wilhelm Bauhus – Westfälische Wilhelms-Universität Münster; Luiza
Bengtsson – Max-Delbrück Centrum für Molekulare Medizin in der
Helmholtz Gemeinschaft; Vanessa van den Bogaert – Ruhr-Universität
Bochum; Miriam Brandt – Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW);
Till Bruckermann – Leibniz Universität Hannover; Peter Dietrich – Helmholtz-Zentrum für
Umweltforschung – UFZ; Daniel Dörler – Universität für Bodenkultur Wien; Regina Eich-Brod
– Forschungszentrum Jülich; Michael Eichinger – Universitätsmedizin Mannheim; Laura
Ferschinger – Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; Linda Freyberg – Museum für
Naturkunde Berlin; Agnes Grützner – Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB);
Gertrud Hammel – Helmholtz Zentrum für Umwelt und Gesundheit München; Florian Heigl –
Universität für Bodenkultur Wien; Nils B. Heyen – Fraunhofer-Institut für System- und
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
112
Innovationsforschung ISI; Franz Hölker – Leibniz-Institut für Gewässerökologie und
Binnenfischerei (IGB); Carolin Johannsen – Universität Bremen; Sarah Kiefer – Leibniz-
Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW); Friederike Klan – Institut für
Datenwissenschaften des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR);
Jörn Knobloch – Museum für Naturkunde Berlin, Universität Lübeck; Thekla Kluttig –
Sächsisches Staatsarchiv - Staatsarchiv Leipzig; Thorsten Kluß – Universität Bremen;
Valerie Knapp –Ruhr-Universität Bochum; Monika Koop – Westfälische Wilhelms-Universität
Münster; Julia Lorke – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und
Mathematik; Kim Mortega – Museum für Naturkunde Berlin; Martin Munke – Sächsische
Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB); Carsten Pathe –
Friedrich-Schiller-Universität Jena/Institut für Datenwissenschaften des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR); Anett Richter – Johann Heinrich von Thünen-Institut
Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei; Anna Soßdorf –Heinrich-
Heine-Universität Düsseldorf; Tiina Stämpfli – Science et Cité; Ulrike Sturm –Museum für
Naturkunde Berlin; Christian Thiel – Institut für Datenwissenschaften des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR); Susanne Tönsmann – Partizipative
Wissenschaftsakademie; Anke Valentin – Wissenschaftsladen Bonn;
Katherin Wagenknecht – Technische Hochschule Wildau; Robert Wegener –
Forschungszentrum Jülich; Silvia Woll – Karlsruher Institut für Technologie
Die Citizen Science-Online-Umfrage
Im September 2020 wurde, aufbauend auf den Ergebnissen des Dialogforums eine Citizen
Science-Online-Umfrage zum Stand von Citizen Science in Deutschland, Österreich und der
Schweiz durchgeführt. Ziel der Umfrage war es, ein besseres Verständnis über das Erreichen
der Zielsetzungen aus dem Grünbuch Citizen Science zu erlangen. Die Themen und Fragen
der Umfrage wurden partizipativ innerhalb in der AG Weißbuch entwickelt. An der Umfrage
haben sich 420 Personen beteiligt (84 % aus Deutschland, 8 % aus Österreich, 8 % aus der
Schweiz. Die ist die bisher größte Umfrage im deutschsprachigen Raum. Da 52% der
Beteiligten angaben, noch nie an einer Citizen Science Veranstaltung teilgenommen zu haben,
konnten wir somit auch Citizen Science Akteur:innen und Interessierte ausserhalb unserer
Netzwerke erreichen. Die Umfrage verdeutlichte, dass die Umsetzung von Citizen Science in
2020 in wesentlichen Bereichen vorangeschritten ist, die verschiedenen Handlungsfelder sich
jedoch in dem Grad der bisherigen Ausgestaltung und Umsetzung unterscheiden (detaillierte
Ausführungen in von Gönner et al. in prep und in geplanten Buchkapiteln).
Die Weißbuch-Dialogforen und Schreibwerkstätte
Im Juni 2020 fand das erste Dialogforum der AG Weißbuch digital statt. 122
Teilnehmer:innen diskutierten in verschiedenen thematischen Workshops zu aktuellen
Entwicklungen und Handlungsfeldern im Feld von Citizen Science auf Basis des Grünbuchs
2016. Insgesamt gab es 15 thematische Sessions, die jeweils von Themenchairs als leitende
Autor:innen verantwortet wurden.
Im Oktober 2020 wurden die Ergebnisse der Citizen Science-Online-Umfrage wurden auf der
Strategiewerkstatt I vorgestellt und gemeinsam die Struktur des Weißbuchs entwickelt.
Basierend auf den Umfrageergebnissen arbeiteten die 121 Teilnehmer:innen auf dem
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
113
öffentlichen Dialogforum II im Dezember 2020 Bedürfnisse, Potenziale, Herausforderungen
und Handlungsempfehlungen heraus. Die Thesenpapier-Entwürfe wurden in einem Dokument
zusammengefasst und noch im Dezember durch die Themenchairs und den Lenkungskreis
überarbeitet. Im Januar 2021 erarbeiteten die Themenchairs (Abb 10) in der Schreibwerkstatt
I ein gemeinsames Dokument. Die Schreibwerkstatt II im Februar 2021 wurde genutzt, um
die Thesenpapiere fertigzustellen und die Inhalte des Weißbuch zu schärfen.
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
114
ENTWURF: WEIßBUCH CITIZEN SCIENCE STRATEGIE 2030
115
Abb 10. Die Themenchairs der 15 Handlungsfelder.
Die Weißbuch-Online-Konsultation und Positionspapiere
Nach der Endredaktion des Gesamtdokuments zu Jahresbeginn 2021 in den zwei genannten
Schreibwerkstätten mit den Themenchairs erfolgte im August bis September 2021 eine offene
Online-Konsultation, die allen Interessierten eine weitere Möglichkeit bot, sich aktiv in die
Ausarbeitung des Weißbuchs einzubringen. Die Online-Konsultation wurde auf der Webseite
www.citizen-science-weissbuch.de für die Öffentlichkeit publiziert. Durch diverse
Kommunikationsaktivitäten (E-mail & direkte Ansprache, Social Media-Werbung,
Webseitenhinweise,...) wurde für eine rege Beteiligung an der Online-Konsultation, auch
außerhalb der Citizen Science-Community geworben. Die Nutzer des Konsultationsprozesses
konnten sich durch Beiträge und Kommentare vielfältig beteiligen. Die Kommentare und
Änderungsvorschläge wurden sorgfältig durch die Mitglieder des Lenkungskreises und der AG
Weißbuch geprüft, kategorisiert und unter Berücksichtigung von transparenten Kriterien in das
finale Dokument eingearbeitet. Durch diese Art der Zusammenarbeit konnte die Entwicklung
des Weißbuchs für die Citizen Science Strategie 2030 profitieren und das Wissen und die
Expertise von Vielen einfließen.
Zusätzlich wurden im August-September 2021 x Positionspapiere zum Thema Citizen Science
von verschiedenen Organisationen aus Wissenschaft und Gesellschaft angefragt, wie dies
auch schon im Prozess der Entstehung des Grünbuchs Citizen Science geschehen ist.
Insgesamt haben x Organisationen ein Positionspapier für das Weißbuch Citizen Science
eingereicht.
So basiert die Citizen Science-Strategie in der Gesamtheit auf mehreren Bausteinen (Abb.11):
● Umfrage mit 420 Teilnehmer:innen im September bis Oktober 2020
● Inputs von über 120 Teilnehmer:innen im Rahmen der öffentlichen Dialogforen 2020,
● Zweiwöchentliche AG Treffen, eine Strategiewerkstatt und zwei Schreibworkshops
● Öffentlicher Workshop auf dem Citizen Science Forum im Mai 2021
● Offene Online-Konsultation mit x Beteiligten im August bis September 2021
● Ergebnisse aus der Einreichung von x Positionspapieren im September 2021
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116
Abb. 11: Der Entwicklungsprozess des Weißbuchs
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Beteiligte Organisationen, die
Positionspapiere eingereicht haben
…...
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Organisationen der Autoren und Autorinnen
Autor:innen und Mitwirkende der Dialogforen und Schreib- und Review- Prozesse
waren in den folgenden Organisationen tätig (Die in diesem Weißbuch geäußerten
Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen der Beteiligten oder ihren
Organisationen übereinstimmen.):
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg • Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar-
und Meeresforschung (AWI) • basis.wissen.schafft e.V. • Bayerisches Forschungsinstitut für
digitale Transformation • Berlin Institute of Health-QUEST Center • Berufskolleg • BIO-
Diverse • Biospärenzweckverand Bliesgau • Botanischer Garten und Botanisches Museum
Berlin (BGBM) • Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg • BUND –
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland • Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) • Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) • Deutsches
Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig • Deutsche
Bundesstiftung Umwelt • Deutsche Forschungsgemeinschaft • Deutsches Museum München
• ECSA European Citizen Science Association • European Institute for Participatory Media •
Europäische Kommission • Familia Austria • Forschungszentrum Jülich • Fraunhofer-
Informationszentrum Raum und Bau IRB Stuttgart • Fraunhofer-Institut für System- und
Innovationsforschung ISI Karlsruhe • Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -
automatisierung IFF Magdeburg • Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation
IAO Stuttgart • Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie
IMW Leipzig • Freie Universität Berlin • Freiwilligenagentur Heidelberg • Friedrich-Schiller-
Universität Jena • FWF Der Wissenschaftsfonds • Georg-August-Universität Göttingen •
Geschäftsstelle des Rates für Informationsinfrastrukturen (RfII) • Geschäftsstelle der
Helmholtz-Gemeinschaft Berlin • Geschäftsstelle der Leibniz-Gemeinschaft • Helmholtz
Open Science Office • Helmholtz-Zentrum Hereon • Helmholtz-Zentrum für
Infektionsforschung HZI • Helmholtz-Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für
Gesundheit und Umwelt • Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland HIPS
• Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches Geoforschungszentrum GFZ • Helmholtz-Zentrum
für Umweltforschung UFZ • Heimatmuseum Egling • Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf •
Hochschule für angewandte Wissenschaften Hof • Hochschule für angewandte
Wissenschaften Weihenstephan-Triesdorf • Hochschule für nachhaltige Entwicklung
Eberswalde • Hochschule Heilbronn • Institut für Community Medicine Universität Greifswald
• Institut für Datenwissenschaften des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V.
(DLR) • Institut für Hochschulforschung Halle-Wittenberg • IEM Institut für Umweltmedizin -
Helmholtz Zentrum München • Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen (IQWiG) • Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth • Johann
Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und
Fischerei • Julius Kühn-Institut (JKI) Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen • Karlsruher
Institut für Technologie KIT • Kieler Forschungswerkstatt • Kultur Management Network •
Landesbund für Vogelschutz e.V • Leibniz-Forschungsverbund Biodiversität (LVB) • Leibniz-
Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN) • Leibniz-Institut für
Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) • Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL) •
Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) Kiel •
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) • Leibniz Universität Hannover • Martin-
Luther-Universität Halle-Wittenberg-CompGen • Max-Delbrück-Centrum für Molekulare
Medizin (MDC) • Max-Planck-Institut für Biogeochemie • Mehr Demokratie Deutschland-LV
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Sachsen • Museum der Arbeit • Museum für Naturkunde Berlin • NABU-naturgucker.de •
NABU-Naturschutzstation Münsterland e.V. - Bundesfachausschuss Botanik • Nationales
Institut für Wissenschaftskommunikation gGmbH • Naturforschende Gesellschaft zu Emden
von 1814 • Naturhistorisches Museum Wien • Netzwerk CitizenScience@Helmholtz •
Netzwerk Bürger Schaffen Wissen • OeAD-Zentrum für Citizen Science • Open Knowledge
Lab • Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften - Gesundheitswesen Wolfsburg •
Österreich forscht : Universität für Bodenkultur Wien • Partizipative Wissenschaftsakademie-
Universität Zürich und Eidgenössische Technische Universität • Projektträger Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) • Ruhr-Universität Bochum • Sächsische
Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden • Schweiz forscht : Science et
Cité • Senatsverwaltung Berlin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz • Senro.Community •
Stifterverband • Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz • Technische Hochschule Wildau
• Technische Universität München • Umweltbundesamt • Umweltbildungszentrum •
Pleistalwerk e.V. • Universität Bremen-Kognitive Neuroinformatik • Universität Innsbruck •
Universität Leipzig • Universität Potsdam-Inno-UP • Universität Rostock • Universität
Salzburg • Universität Stuttgart • Universitäres Zentrum für Gesundheitswissenschaften am
Klinikum Augsburg (UNIKA-T) • Universitätsklinikum Frankfurt-Christiane Herzog CF-
Zentrum • Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e. V. –VBIO
• Verein für Computergenealogie e.V. • Westfälische Wilhelms-Universität Münster •
Wissenschaft im Dialog (WiD) • Wissenschaftsladen Bonn • Wuppertal Institut für Klima,
Umwelt, Energie • Zentrum für Soziale Innovation GmbH • Zivilgesellschaftliche Plattform für
Forschungswende
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