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Durchgängig konsistente Darstellung von Verriegelungen im Engineering prozesstechnischer Anlagen

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Abstract

Während des Engineerings von prozesstechnischen Produktionsanlagen werden Anforderungen an Funktionalitäten (exemplarisch werden hier die Verriegelungen betrachtet) in Lösungsvorschläge überführt und implementiert. Die Dokumentation von Engineering-Ergebnissen in geeigneten Beschreibungsmitteln dient als Kommunikationsgrundlage zwischen den beteiligten Gewerken im Engineering, wobei der Übergang von einem zum anderen Beschreibungsmittel fehleranfällig ist und Mehraufwand mit sich bringt. Im späteren Verlauf des Lebenszyklus' einer Anlage wird der Wechsel von detaillierten Darstellungen auf höhere Abstraktionsstufen immer relevanter. Von den Autoren wird in diesem Beitrag ein Konzept für eine durchgängig konsistente Darstellung von Verriegelungen vorgestellt. Mithilfe eines entwickelten Beschreibungsmittels wird auf drei unterschiedlichen Detaillierungsstufen die Darstellung und das Editieren von Inhalten zu Verriegelungen ermöglicht. Als Basis für die unterschiedlichen Detaillierungsstufen wurde ein Informationsmodell definiert, welches die Inhalte der Verriegelungen in neutraler Form beschreibt. Mithilfe des Aufstellens von Regeln wird eine regelbasierte und automatisierte Aggregation und Dekomposition der Inhalte zwischen den unterschiedlichen Ebenen ermöglicht und die kausale Konsistenz der Inhalte über die unterschiedlichen Ebenen sichergestellt.
22. VDI-Kongress AUTOMATION 1
Durchgängig konsistente Darstellung von Verriegelungen
im Engineering prozesstechnischer Anlagen
F. El Sakka, Univ.-Prof. Dr.-Ing. A. Fay
Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg
Kurzfassung
Während des Engineerings von prozesstechnischen Produktionsanlagen werden
Anforderungen an Funktionalitäten (exemplarisch werden hier die Verriegelungen betrachtet)
in Lösungsvorschläge überführt und implementiert. Die Dokumentation von Engineering-
Ergebnissen in geeigneten Beschreibungsmitteln dient als Kommunikationsgrundlage
zwischen den beteiligten Gewerken im Engineering, wobei der Übergang von einem zum
anderen Beschreibungsmittel fehleranfällig ist und Mehraufwand mit sich bringt. Im späteren
Verlauf des Lebenszykluseiner Anlage wird der Wechsel von detaillierten Darstellungen auf
höhere Abstraktionsstufen immer relevanter. Von den Autoren wird in diesem Beitrag ein
Konzept für eine durchgängig konsistente Darstellung von Verriegelungen vorgestellt. Mithilfe
eines entwickelten Beschreibungsmittels wird auf drei unterschiedlichen Detaillierungsstufen
die Darstellung und das Editieren von Inhalten zu Verriegelungen ermöglicht. Als Basis für die
unterschiedlichen Detaillierungsstufen wurde ein Informationsmodell definiert, welches die
Inhalte der Verriegelungen in neutraler Form beschreibt. Mithilfe des Aufstellens von Regeln
wird eine regelbasierte und automatisierte Aggregation und Dekomposition der Inhalte
zwischen den unterschiedlichen Ebenen ermöglicht und die kausale Konsistenz der Inhalte
über die unterschiedlichen Ebenen sichergestellt.
1. Motivation und Hintergrund
Die Planung und Inbetriebnahme prozesstechnischer Anlagen, auch Engineering genannt,
erfordert als interdisziplinärer Prozess ein erhebliches Maß an Fachwissen aus
unterschiedlichen Ingenieurdisziplinen, die auch als Gewerke bezeichnet werden [1]. Die
Qualität der hierbei erzeugten Informationen hat nicht nur wesentlichen Einfluss auf die
Geschwindigkeit der Anlagenerrichtung, sondern auch auf die Qualität und die Kosten der
späteren Betriebsbetreuung über den Lebenszyklus der Anlage [2].
Das Zusammenwirken von unterschiedlichen Gewerken, in Form des Austausches von
Engineering-Ergebnissen über Kommunikationsschnittstellen zwischen den Gewerken, stellt
22. VDI-Kongress AUTOMATION 2
eine Herausforderung dar. Aufgrund hoher Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Gewerken
ist ein regelmäßiger Austausch von Planungsständen wichtig. Insbesondere der Austausch
von Engineering-Ergebnissen aus der Verfahrenstechnik (VT), welche für die Auslegung der
Prozessabläufe und die Definition funktionaler und sicherheitstechnischer Anforderungen
verantwortlich ist, und der Prozessleittechnik (PLT), die für die automatisierungstechnische
Realisierung der Anforderungen zuständig ist, hat einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg
eines Engineering-Projektes und sorgt zugleich für nicht unerhebliche Aufwände [1]. Um die
Aufwände zu minimieren und die Qualität der Engineering-Ergebnisse zu erhöhen, werden
hohe Anforderungen an die Kommunikationswege und die verwendeten Beschreibungsmittel
(BSM), Methoden und Werkzeuge im Engineering gestellt.
Das Engineering einer Anlage in der Prozessindustrie ist nach der NA35 in sieben
Planungsphasen eingeteilt [3]. Im Zuge der fortschreitenden Detaillierung von Engineering-
Ergebnissen über die Planungsphasen kommt es zu einem Wechsel der Beschreibungsmittel.
Textuelle Beschreibungen der Verfahrenstechnik über kausale Zusammenhänge zwischen
Elementen einer Produktionsanlage werden im Laufe des Conceptual Engineerings und des
Basic Engineerings in Rohrleitungs- und Instrumentierungs-Fließbilder (R&I-Fließbilder)
überführt [3]. Aus den R&I-Fließbildern und zusätzlichen Anforderungen der
Verfahrenstechnik, die oftmals verbal während Funktionsdurchsprachen an die
Prozessleittechnik übermittelt werden, erstellt die Prozessleittechnik wiederum Cause-and-
Effect-Matrizen (C&E), welche in Abschnitt 2 näher beschrieben werden. Die Cause-and-
Effect-Matrizen werden zu Beginn des Detail Engineerings in Funktionspläne (FUP) überführt,
die als Vorlage für die Software-technische Realisierung im Prozessleitsystem dienen.
Der beschriebene Wechsel von Beschreibungsmitteln ist aufgrund der oftmals händischen
Übertragung zwischen den Beschreibungsmitteln fehleranfällig. Zudem kann eine
Sicherstellung der Konsistenz der übermittelten Inhalte nur durch sehr hohe Aufwände erreicht
werden. Sowohl bei der Inbetriebnahme als auch im weiteren Verlauf des Lebenszykluseiner
prozesstechnischen Anlage wird umgekehrt die Überführung der Darstellung von detaillierten
Engineering-Ergebnissen hin zu einem höheren Abstraktionsniveau bei Umbauten oder
Erweiterungen einer Anlage immer relevanter. Eine veraltete und unübersichtliche
Dokumentation führt in diesen Situationen dazu, dass sich bestimmte Funktionsweisen einer
bestehenden Anlage nur durch hohe Aufwände nachvollziehen lassen [4].
Dies betrifft insbesondere die Spezifikation und Realisierung von Verriegelungen einer
prozesstechnischen Anlage und das Nachvollziehen dieser im Laufe des Lebenszyklus‘.
Verriegelungen, die in Beschreibungsmitteln mit einem hohen Detaillierungsgrad dargestellt
werden, bspw. in Funktionsplänen, sind oftmals für die Verfahrenstechnik in dieser Form nicht
22. VDI-Kongress AUTOMATION 3
mehr verständlich, und die bisherigen Darstellungsformen daher für Projekt- und
Funktionsdurchsprachen nicht ausreichend [5].
Die Herausforderungen in der Kommunikation, die aufgrund der unterschiedlich verwendeten
Terminologien innerhalb der Gewerke auftreten, können durch den Einsatz von geeigneten
Beschreibungsmitteln reduziert werden, da sie als unabhängige Notationsformen agieren [6,
7].
Um die beschriebenen Probleme zu adressieren, wurde von den Autoren ein Konzept zur
Darstellung von Verriegelungen auf verschiedenen Abstraktionsebenen, mit Sicherstellung
einer durchgängigen Konsistenz von Engineering-Ergebnissen, entwickelt.
In Abschnitt 2 werden zunächst die bisher in der Praxis verwendeten Beschreibungsmittel und
deren erweiterte Formen vorgestellt. Das entwickelte Konzept zur durchgängig konsistenten
Darstellung von Verriegelungen wird in Abschnitt 3 vorgestellt. In Abschnitt 4 folgt die
Vorstellung einer prototypischen Implementierung des Konzeptes und eine Evaluation.
Abschnitt 5 gibt abschließend eine Zusammenfassung und einen Ausblick.
2. Beschreibungsmittel zur Darstellung von Verriegelungenstate-of-the-art
Wie in Abschnitt 1 aufgeführt, finden während des Engineerings prozesstechnischer
Produktionsanlagen unterschiedliche Beschreibungsmittel für Verriegelungen Anwendung.
Unter Verriegelungen werden Teile eines Automatisierungssystem verstanden, die kritische
Eingaben des Nutzers oder Ausgaben der Steuerung unterbinden und so die Ausführung einer
Aktion verhindern, wenn zuvor definierte Bedingungen vorherrschen oder nicht vorherrschen.
Verriegelungen bilden die letzte Instanz zur Vermeidung kritischer Situation in einer Anlage
und erfordern ein hohes Maß an Fachwissen sowie ein besonders gründliches und
systematisches Planen [8].
Zur Darstellung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen gibt es verschiedene
Beschreibungsmittel, die unterschiedliche Informationen mit variierenden Detaillierungsgraden
darstellen. Als Ursachen werden hierbei Ereignisse gesehen, die in einer prozesstechnischen
Anlage eine Reaktion eines technischen Systems auslösen. Die Wirkung ist als Reaktion auf
eine Ursache definiert und stellt somit die Konsequenz der logischen Aktion der Ursache dar
[5]. Das Überschreiten eines gewissen Grenzwertes eines Drucksensors in einem Kessel
könnte eine typische Ursache für eine Verriegelung sein, wobei das Öffnen eines Ventils die
Wirkung in Form einer Reaktion auf das Eintreten des zu hohen Drucks im Kessel ist.
Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurden verschiedene in der Praxis verwendete,
Beschreibungsmittel für Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge analysiert. Als Hauptkriterien
wurden hierbei der Informationsumfang der Darstellung, die Verständlichkeit der Darstellung,
22. VDI-Kongress AUTOMATION 4
der Detaillierungsgrad für einzelne Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge und die
Erweiterbarkeit des jeweiligen Beschreibungsmittels mit einer Skala von niedrigbis sehr
hoch bewertet. Zudem wurden als Nebenkriterien untersucht, ob das Beschreibungsmittel
häufig in der Prozessindustrie Anwendung findet und demnach ein bekanntes
Beschreibungsmittel für die Beteiligten ist, ob es Funktionsbausteine, oftmals auch in Form
von einzelnen Funktionsblöcken als Typicals bezeichnet, darstellen kann und ob es eine
Aggregation und Dekomposition der abgebildeten Inhalte ermöglicht. Untersucht wurde neben
der Cause-and-Effect-Matrix [5], welche das gängigste Beschreibungsmittel für die Darstellung
von Verriegelungen darstellt und verschiedene Varianten umfasst, auch die ebenfalls
matrixbasierte Dependency-Structure-Matrix (DSM) und Multi-Domain-Matrix (MDM) [9].
Zudem wurden verschiedene Fließbilder wie das R&I-Fließbild nach [10], das System Control
Diagram (SCD) nach [11] und die Darstellung einer Process Control Engineering Aufgabe
(PCE-Aufgabe) nach [12] analysiert. Des Weiteren wurden Beschreibungsmittel aus der
Fehleranalyse wie die Fault Tree Analysis (FTA) und die Failure Mode and Effect Analysis
(FMEA) [13], sowie die Darstellung in Funktionsplänen nach [14] untersucht.
Wie in Bild 1 zu erkennen ist, erfüllt keines der untersuchten Beschreibungsmittel alle
Hauptkriterien mit einer hohen Bewertung. Stattdessen weisen die verschiedenen
Beschreibungsmittel, insbesondere die Cause-and-Effect-Matrix, die Design-Structure-Matrix
und die Funktionspläne, Vorteile in einzelnen Eigenschaften auf. Aufgrund der Kürze dieses
Beitrages sollen im Folgenden die wesentlichen Vorteile der zuvor genannten
Beschreibungsmittel vorgestellt werden.
Die Cause-and-Effect-Matrix ermöglicht die Darstellung eines sehr hohen
Informationsumfanges, mithilfe dessen ein guter Gesamtüberblick über Ursache-Wirkungs-
Zusammenhänge innerhalb einer Anlage oder eines Teilanlagenabschnittes gegeben werden
kann. Zudem weist die Cause-and-Effect-Matrix die höchste Bewertung in der Erweiterbarkeit
auf, da die Darstellung von Informationen weder durch die in [5] beschriebene Struktur noch
durch gestalterische Grundsätze eingeschränkt ist. Dem Detaillierungsgrad der Cause-and-
Effect-Matrix wurde aufgrund der eingeschränkten Darstellungsoptionen an den
Schnittpunkten der Matrix eine mittlere Bewertung zugeordnet. Die höchste Bewertung in
diesem Kriterium haben die Funktionspläne, die in einer hohen Anzahl für eine
prozesstechnische Produktionsanlage erstellt werden und einzelne Signalverarbeitungen
mithilfe von Funktionsbausteinen beschreiben. Aufgrund der komplexen Darstellungsweise ist
22. VDI-Kongress AUTOMATION 5
die Verständlichkeit der Funktionspläne niedrig zu bewerten, insbesondere für Gewerke
außerhalb der Prozessleittechnik. Die Design-Structure-Matrix zeichnet sich mit ihrer
symmetrischen Struktur durch eine hohe Verständlichkeit der Darstellung aus, und somit die
höchste Bewertung in diesem Hauptkriterium.
Das Potential der matrixbasierten Beschreibungsmittel wurde in [15] aufgegriffen und ein
erweiterter Ansatz einer Cause-and-Effect-Matrix vorgestellt, bei dem die einzelnen Ursache-
Wirkungs-Zusammenhänge nach der jeweiligen Funktionsweise aggregiert werden. Dieser
Ansatz unterstützt die Darstellung von Verriegelungen auf unterschiedlichen
Detaillierungsgraden durch eine Hierarchisierung der Informationen.
Um die genannten Herausforderungen bei der Kommunikation zwischen den Gewerken zu
adressieren, sollte ein Beschreibungsmittel unabhängig vom vorherrschenden Planungsstand
einsetzbar sein und eine Konkretisierung von Informationen im Laufe des Engineerings
ermöglichen. Mithilfe der Aggregation und Dekomposition von Informationen kann zudem der
Informationsumfang und der Detaillierungsgrad je nach anwendendem Gewerk angepasst
werden.
Detaillierungsgrad der
Darstellung
Typicals
Aggregation und
Komposition
(X)
X
X
(X)
(X) X
X
X X
-
Erweiterbarkeit des
Beschreibungsmittels
Darstellung
Informationsumfang
der Darstellung
Verständlichkeit
der Darstellung
Darstellungsoptionen
C&E X
DSM /
MDM
R&I X
NORSOK X
PCE-Aufgabe X
Fault Tree Analysis
(FTA)
Failur Mode and
Effect Analysis
(FMEA)
Sonstige
Funktionspläne
(FUP)
X
Analyse der
Beschreibungsmittel
BSM in der
Prozessindustrie
Matrix basiert
Fließbilder
Fehleranalyse
Legende:
X
: Niedrig
: Mittel
: Hoch
: sehr Hoch
: Vorhanden
: Teilw eise Vorhanden
(X)
SCD
FTA
FMEA
FUP
- : nicht vorhanden
X : vorhanden
(X) : teilweise vorhanden
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
Bild 1 Ergebnisse der Analyse unterschiedlicher Beschreibungsmittel für Ursache-Wirkungs-
Zusammenhänge
22. VDI-Kongress AUTOMATION 6
Aus der Analyse geht hervor, dass in der Praxis des Engineerings prozesstechnischer Anlagen
sowie in der Forschung kein Beschreibungsmittel existiert, das planungsstand- und
gewerkunabhängig verwendet werden kann und sowohl einen hohen Informationsumfang als
auch eine hohe Verständlichkeit und einen entsprechenden Detaillierungsgrad aufweist. Vor
diesem Hintergrund wurde die Notwendigkeit der Entwicklung eines Konzeptes erkannt,
welches die geforderten Eigenschaften besitzt.
3. Konzept zur durchgängig konsistenten Darstellung von Verriegelungen
Um die Herausforderungen und Probleme im Engineering zu adressieren, wurde von den
Autoren ein Konzept zur Darstellung von Verriegelungen auf verschiedenen
Abstraktionsebenen, mit Sicherstellung einer durchgängigen Konsistenz von Engineering-
Ergebnissen, entwickelt, welches über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage Anwendung
finden kann. Hierzu wurde ein Beschreibungsmittel entwickelt, welches auf drei Ebenen mit
unterschiedlichen Detaillierungsstufen die Darstellung und das Editieren von Inhalten zu
Verriegelungen ermöglicht. Als Basis für die unterschiedlichen Darstellungen des
Beschreibungsmittels wurde ein Informationsmodell definiert, welches die Inhalte der
Verriegelungen im Engineering von prozesstechnischen Anlagen in neutraler Form beschreibt.
Mithilfe der Aufstellung von Regeln wird eine regelbasierte und automatisierte Aggregation und
Dekomposition der Inhalte zwischen den unterschiedlichen Ebenen realisiert und somit die
kausale Konsistenz der Inhalte über die unterschiedlichen Ebenen sichergestellt. Im
Folgenden werden das Beschreibungsmittel, das Informationsmodell und die Regeln zur
Aggregation und Dekomposition vorgestellt.
Beschreibungsmittel
Die Ebenen des Beschreibungsmittels gliedern sich nach den unterschiedlichen
Informationsbereichen in eine Übersichtsebene (Ebene 1), welche eine abstrahierte Sicht auf
1. Übersichtsebene
2. Geräteebene
3. Signalebene
3.Detailstufe
2.Detailstufe
1.Detailstufe
Abstraktion
Bild 2: Abstraktion innerhalb des entwickelten Beschreibungsmittels
22. VDI-Kongress AUTOMATION 7
die Verriegelungen einer Anlage oder Teilanlage ermöglicht, eine Geräteebene (Ebene 2) und
eine Signalebene (Ebene 3). Wie in Bild 2 dargestellt, wächst der Abstraktionsgrad hierbei von
der Signalebene, welche die höchste Detaillierungsstufe darstellt, über die Geräteebene bis
zur Übersichtsebene an.
In der ersten Ebene, der Übersichtsebene, werden räumliche Informationen einer Anlage
untergliedert in Teilanlagenabschnitte und dazugehörige R&I-Fließbildnummern. Diese
werden in einer Design-Structure-Matrix dargestellt und durch Operatoren an den
Schnittpunkten verbunden. Die Operatoren setzen sich aus der absoluten Häufigkeit von
kausalen Zusammenhängen aus den unteren Darstellungsebenen zusammen. Bild 3 zeigt
hierzu eine konzeptionelle Darstellung der Ebene 1. Um insbesondere bei Brown-Field-
Projekten eine Auskunft über die grundlegende Funktionsweise einer Anlage zu geben,
wurden im Rahmen des Konzeptes, in Anlehnung an die in [16] definierten state types,
verschiedene Szenarien einer Anlage definiert. Die Anlagenszenarien geben Auskunft
darüber, für welches Szenario ein Element, wie bspw. ein verfahrenstechnischer Apparat oder
ein prozessleittechnisches Gerät, in einem Anlagenabschnitt vorgesehen war oder genutzt
wird. Definiert wurden die Anlagenszenarien Anfahren (A), Normalbetrieb (N), Störung/Stopp
(S), Herunterfahren (H) und ein vom Anwender frei definierbares Anlagenszenario (Z), welches
bspw. Sonderoperationen, wie den Wechsel eines Katalysators, beschreibt. Die
Anlagenszenarien Normalbetrieb (N) und Störung/Stopp (S) lassen sich hierbei in weitere
Unterkategorien einteilen, die bestimmte Grundoperationen im Prozessablauf oder Arten von
Störungen beschreiben. Mithilfe der Einteilung in die beschriebenen Anlagenszenarien kann
dem Anwender in der Übersichtsebene die absolute Häufigkeit der kausalen Zusammenhänge
für ein oder mehrere Anlagenszenarien dargestellt werden und so Auskunft über die
grundlegenden Zusammenhänge über verschiedene Teilanlagenabschnitte und in R&I-
Fließbildern untergliederte Aggregate der Anlage gegeben werden. Die Operatoren werden
durch den Anfangsbuchstaben des jeweiligen Anlagenszenarios und eine Ziffer der absoluten
Häufigkeit symbolisiert, die durch einen Doppelpunkt getrennt werden, bspw. steht „A:4“ für
vier Zusammenhänge des Anlagenszenarios Anfahren. Durch die Verwendung einer Design-
Structure-Matrix werden zwingend alle R&I-Fließbilder und Teilanlagen miteinander in Relation
gesetzt, wodurch auch das Nichtvorhandensein von Zusammenhängen visualisiert wird.
Hierdurch ermöglicht die Übersichtsebene eine schnelle und gute Übersicht über eine Anlage
und stellt die höchste Abstraktion des Beschreibungsmittels dar.
22. VDI-Kongress AUTOMATION 8
In der Geräteebene, der Ebene 2, werden die einzelnen automatisierungstechnischen
Einrichtungen, die typischerweise in einem R&I-Fließbild dargestellt sind, aufgeführt und nach
dem Prinzip einer Cause-and-Effect-Matrix in Ursachen (Sensoren und Aktoren) und
Wirkungen (Aktoren) unterteilt. Bild 4 zeigt eine konzeptionelle Darstellung der Ebene 2. Den
Geräten werden beschreibende Informationen zugeordnet, wie beispielsweise eine
Bezeichnung, die R&I-Fließbildnummer, sowie Grenzwerte und Sicherheitsstellungen des
Gerätes und das jeweils betrachtete Anlagenszenario. Die kausalen Zusammenhänge
zwischen den Geräten werden durch unterschiedliche Operatoren in den jeweiligen
Schnittpunkten zwischen den Ursachen und Wirkungen dargestellt. In der Geräteebene
werden hierzu zwei unterschiedliche Operatoren verwendet. Mithilfe eines Operators der
undefinierten Verbindung, welcher durch ein „X“ symbolisiert ist, können generelle Ursache-
Wirkungs-Zusammenhänge bereits in den frühen Planungsphasen dokumentiert werden. Der
Operator der undefinierten Verbindung stellt somit einen Hinweis für einen weiter zu
spezifizierenden Zusammenhang an einen anderen Anwender, beispielsweise aus einem
anderem Gewerk, dar. Im weiteren Planungsverlauf gilt es diese undefinierte Verbindung
weiter zu konkretisieren. Durch den Operator der definierten Verbindung werden bereits
konkretisierte Zusammenhänge zwischen Geräten mithilfe des Eingangssignals des Ursache-
Gerätes und der Funktion des Wirkungs-Gerätes, getrennt durch einen Schrägstrich,
beschrieben. Um die Zugehörigkeit von komplexen Zusammenhängen zu beschreiben, die
sich aus mehreren Verbindungen zwischen Geräten zusammensetzen, werden innerhalb der
Operatoren kleingestellte Identifikationsnummern (ID-Nummern) aufgeführt. Negierte Signale
werden durch eine Darstellung des Signals innerhalb einer Klammer beschrieben. Der
Operator „true/close1“ wird bspw. verwendet, wenn das Ursache-Gerät das Signal „true“
sendet und dies in Kombination mit weiteren Zusammenhängen der ID-Nummer „1“ die
Funktion „close“ beim Wirkungs-Gerät auslöst.
Bild 3: Konzept der Ebene 1 Übersichtsebene (links: Prinzip; rechts: Beispiel)
1. Ebene
Grundebene
Absolute
Häufigkeit der
Zusammenhänge
Alle Ausprägung en
der Informationsarten
Alle Ausprägung en
der Informationsarten
R&I-Nr. /
Teilanlagen
Absolute Häufigkeit
der Zusammenhänge
je Anlagenszenario
R&I-Nr. /
Teilanlagen
Übersichtsebene
1. Ebene
Übersichtsebene
Teilanlage 1
R&I 1
R&I 2
R&I 3
R&I 4
Teilanlage 1
R&I 1
A: 4
0
0
0
R&I 2
N: 1
N: 4
S: 3
0
R&I 3
0
0
0
0
R&I 4
N:3
0
0
0
22. VDI-Kongress AUTOMATION 9
2. Ebene
Geräteebene
R&I 1
R&I 2
Gerät 4
Gerät 6
R&I-
Nr.
Geräte Kommentar
Befehl
„Open /Close“
Befehl
„Open/Close“
R&I 1
Gerät 1
P zu hoch -
Alarm
HH True / Open
Gerät 2
Gerät 3
Meldung „an“
On / Close
R&I 2
Gerät 5
Meldung „nicht
geschlossen“
(Closed) / Close 1
Gerät 7
T zu hoch -
Alarm
X H True / Close 1
Um in Anlehnung an [15, 17] eine informelle Beschreibung von Zusammenhängen zu
ermöglichen, können auf der Geräteebene zusätzliche Kommentare eingeführt werden, die
bspw. Anforderungen der Verfahrenstechnik in einer frühen Engineering-Phase an eine bisher
undefinierte Verbindung dokumentieren. Hierdurch sollen Informationen über grundlegende
Wirkweisen und Ihre Begründung in der Anlage über den Lebenszyklus erhalten bleiben.
In der Signalebene, der Ebene 3, werden die zugehörigen Ein- und Ausgangssignale und
Funktionen der jeweiligen Elemente der Geräteebene in kausale Beziehungen gesetzt. Die
Signalebene beinhaltet den höchsten Detaillierungsgrad des Beschreibungsmittels und
umfasst Informationen, die typischerweise in einem Funktionsplan (FUP) aufgeführt werden.
Wie bereits bei der Geräteebene wird auch bei der Signalebene das Beschreibungskonzept
einer Cause-and-Effect-Matrix übernommen. Bild 5 zeigt eine konzeptionelle Darstellung der
Ebene 3. Die Operatoren an den Schnittpunkten der Kombinationen aus Signalen und
Funktionen sind aufgrund der unterschiedlichen Komplexität analog zur Geräteebene in zwei
verschiedene Operatoren unterteilt. Ist eine einfache Verbindung zwischen einem Signal und
einer Funktion vorhanden, so wird ein X“ an den Schnittpunkten der Matrix-Darstellung
hinterlegt. Das „X“ ist gleichzusetzen mit einem einfachen ODER (OR). Bei der Verbindung
mehrerer Signale zu einer logischen Verknüpfung, die eine Funktion auslöst, wird der Operator
einer komplexen Verbindung verwendet. Dieser beinhaltet neben einer Zusammenhangs-
Identifikationsnummer (Zusammenhangs-ID), welche die Zuordnung der Signale zu einer
komplexen Verbindung in einem Funktionsbaustein repräsentiert, auch die Art des
Funktionsbausteins bzw. des verwendeten Typicals und ggf. einen alternativen Ausgang,
welcher durch die Zusammenhangs-ID des nachfolgenden Funktionsbausteins
gekennzeichnet ist. Die Zusammenhangs-ID, die Art des Funktionsbausteins und der
alternative Ausgang werden in drei Zeilen übereinander aufgeführt. Letzteres findet
Bild 4: Konzept der Ebene 2 Geräteebene (links: Prinzip; rechts: Beispiel)
2. Ebene
Geräteebene
Aktoren
Operatoren
Sensoren/
Aktoren
Aktoren
Sensoren /
Aktoren
Operatoren
22. VDI-Kongress AUTOMATION 10
Anwendung, wenn eine Verkettung von Funktionsbausteinen eines Zusammenhanges vorliegt
und der Signalausgang eines Funktionsbausteins als Eingang für einen weiteren
Funktionsbaustein fungiert. Hierdurch können auch komplexere Wirkweisen, wie eine
Verriegelung über mehrere Eingangssignale und mehrere Funktionsbausteine, abgebildet
werden. Die Zusammenhangs-IDs werden auf der Signalebene anders als auf der
Geräteebene durch einen Hashtag dargestellt, bspw. „#002“.
Ähnlich zur Geräteebene werden negierte Eingangssignale durch eine Klammer um die
Zusammenhangs-ID im Operator der komplexen Verbindung oder durch eine Klammer um
den Operator der einfachen Verbindung dargestellt. Da sich Funktionspläne als detaillierte
Darstellung von komplexeren Verbindungen etabliert haben, wird auf der Signalebene die
Möglichkeit gegeben sich einzelne Verbindungen als Funktionspläne anzuzeigen.
Die Signalebene stellt die detaillierteste Sicht im Beschreibungsmittel auf einzelne Signale,
signalverarbeitende Operatoren und die resultierenden Funktionen dar.
Regeln zur Aggregation und Dekomposition
Das Konzept sieht eine Möglichkeit zur Aggregation und Dekomposition von Informationen
zwischen den beschriebenen Ebenen des Beschreibungsmittels vor. Dies ermöglicht es
einerseits verschiedene Abstraktionsformen der vorhandenen Informationen zu generieren
und andererseits die Konsistenz bei Veränderungen in den Eingaben auf allen Ebenen
sicherzustellen.
Von der Ebene 2 zur Ebene 3 wird eine Dekomposition von Informationen ermöglicht. Hierzu
werden die auf Ebene 2 getätigten Eingaben über die Geräte und deren Eigenschaften, die
Art des Operators, sowie bereits definierte Eingangssignale des Ursache-Gerätes und
Funktionen des Wirkungs-Gerätes in die Ebene 3 transferiert. Wird bspw. in der Geräteebene
Bild 5: Konzept der Ebene 3 Signalebene (links: Prinzip; rechts: Beispiel)
3. Ebene
Signalebene
Funktionen
Operatoren
Signale
Signale
Funktionen
Operatoren
3. Ebene
Signalebene
R&I 1
R&I 2
Gerät 4
Gerät 6
Open
Close
Open
Close
R&I 1 Gerät 1 HH Alarm
HH True
X
HH False
Gerät 2
Analo g Signa l
Value
R&I 2
Gerät 5 Binary S ignal
Open
Clos ed
(#002)
OR
#001
Gerät 7 H Alarm H True
#002
OR
#001
H False
Gerät 8 Binary S ignal
On
X
Off
#001
AND
#001
Darstellungs-
bereich
FUP
OR
AND
#002
22. VDI-Kongress AUTOMATION 11
eine nicht komplexe und definierte Verbindung hinzugefügt, so wird die Eingabe des
Eingangssignals, bspw. „HH-True“, zu der Ursachen-Seite der Signalebene und die
ausgelöste Funktion, bspw. „Open“, zu der Wirkungs-Seite der Signalebene hinzugefügt. In
der Schnittstelle zwischen dem hinzugefügten Eingangssignal und der Funktion wird ein
Operator der einfachen Verbindung in der Signalebene, dargestellt durch ein „X“, hinzugefügt.
Wird in der Geräteebene eine undefinierte Verbindung eingegeben, wird in der Signalebene
das entsprechende Feld der Schnittstelle durch eine Umrandung hervorgehoben. Diese
signalisiert dem Anwender, dass es hier einen Bedarf zur weiteren Spezifizierung der
Verbindung gibt. Umgekehrt findet von der Ebene 3 zur Ebene 2 eine Aggregation von
Informationen statt. Wird beispielsweise die zuvor genannte Umrandung der Schnittstelle einer
nicht definierten Verbindung in der Signalebene weiter spezifiziert und sowohl Eingangssignal
als auch die Funktion bestimmt, so wird diese Information in die Geräteebene übertragen und
das zuvor gesetzte „X“ der undefinierten Verbindung wird durch einen Operator der definierten
Verbindung ersetzt. Dieser stellt das in der Signalebene ausgewählte Eingangssignal und die
Funktion durch einen Schrägstrich getrennt dar. Somit werden aus der Signalebene sowohl
die Art des Operators als auch die Eingangssignale und Ausgangsfunktionen und die
Zusammengehörigkeit von komplexen Zusammenhängen in die Geräteebene transferiert.
Von der Geräteebene zur Übersichtsebene findet eine Aggregation von Informationen statt.
Hierbei werden die Zusammenhänge aus der Geräteebene für eine Teilanlage oder eine R&I-
Fließbildnummer anhand der jeweiligen Anlagenszenarien aufsummiert. Die Übersichtsebene
stellt damit eine generierte Sicht dar, die mithilfe der Inhalte der Geräteebene erstellt wird.
Als formale Notation der Regeln wurde die Semantic Web Rule Language (SWRL) [18]
gewählt. Ein Beispiel hierfür ist nachfolgend aufgeführt. Es beschreibt die Zuordnung eines
Anlagenszenarios zu einem Operator aufgrund der Verbindung zu einem Gerät, dem ein
entsprechendes Anlagenszenario zugewiesen wurde.
OperatorEbene2(?o1)^hasInterface(?o1,?p1)^PlantHierarchyItem(?p1)^hasPlantSzenario(?p1,?s1)
→ hasPlantszenario(?o1,?s1)
Informationsmodell
Um eine datentechnische Realisierung des Beschreibungsmittels zu ermöglichen und einen
objektorientierten Ansatz zu unterstützen, wurde ein Informationsmodell für das beschriebene
Beschreibungsmittel und die aufgeführten Inhalte definiert. Das Informationsmodell basiert auf
dem Datenmodell Computer Aided Engineering eXchange (CAEX), welches in [12] definiert
ist und einen generischen objektorientierten Ansatz für die Modellierung von Bibliotheken von
Objektklassen und einer Instanz-Hierarchie ermöglicht [19]. Mithilfe des Bibliothekskonzept
22. VDI-Kongress AUTOMATION 12
von CAEX wird zudem die Auslegung von undefinierten und definierten Operatoren
unterstützt. Das zugrundeliegende XML-Format bietet bei der Implementierung des Konzeptes
Vorteile durch die Lesbarkeit für Maschinen und Menschen.
Das im Rahmen dieser Forschungsarbeit definierte Informationsmodell erweitert das CAEX-
Datenmodell um die Objektklasse der unterschiedlichen Operatoren und erweiterten Interfaces
dieser für die Geräteebene und die Signalebene. Bild 6 stellt das definierte Informationsmodell
dar. Die RoleClass-Bibliothek wurde um die Operatoren der Geräteebene und der Signalebene
erweitert. Für die in der Signalebene beschriebenen Funktionsbausteine sind in der
SystemUnitClass-Bibliothek Standard Funktionsbausteine wie bspw. OR, AND, XOR und
unternehmensspezifische Funktionsbausteine, bzw. Typicals definiert worden. Die
Signaltypen, die als Verbindungen zwischen den einzelnen Operatoren agieren, wurden in der
InterfaceClass-Bibliothek ergänzt. Da davon auszugehen ist, dass die innere Logik der
verwendeten Funktionsbausteine durch unternehmensinterne Richtlinien und Guidelines
bekannt ist, kann die innere Logik der Funktionsbausteine nach dem in [19] aufgeführten
Vorgehen vernachlässigt werden. Die einzelnen Funktionsbausteine werden somit als
Blackboxes gesehen, wodurch die Modellierung erleichtert und gleichzeitig weniger
fehleranfällig gegenüber dem Hinzufügen weiterer unternehmensspezifischer
Funktionsbausteine ist [19]. Den Funktionsbausteinen können die in der erweiterten
InterfaceClass-Bibliothek vordefinierten Ein- und Ausgangssingale zugeordnet werden.
22. VDI-Kongress AUTOMATION 13
PlantHierarch yItem
Phys ical funct ion
ProductConnectionInterfaceProcessConnectionInterface
PCE Reques t
Interfaces
SignalInterfa ce
SignalInterface Ebene 2 SignalInterface Ebene 3
Sign alSi nk Ebe ne 2
SignalSource Ebene 2
Sign alSi nk Ebe ne 3
SignalSource Ebene 3
AlarmInterfa ce
Ala rmSo urc e
ProcessConnectionInterface
Actuato rSourc e SensorSink
Operator
Operator E bene 2 Operator E bene 3
Interfaces
OperatorSignalS ink Ebene 2
OperatorSignalS ource Ebene 2
OperatorAl armSource Ebene 2
Interfaces
OperatorSignalS ource Ebene 3
OperatorAl armSource Ebene 3
OperatorSignalS ource
Operator E bene 3
OperatorSignalS ink Operator
Ebene 3
1
1…*
1
OperatorSignalS ink Ebene 3
PlantHierarch y
1
0…*
0...* 0...*
1...*
1...*
0…* 0…*
1
1…*
0…*
1
1…*
1
1…*
1
Bild 6: Informationsmodell des Konzeptes zur durchgängigen Darstellung von Verriegelungen
4. Exemplarische Implementierung und Evaluation
Das in Abschnitt 3 beschriebene Konzept wurde mithilfe des herstellerneutralen
Datenformates AutomationML rechnerinterpretierbar abgebildet. Da AutomationML auf dem
CAEX-Datenmodell basiert, konnte das Informationsmodell des Konzeptes vollständig
modelliert werden. Hierzu wurden die entsprechenden erweiterten RoleClass-,
SystemUnitClass- und InterfaceClass-Bibliotheken in AutomationML modelliert. Bild 7 zeigt
einen Ausschnitt der Modellierung der SystemUnitClass-Bibliothek für Standard-
Funktionsbausteine.
22. VDI-Kongress AUTOMATION 14
Bild 7: Modellierung der Standard-Funktionsbaustein-Bibliothek in AutomationML
Mithilfe eines Imports von bestehenden Planungsdokumenten, wie bspw. PLT-Stellenblättern,
über die definierte Schnittstelle der NE159 [20] sollen möglichst viele Inhalte des
Informationsmodells automatisiert übernommen werden.
Das Front-End des Konzeptes wurde in Form eines Software-Mockups realisiert. Bild 8 zeigt
einen Ausschnitt der Signalebene.
Das dargestellte Konzept wurde auf die Daten eines realen Engineering-Projekts angewandt
und verfeinert. In AutomationML wurden hierzu die Objektinstanzen der Geräte und
Operatoren in der Instanz-Hierarchie modelliert.
Im Rahmen einer Expertenbefragung von Planern der Prozessleittechnik wurde das Konzept
evaluiert. Es wurden der Informationsumfang, die Verständlichkeit und der Detaillierungsgrad
der Darstellung für jede Ebene des Beschreibungsmittels einzeln und aller Ebenen insgesamt
Plants
3. Signalebene
PID 303
HP_3015
Signal
HVM±K
GO±S-
GO±K
PIS+A+
A3025
CMD-OP
FB-CL
HVB-1
AND
CMD-OP
Bild 8: Ausschnitt einer Darstellung der Signalebene des Software-Mockups
HVB-1
HVB-1
HVB-1
HVB-1
22. VDI-Kongress AUTOMATION 15
max. Bewertung
min. Bewertung
bewertet. Zudem wurde auch die Möglichkeit zur Integration des Konzeptes in den Workflow
der Prozessleittechnik während der Abwicklung von PLT-Planungsprojekten für jede Ebene
des Beschreibungsmittels und insgesamt bewertet. In Bild 9 sind die Ergebnisse der
Evaluation dargestellt. Die Ergebnisse der Evaluation stellen mit einer durchschnittlichen
Bewertung von 7,6 Punkten bis 8,1 Punkten von möglichen 10 Punkten eine positive
Bewertung des dargestellten Ansatzes dar. Als Kritikpunkt wurde die Notwendigkeit zum
Erlernen der neuen Syntax, insbesondere bei den Operatoren der Ebene 3, genannt. Bei
besonders komplexen Verbindungen kann hier die Verständlichkeit leiden. Das Anzeigen von
Zusammenhängen in Funktionsplan-Darstellung wurde jedoch von den Befragten als positiv
für die Verständlichkeit der Signalebene bewertet.
Bild 9 Evaluation des Ansatzes durch eine Expertenbefragung von PLT-Planernn=6
5. Zusammenfassung und Ausblick
In diesem Beitrag wurde ein Konzept für eine durchgängig konsistente Darstellung von
Verriegelungen über den Lebenszyklus einer prozesstechnischen Produktionsanlage
vorgestellt. Hierzu wurden die Hintergründe und die Motivation der Forschungsarbeit sowie die
Defizite in der aktuellen Darstellung von Verriegelungen in der Praxis dargelegt. Das
vorgestellte Konzept ermöglicht mithilfe der Darstellung von Verriegelungen auf drei
unterschiedlichen Detaillierungsstufen zugleich eine detaillierte Sicht auf die genaue
Funktionsweise einzelner Verriegelungen und eine abstrahierte Übersicht über das Gesamt-
Zusammenwirken von Verriegelungen über verschiedene Teile einer Anlage. Letzteres ist für
Sicherheitsbetrachtungen und Umbaumaßnahmen im Zuge von Brown-Field-Projekten im
Ebene 1
Ebene 1
Ebene 1
Ebene 1
Ebene 2
Ebene 2
Ebene 2
Ebene 2
Ebene 3
Ebene 3
Ebene 3
Ebene 3
Gesamt
Gesamt
Gesamt
Gesamt
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Integration in den PLT-
Workflow
Informationsumfang
der Darstellung
Verständlichkeit der
Darstellung
Detaillierungsgrad der
Darstellung
Kriterienerfüllung
(0 = sehr schlecht, 10= sehr gut)
Ebene 1 Ebene 2 Ebene 3 Gesamt
22. VDI-Kongress AUTOMATION 16
fortschreitenden Verlauf des Lebenszyklus einer Anlage von besonderer Relevanz und kann
u.a. auch zur Einschätzung von Engineering-Aufwänden genutzt werden.
Durch die Definition von Regeln wird die kausale Konsistenz der Inhalte bei einer
automatisierten Aggregation und Dekomposition über die unterschiedlichen Ebenen
sichergestellt. Durch die Zusammenarbeit mit Engineering-Abteilungen eines großen
deutschen Chemiekonzerns konnte die Praxisrelevanz während der Konzeptionierung
sichergestellt werden. Anhand der Evaluationsergebnisse der Expertenbefragung in der
Fachdisziplin der Prozessleittechnik wurde die Darstellungsform des Beschreibungsmittels
bestätigt und das Konzept insgesamt als durchweg positiv für die Integration in den Planungs-
Workflow der Prozessleittechnik bewertet.
Mithilfe eines Imports von Planungsdokumenten gilt es die Aufwände für manuelle Eingaben
zu minimieren. Die zukünftige Umsetzung des Konzeptes in einem Software-Werkzeug soll
sowohl von Planern der Verfahrenstechnik als auch von Planern der Prozessleittechnik und
dem Betreiber einer Anlage verwendet werden und als interdisziplinäres Beschreibungsmittel
über den Lebenszyklus einer Anlage Verwendung finden.
Die weiteren Ergebnisse der Forschungsarbeit sollen in die Normungsarbeiten der NAMUR
und der GMA zur Erweiterung des NAMUR-Containers in Form einer neuen Version der
NE150 und der VDI-Richtlinie 3697 zur herstellerneutralen Beschreibung und technischen
Umsetzung von Verriegelungslogiken eingebracht werden.
Danksagung
Für die inhaltlichen Impulse und das substantielle Feedback während fachlicher Diskussionen
im Rahmen der Forschungsarbeit bedanken sich die Autoren bei Herrn Dr. Marco Boll, Herrn
Dr. Andreas Steinweg, Herrn Dr. Hisham Mubarak, Herrn Horst Seel, Herrn Dr. Kai Krüning
und Herrn Dr. Matthias Münks.
6. Literaturangaben
[1] Bindel, T. und Hofmann, D. Projektierung von Automatisierungsanlagen: Eine effektive
und anschauliche Einführung, 3rd ed. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2017.
[2] Tauchnitz, T. Mammutprojekt integriertes Engineering: Los geht's!, Chemie Technik,
S.6770, Oct. 2013.
[3] NA 35: PLT-Planung und -Abwicklung in der Prozessindustrie, NAMUR, 2019.
[4] Weber, K. Dokumentation verfahrenstechnischer Anlagen: Praxishandbuch mit
Checklisten und Beispielen. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, 2008.
[5] IEC 62881: Ursache-Wirkungstabelle, IEC, 2018.
22. VDI-Kongress AUTOMATION 17
[6] Ahrens, W., Felleisen, M, Schnieder, E. und Chouikha, M. Formale
Prozessbeschreibungen - gestern, heute und morgen. atp - Automatisierungstechnische
Praxis. 42(9), S. 24-32, 2000.
[7] Diedrich, C. und Mühlhause, M. Modellansätze für die digitale Fabrik, at-
Automatisierungstechnik, vol. 59, no. 1, 2011.
[8] Fischer, S. Entwurf und Verifikation von Ablaufsteuerungen, Dortmund, Techn. Univ.,
Diss., Aachen: Shaker, 2015.
[9] Lindemann, U., Maurer, M. und Braun, T. Structural Complexity Management: An
Approach for the Field of Product Design, Berlin Heidelberg: Springer, 2009.
[10] DIN EN ISO 10628-1: Schemata für die chemische und petrochemische Industrie: Teil 1:
Spezifikation der Schemata, Deutsches Institut für Normung e.V., 2014.
[11] IEC PAS 63131: System control diagram, IEC, 2017.
[12] DIN EN 62424: Festlegung für die Darstellung von Aufgaben der Prozessleittechnik in
Fließbildern und für den Datenaustausch zwischen EDV-Werkzeugen zur
Fließbilderstellung und CAE-Systemen, Deutsches Institut für Normung e.V., 2017.
[13] Werdich, M. FMEA - Einführung und Moderation: Durch systematische Entwicklung zur
übersichtlichen Risikominimierung, 2. Auflage, Wiesbaden, 2011.
[14] IEC 61131-3: Programmable controllers: Programming languages, IEC, 2013.
[15] Fischer, S., Sonntag, C. und Engell, S. Systematic Formalization of Control Requirements
using Hierarchical Cause-Effect Charts, in Computer Aided Chemical Engineering, vol.
31, pp. 16421646, Oxford: Elsevier, 2012.
[16] ANSI/ISA88.00.01: Batch Control Part 1: Models and Terminology, 2010.
[17] Fischer, S.,fner, M, Sonntag, C. und Engell, S. Systematic Generation of Logic
Controllers in a Model-Based Multi-Formalism Design Environment, 18th IFAC World
Congress, 2011.
[18] Horrocks, I., Patel-Schneider, P., Boley, H., Tabet, S., Grosof, B. und Dean, M. SWRL: A
Semantic Web Rule Language Combining OWL and RuleML. [Online]. Available: http://
www.w3.org/Submission/SWRL/
[19] Drath, R. und Ingebrigtsen, I. AutomationML in the Oil&Gas Industry: Automated code
generation by means of the IEC PAS 63131, 5th AutomationML User Conference, 2018.
[20] NE 159: Standardisierte NAMUR-Schnittstelle zwischen CAE-Systemen für den Aus-
tausch von verfahrenstechnischen Daten, NAMUR, 2018.
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Conference Paper
Full-text available
This paper proposes a work flow for the model-based design of industrial logic controllers implemented in Sequential Function Charts (SFC). The design procedure starts from informal natural-language requirements that are formalized in an iterative refinement process. The results of this tool-supported process are (1) a formal specification of the logic controller, (2) a documentation of the design decisions, and (3) the logic controller as SFC. The SFC controller can either be directly implemented or connected with a plant model to generate a model of the controlled system. To this end, the plant model as well as the model of the logic controller are transformed algorithmically to the Compositional Interchange Format for Hybrid Systems (CIF) which is connected to a variety of modeling formalisms for e.g. simulation, testing, verification, and the design of continuous controllers.
Book
Wegen der erhöhten Anforderungen an die Sicherheit sowie den Gesundheits- und Umweltschutz, aber auch aus haftungs- und gewährleistungsrechtlichen Gründen wird die Dokumentation im verfahrenstechnischen Anlagenbau immer wichtiger und aufwändiger. Allein der Kostenanteil für alle Dokumentationsleistungen beträgt bis zu 10 Prozent des Anlageneuwertes. Während für die „klassischen" Technischen Produktdokumentationen zahlreiche Veröffentlichungen existieren, fehlen diese für Dokumentationen verfahrenstechnischer Anlagen nahezu vollständig. Das Buch schließt die Lücke, indem es die verschiedenen Aspekte dieser umfangreichen Dokumentationen systematisiert und praxisbezogen erörtert. Zahlreiche Checklisten, Beispiele und Musterdokumente veranschaulichen die Aussagen. Das Buch soll Führungs- und Fachkräften, die bei der Fertigung oder in der Montage sowie in Behörden oder in Technischen Überwachungsorganisationen mit Dokumenten verfahrenstechnischer Anlagen zu tun haben, als Handlungsanleitung dienen. Ein besonderes Anliegen des Buches ist es, Technische Redakteure dabei zu unterstützen, ihr Arbeitsgebiet auf derart komplexe Dokumentationen auszudehnen.
Article
In this paper, a hierarchically structured formalism, the Hierarchical Cause-Effect Charts (HCEC), is introduced to iteratively refine and formalize complex control requirements of industrial systems, resulting in a hierarchical tree structure of small and transparent cause-effect matrices that can be translated into Boolean formulae algorithmically. These formulae are used as input for a supervisory control synthesis tool chain, resulting in a logic controller that is correct by design. The formalization methodology is supported by a graphical software tool.
Book
Product design is characterized by a steady increase in complexity. The main focus of this book is a structural approach on complexity management. This means, system structures are considered in order to address the challenge of complexity in all aspects of product design. Structures arise from the complex dependencies of system elements. Thus, the identification of system structures provides access to the understanding of system behavior in practical applications. The book presents a methodology that enables the analysis, control and optimization of complex structures, and the applicability of domain-spanning problems. The methodology allows significant improvements on handling system complexity by creating improved system understanding on the one hand and optimizing product design that is robust for system adaptations on the other hand. Developers can thereby enhance project coordination and improve communication between team members and as a result shorten development time. The practical application of the methodology is described by means of two detailed examples.
Article
Zusammenfassung Die digitale Fabrik ist ein Konzept, das schon viele Jahre Ansporn für die verschiedensten Initiativen z. B. des digitalen Engineerings, der Normenreihe IEC 62264 zur Integration von Unternehmensführungs- und Leitsystemen oder für eBusiness-Anwendungen ist. Dies führt zur Existenz vieler verschiedenen Herangehensweisen und Modellansätze. Die Diskussion zu Ausprägung und Anzahl von relevanten Modellen und vor allem deren Modellgrundlagen für die einheitliche Betrachtung einer gesamten digitalen Fabrik ist noch offen.
Article
This document contains a proposal for a Semantic Web Rule Language (SWRL) based on a combination of the OWL DL and OWL Lite sublanguages of the OWL Web Ontology Language with the Unary/Binary Datalog RuleML sublanguages of the Rule Markup Language. SWRL includes a high-level abstract syntax for Horn-like rules in both the OWL DL and OWL Lite sublanguages of OWL. A model-theoretic semantics is given to provide the formal meaning for OWL ontologies including rules written in this abstract syntax. An XML syntax based on RuleML and the OWL XML Presentation Syntax as well as an RDF concrete syntax based on the OWL RDF/XML exchange syntax are also given, along with several examples. Ce document propose un langage, SWRL (Semantic Web Rule Language ou langage de règles du Web sémantique), basé sur une combinaison des sous langages OWL DL et OWL Lite du langage ontologique Web OWL, avec les sous langages Datalog RuleML unaire/binaire du langage Rule Markup Language. SWRL intègre une syntaxe abstraite de haut niveau pour les règles de Horn dans les sous langages OWL DL et OWL Lite de OWL. Un modèle sémantique théorique permettant d'établir la signification formelle des ontologies OWL, y compris des règles rédigées dans cette syntaxe abstraite, est présenté. Une syntaxe XML basée sur RuleML et la syntaxe de présentation de OWL XML, ainsi qu'une syntaxe RDF concrète basée sur la syntaxe d'échange de OWL RDF/XML sont également proposées, avec plusieurs exemples.
Mammutprojekt integriertes Engineering: Los geht's!, Chemie Technik
  • T Tauchnitz
Tauchnitz, T. Mammutprojekt integriertes Engineering: Los geht's!, Chemie Technik, S.67-70, Oct. 2013.
Formale Prozessbeschreibungen -gestern, heute und morgen. atp -Automatisierungstechnische Praxis
  • W Ahrens
  • M Felleisen
  • E Schnieder
  • M Chouikha
Ahrens, W., Felleisen, M, Schnieder, E. und Chouikha, M. Formale Prozessbeschreibungen -gestern, heute und morgen. atp -Automatisierungstechnische Praxis. 42(9), S. 24-32, 2000.
AutomationML in the Oil&Gas Industry: Automated code generation by means of the IEC PAS 63131
  • R Drath
  • I Und Ingebrigtsen
Drath, R. und Ingebrigtsen, I. AutomationML in the Oil&Gas Industry: Automated code generation by means of the IEC PAS 63131, 5th AutomationML User Conference, 2018.