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Dortmunder Beitr. zur Landesk. naturwiss. Mitt. 50 Dortmund 2021
Parapuzosia (Parapuzosia) leptophylla –
ein Großammonit aus dem Santonium vom
Westrand des Münsterländer Kreide-Beckens
Ulrich Kaplan, Tobias Püttmann & Udo Scheer
Zusammenfassung
Eine riesenhafte Parapuzosia (Parapuzosia) leptophylla aus der Bottroper Mulde,
westliches Münsterländer Kreide-Becken, wird erstmals aus NW-Deutschland
Zeche Lohberg/Osterfeld aus der Osterfeld-Subformation (Haltern-Formation;
Obersantonium) geborgen. Das umgebende Sediment deutet auf ein palökologi-
sches Habitat im inneren Schelfbereich hin.
Inhalt
Zusammenfassung
Abstract
1. Einleitung
2. Wetterschacht Lohberg 3
3. Lithologie und Stratigraphie des Untersuchungsraumes
4. Kalkige Nannofossilien aus dem Fundhorizont
5. Systematik
6. Ablagerung und Palökologie
7. Danksagung
8. Literatur
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Abstract
Parapuzosia (Parapuzosia) leptophylla – a giant ammonite from the Santonian
from the western Münsterland Cretaceous Basin
A huge Parapuzosia (Parapuzosia) leptophylla from the Bottrop Syncline, western
Münsterland Cretaceous Basin is described for the first time from NW-Germany.
The specimen was recovered in 1964 while sinking air shaft 3 of the coal mine
Lohberg/Osterfeld in the Osterfeld Member (Haltern Formation, Upper Santo-
nian). Lithological observations suggest a palecological habitat within the inner
shelf areas.
1. Einleitung
Bislang war nur Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis aus der Oberkreide
des Münsterländer Kreide-Beckens als Riesenammonit bekannt. Ihre drei größ-
( 1995: 21). Sie stammen aus dem Untercampanium, wie auch
weitere, deutlich kleinere Belegstücke. Zwar kommen mit Mesopuzosia und Le-
wesiceras neben Parapuzosia auch in anderen Stufen der Münsterländer Ober-
kreide großwüchsige Exemplaren vor, die allerdings nur selten die Größe von
Bochum (DBMB) befindet sich seit 1974 ein Riesenammonit mit einem Durch-
Bergwerk Lohberg/Osterfeld im Januar 1964 aufwändig in drei Teilen geborgen
wurde ( 1965: 96). Die Hamborner Bergbau AG übergab ihn dem dama-
ligen Geologischen Museum der Westfälischen Berggewerkschaftskasse (WBK)
in Bochum. Eine wissenschaftliche Bearbeitung war von Dora Wolansky geplant,
kam aber nie zur Veröffentlichung. In Bochum wurde er präpariert und kam flach-
liegend zur Schaustellung (1965: 622). Mit der Auflösung der Sammlung
und Museums der WBK ab 1974 gelangte das Stück ins heutige DBMB, wo es in
gleichartiger Weise präsentiert wurde. So fand ihn einer der Autoren (U. Kaplan)
vor, als er Ende der 1990er Jahre in verschiedenen Sammlungen recherchierte.
Da das Stück damals nicht direkt zugänglich und zudem schlecht ausgeleuchtet
war, konnten (2000) es im Rahmen ihrer Monographie der
Santonium-Ammoniten des Münsterländer Kreide-Beckens trotz seiner Bedeu-
tung nicht berücksichtigen. Seit der Eröffnung der neu gestalteten Dauerausstel-
lung im Jahre 2019 war das Stück besser zugänglich, so dass durch die aktive
Unterstützung durch Michael Ganzelewski (DBMB) nun 56 Jahren nach der Ber-
gung endlich seine wissenschaftliche Bearbeitung möglich wurde.
88
2. Wetterschacht Lohberg 3
-
berg, liegt vier Kilometer südöstlich von Hünxe im Hünxer Wald am Bergschlag-
-
nisch abgeteuft ( -
reicht. 1998 wurde der Schacht aufgegeben und verfüllt (1998: 632). Heute
3. Lithologie und Stratigraphie des Untersuchungsraumes
-
ren komplexe, tektonisch beeinflusste Sedimentationsgeschichte et al.
(2018: 273) zusammenfassend darstellen. Das geologische Profil des Schachtes
nahm Dora Wolansky, Deckgebirgs-Geologin der WBK, beim Abteufen zwischen
1960 und 1966 auf (
Abb. 1: Lage des Wetterschachts Lohberg 3 des Bergwerks Lohberg/Osterfeld bei Hünxe.
Quelle: Bezirksregierung Köln (www.tim-online.nrw.de/tim-online2/)
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Abb. 2: Gelände des im Jahre 1998 aufgegebenen und verfüllten Wetterschachts Lohberg 3,
Bergwerk Lohberg/Osterfeld bei Hünxe. Aufnahme vom März 2020 (Foto: Ulrich Kaplan)
-
onsbezeichnungen (et al. 2007) dargestellt.
Sie zeigt die typische Entwicklung von glaukonitischen, geröllführenden Sanden
-
-
keit ordnete Wolansky in striatoconcentricus- und
lamarcki-Schichten zu. Eine genauere Differenzierung ist aufgrund fehlender De-
tailinformationen nicht möglich. Das deutlich karbonatreichere Unterconiacium
-
schnitt gibt Wolansky an: „Kalkstein, gestört“. Nach unserer Einschätzung kön-
nen hiermit tektonische Störungen aber auch größere Sedimentumlagerungen
gemeint sein, wie sie im Osten des Beckens kontemporär auftreten. Ihr Top mit
Formation als feinsandiger, toniger Sandmergelstein entwickelt, in den sich
Formation als schluffiger Tonmergelstein entwickelt. Mit einem markanten Fa-
90
zieswechsel folgen den Tonmergelsteinen der Emscher-Formation feinkörnige
Auch wenn ihre Basis je nach fazieller und tektonischer Situation diachron ist,
liegt diese vielfach im oberen Mittelsantonium ( 2007a: 106). Für diese Ein-
stufung spricht das Vorkommen der Inocerame Selenoceramus inaequabilis in
(1967: 110) neu beschrieben und
kommt an der Typuslokalität am Hahnebach bei Gladbeck im Mittelsantonium vor.
Abb. 3: A. Geologische Übersichtskarte des westlichen Münsterländer Kreide-Beckens, Lage
(1995);
B. Münsterländer Kreide-Becken
91
Abb. 4:
nach Wolansky in et al. (1971), stratigraphisch aktualisiert
92
Sphenoceramus pinniformis von Wolansky bestimmt wurde
( 1965: 135), tritt S. inaequabilis in der S.-pinniformis-Zone oder tiefer auf.
(2006: 254) geben eine Übersicht der nordamerikani-
schen und europäischen Reichweiten von Inoceramiden aus dem Santonium. Da-
nach tritt S. pinniformis erstmals im oberen Mittelsantonium auf und reicht bis
in das Obersantonium.
-
gelöst. Wolansky zieht in -
nium mit diesem Fazieswechsel. Dieser korreliert mit einer Omissionsfläche, die
in einer Baustelle der Autobahn A2 bei Gladbeck-Brauck Ende der 1990er Jahre
aufgeschlossen war. Hier wird die Grenze durch eine karbonatreiche und ver-
härtete Lage mit Bohr- und Grabgängen gebildet, die von sandigen und schwach
glaukonitischen Kalkmergelsteinen unterlagert wird. Darüber treten schwach
glaukonitische Mergelsteine auf (
der einzige Aufschluss im Münsterländer Kreide-Becken, in dem die Fossilfüh-
rung um die Mittel-/Obersantonium-Grenze exakt dokumentiert wurde. Die
Basis des Obersantoniums wird mit dem Einsetzen des Crinoiden Uintacrinus so-
cialis definiert ( 1996: 101). Er setzt unmittelbar über der
Omissionsfläche ein, ebenso der Belemnit Goniotheutis westfalicagranulata, der
in NW-Deutschland für das tiefere Obersantonium leitend ist ( &
2000: 35). Leitender Ammonit des Obersantoniums ist Boehmoceras arculus
( & 2000: 111). Erste fragliche Exemplare treten ca. zwei Meter
über der Omissionsfläche auf; gesichert ist sein Vorkommen in der weiter öst-
lich liegenden Baustelle an der A2 bei Gelsenkirchen-Buer, wo er gemeinsam mit
Pseudoschloenbachia sp. wenige Meter höher sicher vorkommt. Sphenoceramus
pinniformis tritt sowohl unter als auch über der Omissionsfläche auf (
gefundene Parapuzosia (P.) leptophylla kommt im Untersantonium von Südeng-
land und Österreich und im Obersantonium von Nordostengland vor (
2019: 35) und ist daher biostratigraphisch indifferent. Abgesehen von den bei-
Schachtabteufung nicht geborgen. Für das Typusgebiet der Osterfeld-Subforma-
tion, die ehemaligen Formsandgruben in Vonderort bei Oberhausen-Osterfeld,
von Goniotheutis granulata eine Einordnung in das höhere Obersantonium an
( 1964a: 188). Gestützt wird diese Einstufung durch Marsupites testudina-
rius bei 1914: 423). Nach (1964a: 117) und (2000: 54) liegt
die Basis der Osterfeld-Subformation (bei „Osterfeld-Sand“, bei
„Osterfeld Schichten“) in den Formsandgruben und im Schacht Franz Haniel II
im oberen Mittelsantonium.
93
Formation im Schacht Franz Haniel II in Bottrop, an der Stadtgrenze zu Ober-
hausen-Königshardt, in das Obersantonium. Zum Belemnitenmaterial aus dem
Grenzbereich von G.-westfalica- und G.-westfalicagranulata-Zone aus den Form-
sandgruben bemerkt er, dass es korrodiert ist und wahrscheinlich stratigraphisch
uneinheitliches Material vermengt wurde ( 1964b: 187). Wir interpretieren
es im Kontext mit dem Fazieswechsel und der an der A2 dokumentierten Omis-
sionsfläche als im Grenzbereich von Mittel-/Obersantonium aufgearbeitet. Den
Top des Oberkreide-Abschnitts im Schachtprofil nimmt die Bottrop-Formation
-
wickelt und liegt stratigraphisch im Untercampanium. Sie wird überlagert von
4. Kalkige Nannofossilien aus dem Fundhorizont
Das Sediment des in dieser Arbeit untersuchten Großammoniten wurde anhand
der darin enthaltenen kalkigen Nannofossilien untersucht. Hierzu wurden zwei
-
cher Vergrößerung auf stratigraphisch leitende Formen durchgesehen. Zur Ein-
Upper Cretaceous) nach (1998) verwendet.
Während das erste Präparat nur wenige, schlecht erhaltene Nannofossilien
enthält, können in der zweiten Probe insgesamt 62 Arten mit überwiegend mode-
auch die stratigraphisch relevanten Formen Gartnerago clarusora (Turonium–
Microrhabdulus undosus (Oberconiacium–Maastrichtium;
Staurolithites imbricatus
Watznaueria quadriradiata
Lithastrinus septenarius (Turonium–Untersantonium) und Arkhangelskiella cym-
biformis (Campanium–Maastrichtium) fehlen, wodurch die Probe der Biozone
UC12 (Mittel- bis Obersantonium) zugeordnet werden kann. Neben diesen stra-
tigraphisch relevanten Formen treten zudem sehr vereinzelt Exemplare von Eif-
fellithus cf. lindiensisOctolithus multiplus
die aus dem Campanium und Maastrichtium von Dänemark, der USA oder Tan-
sanias bekannt sind ( 1998; 2007). Auch wenn das Einsetzen dieser
Arten in der westfälischen Kreide nicht genau bekannt ist, deutet ihr Vorkommen
möglicherweise auf eine Ablagerung von Parapuzosia (Parapuzosia) leptophylla
im höchsten Obersantonium, zeitlich nahe der Santonium/Campanium-Grenze
hin. Einzelne Exemplare von Braarudosphaera africana (Albium–Cenomanium;
Flabellites oblongus Hele-
nea chiastia Radiolithus orbiculatus
94
Zeugrhabdotus xenotus (Unterkreide–Ceno-
-
arbeitet und umgelagert.
Abb. 5: Kalkige Nannofossilien aus der Probe Lohberg-2 (Auswahl). 1: Braarudosphaera
africana (aufgearbeitet). 2: Broinsonia parca expansa. 3: Calciosolenia fossi-
lis. 4: Cretarhabdus conicus. 5: Discorhabdus ignotus. 6: Eiffellithus cf. lindiensis.
7: Ellipsolithus linnertii. 8: Eprolithus floralis. 9: Flabellites oblongus (aufgearbeitet).
10: Gartnerago clarusora. 11: Grantarhabdus coronadventis. 12: Helenea chiastia (auf-
gearbeitet). 13: Kamptnerius magnificus. 14: Micula staurophora. 15–16: Octolithus
multiplus. 17: Radiolithus orbiculatus (aufgearbeitet). 18: Staurolithites imbricatus.
19: Staurolithites minutus. 20: Tranolithus orionatus. 21: Coccosphäre von Watznaueria
sp. 22: Watznaueria barnesiae. 23: Watznaueria quadriradiata. 24: Zeugrhabdotus
biperforatus. 25: Zeugrhabdotus xenotus (aufgearbeitet). 26: Blackites sp.
27–28: Lithraphidites carniolensis. 29: Microrhabdulus undosus. 30–31: Stachel eines
Coccolithen (Seitenansicht), vermutlich von Zeugrhabdotus embergeri.
95
5. Systematik
Gattung und Untergattung Parapuzosia (1913: 363)
Typus-Art: Sonneratia daubreei
designiert durch (1922: 126).
Nach (1996: 78) sehr groß, moderat involut mit flachen bis zu konvexen
Flanken. Frühe Windungen haben Einschnürungen, die früher oder später von
kräftigen Primärrippen mit kurzen Sekundär- oder Schaltrippen auf dem äußeren
Drittel der Flanke abgelöst werden. Die Untergattung P. (Parapuzosia) hat früh ein-
setzende Hauptrippen und deren Makroconche eine unskulptierte Wohnkammer.
Parapuzosia (Parapuzosia) leptophylla (Sharpe, 1857)
1857 Ammonites leptophyllus
non 1933 Parapuzosia leptophylla ;
1979 ?Parapuzosia seppenradensis ();
1995 Parapuzosia (Parapuzosia) leptophylla ();
2017 ?Parapuzosia seppenradensis (); et al. ,
2019 Parapuzosia (Parapuzosia) leptophylla ();
14–16.
Typus: Holotypus, durch Monotypie, ist das Original von
London, aus dem Upper Chalk, Micraster-coranguinum-Zone von Kent, nach
Nannofossil-Beprobungen Mittel- bis Obersantonium, Nannofossilzone UC12
( 2019: 32).
Beschreibung: Der vorliegende Großammonit liegt als Steinkern in einer sandig-
mergeligen Matrix vor, dessen Oberseite bei der Einbettung weitgehend erodiert
dislozierten Teilen besteht, repräsentiert dieses Maß nicht den Originaldurch-
96
-
dungshöhe einige Millimeter größer war. Die Abbildung von (1965) lässt
erkennen, dass der Ammonit in drei Teile fragmentiert (Phragmokon und zwei
Teile der Wohnkammer) geborgen wurde. Die Einzelteile wurden nach der Über-
gabe an die WBK dort verleimt. Die breit verstrichenen Leimnähte markieren die
-
ments und dem adapikalen Ende des Wohnkammerfragments wurde restaurativ
Der Phragmokon hat eine steile, leicht nach außen geneigte Umbilikalwand.
Die Umbilikalkante ist eng gerundet. Die Flanke verläuft abgeflacht konvex und
erreicht ihren höchsten Punkt auf ihrer Mitte. Der Venter ist eng gerundet, der
-
märrippen und auf dem adaperturalen Abschnitt noch zwei Schaltrippen gezählt
werden. Die Rippen setzen an der Umbilikalkante und die Schaltrippen etwas von
der Umbilikalkante abgesetzt ein. Sie verlaufen bis zum ersten Flankendrittel recti-
radiat, biegen auf der mittleren Flanke etwas zurück, auf der äußeren Flanke leicht
nach vorn. Ihr Querschnitt ist fastigat, der Rippenzwischenraum ist leicht konkav
gewölbt. Sie setzen auf der Ventrolateralschulter aus. Der Venter ist unskulptiert.
Abb. 6: Parapuzosia (Parapuzosia) leptophylla, Obersantonium, Haltern-Formation (Osterfeld-
B. Ventralansicht der Wohnkammer
97
Abb. 7: Parapuzosia (Parapuzosia) leptophylla, Obersantonium, Haltern-Formation (Osterfeld-
des Phragmokons und Teile der Wohnkammer. A. künstlich modellierte Rippen zwischen
Phragmokon und Wohnkammer. B. verschmierte Klebemittelnaht
Zum adapikalen Ende des Phragmokons hin werden die Rippen zu breiten Undu-
lationen. Die Wohnkammer ist nur partiell erhalten, ihr apikaler Bereich zerbro-
chen und sonst erodiert. Ihre Umbilikalwand ist leicht gebogen und nach außen
geneigt. Die Umbilikalkante ist breit gerundet. Die Flanke ist flachkonvex, der
Venter gerundet. Die Flanke der Wohnkammer ist abgeflacht und unskulptiert,
Undulationen sind nicht erkennbar.
Diskussion: Das vorliegende Exemplar ist der erste und bislang einzige Nachweis
von P. (P.) leptophylla und zugleich der erste Riesenammonit aus dem Santonium
des Münsterländer Kreide-Beckens. Der voll septate Holotypus ( 2019,
-
gende Stück. Seine steile Umbilikalwand, die enggerundete Umbilikalkante, die
98
Abb. 8: Parapuzosia (Parapuzosia) leptophylla, Obersantonium, Haltern-Formation (Osterfeld-
Wohnkammer, innere Schalenunterseite. A. Muschelschill aus kleinteiligen Schalenfragmenten
von Inoceramiden. B. Spurenfossilien
flachkonvexen Flanken und der gerundete Venter entsprechen dem vorliegen-
den Exemplar, ebenso die auf dem unteren Flankendrittel rectiradiaten und dann
schwach prosiradiaten Rippen, die an der Umbilikalkante ein- und ventrolateral
aussetzen. Auf einem halben Umgang hat der Holotypus 12–13 Rippen, das vor-
(2019,
und dem vorliegenden Exemplar. Es hat 13 schmale Rippen auf einem halben
-
-
geflachte Wohnkammer.
et al. (2017: 175) beschreiben aus dem Obersantonium der nördlichen Kalkalpen
von Gosau, Österreich, einen Großammoniten mit einem größten Durchmesser
Parapuzosia cf. seppenradensis (), den wir als P. (P.)
leptophylla
99
Rippenverlauf ist rectiradiat. (1979: 127) kann drei Entwicklungs-
stadien bei den Rippen beobachten: (1) Auf den innersten Windungen sind sie
schlank und scharf begrenzt, der Rippenzwischenraum ist eben. (2) Dann wer-
den die Rippen breiter und fastigat. Die Rippenzwischenräume sind konkav ge-
Undulationen über. Der letzte Abschnitt ist unskulptiert und flach. Die Rippen-
zahl schwankt von 21 bis 25 pro Umgang. Der Maximalwert tritt im mittleren
Wachstumsabschnitt auf. Die Rippen des vorliegenden Exemplars entsprechen
dem zweiten Entwicklungsstadium mit Übergang zum dritten bei ? Parapuzosia
cf. seppenradensis. Die Rippenzahl im mittleren Entwicklungsstadium und ihre
Entwicklung entsprechen der von P. (P.) leptophylla.
Das vorliegende Exemplar aus dem Wetterschacht Lohberg 3 hat eine größte
besitzt ein Verhältnis von Durchmesser zu Windungshöhe von 2,31, ebenso das
-
-
ten Exemplar betragen die Proportionen 2,1, was einem Durchmesser von etwa
(1979,
-
spräche. (2019: 33) erwähnt nach (1870) ein Exemplar mit „ne-
(1870: 471)
(1933: 48) als
Parapuzosia leptophylla beschriebene und abgebildete Großammonit gehört zu
Mesopuzosia mobergi (, 1894) aus dem Coniacium von Essen, weil
sie deren typisches Merkmale, genauer die bis an die Umbilikalkante reichenden
feinen Primärrippen und die im mittleren Wachstumsstadium sich verringernden
oder aussetzenden eingeschalteten Rippen zeigt ( 1994: 35).
Das Typusmaterial von Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis wurden um-
fassend von
(2016) beschrieb ein weiteres Exemplar aus dem Typusgebiet. Die jüngsten sicht-
baren Innenwindungen des Lectotypus haben 19–20 kräftige und gerade Primär-
rippen und damit deutlich weniger als die 12–13 Primärrippen auf einem halben
Umgang bei den Exemplaren von P. leptophylla vergleichbarer Größe. Die von
P. sep-
penradensis mit einer vergleichbaren Größe zum Holotypus von P. leptophylla
haben feine, kurze Schaltrippen zwischen den weitständigen Primärrippen. Die
Wohnkammer von P. leptophylla ist glatt, die von P. seppenradensis besitzt dage-
gen Undulationen ( 2019: 33).
Die Unterschiede zu Parapuzosia (Parapuzosia) daubreei ( ,
1894), P. (P.) corbarica (, 1894) und P. (P.) linderi (,
1894) diskutiert (2019: 33) in seiner umfassenden Revision von P. (P.)
leptophylla.
100
Vorkommen: Das vorliegende Exemplar stammt aus dem Wetterschacht Loh-
Der Fundhorizont gehört lithostratigraphisch in die Haltern-Formation (Oster-
feld-Subformation) ( 2007b: 106) und biostratigraphisch in das Obersanto-
nium, Boehmoceras-arculus-Zone. Das von (1979: 126, 2017: 175)
beschriebene Exemplar stammt aus dem Untersantonium der nördlichen Kalk-
alpen von Bibereck, Gosau. (2019: 35) beschreibt Funde aus dem Un-
tersantonium von Südengland und dem Obersantonium von Yorkshire, England.
6. Ablagerung und Palökologie
-
emplar zu den bislang größten gefundenen Ammoniten Nordwest-Deutschlands.
Diese sind fast immer komplett erhaltene Steinkerne abgesehen von Beschädi-
gungen an Randbereichen. Exemplare aus zwei oder mehr nebeneinander lie-
genden Fragmenten sind nicht bekannt (vgl.
-
-
staucht liegen. Die Wohnkammer zeigt im Bereich des Mundsaums eine massive
Beschädigung. Die eingebettete rechte Seite blieb erhalten. Die linke, am Mee-
resgrund offen liegende Seite wurde erodiert. Der jetzt offen liegende Phrag-
mokon war zu Lebezeiten von der Wohnkammer überwachsen. Er zeigt keine
Umbilikalnaht. Diese wird bei Großammoniten und ihren Fragmenten gleicher
Größe wie das vorliegende Phragmokon sonst jedoch stets beobachtet (vgl. -
Im adapikalen Abschnitt der Wohnkammer blieb auf der ehemaligen am Mee-
resboden liegende Schaleninnenseite eine Thanatozönose erhalten. Sie besteht
aus klein fragmentierten Schalenprismen inoceramider Muscheln und einer Ich-
nofauna, deren Grabgänge von drei bis fünf Millimeter Breite ein ungeordnetes
Dass Großammoniten in der Regel komplett erhalten blieben, spricht für ein
stabiles und statisch gut austariertes Gehäuse, das auch bei der Einbettung in
das Sediment den mechanischen Beanspruchungen standhielt. Damit das vorlie-
gende Exemplar bei der Ablagerung zerbrach, Hinweise auf prämortale Verlet-
zungen des Gehäuses fehlen, und der oben liegende Teil erodiert wurde, mussten
synsedimentär starke Strömungen und/oder tektonische Aktivitäten mit einher-
gehenden Sedimentumlagerungen geherrscht haben. Dafür sprechen auch die
kleinfragmentierten Prismen von Inoceramenschalen, die in die Wohnkammer
eingeschwemmt wurden. Die Ichnofauna am Boden der Wohnkammer blieb im
Strömungsschatten erhalten, während sie an der Oberseite durch Sedimentum-
101
lagerungen zerstört wurde. Die Schale des Ammoniten hat sich frühdiagenetisch
aufgelöst. Deshalb konnte sich keine Umbilikalnaht erhalten. Diese dynamische
Einbettung passt sehr gut mit den von et al. (2018: 181) beschrie-
benen Ablagerungsbedingungen des Obersantoniums in der südlich gelegenen
Bohrung Oberhausen (4407/1002) überein. Vier Diskordanzen dokumentieren
hier eine flachmarine und durch Meeresspiegelschwankungen kontrollierte Se-
dimentation. Dabei war die Osterfeld-Subformation als Ablagerung des inne-
ren Schelfs südlich der Haltern-Formation vorgelagert ( et al. 2018: 269;
& 2020: 10), die mit ihren reinen Sanden eine küstennahe Bar-
riere bildete ( 1964: 109; 1995: 59; & 2020: 10).
Im Wetterschacht Lohberg 3 wurden keine weiteren Fossilfunde im Obersan-
tonium erwähnt. Doch in den ehemaligen Formsandgruben von Osterfeld führt
die Osterfeld-Subformation in zwei Horizonten eine artenreiche, an flachma-
rine Verhältnisse angepasste Fauna. In ihr dominieren Muscheln und Schnecken
über Echiniden und Brachiopoden. Sonst kommen die Belemniten Goniotheutis
granulata und G. quadrata vor. Ammonoiden sind mit „Ammonites tridorsatus“
und Turrilites acuticostatus (= Eubostrychoceras acuticostatus) sehr selten (
1914: 421–423), wobei die Nennung von G. quadrata nach der von (1964a)
erarbeiteten Gonioteuthis-Evolutionsreihe sehr zweifelhaft ist.
Nach Osten hin verzahnen sich die flachmarinen Ablagerungen der Osterfeld-
Subformation mit der der Recklinghausen-Formation und beide wiederum mit
der Emscher-Formation ( 1995: 47; et al. 2018: 263). Mit ihr erreichte
1995: 59; &
und hatte hier seine größte Wassertiefe. Damit einhergehend kann im Obersan-
tonium von Westen nach Osten eine sukzessive Änderung der Ammonitenfau-
nen beobachtet werden. Von Gelsenkirchen-Beckhausen, Ziegelei Beckhausen,
(2000: 35) als planspirale Ammoniten Tetragonites sp., Pseudoschloenbachia sp.,
Placenticeras costatum, P. luppovi und die heteromorphen Arten Hyphantoceras
sp., Boehmoceras arculus und Scaphites sp. Weiter östlich liegen aus der Kern-
Hauericeras pseudogardeni und Placenticeras sp.
zwei planspirale und mit Boehmoceras cf. arculus und Scaphites fischeri zwei he-
teromorphe Formen vor. Im Bereich der Osning-Vorsenke liegt die Ziegeleigrube
Rehage bei Rietberg-Westerwiehe. Hier ist Hauericeras pseudogardeni der ein-
zige planspirale Ammonit, über den die heteromorphen Pseudoxybeloceras (Pa-
rasolenoceras) wernickei, Glyptoxoceras sp., Baculites sp., Boehmoceras krekeleri,
B. arculus und Scaphites sp. dominieren (
Mit zunehmender Wassertiefe überwiegen heteromorphe über planspirale
Ammoniten, in beckenwärtigen Aufschlüssen wurden keine Parapuzosia nach-
gewiesen. Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis, dessen Lektotypus mit
102
des Münsterländer Kreide-Beckens verbreitet vor. Die Vorkommen beschränken
sich regional und stratigraphisch auf die westliche Bottrop-Formation und die
sich östlich anschließenden Dülmen-Formation und Legden-Subformation (un-
tere Holtwick-Formation) (-
campanen Teil der beckenwärtigen Emscher-Formation ( et al. 2005: 42,
Dülmen-Formation stammen. Alle anderen Exemplare werden selten größer als
Parapuzosia flache, an den inneren Schelf
angrenzende Meeresbereiche.
7. Danksagung
M. Ganzelewski (DBMB) machte den Riesenammoniten für die wissenschaftli-
che Bearbeitung mit nicht geringem technischen Aufwand zugänglich. M. Hiss
(Düsseldorf) unternahm eine kritische Durchsicht des Manuskripts. Wir danken
beiden für ihre Unterstützung. Weiterhin gilt unser Dank Frau Nancy Schuma-
cher vom GeoPark Ruhrgebiet, die durch eine Anfrage bei einem der Autoren (U.
Scheer) den „Stein zur Bearbeitung ins Rollen gebracht“ hat.
8. Literatur
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Anschriften der Verfasser:
Ulrich Kaplan (korrespondierender Autor)
Eichenallee 141 | 33332 Gütersloh
E-Mail: U.K.Kaplan@t-online.de
Tobias Püttmann
Geologischer Dienst Nordrhein-Westfalen
De-Greiff-Straße 195 | 47803 Krefeld
Udo Scheer
(vormals Stiftung Ruhr Museum | Fritz-Schupp-Allee 15 | 45141 Essen)
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