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Laufkäfer (Coleoptera: Carabidae) aus einer Lawinenrinne am Tamischbachturm im österreichischen Nationalpark Gesäuse

Authors:
  • Universalmuseum Joanneum
  • Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung GmbH

Abstract and Figures

Am GEO-Tag der Artenvielfalt 2010 im Nationalpark Gesäuse (Steiermark, Österreich) wurden in einer Lawinenrinne am Südosthang des Tamischbachturms 27 Laufkäferarten nachgewiesen. Mit Leistus montanus und Amara pulpani sind zwei Arten von besonderem faunistischen Interesse. Bei dem offenbar disjunkt verbreiteten L. montanus ist die intraspezifische Taxonomie noch nicht ausreichend geklärt; als Beitrag zur zukünftigen Klärung wird der Penis eines männlichen Exemplares aus dem Untersuchungsgebiet abgebildet. L. montanus ist ein typischer Bewohner von Block-und Schutthalden der montanen bis alpinen Höhenstufe, während es sich bei A. pulpani um eine Besiedlerin von mageren, trockenen Standorten handelt. Geeignete Lebensräume dieser Arten wurden im Gebiet bislang durch die natürliche Prozessdynamik (Lawinenereignisse) geschaffen bzw. gefördert. -------------------------------------------------------------------------------- Ground beetles (Coleoptera: Carabidae) from an avalanche corridor at the Tamischbachturm mountain in the Gesäuse National Park, Austria. Twenty-seven species of Carabidae were recorded during the "GEO-Day of Biodiversity 2010" in the Gesäuse National Park (Styria, Austria) in an southeast exposed avalanche corridor of the Tamischbachturm mountain. From a faunistic point of view, the records of Leistus montanus and Amara pulpani are of particular interest. The in-traspecific taxonomy of L. montanus, a species showing a clearly disjunct distribution, remains uncertain. As a contribution towards future clarification, the penis of a male from the investigation area is depicted. L. montanus is a typical species of screes of montane to alpine levels, whereas A. pulpani inhabits dry, nutrient-poor sites. Suitable habitats for both species were created or improved by the natural dynamic processes (avalanche events) in the area up to now.
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Abhandlungen Zool.-Bot. Ges. Österreich 38, 2012, 137–145
Laufkäfer (Coleoptera: Carabidae)
aus einer Lawinenrinne am Tamischbachturm
im österreichischen Nationalpark Gesäuse
Wolfgang Paill, Jürgen TrauTner & Lando GeiGenmüller
Am GEO-Tag der Artenvielfalt 2010 im Nationalpark Gesäuse (Steiermark, Österreich)
wurden in einer Lawinenrinne am Südosthang des Tamischbachturms 27 Laufkäfer-
arten nachgewiesen. Mit Leistus montanus und Amara pulpani sind zwei Arten von
besonderem faunistischen Interesse. Bei dem offenbar disjunkt verbreiteten L. monta-
nus ist die intraspezische Taxonomie noch nicht ausreichend geklärt; als Beitrag zur
zukünftigen Klärung wird der Penis eines männlichen Exemplares aus dem Unter-
suchungsgebiet abgebildet. L. montanus ist ein typischer Bewohner von Block- und
Schutthalden der montanen bis alpinen Höhenstufe, während es sich bei A. pulpani um
eine Besiedlerin von mageren, trockenen Standorten handelt. Geeignete Lebensräume
dieser Arten wurden im Gebiet bislang durch die natürliche Prozessdynamik (Lawi-
nenereignisse) geschaffen bzw. gefördert.
Paill, W., TrauTn er, J. & GeiGenm üller, l., 2012: Ground beetles (Coleoptera:
Carabidae) from an avalanche corridor at the Tamischbachturm mountain in the
Gesäuse National Park, Austria.
Twenty-seven species of Carabidae were recorded during the “GEO-Day of Biodi-
versity 2010” in the Gesäuse National Park (Styria, Austria) in an southeast exposed
avalanche corridor of the Tamischbachturm mountain. From a faunistic point of view,
the records of Leistus montanus and Amara pulpani are of particular interest. The in-
traspecic taxonomy of L. montanus, a species showing a clearly disjunct distribution,
remains uncertain. As a contribution towards future clarication, the penis of a male
from the investigation area is depicted. L. montanus is a typical species of screes of
montane to alpine levels, whereas A. pulpani inhabits dry, nutrient-poor sites. Suitable
habitats for both species were created or improved by the natural dynamic processes
(avalanche events) in the area up to now.
Keywords: GEO-Tag der Artenvielfalt, Nationalpark Gesäuse, Lawinenrinne, ava-
lanche corridor, Carabidae.
Einleitung und Methode
Die Ennstaler Alpen zählen zu den laufkäferkundlich am intensivsten erforschten Ge-
birgsregionen Österreichs. Ein Großteil der historischen Daten geht auf den berühmten
Tiergeographen Herbert Franz zurück (siehe Franz 1970). Aktuelle Forschungsaktivi-
täten in dieser Region wurden überwiegend vom Erstautor im Rahmen faunistischer In-
ventarisierungen mit naturschutzfachlichen Fragestellungen durchgeführt. Die bisheri-
gen Kenntnisse zur Laufkäferfauna des Tamischbachturms, an dessen Südosthang das
Untersuchungsgebiet liegt, wurden von Paill & PabsT (2009) zusammengefasst. Dabei
erfolgte auch eine Überblicksdarstellung der lauf käferkundlichen Erforschungsgeschich-
te des Gebietes.
Die nun vorgelegten Daten stammen vom GEO-Tag der Artenvielfalt 2010 (28.5.–
29.5.2010) und wurden überwiegend von den Autoren im baumfreien Bereich einer La-
winenrinne (Kalktal) am Südosthang des Tamischbachturms in einer Höhenlage von 620
bis 700 m (Abb. 1) im Rahmen einer mehrstündigen abendlichen Begehung erhoben. Zu-
sätzliche Daten stellten dankenswerter Weise Thomas F
riess
, Herbert W
aGner
(ebenfalls
überwiegend aus baumfreien Bereichen), Christian K
omPosch
(blockverbautes Ennsufer)
sowie Peter h
oraK
(Mischwald) zur Verfügung. Sammeltechnisch standen Handfang
138 Paill W., TrauTner J. & GeiGenm üller l.
durch Wenden von Steinen und Baumstämmen sowie Durchsuchen der bodennahen Ve-
getation sowie akzessorischer Bodenfallenfang im Vordergrund.
Ergebnisse und Diskussion
Arteninventar
Basierend auf 57 gesammelten Individuen konnten 27 Laufkäferarten dokumentiert wer-
den. Sie sind in Tabelle 1 unter Anführung der Fangzahlen aufgelistet und den einzelnen
Untersuchungsräumen zugeordnet. Systematik und Reihung folgen mit wenigen Ausnah-
men müller-moTzFeld (2006).
Es wurden überwiegend weit verbreitete und ungefährdete Vertreter der heimischen Fau-
na registriert. Erwartungsgemäß fehlen trotz klimatisch günstiger Lage aufgrund der in-
neralpinen Lage Bewohner des ausgesprochenen Tieandes. Doch auch Arten der Subal-
pin- bis Alpinstufe konnten nicht gefunden werden, obgleich zeitweise Verdriftung aus
höher gelegenen Bereichen durch extreme Lawinenereignisse möglich erscheint. Ent-
sprechende kälteadaptierte Arten, auch wenn bei diesen eine solche Verdriftung auftritt,
dürften in den untersuchten Bereichen jedoch langfristig keine günstigen Überlebens-
bedingungen vornden.
Abb. 1: Baumfreie Charakteristik der Lawinenrinne am Tamischbachturm (Untersuchungsraum 2)
(Foto: W. Paill). – Fig. 1: Tree-less character formed by periodic avalanche events at the Tamisch-
bachturm (investigation area 2) (Photo: W. Paill).
Lauf käfer (Coleoptera: Carabidae) aus einer Lawinenrinne am Tamischbachturm
im öster reichischen Nationalpark Gesäuse 139
Abb. 2: Carabus intricatus, eine wärmeliebende Laubwaldart (Foto: W. Paill). – FiG. 2: Carabus
intricatus, a thermophilic species inhabiting deciduous forest (Photo: W. Paill).
Abb. 3: Bodenoffene Xerothermstellen sind Lebensraum von Cicindela sylvicola (Foto: J. TrauT-
ner). – Fig. 3: Cicindela sylvicola inhabits sparsely vegetated dry and warm habitats (Photo: J.
TrauTner).
140 Paill W., TrauTn er J. & GeiGenmü ller l.
Neben einigen unspezialisierten Arten setzt sich das Spektrum aus Waldarten (z. B. Ca-
rabus spp., Abax ovalis, Abb. 2), Waldsaumbewohnern (z. B. Harpalus marginellus),
xero- bis xerothermophilen Offenlandbewohnern (z. B. Cicindela sylvicola, Harpalus
honestus, Abb. 3) sowie Schotteruferspezialisten (z. B. Nebria spp., Bembidion tibiale,
Abb. 4) zusammen.
Im Rahmen einer im Vorfeld durchgeführten Untersuchung war Philorhizus notatus (Ste-
phens, 1827) als zusätzliche Art bereits aus dem Kalktal nachgewiesen worden (Paill
& PabsT 20 09).
Abb. 4: Nebria picicornis besiedelt Schotterbänke an Flussufern (Foto: W. Paill). – Fig. 4: Nebria
picicornis lives on gravel banks of rivers (Photo: W. Paill).
Tab. 1: Liste mit Fangzahlen der nachgewiesenen Lauf käfer. – Tab. 1: List of recorded ground bee-
tle species including number of caught individuals.
Untersuchungsraum 1 = offene Bereiche der Lawinenrinne auf 620 bis 700 m Seehöhe; Unter-
suchungsraum 2 = halboffene Bereiche der Lawinenrinne auf 500 bis 620 m Seehöhe; Untersu-
chungsraum 4 = Mischwald und blockverbautes Ufer der Enns am Fuß des Tamischbachturms in
480 bis 550 m Seehöhe.
Untersuchungsraum
Wissenschaftlicher Artname 124
Cicindela sylvicola (deJean, 1822) 1
Carabus intricatus (linné, 1761) 2
Carabus nemoralis (O.F. müller, 176 4) 2
Leistus montanus (sTePhens, 1827) 7
Nebria picicornis (Fabricius, 1801) 1
Lauf käfer (Coleoptera: Carabidae) aus einer Lawinenrinne am Tamischbachturm
im öster reichischen Nationalpark Gesäuse 141
Nebria g yllenhali (schönherr, 1806) 1
Clivina fossor (linné , 1758) 1
Trechus pilisensis csiKi, 1918 3
Tachyta nana (Gyllenhal , 1810) 2
Bembidion tibiale (duFTschmid, 1812) 1
Pterostichus burmeisteri heer, 1838 2
Pterostichus transversalis (duFTschmid, 1812) 1
Molops piceus austriacus GanGlbauer, 1889 1
Abax ovalis (duFTschmid, 1812) 2 1
Abax parallelepipedus (Piller & miTTer Pacher, 1783) 1 4
Abax parallelus (duFTschmi d, 1812) 1
Platynus scrobiculatus (Fabricius, 1801) 3
Synuchus vivalis (illiGer, 1798) 1
Amara convexior sTePhens, 1828 3
Amara curta deJean, 1828 1
Amara nitida sTur m, 1825 1
Amara pulpani KulT, 1949 1
Trichotichnus laevicollis (duFTschmid, 1812) 1 1
Harpalus atratus laTreille, 1804 312
Harpalus honestus (du FTschmid, 1812) 1
Harpalus marginellus Gyllenhal, 1827 2 1
Lebia chlorocephala (J.J. hoFFman n et al., 1803) 1
Faunistische Besonderheiten
Trotz des geringen Sammelaufwandes und des sehr eingeschränkten jahreszeitlichen Be-
arbeitungsfensters konnten im Gebiet zwei sowohl faunistisch wie auch naturschutzfach-
lich bedeutende Arten festgestellt werden. Grundlage für deren Vorkommen (s. u.) und
Fortbestand ist die natürliche Prozessdynamik des Standortes, welche die baumfreien,
bodenoffenen Verhältnisse des durch Katastrophenereignisse (Lawinen) bedingten und
geprägten Sukzessionsstadiums ermöglicht.
Leistus montanus (STePhenS, 1827) – Pechbrauner Bartläufer
Gesammeltes Material (in coll. Paill und coll. TrauTner): 5 ♂, 2 ♀, davon immatur: 3 ♂,
2 ♀.
Leistus montanus (Abb. 5) ist ein west-zentraleuropäisches Faunenelement, das von Ir-
land, Großbritannien und Nordspanien im Westen bis in die Ukraine im Osten verbreitet
ist. Die Vorkommen sind ausgesprochen disjunkt und gaben Anlass, das Taxon in meh-
rere Unterarten zu gliedern, deren taxonomischer Status jedoch nicht ausreichend ge-
klärt ist (a
ssmann
2006). So ist eine sichere Bestimmung unseres Materials mit Hilfe des
Schlüssels von Farkač & Fassati (1999) nicht möglich, obwohl Tiere aus den Ostalpen
in der Literatur übereinstimmend der Unterart rhaeticus Heer, 1837 zugeordnet werden
(z. B. assman n 2006). Als Beitrag zur zukünftigen Klärung der intraspezischen Taxo-
nomie wird der Penis eines männlichen Exemplares aus dem Kalktal abgebildet (Abb. 6).
Unklarheit besteht offenbar auch hinsichtlich der Ausbildung der häutigen Hinterügel
(vgl. FriTze & hanniG 2010). Da dieses Merkmal sowohl von taxonomischer Bedeutung
sein kann, als auch Schlüsse über die Ausbreitungsfähigkeit der Art erlaubt, wurden Ver-
142 Paill W., TrauTner J. & GeiGe nmülle r l.
messungen an einem Teil des aufgesammelten Materials durchgeführt (3 MM, 1 W). Die
dabei festgestellten Maße sind relativ konstant und zeigen 1,2-fache Länge (+/- 0,05) und
1,4-fache Breite (+/- 0,1) in Relation zu den sklerotisierten Elytren (vermessen wurden
jeweils die maximalen Längen bzw. Breiten). Sie bestätigen die von Farkač & Fassati
(1999) für drei neu beschriebene Unterarten dokumentierte makroptere Merkmalsaus-
prägung und liegen in ähnlichen Dimensionen, zumindest hinsichtlich der von den Au-
toren angegebenen relativen Flügelbreiten. Regelmäßig iegende Laufkäfer weisen meist
relative Flügellängen von über 1,3 auf, und gute Flieger zeigen Werte von über 1,5 (vgl.
z. B. drioli 1987). Auch die ermittelten relativen Flügelächen liegen – mit Werten zwi-
schen 1,5 und 2,0 – unterhalb jener in Fensterfallen gefangener Individuen zahlreicher
untersuchter Laufkäferarten (vgl. den boer et al. 1980). Im Hinblick auf eine potenziel-
le Flugfähigkeit spielt bei Laufkäfern zudem die Ausbildung der Flugmuskulatur eine
Rolle. Diese wurde im vorliegenden Fall nicht untersucht.
Dennoch kann bereits auf Basis der Flügelausbildung (s. o.) und der Tatsache, dass kein
einziger direkter oder indirekter Flugnachweis von Leistus montanus in der Literatur
dokumentiert ist, unterstellt werden, dass die Population des Untersuchungsgebietes
aus (zumindest weitgehend) ugunfähigen Individuen besteht und damit ausbreitungs-
schwach ist. Dies nährt die Hypothese, dass die diskontinuierliche Verbreitung von Leis-
tus montanus als Abbild isolierter, reliktärer Populationen zu interpretieren ist.
Als Lebensraum nutzt Leistus montanus überwiegend Block- und Schutthalden von der
montanen bis in die alpine Höhenstufe. Viele in der Literatur dokumentierte Beobach-
tungen (z. B. FriTze & hanniG 2010) weisen darauf hin, dass relativ kühle und feuchte
Kleinbiotope, die in trockenwarme Makro-Biotope eingebettet sind, bevorzugt besiedelt
werden. Auch der eigene – im Vergleich zu vielen bekannten relativ individuenreiche –
Fund stammt aus einer Karbonat-Regschutthalde (Abb. 7), die aufgrund ihrer Tiefgrün-
Abb. 5: Leistus montanus aus dem Kalktal/Tamischbachturm (Foto: W. Paill). – Fig. 5: Leistus
montanus from Kalktal/Tamischbachturm (Photo: W. Paill).
Lauf käfer (Coleoptera: Carabidae) aus einer Lawinenrinne am Tamischbachturm
im öster reichischen Nationalpark Gesäuse 143
digkeit und dem hohen Anteil an wasserspeicherfähigem Feinmaterial einen deutlichen
kleinklimatischen Gradienten zum umgebenen Xerothermbiotop bildet.
Hinsichtlich phänologischer Parameter besteht ebenfalls gute Übereinstimmung der
eigenen mit den in der Literatur dokumentierten Daten. Dies betrifft zum einen das
Aktivitätsmaximum, welches von FriTze & hanniG (2010) basierend auf deutschem
Sammlungsmaterial für den Monat Juni angegeben wird. Zum anderen decken sich
Abb. 6: Äußere Form und
Innensackstrukturen des
Penis eines männlichen
Leistus montanus aus
dem Kalktal/Tamisch-
bachturm (Maßstabsbal-
ken = 0,5 mm). – Fig. 6:
Penis outer shape and in-
ternal structures from a
male Leistus montanus
caught in the Kalktal/
Tamischbachturm (scale
bar = 0.5 mm).
Abb. 7: Karbonat-Regschutthalde im Kalktal/Tamischbachturm als Lebensraum von Leistus mon-
tanus (Foto: W. Paill). – Fig. 7: Dynamic scree as habitat of Leistus montanus in the Kalktal/Ta-
mischbachturm (Photo: W. Paill).
144 Paill W., TrauTn er J. & GeiGenmü ller l.
auch die Erscheinungszeiträume immaturer, d. h. frisch geschlüpfter und nicht gänz-
lich ausgehärteter Individuen. Dies lässt auf Überwinterung im Larvalstadium schlie-
ßen.
Wie im gesamten Areal zeigt Leistus montanus auch innerhalb Österreichs eine diskonti-
nuierliche Verbreitung. Der Schwerpunkt liegt in den Tiroler Zentralalpen, wo eine Reihe
historisch dokumentierter und aktueller Vorkommen besteht (z. B. heiss 1971, Wörndle
1950, Paill unpubl.), während aus dem östlichen Teil der Ostalpen nur sehr vereinzelte
und überwiegend alte Funde vorliegen. Steirische Nachweise wurden vom Zirbitzkogel
in den Seetaler Alpen, von Bösenstein und Stein am Mandl in den Rottenmanner Tauern,
vom Hochreichhart in den Seckauer Alpen (jeweils Zentralalpen) sowie von Sarstein und
Angerkogel im Toten Gebirge und von Schneealpe und Rax in den Mürzsteger Alpen (je-
weils Nordalpen) publiziert (zusammengefasst in Franz 1970). Ein bislang unveröffent-
lichtes Vorkommen vom Erzberg in den Eisenerzer Alpen (Nordalpen) wird ergänzend
mitgeteilt (1 W, 12.10.2000, 47°31´N, 14°55´E, ca. 1000 m, nordexponierte Bergwerks-
Blockhalde, Handfang, leg. C. KomPosch, det. & coll. Paill). Aus den Ennstaler Alpen
wird Leistus montanus hiermit erstmals gemeldet.
Amara pulpani KulT, 1949 – Pulpans Kamelläufer
Gesammeltes Material (in coll. Paill): 1 ♀
Das Verbreitungsgebiet von Amara pulpani ist noch unzureichend bekannt. Nach derzei-
tigem Kenntnisstand kann jedoch von einem zentral-südosteuropäischen Faunenelement
ausgegangen werden (Paill 2003). Das erst Mitte des 20. Jahrhunderts beschriebene Ta-
xon wurde lange Zeit widersprüchlich interpretiert, war von einigen Autoren mit Amara
communis synonymisiert (z. B. h
ieKe
1995), von anderen jedoch als distinkte Art geführt
worden (z. B. Hůrka & růžikova 1999), bis Paill (2003) den Artstatus anhand umfang-
reichen Materials untermauern konnte. Die Bedeutung der dabei als differenzialdiagnos-
tische Merkmale klassizierten relativen Maße der häutigen Hinterügel kann anhand
des aktuell gefundenen Exemplares bestätigt werden. So entsprechen der Quotient aus
Flügelbreite und Flügeldeckenbreite mit einem Wert von 1,2 und der Quotient aus Flü-
gellänge und Flügeldeckenlänge mit einem Wert von 1,0 exakt den von Paill (2003) und
Paill & holzer (2003) ermittelten Merkmalsausprägungen. Darauf basierend wird ver-
mutet, dass die Art (zumindest in den Ostalpen) keine Flugfähigkeit besitzt und daher
nur sehr beschränkt ausbreitungsfähig ist.
Hinsichtlich der Lebensraumumstände des Fundes aus dem Kalktal, der in einem von
Felsen durchsetzten Magerrasen erfolgte, besteht gute Übereinstimmung mit dem bis-
her im zentralen Mitteleuropa dokumentierten ökologischen Verhalten der Art. So bevor-
zugt Amara pulpani trockenwarme, skelettbodenreiche Standorte mit hohem Anteil an
vegetationsfreien Stellen, kann jedoch in recht unterschiedlichen Makro-Lebensräumen
wie Magerrasen, Schutthalden, Waldsteppen oder an Waldrändern vorkommen. Liegt
der Schwerpunkt der Vertikalverbreitung in der montan-subalpinen Stufe, so wurde die
Art zuletzt auch auf einem Dünenstandort an der ostdeutschen Küste gefunden (schmidT
2004).
Aus der Steiermark lagen bisher lediglich zwei Funde von Amara pulpani vor, vom
Kamm des Remschnigg bei Arnfels und aus Schönauberg bei Pöllau (Paill & holzer
2003); der nunmehr dokumentierte Fund ist der dritte Nachweis für das Bundesland.
Lauf käfer (Coleoptera: Carabidae) aus einer Lawinenrinne am Tamischbachturm
im öster reichischen Nationalpark Gesäuse 145
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Anschrift:
Mag. Wolfgang Paill, Universalmuseum Joanneum, Studienzentrum Naturkun-
de, Abteilung Zoologie, Weinzöttlstraße 16, A-8045 Graz. E-Mail: wolfgang.paill@
museum-joanneum.at bzw. Ökoteam – Institut für Tierökologie und Naturraumplanung,
Bergmanngasse 22, A-8010 Graz.
Jürgen TrauTner, Lando GeiGenmüller, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung,
Johann-Strauß-Straße 22, D-70794 Filderstadt. E-Mail: info@tieroekologie.de.
Book
Full-text available
Laufkäfer besiedeln nahezu alle Landlebensräume. Sie sind eine der artenreichsten Käferfamilien der Welt, in Deutschland mit über 560 Arten und in Baden-Württemberg mit 429 Arten vertreten. In diesem Werk werden alle Arten Baden-Württembergs mit Fotos und Verbreitungskarten vorgestellt. Im Fokus stehen naturräumliche Verbreitung, Lebensraumansprüche, Gefährdung und notwendige Schutzmaßnahmen. Zahlreiche Fotos zeigen darüber hinaus typische Lebensräume. Das Werk basiert auf einer sehr großen Datenbasis aus mehreren Jahrzehnten. Im Buch werden Schwerpunkte für Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen gezeigt. Daher stellt es auch für Naturschutz und Landschaftsplanung eine wichtige Grundlage dar. -------------------------------------------------------------------------Ground beetles colonize almost all terrestrial habitats. They are one of the most species-rich beetle families in the world, represented in Germany with over 560 species and in Baden-Württemberg with 429 species. In this work all species of Baden-Württemberg are presented with photos and distribution maps. The focus is on natural distribution, habitat requirements, endangerment and necessary protection measures. Numerous photos also show typical habitats. The work is based on a very large database from several decades. The book shows focal points for protection and development measures. Therefore, it is also an important basis for nature conservation and landscape planning.
Article
Full-text available
Biodiversity in the Gesäuse National Park-A zoological cross-taxon analysis. The Gesäuse National Park is amongst the best investigated areas in Styria and Austria. For the evertebrate groups harvestmen, spiders, ground beetles, beetles diversa, true bugs, leaf-and planthoppers and land snails 1,650 species are documented in 18,765 zoological records (detailing around 76,000 specimens) of 1,900 sample sites inside and in the close surroundings of the protected area. The dataset consists of records from historic sources as well as of our research results from the past 20 years. Overall, the recorded taxonomic diversity comprises 18.1 % threatened species, where most threatened species were found in low and high altitudes and least in middle altitude classes. Maximum numbers of threatened species were observed in the Enns River valley, amounting to about 25 % of all recorded species. Most datapoints were recorded around an altitude of 1,500 m. The average number of datapoints per species is highest for harvestmen, with 36.6 single datapoints per species. Almost all taxa show a higher species diversity in low to middle altitude classes compared to higher altitudes. Only land snails are relatively constant in their species diversity over altitude. High total species numbers were documented from the Kölblalm (349 species), the Kalktal (189) and the lower parts of the Hartelsgraben (157). We identify blank spots in the National Park's map of faunistical research that pertain to the altitudinal classes of 800 m and 1,300 m. Coenoses from the soil stratum and leaf litter, tree trunks and canopy have so far been very little researched as well. The Gesäuse National Park is an important outdoor-laboratory, where biological processes can be observed, questions concerning biodiversity, ecology and nature conservation can be formed and potential answers can be searched for and found. Zusammenfassung: Der Nationalpark Gesäuse ist hinsichtlich der vorliegenden Datenbasis zur wirbellosen Tierwelt einer der am besten untersuchten Landschafts-teile der Steiermark und Österreichs. Für die Tiergruppen Weberknechte, Spinnen, Laufkäfer, Käfer diversa, Wanzen, Zikaden und Schnecken mit insgesamt 1.650 Arten liegen gegenwärtig 18.765 zoologische Datensätze (rund 76.000 Individuen) von etwa 1.900 Fundpunkten aus dem Nationalpark und seiner unmittelbaren Umgebung vor. Sie rekrutieren sich sowohl aus historischen Quellen als auch aus den aktuellen Forschungsarbeiten der letzten 20 Jahre. Sie werden in Hinblick auf die räumliche Verteilung der Artendiversität und auf mögliche "weiße Flecken" der faunistischen Forschung im Schutzgebiet analysiert. Der Anteil an Rote-Liste-Arten beträgt insgesamt 18,1 %. Hohe Anteile gefährdeter Arten sind in tiefen und hohen Lagen zu finden, die geringsten relativen Werte wurden für die mittleren Lagen dokumentiert. Maximalwerte mit mehr als 25 % gefährdeter Arten wurden für den Talraum der Enns festgestellt. Aus Höhen um 1.500 m liegen absolut gesehen besonders viele Datensätze vor. Der Erforschungsgrad der einzelnen Tiergruppen spiegelt sich vor allem in der Anzahl an Datensätzen pro Art wieder. Bei dieser Auswertung liegt die artenärmere und gut bearbeitete Tiergruppe Weberknechte mit durchschnittlich 36,6 Datensätzen pro Spezies an der Spitze. In fast allen Tiergruppen ist die Anzahl nachgewiesener Arten in den Mittel-und Tallagen höher als in den in den Hochlagen. Für Landschnecken wurden hingegen für alle Seehöhe-Klassen konstante Artenzahlen dokumentiert. Die meisten Tierarten sind von der Kölblalm mit 349 Arten bekannt. Danach folgen die Lawinenrinne im Kalktal mit 189 und der untere Grabenabschnitt des Hartelsgraben mit 157 Arten. Komposch C. et al. 2021 Entomologica Austriaca 28: 57-105 58 Die taxaübergreifende Analyse der Höhenstufen zeigt ein Datenloch bei jeweils 800 m und 1.300 m Seehöhe. Hinsichtlich der bearbeiteten Straten bestehen Da-tendefizite für die Besiedler der Streuschicht, Bodenschicht, Baumstämme und Baumkronen. Der Nationalpark Gesäuse kann als bedeutendes Freiland-Laboratorium bezeichnet werden, in dem biologische Prozesse beobachtet und Antworten auf Fragen zu Biodiversität, Ökologie und Naturschutz gesucht und gefunden werden können.
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Based on extensive material from the Eastern Alps, the taxonomic position of Amara pulpani Kult, 1949, formerly often discussed and mostly considered synonymous with Amara communis (Panzer, 1797), is investigated. Based on morphological and ecological features the two taxa are considered to represent distinct species. The distribution of A. pulpani, recorded from Austria, Italy, Slovenia and Croatia for the first time, is shown. The following nomenclatural decisions are made; Amara communis var. alpicola Heer, 1837 = nomen dubium (contra Hieke, 1995); Amara communis var. aenea Heer, 1837 = Amara nitida Sturm, 1825, nov. syn. (contra Hieke, 1995).
Tipi e tempi di sviluppo dei Coleotteri Geoadefagi presenti sul basso Carso Triestino
drioli G., 1987: Tipi e tempi di sviluppo dei Coleotteri Geoadefagi presenti sul basso Carso Triestino. Tip. Adriatica, Trieste, 125 pp.
Die Nordost-Alpen im Spiegel ihrer Landtierwelt. Eine Gebietsmonographie. Band III, Coleoptera 1. Teil
  • H Franz
Franz H., 1970: Die Nordost-Alpen im Spiegel ihrer Landtierwelt. Eine Gebietsmonographie. Band III, Coleoptera 1. Teil. Wagner, Innsbruck, 501 pp.
Bd. 2 Adephaga 1: Carabidae (Laufkäfer)
  • G Müller-Motzfeld
müller-moTzFeld G., 2006: Bd. 2 Adephaga 1: Carabidae (Laufkäfer). In: Freude h., harde K.W., lohse G.a. & KlausniTzer B., (Begr.): Die Käfer Mitteleuropas. Spektrum, Heidelberg/ Berlin, 521 pp.
Endemische Laufkäfer (Coleoptera: Carabidae) am Tamischbachturm
  • W Paill
  • L Pabst
Paill W. & PabsT L., 2009: Endemische Laufkäfer (Coleoptera: Carabidae) am Tamischbachturm. In: Kreiner d. & zechner L., (Red.): Der Johnsbach. Schriften des Nationalparks Gesäuse 4, 187-198.
Amara pulpani Kult, 1949 und Amara nitida Sturm, 1825 (Col., Carabidae) kommen auch an der deutschen Ostseeküste vor
  • J Schmidt
schmidT, J., 2004: Amara pulpani Kult, 1949 und Amara nitida Sturm, 1825 (Col., Carabidae) kommen auch an der deutschen Ostseeküste vor. Entomologische Nachrichten und Berichte 48, 43-45.
A-8045 Graz. E-Mail: wolfgang.paill@ museum-joanneum.at bzw. Ökoteam -Institut für Tierökologie und Naturraumplanung
  • A Wörndle
Wörndle A., 1950: Die Käfer von Nordtirol. Schlern-Schriften 64, 388 pp. Anschrift: Mag. Wolfgang Paill, Universalmuseum Joanneum, Studienzentrum Naturkunde, Abteilung Zoologie, Weinzöttlstraße 16, A-8045 Graz. E-Mail: wolfgang.paill@ museum-joanneum.at bzw. Ökoteam -Institut für Tierökologie und Naturraumplanung, Bergmanngasse 22, A-8010 Graz.