Der Maturaufsatz steht in einem Kontrast zu schreibdidaktischen Entwicklungen, die Prozessorientierung, Feedback und materialgestütztes Schreiben in den Vordergrund stellen. Er ist, so eine naheliegende These, ist nicht der Kern des Deutschunterrichts, sondern ein vorgeschriebenes Format, das überholte Schreibpraktiken vorgibt und damit Schreibaufgaben prägt, die nicht mehr dem aktuellen Stand
... [Show full abstract] der Deutschdidaktik entsprechen. Schülerinnen und Schüler schreiben also nicht einen Maturaufsatz, weil sie damit ihr Können und ihre Auseinandersetzung mit Themen demonstrieren können. Vielmehr müssen sie das Schreiben von Aufsätzen im Unterricht üben, um diese abschliessende Schreibaufgabe bewältigen zu können. Stimmt man dieser These zu, dann kann der Maturaufsatz als Auslaufmodell bezeichnet werden. Die Prüfungsrealität löst nicht das ein, was das Ideal verspricht. Die folgenden Abschnitte prüfen diesen Schluss anhand von drei Aspekten: In einem ersten Abschnitt erfolgt eine Analyse der Aufgabenstellungen für die Maturaufsätze, verbunden mit einer Diskussion von Entwicklungen und Veränderungen. Daran soll erkennbar werden, welche Leistung die Geprüften eigentlich erbringen sollen und welche Bedeutung diese in Bezug auf Bildung und Gesellschaft hat. In einem zweiten Teil werden die Herausforderungen beschrieben, welche die Digitalisierung des Prüfungssettings durch BYOD (Bring Your Own Device) und KI-Schreibtools für den Maturaufsatz darstellen. Ein dritter Teil wirft einen Blick auf die Beurteilungspraxis und die damit verbundenen Probleme. Als Fazit werden Alternativen zum aktuellen Prüfungsmodus aufgezeigt – verbunden mit einem Plädoyer für einen persönlichen Maturaufsatz.