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Multiperspektivische Reflexion als dynamisierender Prozess zur Förderung von Professionalität

Authors:

Abstract

Professionalität von Lehrpersonen zeichnet sich durch erworbene Expertise aus, wobei insbesondre eine adaptive Expertise eine auf situationsspezifische Anforderungen ausgerichtete Bewältigung von Anforderungen ermöglicht. Der Beitrag zeigt theoriegestützt auf, dass eine adaptive Expertise über die Auseinandersetzung mit herausfordernden Situationen aufgebaut wird und dass unterschiedliche Komponenten der individuellen Ressourcen dabei von Bedeutung sind. Darauf aufbauend wird die Arbeit mit einem auf diese Komponenten ausgerichteten Reflexionsinstrument vorgestellt, mit welchem eine subjektiv wahrgenommene Situation analysiert wird, um an die unterschiedlichen Komponenten anknüpfend neue Sichtweisen und Lösungsmöglichkeiten abzuleiten.
journal für lehrerInnenbildung
jlb
no.1
2021
Mythos Reexion
Bibliograe:
Manuela Keller-Schneider:
Mulperspekvische Reexion
als dynamisierender Prozess
zur Förderung von Professionalität.
journal für lehrerInnenbildung, 21 (1), 66-75.
hps://doi.org/10.35468/jlb-01-2021-06
Gesamtausgabe online unter:
hp://www.jlb-journallehrerinnenbildung.net
hps://doi.org/10.35468/jlb-01-2021
ISSN 2629-4982
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als dynamisierender Prozess zur
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Professionalität von Lehrpersonen zeichnet sich durch erworbene
Experse aus, wobei insbesondre eine adapve Experse eine auf
situaonsspezische Anforderungen ausgerichtete Bewälgung von
Anforderungen ermöglicht. Der Beitrag zeigt theoriegestützt auf, dass
eine adapve Experse über die Auseinandersetzung mit herausfor-
dernden Situaonen aufgebaut wird und dass unterschiedliche Kom-
ponenten der individuellen Ressourcen dabei von Bedeutung sind.
Darauf auauend wird die Arbeit mit einem auf diese Komponenten
ausgerichteten Reexionsinstrument vorgestellt, mit welchem eine
subjekv wahrgenommene Situaon analysiert wird, um an die un-
terschiedlichen Komponenten anknüpfend neue Sichtweisen und Lö-
sungsmöglichkeiten abzuleiten.
Auau von Erkenntnissen
über die Reexion von Erfahrung
Reexion fokussiert auf Gedanken und Handlungen, Prozesse und
Veränderungen, konzeptuelle Rahmungen sowie auf sich selbst
(Nguyen, Fernandez, Karsen & Charlin, 2014) und geht damit über
Selbstwahrnehmung sowie Selbstaufmerksamkeit hinaus. Im Beruf
von Lehrpersonen ist Reexion unabdingbar (Helsper, 2001), um der
Konngenz pädagogischen Handelns zu begegnen (Combe, Paseka &
Keller-Schneider, 2018). Die Fähigkeit, Ungewissheit als Herausforde-
rung anzunehmen, soll bereits im Studium erworben werden (Keller-
Schneider, 2018a; Korthagen, 2014), um sich auf die Ungewissheit be-
ruichen Handelns vorzubereiten. Da Wissen nicht direkt in Handlung
überführt werden kann (Mandl & Gerstenmaier, 2000), sondern als re-
econ in acon (Schön, 1983) ein Abwägen von Handlungsoponen
und situav bedingter Entscheidungen erfordert (Blömeke, Gustafs-
son, Shavelson, 2015), stellt die Förderung von Reexionskompetenz
als reecon on acon (Schön, 1983) eine zentrale Anforderung in der
Lehrpersonenbildung dar.
In spezischen Situaonen erforderliche Handlungsentscheidungen
werden von kogniven und emoonal-movaonalen Ressourcen so-
wie von Wahrnehmungs- und Deutungsprozessen mitbesmmt (Blö-
meke et al., 2015; Keller-Schneider, 2020a). Sie prägen die Art und
Weise der Bewälgung von Anforderungen und damit auch die daraus
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hervorgehenden Erfahrungen und Erkenntnisse mit, die als subjek-
ves Wissen (Neuweg, 2014) in die individuellen Ressourcen integriert
werden und diese nicht nur erweitern, sondern auch transformieren
(Dreyfus & Dreyfus, 1986; Berliner, 2001).
Professionalisierung als konnuierlicher Prozess erfolgt in der Ausei-
nandersetzung mit sich stellenden Anforderungen, der Reexion von
Erfahrungen und der Integraon von daraus hervorgehenden Erkennt-
nissen. Erfahrung und deren Reexion werden damit zur Ressource
für die Gewinnung von Erkenntnissen. Über die Bildung von Synergien
(chunks, Gruber & Degner, 2016) ermöglicht Professionalisierung eine
Redukon der Komplexität situaver Anforderungen, sowie adapve
Experse (Tartwijk, Zwart & Wubbels, 2017) und den Auau einer be-
ruichen Identät (Cherrington, 2017). Adapve Experse zeigt sich
im Handeln und ermöglicht, relevante Faktoren zu erkennen und das
eigene Handeln auf die Situaon auszurichten, worin sie sich von rou-
nierter Experse unterscheidet (Tartwijk et al., 2017).
Die Reexion von situav sich stellenden Herausforderungen ermög-
licht ein auf die Situaon ausgerichtetes, d. h. adapves Handeln.
Doch situav sich stellende Anforderungen werden individuell ver-
schieden wahrgenommen, bedingt durch die individuell geprägten
Ressourcen, die aus Erfahrungen und Erkenntnisse hervorgehen.
Die subjekv geprägte Wahrnehmung und Deutung von Situaonen
und die daraus hervorgehenden individuell gewichteten Anforde-
rungen sind für Professionalisierungsprozesse zentral, wobei damit
deutlich wird, dass auch Professionalisierungsprozesse interindividu-
ell dierent verlaufen. Dies wird im folgenden Abschni stress- und
ressourcen theoresch begründet.
Wahrnehmung und Deutung von Anforderungen
miels individueller Ressourcen
Stresstheoreschen Ansätzen folgend (Lazarus & Folkman, 1984)
werden Anforderungen unbewusst nach ihrer Bedeutsamkeit und Be-
wälgbarkeit eingeschätzt, wobei mehrere Komponenten der indivi-
duellen Ressourcen und ihr Zusammenwirken dabei von Bedeutung
sind (Keller-Schneider, 2020a). Als Herausforderungen angenommene
Anforderungen werden bearbeitet und führen zu neuen Erfahrungen
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und Erkenntnissen, welche, in die individuellen Ressourcen integriert,
diese transformieren (Gruber & Degner, 2016). Als Überforderung
wahrgenommene Anforderungen können sich in der Vermeidung von
Herausforderungen zeigen und zu einer Resistenz Veränderungen ge-
genüber führen (Tartwijk et al., 2017), wodurch Professionalisierungs-
prozesse eingeschränkt werden. Subjekv geprägte Überzeugungen
lenken die Wahrnehmung und Bearbeitung von Anforderungen und
können vor Überforderungen schützen, schränken damit über Ver-
meidung der Auseinandersetzung mit Anforderungen die Entwicklung
einer adapven Experse ein (vgl. Beispiel unten). Die Bereitscha,
Anforderungen als Herausforderungen anzunehmen und sich mit die-
sen auseinanderzusetzen, ermöglicht weiterführende Erkenntnisse.
In der Reexion von subjekv bedeutsamen Erfahrungen können Er-
kenntnisse gewonnen und unbewusst ablaufende, von Überzeugun-
gen geprägte Prozesse sichtbar und für die weitere Professionalisie-
rung nutzbar gemacht werden.
Der stresstheoresch hergeleitete Wahrnehmungsprozess wird von
mehreren Komponenten der individuellen Ressourcen geprägt. Ge-
stützt auf kompetenz- und ressourcentheoresche Ansätze (Blömeke
et al., 2015; Keller-Schneider, 2020a) kommen in der Wahrnehmung
und Deutung von Situaonen nicht nur Überzeugungen, sondern auch
weitere individuelle Ressourcen zum Tragen. Wissen und Können so-
wie ein posives Konzept eigener Fähigkeiten stellen Voraussetzun-
gen für die Bearbeitung und Bewälgung von Anforderungen dar.
Überzeugungen rahmen die Wahrnehmung und besmmen damit
mit, was in den Blick genommen wird und was als nicht relevant oder
nicht bewälgbar ausgeklammert wird. Move und Ziele wirken als
dynamisierende Komponenten auf die Bereitscha und Intensität der
Auseinandersetzung. Selbstregulaonsfähigkeiten regulieren einzu-
setzende und zu schützende Ressourcen. Emoonen färben die wahr-
genommene Situaon aekv.
Diese im theoriegestützt hergeleiteten Modell der Entwicklung päd-
agogischer Professionalität hergeleiteten individuellen Ressourcen
(Keller-Schneider, 2020a) tragen in ihrem Zusammenwirken zur Wahr-
nehmung und Deutung sowie zum Umgang mit situav sich stellen-
den Anforderungen bei und prägen damit das beruiche Handeln
sowie über daraus hervorgehende Erkenntnisse die weitere Profes-
sionalisierung. Eine Reexion von Situaonen und Erfahrungen aus
den Perspekven dieser Zugänge kann zu einem dierenzierten und
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faceenreichen Verständnis einer Situaon führen, eigene Handlun-
gen nach ihrer Angemessenheit durchleuchten sowie weitere Hand-
lungsoponen erönen. Diese Komponenten stellen die Eckpfeiler im
nun vorgestellten Reexionsinstrument dar.
Ein mehrperspekvisches Reexionsinstrument
Das professionalisierungstheoresch begründete Reexionsinstru-
ment stellt individuell erlebte, d. h. reale und für das Subjekt bedeut-
same Situaonen ins Zentrum und beleuchtet diese aus der Perspek-
ve der unterschiedlichen Komponenten der individuellen Ressourcen,
welche die Wahrnehmung, Deutung und Bearbeitung von Situaonen
mitbesmmen (Keller-Schneider, 2020b). Leiragen (Abb. 1) erläutern
den Fokus der jeweiligen Betrachtungsweise und dienen als Impulse
zur Exploraon der einzelnen Zugänge.
Abb. 1 Theorieg
Fachdidaktisches Wissen
Was wissen Sie aus fachdidaktischer
Perspektive?
Welche Hürden und Schwierigkeiten
gehen von der Sache aus?
Über welches Vorwissen könnten die
Schüler/-innen verfügen?
Wie kann dieses aktiviert und
modifiziert werden? ...
Emotionen
Was empfinden Sie?
Pädagogisch-
psychologisches Wissen
Was wissen Sie aus einer
fachunabhängigen und
fachübergreifenden
Perspektive betrachtet?
Über welches pädagogische,
psychologische und allgemein
didaktische Wissen verfügen Sie? ...
-
t
-
- -
. -
i
Überzeugungen
Wie Lernen Schüler/innen?
Was brauchen sie dazu?
Was kann eine Lehrperson beitragen?
Was ist guter Unterricht?
Was funktioniert?
...
Ziele und Motive
Was ist Ihnen wichtig?
Was möchten Sie erreichen?
Was möchten Sie sicher stellen?
Was möchten Sie ermöglichen?
...
Selbstregulation, Bereitschaft
Was möchten Sie tun,
um dies zu erreichen?
Wieviel Engagement erwarten Sie
von sich?
Woran erkennen sie, dass es sich lohnt?
Was muss sich zeigen,
damit Sie dran bleiben?
...
Fachwissen
Was wissen Sie über die Sache?
...
Situation
Beschreibung einer konkreten Begebenheit Was freut, ärgert, belastet?
estützt entwickeltes Reexionsinstrument zur Analyse alltäglicher
Schulsituaonen (Keller-Schneider, 2020a, S. 420).
Das Reexionsinstrument kann von (angehenden) Lehrpersonen in
einer Regie oder in supervisorisch angelegten Gruppensitzungen
genutzt werden. Der erste Teil der Arbeit erfolgt in Einzelarbeit, der
zweite als Gruppengespräch.
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Einzelarbeit: (1) Eine bedeutsame Situaon wird beschrieben, wobei auf
die Trennung zwischen Beobachtungen und eigenen Gedanken geach-
tet werden soll (vgl. Keller-Schneider, 2018b, S. 86.). (2) Die beschrie-
bene Situaon wird anhand der Leiragen (Abb. 1) analysiert. (3) Die
unterschiedlichen Aussagen werden zueinander in Beziehung gesetzt
und nach Übereinsmmungen und Widersprüchlichkeiten untersucht.
Gruppengespräch: (4) Eine Person stellt ihre Situaon und ihre Ge-
danken dazu vor (Keller-Schneider, 2018b, S. 318f.). Die Gruppen-
mitglieder hören zu; bei Bedarf können Rückfragen gestellt werden
(5). Anschließend bringen die Gruppenmitglieder weitere Deutungs-
möglichkeiten und ihre Sichtweisen ein. Diese werden zueinander in
Beziehung gesetzt (6), wobei auf Übereinsmmungen und Synergien
sowie auf Widersprüchlichkeiten geachtet wird. Aus den herausgear-
beiteten Widersprüchlichkeiten werden Handlungsoponen und Ent-
wicklungsmöglichkeiten abgleitet (7), welche die präsenerende Per-
son abschließend gewichtet (8). Danach wird eine nächste Situaon
bearbeitet (Schrie 4 bis 8).
Bei größeren Gruppen kann nach einer oder nach zwei gemeinsamen
Besprechungen die Arbeit in Zweier- oder Dreiergruppen erfolgen.
Als Abschluss der Sitzung (9) themasieren alle Teilnehmenden, was sie
zum Weiterdenken angeregt hat und welche Impulse sie mitnehmen.
Ein konkretes Beispiel
Wie Widersprüchlichkeiten zwischen unterschiedlichen Sichtweisen
Entwicklungen anregen, wird anhand der Analyse einer Lehrperson
gezeigt (Abb. 2).
Erläuterungen der Lehrerin:
Ich war mit der Stunde sehr zufrieden, merkte zwar, dass ich die Erwar-
tung, dass die Schüler*innen zehn Minuten allein arbeiten sollen, zu hoch
gesteckt hae. Eigentlich wusste ich, dass Zweitklässler nicht ruhig arbei-
ten können. Doch ich erinnere mich, in der Ausbildung gelernt zu haben,
dass es für das Lernen sehr sinnvoll sei, wenn sie zuerst allein arbeiten
und sich erst in einem zweiten Schri austauschen. Dass die Schulleiterin
dabei Ruhe erwartete, war mir nicht bewusst, denn ich bin eigentlich der
Meinung, dass dies nicht geht. Doch nun muss ich etwas ändern. Kann ich
denn von Kindern ein anderes Verhalten erwarten? Doch eigentlich weiß
ich nicht, wie ich das machen kann. Ich traue mir das auch nicht zu.
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Abb. 2 Ana
-
t
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- -
. -
i
Überzeugungen
• Zusammenarbeit unterstützt
das Lernen.
• Zweitklässler können nicht ruhig
arbeiten.
• Solange sie arbeiten, kommt es nicht
darauf an wie laut es ist.
• Wenn ich Ruhe durchsetzen
will, dann wird die
Stimmung schlecht.
Ziele und Motive
• Ich möchte, dass die Schüler/innen arbeiten
und dass eine zufriedene Stimmung herrscht.
Selbstregulation
• Es ist mir nicht wert, Ruhe einzufordern,
da ich eine solche sowieso nicht
durchsetzen kann.
• Es genügt, wenn die Schüler/innen auch
nur eine kurze Zeit ruhig arbeiten.
Pädagogisch-
psychologisches Wissen
• In Einzelarbeit erproben die
Schüler/innen, was sie verstanden haben
• Partnerarbeit ist sinnvoll, um
Ergebnisse zu korrigieren und
Unklarheiten zu besprechen
• Die Aufmerksamkeitsspanne von
Zweitklässlern ist nicht sehr groß.
Fachwissen
Ich selber weiß, was Nomen sind und
erkenne diese in Texten, d.h. ich verfüge
über die fachlichen Kenntnisse
Fachdidaktisches Wissen
• Nomen in einem Text erkennen ist
ein sinnvoller erster Schritt, weil damit
eingeübt wird, dass Nomen groß
geschrieben werden.
• Partnerarbeiten ermöglichen,
die Sache gemeinsam zu klären
Situation: Nomen erkennen es ist laut
Nach einer Einführung in die Thematik ‚Nomen in einem Text erkennen‘ arbeiten
die Schüler/innen daran, in einem Text Nomen zu markieren. In den ersten 10 Minuten sollen
sie das allein tun und anschließend zu zweit ihre Ergebnisse besprechen. Zu Beginn sitzen die
Schüler/innen an ihren Plätzen und arbeiten. Doch schon nach sehr kurzer Zeit, beginnen einige
nach rechts und nach links zu schwatzen. Einige gehen im Zimmer umher, es wird immer lauter,
doch es wird auch gearbeitet, jedoch nicht den Anweisungen entsprechend. Ich lasse sie
gewähren, denn ich denke, sie tun ja etwas und von Zweitklässlern kann man kein
leises Arbeiten erwarten. Die Schulleiterin war jedoch
gar nicht zufrieden.
Emotionen
Ich bin zufrieden,
da irgendwie
gearbeitet wird.
Emotionen
Die SL sagte, es sei
zu laut. Nun fühle
ich mich unsicher.
lyse einer konkreten Situaon (Keller-Schneider, 2018b, S. 47).
Aus den Ausführungen der Lehrerin geht hervor, dass sie ursprünglich
mit dem Verlauf dieser Sequenz und dem eingespielten Arbeitsmo-
dus der Klasse zufrieden war. Durch die Rückmeldung der Schulleitung
wurde ihre Sicht irriert, eine Verunsicherung stellte sich ein. Ihre
Überzeugung (Zweitklässler können nicht ruhiger arbeiten), welche
als Rahmung die Deutung der Arbeitsweise prägte (es ist laut, aber
das ist normal bei Zweitklässlern), wurde von der Schulleitung in Fra-
ge gestellt. Durch ihre Forderung nach einer Veränderung wurde der
Lehrerin klar, dass ihre Sichtweise nicht adäquat ist, dass sie aber nicht
weiß, wie sie das ändern kann.
Aus der Analyse geht hervor, dass die Überzeugungen der Schullei-
terin und der Lehrperson widersprüchlich sind. Was die Schulleite-
rin als zu laut deutet, entspricht aus der Sicht der Lehrerin dem, was
von Zweitklässlern erwartet werden kann. Ihre Hinweise im Feld der
Selbstregulaon verweisen darauf, dass sie für das Lenken des Lärm-
pegels wenig Energie verwendet. Ihre Überzeugung, dass leises Ar-
beiten nicht möglich sei, unterstützt sie darin. Ihr ist eine gute Sm-
mung in der Klasse wichg (Ziele) und dass die Smmung nicht durch
Intervenonen der Lehrerin beeinträchgt werden (Überzeugung).
Auch ihr Wissen, dass die Aufmerksamkeitsspanne von Zweitkläss-
lern nicht allzu groß sei, bestägte sie in ihrem Verhalten in dieser
Situaon. In dieser Deutung zeigen sich jedoch auch die ießenden
Grenzen zwischen Wissen und Überzeugungen, denn die Schullei-
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tung schätzt das Potenzial von Zweitklässlern anders ein. Diese Sicht-
weise wird von Mitgliedern der Supervisionsgruppe geteilt. Durch
die Infragestellung der Überzeugung, dass Zweitklässler nicht ruhig
arbeiten können, wird deutlich, dass der Lehrerin Wissen fehlt und
dass sie Impulse braucht, um Wege zu nden, wie sie Ruhe schaen
kann. Dass sie sich mit dieser Anforderung befassen muss und auch
kann, wird in der Analyse und in der Lösungsndung in der Gruppe
deutlich.
Abschluss
Dieses Beispiel zeigt auf, wie über Reexion Grenzen von Überzeugun-
gen und Widersprüchlichkeiten zwischen Zugängen als dynamisieren-
de Komponenten genutzt werden können, um Entwicklungen anzu-
stoßen und sich neuen Ziele zu stellen. In diesem Beispiel wurde der
Widerspruch erstmals durch die Rückmeldung der Schulleiterin aus-
gelöst und von Gruppenmitgliedern geteilt, doch Widersprüchlichkei-
ten können auch von Gruppenmitgliedern iniiert werden (‚Das sehe
ich anders, aus meiner Sicht könnte man das auch so deuten‘) oder
aus eigenen Gedanken hervorgehen (‚Das geht doch nicht, doch ei-
gentlich weiß ich nicht, wie ich das ändern kann‘). In der Bearbeitung
des Reexionsinstruments wird die Nutzung von mehreren Quellen
von Deutungen angeregt, in der Verlangsamung der Gedanken durch
das Auächern auf mehrere Felder wird eine veree Auseinander-
setzung angeregt. Zentral ist dabei, dass die analysierte Situaon für
die individuelle Lehrperson subjekv von Bedeutung ist und es ihr
wichg ist (internal oder external ausgelöst), sich damit zu beschäf-
gen. In der mehrmaligen Nutzung dieses mehrperspekvischen Re-
exionsinstruments entsteht eine Fähigkeit, Situaonen aus unter-
schiedlichen Perspekven zu betrachten (reecon on acon), auch
in der Situaon selbst (reecon in acon) und ohne den Leiragen
im Einzelnen zu folgen. Aus der Nutzung dieses Reexionsansatzes
resulert eine adapve Experse (Tartwijk et al., 2017), die über Re-
exion als dynamisierender Prozess die weitere Professionalisierung
unterstützt.
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Manuela Keller-Schneider
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Manuela Keller-Schneider, Prof. Dr. phil.,
Pädagogische Hochschule Zürich.
Arbeitsschwerpunkte:
Professionsforschung, insbesondere Berufseinseg,
Team und Schulentwicklung, selbstreguliertes Lernen
m.keller-schneider@phzh.ch
... Dieser sich in Professionalisierungsprozessen verdichtende und vernetzende Referenzrahmen der Wahrnehmung und Deutung von Anforderungen ist nicht nur individuell, sondern auch berufsphasenspezifi sch geprägt. Vernetztes Wissen und Erfahrung können somit weder weitergegeben noch additiv gesammelt und aufgeschichtet werden; eine refl exive, metakognitive Auseinandersetzung ist erforderlich, um die Faktoren, die auf Handeln einwirken, aufeinander zu beziehen und, der individuellen berufl ichen Identität entsprechend, in Einklang zu bringen (Keller-Schneider, 2020b, 2021bWittek & Martens, 2022). Professionalität als verdichtetes und mit Erkenntnissen angereichertes Wissen muss in beanspruchenden Prozessen der Auseinandersetzung mit Anforderungen erworben werden. ...
Chapter
Full-text available
Zusammenfassung Der Berufseinstieg stellt Herausforderungen, die Berufseinsteigende annehmen und bearbeiten müssen, um in der Professionalisierung voranzukommen. Dabei werden sie von Mentor:innen der Induktion begleitet. Wie berufseinsteigende und mentorierende Lehrpersonen das Mentoring verstehen, welche Erwartungen sie aneinander stellen und inwiefern die Vorstellungen einer guten Mentoratsperson übereinstimmen, wird in der Studie "Wahrgenommene Anforderungen in der Induktionsphase" (WAIn) der Pädagogischen Hochschule Steiermark (Österreich) untersucht. Ergebnisse der Analyse der mittels eines Fragebogens erhobenen Daten (601 Berufseinsteigende, 134 Mentor:innen) zeigen, dass die Mentor:innen stärker ausgeprägte Unterstützungswünsche erwarten, als die Berufseinsteigenden Unterstützung von ihren Mentor:innen wünschen. Zudem divergieren die Vorstellungen eines guten Mentorings. Berufseinsteigende erwarten ein Beratungsverhältnis, eine Mehrheit der Mentor:innen versteht das Mentorat der Induktion als Ausbildungssituation. Expectations and experiences of novice teachers and mentors regarding mentoring in the induction phase in Austria-Congruencies and divergences Summary Starting a career as a teacher poses challenges that novice teachers must accept and deal with in order to make progress in their professional development. Induction mentors can promote this process. The study "Perceived demands during induction" (WAIn), conducted by the University College of Teacher Education Styria (Austria), examines how career starters and mentor teachers understand mentoring, what they expect of each other, and to what extent their notions of a good mentor coincide. Th e results of the analysis of the data, which were collected by questionnaire (601 career starters, 134 mentors), show that the mentors expect the career starters to wish more support than the career starters actually want from them. Furthermore, the notions of good mentoring diverge. Th e career starters expect a counselling relationship while the majority of the mentors consider mentoring during induction to be a training situation.
... Seit der Gründung der Pädagogischen Hochschulen in den 2000er-Jahren ist die Berufseinführung Teil der Weiterbildung mit für alle Berufseinsteigenden relevanten Angeboten. Ergänzend zu den Funktionen der Unterstützung in der Bewältigung der Berufsanforderungen und der berufsphasenspezifischen Weiterbildung wird der Fokus auf reflexionsorientierte Zugänge erweitert, um damit die weitere Professionalisierung zu stärken (Göhlich, 2011;Keller-Schneider, 2021b). Reflexion in der eigenverantwortlichen Berufstätigkeit ermöglicht, subjektiv wahrgenommene Anforderungen im spezifischen Feld aus der Sichtweise der Lehrperson zu beleuchten, rahmende Überzeugungen zu thematisieren und sich bewusst zu werden, welche subjektiv geprägten, impliziten Wissensanteile in der Handlungsentscheidung (Blömeke, Gustafson & Shavelson, 2015) und in der Handlung selbst leitend werden. ...
Chapter
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Schweizerische Lehrpersonen, die in die eigenverantwortliche Berufstätigkeit einsteigen, haben eine am selben Schulort tätige Lehrperson als kollegiale Begleitperson ohne Beurteilungsaufgabe. Zur Untersuchung des Rollenverständnisses dieser Mentoratspersonen wurden Berufseinsteigende und Mentor*innen befragt, Textdaten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet (induktive Kategorienentwicklung). Aus den Sichtweisen der Mentor*innen gehen fünf Typen hervor; drei entsprechen den Kernaufgaben, zwei hingegen tendieren zu einer schützenden oder die Eigenverantwortlichkeit nicht anerkennenden Rollengestaltung. Berufseinsteigenden ist das Mentorat wichtig, zwei Drittel erlebten dieses konstruktiv. Ein Drittel vermisste einen kollegialen Umgang und die Anerkennung der Eigenverantwortlichkeit. Folgerungen verweisen auf die Wichtigkeit der Rollenklärung als Mentor*in von eigenverantwortlichen Lehrpersonen, die sich von Ausbildungsaufgaben unterscheidet.
... to trigger epistemic change (Keller-Schneider, 2021). The principles of meta-reflexivitystating reasons, being transparent about alternatives, maintaining distance -can be seen as scaffolds in this dynamic process: Finding reasons implies checking one's assumptions, thereby opening up the possibility of change. ...
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Social science requires a meta-reflexive approach to teacher education-Social science teachers manage subject-specific reflective demands-Meta-reflexivity can be conceptualized using epistemic cognition frameworks-Epistemic cognition frameworks expand on social science education competence models-Epistemic cognition gives a new perspective on reflective practice in social science education Purpose: This article argues that in social science teacher education general demands for teacher reflection overlap with subject-specific reflective demands. This calls for conceptual frameworks that account for an extended reflectivity, encompassing both teacher reflection and the subject-specific approach to representing controversial issues. Approach: Concepts of reflective practice and meta-reflexivity in teacher education are presented, and a discussion is provided regarding the challenges inherent in teaching social sciences as a multidisciplinary subject. Furthermore, aspects of meta-reflectivity are identified in a German teacher competence framework (PKP). To enable a broader analysis, frameworks from the field of epistemic cognition are introduced. Findings: Utilizing frameworks of epistemic cognition enables a detailed investigation of how social science teachers manage subject-specific challenges. Epistemic reflexivity offers a concept of teacher reflection that enables a new perspective on connecting theoretical reflection in pre-service teacher education programs with later reflective practice.
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Die pandemiebedingte ad hoc Digitalisierung von Lehrveranstaltungen im Frühjahr 2020 war für Lehrende wie Lernende Chance und Herausforderung zugleich. Befunde zeigen, dass das flexible selbstständige Arbeiten und Kennenlernen von Potenzialen des digitalen Lehrens und Lernens positiv wahrgenommen, aber als besonders herausfordernd erlebt wurden. Ferner sind digitale Kompetenzen angehender Lehrkräfte eher gering ausgeprägt. Inklusionspädagogisch betrachtet können digitale Kompetenzen aber beispielsweise bei der Gestaltung von Individualisierungsmaßnahmen hilfreich sein. Dieser Beitrag betrachtet vor dem Hintergrund inklusionspädagogischer Professionalisierung von Lehrkräften im Studium die Entwicklung digitaler Kompetenzen längsschnittlich über den Verlauf von 3 Semestern (SoSe 2020 bis SoSe 2021) während der Covid-19-Pandemie. Hierfür wurden Latent Change Score Modelle für die Entwicklung der Technikbereitschaft als Facette digitaler Kompetenzen spezifiziert. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Technikkontrollüberzeugung und -akzeptanz als Facetten der Technikbereitschaft im Verlauf der untersuchten Semester jeweils positiv entwickelten. Die Lehramtsstudierenden betrachteten demnach eigene digitale Kompetenzen zunehmend als Teil ihrer eigenen Professionalisierung, was ein positiver Ausgangspunkt für die Gestaltung inklusiver Bildungssettings in der Kultur der Digitalität sein kann. Abstract The pandemic-related ad hoc digitisation of courses in spring 2020 was both an opportunity and a challenge for teachers and students. Findings show that flexible independent work and learning about the potential of digital teaching and learning were perceived positively, but experienced as particularly challenging. At the same time, digital competences of prospective teachers are rather low. In terms of inclusive education, however, digital competences can be helpful, for example, in the design of individualisation of teaching and learning. This article examines the development of digital competences longitudinally over the course of three semesters (summer semester 2020 to summer semester 2021) during the Covid 19 pandemic against the backdrop of the professionalization of teachers in inclusion pedagogy during their studies. For the investigation, latent change score models for the development of technology readiness as a facet of digital competences were specified. The results showed that technology control conviction and acceptance as facets of technology readiness developed positively in the course of the semesters investigated. Accordingly, the student teachers increasingly considered their own digital competences as part of their professionalization, which can be a positive starting point for the design of inclusive educational settings in the culture of digitality.
Thesis
Reflexionsfähigkeit zu schulen, gilt als wichtiges Ziel der Lehrkräftebildung. Die Frage nach Befunden zur Ausprägung von Reflexionsfähigkeit bei Studierenden, deren Förderbarkeit und Wirkung steht deshalb im Zentrum des Interesses vieler Forschungsbemühungen, die allerdings mit dem Problem der schwierigen Messbarkeit von Reflexion und Mängeln bestehender Messmethoden hinsichtlich der Gütekriterien konfrontiert sind. Davon ausgehend überprüft die vorliegende Studie in einem Mixed-Methods-Ansatz die Validität eines häufig eingesetzten Verfahrens zur Messung von Reflexion, nämlich die qualitative Inhaltsanalyse studentischer Reflexionstexte mithilfe des Stufenmodells von Hatton und Smith (1995). Dabei wird zwei Forschungsfragen nachgegangen: 1. Inwiefern wird das Ergebnis der Messung vom Reflexionsanlass in der Aufgabenstellung beeinflusst? 2. Welchen Einfluss haben verschiedene weitere Faktoren, die bisher selten oder nie kontrolliert wurden, auf das Messergebnis? Untersucht werden situationale Faktoren wie aufgabenbezogene Motivation bzw. wahrgenommener Nutzen der Aufgabe sowie das Verständnis des Begriffs Reflexion und verschiedene Persönlichkeitsmerkmale. Lehramtsstudierende im Praktikum erhielten in einem Between-Subjects-Design drei verschiedene Reflexionsaufgaben, die sich im Grad des persönlichen Bezugs zum Reflexionsanlass unterschieden. Zu diesen verfassten sie reflektierende Texte und füllten im Anschluss einen Online-Fragebogen aus, der die zu untersuchenden weiteren Einflussfaktoren erhob. Die Ergebnisse der qualitativen Textanalyse wurden in zwei unterschiedliche quantitative Reflexionsmaße überführt und mit den Fragebogendaten trianguliert. Die Aufgabenstellung hatte sowohl einen Einfluss auf die Reflexionsleistung als auch auf weitere qualitative Aspekte der Reflexionstexte. Die Reflexionsleistung zeigte sich unabhängig von den gemessenen Persönlichkeitsmerkmalen und der aufgabenbezogenen Motivation, wurde aber vom Grad der wahrgenommenen Nützlichkeit prädiziert, die der Aufgabe zugeschrieben wurde. Die Studierenden zeigten ein sehr stark divergierendes Verständnis des Begriffs Reflexion, welches sich auch in den Texten niederschlug. Innerhalb des Studiendesigns und der Forschungsfragen lieferte die qualitative Inhaltsanalyse mit dem Stufenschema von Hatton und Smith (1995) plausible Ergebnisse, die Validität des Verfahrens wird aber von den Studienergebnissen zumindest teilweise in Frage gestellt. Auf die Aufgabenstellung und die Identifikation möglicher einflussnehmender Drittvariablen muss bei der Messung von Reflexionsleistungen zukünftig noch mehr Aufmerksamkeit gerichtet werden. Die Suche nach einem Verfahren zur Messung von Reflexion, das die Gütekriterien zufriedenstellend erfüllt, stellt weiterhin ein Forschungsdesiderat dar.
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In this paper, the state of research on the assessment of competencies in higher education is reviewed. Fundamental conceptual and methodological issues are clarified by showing that current controversies are built on misleading dichotomies. By systematically sketching conceptual controversies, competing competence definitions are unpacked (analytic/trait vs. holistic/real-world performance) and commonplaces are identified. Disagreements are also highlighted. Similarly, competing statistical approaches to assessing competencies, namely item-response theory (latent trait) versus generalizability theory (sampling error variance), are unpacked. The resulting framework moves beyond dichotomies and shows how the different approaches complement each other. Competence is viewed along a continuum from traits that underlie perception, interpretation, and decision-making skills, which in turn give rise to observed behavior in real-world situations. Statistical approaches are also viewed along a continuum from linear to nonlinear models that serve different purposes. Item response theory (IRT) models may be used for scaling item responses and modeling structural relations, and generalizability theory (GT) models pinpoint sources of measurement error variance, thereby enabling the design of reliable measurements. The proposed framework suggests multiple new research studies and may serve as a “grand” structural model.
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Studies of expertise in teaching have been informative, despite problems. One problem is determining the relative roles of talent vs. deliberate practice in the acquisition of expertise. When studying teachers, however, a third factor must be considered, that of context. The working conditions of teachers exert a powerful influence on the development of expertise. A second problem is that of definition because expertise in teaching takes different forms in different cultures, and its characteristics change by decade. A distinction is drawn between the good teacher and the successful teacher, characteristics of expertise that are often confused. A prototypical model of expertise is described and found to identify teachers who were both good and successful. Discussed also is the importance of understanding adaptive or fluid expertise, automaticity and flexibility. Finally, the development of teacher expertise is seen as an increase in agency over time.
Book
Der Berufseinstieg stellt Anforderungen, die in ihrer Komplexität erst in der Praxis erfahrbar werden. Tipps und Tricks reichen nicht, um die anspruchsvollen Herausforderungen an eine weitere Professionalisierung zu meistern und im Beruf anzukommen. Dieses Buch bietet in seinen theorie- und forschungsgestützten sowie erfahrungsbezogenen Zugängen und den Reflexionsimpulsen einen Fundus von Möglichkeiten, um die eigene Praxis zu bereichern und zu überdenken.
Chapter
In diesem Beitrag wird der Begriff Kontingenz spezifiziert und aus system- und bildungstheoretischer Perspektive analysiert. Aus den theoretischen Arbeiten von Luhmann wird zunächst die Vielschichtigkeit des Begriffs herausgearbeitet und im Anschluss mit bildungstheoretischen Überlegungen kontrastiert. Dabei werden Gemeinsamkeiten aber auch Divergenzen sichtbar.
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Der Beitrag zeigt Facetten von Ungewissheit auf, die sich in der begrenzten Planbarkeit von Unterricht, in seiner unklaren Wirkung sowie in der Ungewissheit der Bedeutung von Erkenntnissen für die Bearbeitung zukünftiger Anforderungen manifestieren. Diese Ungewissheiten werden an einem Zitat einer in die eigenverantwortliche Berufstätigkeit einsteigenden Lehrerin illustriert und in Forschungsbezügen ausgeführt. Damit wird deutlich, dass der Beruf einer Lehrperson von Ungewissheit geprägt ist, auf die im Rahmen einer Ausbildung vorbereitet werden soll. Wie dies erfolgen kann, wird anhand eines Moduls der einphasigen Lehrer/innenbildung an der PH Zürich aufgezeigt – doch auch dabei bleibt Ungewissheit als Herausforderung bestehen, denn jeder Unterricht ist von Kontingenz gekennzeichnet.
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This chapter describes concrete guidelines for promoting reflection in teacher education. First, a phase model for reflection is introduced, which helps to promote meaning-oriented reflection. Next, typical problems related to reflection in teacher learning are discussed, which have led to an approach for making reflection more effective and transformative. Examples show how this Core Reflection approach, which is based on a model of levels of reflection, can bring the power of ideals and personal qualities to bear upon practitioners' experiences of teaching and learning. Empirical studies on the use of the approach are discussed, as well as implications and context factors influencing the possibilities for using Core Reflection in various international contexts. © 2014 by Emerald Group Publishing Limited All rights of reproduction in any form reserved.
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The reflection that accompanies the evidence a candidate presents in the performance-based product is a critical part of the candidate's development. Through reflection the candidate begins the ongoing process of blending the art and science of good teaching practice. Reflection requires thoughtful and careful reporting and analysis of teaching practice, philosophy, and experience. Understanding why an activity or practice was productive or nonproductive in the classroom is a key element in the progression from novice to master teacher. The reflection cycle and the guiding questions included in this packet are designed to assist licensure candidates in the reflection process. They will enable candidates to better understand the reflection process and address the question; "How does this piece of evidence demonstrate my knowledge and skill level in this activity?". The following reflection cycle offers a prescriptive structure while allowing the flexibility necessary for candidates to demonstrate their knowledge, skill, and ability in the unique context of their area and environment. The reflections of the novice teacher are also vital to the assessors charged with the responsibility for judging whether the teacher has met the required level of performance for each standard based activity. Through their responses to the guiding questions, candidates will better be able to put evidence into perspective for the review team members by explaining how the evidence or artifact addresses the standard through the activity.
Developing teacher identity through situated cognition approaches to teacher education
  • S Cherrington
Cherrington, S. (2017). Developing teacher identity through situated cognition approaches to teacher education. In D. J. Clandinin & J. Husu (Eds.), Handbook of Research on Teacher Education (p. 160-176). London: Sage.
Expertise und Kompetenz
  • H Gruber
  • S Degner
Gruber, H. & Degner, S. (2016). Expertise und Kompetenz. In M. Dick, W. Marotzki & H. Mieg (Hrsg.), Handbuch Professionsentwicklung (S. 173-180). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Praxis und Reflexion
  • W Helsper
Helsper, W. (2001). Praxis und Reflexion. Journal für LehrerInnenbildung, 1(3), 5-17.