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Tourismus Wissen – quarterly | 69Jänner 2021
Tourismusinnovation in der
Corona-Krise: Methodik
Einleitung
Die Corona-Pandemie betrifft den Tourismus
wie kaum eine andere Branche. Die Krise beein-
usst die gesamte touristische Wertschöpfung
und entzieht weltweit vielen Menschen ihre Le-
bensgrundlage. Destinationen – als Reiseziele
– sind der Kristallisationspunkt, an dem diese
Herausforderungen besonders spürbar werden.
Die verantwortlichen Destinationsmanagement
organisationen (DMO) auf unterschiedlichen
Ebenen unternehmen Anstrengungen, um die
anstehenden Probleme zu bewältigen.
Dieser Beitrag zeigt, wie sich Destinationen
auf einen touristischen Neustart vorbereiten
können. Im Mittelpunkt stehen Ansätze der
Geschäftsmodellinnovation (Osterwalder und
Pigneur, 2011; Gassmann, Frankenberger und
Choudoury, 2020), die dabei unterstützen, einen
ganzheitlichen Wandel praxisnah und kollabo-
rativ zu planen und zu gestalten. Dabei geht
es nicht um kurzfristige Reaktionen auf eine
Krisensituation, sondern um kontinuierliche
und langfristige Anpassungen des Destinations-
managements an veränderte Zukunftsszenarien.
Zunächst steht das Verständnis der DMO aus
Geschäftsmodellperspektive im Vordergrund.
Danach zeigt der Beitrag, wie Destinationen ihr
Geschäftsmodell, beispielsweise in Krisensitu-
ationen, anpassen können.
Herausforderungen für Destinationen im
Kontext der Corona-Krise
In der Tourismusindustrie sind laut der Welttou-
rismusorganisation (UNWTO) zwischen 100 und
120 Millionen Jobs gefährdet (UNWTO, 2020).
Die weltweiten Ausgaben für touristische Leis-
tungen gehen um bis zu 1,2 Billionen USDollar
zurück mit weitreichenden Auswirkungen auf
das durchschnittliche globale Bruttoinlandspro-
dukt. In vielen Ländern ist der Tourismus ein
wichtiger Wirtschasfaktor. Er trägt maßgeblich
zu Wachstum und Beschäigung bei (Statista,
2020). DMO arbeiten daher intensiv daran, die
touristischen Akteure bei den Herausforderungen,
welche die Krise in ihrer Hochphase mit sich bringt,
zu unterstützen. Task Forces werden eingerich-
tet, Sicherheitsprotokolle angepasst, nanzielle
Unterstützung auf den Weg gebracht und interne
Kommunikationsnetzwerke aufgebaut. Diese und
weitere kurzfristige Maßnahmen sollen dabei
helfen, anstehende Probleme der vielen kleinen
und mittelständischen Unternehmen zu mildern.
Viele der Maßnahmen erfolgen punktuell und
verfolgen dabei keine ganzheitliche Strategie. Es
handelt sich omals um „frugale Innovationen“
(Radjou und Prabhu, 2015), welche mit Hilfe
von agilen Methoden umgesetzt werden. Frugale
Innovation bietet Möglichkeiten, Probleme mit
begrenzten Ressourcen auf nachhaltige Weise zu
lösen. Schneller, günstiger und besser sollen die
Lösungen für bestehende Probleme sein.
Auf diese Weise können auch große Organisatio-
nen agiler und reaktionsfähiger werden. In Ent-
wicklungs und Schwellenländern lösen frugale
Innovationen viele bislang unberücksichtigte
Bedürfnisse (beispielsweise kleine mobile Ul-
traschallgeräte oder robuste und kostengünstige
Fahrzeuge für unwegsame Regionen). In entwi-
ckelten Ländern ermöglichen Technologien be-
ziehungsweise Anwendungen wie Smartphones,
3DDrucker, Crowdfunding und soziale Medien
immer mehr Menschen und Organisationen, mit
von Nancy Richter, Hochschule Schmalkalden
Nancy Richter, Professorin für Tou-
rismus und Freizeitwirtschaft an
der Hochschule Schmalkalden, Uni-
versi of Applied Sciences, beschäigt sich
in ihrem Beitrag mit dem vollständigen Titel
„Tourismusinnovation in der CoronaKrise:
Methodik zur Einführung von Geschäsmo-
dellen in Destinationen“ mit der Frage, wie
sich Destinationen auf den Neustart nach der
Krise vorbereiten können.
begrenzten Ressourcen Lösungen zu schaen, die
bislang nur große Unternehmen anbieten konnten.
Im gegenwärtigen Tourismus geht es dabei um
das kurzfristige Ziel, die Krise wirtschalich zu
überleben. Winzer, die im Kontext der CoronaPan-
demie nun Weinverkostungen online anbieten
und dafür OnlineVideokonferenztools benutzen,
oder Destinationen, die über soziale Netzwerke
zu virtuellen Stadtführungen einladen, folgen
dabei einer „frugalen“ Logik.
In der Zwischenzeit diskutieren Tourismusverant-
wortliche und experten (siehe u. a. Connective
Cities, 2020; Tourismuszukun, 2020; DWIF, 2020)
darüber hinaus, wie ein zuküniger internationaler
Tourismus langfristig aussieht, beziehungsweise
zu gestalten ist. Der in vielen Teilen der Welt
problematisch gewordene „Overtourism“ pau-
siert und erlaubt lokalen Gemeinschaen, Wirt-
scha und Politik, die gemeinsame Vision eines
zukünigen Tourismus zu entwickeln. Auf der
anderen Seite ändern sich auch die Bedürfnisse
der Reisenden. Gefragt sind verstärkt naturnahe
authentische Erlebnisse, Wellness und Erholung,
Familienangebote, sowie lokale Ausugsziele.
Massentourismus, welcher die Branche für viele
Jahre dominierte, steht zunehmend in Frage.
Aktuell sorgen Abstandsregeln dafür, dass DMO
Maßnahmen zur Besucherentzerrung umsetzen. Es
stellt sich jedoch die Frage, ob hier nicht auch ein
langfristiger Trend zum „Undertourism“ zu beob-
achten ist. Nachhaltigkeit wird für viele Reisende
und Destinationen zunehmend bedeutsamer.
Die hier genannten Entwicklungen und Diskus-
sionen verlangen nach einer gezielten und lang-
fristigen Neuausrichtung von Destinationen. Im
Gegensatz zu frugalen Innovationen steht nicht
das kurzfristige wirtschaliche Überleben, sondern
das Erlangen langfristiger Wettbewerbsvorteile im
Mittelpunkt. Eine Geschäsmodellperspektive auf
Destinationen kann dabei helfen, diese langfristige
Perspektive umzusetzen.
Das Destinationsmanagement als Geschäs-
modellmanagement
Die UNWTO (2007) definiert die Destination
als Ort mit einem Muster von Attraktionen und
damit verbundenen Tourismuseinrichtungen
und Dienstleistungen, den ein Tourist oder eine
Gruppe für einen Besuch auswählt und den die
Leistungsersteller vermarkten. Bei der Destina-
tion handelt es sich entsprechend um das Reise-
ziel und das Tourismusprodukt gleichermaßen
(Bieger und Beritelli, 2012). Die Besonderheit
des Destina tionsbegries liegt darin, dass die
Destination aus Nachfrage beziehungsweise
Gästesicht deniert ist. Wahrnehmung und Be-
dürfnisse des Gastes bestimmen die Attraktivität
einer Destination als Reiseziel. Entsprechend
stellt die Destination ein Leistungsbündel für ein
spezisches Zielgruppensegment, bestehend aus
unterschiedlichen Dienstleistungen, Attraktionen
und Tourismuseinrichtungen bereit, welches
bei der Zielgruppe als Produkt nachgefragt wird
(Freyer, 2015). Eine in der Fachliteratur (beispiels-
weise Steinecke und Herntrei, 2017) verbreitete
Denition von Destinationen unterstreicht in
diesem Zusammenhang die damit verbundenen
Aufgaben einer DMO: Eine Destination „enthält
sämtliche für einen Aufenthalt notwendigen
Einrichtungen für Beherbergung, Verpegung,
Unterhaltung/Beschäigung. Sie ist damit die
Wettbewerbseinheit im Incoming Tourismus, die
als strategische Geschäseinheit geführt werden
muss.“ (Bieger und Beritelli, 2012, S. 54) Dabei
verfügt eine DMO nicht zwingend über eigene
Angebote, sondern koordiniert die Leistungen
vieler Einzelorganisationen. Meist handelt es
sich dabei um kleine und mittelständische Un-
ternehmen (KMU). Ausgehend vom Marketingmix
(Kommunikation, Leistung, Distribution, Preis)
liegen die direkten Einussmöglichkeiten der
DMO vor allem in der Kommunikations und Dis-
tributionspolitik (Steinecke und Herntrei, 2017).
In den vergangenen Jahren liegt jedoch ein ver-
stärkter Fokus auf der eigenen beziehungsweise
der Unterstützung der Produktentwicklung bei
den touristischen Akteuren (Herntrei zeigt dies am
Beispiel Südtirol, siehe Herntrei, 2014). Dabei ist
jedoch der Grad der Einussnahme von DMO auf
die Produktgestaltung sehr unterschiedlich. Die
Tourismusforschung legt dafür zwei idealpische
Destinationsmanagementmodelle zugrunde. Im
so genannten Corporate Modell benden sich die
einzelnen touristischen Produktbestandteile im
Eigentum eines Unternehmens oder es existieren
vertragliche Verpichtungen, welche Leistungsträ-
ger an die Destination binden. Die Koordination
der Produktbestandteile wird unternehmerisch
gelöst (Eisenstein, 2013). Die Erzielung wirtscha-
lichen Prots steht im Mittelpunkt des Corporate
Modells und die Steuerung der Destination erfolgt
ähnlich wie in einem Konzern. Im Gegensatz dazu
erstellen im Communi Modell viele kleine und
mittelständische sowie rechtlich selbstständige
Unternehmen das touristische Produkt gemein-
sam. Da jedes Unternehmen eigene Ziele verfolgt,
ist die Steuerung der Gesamtaufgabe durch die
Destination deutlich schwieriger als im Corporate
Modell (Bieger und Wittmer, 2006).
Das Communi Modell ist im europäischen Raum
weit verbreitet. Unterschiedliche Interessen, Qua-
litätslevel und gewachsene Strukturen stellen
hierbei eine große Herausforderung für DMO
Geschäsmodelle
70 | Tourismus Wissen – quarterly Jänner 2021
dar. Gerade deshalb eignet sich aber auch hier
eine ganzheitliche Geschäsmodellperspektive
auf die DMO, um die teils koniktären Interessen
zu bündeln und die Destination ganzheitlich als
strategische Wettbewerbseinheit im Incoming Tou-
rismus zu managen (Bieger und Wittmer, 2006).
Im Gegensatz zur angebotsseitigen Denition
einer Tourismusgemeinde oder region, weist
der Destinationsbegri, unabhängig davon, ob
die Destination als Communi oder Corpo rate
Modell geführt wird, Besonderheiten auf, die es
naheliegend machen, eine Destination aus Ge-
schäsmodellperspektive zu betrachten (Bieger
und Wittmer, 2006).
Zu diesen Besonderheiten zählen (Eisenstein,
2013, S. 9.):
»Kundensegmente: Die Ausrichtung auf die
Bedürfnisse definierter Gastzielgruppen mit
ausreichend großem Vermarktungspotential.
»Werteversprechen: Die Definition und
Koordination von Serviceprogrammen
(Geschäftsbereichen) zur Befriedigung der
Bedürfnisse der denierten Kundensegmente.
»Kundenbeziehungen und Kundenkanäle:
Marketing für definierte Zielgruppen,
insbesondere Kommunikation sowie Distribution
der definierten Serviceprogramme an die
denierten Zielgruppen auch mit mindestens
einer unabhängigen Marke und durch den
Einsatz moderner Marketinginstrumente in
Kommunikation und Vertrieb.
»Aktivitäten, Ressourcen und Kooperationen:
Die Ausrichtung auf den, von der denierten
Zielgruppe wahrgenommenen Raum, und die
Weiterentwicklung beziehungsweise Koordination
der Einrichtungen und Dienstleistungen, die
zur Befriedigung der Bedürfnisse im Rahmen
des Dienstleistungsprogramms erforderlich
sind. Dies geschieht durch Einbeziehung aller
Akteure am Zielort, die für die Entwicklung
des Dienstleistungsprogramms von zentraler
Bedeutung sind.
»Kosten: Verfügbarkeit ausreichender nanzieller
Ressourcen für die Bereitstellung, Koordinierung
und Vermarktung des Dienstleistungsprogramms.
»Einnahmen: Denition von Ertragsmodellen
für das Destinationsmanagement.
Mit Hilfe dieser Auistung, welche sich am Bu-
siness Model Canvas (Osterwalder und Pigneur,
Geschäsmodelle
Tourismus Wissen – quarterly | 71Jänner 2021
Abbildung 1: Business Model Canvas (Osterwalder und Pigneur, 2011)
Wer sind unsere
Schlüsselpartner?
Wer sind unsere
Schlüssel-Zulieferer?
Welche Schlüssel-
ressourcen beziehen
wir von Partnern?
Welche Schlüssel-
aktivitäten führen
unsere Partner aus?
Welche Schlüssel-
aktivitäten verlangen
unser Angebot/
Nutzenversprechen?
Unsere Verteilkanäle?
Unsere Kunden-
beziehungen?
Erlösströme?
Welche Art von
Beziehung erwartet
jeder unserer
Kundensegmente?
Wie teuer sind sie
aufzubauen und zu
halten? Wie sind sie
in den Rest unseres
Geschäftsmodells
integriert?
Durch welche Kanäle
wollen unsere
Kundensegmente
erreicht werden?
Wie sind unsere
Kanäle integriert?
Wie integrieren wir
sie mit den Prozessen
unserer Kunden?
Für wen schaen
wir Mehrwert?
Welche sind
unsere wichtigsten
Kundensegmente?
Für welchen Mehrwert sind unsere
Kunden wirklich bereit zu zahlen?
Wie wollen sie zahlen?
Wieviel trägt jeder Erlösstrom zum Gesamterlös bei?
Welches sind die wichtigsten, mit dem Geschäftsmodell
verbundenen Kosten?
Welche Schlüsselressourcen verursachen die
höchsten Kosten?
Welche Kernaktivitäten verursachen
die höchsten Kosten?
Welche Schlüssel-
ressourcen verlangen
unser Angebot/
Nutzenversprechen?
Unsere Verteilkanäle?
Unsere Kunden-
beziehungen?
Erlösströme?
Welchen Mehrwert
bieten wir unseren
Kunden? Welche
Kundenprobleme
lösen wir?
Welche Kunden-
bedürfnisse
befriedigen wir?
Welches Bündel an
Produkten und
Services bieten
wir unseren
Zielkunden?
2011) orientiert, ist bereits eine Geschäsmo-
dellperspektive auf die touristische Destination
eingenommen. Abbildung 1 zeigt die Darstellung
des Business Model Canvas, wie es zur praktischen
Geschäsmodellentwicklung in Unternehmen
und durch Beratungseinrichtungen weltweit an-
gewendet wird (Osterwalder und Pigneur, 2011).
In Tourismusdestinationen ist das Modell bislang
wenig verbreitetet (Reinhold, Zach und Krizaj,
2017; Reinhold, Beritelli und Grünig, 2019) oder
wird lediglich für Zwecke der Produktentwick-
lung in einzelnen Geschäsfeldern eingesetzt
(beispielsweise die Tourismusstrategie Bad Lie-
benstein, siehe Projekt M, 2020).
Ein Geschäsmodell ist dabei nicht zu verwech-
seln mit einem Erlösmodell. Beim Erlösmodell
handelt es sich um die „spezische Art und Weise,
in welcher die Generierung von Umsätzen erfolgt“
(Grichnik, 2017). Auch gibt es einen wesentlichen
Unterschied zwischen dem Geschäsmodell und
der Strategie, deren Aufgabe die Positionierung
eines Unternehmens im Markt gegenüber dem
Wettbewerb darstellt (Zott und Amit, 2008). Viel-
mehr beschreibt ein Geschäsmodell die Art und
Weise, wie eine Organisation Werte generiert und
zum Kunden bringt. (Osterwalder und Pigneur,
2010, S. 14). Das Geschäsmodell folgt damit auf
die Strategie und bildet wiederum die Vorausset-
zung für die Planung operativer Aufgaben einer
Destination. Methoden der Strategieentwicklung
wie sie in der Destinationsentwicklung sehr be-
liebt sind (insb. SWOTAnalyse) sind dem Auau
eines Destinationsgeschäsmodells vorgelagert
und bilden eine geeignete Planungsgrundlage. Sie
sind jedoch keinesfalls mit der Geschäsmodell-
methodik gleichzusetzen. Eine für Destinationen
interessante Geschäsmodellperspektive stammt
von Amitt und Zott (2001): “A business model
depicts the content, structure and governance of
transactions designed so as to create value through
the exploitation of business opportunities.” (Amitt
und Zott, 2001, S. 511).
Die Frage nach der Gestaltung von Transaktionen
steht bei Destinationen im Vordergrund:
»Wie soll eine Destination die Verbindung zu
Beschaungs und Absatzmärkten gestalten?
»Welche Akteure können zusammengebracht
werden, um eine Geschäftsmöglichkeit aus
zunutzen und welche Beziehung soll die Desti
nation zu diesen Akteuren auauen?
»Welche Aktivitäten und Ressourcen sind
notwendig?
»Wie werden die Transaktionen zwischen den
Akteuren gestaltet, koordiniert und gesteuert?
»Welche Anreize gibt es? (Grichnik, 2017)
Das Geschäsmodell ist damit eine Darstellung
davon, wie eine Destination einen Wert bezie-
hungsweise Nutzen kreiert. Dieser Wert kommt
vor allem den Kunden zugute, aber auch den
wichtigen Partnern und Akteuren, welche die
einzelnen touristischen Leistungen erstellen,
die dann zu einem touristischen Gesamtprodukt
gebündelt werden. Die Aufgabe der Destination
liegt in der Gestaltung von Transaktionen mit ihren
Partnern (beispielsweise Kunden, touristischen
Leistungsträgern oder Kooperationspartnern)
(Grichnik, 2017).
Der oben dargestellte Geschäftsmodellansatz
(siehe Abbildung 1) des GeschäsmodellCanvas
von Osterwalder und Pigneur (2011) zählt zu den
Ansätzen, bei denen das Geschäsmodell als ein
Werkzeug verstanden wird, welches dabei hil, das
bestehende Geschäsmodell einer Organisation
abzubilden und darauf auauend weiterzuent-
wickeln (Reinhold, Zach und Krizaj, 2017).
Das Canvas beziehungsweise die Leinwand bildet
dafür den geeigneten Rahmen. Darüber hinaus
existieren weitere Perspektiven auf Geschäs-
modelle (beispielsweise die kritische Auseinan-
dersetzung mit Geschäsmodellen als kognitive
Schemata und deren Einuss auf die reale Ausge-
staltung von Geschäsmodellen, siehe u. a. Dopfer,
2018; Furnari, 2015). Diese stehen jedoch nicht im
Fokus des vorliegenden Beitrags. Das Canvas als
Werkzeug kann Destinationen dabei unterstützen,
das etablierte Geschäsmodell zu hinterfragen,
Strategien neu zu interpretieren oder das Umfeld
des eigenen Geschäsmodells zu untersuchen.
(Osterwalder und Pigneur, 2011). Idealpisch
folgen Destinationen dabei folgenden Schritten:
die Ziele der Geschäsbereiche ermitteln; die Ge-
schäsidee aus der Vogelperspektive formulieren;
Verantwortliche benennen, die die Geschäsidee
entwickeln, Informationen recherchieren sowie
Protopen entwickeln und das Geschäsmodell
schließlich testen und bewerten. Mit den neun
Bausteinen des Business Model Canvas (siehe
Abbildung 1) lässt sich schließlich ein konkretes
Konzept für die wesentlichen Geschäftsfelder
einer Destination entwickeln.
Geschäsmodellinnovation in Destinationen
Geschäsmodellinnovationen haben unterschied-
liche Auslöser (Osterwalder und Pigneur, 2011).
Sie können durch ungelöste Marktbedürfnisse
entstehen, aber auch angebotsseitig durch neue
Technologien, Produkte oder Dienstleistungen.
Das Ziel kann es sein, einen bestehenden Markt
mit Hilfe eines neuen Geschäsmodells aufzubre-
chen oder zu verändern – oder einen völlig neuen
72 | Tourismus Wissen – quarterly Jänner 2021
Geschäsmodelle
Markt zu schaen. Eine Krise wie sie derzeit die
Corona Pandemie darstellt, kann auf alle genann-
ten Bereiche einen Einuss haben.
Geschäsmodelle können, wie bereits gezeigt,
mit Hilfe von frugalen Innovationen angepasst
werden. Sie können aber auch langfristig auf der
Basis von Zukunsszenarien entwickelt werden,
um zukünftige Kundenbedürfnisse besser zu
bedienen und neuartige Transaktionen zu gestal-
ten. (Gassmann, Frankenberger und Choudoury,
2020). Die zweite Perspektive soll im Folgenden
im Vordergrund stehen.
Wie jedoch sehen zukünige Szenarien im Touris-
mus aus? Bereits angesprochen, wurde der neu-
erlich verstärkte Fokus auf emen der sozialen
und ökologischen Nachhaltigkeit gelegt. Daneben
sind weitere Trendszenarien zu beobachten. Die
Digitalisierung beziehungsweise Virtualisierung
von Veranstaltungen beispielsweise oder die Hin-
wendung zu lokalen beziehungsweise regionalen
Produkten stellen möglicherweise wichtige zu-
künige Trends im Tourismus dar. Aus der Krise
zu lernen und mehr Resilienz aufzubauen, kann
ein weiteres Ziel von Destinationen sein. Es fällt
auf, dass hierbei nicht nur neue Trends entstehen,
sondern auch bestehende Trends (beispielsweise
der Naturtourismus) verstärkt werden. Prof. Oliver
Gassmann stellt in diesem Zusammenhang ein
Modell vor, welches genutzt werden kann, um das
eigene Geschäsmodell an Krisensituationen, wie
durch die CoronaPandemie ausgelöst, anzupas-
sen. (Gassmann, Frankenberger und Choudoury,
2020). Das Modell folgt dabei folgenden sieben
Schritten (siehe Abbildung 2): Das bestehende
Geschäsmodell abbilden; das Geschäsmodell
umfeld analysieren; Szenarien für das Geschäs-
modellumfeld entwickeln; Auswirkungen der
Szenarien auf das Geschäsmodell analysieren;
individuelle Lösungsansätze definieren; eine
Geschäsmodellvision für die PostCovidPhase
entwickeln sowie eine Roadmap entwickeln (Gass-
mann, Frankenberger und Choudoury, 2020).
Im ersten Schritt können sich Destinationsmana-
ger am GeschäsmodellCanvas orientieren und
die aufgeworfenen Fragen beantworten (siehe
Abbildung 1).
Im zweiten Schritt geht es um die Fragen nach den
Veränderungen und Treibern für zukünige Szena-
rien. Diese Treiber können auf Technologien und
Trends basieren, durch Politik und Gesetzgebung
hervorgerufen werden, durch Anspruchsgruppen
wie Partner, Gäste oder Wettbewerber entstehen
sowie durch kulturelle und ökologische Verän-
derungen im Umfeld von Destinationen forciert
werden. Bestehende Entwicklungen können da-
bei verstärkt werden oder gänzlich neue Trends
entstehen.
Im dritten Schritt geht es daher darum, aus den
Treibern und Entwicklungen heraus Szenarien zu
entwickeln. Dafür werden Annahmen zu Treibern
und Entwicklungen gebündelt. Wie werden sich
die gebündelten Annahmen auswirken? Welche
davon werden die individuelle Destination be-
treen? Szenarien sollten nicht zu langfristig
angelegt sein. Drei bis fünf Jahre lassen sich aus
Destinationssicht dabei noch überblicken. Bei-
spielsweise könnte die Frage untersucht werden,
ob in Zukun weiterhin der Wunsch nach „Social
Distancing“ besteht oder eine neue Sehnsucht
nach Gemeinscha und Nähe im Vordergrund
steht. Entsprechend der unterschiedlichen An-
nahmen können Destinationen entscheiden, wel-
ches Szenario wahrscheinlicher ist und dafür im
Tourismus Wissen – quarterly | 73Jänner 2021
Geschäsmodelle
Abbildung 2: Geschäsmodellinnovation in Destinationen (nach Gassmann,
Frankenberger und Choudoury, 2020)
nächsten Schritt analysieren, wie sich das Szenario
beziehungsweise die wahrscheinlichen Szenari-
en auf das Geschäsmodell auswirken. Darauf
auauend lassen sich konkrete Lösungsansätze
für das individuelle Destina tionsmodell ableiten.
Was könnten neue Angebote auf Destinationsseite
sein, die die veränderten Gästebedürfnisse be-
dienen? Im sechsten Schritt stellt sich die Frage,
wie die Destination nach der Umsetzung der
neuen Vision aussieht. Wenn die gewählte Vision
zufriedenstellend ist, kann es in die Umsetzung
der Vision gehen. Dafür werden im letzten Schritt
Verantwortlichkeiten deniert und Kennzahlen
zur Erfolgsmessung entwickelt. Daraus entstehen
konkrete Projekte, die Schritt für Schritt die neue
Vision der Destination umsetzen.
Fazit
Veränderungen, wie sie derzeit durch die Corona
Pandemie hervorgerufen werden, können sehr
herausfordernd für touristische Destinationen
beziehungsweise DMO sein. Dabei ist es wichtig,
dass Destinationen anpassungsfähig sind, um
sich kurz und langfristig darauf einzustellen.
Die große Bedeutung von Innovation und einem
strategisch ausgerichteten Innovationsmanage-
ment zeigt sich an den großen Verlusten, denen
die Tourismusbranche aktuell gegenübersteht.
Eine Geschäftsmodellperspektive sowie gezielte
Geschäftsmodellinnovationen können Destinatio
nen bei den Herausforderungen helfen. Hierbei
gilt es – basierend auf einer bestehenden Strategie
–, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln oder
durch Geschäftsmodellanalysen bestehende
Strategien in Frage zu stellen. Dieses Vorgehen
ergibt sich aus der Perspektive von Destinationen
als strategische Wettbewerbseinheiten, welche
die Nachfragesicht in den Vordergrund stellt
und, darauf aufbauend, Angebote für konkrete
Zielgruppensegmente entwickelt. g
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