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M. Gandorfer et al.: Digitalisierung für Mensch, Umwelt und Tier,
Lecture Notes in Informatics (LNI), Gesellschaft für Informatik, Bonn 2020 181
Erfassung der räumlichen Variabilität von Boden- und
Pflanzenparametern: Grundlage für die
teilflächenspezifische N-Bilanzierung
Martin Mittermayer1, August Gilg2, Franz-Xaver Maidl1 und Kurt-Jürgen Hülsbergen1
Abstract: Die räumliche Variabilität von Bodeneigenschaften auf Ackerflächen bedingt ein
unterschiedliches Pflanzenwachstum mit variierenden Erträgen und Nährstoffentzügen. Diese
Heterogenität sollte bei der N-Düngung, aber auch bei der N-Bilanzierung berücksichtigt werden,
denn bei ausgeglichener Stickstoffbilanz des Gesamtschlages können auf Teilflächen stark
differenzierte N-Salden auftreten. Mit modernen Technologien wie der Ertragskartierung und
Reflexionsmessungen mit Sensor wurden in dieser Arbeit auf einem Untersuchungsschlag
teilflächenspezifische N-Bilanzen im 10 m x 10 m Raster berechnet. Durch die Bestimmung von
Bodenparametern (Corg, Nt) an georeferenziert gewonnenen Bodenproben wurden Einflussfaktoren
auf die variierenden N-Salden beschrieben. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass der N-
Saldo eine große Schwankungsbreite (-116 bis +72 kg ha-1) aufweist und Teilflächen mit hohen bzw.
negativen N-Salden auftreten, obwohl die schlageinheitliche N-Bilanz nahezu ausgeglichen (+10 kg
ha-1) ist.
Keywords: precision agriculture, spatial variability, nitrogen surplus, geostatistics
1 Einleitung
Der N-Saldo der Stickstoffbilanz ist einer der wichtigsten Agrarumweltindikatoren
[ST13]. Er beschreibt das Verlustpotenzial an reaktiven N-Verbindungen (NH3, N2O,
NO3-) auf unterschiedlichen Systemebenen wie z. B. Schlag, Fruchtfolge, Pflanzenbau,
Tierhaltung oder Betrieb [Hü03]. In der Bundesrepublik Deutschland sind die
flächenbezogenen N-Salden seit Jahren mit etwa 90 kg ha-1 a-1 auf zu hohem Niveau; dies
führt zu umweltgefährdenden und klimarelevanten N-Emissionen sowie zu Konflikten mit
dem Trinkwasserschutz [KCH10]. Um weitere schädliche N-Emissionen in die Umwelt
zu vermeiden und dabei die Ertragsstabilität zu gewährleisten, muss die N-Effizienz
deutlich gesteigert werden. Ein erfolgversprechender Ansatz zur Steigerung der N-
Effizienz ist die sensorgestützte teilflächenspezifische N-Düngung unter
Berücksichtigung differenzierter Ertragspotenziale [Sp16]. Aufgrund von
1 Technische Universität München, Lehrstuhl für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme,
Liesel-Beckmann-Straße 2, 85354 Freising, martin.mittermayer@tum.de; maidl@wzw.tum.de;
huelsbergen@wzw.tum.de
2 Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Mustererkennung und Software-Engineering, Vöttinger Straße 27,
85354 Freising, august.gilg@hswt.de
182 Martin Mittermayer et al.
Bodenunterschieden und der Topografie weisen viele Ackerflächen eine hohe räumliche
Variabilität der Erträge und N-Entzüge der Pflanzenbestände auf [Go03]. Allerdings ist
trotz zunehmender Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit sensorgestützter N-
Düngesysteme [Ma17] die schlageinheitliche Düngung immer noch die gängige
landwirtschaftliche Praxis.
Wenn zur Ermittlung des N-Düngebedarfs der mittlere Ertrag des Schlages angenommen
wird, kann dies auf heterogenen Schlägen dazu führen, dass (a) im Hochertragsbereich das
Ertragspotenzial nicht ausgeschöpft wird und/oder die N-Entzüge der Pflanzen die N-
Zufuhren übersteigen und die Boden-N-Vorräte abnehmen, (b) im Niedrigertragsbereich
hohe N-Salden und Nitratverluste auftreten, ggf. auch Stickstoff im Boden akkumuliert
wird [Hü17]. Aufgrund dieser Zusammenhänge ist anzunehmen, dass auf heterogenen
Schlägen die N-Salden kleinräumig variieren. Unter diesen Bedingungen können selbst
bei einer im Mittel des Schlages ausgeglichenen N-Bilanz auf Teilschlägen hohe N-Salden
und N-Verlustpotenziale auftreten. Mit einer teilflächenspezifischen N-Bilanzierung
können die tatsächlichen umweltrelevanten N-Verluste genauer quantifiziert werden.
Voraussetzung für die teilflächenspezifische N-Bilanzierung ist die Verfügbarkeit
georeferenzierter Daten zur N-Düngung, zu Erträgen und N-Entzügen. So können z. B.
Daten multispektraler Reflexionssensoren [MSH04], Satellitendaten [ES19] und
Mähdrescher mit einer integrierten Ertragserfassung [St02] zur Berechnung der Biomasse
und N-Aufnahme von Pflanzenbeständen genutzt werden.
2 Material und Methoden
2.1 Datenerfassung
Die für die Untersuchungen notwendigen Boden- und Pflanzenparameter wurden in den
Jahren 2018 und 2019 auf der 13 ha großen Ackerfläche „Bergfeld“ (Versuchsstation
Roggenstein, bei Fürstenfeldbruck, TU München) erhoben. Die untersuchten Böden
dieses Versuchsstandortes sind Cambisole mittlerer Güte. Im Mittel von dreißig Jahren
(1981 bis 2010) betrug der Jahresniederschlag 954 mm und die Temperatur im
Durchschnitt 8,5 o C. Das untersuchte Jahr 2018 zeichnete sich durch einen niedrigeren
Jahresniederschlag (867 mm) und eine deutlich höhere Durchschnittstemperatur aus (10,1
o C). Der Winterweizen wurde als Fruchtart gewählt, da Weizen auf unterschiedliche
Bodenqualitäten deutlich reagiert, die wichtigste Fruchtart mit der größten Anbaufläche
in der BRD ist und viele experimentelle Daten zur Ertragsbildung und N-Effizienz von
Weizen am Versuchsstandort vorliegen.
Zur Erfassung der Variabilität von Bodeneigenschaften wurden georeferenzierte
Bodenproben gezogen für die Laboranalyse von organischen Kohlenstoff (Corg) und
Gesamt-Stickstoff (Nt) am 01.04.2019 sowie für die Bestimmung des Nitrat-N-Vorrats
und des Wassergehalts am 09.04.2019. Um die Variabilität von Ertrag und N-Entzug als
Teilflächenspezifische N-Bilanzierung 183
Eingangsparameter der N-Bilanz räumlich differenziert zu erfassen, wurden Daten des
Jahres 2018 der Mähdrescherertragserfassung, Biomassehandschnitten sowie von
Reflexionsmessungen mit multispektralen Sensor verwendet.
2.2 Datenverarbeitung
Die Daten wurden in Raster gleicher Auflösung (10 m x 10 m, 1163 Rasterelemente) durch
Interpolation mit dem Kriging-Verfahren [Ma63] überführt. Hierbei wurde zuerst ein
Variogramm (Varianz der Daten nach Distanzklassen) der Daten erstellt, das den
räumlichen Zusammenhang der Variable (Spatial auto-correlation effect) zeigt. Für die
Datenanalyse wurden 10 m am Schlagrand weggeschnitten, um auszuschließen, dass
Daten für Teilflächen ausgewertet werden, die nicht zum Ackerschlag gehören. Im
Anschluss wurde eine Korrelationsanalyse basierend auf den Rasterelementen
durchgeführt, um Beziehungen zwischen den untersuchten Boden- und
Pflanzenparametern zu prüfen. Für räumliche Operationen und das Laden von Vektor-
oder Rasterdateien wurden die R-Bibliotheken rgdal, rgeos und raster genutzt.
Mit N-Bilanzen wurde der N-Saldo (kg ha-1 a-1) bestimmt:
N-Saldo = N-Input – N-Output (1)
Der N-Input ist die Mineral-N-Menge für den Winterweizen, die auf der
Untersuchungsfläche schlageinheitlich appliziert wurde (193 kg N ha-1). Der N-Output
entspricht dem Korn-N-Entzug. Der N-Entzug wurde bestimmt durch (a) Kornertrag nach
Volumenstrommessung am Mähdrescher, multipliziert mit dem N-Gehalt im Korn aus
Biomassehandschnitten und (b) über Reflexionsmessungen mit einem traktormontierten
Sensor, Berechnung des Vegetationsindex REIP und Verwendung eines Algorithmus zur
Schätzung der N-Aufnahme [Ma19]. Nebenprodukte (Stroh) wurden nicht geerntet und
daher nicht als N-Output berücksichtigt.
Der N-Saldo wurde für jedes Rasterelement berechnet.
3 Ergebnisse
3.1 Räumliche Variabilität von Bodenparametern
Bei allen untersuchten Bodenparametern zeigte sich eine große Schwankungsbreite. Der
Corg-Gehalt betrug 1,09 (0,67 – 1,49) %, der Nt-Gehalt 0,11 (0,07 – 0,17) % und der Nitrat-
N-Vorrat 40,1 (25,3 – 63,6) kg ha-1. Corg- und Nt-Gehalt wiesen ein ähnliches
Verteilungsmuster auf (Abbildung 1). Der in den Bodenproben ermittelte Wassergehalt
betrug 32 (25 – 38) g (100 g)-1. Besonders eng korrelieren die Corg und Nt - Gehalte (R² =
0,94). Der Wassergehalt der Bodenproben weist eine mittlere Beziehung mit dem Corg und
Nt-Gehalt auf (R² = 0,42 bzw. 0,51).
184 Martin Mittermayer
et al.
Abb. 1: „Bergfeld“ (13 ha): C
org
-Gehalt und N
t
-Gehalt
3.2 Teilflächenspezifische N-Bilanz
Die mit verschiedenen Methoden bestimmten N-Entzüge zeigen unterschiedliche
Schwankungsbreiten – Sensor: 169 (101 – 269) kg ha-1 bzw. Mähdrescher: 198 (121 –
309) kg ha-1 (Abbildung 2). Der mithilfe der Fuhrwerkswaage ermittelte mittlere
Kornertrag betrug 7,9 t ha-1, der mittlere Korn N-Entzug 157 kg ha-1. Der
teilflächenspezifische berechnete N-Saldo zeigte eine große Schwankungsbreite auf der
Ackerfläche. Der N-Saldo auf Grundlage der Mähdrescher-Ertragsdaten betrug 10 (-116
bis + 72) kg ha-1, der N-Saldo auf Grundlage des Sensors betrug 24 (-76 bis + 91) kg ha-1.
Zwischen den beiden Methoden der Stickstoffbilanzierung nach Sensor- und
Mähdrescherdaten wurde eine Beziehung von R² = 0,58 ermittelt. Die beiden Methoden
zur Bestimmung der N-Entzüge zeigten Zusammenhänge mit den Bodenparametern. So
weist die N-Aufnahme des Sensors eine Beziehung mit dem Corg-Gehalt von R² = 0,31;
mit dem Nt-Gehalt von R² = 0,36 und dem Wassergehalt der Bodenproben mit R² = 0,37
auf. Der Mähdrescher mit dem Corg-Gehalt R² = 0,36; mit dem Nt-Gehalt R² = 0,40 und
mit dem Wassergehalt der Bodenproben R² = 0,30.
Abb. 2: „Bergfeld“ (13 ha): Mähdrescherertragserfassung: N-Entzug Korn und N-Saldo
Teilflächenspezifische N-Bilanzierung 185
4 Diskussion und Ausblick
Die Witterungsbedingungen des Jahres 2018 führten zu einer großen Variabilität der
Erträge und N-Aufnahme (Abbildung 2), was durch die stark wechselnden
Bodenbedingungen (Abbildung 1) und der daraus folgenden differenzierten
Wasserverfügbarkeit zu erklären ist.
Die Untersuchungen zeigen eine hohe Variabilität der N-Salden auf einem einheitlich
gedüngten Schlag. Das bedeutet, dass auch bei einer ausgeglichenen N-Bilanz
umweltrelevante N-Verluste, z. B. Nitratausträge, auf Teilflächen auftreten können. Dies
wird an den räumlich variablen N-Salden (- 116 bis + 72 kg ha-1) 3 bzw. (-76 bis + 91 kg
ha-1) 4 deutlich. Der durchschnittliche N-Saldo der Ackerfläche lag bei 10 kg ha-1 bzw. 24
kg ha-1 und weist eine nahezu ausgeglichene Bilanz auf. Die Teilflächen mit hohen bzw.
negativen N-Salden werden bei einer schlageinheitlichen Bilanzrechnung somit nicht
sichtbar.
Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Methodik Mähdrescher-Ertrag multipliziert mit
dem N-Gehalt der Biomassehandschnitte die N-Aufnahme überschätzt (198 kg ha-1) im
Vergleich zur mittleren Korn N-Aufnahme, der mit dem durchschnittlichen Ertrag der
Fuhrwerkswaage ermittelt worden ist (157 kg ha-1). Dies kann an einer fehlerhaften
Kalibrierung des Mähdreschers liegen [St02] oder an der Multiplikation eines
Durchschnittswerts des N-Gehalts mit den Ertragsdaten des Mähdreschers. Der mittlere
Korn N-Entzug berechnet aus Reflexionsdaten [Ma19] liegt mit 169 kg ha-1 näher an der
Realität.
Zudem zeigen die Ergebnisse eindrucksvoll, dass in den positiven N-Salden ein
Einsparpotenzial der N-Düngungsmenge liegt und heterogene Ackerflächen
teilflächenspezifisch gedüngt werden sollten. Mit einer sensorgestützten N-Düngung ist
es möglich, während der Vegetation auf bereits überdüngte Teilflächen zu reagieren.
In diesem Beitrag wurde das Prinzip der teilflächenspezifischen N-Bilanzierung
vorgestellt. In weiteren Untersuchungen werden wir analysieren ob, a) die in dieser Arbeit
verwendeten Datenquellen und Methoden auch bei mehrjährigen Vergleichen und mit
unterschiedlichen Bedingungen in Bezug auf Kulturart, Klima und Bewirtschaftung (z. B.
langfristige organische Düngung) ähnliche Ergebnisse erzielen, b) bei einer
sensorgestützten teilflächenspezifischen N-Düngung im Vergleich zur schlageinheitlichen
N-Düngung eine geringere Variabilität der N-Salden (und insgesamt geringere N-
Verluste) auftreten, c) die berechneten N-Salden der Teilflächen tatsächlich
unterschiedliche Nitratausträge kennzeichnen (Messung der Nitratverluste).
3 Auf Grundlage der Mähdrescher-Ertragsdaten
4 Auf Grundlage des Sensors
186 Martin Mittermayer et al.
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