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Segregierte Schulmilieus, variierende Unterrichtsbedingungen und Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler. Eine Analyse mit Daten der Grundschulen in Rheinland-Pfalz 2015/16School segregation, varying instructional organization of schools and achievment of pupils. A study with primary school data of Rhineland-Palatinate

Authors:

Abstract

Zusammenfassung Auf der Grundlage der VERA3-Daten der Grundschulen in Rheinland-Pfalz wird der Zusammenhang zwischen der sozialen Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler der einzelnen Schulen und den durchschnittlichen Leistungen im Leseverstehen und in Mathematik analysiert. Besonders interessiert der vermittelnde Einfluss der schulstatistisch erfassten schul- und unterrichtsorganisatorischen Bedingungen, weil sie – im Gegensatz zu der familiären Situation der Schülerinnen und Schüler – schulpolitisch beeinflusst werden können. Neben deskriptiven Befunden wird ein Pfadmodell berechnet, in das die schulorganisatorischen Variablen als vermittelnde Prozessvariablen des Zusammenhangs zwischen Merkmalen der Schülerschaft und den gemessenen durchschnittlichen Leistungen enthalten sind.
OFFENER BEITRAG
https://doi.org/10.1007/s42278-020-00102-7
ZfG
Segregierte Schulmilieus, variierende
Unterrichtsbedingungen und Lernleistungen der
Schülerinnen und Schüler. Eine Analyse mit Daten der
Grundschulen in Rheinland-Pfalz 2015/16
Thorben Kraus · Horst Weishaupt · Ingmar Hosenfeld
Eingegangen: 6. Oktober 2020 / Angenommen: 4. November 2020
© Der/die Autor(en) 2021
Zusammenfassung Auf der Grundlage der VERA3-Daten der Grundschulen in
Rheinland-Pfalz wird der Zusammenhang zwischen der sozialen Zusammensetzung
der Schülerinnen und Schüler der einzelnen Schulen und den durchschnittlichen
Leistungen im Leseverstehen und in Mathematik analysiert. Besonders interessiert
der vermittelnde Einfluss der schulstatistisch erfassten schul- und unterrichtsorga-
nisatorischen Bedingungen, weil sie im Gegensatz zu der familiären Situation
der Schülerinnen und Schüler schulpolitisch beeinflusst werden können. Neben
deskriptiven Befunden wird ein Pfadmodell berechnet, in das die schulorganisato-
rischen Variablen als vermittelnde Prozessvariablen des Zusammenhangs zwischen
Merkmalen der Schülerschaft und den gemessenen durchschnittlichen Leistungen
enthalten sind.
Schlüsselwörter VERA3 · Schülerleistungen · Schulorganisatorische
Bedingungen · Schulstatistik · Nichtdeutsche Familiensprache · Lernmittelfreiheit
T. Kraus, M.A.
Zentrum für Empirische Pädagogische Forschung, Universität Koblenz-Landau,
Bürgerstr. 23, 76829 Landau i.d. Pfalz, Deutschland
E-Mail: Kraus@zepf.uni-landau.de
Prof. i. R. H. Weishaupt ()
DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation,
Rostockerstr. 29, 60323 Frankfurt am Main, Deutschland
E-Mail: weishaupt@dipf.de
Prof. I. Hosenfeld
Zentrum für Empirische Pädagogische Forschung, Pädagogisch-psychologische Bildungsforschung,
Universität Koblenz-Landau, Bürgerstr. 23, 76829 Landau i.d. Pfalz, Deutschland
E-Mail: hosenfeld@zepf.uni-landau.de
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School segregation, varying instructional organization of schools and
achievment of pupils. A study with primary school data of Rhineland-
Palatinate
Abstract Drawing on data from the VERA3 study of primary schools in Rhineland-
Palatinate, the authors analyze the correlation between social compositions of stu-
dents in individual schools and average reading and mathematics achievement. Par-
ticular attention is paid to the mediating influence of school statistically relevant
conditions of school and instructional organization, which—other than the family
background—can be influenced by educational policy-making.Alongside presenting
descriptive ndings, the authors calculate a path model which contains the school
organizational variables as mediating process variables of the correlation between
student population variables and measured average achievement.
Keywords VERA3 · Student achievement · School organizational conditions ·
School statistics · Non-German language spoken at home · Free learning material
1 Einleitung und Forschungsfragen
Die räumliche Konzentration sozialer Gruppen gewinnt in den letzten Jahren in den
Bemühungen um die Verringerung sozialer Benachteiligung im Schulwesen wach-
sende Aufmerksamkeit. Die sich verschärfenden Probleme am Wohnungsmarkt in
vielen Großstädten markieren nur die jüngste Zuspitzung eines langfristigen Pro-
zesses zunehmender Segregation und damit auch sozialer Entmischung, die sich im
Schulwesen noch verstärkt zeigt. Aus der Stadtsoziologie sind die sozialen Dispari-
täten innerhalb der Städte und fortschreitende Prozesse der sozialen Differenzierung
bekannt und in ihren Auswirkungen auf Lebensbedingungen und -chancen unstrit-
tig (s. zusammenfassend: Sundsboe 2015). Neben innerstädtischen Disparitäten sind
auch Stadt-Land-Unterschiede zu beachten (Beierle et al. 2019), die vor allem durch
unterschiedliche Lebensstile gekennzeichnet werden können, durch Unterschiede in
den vorherrschenden Familien-, Haushalts- und Wohnformen (Eigentum/Miete, Ein-
Mehrfamilienhaus). Außerdem gibt es eine große Stabilität in den sozialen Unter-
schieden an den Schulen, wie beispielsweise eine Langzeitstudie zum Ruhrgebiet
eindrucksvoll zeigen konnte (Jeworutzki et al. 2017). Überblicksanalysen verdeut-
lichen, dass es sich dabei um keine Randerscheinung des Schulsystems handelt,
sondern schätzungsweise bundesweit ein Viertel der Schülerinnen und Schüler an
Grundschulen in relativ stark segregierten schulischen Milieus mit einem hohem
Anteil von SGBII-Empfängern und/oder Migranten unterrichtet werden (Weishaupt
2016, S. 359). Zahlreiche Forschungsbefunde verweisen inzwischen darauf, dass die
Segregation zwischen den Grundschulen größer ist als die Wohnsegregation (s. bei-
spielsweise: Morris-Lange et al. 2013, S. 7ff.). Dafür sind die zunehmende Zahl
von Privatschulen, die sozial segregierend wirken (Klemm et al. 2018, S. 38–41),
und die Möglichkeiten der Umgehung des Besuchs der zuständigen Schule über Ge-
stattungen und die Aufhebung von Schulbezirken verantwortlich (Finke und Lange
2012). In den Städten hat ein hoher Anteil von privaten Grundschulen aber eine ab-
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schwächende Auswirkung auf die Wohnsegregation (Helbig und Jähnen 2018). Die
vorliegenden Forschungsbefunde legen es nahe, sozialräumliche Unterschiede über
Schülermerkmale der jeweiligen Schule zu erfassen und nicht über Merkmale des
Bezirks, in dem die Schule gelegen ist (Morris-Lange et al. 2013, S. 17; Schuchart
et al. 2012).
Die Konzentration von Schülerinnen und Schülern unterer Sozialgruppen an
Schulen führt so zeigt vor allem die internationale Forschung häufig noch zu
einer Verstärkung sozial benachteiligender Faktoren (Ditton und Krüsken 2006;Du-
mont et al. 2013). Dazu tragen vermutlich neben Merkmalen sozialen Verhaltens
(geringe Leistungserwartungen an die Schülerinnen und Schüler, nicht an die schu-
lische Situation angepasste Schulkultur etc., Bremm 2020) sozial benachteiligende
schulorganisatorische und personelle Bedingungen bei.
Bezogen auf die Grundschule mehren sich die Forschungsbefunde, die Zweifel
daran aufkommen lassen, dass die Schulverwaltung konsequent wenigstens auf glei-
che schulorganisatorische und personelle Bedingungen an allen Schulen achtet. In
den Ländern Hessen und Nordrhein-Westfalen sollen „sozial belastete Schulen“ bes-
ser personell ausgestattet werden. Doch lassen sich keine oder sogar negative Effekte
einer belastenden sozialen Situation auf die Personalausstattung der Grundschulen
nachweisen (Weishaupt und Kemper 2016; Weishaupt 2018a). Schon vor mehre-
ren Jahren gab es durch Presseartikel Hinweise darauf, dass „Schulen in einem
sozioökonomisch benachteiligten Umfeld erstens größere Schwierigkeiten haben,
den Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und zweitens dauerhaft
einen hohen Anteil von erkrankten Lehrkräften verbuchen“ (Sundsboe 2015,S.57).
Hinzu kommen eine oft größere Fluktuation unter den Lehrkräften und bei den
Schulleitungsstellen (Bremm et al. 2016, S. 331). In einer neuen Studie konnte
die Konzentration von Seiteneinsteigern unter den Lehrkräften in Schulen mit ei-
ner durchschnittlich niedrigen sozialen Lebenslage der Schülerinnen und Schüler
nachgewiesen werden (Richter et al. 2018). Im Rahmen der IQB-Erhebungen wurde
beobachtet, dass fachfremder Unterricht in Deutsch und Mathematik verstärkt an
Grundschulen mit einem hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrati-
onshintergrund oder einem niedrigen durchschnittlichen kognitiven Leistungsniveau
vorkommt (Ziegler und Richter 2017, S. 149). Die Beispiele von Hessen und Nord-
rhein-Westfalen zeigen, dass intendierte Maßnahmen nicht umgesetzt wurden. In
Berlin, wo durch Zusatzzuweisungen von Personal für Sprachförderung und für die
Förderung von armen Kindern ebenfalls eine bessere Personalausstattung der Schu-
len mit dem Bedarf an Fördermaßnahmen zu erwarten ist, zeigt eine Auswertung der
Daten der Schulstatistik: „Insgesamt kommen wir zu dem Befund, dass die sozial
am stärksten benachteiligten Schulen auch die ungünstigsten Rahmenbedingungen
aufweisen. An sozial benachteiligten Schulen ist die Personalabdeckung schlech-
ter, Unterricht muss häufiger vertreten werden oder fällt aus und an ihnen arbeiten
mehr Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium als an Schulen mit einer besseren sozialen
Zusammensetzung. Zudem sind an diesen Schulen die in den Schulinspektionen
gemessenen Qualitätsbereiche schlechter“ (Helbig und Nikolai 2019, S. 25–26).
Diese Befunde sind für die Verringerung sozialer Benachteiligungen deshalb von
besonderem Interesse, weil Unterschiede in der Personalausstattung und den Rah-
menbedingungen des Unterrichts der Schulen unmittelbar Folgen der schulpoliti-
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schen Steuerung sind und nicht, wie die soziale Lage und Herkunft der Familie
der Schülerinnen und Schüler der schulpolitischen Steuerung entzogen. Bemerkens-
wert ist aber, dass in der Schulleistungsforschung in Deutschland der vermittelnde
Einfluss schulorganisatorischer und personeller Bedingungen auf die Schülerleistun-
gen kaum untersucht wurde, weil beispielsweise eine Verknüpfung der Daten der
IQB-Erhebungen mit Daten der Schulstatistik zu den schulorganisatorischen Be-
dingungen und der Personalausstattung an den Schulen bislang ausgeschlossen ist1.
Teilweise erschwert die Ziehung sehr kleiner Stichproben an den einzelnen Schulen
entsprechende Analysen. Umso wichtiger erscheint es, Möglichkeiten zu nutzen, der
Schulpolitik Hinweise zu geben, mit welchen schulpolitischen Steuerungsimpulsen
sie den Zusammenhang von sozialer Lage und Schülerleistungen verringern kann.
Rheinland-Pfalz bietet für die Analyse dieses Anliegens eine günstige schulsta-
tistische Datenbasis. Außerdem haben bisherige Studien zu den personellen und
schulorganisatorischen Bedingungen an den Schulen in Rheinland Pfalz einige Hin-
weise auf Zusammenhänge zwischen den sozialen Bedingungen an den Schulen,
dem Anteil der Inklusionsschülerinnen und -schülern und schulorganisatorischen
und personellen Bedingungen an den Schulen geführt (Weishaupt 2018b, 2020).
Außerdem konnte dort der Zugang zu den Daten der VERA3-Erhebung im Schul-
jahr 2015/16 erreicht werden2, und damit zu Leistungsdaten nahezu aller öffentlichen
Grundschulen in Deutsch und Mathematik, um sie mit den schulstatistischen Daten
für Analysen auf Schulebene zu verknüpfen. Die Zielrichtung der dadurch ermög-
lichten Analysen lässt sich anhand folgender Forschungsfragen erläutern:
1. Gibt es Leistungsunterschiede zwischen Schulen in Abhängigkeit von dem Anteil
der Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher Familiensprache/Befreiung von
der Lernmittelbezahlung? Wie wirkt sich der Anteil von Schülerinnen und Schü-
lern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf die durchschnittliche Leistung
der Schülerinnen und Schüler ohne sonderpädagogischen Förderbedarf aus? Gibt
es verstärkende Effekte, wenn zwei oder alle drei Faktoren zusammenkommen?
2. Wie groß sind die Leistungsunterschiede? Sind die Unterschiede zwischen dem
Leseverstehen und Mathematik unterschiedlich stark?
3. Gibt es einen vermittelnden Einfluss der schulorganisatorischen Bedingungen
und der Personalausstattung auf die durchschnittlichen Schülerleistungen an den
Grundschulen?
Nachfolgend beschreiben wir zunächst die der Studie zugrunde liegenden schul-
statistischen Daten und das Datenmaterial der VERA3-Erhebung. Anschließend er-
läutern wir die methodischen Schritte der Analysen. Nach der Präsentation der Er-
gebnisse ziehen wir ein Fazit.
1So das Ergebnis der Recherchen beim FDZ des IQB, weil die offiziellen Schulnummern nach der Erhe-
bung und vor der Weitergabe an das IQB entfernt werden. Es gibt auch keine Absprache über die Bereit-
stellung einzelschulischer schulorganisatorischer Daten der Schulstatistik (orientiert am Kerndatensatz der
KMK), die den Daten vor der Weitergabe an das IQB zugespielt werden könnten.
2Ermöglicht wurde diese Studie durch den Rechtsschutz der Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft, der
unser Dank gilt. Dadurch wurde der Zugang zu den VERA-Daten in Kooperation mit dem zepf ermöglicht.
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2 Zum Datenmaterial der Studie
Rheinland-Pfalz hat seine Schulstatistik frühzeitig entsprechend der Absprachen
in der Kultusministerkonferenz auf eine Individualstatistik umgestellt (Mundelius
2019), orientiert an dem zwischen den Ländern vereinbarten Kerndatensatz. Vor
allem sind diese Daten aber auch in vollem Umfang der Forschung zugänglich,
während andere Länder den Zugang zu verfügbaren Daten der Schulstatistik ver-
weigern, weil der Forschungszugang zur Schulstatistik als Behördenstatistik der
Kultusministerien nach Landesrecht teilweise nicht geregelt ist (Hanschmann und
Weishaupt 2017).
2.1 Merkmale der Zusammensetzung der Schülerschaft
Die Berücksichtigung der sozialen Lage der Schülerinnen und Schüler ist über die
Schulstatistik nicht umstandslos möglich, weil sie keine Angaben zum Beruf, Ein-
kommen und Bildungsniveau der Eltern vorsieht, den zentralen Indikatoren zur Be-
stimmung der sozialen Lage. Deshalb wird der Migrationshintergrund und speziell
die nichtdeutsche Familiensprache als Ersatzmerkmal herangezogen. Dabei ist zu
beachten, dass Migrantinnen und Migranten sich in Deutschland im Vergleich zu
Nichtmigrantinnen und Nichtmigranten im Durchschnitt in einer deutlich niedrige-
ren sozialen Position befinden, die auch in einem niedrigeren Bildungsstand und
häufigerer Armut zum Ausdruck kommt (Autorengruppe Bildungsberichterstattung
2016, S. 168–169). Doch sind die Angaben zum Migrationshintergrund kein wirk-
lich befriedigender Ersatzindikator. Er kennzeichnet nicht nur einen durchschnittlich
niedrigeren sozialen Status der Schülerinnen und Schüler, sondern auch kulturelle
Unterschiede. Hinzu kommt, dass die Schulstatistik keine Merkmale der Eltern der
Schülerinnen und Schüler erhebt, wodurch sich häufig Untererfassungen gegenüber
der Einwohnerstatistik ergeben (Kemper 2017). Im Schuljahr 2015/16 hatten nach
der Schulstatistik in Rheinland-Pfalz 25,5% der Grundschülerinnen und Grundschü-
ler einen Migrationshintergrund, nach dem Mikrozensus von 2015 aber 36,3% der
Kinder zwischen 6 und 9 Jahren (Weishaupt 2018b, S. 260) und nach der IQB-Er-
hebung 37,2% der befragten Viertklässlerinnen und Viertklässler (Rjosk et al. 2017,
S. 242), nur etwa 70% der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund
werden folglich von der Schulstatistik erfasst3. 24,4 % der Grundschülerinnen und
Grundschüler hatten eine nichtdeutsche Familiensprache4. Da mit diesem Indikator
3Nach der Bevölkerungsstatistik und der IQB-Erhebung hat ein Kind einen Migrationshintergrund, wenn
wenigstens ein Elternteil im Ausland geboren ist oder eine nichtdeutsche Staatsbürgerschaft hat. Nach der
Schulstatistik muss die Schülerin/der Schüler eines der folgenden drei Merkmale aufweisen: im Ausland
geboren, keine deutsche Staatsbürgerschaft, eine nichtdeutsche Familiensprache.
4Die Tatsache, dass 96% der von der Schulstatistik erfassten Grundschülerinnen und Grundschüler mit
Migrationshintergrund eine nichtdeutsche Familiensprache haben, lässt an der Validität der Angaben zum
Migrationshintergrund zweifeln. Bei den ausländischen Schülern stimmen die Angaben zwischen Mi-
krozensus und Schulstatistik zu 92 % überein (8,4 zu 7,7%). Die Kindertagesstättenstatistik erfasst, ob
wenigstens ein Elternteil aus dem Ausland zugewandert ist. Von den 3 bis unter 6-jährigen Kindern in
Kindertageseinrichtungen in Rheinland-Pfalz hatten 2015 34,1 % mindestens ein zugewandertes Elternteil
(Weishaupt 2018b).
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auch ein durchschnittlich höherer Sprachförderbedarf verbunden ist, wird er hier als
erstes Merkmal der sozialen Lage der Schülerinnen und Schüler verwendet.
Als Indikator für eine niedrige soziale Lage kann in Rheinland-Pfalz zweitens
der Anteil der Schülerinnen und Schüler herangezogen werden, denen nach der
,Landesverordnung über die Lernmittelfreiheit und die entgeltliche Ausleihe von
Lernmitteln‘ bei Unterschreitung bestimmter Einkommensgrenzen die Lernmittel
auf Antrag kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die darüber im Kultusminis-
terium geführte Statistik nach einzelnen Schulen wurde auf Anfrage zur Verfügung
gestellt. Der Anteil der Empfänger dieser Leistungen unter den Grundschülerinnen
und -schülern ist im Schuljahr 2015/16 mit 25,6% etwa doppelt so hoch wie der
Anteil der Empfänger von Hilfen zum Lebensunterhalt von 6 bis 9 Jahren in Rhein-
land-Pfalz von 12,7% (Dezember 2015). Der Vorteil dieses Indikators ist der direkte
Bezug zu den Schülerinnen und Schülern einzelner Schulen, während die Daten zu
den Leistungsempfängern nach dem SGB II nur für Gemeinden und Stadtteile, in
denen Schulen gelegen sind, zur Verfügung stehen.
Die beiden Indikatoren zur nichtdeutschen Familiensprache und dem Anteil der
Schülerinnen und Schüler mit Lernmittelfreiheit sollen die sozialen Bedingungen an
den einzelnen Schulen erfassen. Zwischen beiden Indikatoren besteht auf der Basis
der analysierten öffentlichen Grundschulen eine Korrelation von r= 0,643, also ein
sehr hoher Zusammenhang.
Mit dem Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem
Förderbedarf5wird ein weiteres Merkmal der Zusammensetzung der Schülerinnen
und Schüler der einzelnen Schulen berücksichtigt, das spezifische pädagogische Be-
dingungen der Unterrichtsorganisation erfasst. Drei Viertel der Inklusionsschülerin-
nen und -schüler an Grundschulen in Rheinland-Pfalz haben den Förderschwerpunkt
Lernen. Unter diesen Schülerinnen und Schülern sind Kinder unterer Sozialgruppen
überrepräsentiert. Folglich besteht ein positiver Zusammenhang zwischen dem An-
teil von Inklusionsschülerinnen und -schülern und dem Anteil von Schülerinnen und
Schülern mit Lernmittelbefreiung (r = 0,227) und nichtdeutscher Familiensprache
(r= 0,168) an den einzelnen Grundschulen. Die Schulen mit einer durchschnittlich
niedrigen sozialen Lage der Schülerinnen und Schüler stehen dadurch überzufällig
häufig durch die ebenfalls zu unterrichtenden Inklusionsschülerinnen und -schüler
vor vielfältigen und nicht selten divergenten pädagogischen Herausforderungen.
Den Merkmalen der Zusammensetzung der Schülerschaft werden durch die
Schulstatistik verfügbare Informationen zu den schulorganisatorischen und perso-
nellen Bedingungen an den einzelnen Schulen gegenübergestellt. Die Kultusmi-
nisterkonferenz berichtet regelmäßig in ihren Statistiken zur Schulentwicklung die
Zahl der Schüler je Klasse und die Zahl der wöchentlich erteilten Unterrichtsstun-
den je Schüler und je Klasse (Sekretariat der KMK 2020). Zur Klassengröße gibt
es zahlreiche und im Ergebnis nicht einheitliche Forschungsbefunde (s. Avenarius
et al. 2003, S. 110–115). Bezogen auf die erteilten Unterrichtsstunden werden hier
die Unterrichtsstunden je 100 Schülerinnen und Schüler verwendet, weil dieser
5Bei Schulen mit nur einem oder zwei Inklusionsschülerinnen und -schülern wurde die Häufigkeit bei der
Lieferung der Daten aus Datenschutzgründen unterdrückt und durch den Wert 1,51 ersetzt, der zur Summe
der statistisch ausgewiesenen Grundschüler an Inklusionsschulen führt.
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Indikator nicht durch unterschiedliche Klassenfrequenzen beeinflusst wird und da-
mit unabhängig von einzelschulischen Entscheidungen zum Personaleinsatz deren
Verfügbarkeit je Schüler anzeigt. Zusätzlich steht der Anteil des von nicht vollqua-
lifizierten Lehrkräften6erteilten Unterrichts an den Wochenunterrichtsstunden zur
Verfügung.
2.2 Merkmale der Schulorganisation
Zusätzlich über die Schulstatistik verfügbare schulorganisatorische Merkmale sind
die Schulgröße (erfasst über die Schülerzahl), Ganztagsangebote an der Schule (ja/
nein), die Angabe, ob es sich um eine Schwerpunktschule zur sonderpädagogischen
Förderung (ja/nein) handelt und ob es an der Schule jahrgangsübergreifende Klassen
gibt (ja/nein).
Die schulorganisatorischen Merkmale sind teilweise untereinander hoch korre-
liert. Deshalb werden die Schulgröße und die Bezeichnung als Schwerpunktschule
im Folgenden nicht mehr berücksichtigt, denn die durchschnittliche Klassengröße
korreliert stark mit der Schülerzahl der Schulen (r= 0,711) und ebenso das Merkmal
Schwerpunktschule mit dem Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpäd-
agogischem Förderbedarf (r = 0,813).
Zwischen den Merkmalen zur Zusammensetzung der Schülerinnen und Schü-
ler der Schulen und den schulorganisatorischen und personellen Bedingungen be-
stehen Zusammenhänge, die es sinnvoll erscheinen lassen, sie in ihren Einflüssen
auf die Schülerleistung weiter zu untersuchen. Meist stimmen die Zusammenhänge
zwischen Merkmalen der Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler an den
Schulen und den schulorganisatorischen Bedingungenüberein (s. Tab. 1): mit der Zu-
nahme des Anteil der Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher Familiensprache,
mit Lernmittelfreiheit oder dem Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonder-
Tab . 1 Zusammenhänge zwischen Merkmalen der Zusammensetzung der Schülerschaft und
schulorganisatorischen Bedingungen an den Grundschulen in Rheinland-Pfalz 2015/16 (N= 872)
Anteil der Schülerinnen und Schüler mit ...
Schulorganisatorische Merkmale Lernmittel-
freiheit
Nichtdeutscher
Familiensprache
Sonderpädagogischem
Förderbedarf
Schulen mit Ganztagsangeboten 0,268** 0,261** 0,183**
Wöchentlich erteilte Unterrichts-
stunden je 100 Schüler*innen
0,104** –0,096** 0,472**
Schüler*innen je Klasse 0,260** 0,410** 0,187**
Jahrgangsübergreifende Klassen –0,139** –0,235** –0,084
Von nicht voll qualifizierten Lehr-
kräften erteilter Wochenstunden-
anteil
0,032 0,016 0,060*
*p<0,05; **p<0,01
6Dabei handelt es sich um Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium und ohne Vorbereitungsdienst und sonstige
Lehramtsprüfung (z. B. im Ausland erworbene), Pädagogische Fachkräfte mit Zusatzbefähigung in Sonder-
pädagogik, Lehramtsanwärter/Quer-/Seiteneinsteiger/-in mit angestrebtem Abschluss LA an Grund- und
Hauptschulen, Förderschulen oder Realschulen, Referendar/Quer-/Seiteneinsteiger/-in mit angestrebtem
Abschluss Lehramt an Gymnasien oder berufsbildenden Schulen.
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pädagogischem Förderbedarf nimmt die Häufigkeit eines ganztägigen Angebots an
den Schulen zu, es steigt aber auch die durchschnittliche Zahl der Schüler je Klasse.
Grundschulen mit jahrgangsübergreifenden Klassen sind durchschnittlich günstiger
sozial zusammengesetzt. Unterschiedlich ist die Situation bei den wöchentlich er-
teilten Unterrichtsstunden je 100 Schüler: An Schulen mit einem hohen Anteil von
Schülerinnen und Schülern mit Lernmittelfreiheit ist auch die Lehrkräfteversorgung
durchschnittlich besser, an Schulen mit einem hohen Anteil von Schülerinnen und
Schülern mit nichtdeutscher Familiensprache eher schlechter. Ein Anstieg der erteil-
ten Unterrichtsstunden ist mit der Zunahme des Anteils der Inklusionsschülerinnen
und -schüler verbunden. Der Anteil des von nicht voll qualifizierten Lehrkräften
erteilten Unterrichts variiert unabhängig von der sozialen Situation der Schülerin-
nen und Schüler an den Grundschulen und variiert nur leicht mit dem Anteil der
Inklusionsschülerinnen und -schüler.
2.3 Leistungsdaten aus Vergleichsarbeiten
Die Vergleichsarbeiten sind eingebunden in die Gesamtstrategie zum Bildungsmo-
nitoring der KMK (2006,2016) als ein „Verfahren zur Qualitätssicherung auf Ebene
der Schulen“ (KMK 2016, S. 13). Sie sollen den Schulen einerseits eine Stand-
ortbestimmung in Bezug auf die Bildungsstandards ermöglichen und andererseits
helfen, die kompetenzbezogenen Konzepte der Bildungsstandards zu vermitteln. Sie
stellen so einen Impuls für die innere Schulentwicklung dar. Dennoch werden die
Erhebungsergebnisse auch für weitergehende Analysen (Laschke 2010) und für lan-
desweite Auswertungen verwendet (z.B. Bayerisches Landesamt für Schule 2018,
S. 89–93). Rheinland-Pfalz hat bisher auf landesweite Ergebnisdarstellungen ver-
zichtet.
Die Vergleichsarbeiten in Jahrgangsstufe 3 werden in Rheinland-Pfalz verpflich-
tend für alle öffentlichen Grundschulen als Paper-Pencil-Test durchgeführt, wobei
für alle Schülerinnen und Schüler des Landes identische Testhefte zum Einsatz kom-
men. Für das Schuljahr 2015/2016 stehen für alle Schulen Leistungsmaße für das
Leseverständnis und Mathematik (mit den Leitideen Zahlen & Operationen sowie
Muster & Strukturen) zur Verfügung. In die hier vorgelegten Analysen gingen alle
öffentlichen Grundschulen ein, die einer Nutzung Ihrer Daten innerhalb einer Wi-
derspruchsfrist zu Beginn des Schuljahres 2019/2020 nicht widersprochen haben.
Insgesamt 39 Grundschulen (4,28 %) widersprachen der Verwendung ihrer Daten.
Für die Rückmeldungen der Vergleichsarbeiten werden die Schülerleistungen im
Rahmen einer IRT-Skalierung anhand der vom IQB in Pilotierungsstudien ermit-
telten Itemparameterschätzungen bestimmt und auf der Ebene der Zuordnung zu
den Kompetenzstufen der Bildungsstandards den Schulen mitgeteilt. Für die hier
berichteten Analysen wird auf die rohen Personenparameterschätzer (d.h. vor der
Transformation auf die Metrik der Bildungsstandards) zugegriffen. Diese wurden
im ersten Arbeitsschritt auf Schulebene aggregiert, wobei für Mathematik die Para-
meter der beiden Inhaltsbereiche gemittelt wurden. Schülerinnen bzw. Schüler die
durch ihre Lehrkräfte mit sonderpädagogischem Förderbedarf ausgewiesen wurden,
gehen nicht mit in die Analyse ein.
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Tab . 2 Kennwerte der verwendeten Indikatoren (Mittelwerte ungewichtet)
Min 1. Quar-
til
Median Mittelw 3. Quar-
til
Max SD
Leseverstehensleistung –1,97 0,02 0,38 0,39 0,79 2,33 0,61
Streuung der Leseverste-
hensleistung
0,46 1,17 1,30 1,30 1,43 2,51 0,22
Teilnahmequote Leseverste-
hen
0,47 0,91 0,95 0,94 1 1 0,07
Mathematikleistung –2,01 –0,45 –0,12 –0,11 0,23 1,88 0,52
Streuung der Mathematik-
leistung
0 1,39 1,57 1,58 1,77 2,98 0,32
Teilnahmequote Mathematik 0,4 0,92 0,95 0,94 1 1 0,07
Anteil der Schülerinnen und
Schüler mit Lernmittelfrei-
heit
0 14,03 20,00 22,52 28,52 73,53 12,40
Anteil der Schülerinnen und
Schüler mit nichtdeutscher
Familiensprache
0 4,62 13,55 19,11 29,24 93,91 18,21
Anteil der Schülerinnen und
Schüler mit sonderpädagogi-
schem Förderbedarf
0 0 0 1,102 0 16,45 2,59
Schulen mit Ganztagsange-
boten
00 0 0,351 10,48
Wöchentlich erteilte Unter-
richtsstunden je 100 Schü-
ler*innen
106 136,5 150 152,7 163,6 281,8 22,94
Schüler*innen je Klasse 9,50 15,75 17,59 17,60 19,50 24,94 2,44
Jahrgangsübergreifende
Klassen
00 0 0,120 10,32
Von nicht voll qualifizier-
ten Lehrkräften erteilter
Wochenstundenanteil
0 0 3,20 3,85 5,70 36,30 4,04
2.4 Verwendeter Datensatz
Im zweiten Arbeitsschritt wurden diese Leistungsinformationen mit den aus den
Schulstatistiken gewonnen Daten zusammengeführt und alle Fälle eliminiert, für
die eines der beiden Datenpakete fehlte. Der so gewonnene Datensatz umfasst In-
formationen zu 872 öffentlichen Grundschulen in Rheinland-Pfalz7.Tab.2enthält
deskriptive Daten zu den im Weiteren genutzten Variablen8.
In Tab. 3sind die Zusammenhänge zwischen den VERA3-Ergebnissen, den
Merkmalen der Schulzusammensetzung und den schulorganisatorischen Merkma-
7Da in allen Schulen mit sehr wenigen Schülerinnen und Schülern in der dritten Jahrgangsstufe min-
destens 2/3 (Mittelwert: 98 %) tatsächlich auch an der VERA-Testung teilgenommen haben, stellen die
ermittelten Schulwerte trotz kleiner Fallzahlen relativ zuverlässige Schätzungen dar und wurden daher
nicht aus dem Datensatz entfernt.
8Die Variable „Schülerzahl je Klasse“ ist normalverteilt, die weiteren metrischen Variablen sind mehr
oder weniger linkssteil, weil niedrige Werte unterhalb des arithmetischen Mittelwerts überwiegen. Die
Variablen zur Ganztagsschule und jahrgangsübergreifenden Klassen sind dichotom (ja/nein).
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len dargestellt. Die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler werden über den
Leistungsmittelwert der Schülerinnen und Schüler (M) und über die Streubreite
(SD) der Schülerleistungen bei den VERA3-Erhebungen erfasst. Zusätzlich wird
der Anteil der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt, der an den Schulen an den
Leistungserhebungen teilgenommen hat (TN-quote). Zwischen den Schülerleistun-
gen und der durchschnittlichen sozialen Lage der Schülerinnen und Schüler einer
Schule (Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Lernmittelfreiheit bzw. nichtdeut-
scher Familiensprache) gibt es die erwarteten hohen negativen Korrelationen. Als
Folge der durchschnittlich niedrigeren sozialen Lage der Schülerinnen und Schüler
der Schulen mit einem hohen Anteil von Inklusionsschülerinnen und -schülern fallen
dort die Leistungsergebnisse eher ungünstig aus. Auffällig sind die größeren schulin-
ternen Leistungsstreuungen an Schulen mit hohem Anteil von Inklusionsschülern,
obwohl diese Schülerinnen und Schüler selbst (insgesamt 696) bei den Analysen
nicht berücksichtigt wurden. Schließlich sind die Zusammenhänge zwischen sozia-
ler Situation der Schülerinnen und Schüler an den Schulen und der Teilnahmequote
an den VERA-Erhebungen beachtenswert, weil mit abnehmender durchschnittlicher
sozialer Lage der Schülerinnen und Schüler die Teilnahmequote an den Schulen
sinkt.
Bemerkenswert ist außerdem der nicht nennenswerte Zusammenhang zwischen
den erteilten Unterrichtsstunden je Schüler und den Schülerleistungen. Während
demnach die personelle Ausstattung der Schulen keinen Zusammenhang mit den
durchschnittlichen Schülerleistungen an den Schulen zeigt, bestehen sie zwischen
durchschnittlicher Schülerleistung und den schulorganisatorischen Bedingungen.
In größeren Klassen sind die Schülerleistungen tendenziell schlechter, in Schu-
len mit jahrgangsübergreifenden Klassen eher besser. Der negative Zusammen-
hang zwischen einem Ganztagsangebot und den durchschnittlichen Schülerleistun-
gen lässt sich darauf zurückführen, dass Ganztagsangebote eher an Schulen mit einer
durchschnittlich niedrigeren sozialen Lage der Schülerinnen und Schüler existieren
(s. Tab. 1).
3 Ergebnisse
Bezogen auf die erste Fragestellung verdeutlichen die Korrelationskoeffizienten
(Tab. 3), dass mit dem Anteil der Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher
Familiensprache die Vorhersage des Leseverstehens (Varianzaufklärung 16%) bes-
ser gelingt als für Mathematik (Varianzaufklärung knapp 11%). Noch besser gelingt
die Vorhersage der VERA3-Ergebnisse mit dem Anteil der Schülerinnen und Schü-
ler mit Lernmittelbefreiung. Auch hier ist die Vorhersage der Leseverstehensleistung
(Varianzaufklärung 23 %) besser als die Vorhersage der Mathematikleistung (Vari-
anzaufklärung 20%).
Die Addition der beiden Prädiktoren (s. Tab. 4) zeigt, dass die beiden Prädiktoren
zu einem erheblichen Anteil die gleiche Varianz aufklären. Der Gewinn an zusätzlich
aufgeklärter Varianz beträgt für das Leseverstehen 1,4%, für Mathematik hingegen
nur etwa 0,3%. Der Vergleich der Beta-Koeffizienten weist aus, dass die Lernmit-
telbefreiung die prädiktionsmächtigere Variable ist, wobei die Reduktion des Beta-
K
Segregierte Schulmilieus, variierende Unterrichtsbedingungen und Lernleistungen der...
Tab . 3 Zusammenhänge (Korrelationskoeffizienten) zwischen Merkmalen der Zusammensetzung der
Schülerschaft, schulorganisatorischen Bedingungen an den Grundschulen und den bei VERA3 erfassten
Leistungen in Deutsch und Mathematik in Rheinland-Pfalz 2015/16
Erfasste Merkmale der
Schülerleistung
Leseverstehensleistung Mathematikleistung
Merkmale der Zusammenset-
zung der Schulen und schulor-
ganisatorische Merkmale
MSDTN-
quote
MSDTN-
quote
Anteil mit Lernmittelfreiheit –0,469** 0,052 –0,288** –0,436** 0,049 –0,261**
Anteil mit nichtdeutscher
Familiensprache
–0,391** 0,061 –0,184** –0,320** 0,053 –0,187**
Anteil mit sonderpädagogi-
schem Förderbedarf
–0,108** 0,079* –0,229** –0,110** 0,095** –0,187**
Schulen mit Ganztagsangebo-
ten
–0,183** 0,109** –0,148** –0,207** 0,070* –0,159**
Wöchentlich erteilte Unter-
richtsstunden je 100 Schü-
ler*innen
–0,016 0,038 –0,090** –0,006 –0,022 –0,058
Schüler*innen je Klasse –0,144** 0,067* –0,136** –0,173** 0,078* –0,131**
Jahrgangsübergreifende Klas-
sen
0,084* –0,031 0,101** 0,096** –0,066 0,067*
Von nicht voll qualifizierten
Lehrkräften erteilter Wochen-
stundenanteil
–0,076* 0,068* –0,053 –0,056 –0,024 –0,054
*p<0,05; **p<0,01
Tab . 4 Multiple Regression der Schulleistungsmittelwerte auf die Prädiktoren der sozialen Situation der
Schülerinnen und Schüler
Kriteriumsvariable Leseverstehensleistung Mathematikleistung
Prädiktoren Beta pBeta p
1. Anteil mit nichtdeutscher Familien-
sprache
–0,159 0,000 –0,067 0,093
2. Anteil mit Lernmittelfreiheit –0,371 0,000 –0,393 0,000
–R
2Adj. R2R2Adj. R2
Varianzaufklärung 23,39% 23,21 % 19,28 % 19,10 %
Koeffizienten (gegenüber den bivariaten Zusammenhängen; s. Tab. 3) für die Ma-
thematikleistung geringer ausfällt als für die Leseverstehensleistung. In Analysen
unter Einbezug des Anteils von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogi-
schem Förderbedarf, erweist sich diese Variable als nicht weitergehend signifikant
prädiktiv für die Schülerleistung (hier nicht weiter dargestellt). Im Rückbezug auf
die Fragestellung 1 zeigt sich also, dass sowohl der Anteil mit nichtdeutscher Fa-
miliensprache als auch der Anteil mit Lernmittelfreiheit auch in der gemeinsamen
Betrachtung in engem Zusammenhang mit der Leistung stehen, es also zu einem
additiven Zusammenwirken kommt. Demgegenüber erklärt der Anteil von Schüle-
rinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bei gemeinsamer Be-
trachtung keine weiteren Anteile der Leistungsunterschiede.
K
T. Kr aus e t a l.
Tab . 5 Multiple Regression der Schulleistungsmittelwerte auf die Prädiktoren der sozialen Situation der
Schülerinnen und Schüler unter Einbezug eines multiplikativ verknüpften Interaktionsterms
Kriteriumsvariable Leseverstehensleistung Mathematikleistung
Prädiktoren Beta PBeta p
1. Anteil mit nichtdeutscher Familien-
sprache
–0,086 0,221 0,002 0,980
2. Anteil mit Lernmittelfreiheit –0,328 0,000 –0,349 0,000
3. Interaktionsterm (1. * 2.) –0,002 0,224 –0,002 0,247
–R
2Adj. R2R2Adj. R2
Varianzaufklärung 23,51% 23,25 % 19,41 % 19,13 %
Mit Blick auf den letzten Aspekt der ersten Forschungsfrage (verstärkende Ef-
fekte bei kombiniertem Auftreten) wurde darüber hinaus auch die Interaktion der
beiden signifikanten Prädiktoren betrachtet, operationalisiert als Produkt der beiden
Variablen. Dieser multiplikative Interaktionsterm trägt zur Vorhersage der Leistungs-
ergebnisse in beiden Leistungsdomänen nicht beachtenswert bei (s. Tab. 5). Es lässt
sich folglich über das additive Zusammenwirken hinaus keine weitere Verstärkung
der Leistungsunterschiede zwischen den Schulen feststellen, wenn beide hier be-
rücksichtigten sozialen Merkmale der Schülerinnen und Schüler zusammenfallen.
Die Forschungsfrage 1 kann also wie folgt beantwortet werden: Es gibt erhebliche
Unterschiede zwischen Schulen, die auf additiv wirksame Effekte der Anteile von
Schülerinnen und Schülern mit Befreiung von der Lernmittelbezahlung (stärkerer Ef-
fekt) und mit nichtdeutscher Familiensprache (schwächerer Effekt) zurückzuführen
sind, während der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem
Förderbedarf keinen weiteren Einfluss auf die Leistungsunterschiede besitzt.
Um zu verdeutlichen, welche praktischen Implikationen diese Zusammenhänge
haben, sind in Abb. 1die mittleren Leseverstehens- und Mathematikleistungen als
Boxplots dargestellt. Damit kann zugleich die zweite Ausgangsfrage beantwortet
werden. Dabei wird für die beiden zentralen Variablen der Schulzusammensetzung
(Anteil der Lehrmittelbefreiung, Anteil der Schülerinnen und Schüler mit nichtdeut-
scher Familiensprache) eine Aufteilung der Schulen vorgenommen, indem das am
ungünstigsten sozial zusammengesetzte Viertel der Schulen (oberstes Viertel) den
mittleren 50% der Schulen und den sozial günstig zusammengesetzten 25% der
Schulen (unterstes Viertel) gegenübergestellt werden.
Es wird deutlich, dass die Leistungsverteilungen (bei vergleichbar großen Streu-
ungen) erheblich verschoben ausfallen. Für den Anteil der Lernmittelbefreiung lie-
gen in beiden Leistungsbereichen die Grenzen des 3. Quartils unterhalb des Me-
dianwertes der mittleren 50 % der Schulen, für die Gruppierung nach dem Anteil
der nichtdeutschen Familiensprache liegen sie nur marginal darüber. Zugleich liegen
die Medianwerte der Schulen mit ungünstigen sozialen Bedingungen jeweils unter
der ersten Quartilsgrenze der Mittelgruppe von Schulen. Im Vergleich der sozial
günstig zusammengesetzten Schulen mit den mittleren 50% zeigt sich, dass sich
die Verteilungen in Mathematik kaum unterscheiden während im Leseverstehen
erwartungsgemäße Unterschiede erkennbar werden. Diese fallen jedoch erheblich
geringer aus, als die Unterschiede zwischen der Mittelgruppe und den Schulen mit
ungünstigen sozialen Bedingungen. Dies gilt sowohl für die Gruppierung hinsicht-
K
Segregierte Schulmilieus, variierende Unterrichtsbedingungen und Lernleistungen der...
Abb. 1 Gegenüberstellung mittleren Leistungen der jeweils sozial ungünstig zusammengesetzten Schu-
len (oberes Quartil) mit den restlichen 75 % der Schulen (Boxplot, dicke Linie:Median,Ränder der Box:
1. bzw. 3. Quartil)
lich des Anteils der nichtdeutschen Familiensprache als auch für die Gruppierung
bezüglich des Anteils der Lernmittelbefreiung. Betrachtet man die Mittelwerte der
beiden Extremgruppen, dann ergeben sich für die Gruppierung nach dem Anteil
der Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher Familiensprache Unterschiede, die
etwa dem Lernfortschritt von mehr als 1,5 Schuljahren im Leseverstehen und fast
einem Schuljahr in Mathematik entsprechen9. Noch dramatischer fällt der Effekt für
die Gruppierung nach dem Anteil der Lernmittelbefreiung aus: Im Leseverstehen
entspricht die Differenz nicht ganz 1,75, in Mathematik nicht ganz 1,25 Schuljah-
ren. Es zeigt sich also hinsichtlich der zweiten Forschungsfrage nach der Größe der
Leistungsunterschiede, dass die betrachteten Merkmale einen größeren Effekt auf
die Leseverstehensleistungen als auf die Mathematikleistungen besitzen und dass
diese Unterschiede erheblich sind. Knapp ein Viertel (23 %) der Leseverstehens-
leistungsunterschiede zwischen rheinland-pfälzischen Grundschulen sind durch die
Anteile der Lernmittelbefreiung und nicht-deutscher Familiensprache determiniert.
Für Mathematik ist das Ausmaß mit knapp einem Fünftel (19%) etwas geringer,
aber immer noch bedeutend. Die Betrachtung der Extremgruppen zeigt, dass es hier
um differentielle Lernentwicklungen geht, die mehr als ein Schuljahr ausmachen
können.
Zur Beantwortung der dritten Frage wurde ein (exploratives) Pfadmodell gerech-
net, in das die schulorganisatorischen Merkmale als vermittelnde Prozessvariablen
des Zusammenhangs zwischen Schülermerkmalen und den gemessenen Schülerleis-
9Hierzu werden die Leistungswerte auf die Metrik der Bildungsstandards umgerechnet und die Differen-
zen dieser Werte werden anschließend ins Verhältnis zu den aus Querschnittsanalysen geschätzten Lern-
zuwächsen der jeweiligen Domänen gesetzt (vgl. Wittig und Weirich 2017; Haag und Kohrt 2017).
10 Da es sich hier um ein exploratives Vorgehen handelt, wurden jeweils alle möglichen Einflusspfade
modelliert, es handelt sich also um saturierte Modelle. Dementsprechend lassen sich keine Aussagen zur
Modellpassung treffen, etwa auf der Grundlage des RMSEA oder anderer Fit-Indizes.
K
T. Kr aus e t a l.
Leseverstehens-
leistung
Mathematik-
leistung
Wöchentlich erteilte
Unterrichtsstunden
je 100 Schüler*innen
Schulen mit Ganz-
tagsangeboten
Schüler*innen
je Klasse
Jahrgangsüber-
greifende Klassen
-.105 -.116
Streuung der
Leseverstehens-
leistung
Streuung der
Mathematik-
leistung
Merkmale der
Schulorganisation
Leistungsvariablen
-.168
-.107
-.143
-.112 -.070
.429 .087
.713
Abb. 2 Vorhersagen der Leistungsvariablen mit Hilfe der schulorganisatorischen Merkmale (standardi-
sierte Koeffizienten mit p< 0,05)
tungen aufgenommen werden10. Als Kriteriumsvariablen dienten jeweils der Schul-
mittelwert sowie die schulinterne Standardabweichung der in VERA gemessenen
Leseverstehens- bzw. Mathematikleistungen. Dabei bauen wir das Modell in drei
Schritten auf, in dem zunächst jeweils nur zwei der drei Merkmalsgruppen analysiert
werden, bevor das Gesamtmodell dargestellt wird. Hier unberücksichtigt bleiben die
Teilnahmequoten an der VERA-Erhebung, weil keine Effekte auf die Schülerleistun-
gen (weder auf die Mittelwerte noch auf die Streuungen) beobachtet werden konnten
und die Zusammenhänge mit den Schülermerkmalen unterschiedliche Interpretatio-
nen zulassen (z.B. unterschiedlicher Krankenstand nach Sozialgruppen). Ebenfalls
nicht berücksichtigt wird der Anteil des von nicht voll qualifizierten Lehrkräften
erteilten Unterrichts, trotz des leichten Zusammenhangs mit den Schülerleistungen,
weil dies ein Zusammenhang ist, der weder mit sonstigen Merkmalen der Schulor-
ganisation und insbesondere nicht den Schülermerkmalen variiert.
In einem ersten Modell wurde analysiert, inwiefern die schulorganisatorischen
Merkmale die Leistungsvariablen prädizieren können (s. Abb. 2).
Es zeigt sich, dass alle Pfadkoeffizienten negative Vorzeichen besitzen und es nur
in Bezug auf die Leistungsmittelwerte signifikante Pfade gibt. Während die Lese-
verstehensleistung durch den Status als Ganztagsschule, die Anzahl der wöchent-
lich je 100 Schülerinnern und Schülern erteilten Unterricht und die Klassengröße
signifikant prädiziert werden kann (Anteil erklärter Varianz 4,7%), sagen alle vier
betrachteten Merkmale der Schulorganisation die mittlere Mathematikleistung signi-
fikant vorher (Anteil erklärter Varianz: 6,1 %). Für die schulinternen Streuungsmaße
ergeben sich keine signifikanten Prädiktoren, der Anteil der aufgeklärten Varianz
liegt bei 1,7% (Lesen) bzw. 1,0% (Mathematik) Prozent. Während ein negativer
Einfluss der Klassengröße auf die Leistung nicht überrascht, erscheint ein negati-
ver Einfluss der Unterrichtsquantität kontraintuitiv und auch negative Effekte der
Ganztagsbeschulung erscheinen bemerkenswert. Es liegt nahe, dass diese Effekte
mit Unterschieden in der Zusammensetzung der Schülerschaften einhergehen.
K
Segregierte Schulmilieus, variierende Unterrichtsbedingungen und Lernleistungen der...
Anteil
Lernmittelfreiheit
Anteil
nichtdeutsche
Familiensprache
Anteil sonder-
pädagogischer
Förderbedarf
Wöchentlich erteilte
Unterrichtsstunden
je 100 Schüler*innen
Schulen mit Ganz-
tagsangeboten
Schüler*innen
je Klasse
Jahrgangsüber-
greifende Klassen
.147
.125
.145
-.296
.410
.126 -.246
Merkmale der
Schulzusammensetzung
Merkmale der
Schulorganisation
.185
.479
-.704
-.093
-.169
.366
.324
Abb. 3 Vorhersagen der schulorganisatorischen Merkmale mit Hilfe der Merkmale der Schulzusammen-
setzung (standardisierte Koeffizienten mit p<0,05)
Im zweiten Schritt wurden daher die Beziehungen zwischen den Merkmalen
der Schulzusammensetzung und den Merkmalen der Schulorganisation untersucht
(s. Abb. 3).
Es zeigt sich, dass der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher
Familiensprache alle vier Variablen der Schulorganisation vorhersagt. Dabei ge-
hen hohe Anteile sehr deutlich mit größeren Klassen und in geringem Umfang mit
dem Status als Ganztagsschule sowie einer in mittlerem Ausmaß niedrigeren Wo-
chenstundenzahl erteilten Unterrichts und dem Fehlen von jahrgangsübergreifenden
Klassen einher. Der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogi-
schem Förderbedarf steht sehr deutlich mit der Unterrichtsquantität und schwach
sowohl mit größeren Klassen als auch mit dem Status als Ganztagsschule in posi-
tivem Zusammenhang. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Lernmittelbe-
freiung prädiziert in schwachem Ausmaß den Ganztagsschulstatus und die Anzahl
der erteilten Wochenstunden. Insgesamt zeigt sich, dass die erklärten Varianzanteile
in diesem Modell im allgemeinen höher ausfallen als in Modell 1: Während der
Aufklärungsanteil für die Jahrgangübergreifenden Klassen mit 5,8 % ähnlich niedrig
ausfällt wie für die Leistungsmittelwerte, liegen die Anteile für die Ganztagsschu-
le (10,0 %), die Klassengröße (18,3 %) und die erteilten Wochenstunden (27,4 %)
erheblich darüber.
Insgesamt enthält das Muster der Beziehungen einerseits sehr plausible Zusam-
menhänge, wie den stärksten hier erkennbaren zwischen sonderpädagogischem För-
derbedarf und Unterrichtszeit, der primär dem Einsatz zusätzlicher Förderlehrkräfte
geschuldet sein dürfte. Andererseits erscheint zum einen bemerkenswert, dass der
Ganztagsschulstatus nur mäßig von den Merkmalen der (niedrigen) sozialen Zu-
sammensetzung der Schulen determiniert wird und dass der Anteil nichtdeutscher
Familiensprache vergleichsweise eng mit der Klassengröße assoziiert ist. Es kann
angenommen werden, dass dies ein Effekt städtischer Ballungsgebiete mit mehrzü-
gigen Grundschulen sein könnte.
Im dritten Schritt wurde nun die Beziehung zwischen allen drei Merkmalsebenen
untersucht (siehe Abb. 4). Es ist ersichtlich, dass die Vorhersagen der Merkmale
der Schulzusammensetzung auf die Merkmale der Schulorganisationsebene (Mo-
K
T. Kr aus e t a l.
.479
Anteil
Lernmittelfreiheit
Anteil
nichtdeutsche
Familiensprache
Anteil
sonder-
pädagogischer
Förderbedarf
Leseverstehens-
leistung
Mathematik-
leistung
Wöchentlich erteilte
Unterrichtsstunden
je 100 Schüler*innen
Schulen mit Ganz-
tagsangeboten
Schüler*innen
je Klasse
Jahrgangsüber-
greifende Klassen
.145
-.296
.410.126 -.246
-.093
-.373
-.099
-.167
-.387
Streuung der
Leseverstehens-
leistung
Streuung der
Mathematik-
leistung
Merkmale der
Schulzusammensetzung
Merkmale der
Schulorganisation
Leistungsvariablen
.013
(Interkorrelationen hier der
Übersicht halber
unterdrückt, Koeffizienten
identischzuModell2)
.658
.429 .102
.125
.147
.185
.122
Abb. 4 Vorhersagen der Leistungsvariablen mit Hilfe der schulorganisatorischen Merkmale in Kombina-
tion mit den Vorhersagen durch die Merkmale der Schulzusammensetzung (standardisierte Koeffizienten
mit p<0,05)
dell 2, s. Abb. 3) unverändert bleiben. Darüber hinaus sagen alle drei Merkmale der
Schulzusammensetzung jeweils mindestens eine der Leistungsvariablen signifikant
vorher. Während sich der Anteil der Lernmittelfreiheit stark negativ auf die Mittel-
werte beider Leistungsdomänen auswirkt, prädiziert der Anteil der nichtdeutschen
Familiensprache die Leseverstehensleistung deutlich schwächer, aber ebenfalls mit
negativem Vorzeichen. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpäd-
agogischem Förderbedarf prädiziert sehr schwach (aber auf dem 5%-Fehlerniveau
signifikant) höhere schulinterne Streuungen der Mathematikleistungen.
Mit Blick auf die Pfade zwischen den Merkmalen der Schulorganisation und den
Leistungsvariablen ergeben sich gegenüber der isolierten Betrachtung im ersten Mo-
dell (s. Abb. 2) deutliche Veränderungen. Die Effekte der Ganztagsschulangebote
bleiben weiterhin signifikant und reduzieren sich nur geringfügig. Der zuvor darge-
stellte negative Pfad der Unterrichtsquantität auf die Leistungsmittelwerte wechselt
in beiden Domänen das Vorzeichen und verfehlt mit p= 0,057 für das Leseverstehen
die Signifikanzgrenze nur knapp. Der ohnehin schwache Pfad zwischen Jahrgangs-
übergreifenden Klassen und der Mathematikleistung reduziert sich und verfehlt die
Signifikanzgrenze nun deutlich. Während sich ohne Berücksichtigung der Schulzu-
sammensetzung signifikante negative Effekte der Klassengröße auf beide Leistungs-
mittelwerte ergaben, weisen nun beide Koeffizienten positive Vorzeichen auf, wobei
der Pfad auf die Mathematikleistung klar nicht signifikant ausfällt.
Die Anteile der aufgeklärten Varianz liegen in diesem Modell bei 24,1% für die
mittlere Leseverstehensleistung und bei 20,2% für die mittlere Mathematikleistung.
K
Segregierte Schulmilieus, variierende Unterrichtsbedingungen und Lernleistungen der...
Hinsichtlich der dritten Forschungsfragenach den vermittelnden Effekten schulor-
ganisatorischer Variablen und der Personalausstattung lässt sich also festhalten, dass
nur kleine Effekte für Ganztagsangebote (negativ) und die Klassengröße (positiv, nur
für Leseverstehen) bestehen. Der Indikator für die Personalausstattung (wöchentlich
erteilte Unterrichtsstunden je 100 Schüler*innen) weist einen knapp nicht signifikan-
ten positiven Zusammenhang mit der Leseverstehensleistung auf. Insgesamt lassen
sich durch die Berücksichtigung der schulorganisatorischen Bedingungen bzw. der
Personalausstattung jeweils nur weniger als 1 % der Leistungsunterschiede in beiden
Domänen zusätzlich erklären.
4 Diskussion
Die Analysen bestätigen den bekannten engen negativen Zusammenhang zwischen
den durchschnittlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler und der sozialen
Zusammensetzung der Schülerschaft einer Schule. Da neben den Leistungen der ein-
zelnen Schülerinnen und Schüler keine sozialen Individualmerkmale vorliegen, kön-
nen über die Auswirkungen der sozialen Zusammensetzung der Schülerinnen und
Schüler auf die individuelle Leistung keine Aussagen getroffen werden. Konsistent
mit dem bisherigen Forschungsstand ist ebenfalls die größere Bedeutung der sozia-
len Lage im Vergleich zur Migrationssituation. Vor allem die häufiger bestehenden
sprachlichen Defizite bei den Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund
dürften die Ursache für den Zusammenhang zwischen nichtdeutscher Familienspra-
che und der Leseverstehensleistung sein. Bei der Mathematikleistung verschwindet
dieser Zusammenhang. Die Leistungsunterschiede zwischen dem durch die soziale
Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler besonders benachteiligten Viertel
von Schulen und den übrigen Schulen sind ganz erheblich, denn bei beiden erfassten
Merkmalen der sozialen Lage und beiden Leistungsfächern liegen die Durchschnitt-
leistungen an den Schulen mit niedrigen sozialen Ausgangsbedingungen unter den
Leistungen des unteren Leistungsviertels bei den übrigen Schulen. Die Leistungen
an den Schulen mit günstigen Bedingungen der sozialen Zusammensetzung der
Schülerinnen und Schüler heben sich nochmals wenn auch nicht so deutlich von
den durchschnittlichen Schulen ab.
An den Grundschulen mit einer durchschnittlich niedrigen sozialen Lage der
Schülerinnen und Schüler sind die Klassenfrequenzen durchschnittlich deutlich -
her und die Zahl der erteilten Unterrichtsstunden je Schüler eher niedriger als an
den Schulen mit einer günstigeren sozialen Zusammensetzung der Schülerinnen und
Schüler. Erwartet wurde, dass diese ungünstigen schulorganisatorischen und perso-
nellen Bedingungen sich für den Lernprozess der Schülerinnen und Schüler neben
der sozialen Lage auf die Schülerleistungen auswirken. Diese Erwartung konnten die
Datenanalysen aber nicht erfüllen. Im Blick auf die internationale Schulforschung
ist dies Ergebnis allerdings nicht überraschend. Die Klassengröße hat als solche
keinen direkten Einfluss auf die Leistung, sondern nur einen über Merkmale der
Instruktion vermittelten. Dass sich dann solche Effekte hier nicht nachweisen lassen
mag zum Einen an den Schwierigkeiten von Lehrkräften liegen, ihren Unterricht an
unterschiedliche Klassengrößen für Schüler wahrnehmbar zu adaptieren zum ande-
K
T. Kr aus e t a l.
ren aber auch an der Tatsache, dass damit Effekte auf der Klassenebene beschrieben
werden, die sich in diesen Daten durch die Aggregation auf Schulebene nivellieren.
Untersuchungen zur hierarchischen Struktur von Schulleistungsvarianzen zeigen im
Regelfall, dass der Ebene der Klasse eine erheblich größere Bedeutung zukommt,
als der Ebene der Schulen (s. Hosenfeld et al. 2001).
Ähnlich ist anzunehmen, dass auch die chentlich erteilten Unterrichtsstunden
je Schülerin und Schüler zwischen den Schulen in sehr unterschiedlicher Weise
über den Pflichtunterricht hinaus verwendet werden (z. B. für Arbeitsgemeinschaf-
ten, Projekte) und Instruktionszeit nicht mit aktiver Lernzeit gleichzusetzen ist. In-
sofern verweisen die Befunde auf das zentrale Ergebnis der Hattie-Studie, dass
es für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler auf die Lehrkräfte ankommt
(Lotz und Lipowsky 2015). Zu vermuten ist allerdings ein durchschnittlich erhöhter
pädagogischer Einsatz der Lehrkräfte an den Schulen mit ungünstigen sozialen Aus-
gangsbedingungen, damit die dort zusätzlich durchschnittlich ungünstigeren schulor-
ganisatorischen und personellen Bedingungen nicht doch die Leistungsunterschiede
zwischen den Schulen noch verstärken.
Bezogen auf das Ganztagsangebot lassen sich die Zusammenhänge dahingehend
interpretieren, dass ein offenes Ganztagsangebot in der in Rheinland-Pfalz im Schul-
jahr 2015/2016 realisierten Form an Schulen mit einer eher sozial ungünstig zu-
sammengesetzten Schülerschaft nicht dazu beiträgt soziale Benachteiligungen zu
verringern.
Die empirische Schulforschung konzentrierte sich bisher vor allem auf Merkmale
des Unterrichts, um den Lehrkräften Hinweise zu geben, wie sie ihren Unterricht
verbessern und die Lernentwicklung aller Schülerinnen und Schüler positiv beein-
flussen können. Weniger im Blick ist die Frage, welche Maßnahmen der Schulpolitik
und -administration geeignet sind, die Rahmenbedingungen für die Lehrkräfte bei
ihren Bemühungen zu verbessern, damit sie noch erfolgreicher arbeiten können. Aus
den Ergebnissen dieser Studie den Schluss zu ziehen, dass schulpolitisches und -ad-
ministratives Handeln für die Lernentwicklung der Schülerinnen und Schüler wenig
bedeutsam ist, erscheint uns aber voreilig, weil beispielsweise Merkmale der Lehr-
kräfte (tatsächliche Arbeitszeit, Fluktuation in den Kollegien, Krankenstand etc.)
nicht berücksichtigt wurden. Vielmehr sollte der Frage verstärkt nachgegangen wer-
den, welche Rahmenbedingungen Lehrkräfte benötigen, damit sie effektiv arbeiten
können.
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... Bisher wurde noch nicht untersucht, wie sich das soziale Umfeld der Schwerpunktschulen bei ihrer Etablierung von sonstigen Schulen unterscheidet, noch, wie sich die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft an Schwerpunktschulen im Zeitverlauf entwickelt. Gegenwärtig besteht der Eindruck, dass die inklusive Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf wesentlich häufiger von Schulen in prekärer Soziallage geleistet wird (Kraus et al. 2021;Möller und Bellenberg 2017, S. 47). Zwischen dem Vorliegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs und der sozialen Schichtzugehörigkeit besteht ein enger Zusammenhang: Kinder mit sonderpädagogischer Förderung kommen überproportional häufig aus sozial benachteiligten Haushalten und wohnen daher häufiger in benachteiligten Wohnquartieren (Bos et al. 2010). ...
... Auch bei der Wahl der Grundschule können diese Ansätze sinnvoll sein, da Eltern Aspekte wie die Schulqualität, das soziale Umfeld sowie pragmatische Aspekte wie die Schulweglänge gegeneinander abwägen (Mayer und Koinzer 2014, S. 167 Dumont et al. 2013, S. 168). Für Rheinland-Pfalz konnten jüngst Kraus et al. (2021) aufzeigen, dass ein negativer Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Schulleistung der Schülerinnen und Schüler und der sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft einer Grundschule besteht. Sollte sich die soziale Zusammensetzung an Schwerpunktschulen daher ungünstig entwickeln, hätte dies auch Auswirkung auf die Bildungschancen der dort unterrichteten Kinder und Jugendlichen. ...
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Zusammenfassung Rheinland-Pfalz ist das einzige deutsche Bundesland, welches zur Umsetzung der schulischen Inklusion vollständig auf Schwerpunktschulen setzt und Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf ausschließlich in ausgewählten Standorten unterrichtet. Mit Daten der amtlichen Schulstatistik können wir erstens zeigen, dass Schwerpunktschulen im Grundschulbereich vor allem an Standorten eingerichtet wurden, an denen der Anteil von Kindern aus einkommensschwachen Haushalten überproportional hoch war. Im Vergleich zu anderen Grundschulen steigt zudem die Armutsquote an Schwerpunktschulen zwischen den Jahren 2012–2019 überproportional an. Dieser Effekt zeigt sich besonders deutlich in städtischen Gebieten, in denen in räumlicher Nähe Wahlalternativen im Grundschulbereich vorhanden sind. In der Konsequenz sind inklusive Schulen in Rheinland-Pfalz zunehmend durch sozial ungünstige Entwicklungsmilieus geprägt, mit Folgen für die Chancengerechtigkeit und das soziale Miteinander.
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Der Beitrag gibt Auskunft über den Stand der Erfassung von Migration in den amtlichen Schulstatistiken der Bundesländer. Hierauf aufbauend werden die Anteile von Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit sowie von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund nach der jeweiligen landesspezifischen Migrationsdefinition dargestellt und hinsichtlich Validität, Vergleichbarkeit und Zusammenführbarkeit in eine Bundesstatistik diskutiert. Anhand der verfügbaren Migrationsmerkmale wird weiter die Bildungsbeteiligung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund insbesondere hinsichtlich des Gymnasialbesuchs analysiert. ** The paper informs about the status of the collection of migrational data in official school statistics in the German federal states. The proportion of students without a German citizenship as well as students with migration background is presented and differentiated by the specific definition of migration background in the federal states. I discuss the validity and comparability of the definitions as well as limitations of merging the different federal to a national school statistic. Based on the available migration attributes the educational participation of students with migration background is analyzed – with a special focus on the attendance of upper secondary school (Gymnasium).
Chapter
In diesem Kapitel wird für das Fach Mathematik beschrieben, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler der 4. Jahrgangsstufe in den einzelnen Ländern im Mittel erreichen. Zudem wird die Heterogenität der erreichten Kompetenzen in den Ländern dargestellt. Die Ergebnisse beziehen sich zum einen auf die Globalskala mathematischer Kompetenzen und zum anderen auf die fünf mathematischen Leitideen Zahlen und Operationen, Raum und Form, Muster und Strukturen, Größen und Messen sowie Daten, Häufi gkeit und Wahrscheinlichkeit. Die in Mathematik eingesetzten Testaufgaben werden in Kapitel 1.3 beschrieben. Die erreichten Kompetenzen werden auf der Berichtsmetrik dargestellt, die bereits im IQB-Ländervergleich 2011 für die Population der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland zugrunde gelegt wurde. Sowohl für die Globalskala als auch für die einzelnen Kompetenzbereiche wurde hierbei im Jahr 2011 jeweils ein Mittelwert von M = 500 und eine Standardabweichung von SD = 100 festgelegt (Haag & Roppelt, 2012). Unterschiede in den erreichten Kompetenzen werden als Punktwertdifferenzen auf der Berichtsmetrik dargestellt (vgl. Kapitel 3.2). Um die ländervergleichende Interpretation dieser Differenzen zu veranschaulichen, können diese zu Lernzuwächsen ins Verhältnis gesetzt werden, die im Mittel am Ende der Grundschulzeit zu erwarten sind. Entsprechende Schätzungen für auf den Bildungsstandards basierende Kompetenzmessungen liegen aus Normierungsstudien des IQB aus den Jahren 2006 und 2007 vor. Hierbei handelt es sich um in der 3. und 4. Jahrgangsstufe durchgeführte, bundesweit repräsentative Erhebungen in den Fächern Deutsch und Mathematik. Ein Vergleich der von Schülerinnen und Schülern der 3. und der 4. Jahrgangsstufe im Mittel erreichten Kompetenzen zeigt, dass der Unterschied auf der Globalskala mathematischer Kompetenz etwa 80 Punkte auf der Berichtsmetrik beträgt (Reiss & Winkelmann, 2009). Nachfolgend stellen wir in Abschnitt 6.2.1 zunächst für das Jahr 2016 dar, welches Kompetenzniveau die Schülerinnen und Schüler im Fach Mathematik in den einzelnen Ländern im Durchschnitt erreicht haben. Zudem wird in Abschnitt 6.2.2 die Heterogenität der innerhalb der Länder erreichten Kompetenzen untersucht. Abschnitt 6.2.3 fasst die Ergebnisse für das Jahr 2016 kurz zusammen. In Abschnitt 6.2.4 wird der Frage nachgegangen, wie sich das durchschnittliche Kompetenzniveau zwischen den Jahren 2011 und 2016 im Trend verändert hat. Trendanalysen für die Heterogenität der erreichten Kompetenzen finden sich in Abschnitt 6.2.5. Anschließend werden in Abschnitt 6.2.6 Veränderungen in der Heterogenität beschrieben, die sowohl innerhalb als auch zwischen Schulen besteht. In Abschnitt 6.2.7 schließlich werden die zentralen Ergebnisse dieses Kapitels zusammengefasst. https://www.iqb.hu-berlin.de/bt/BT2016/Bericht
Chapter
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