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Abstract

This article deals with the new diagnostic guidelines in the 11th revision of the International Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-11) in the chapter on Impulse Control Disorders. The diagnoses pyromania and kleptomania remain almost unchanged. The diagnosis of Pathological Gambling loses its status as Impulse Control Disorder and becomes part of the new chapter of Behavioral Addictions. New in the chapter on Impulse Control Disorders is the resumption of the diagnosis Intermittent Explosive Disorder and the new, controversially discussed diagnosis Compulsive Sexual Behavior Disorder. The article compares changes in diagnostic guidelines between the ICD-11 and its predecessor version (ICD-10), picks up on current discussions surrounding the chapter on Impulse Control Disorders, and describes clinically and forensically relevant implications of the modified and newly introduced diagnoses.
ÜBERSICHT
https://doi.org/10.1007/s11757-020-00649-2
Forens Psychiatr Psychol Kriminol (2021) 15:20–29
Impulskontrollstörungen in der ICD-11
Susanne Bründl1· Johannes Fuss1
Eingegangen: 9. Dezember 2020 / Angenommen: 15. Dezember 2020 / Online publiziert: 8. Januar 2021
© Der/die Autor(en) 2021
Zusammenfassung
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Neuerung der Diagnoserichtlinien in der 11. Revision der International Classification
of Diseases and Related Health Problems (ICD-11) im Kapitel der Impulskontrollstörungen. Die Diagnosen Pyromanie
und Kleptomanie bleiben nahezu unverändert erhalten. Die Diagnose pathologisches Glücksspiel verliert ihren Status als
Impulskontrollstörung und wird Teil des neuen Kapitels der Verhaltenssüchte. Neu im Kapitel der Impulskontrollstörungen
ist die Wiederaufnahme der Diagnose intermittierende explosible Störung sowie die neue, kontrovers diskutierte Diagnose
zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung. Der Artikel stellt Änderungen der Diagnosen zwischen der ICD-11 und ihrer
Vorgängerversion (ICD-10) gegenüber, greift aktuelle Diskussionen rund um das Kapitel der Impulskontrollstörungen auf
und beschreibt klinische sowie forensisch relevante Implikationen der modifizierten und neu eingeführten Diagnosen.
Schlüsselwörter Zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung · Hypersexualität · Pyromanie · Kleptomanie · Intermittierende
explosible Störung
Impulse control disorders in the ICD-11
Abstract
This article deals with the new diagnostic guidelines in the 11th revision of the International Classification of Diseases and
Related Health Problems (ICD-11) in the chapter on Impulse Control Disorders. The diagnoses pyromania and kleptomania
remain almost unchanged. The diagnosis of Pathological Gambling loses its status as Impulse ControlDisorder and becomes
part of the new chapter of Behavioral Addictions. New in the chapter on Impulse Control Disorders is the resumption
of the diagnosis Intermittent Explosive Disorder and the new, controversially discussed diagnosis Compulsive Sexual
Behavior Disorder. The article compares changes in diagnostic guidelines between the ICD-11 and its predecessor version
(ICD-10), picks up on current discussions surrounding the chapter on Impulse Control Disorders, and describes clinically
and forensically relevant implications of the modified and newly introduced diagnoses.
Keywords Compulsive Sexual Behavior Disorder · Hypersexuality · Pyromania · Kleptomania · Intermittent Explosive
Disorder
Das Kapitel „Impulskontrollstörungen“ im 6. Kapitel der
11. Revision der International Classification of Diseases
and Related Health Problems (ICD-11; https://icd.who.int/
dev11/l-m/en) löst das Kapitel F63 „Abnorme Gewohnhei-
PD Dr. med. Johannes Fuss
jo.fuss@uke.de
1Institut für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische
Psychiatrie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf,
Martinistr. 52, 20246 Hamburg, Deutschland
ten und Störungen der Impulskontrolle“ aus der vorherigen
Version (ICD-10; Dilling et al. 1991) ab. Das korrespondie-
rende Kapitel in der neusten Revision des Diagnostic and
Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5; American
Psychiatric Association 2013) sind „Disruptive, Impulskon-
troll- und Sozialverhaltensstörungen“, ehemals als „Störun-
gen der Impulskontrolle, nicht andernorts klassifiziert“ be-
zeichnet (DSM-III und -IV). Während die Impulskontroll-
störungen in der ICD-10 durch die künstliche Beschrän-
kung der Störungskapitel im Rahmen eines dezimalen Ko-
dierungssystems (F0–F9) noch dem Kapitel F6 „Persönlich-
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Impulskontrollstörungen in der ICD-11 21
keits- und Verhaltensstörungen“ zugeordnet waren, stehen
sie nun als alleinige Kategorie und umfassen folgende Dia-
gnosen:
Pyromanie (pathologische Brandstiftung; ICD-11:
6C70) „pyromania“,
Kleptomanie (pathologisches Stehlen; ICD-11: 6C71)
„kleptomania“,
zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung1(ICD-11:
6C72) „compulsive sexual behavior disorder“,
intermittierende explosible Störung (ICD-11: 6C73)
„intermittent explosive disorder“.
In der aktuellen digitalen Version der ICD-11 (https://
icd.who.int/dev11/l-m/en), die im Januar 2022 in Kraft tre-
ten soll, finden sich zusätzlich Querverweise zu den ehe-
mals im Kapitel F63 enthaltenen Diagnosen pathologisches
Glückspiel („gambling disorder“) und Trichotillomanie so-
wie zur neuen Diagnose pathologisches Spielen („gaming
disorder“). pathologisches Glücksspiel (6C50) und patholo-
gisches Spielen (6C51) bilden in der ICD-11 die neue Kate-
gorie der Verhaltenssüchte. Trichotillomanie (6B25.0) wird
zukünftig den Zwangsstörungen zugeordnet. Die neu geord-
nete Gruppe der Impulskontrollstörungen soll nachfolgend
hinsichtlich ihrer Veränderungen gegenüber der ICD-10 be-
schrieben und einschließlich ihrer Implikationen diskutiert
werden.
Impulskontrollstörungen sind in der ICD-11 gekenn-
zeichnet durch wiederholtes Versagen, einem starken Im-
puls, Antrieb oder Drang zu widerstehen, eine Handlung
auszuführen, die kurzfristig belohnend ist, längerfristig
jedoch mit negativen Folgen für die Person selbst oder
andere, starkem Leidensdruck oder erheblichen Beeinträch-
tigungen in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen,
beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen
verbunden ist.
Verhaltensweisen (Brandstiftung, Diebstahl, sexuelles
Verhalten und explosive Ausbrüche) im Zusammenhang
mit Störungen der Impulskontrolle gehen typischerweise
mit steigender Anspannung oder affektiver Erregung vor
dem Verhalten oder bei Widerstand gegen das Verhalten
einher, sowie mit Vergnügen, Nervenkitzel, Befriedigung
oder Abnahme der Anspannung während oder nach dem
Verhalten. Im Verlauf der Störung können das Empfinden
von Anspannung oder Erregung vor dem Verhalten sowie
die damit einhergehende Befriedigung jedoch abnehmen.
Hinzukommen können Gefühle von Schuld oder Scham
nach Ausführen des Verhaltens.
Damit wurde die Konzeptualisierung von Impulskon-
trollstörungen im Vergleich zur ICD-10 konkretisiert, in
1Im vorliegenden Artikel wird der Begriff „Zwanghafte Sexuelle
Verhaltensstörung“ genutzt eine offizielle Übersetzung des Begriffs
Compulsive Sexual Behavior Disorder liegt aktuell noch nicht vor.
der sie lediglich als wiederholte impulsive Handlungen oh-
ne klare rationale Motivation mit negativen Konsequenzen
für Betroffene selbst oder andere Menschen definiert wur-
den. Die neue Definition relativiert den Gedanken, dass es
sich bei den „Störungen der Impulskontrolle“ um unkon-
trollierbares Verhalten handelt, im Sinne kurzer und sponta-
ner Handlungsimpulse, denen, ohne darüber nachzudenken,
nachgegeben wird. Dadurch wird deutlicher, dass entgegen
dem intuitiven Verständnis des Begriffs auch Verhaltens-
weisen inbegriffen sind, denen eine gewisse Absicht und
Abwägung oder ein Wunsch nach Vergnügen und Nerven-
kitzel im Vorfeld zugrunde liegen. Vor allem bei Brandstif-
tung, Diebstahl oder sexuellem Verhalten ist davon auszu-
gehen, dass oft eher bedacht und vorsätzlich vorgegangen
wird als unüberlegt und impulsiv (Kröber 2015).
Pyromanie (6C70) und Kleptomanie (6C71)
Die Diagnosen Pyromanie und Kleptomanie, erstmals im
DSM-III als Störungen der Impulskontrolle gelistet, sind
seit über 30 Jahren im Grundsatz unverändert. Die ICD-11
betont lediglich in Abgrenzung zu normalem Verhalten das
Fehlen eines nachvollziehbaren Motivs als pathologisches
Kernmerkmal (z.B., dass die Güter nicht zur persönlichen
Nutzung oder wegen ihres finanziellen Wertes gestohlen
werden, oder dass der Brandstiftung kein nachvollziehba-
res Motiv wie z.B. Sabotage zugrunde liegt). Beide Störun-
gen gehen auf das Konzept der Monomanien von Esquirol
(1838) und Marc (1844) zurück, die sie als krankhaft ge-
störte Kontrolle über eine spezifische Handlung (Brandstif-
tung oder Stehlen) ohne weitere Zeichen einer psychischen
Störung definierten (Leygraf 2009). In der Vergangenheit
wurde kritisiert, dass Pyromanie (absichtsvolles Feuerle-
gen) und Kleptomanie (pathologisches Stehlen) in ihrer
Operationalisierung eher im Sinne gesellschaftlichen Fehl-
verhaltens als im Sinne umschriebener psychischer Störun-
gen anmuten (Kröber 2015). Kröber (2015) zog Paralle-
len zwischen dem für Impulskontrollstörungen typischen
Anspannungszustand vor sowie Entspannungszustand nach
der Handlung und anderen wichtigen sportlichen, berufli-
chen oder Alltagshandlungen (z.B. an einem Wettkampf
teilnehmen). Damit stellte er die Konzeptualisierung von
Pyromanie und Kleptomanie als psychische Störungen in-
frage. Auch empirische Untersuchungen zeigen, dass patho-
logische Brandstiftung oder pathologisches Stehlen selten
isoliert, sondern vielmehr komorbide zu unterschiedlichen
psychischen Störungen auftreten (Barnett 2005). So wurde
empfohlen, die Verhaltensweisen eher als Symptome an-
derer psychischer Störungen und Belastungen zu verstehen
(Leygraf 2009), da deren Betrachtung als eigenständige Stö-
rungsbilder eine dahinterliegende psychopathologische Pro-
blematik verdecken könnte. Dass die Störungen so gut wie
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22 S. Bründl, J. Fuss
nie isoliert vorliegen, unterstreichen auch die unbekann-
te Prävalenz von Pyromanie (Burton et al. 2012) und die
niedrige Prävalenz von 0,3–0,6 % (Frauen: Männer, 3 : 1)
für Kleptomanie (Torales et al. 2020). Dementsprechend
wurden beide Störungsbilder bis dato sowohl in der klini-
schen als auch in der Forschungspraxis, ebenso wie in den
Überarbeitungsprozessen der ICD-11, vernachlässigt wo-
mit nicht davon auszugehen ist, dass sich der Zustand im
Zuge der aktuellen Revision verändern wird.
Zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung
(6C72)
Ein Phänomen, das erstmals vor über 100 Jahren beschrie-
ben (von Krafft-Ebing 1903) und seither unter verschie-
densten Labels wie Hypersexualität, Sexsucht, sexuelle
Impulsivität, sexuelle Zwanghaftigkeit (Fuss et al. 2019a)
diskutiert und untersucht wurde (Briken 2016 für einen
historischen Überblick), wird nun erstmals als operatio-
nalisierte psychische Störung in ein Klassifikationssystem
eingehen. Ein früherer Vorschlag über die Aufnahme des
Zustands als „hypersexual disorder“ (Kafka 2010)indas
DSM-5 (American Psychiatric Association 2013) wurde
aufgrund unzureichender empirischer Datenlage sowie kli-
nischer, sozialer und rechtlicher Bedenken abgelehnt (Kaf-
ka 2014). In der ICD-10 findet sich lediglich im Kapitel
der sexuellen Funktionsstörungen die Diagnose gesteiger-
tes sexuelles Verlangen (F52.7), jedoch ohne diagnostische
Richtlinien oder Symptombeschreibungen. Die zwanghaf-
te sexuelle Verhaltensstörung (Compulsive sexual behavior
disorder) soll in der ICD-11 ins Kapitel der Impulskontroll-
störungen eingeordnet und wie folgt definiert2werden:
Ein anhaltendes Unvermögen, intensive, sich wieder-
holende sexuelle Impulse oder Triebe zu kontrollie-
ren, was zu wiederholtem sexuellem Verhalten führt,
das sich in einem oder mehreren der folgenden Punkte
manifestiert:
Die Ausübung der sexuellen Aktivitäten hat zentralen
Stellenwert im Leben einer Person erlangt. Andere Inte-
ressen, Aktivitäten und Pflichten sowie die persönliche
Fürsorge und Gesundheit werden aufgrund der Aktivitä-
ten vernachlässigt.
Die Person hat zahlreiche erfolglose Versuche unternom-
men, das Sexualverhalten zu kontrollieren oder deutlich
zu reduzieren.
2Hierbei handelt es sich um unsere Übersetzung der diagnostischen
Richtlinien eine offizielle Übersetzung der Diagnosekriterien liegt
aktuell noch nicht vor.
Die Person führt das repetitive Sexualverhalten trotz
nachteiliger Folgen (z. B. wiederholte Beziehungsbrüche,
berufliche Konsequenzen, negative Auswirkungen auf die
Gesundheit) fort.
Die Person führt das repetitive Sexualverhalten fort, auch
wenn sie wenig oder keine Befriedigung daraus zieht.
Neben den Merkmalen der exzessiven Sexualität ist für
die nosologische Einordnung entscheidend, dass das ab-
weichende Sexualverhalten nicht nur im Rahmen besonde-
rer Lebensumstände (z.B. nach einer Trennung) vorüberge-
hend auftritt, sondern über einen längeren Zeitraum (z.B.
mindestens 6 Monate) besteht. Außerdem sind für den Stö-
rungscharakter ähnlich wie bei der Konzeptualisierung an-
derer Störungsbilder ausgeprägter Leidensdruck oder Be-
einträchtigungen in wichtigen Lebensbereichen notwendig.
Leidensdruck hingegen, der ausschließlich durch morali-
sche Wertungen oder die Missbilligung besonderer sexuel-
ler Verhaltensweisen entsteht, schließt die Diagnose einer
zwanghaften sexuellen Verhaltensstörung aus. Beispielhaft
sei an eine religiöse Person zu denken, die der Überzeu-
gung ist, dass Masturbation und das Betrachten von Por-
nografie eine Sünde darstellen. Da es sich um ein breit ge-
fasstes Konstrukt mit unterschiedlichen Ausprägungen und
Wirkmechanismen handelt, sind die Diagnosekriterien re-
lativ allgemein gefasst und vermeiden eine Konzentration
auf mögliche Ätiologie (z. B. traumatische sexuelle Erfah-
rungen) oder Kontexte, in denen die sexuellen Handlungen
auftreten können (z.B. als Bewältigungsstrategie für nega-
tive Emotionen) dies steht im Gegensatz zur abgelehnten
Konzeptualisierung für die DSM-5 (Stein et al. 2020).
In der Praxis werden von hilfesuchenden Personen am
häufigsten Verhaltensweisen wie exzessive Masturbation
und Nutzung von Pornografie berichtet, wobei sich das
heterogene Krankheitsbild auch in interaktiven sexuellen
Aktivitäten, z.B. Internet-, Telefonsex oder ungeschütztem
Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Sexualpart-
nern, äußern kann (Mead und Sharpe 2018). Über die
Verbreitung in der Bevölkerung konnten aufgrund des bis-
herigen Fehlens offiziell anerkannter Diagnosekriterien und
validierter Diagnoseinstrumente wenig zuverlässige Aus-
sagen getroffen werden. Ältere epidemiologische Studien
zu verwandten Konstrukten schätzen, dass 5–6 % der All-
gemeinbevölkerung von dieser Symptomatik betroffen sein
könnten (Carnes 1991; Coleman 1991). In einer landesweit
repräsentativen Stichprobe aus den USA wiesen 10,3 % der
Männer und 7,0% der Frauen klinisch relevante Beein-
trächtigungen in Verbindung mit Schwierigkeiten bei der
Kontrolle sexueller Gefühle, Triebe und Verhaltensweisen
auf (Dickenson et al. 2018). Wahrscheinlich handelt es sich
dabei aber um eine Überschätzung der realen Prävalenz
(Klein et al. 2014). Inwieweit es sich um ein zunehmendes
Syndrom handelt, dass möglicherweise durch die Omniprä-
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Impulskontrollstörungen in der ICD-11 23
senz, leichte und anonyme Verfügbarkeit sexueller Inhalte
im Internet begünstigt wird (Griffiths 2012), wird sich in
zukünftigen longitudinalen Studien auf Basis offizieller
Diagnosekriterien zeigen.
Intermittierende explosible Störung (6C73)
Mit der intermittierenden explosiblen Störung zieht eine
weitere Diagnose in das Manual der ICD-11 ein, die in der
ICD-10 nicht enthalten ist. Im Gegensatz zur zwanghaf-
ten sexuellen Verhaltensstörung existierten aber bereits zu-
vor Diagnosekriterien. Die intermittierende explosible Stö-
rung geht aus früheren DSM- und ICD-Diagnosen zu Per-
sönlichkeitsstörungen (aggressiver Typ) hervor und ist so-
wohl in DSM-III bis DSM-5 als auch bereits in der ICD-
9-CM (1979) enthalten. In der ICD-10 wurde die Diagno-
se zugunsten der emotional instabilen Persönlichkeitsstö-
rung (impulsiver Typ) nicht gelistet (Werdenich und Padle-
sak 2006). Nachdem die in früheren DSM-Auflagen relativ
breit gefassten und vage gehaltenen Diagnosekriterien im
Rahmen der 5. DSM-Revision expliziert wurden, soll in
Anlehnung daran für die ICD-11 folgende Definition3der
intermittierenden explosiblen Störung gelten:
wiederholte kurze Episoden verbaler oder physischer Ag-
gression oder Zerstörung von Eigentum, die ein Versagen
bei der Kontrolle aggressiver Impulse darstellen,
wobei die Intensität des Ausbruchs oder der Grad der Ag-
gressivität in erheblichem Missverhältnis zur Provokati-
on oder zu den auslösenden psychosozialen Stressfakto-
ren steht.
Die Symptome lassen sich nicht besser durcheine andere
psychische, verhaltensbedingte oder neurologische Stö-
rung erklären und sind nicht Teil eines Musters chroni-
scher Wut und Reizbarkeit (z.B. bei der oppositionellen
Trotzstörung).
Das Verhaltensmuster ist von ausreichender Schwere, um
zu einer signifikanten Beeinträchtigung in persönlichen,
familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder ande-
ren wichtigen Funktionsbereichen zu führen.
Das Auftreten anschließender Schuldgefühle gemäß Dia-
gnoserichtlinien der ICD-9-CM fehlt im DSM-System und
wird in der ICD-11 ebenfalls fallen gelassen. Anders als das
DSM-5 verzichtet die ICD-11 auf eine Quantifizierung der
impulsiven Ausbrüche oder Kontrollverluste. Die Diagno-
se kann vergeben werden, wenn das Verhalten über einen
längeren Zeitraum (z.B. mindestens 6 Monate) regelmä-
ßig auftritt. Es handelt sich also um ein anhaltendes Mus-
3Hierbei handelt es sich um unsere Übersetzung der diagnostischen
Richtlinien eine offizielle Übersetzung der Diagnosekriterien liegt
aktuell noch nicht vor.
ter aggressiven Verhaltens, dessen Frequenz und Intensität
außerhalb der für Alter und Entwicklungsstand erwarteten
normalen Variation liegt.
Bezüglich der Verbreitung in der Bevölkerung wird an-
genommen, dass die intermittierende explosible Störung
häufig in der späten Kindheit oder Adoleszenz einsetzt
(Kröber 2015), vermehrt in stationären Populationen vor-
kommt (Müller et al. 2011), hohe Komorbidität (mit Per-
sönlichkeitsstörungen) aufweist sowie mit neurologischen/
neuropsychologischen Auffälligkeiten einhergeht (Werde-
nich und Padlesak 2006). Trotz bereits zuvor beschriebener
Ausschlusskriterien wurde eine Zwölfmonatsprävalenz der
intermittierenden explosiblen Störung von ca. 4 % in ei-
ner repräsentativen Stichprobe in den USA beschrieben
(Kessler et al. 2006). Die hohe Komorbidität mit ande-
ren psychischen Störungen (v.a. dissoziale und emotional-
instabile Persönlichkeitsstörung, Zwangsstörungen (Fuss
et al. 2019a), aber auch psychotische und hirnorganische
Störungen) legt allerdings nahe, dass es sich auch bei die-
sem Störungsbild wie bei der Kleptomanie und Pyromanie
eher um ein Symptom verschiedener psychischer Erkran-
kungen statt um eine isolierte Störung aggressiver Impulse
handeln dürfte. Inwieweit sich diese Auffassung bestätigt,
werden kommende klinische Untersuchungen zeigen.
Insgesamt handelt es sich beim Kapitel der Impulskon-
trollstörungen in der ICD-11 immer noch mehr um eine Art
Sammel- und Restkategorie für unterschiedliche, nicht an
anderer Stelle klassifizierbare Störungsbilder, die allein auf-
grund deskriptiver Ähnlichkeiten zusammengruppiert wur-
den. Es handelt sich um in Forschung und Klinik vernach-
lässigte und/oder umstrittene Diagnosen. Offene Fragen be-
treffen deren Legitimation als eigenständige Störungsbilder
oder aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten sowohl mit Verhal-
tenssüchten als auch mit Zwangserkrankungen deren kon-
zeptuelle Einordnung, welche sich auf Basis der Datenlage
im Verlauf verändern kann (s. am Beispiel des pathologi-
schen Glücksspiels). Dies erklärt, dass in der Kategorie der
Impulskontrollstörungen mehr Bewegung stattfindet als in
anderen Kategorien und sie eine größere Angriffsfläche für
Kritik und Diskussionspunkte bietet (Werdenich und Pad-
lesak 2006, S. 541).
Diskussionen rund um das Kapitel der
Impulskontrollstörungen
Diskussionspunkte zum Thema Impulskontrollstörungen
können unter der Leitfrage „Ist abweichendes Sozialver-
halten tatsächlich Ausdruck einer psychischen Störung?“
zusammengefasst werden. Im Kapitel der Impulskontroll-
störungen würden alltägliche Verhaltensweisen als sta-
bile Muster abweichenden Sozialverhaltens beschrieben,
die erst durch ihre exzessive Ausübung abweichend wir-
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24 S. Bründl, J. Fuss
ken oder aufgrund ihrer strafrechtlichen Relevanz in den
Verdacht einer Psychopathologie gerieten (Kröber 2015;
Leygraf 2016). Ihr gemeinsames zentrales Merkmal, die
Impulsivität als beeinträchtigte psychische Dimension,
erscheint wenig spezifisch, vielmehr Symptom verschie-
denster psychischer Störungen (Werdenich und Padlesak
2006). Deshalb wurde kritisiert, dass aufgrund der unge-
klärten Ursachen der als Störungen der Impulskontrolle
beschriebenen Verhaltensweisen nicht klar sei, ob deren
Einordnung als psychische Störung in ein psychiatrisches
Klassifikationssystem angemessen ist (Kröber 2015). Ins-
gesamt werden immer wieder Stimmen mit Forderungen
nach Revision einer „wenig zufriedenstellenden Misch-
kategorie“ (Werdenich und Padlesak 2006, S. 541) laut,
denen in der ICD-11 durch Modifikation bestehender
und Aufnahme neuer Diagnosen nur teilweise begegnet
wurde.
ModikationvonDiagnosenamBeispieldes
pathologischen Glücksspiels
Das pathologische Glücksspiel, „einstiges Flaggschiff der
Impulskontrollstörungen“ (Kröber 2015, S. 149), wird in
der ICD-11 nicht mehr im Kapitel der Impulskontrollstö-
rungen zu finden sein. Jahrzehntelange Kämpfe um das ex-
zessive Glücksspielen zwischen Vertretern eines Zwangs-
modelles und Suchttherapeuten (Kröber 2009,2015) führ-
ten zunächst zu einer Kompromisskategorisierung als Stö-
rung der Impulskontrolle in der ICD-10, ebenso wie in
DSM-III bis DSM-5. Forschungsbemühungen, die durch
die Listung in Diagnosemanualen begünstigt wurden, re-
sultieren nun in der ICD-11 in der Einführung einer neuen
Kategorie für Verhaltenssüchte im Bereich der Suchterkran-
kungen („disorders due to addictive behaviors“). Die Erwei-
terung des Suchtkonzepts sowie die Klassifizierung der Dia-
gnose pathologisches Glücksspiel als Verhaltenssucht ba-
sieren auf vergleichbaren verhaltensbezogenen Symptomen
von substanzgebundenen Süchten und den neuen sog. Ver-
haltenssüchten (Leygraf 2016), sowie auf ähnlichen neu-
robiologischen Korrelaten in Hirnregionen, die mit gerin-
ger Impulskontrolle, der Verarbeitung von Belohnungsrei-
zen und aggressivem Verhalten assoziiert sind (Stieglitz und
Hiller 2013).
Dieses Beispiel zeigt, dass die Aufnahme von Diagno-
sen in Klassifikationssysteme Forschungsaktivitäten ansto-
ßen kann, die zur Evaluierung und Weiterentwicklung der
Diagnose beitragen sowie langfristig zu einer Änderung der
Konzeptualisierung führen können. Ähnliche Diskussionen
finden aktuell im Bereich der zwanghaften sexuellen Ver-
haltensstörung statt.
Einführung neuer Diagnosen am Beispiel der
zwanghaften sexuellen Verhaltensstörung
Eng verbunden mit Änderungsprozessen in Klassifikations-
systemen ist die Frage nach der Notwendigkeit neuer Dia-
gnosen, die mit dem Risiko einer „inflationären Zunahme
psychischer Störungen“ sowie einer „Trivialisierung des
Konzepts psychischer Störungen“ einherzugehen drohen
(Stieglitz und Hiller 2013, S. 237). Dieses Spannungsver-
hältnis soll im Folgenden in Bezug auf die in der ICD-11
neu eingeführte und umstrittene Diagnose der zwanghaften
sexuellen Verhaltensstörung diskutiert werden.
Nachdem bisherige Vorschläge zur Integration außer
Kontrolle geratenen Sexualverhaltens in ein Klassifikati-
onssystem abgelehnt wurden (z.B. hypersexuelle Störung;
Kafka 2010), wird nun mit der zwanghaften sexuellen Ver-
haltensstörung ein jahrzehntelang diskutiertes Phänomen
in die ICD-11 aufgenommen. Die gegenwärtigen Diskus-
sionen zeigen, dass die eine Seite soziale, klinische und
rechtliche Bedenken gegen die Einführung der Diagnose
hat und auch dieses Symptom eher als Ausdruck anderer
zugrunde liegender Störungen (z.B. Persönlichkeitsstö-
rungen) auffasst die andere Seite v.a. die Chance zur
empirisch fundierten Weiterentwicklung des Konstrukts
und zur besseren klinischen Versorgung (Fuss et al. 2019b)
sieht.
Auf sozialer Ebene entsteht durch die Konzeptualisie-
rung als psychische Störung das Risiko der Stigmatisierung
(Briken 2016). Abweichendes Sexualverhalten erscheint in
besonderem Maße anfällig für Stigmatisierung, weil Sexua-
lität ohnehin mit verschiedensten Stereotypen (z.B. Herek
und McLemore 2013;Boysenetal.2014) sowie gesell-
schaftlichen Norm- und Wertvorstellungen (Soble 2009)
konfrontiert ist. Zumal die ICD als weltweites Klassifikati-
onssystem auch in Ländern gilt, wo die Gefahr besteht, dass
eine Konzeptualisierung abweichender Sexualität als psy-
chische Störung (religiös oder moralisch begründete) sexu-
alfeindliche Einstellungen und die Entwicklung fragwürdi-
ger Therapieformen begünstigen könnte (Stein et al. 2020).
Die Annahme, dass die meisten TherapeutInnen und Ärz-
te verlässlich zwischen tatsächlich gestörtem und anderem
Sexualverhalten, das lediglich aufgrund moralischer Wer-
tungen oder der Missbilligung besonderer sexueller Ver-
haltensweisen gestört wirkt, unterscheiden können, ist die
Hoffnung. Die Frage, ob ihnen dies gelingt, soll durch eine
weltweite Fall-Kontroll-Feldstudie in Kooperation mit der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) geklärt werden, deren
Datenerhebung nahezu abgeschlossen ist.
Um eine unangemessene Pathologisierung sexueller Ver-
haltensweisen und den missbräuchlichen Gebrauch der Dia-
gnose weniger wahrscheinlich zu machen, soll die zwang-
hafte sexuelle Verhaltensstörung nicht diagnostiziert wer-
den, wenn ein hohes Maß an sexuellem Interesse und sexu-
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Impulskontrollstörungen in der ICD-11 25
ellem Verhalten, jedoch ohne Leidensdruck oder eine Be-
einträchtigung der sexuellen Selbstkontrolle vorliegt. Eben-
so wenig, wenn das Verhalten nur über einen kurzen Zeit-
raum oder bei Jugendlichen auftritt. Im klinischen Kontext
befürchten KritikerInnen, dass durch Pathologisierung se-
xueller Normvarianten (Fuss et al. 2018; Klein et al. 2019)
ein hohes Potenzial für Falsch-positiv-Raten entsteht (Win-
ters 2010; Steele et al. 2013). Daher sollen die neuen Dia-
gnosekriterien im Vergleich zum bloßen Vorhandensein
einer diagnostischen Kategorie ohne weitere Spezifikatio-
nen wie in der ICD-10 dazu beitragen, dass die Schwelle
für die Diagnose einerseits nicht zu niedrig ist, andererseits
keine zu hohe Hürde für eine mögliche Behandlung betrof-
fener Personen darstellt. Besonders wichtig erscheint dabei
die Differenzierung zwischen Personen, die tatsächlich un-
ter ihrem Sexualverhalten leiden, und solchen, die Konzepte
wie „Sexsucht“ beispielsweise als Rechtfertigung für Fehl-
verhalten nutzen (Kraus et al. 2016,2018; Gola und Potenza
2018). In diesem Zusammenhang wurden auch rechtliche
Bedenken wie eine Fehlanwendung der Diagnose vor Ge-
richt diskutiert (Kafka 2010,2014). Trotz Fehlens einer
offiziellen Diagnose fand das verwandte Konstrukt „sex ad-
diction“ v.a. in amerikanischen Gerichtsverfahren bereits
Anwendung (Ley et al. 2015 für Fallbeispiele). KritikerIn-
nen befürchten, dass eine offizielle Diagnose insbesonde-
re im Zusammenhang mit Sexualstraftaten im angloame-
rikanischen Rechtssystem als strafmildernder Faktor miss-
braucht werden könnte (Ley et al. 2015; Montgomery-Gra-
ham 2017).
Weitere Kritikpunkte betreffen die mangelnde empiri-
sche Fundierung des Konzepts der zwanghaften sexuellen
Verhaltensstörung, ihre konzeptuelle Einordnung, ihre Dia-
gnosekriterien sowie mögliche Therapieansätze (Stein et al.
2020). Besonders die konzeptuelle Einordnung als Störung
der Impulskontrolle sowie alternative Konzeptualisierungs-
vorschläge als Verhaltenssucht oder Zwangsstörung wurden
unter öffentlichen, politischen und finanziellen Gesichts-
punkten kontrovers diskutiert (Böthe et al. 2018a, b; Carnes
1991;Fussetal.2019a, b; Gola und Potenza 2018;Grant
et al. 2014;Grifths2016; Kraus et al. 2016; Potenza et al.
2017; Stein 2008; Stein et al. 2020).
Mit der Aufnahme der zwanghaften sexuellen Verhal-
tensstörung in die ICD-11 wird die jahrzehntelange Debatte
um das Phänomen keineswegs beendet sein, der Teufels-
kreis aus fehlenden offiziellen Diagnosekriterien und feh-
lender empirischer Fundierung aber allemal beendet. Als
Gegenstand aktueller und künftiger Forschungsbestrebun-
gen hat die neue Diagnose das Potenzial, Veränderungen
in Therapie und Prävention anzustoßen (Mead und Sharpe
2018). Inwiefern die Diagnose die soziale, klinische und
rechtliche Situation tatsächlich verändert, wird sich im An-
schluss an ihre Einführung zeigen. Mögliche Implikationen
werden im nächsten Abschnitt dargestellt.
Implikationen
Beschriebenen Risiken der Weiterentwicklung bestehender
Diagnosen und Aufnahme neuer Diagnosen in Klassifikati-
onssysteme (Diagnoseinflation, Trivialisierung psychischer
Störungen, Pathologisierung abweichenden Verhaltens, ho-
he Falsch-positiv-Raten, Missbrauch von Diagnosen) ste-
hen wichtige Chancen für die Forschung und klinisch-the-
rapeutische Praxis gegenüber. Im Folgenden werden wis-
senschaftliche, klinische und rechtliche Implikationen dar-
gestellt, die mit den ICD-11-Neuerungen im Kapitel der
Impulskontrollstörungen einhergehen.
Implikationen für die Forschung
Das Beispiel der zwanghaften sexuellen Verhaltensstörung
zeigt, wie Forschungsbestrebungen durch die Einführung
neuer Diagnosen angeregt werden können. Seit Konzeptua-
lisierung als Impulskontrollstörung ist die Anzahl an Stu-
dien zum Thema zwanghafte Sexualität stark angewach-
sen. Unter anderem, wurde bereits ein Messinstrument an-
hand der ICD-11-Kriterien entwickelt und in verschiedenen
Sprachen validiert (Böthe et al. 2020); Prävalenzschätzun-
gen sowie ätiologische (Leeman et al. 2019; Walton et al.
2017) und Untersuchungen zu Therapieansätzen wurden
durchgeführt (Hallberg et al. 2019). Allgemein haben wis-
senschaftliche Erkenntnisse auf Basis valider und reliabler
Diagnosekriterien die Bedeutung von Impulskontrollstörun-
gen deutlicher gemacht. Vor allem die zwanghafte sexuelle
Verhaltensstörung,daspathologische Glücksspiel und die
intermittierende explosible Störung scheinen in der Allge-
meinbevölkerung verbreitete Erkrankungen, die mit Beein-
trächtigungen in verschiedenen Lebensbereichen einherge-
hen und die Wichtigkeit wissenschaftlich fundierter Diag-
nostik sowie Behandlung betonen (Grant et al. 2014). Aus
dieser Perspektive ist deren Konzeptualisierung als Impuls-
kontrollstörung auch bei strittiger Datenlage eher zu begrü-
ßen.
Klinische Implikationen
Klare diagnostische Richtlinien und eine empirische Fun-
dierung von Störungskonzepten können auf klinischer Ebe-
ne zur Verbesserung der Behandlungssituation beitragen.
Die Listung in der ICD-11 scheint die Behandlungsmög-
lichkeiten zu verbessern und die Chancen zu erhöhen, dass
Behandlungskosten durch Krankenkassen übernommen
werden können (Stein et al. 2020). Auch können dadurch
TherapeutInnen für das jeweilige Krankheitsbild sensibi-
lisiert, der Einfluss moralischer, religiöser oder sonstiger
Urteile verringert und der Spielraum für unseriöse The-
rapieangebote (z. B. „Suchtrehabilitation“ für „Sexsucht“)
eingeschränkt werden (Gola und Potenza 2018). Damit
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26 S. Bründl, J. Fuss
einher geht im besten Fall die Entwicklung und wissen-
schaftliche Überprüfung spezifischer Therapieprogramme.
Dass es sich bei den Impulskontrollstörungen um ei-
ne Gruppe im Grundsatz normaler Verhaltensvarianten
handelt, macht die Diagnostik der Störungen zu einer
anspruchsvollen Gratwanderung. Umso wichtiger sind
explizite Diagnosekriterien (wie für die zwanghafte sexu-
elle Verhaltensstörung in der ICD-11, inklusive Kriterien
zur Abgrenzung von Normvarianten sexuellen Verhaltens
und anderen psychischen Störungen), anhand derer eine
Differenzierung zwischen normalem und pathologischem
Verhalten möglich sein soll. Vor allem, wenn die Behand-
lungsmotivation ggf. auf geschlechtstypischen Erwartungs-
haltungen, sexualitätsfeindlichen Einstellungen oder über-
höhten Moralvorstellungen (Klein et al. 2015)basiert,ist
eine Abgrenzung schwierig; aber wichtig, um negative Fol-
gen für Betroffene (z.B. Stigmatisierung, Medikalisierung
sexuellen Verhaltens, nichtindizierte Pharmakotherapien,
inklusive Nebenwirkungen) und das Gesundheitssystem
(z.B. Verknappung der Behandlungsressourcen) zu ver-
meiden (Briken 2016). Eine wichtige Rolle kommt hierbei
einem gemeinsamen Kernmerkmal der Impulskontroll-
störungen zu: Leidensdruck und Beeinträchtigungen in
verschiedenen Funktionsbereichen sollen nicht ausschließ-
lich auf sozialen, moralischen oder sonstigen Wertungen
basieren. Störungsübergreifend und unabhängig von der
konzeptuellen Einordnung der Störung sollen darüber hi-
naus die Motivlage und Funktion des impulsiven Verhaltens
(z.B. exzessives Sexualverhalten, Brandstiftung, Glücks-
spiel) im therapeutischen Kontext analysiert werden: Wer-
den die Verhaltensweisen primär zur Bewältigung innerer
Spannungszustände und zum Abbau unangenehmer Ge-
fühle durchgeführt oder wird ein bestimmter emotionaler
Zustand (z.B. Lustgewinn, euphorische Stimmungslage)
angestrebt (Briken 2016; Werdenich und Padlesak 2006)?
Dass die Konzeptualisierung von Impulskontrollstörungen
obwohl ähnlich kontrovers diskutiert wie die Diagnose-
kriterien im therapeutischen Kontext eine untergeordnete
Rolle spielt, zeigt sich am Beispiel des pathologischen
Glücksspiels. Unabhängig von der Einordnung der Störung
als Impulskontrollstörung (ICD-10) oder Verhaltenssucht
(ICD-11) kommt eine Reihe von Behandlungsmöglichkei-
ten infrage, die weder dem einen noch dem anderen Bereich
entsprungen sind (z.B. Lithium- oder Expositionstherapie;
Cowlishaw et al. 2012; Hollander et al. 2005). Ein ähnli-
ches therapeutisches Vorgehen trotz Umkategorisierung des
pathologischen Glücksspiels sowie eine Verbesserung der
Versorgungslage durch die neue Diagnose zwanghafte se-
xuelle Verhaltensstörung in der ICD-11 können zumindest
auf klinischer Ebene einige der am Kapitel der Impulskon-
trollstörungen geäußerten Kritikpunkte relativieren.
Rechtliche Implikationen
Das Kapitel der Impulskontrollstörungen erscheint beson-
ders im Hinblick auf forensisch-psychiatrische Fragestel-
lungen relevant, weil alle beschriebenen Verhaltensweisen
strafrechtlich bedeutsam sein können (z.B. in Form von
Brandstiftung, Diebstahl, aggressiven Ausbrüchen mit Kör-
perverletzung, Sexualdelikten). Unvorbereitet impulsives
Verhalten kann ein Hinweis auf eine Beeinträchtigung der
exekutiven Steuerungsfähigkeit sein, weshalb den Diagno-
sen eine zentrale Bedeutung im Kontext der Beurteilung
von Steuerungsfähigkeit und Schuldfähigkeit zukommen
könnte.
Die Frage nach verminderter oder aufgehobener Schuld-
fähigkeit bei Straftaten kommt auf, wenn ein Zusammen-
hang zwischen der Entstehung eines Delikts und Symp-
tomen einer psychischen Störung angenommen wird. Im
Rahmen einer gerichtlich in Auftrag gegebenen forensisch-
psychiatrischen Begutachtung wird untersucht, ob patholo-
gisches Verhalten im Sinne einer psychischen Störung vor-
liegt, die die Voraussetzungen eines von vier vom Gesetz-
geber vorgegebenen Kriterien, unter denen die Schuldfähig-
keit gemindert oder aufgehoben sein kann (§§ 20, 21 StGB),
erfüllt. Eine Einschränkung der strafrechtlichen Verantwort-
lichkeit aufgrund einer psychischen Störung kommt in Be-
tracht, wenn die diagnostizierte Störung einen Zusammen-
hang zum delinquenten Verhalten aufweist. Störungen der
Impulskontrolle können wie Persönlichkeitsstörungen oder
Paraphilien unter das 4. Kriterium der „schweren anderen
seelischen Abartigkeit“ (SASA) fallen und damit die Fra-
ge einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit
zur Diskussion stellen.
Die forensisch-psychiatrische Begutachtung im Zusam-
menhang mit Impulskontrollstörungen scheint anspruchs-
voll zu sein, weil delinquente Verhaltensweisen (z.B. Dieb-
stahl, Gewalttaten) als solche in den Diagnosekriterien ent-
halten sind (Kröber 2015). Doch laut Ausschlusskriterien
der Impulskontrollstörungen in der ICD-11 handelt es sich
bei den Diagnosen um störungsbedingte Einbußen im Sym-
ptombereich der Impulskontrolle, die nicht durch eine an-
dere psychische Störung erklärt werden können. Ohne das
Vorliegen weiterer Komorbiditäten dürften diese störungs-
bedingten Einbußen im Regelfall nicht zu einer schwer-
wiegenden Beeinträchtigung der Beziehungsgestaltung und
psychosozialen Leistungsfähigkeit führen. Isolierte Funkti-
onsstörungen im Bereich der Impulskontrolle als eigenstän-
dige Störungsbilder dürften in Ausgestaltung und Schwere-
grad dementsprechend nicht die forensisch-psychiatrischen
Voraussetzungen für eine SASA erfüllen.
Geht man hingegen von einer komorbiden Störung (wie
z.B. einer Persönlichkeitsstörung) aus, die den Schwere-
grad einer SASA erreicht, so kann der jeweiligen Impuls-
kontrollstörung in Ausnahmefällen eine bedeutsame Rolle
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Impulskontrollstörungen in der ICD-11 27
zukommen. Beispielsweise wenn es schwierig ist, das straf-
rechtlich relevante Verhalten im Zusammenhang mit der
Persönlichkeitsstörung psychopathologisch einzuordnen.
Denkbar ist, dass dann eine scheinbar motivlose Impuls-
kontrollstörung als Verstehenshintergrund für das Verhalten
herangezogen wird. In solch einem Fall sollte bedacht wer-
den, dass eine entsprechende Anwendung der Diagnosen
mit weitreichenden Konsequenzen von Strafminderung
bis zur zeitlich unbegrenzten Unterbringung in einem psy-
chiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB verbunden sein
kann. Zum Beispiel kann die Diagnose einer zwanghaften
sexuellen Verhaltensstörung im Zusammenhang mit Se-
xualdelinquenz ähnlich wie eine paraphile Störung zu einer
negativen Kriminalprognose und zu einer Unterbringung
im Maßregelvollzug beitragen. Allerdings hat zwanghaftes
Sexualverhalten durch das Konstrukt sexueller Süchtigkeit
(Giese 1962) bereits zuvor, unabhängig von der neuen
Diagnose der zwanghaften sexuellen Verhaltensstörung,
eine Rolle in der Schuldfähigkeitsbegutachtung gespielt
(Briken 2016) und dürfte dahingehend keine bedeutenden
Änderungen anstoßen.
Insgesamt sollten Impulskontrollstörungen im foren-
sisch-psychiatrischen Kontext hauptsächlich dahingehend
eine Rolle spielen, dass Impulskontrolle generell als prog-
nostisch relevanter Symptombereich im Begutachtungspro-
zess beachtet werden sollte. Die Diagnose einer isolierten
Impulskontrollstörung dürfte in der forensischen Praxis
allerdings nur in den seltensten Fällen aufgrund oben
genannter Gründe als Hinweis auf eine Minderung der
Steuerungs- und Schuldfähigkeit gewertet werden. Die
wichtigste Rolle kommt unabhängig von der Diagnose-
stellung nach wie vor der psychopathologischen Analyse
von Diagnose und Delikt sowie der Expertise des Gutach-
ters zu. Demnach wird sich die forensische Praxis durch
die Impulskontrollstörungen der ICD-11 vermutlich kaum
ändern, wahrscheinlich aber vom verbesserten Verständ-
nis der Störungsbilder langfristig profitieren, das sich aus
verstärkter Forschungsaktivität ergeben könnte. So wurde
jüngst beispielsweise die wichtige Unterscheidung zwi-
schen einem empfundenen Kontrollverlust über sexuelles
Verhalten entsprechend den Diagnosekriterien und einer
forensisch-relevanten Steuerungsminderung betont (Fuss
et al. 2020) oder das Konzept der sexuellen Dranghaf-
tigkeit im Rahmen der Schuldfähigkeitsbegutachtung neu
diskutiert (Briken 2016).
Fazit
Nach teils kontroversen Diskussionen um das Konzept
der Impulskontrollstörungen i.Allg. und einzelne Dia-
gnosen entschied die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
zugunsten der Impulskontrollstörungen als weiterhin ei-
gene Störungskategorie in der International Classification
of Diseases and Related Health Problems (ICD-11), in-
klusive der Aufnahme der neuen Diagnosen zwanghafte
sexuelle Verhaltensstörung und intermittierende explosible
Störung. Die Aufnahme weiterer vermeintlicher Impuls-
kontrollstörungen wie problematische Internetnutzung oder
zwanghaftes Kaufen wurde aufgrund der unzureichenden
Datenlage zum gegenwärtigen Zeitpunkt abgelehnt. Ei-
ne fehlende empirische Fundierung wurde neben sozialen
(z.B. Stigmatisierung), klinischen (z.B. Pathologisierung
sexueller Normvarianten) und rechtlichen (z.B. Missbrauch
der Diagnose als Rechtfertigung für Sexualstraftaten) Be-
denken auch als Hauptargument gegen eine Diagnose für
zwanghaftes Sexualverhalten angeführt. Einige dieser Kri-
tikpunkte am Kapitel der Impulskontrollstörungen können
durch Vorteile in der Forschung (z.B. ätiologische und
Prävalenzstudien) und Therapie (z.B. Behandlungskosten-
übernahme, Sensibilisierung von TherapeutInnen) relati-
viert werden. Trotz unterschiedlicher bzw. unbekannter
Ätiologie der enthaltenen Störungsbilder können deskripti-
ve Ähnlichkeiten in den Symptomen (z. B. Unkontrollier-
barkeit von Impulsen, anfänglicher Belohnungscharakter,
langfristig Beeinträchtigungen in wichtigen Lebensberei-
chen, Leidensdruck) als Anhaltspunkte für die Behandlung
von Impulskontrollstörungen genutzt werden. Konzeptu-
elle Diskussionen scheinen für die klinisch-therapeutische
Praxis eine untergeordnete Rolle zu spielen. Gründliche Be-
gutachtungsprozesse können dem Missbrauch psychischer
Störung im rechtlichen Kontext entgegenwirken. Wenn man
die Änderungen der ICD-11 als aktuellen psychiatrischen
Forschungs- und Erfahrungsstand, nicht wie starre Richtli-
nien, versteht und unter Beachtung potenzieller Schwächen
anwendet, können sie neue Impulse für die ständige Wei-
terentwicklung und Verbesserung der Klassifikation und
Behandlung psychischer Störungen beitragen.
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... Hypersexual behaviour (HB) in a clinical understanding is defined as Compulsive sexual behaviour disorder (code: 6C72) in the eleventh revision of the International Classification of Diseases (ICD-11) [1]. It is characterized by recurring unsuccessful efforts to control intense, repetitive sexual impulses that result in sexual activities and manifest in the behaviour of the concerning individual over an extended period (six months is indicated to provide orientation) [2]. ...
... A weak association Note: n = Absolute frequency, h = Relative frequency. 1 Participants who stated to be non-binary (n = 6) and participants who answered the item addressing gender assignment with prefer not to say (n = 2) were only considered in this column, because they were just a small number. 2 Numbers of inhabitants: Village/country town: below 5,000. ...
... One possible explanation for the mentioned difficulties in the sexual life of young adults is the strong relation between sexuality and digitalization, Table 6 Associations between HB and personality traits Note: *** p < 0.001. 1 Participants who reached a mean score of ≥ 3.5 on the related personality scales were measured. 2 [41]. ...
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Background Hypersexual behaviour (HB) is characterized by recurring unsuccessful efforts to control intense, repetitive sexual impulses that result in sexual activities and manifest in the behaviour of the concerning individual over an extended period. This study aims to describe the characterization of HB among the target group, identify personality correlates, and associations between HB and a lack of sexual education and reflection during school time. Methods A cross-sectional design was used to survey the participants (age 18–27; n = 609) online who were recruited via a web forum for addiction selfcare, a website for casual sex dating, Facebook and the mail distribution of the University of Applied Science Nordhausen (Germany). Standardised questionnaires were used to measure the key variables in the study. The sexual behaviour (masturbation, pornography consumption, promiscuity), several personality tendencies, and retrospective information about sexual education of the participants during school time were investigated. Correlation and binomial logistic regression were used to analyse the data with HB as the outcome variable. Results 10.5% ( n = 64) of the participants were identified as hypersexual. The assignment to male sex, a problematic pornography consumption, and impulsive tendencies were determined as predictors of HB. Strong correlates were identified between HB and promiscuity, and impairments in important areas of life. Weak to moderate correlates comprise between HB and all investigated personality traits, and several aspects of sexual risk behaviour. No association was found between HB and a lacking sexual education during school time. The descriptive analysis revealed further sexual problems within the sample (e.g. feelings of shame and guilt, sexual risk behaviour, sexual dysfunction). Conclusion. Young adults should get more attention as a vulnerable group for the development of hypersexuality in sexual education, prevention and therapy. Regarding to its treatment, HB therefore should be considered together with its associations with sociodemographic information, personality traits, and psychosocial factors.
... These patterns «without prosocial emotions» in criminal behavior, -which may be due to «learned and self-consensual vices, and not due to mental disorders-, are the ones that most predict recidivism and a rejection of prison treatment (Münch et al., 2020). Bründl and Fuss (2021), reinforce the argument that the continuity of intermittent explosive disorder and compulsive sexual behavior in ICD-11 is still questionable -although, other authors mention that the continuity of compulsive sexual behavior promote research and improvement in prevention and treatment (Mead & Sharpe, 2019)-. In addition, including harm to other people's health as one of the criteria for substance use could medically justify crimes committed under the influence of alcohol or drugs (García-López, 2022; Reed et al., 2019). ...
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Background: Mental disorders are alterations in several functional domains of human beings that trigger greater morbidity and mortality if not adequately addressed. The International Classification of Diseases 11th Revision (ICD11) is a recently approved global and modern system to guide clinical practice faced with these disorders and other conditions. State of the art: Despite the imminent implementation of this system in member states, the guidelines on its scientific basis, practice and importance in public health have been published in a scattered manner, with a mainly medical psychiatric target audience, hence, it is necessary to unify these guidelines in a unique text. Therefore, the objective of this review was to analyze three associated aspects: (a) current knowledge of the matter, (b) its application in psychological practice, and (c) reflection concerning the implications on public health policies. To do this, these aspects were divided into 10 sections with the most relevant topics, and examples to facilitate their use and comments to promote understanding were described. Conclusions: This paper presents a review that comprehensively addresses knowledge-practice-policy triad of mental disorders of the ICD-11. Authors’ contributions The authors participated equally in the preparation of this paper
... Symptoms may include repetitive sexual activities becoming a central focus of the person's life" (4). Possible consequences are the neglect of important relationships, activities, and responsibilities, as well as the resulting impairments in familial, social, professional, educational, or other important areas of life (5). The prevalence of hypersexual behavior varies between 1% and around 10%, thus these estimations should be interpreted with caution (6). ...
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Background: Hypersexual and hyposexual behaviors are common concomitant of substance use disorders (SUD). On the one hand, the regular consumption of alcohol or illegal drugs can lead to hypersexual or hyposexual behavior due to its effects on the organism; on the other hand, the use of psychotropic substances is also used as a coping strategy concerning already existing sexual impairments. The aforementioned disorders show similarities in terms of their etiology, as traumatic experiences get special attention as potential risk factors for the development of addictions, hypersexual, and hyposexual behavior. Objectives: The study aims to explore the association between SUD characteristics and hypersexual/hyposexual behavior, and a potential moderating effect of early traumatic life events by answering the following research questions: (1) Do people with SUD differ from a sample of people with other psychiatric disorders regarding hypersexual and hyposexual behavior? (2) What are the associations between the presence of sexual problems and different characteristics of the SUD (e.g., mono vs. polysubstance use, type of addictive substance, intensity of the disorder)? (3) What influence do traumatic experiences in childhood and adolescence have on the existence of sexual disorders among adults with a diagnosed SUD? Method: The target group of this cross-sectional ex-post-facto study comprises adults diagnosed with an alcohol- and/or substance use disorder. Data will be collected with an online survey, which will be promoted via several support and networking services for people diagnosed with SUD. Two control groups will be surveyed, one consisting of people with other psychiatric disorders than SUD and traumatic experiences, and one healthy group. Relations between the dependent variables (hypersexual and hyposexual behavior) and independent variables (sociodemographic information, medical and psychiatric status, intensity of the prevalent SUD, traumatic experiences, and symptoms of posttraumatic stress disorder) will be initially calculated via correlations and linear regression. Risk factors will be identified via multivariate regression. Discussion: Gaining relevant knowledge promises new perspectives for prevention, diagnosis, case conception, and therapy of SUDs as well as problematic sexual behaviors. The results can provide more information about the importance of psychosexual impairments regarding the development and maintenance of SUDs.
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Zusammenfassung Pathologisches Glücksspiel spielt als Diagnose in der deutschen ambulanten und stationären Suchthilfe eine bedeutende Rolle und geht bei inhaftierten Personen mit einer deutlich höheren Prävalenz als in der Allgemeinbevölkerung einher. Bei der prinzipiellen Frage nach einer Unterbringung im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB wurde diese Diagnose bisher häufig als aggravierende Störung diskutiert. Differenzierte und standardisiert erhobene Daten zu Prävalenz und Ausprägung von pathologischem Glücksspielverhalten bei Patienten im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB liegen aber nicht vor. Es konnte an verschiedenen Stellen aufgezeigt werden, dass pathologisches Glücksspiel im Zusammenhang mit dysfunktionalen Emotionsregulationsstrategien (ERS) steht, was verdeutlicht, dass diese komorbide Störung mitbehandelt werden sollte. In der vorliegenden Studie aus dem Maßregelvollzugszentrum Bad Rehburg, einem Fachkrankenhaus für forensische Psychiatrie und Psychotherapie, wurden 134 männlichen Patienten, bei Aufnahme im Zeitraum zwischen September 2020 und September 2022, der Kurzfragebogen zum Glücksspielverhalten (KFG) und die Emotional Processing Scale (EPS-D) zur Bearbeitung vorgelegt. Die Auswertung der Daten ergab, dass 27 der aufgenommenen Patienten mit einem Wert von 16 oder mehr Punkten oberhalb des Cut off zum beginnenden pathologischen Glücksspiel lagen. Diese Patienten gaben signifikant stärker ausgeprägte dysfunktionale ERS an. Die Ergebnisse führen zu der Empfehlung, Patienten im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB mit komorbidem, pathologischen Glücksspielverhalten bei Therapiemodulen zur Verbesserung der Emotionsregulation besonders zu berücksichtigen.
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Zusammenfassung: Hintergrund: Obwohl die Kauf-Shopping-Störung bereits vor über 100 Jahren von Kraepelin (1909) als Oniomanie beschrieben wurde und von einer geschätzten Prävalenz von 4,9 % in der Bevölkerung ( Maraz, Griffiths & Demetrovics, 2016 ) ausgegangen wird, ist sie weiterhin keine eigenständige Erkrankung in den Klassifikationssystemen. Patienten und Patientinnen mit einer Kauf-Shopping-Störung berichten von unterschiedlichen Konsequenzen die von Konflikten in der Partnerschaft und Schulden bis hin zu delinquentem Verhalten (z. B. Strafverfahren wegen Bestellungen auf falschem Namen) reichen. Weiterhin liegen oft komorbide Störungen vor, v. a. Depressionen, soziale Ängste, zwanghaftes Horten, Binge-Eating-Störung, Glücksspielsucht und Substanzkonsumstörungen ( Müller, Mitchell, Crosby et al., 2010 ; Granero et al., 2016 ). Hinsichtlich der Behandlung der Kauf-Shopping-Störung, ist nach aktuellem Stand keine ausreichende Wirksamkeit von psychopharmakologischen Behandlungen gezeigt worden (e. g. Nicoli de Mattos et al., 2020 ; Koran, Aboujaoude, Solvason, Gamel & Smith, 2007 ). In wenigen randomisiert kontrollierten Studien ( Müller, Arikian, de Zwaan & Mitchell, 2013 ; Müller, Müller et al. 2008 ; Mitchell, Burgard, Faber, Crosby & de Zwaan, 2006 ; Benson, Eisenach, Abrams & van Stolk-Cooke, 2014 ), die durchgeführt worden sind, zeigte sich die kognitive Verhaltenstherapie als wirksam. Ob die Kauf-Shopping-Störung eher als eine Impulskontrollstörung, eine Zwangsstörung oder eine Verhaltenssucht eingeordnet werden kann, wird aktuell noch debattiert. Die Diagnose wird im aktuellen ICD-10 ( Dilling & Freyberger, 2016 ) von Klinikern als eine sonstige (F63.8) oder nicht näher bezeichnete Impulskontrollstörung (F63.9) eingeordnet. Im ICD-11 ( WHO, 2019 ) wird sie ohne Nennung diagnostischer Kriterien als eine andere spezifische Impulskontrollstörung (6C7Y) zugeordnet. Führende Experten sehen jedoch eine bessere Zuordnung der Kauf-Shopping-Störung unter den Störungen durch abhängiges Verhalten ( Müller, Brand et al. 2019 ). Ziel: Ziel dieses Fallberichtes ist es, das Bewusstsein über die Existenz der Kauf-Shopping-Störung zu schaffen, Beispiele zur diagnostischen Einordnung aufzuzeigen, Behandlungsbausteine Therapeuten und Therapeutinnen näher zu bringen und die Notwendigkeit für weitere Forschung zu zeigen.
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Zusammenfassung Die Nutzung von Missbrauchsabbildungen (umgangssprachlich „Kinderpornografie“) und damit im Zusammenhang stehende Straftaten haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Der vorliegende Aufsatz beleuchtet die gängigen forensisch-psychiatrischen Kriterien zur Einschätzung der Schuldfähigkeit bei Personen, die wegen des Erwerbs, Besitzes oder der Verbreitung kinderpornografischer Schriften angeklagt sind. Liegt aus forensisch-psychiatrischer Perspektive eine schwere Sexualpathologie vor, die die psychiatrischen Voraussetzungen für eine sog. schwere andere seelische Abartigkeit erfüllt, so wird sich der Gutachter die Frage einer Steuerungsminderung stellen. Im Fall von Delikten im Zusammenhang mit der Nutzung von Missbrauchsabbildungen lassen sich die Kriterien aus den Mindestanforderungen jedoch aus Sicht der Autoren schlecht anwenden. Ein weiteres Problem bei der Begutachtung ist, dass sich die angeklagten Straftaten häufig über einen längeren Zeitraum verteilen und daher der Sachverständige ggf. nach überdauernden psychopathologischen Hinweisen einer geminderten Steuerungsfähigkeit suchen muss. Die sexuelle Dranghaftigkeit, die motivationale Steuerungsfähigkeit und die Desaktualisierungspotenz sind hilfreiche Konzepte, um die Steuerungsfähigkeit in diesem Zusammenhang einzuschätzen. Eine überdauernde forensisch-relevante Steuerungsminderung, die sich ggf. über mehrere Jahre hingezogen hat, wird im Zusammenhang mit der Nutzung von Missbrauchsabbildungen in der Regel nicht vorliegen und eher einen Sonderfall darstellen.
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Background: Compulsive Sexual Behavior Disorder (CSBD) is included in the eleventh edition of The International Classification of Diseases (ICD-11) as an impulse-control disorder. Aims: The aim of the present work was to develop a scale (Compulsive Sexual Behavior Disorder Scale-CSBD-19) that can reliably and validly assess CSBD based on ICD-11 diagnostic guidelines. Method: Four independent samples of 9,325 individuals completed self-reported measures from three countries (the United States, Hungary, and Germany). The psychometric properties of the CSBD-19 were examined in terms of factor structure, reliability, measurement invariance, and theoretically relevant correlates. A potential threshold was determined to identify individuals with an elevated risk of CSBD. Results: The five-factor model of the CSBD-19 (i.e., control, salience, relapse, dissatisfaction, and negative consequences) had an excellent fit to the data and demonstrated appropriate associations with the correlates. Measurement invariance suggested that the CSBD-19 functions similarly across languages. Men had higher means than women. A score of 50 points was found as an optimal threshold to identify individuals at high-risk of CSBD. Conclusions: The CSBD-19 is a short, valid, and reliable measure of potential CSBD based on ICD-11 diagnostic guidelines. Its use in large-scale, cross-cultural studies may promote the identification and understanding of individuals with a high risk of CSBD.
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An update of the chapter on Mental, Behavioral and Neurodevelopmental Disorders in the International Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD) is of great interest around the world. The recent approval of the 11th Revision of the ICD (ICD-11) by the World Health Organization (WHO) raises broad questions about the status of nosology of mental disorders as a whole as well as more focused questions regarding changes to the diagnostic guidelines for specific conditions and the implications of these changes for practice and research. This Forum brings together a broad range of experts to reflect on key changes and controversies in the ICD-11 classification of mental disorders. Taken together, there is consensus that the WHO’s focus on global applicability and clinical utility in developing the diagnostic guidelines for this chapter will maximize the likelihood that it will be adopted by mental health professionals and administrators. This focus is also expected to enhance the application of the guidelines in non-specialist settings and their usefulness for scaling up evidence-based interventions. The new mental disorders classification in ICD-11 and its accompanying diagnostic guidelines therefore represent an important, albeit iterative, advance for the field.
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Background and aims: Compulsive sexual behaviour disorder (CSBD) will be included in ICD-11 as an impulse control disorder. CSBD also shares clinical features with obsessive-compulsive spectrum disorders (OCSDs) and behavioral addictions. There has been relatively little systematic investigation of CSBD in obsessive-compulsive disorder (OCD), the paradigmatic compulsive disorder. We aimed to determine prevalence of CSBD in OCD, and its associated sociodemographic and clinical features, including associated comorbidity, to learn more about the nature of CSBD. Methods: Adult outpatients with current OCD (N = 539) took part. The Structured Clinical Interview for OCSDs (SCID-OCSD) was used to diagnose OCSDs (Tourette’s syndrome, compulsive shopping, pathological gambling, kleptomania, pyromania, intermittent explosive disorder, selfinjurious behaviour, and CSBD). Prevalence rates of OCSDs in male versus female patients as well as comorbid disorders in OCD patients with and without CSBD were compared. Results: Lifetime prevalence of CSBD was 5.6% in patients with current OCD and significantly higher in men than women. OCD patients with and without CSBD were similar in terms of age, age of onset of OCD, present OCD illness severity, as well as educational background. Lifetime prevalence rates of several mood, obsessive-compulsive, and impulse-control disorders were considerably elevated in patients with lifetime CSBD. Discussion and Conclusions: A substantive number of OCD patients suffered from CSBD. CSBD in OCD was more likely comorbid with other mood, obsessive-compulsive, and impulse-control disorders, but not with disorders due to substance use or addictive behaviours. This finding supports conceptualization of CSBD as a compulsive-impulsive disorder.
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Background Hypersexual disorder (HD) is defined as a condition in which the individual loses control over engagement in sexual behaviors, leading to distress and negative effects on key life areas. Cognitive behavioral therapy (CBT) has been proven to reduce symptoms of hypersexual behavior; however, no randomized controlled study of CBT interventions for HD has been reported previously. Aim To investigate the efficacy of group-administered CBT for HD. Methods Male participants (n = 137) diagnosed with HD, were randomized between 7 weeks of group-administered CBT (n = 70) and a waitlist control receiving the intervention after 8 weeks (n = 67). Measurements were administered at pre-, mid-, and posttreatment, with follow-up after 3 and 6 months. Outcomes The primary outcome was the Hypersexual Disorder: Current Assessment Scale (HD:CAS), and secondary outcomes were the Sexual Compulsivity Scale (SCS) and measures of depression (Montgomery–Åsberg Depression Rating Scale (MADRS-S), psychological distress (Clinical Outcomes in Routine Evaluation Outcome Measure (CORE-OM), and treatment satisfaction (CSQ-8). Results A significantly greater decrease in HD symptoms and sexual compulsivity, as well as significantly greater improvements in psychiatric well-being, were found for the treatment condition compared with the waitlist. These effects remained stable at 3 and 6 months after treatment. Clinical Implications CBT can ameliorate HD symptoms and psychiatric distress, suggesting that the CBT program may serve as a first-line treatment in clinical settings. Strengths & Limitations This is the first randomized controlled study evaluating the efficacy of a CBT program in a rather large sample of HD-specific diagnosed men. The long-term treatment effects are vague due to the low response rate on follow-up measurements, and the efficacy of this program for hypersexual women remains unknown. Conclusion This study supports the efficacy of a group-administered CBT program as a treatment option for HD; however, future studies should include women, comprise dismantling analysis of the constituting interventions, and evaluate other treatment formats, for example, administration via the Internet. Hallberg J, Kaldo V, Arver S, et al. A Randomized Controlled Study of Group-Administered Cognitive Behavioral Therapy for Hypersexual Disorder in Men. J Sex Med 2019;16:733–745.
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The 5th International Conference on Behavioral Addictions was held in Cologne, Germany, April 23–25, 2018. It featured one of the largest concentrations of papers on pornography and sexual research presented in a single venue to date. Several key themes emerged from the conference. The theoretical basis for developing pornography and sexuality studies as components within the behavioral addiction research landscape is beginning to mature. Core components are the I-PACE theory and the development, validation, and employment in field studies of a steadily growing set of assessment tools including the Problematic Pornography Use Scale, the Brief Pornography Screener, and the Hypersexual Behavior Inventory. The field also benefitted from a keynote speech and a formal pro/con debate. The other principal debate was around the imminent release of ICD-11 by the World Health Organization and the way that Compulsive Sexual Behavior Disorder (CSBD) would be handled. There was a selection of papers looking at the debate from a variety of theoretical and practical points of view. Fieldwork from Poland suggested that well over 80% of people seeking treatment for CSBD had a problem with pornography use, rather than issues from acting out with real sexual partners.
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Impulsivity's relationships to addictive and sexual behaviours raise questions regarding the extent impulsivity may constitute a vulnerability factor for subsequent addictive and sexual behaviours and/or results from each of these. Here, we systematically reviewed empirical support for impulsivity as a precipitating factor or a consequence of addictive or sexual behaviours. We restricted ourselves to recent, human studies with assessments over time, including at least one measure of impulsivity, addictive and sexual behaviours, yielding a review including 29 published reports from 28 studies. Findings point to generalized, self-reported impulsivity as a predictor of addictive and sexual behaviours at a wide range of severity, with elements of both impulsivity and compulsivity to these acts. Alcohol consumption often increases impulsive behaviour, including inclinations towards impulsive and potentially compulsive sexual acts. Research using the Sexual Delay Discounting Task has yielded findings linking impulsivity, addictive and sexual behaviour and as such is a valuable research tool that should be used more extensively. The present review identified gaps to be addressed in further research that concurrently examines facets of impulsivity, addictive and sexual behaviours, especially because criteria for compulsive sexual behaviour disorder have been included in the eleventh edition of the International Classification of Diseases. This article is part of the theme issue ‘Risk taking and impulsive behaviour: fundamental discoveries, theoretical perspectives and clinical implications’.
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Kleptomania is an impulse control disorder characterized by the irresistible urge to steal not for monetary gain. Since its conceptualization, this categorical diagnosis has been conflated with common beliefs regarding the social class and gender such as the idea that women are intrinsically fragile and that people in the middle class were unlikely to commit theft. Also, its use has been controversial in the medical and forensic fields. This review of the literature will provide a historical excursus through the definitions of the syndrome and summarize the available pharmacological and psychotherapeutic options for its treatment. Currently, there is a lack of systematic studies regarding the clinical characteristics of kleptomania and its treatment options for practical standardized approaches.
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It has recently been proposed that compulsive sexual behavior disorder should be included in the 11th version of the International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems. Concerns have been repeatedly expressed regarding the overpathologizing of sexual behaviors and the potential for false-positive results in clinical practice. Empirical evidence indicates that stereotypes related to gender and sexual orientation might influence therapists' assessments of clients. Those stereotypes are likely to be associated with different levels of pathologization and stigmatization of high levels of sexual interest and behavior. The aim of this study was to explore the possible connections between clients' gender and sexual orientation and mental health professionals' (MHP) pathologization of compulsive sexual behavior. A sample of MHPs (N 546) were presented with a case vignette describing a client with compulsive sexual behavior. The information on the client varied by gender (male or female), sexual orientation (homosexual or heterosexual), and clinical condition (ambiguous diagnostic criteria and fulfilled compulsive sexual behavior disorder diagnostic criteria). After reading the vignette, the MHPs rated the client's mental health status and gave an opinion about causation (psychological vs. biological etiology) and stigmatization indicators (blaming the affected individual for their problems, desire for social distance, perception of dangerousness). The MHPs showed significantly fewer tendencies to pathologize when the client was a homosexual woman or man independent of their clinical condition. Mediation analyses revealed that the biological etiological model partly mediated the effects of reduced pathologization in homosexual clients. These results indicate that clinical decisions relating to compulsive sexual behavior are influenced by nosologically irrelevant beliefs about the biological causation of sexual behavior.