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Methodologie der Grenzforschung
Dominik Gerst und Hannes Krämer
Abstract
Dem Feld der Border Studies fehlt eine systematische Reflexion seiner methodologischen
Grundlagen. Der Beitrag adressiert diese Leerstelle, indem eine heuristische Unterscheidung
von vier methodologischen Perspektiven vorgeschlagen wird. Ausgehend von einem Methodo-
logieverständnis, welches ontologische, epistemologische und methodische Fragen der Untersu-
chung von Grenzen bündelt, werden die Perspektive des Auf-, Über-, In- und Wie-eine-Grenze-
Sehens umrissen und anhand von empirischen Studien vorgestellt und verglichen. Der Beitrag
schließt mit einer Diskussion methodologischer Herausforderungen. Das Ziel dieser Systema-
tisierung ist es, einen alternativen Ordnungsversuch des diversifizierten Felds der Grenzfor-
schung anzubieten.
Schlagwörter
Grenzforschung, Methodologie, Methoden, Interdisziplinarität
Einleitung
Das Feld der Border Studies weist bislang keine systematische Reflexion seiner methodologi-
schen Grundlagen auf. Der vorliegende Handbuchartikel wendet sich dieser Leerstelle zu,
indem systematisch nach der Methodologie der Grenzforschung gefragt wird. Der Begriff
der Methodologie bezieht sich dabei nicht nur auf einzelne Schritte innerhalb von Forschungs-
prozessen, sondern meint grundlegender auch prinzipielle Forschungshaltungen und Beobach-
tungspositionen. Er umfasst damit „the tasks, strategies, and criteria governing scientific
inquiry, including all facets of the research enterprise“ (Gerring 2012, S. 6). Methodologie
verknüpft mithin ontologische Fragen (Was ist Grenze?) sowie epistemologische (Was kann
ich über Grenze wissen?) und methodische Fragen (Wie kann ich Grenze erforschen?) der
Untersuchung von Grenzen. Als „Scharnier“ (Strübing/Schnettler 2004, S. 9) zwischen die-
sen Bereichen bündelt die Methodologie allgemeine Reflexionen des doing Grenzforschung,
d.h. sie grundiert basale Verfahrensfragen, indem sie Aufschluss über die Herstellungs- und
Geltungsbedingungen wissenschaftlicher Forschungsergebnisse zum Thema Grenze gibt. Was
ist der verfolgte Anspruch, wie kommen Analyseergebnisse zustande und wofür stehen sie,
woran sind die Ergebnisse anschlussfähig? All das sind Fragen, die nicht nur die Wahl der
Methode beeinflussen, sondern auch die Gesamtheit des Nachdenkens über und Forschens zu
Grenzen. Dabei ist die Methodologie der Grenzforschung nicht nur von den wissenschafts-
oder erkenntnistheoretischen Konzeptualisierungen von Grenze beeinflusst, sondern auch vom
konkreten Forschungsgeschehen. In einer derartigen Verdichtung von Theorie und Empirie
fragt die Grenzmethodologie nach den Bedingungen der Möglichkeiten wissenschaftlicher For-
schung zu Grenzen.
Eine explizite methodologische Reflexion innerhalb der Grenzforschung lässt sich erst in den
letzten Jahren beobachten (z.B. O’Leary et al. 2013; Brambilla 2015; Cooper 2015; Nail
2016), ist bislang vor allem punktuell und nicht systematisch betrieben worden. Ein solches
Unterfangen kann dabei durchaus lohnenswert sein: Erstens lässt sich ein gestiegenes öffentli-
ches Interesse für Grenzfragen attestieren. Um fundierte, valide und belastbare Aussagen über
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Grenzen zu treffen, ist, wie wir meinen, eine gesteigerte forschende Reflexivität zum Thema
hilfreich. Zweitens lässt sich wissenschaftsintern eine hohe Dynamisierung des Forschungsfel-
des erkennen, wofür das vorliegende Handbuch ein guter Indikator ist. Um nicht nur die ein-
zelnen empirischen Ergebnisse, sondern auch die Grundlagen der Studien in den Blick nehmen
zu können, sollten die Herstellungsweisen und konkordanten Geltungsbedingungen der einzel-
nen Forschungen miteinander ins Gespräch gebracht, kritisiert und weiterentwickelt werden.
Drittens produziert der Gegenstand Grenze selbst seine eigenen methodischen Herausforderun-
gen. Der Gegenstand ist fluide, dynamisch und nicht widerspruchsfrei, er lässt verschiedene
Perspektiven zu und kann kaum auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Zugleich
proklamiert er Eindeutigkeit und einen quasinatürlichen Status (vgl. Gerst et al. 2018a, S. 5).
Diese Paradoxie der Grenze hat Konsequenzen etwa für Feldzugänge und die Identifizierung
von Datenquellen, für genuine Fragestellungen und Erkenntnisinteressen. Viertens lassen sich
– um ein zentrales Ergebnis dieses Beitrags vorwegzunehmen – verschiedene methodologische
Perspektiven bestimmen, die nicht tradierten methodologischen Unterscheidungen folgen. Viel-
mehr weist das Feld gegenstandsspezifische Eigenarten auf, die verschiedene Begründungen für
das jeweilige Begriffs- und Forschungsdesign nahelegen.
Die Herausforderung eines Artikels zur Methodologie der Grenzforschung besteht darin, die
zahlreichen Fallstudien der Border Studies nachvollziehbar zu bündeln und mit den wenigen
konzeptionellen Vorschlägen in Einklang zu bringen. Die Grenzforschung ist vor allem ein
empirisches Forschungsfeld, welches spezifische Grenzgegebenheiten in ihren Bedingungen,
Gestaltungen und Auswirkungen untersucht und dabei sehr differente empirische Methoden
anwendet, von der Regressionsanalyse über Interviewforschungen bis hin zur Ethnografie. Au-
ßerdem handelt es sich um ein multiparadigmatisches und multiperspektivisches Forschungs-
feld, welches sich aus verschiedenen Disziplinen mit ihren jeweiligen method(olog)ischen
Traditionen wie Moden speist und beispielsweise gleichermaßen die Politikwissenschaft wie
Regionalwissenschaften, Soziologie wie Geschichtswissenschaft, Ethnologie wie Geographie
umfasst. Eine derartige Vielfältigkeit kann unseres Erachtens nur durch ein Zurücktreten von
rein empirischen Fragen und einer Distanz zu fachspezifischen Sortierungen sinnvoll aufgefan-
gen werden.
Diese Vielfältigkeit ernst nehmend schlagen wir vor, implizite wie explizite methodologische
Annahmen aufeinander zu beziehen und im Sinne einer heuristischen Unterscheidung die spe-
zifischen Perspektivierungen von Grenze zu rekonstruieren. Es geht darum, zu fragen, von
welchem Beobachtungsstandpunkt aus Grenze analysiert wird. Ausgehend von einer Sichtung
zentraler Literatur im Feld der Border Studies und angrenzender Forschungsfelder identifi-
zieren wir vier paradigmatische methodologische Perspektiven, die wir im Folgenden näher
erörtern wollen. Demnach blicken Forscher*innen auf die Grenze, sehen über die Grenze,
schauen in die Grenze oder sehen wie eine Grenze. Diese vier Perspektiven strukturieren den
weiteren Aufbau dieses Beitrags. Im folgenden Kapitel 2 werden die Perspektiven dargestellt
und begründet, bevor wir im dritten Kapitel gegenwärtige Herausforderungen einer grenzana-
lytischen Methodologiediskussion umreißen. Der Beitrag schließt mit einem Fazit. Das Ziel
unserer nachfolgenden Systematisierung besteht darin, einen Überblick über die Vielfältigkeit
grenzanalytischer Positionen und ihrer methodologischen Grundierung zu geben und damit
ein Desiderat in der Selbstreflexion des Forschungsfeldes zu adressieren. Dies lässt sich einer-
seits als Ordnungsvorschlag für die zahlreichen Analysen, also mit einer theoriesystematischen
Brille, lesen. Andererseits kann der Text aber auch als kleine Orientierungshilfe für eigene
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Forschungen dienen. In beiden Fällen wird jedenfalls deutlich, dass Grenzen eben gerade kei-
nen neutralen Gegenstand darstellen, sondern als eine relationale und gesellschaftlich zentrale
Kategorie der Differenzbildung wirken.
Methodologische Perspektiven der Grenzforschung
Das Feld der Grenzforschung ist sehr dynamisch und zeichnet sich durch vielfältige Einflüsse
aus. Innerhalb dieses diversifizierten Feldes lassen sich unseres Erachtens vier methodologische
Perspektiven ausmachen: ein Blick auf die Grenze, über die Grenze, in die Grenze und wie eine
Grenze. Demnach nähern sich Forschende dem Phänomen etwa aus der Vogelperspektive, sie
blicken auf die Grenze, und begreifen die Grenze als mehr oder minder klare Linie, die territo-
riale Einheiten voneinander trennt. Demgegenüber fokussieren sie in der Perspektive über die
Grenze grenzüberschreitende Beziehungen und Prozesse. In die Grenze sehend interessieren sie
sich für die mehrdimensionale Ausdehnung der Grenze selbst. Grenzen werden damit als ein
Dazwischen konzipiert, welches beispielsweise als Grenzregion, Grenzraum, borderland oder
auch frontier beschrieben wird. Schließlich sind diejenigen Studien zu nennen, die von der
Grenze aus resp. wie die Grenze auf Prozesse der Trennung und Verbindung blicken. Dabei
geht es in erster Linie darum, die Grenze selbst in den Fokus zu rücken und weniger vom
(Staats-)Zentrum als eher von der komplexen Grenzkonstellation aus Grenzen zu perspektivie-
ren.
Zunächst stellen diese border gazes analytische Kategorien dar, die häufig nicht so klar und
statisch voneinander abzugrenzen sind und im empirischen Detail durchaus unterlaufen wer-
den können. Dennoch bieten sie eine Orientierung in der Vielfalt methodologischer Positionie-
rungen. Eine solche Vierteilung der zentralen methodologischen Perspektiven lässt sich nicht
nur als synchroner Befund deuten, sondern ebenso diachron begründen: So lässt sich die Per-
spektive, auf die Grenze zu blicken, bereits in frühen grenzbezogenen Studien der Politgeogra-
fie finden (vgl. dazu auch Prescott 1987). Diese Untersuchungen bilden häufig den Ausgangs-
punkt traditioneller Grenzforschung. In der weiteren Entwicklung folgt eine Perspektive, die
stärker die Überschreitung von Grenzen und der Ausbildung von Beziehungen über Grenzen
hinweg in den Blick nimmt. Die Grenze wird damit als eine Ressource thematisiert, die die
Verbindung verschiedener (staatlicher) Entitäten strukturiert. Einer solchen Perspektive folgt
ab den 1980er-Jahren die Entdeckung der Grenze als borderland, als eine Art „dritter Raum“
(Bhabha 1994), der spezifische, hybride Identitäten ausbildet. Schließlich ist in den letzten Jah-
ren eine Perspektivumkehr zu beobachten: Grenze wird dezentriert, Grenzprozesse prinzipiell
überall positioniert und als komplexe Phänomene untersucht. Es geht mithin darum, von der
Grenze und ihrer Dynamik her zu denken und nicht von außen daran anzuschließen.
Auf die Grenze sehen
Eine viel verbreitete methodologische Positionierung innerhalb der Grenzforschung blickt auf
die Grenze meist aus einer Vogelperspektive. Grenzen werden in diesem Sinne als eine mehr
oder minder klare Demarkation oder Zäsur, als eine (durchaus auch umstrittene) Linie ver-
standen: „The line has been the dominant thinking tool of border studies“ (Salter 2012,
S. 736). Ein derartiges Grenzverständnis fokussiert die Differenzierungsleistung vornehmlich
von Staatsgrenzen, indem stärker das Trennende hervorgehoben und nicht etwa das Verbin-
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dende oder ein Dazwischen in den Fokus gerückt wird. Grenzen trennen demnach ein Innen
von einem Außen, sie grenzen eine politische Entität, eine Nation, eine Bevölkerung von einer
anderen ab (vgl. Vasilache 2007; siehe auch Herrmann/Vasilache in diesem Band). Der moder-
ne Nationalstaat in seiner hoheitsrechtlichen und gebietsbezogenen Konzeption fungiert hier
als Ordnungsprinzip: „Ultimately the significance of borders derives from the importance of
territoriality as an organizing principle of political and social life“ (Anderson/O’Dowd 1999,
S. 594).
Hier sind mindestens zwei verschiedene Formen des Verhältnisses von Grenze und Staat(sge-
biet) angesprochen. Zum einen geht es, vor dem Hintergrund einer immer globaleren und
dennoch nationalstaatlich organisierten Welt, um die Separierung einzelner Gebietseinheiten
und deren Bedeutung für geopolitische Ordnungen (vgl. Schofield 1994). Dies wird besonders
in der Diskussion um die Grenzpolitik größerer Ordnungssysteme wie der Europäischen Uni-
on, der Nato, der ASEAN deutlich. Indem der Blick auf beide Seiten der Grenze gelegt wird,
werden politische, aber auch kulturelle, migrantische Dynamiken in den Blick genommen.
Die Grenze ist aus dieser Perspektive meist eine Zäsur, die Wissens- und Ordnungssysteme
unterscheidet und Zugänge reguliert. Grenzen werden dann etwa als Mobilitätsverhinderer, als
staatlicher Selektions- und zuweilen Exklusionsmechanismus für Personen, Waren und auch
Ideen konzipiert, regeln sie doch als „Sortiermaschinen“ (Mau 2010) Überschreitungen.
Zum anderen findet sich neben diesem geopolitischen Blick die Konzeption von Grenze als
Abgrenzung von einem – häufig unspezifisch gelassenen – Außen. Grenzen werden aus dieser
Perspektive dabei eher als Inklusionsmechanismen konzipiert, die die Ordnung eines (gemein-
samen) Innen markieren. Entsprechend treten Grenzdemarkationen dabei häufig als Ränder
auf, die den Abschluss jeweiliger staatlicher Territorien, deren Souveränität und Identität mar-
kieren (vgl. Vaughan-Williams 2009). Grenzüberschreitende Verbindungen, wie beispielsweise
Handelsabkommen oder Formen sicherheitspolitischer Zusammenarbeit, werden aus dieser
Perspektive als die Abweichung, als eine Überschreitung des Normalfalls Trennung konzipiert
und in dieser besonderen Rolle etwa als grenz(de)stabilisierende Mechanismen diskutiert (vgl.
Longo 2018). Dies kann sich zuweilen auch auf super- oder supranationale Einheiten beziehen,
wie etwa die Forschung zur Europäischen Union (EU) als Raum der Sicherheit, der Freiheit
und des Rechts zeigt. In der Markierung eines Referenzraumes für so etwas wie eine europäi-
sche Identität etwa ist demnach „eine klare Grenze für Europa als politische Gemeinschaft“
(Deger/Hettlage 2007, S. 12) festzulegen. Indem Grenzen aus dieser Perspektive den Abschluss
eines Staatsgebiets oder eines Staatenbundes zeichnen, wird ihnen meist auch der Status einer
Peripherie zugeschrieben (vgl. Müller 2014; Barthel 2016). Sie geraten damit nicht in ihrer
Grenzspezifik in den Blick (vgl. dazu 2.4), sondern in ihrer Bedeutung als Abgrenzung einer
Ordnung.
Ein derartiger border gaze interessiert sich primär für Grenzen als räumliche Phänomene. Die
Idee einer geopolitischen Konzeption von Grenzen wird in seiner historischen Fundierung dem
Biologen und Geografen Friedrich Ratzel zugeschrieben. Dieser gilt als Begründer der Anthro-
pogeographie und Pionier der Politischen Geographie (vgl. Houtum 2005). Ratzel geht von
einer organischen Beziehung von Staat und Grenze aus, wobei die Grenze dabei als eine Art
Haut aufgefasst wird, als ein „peripherisches Organ“ (Ratzel 1923/1974, S. 434), welches ein
Herrschaftsgebiet abgrenzt, aber durchlässig ist, um Beziehungen nach außen zu ermöglichen.
Dabei untersucht Ratzel die Begrenzungsleistungen räumlicher Gegebenheiten wie Flüsse, Ge-
birgszüge, Seen, die als ‚natürliche Grenze‘, als Zusammenspiel von politischer Ordnung und
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raumphysischer Beschaffenheit ihre Wirkung entfalten. Auch wenn sich heutzutage wenige
Studien finden, die eine derart „essentialistische Grenzbetrachtung“ (Eigmüller 2016, S. 61)
in Reinform einnehmen, und auch das Sprechen von ‚natürlichen Grenzen‘ in den Border
Studies zugunsten prozesshafter, konstruktivistischer, antiessentialistischer Grenzkonzeptionen
zurückgegangen ist (vgl. etwa Newman 2001), so ist der grenzmethodologische Blick Ratzels,
von außen auf die Grenze zu blicken, implizit immer noch weit verbreitet.
Reflektiert man die Themenvielfalt der methodologischen Position eines Auf-die-Grenze-Bli-
ckens, treten einige Bereiche besonders hervor: (geo)politische Ordnungen, Sicherheit, Identi-
tät. Ein großer thematischer Block etwa beschäftigt sich mit Fragen politischer Souveränität
im Zusammenspiel mit territorialen Grenzverhältnissen, kurz mit Geopolitik, wie sich etwa in
Journals wie Geopolitics (bis 1997 Geopolitics and International Boundaries) ablesen lässt.
Diskutiert werden in diesem thematischen Zusammenhang dann etwa die politischen Reak-
tionen auf Grenzdynamiken in bestimmten Regionen. David Newman (2010) beispielsweise
untersucht die Veränderungen der Grenze zwischen Israel und dem Westjordanland seit 1949,
der so genannten Green Line. Er arbeitet dabei die zahlreichen Schließungs- und Öffnungsbe-
wegungen dieser Demarkation heraus, die trotz aller Grenzübertritte und Permeabilitäten im-
mer zwei Gebiete voneinander abgrenzt. Ein häufig diskutierter Fall ist auch die Europäische
Union, bei der etwa das Verhältnis von Binnen- zu Außengrenzen diskutiert wird (z.B. Strüver
2005a; vgl. auch Eigmüller in diesem Band). Karolina Follis (2012) zeichnet in ihrer Fallstudie
zur polnisch-ukrainischen Staatsgrenze nach, wie diese Grenze zugleich von supranationalen
Ordnungsprozessen beeinflusst wird, mit dem Ergebnis, dass sich verschiedene Grenzkonzepte
praktisch überlagern: „I argued that in Poland, the new European border regime substitutes
expansive and technically advanced forms of border control for explicit policies regulating
immigration and other forms of movement across its frontiers“ (ebd., S. 204). Stärker aus der
Perspektive der internationalen Beziehung gedacht, wird die methodologische Position eines
Blicks auf die Grenze häufig mit der Frage nach staatlicher Ordnung verbunden. Grenzanalyse
ist damit auch notwendige politische Ordnungsanalyse. Ob auf nationaler, kontinentaler oder
globaler Ebene: Es geht darum, Ordnungsformationen in ihren national- oder auch suprastaat-
lichen Einhegungen zu analysieren. Leitend ist hierbei die Vorstellung einer konstitutiven Ab-
hängigkeit beider Dimensionen: Ordnungsbildung und Grenzziehung (vgl. Albert et al. 2001).
Im Zusammenhang mit staatlichen Ordnungsprozessen ist es dann etwa das Thema Sicherheit,
welches im Rahmen eines solchen Blicks auf die Grenze aufzufinden ist. Forscher*innen unter-
suchen die sicherheitsbezogenen Folgen der Aufweichung und Transformation EU-interner
Grenzziehungen (z.B. Bossong/Carrapico 2016). In diesem Zusammenhang wird etwa ein
„Sicherheitsdefizit“ (Georgiev 2010) innerhalb der Europäischen Union konstatiert, welches
auf den Abbau gemeinsamer Binnengrenzen zurückgeführt wird und durch die Einführung
neuer Sicherheitsstandards an der EU-Außengrenze („inventing a new border“, ebd., S. 256)
aufgefangen werden soll. Sicherheit wird hier als etwas begriffen, was maßgeblich von der Ver-
stärkung oder dem Abbau von Grenzen beeinflusst wird (siehe auch Schwell in diesem Band).
Hierbei ist nicht nur eine Sicherheit hinsichtlich militärischer Angriffe gemeint, sondern es geht
gleichermaßen um die Ausgrenzung von Epidemien, Ideologien, Personengruppen, aber auch
Gütern. Vor allem so genannte realistische Ansätze innerhalb der international relations theory
haben die sicherheitsverstärkende Wirkung einer Steigerung von Grenzanlagen hervorgehoben.
Kritisch wurde diesen Perspektiven bisweilen vorgehalten, eine unnötige Militarisierung von
Grenzen zu propagieren und die Ursache der Konflikte zu wenig einfangen zu können (zum
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Überblick vgl. Becker 2018). Derartige realistische Ansätze, im Gegensatz zu konstruktivisti-
schen Ansätzen, hatten eine Hochzeit während des Kalten Krieges, erlangen allerdings in den
letzten Jahren wieder mehr Beachtung, da auch eine Verstärkung von Grenzanlagen immer
weiter zu beobachten ist (vgl. Brown 2010; Vallet 2017; auch Leuenberger in diesem Band).
Ein weiteres Thema betrifft die Identität. Das Verhältnis von Ordnungsbildung und Grenzzie-
hung geht meist mit einem Fokus auf Identität einher (vgl. Albert et al. 2001; Houtum/Naers-
sen 2002). Vor allem im Rahmen der Debatte um die Europäische Integration werden Grenzen
als gemeinschaftsstiftende Raumeinheiten thematisiert: So markieren etwa Petra Deger und
Robert Hettlage (2007) die Herausforderung für die Ausbildung einer europäischen Identität
in der Festlegung ihrer Grenzen:
„Die EU steht damit vor der doppelten Schwierigkeit, (1) einen Referenzraum für die Ent-
wicklung einer europäischen Identität zu benennen und (2) eine klare Grenze für Europa
als politische Gemeinschaft festzulegen. Grenzstrukturen und Mitgliedschaften definieren
Identitäten, die traditionell an den Nationalstaat gebunden sind“ (ebd., S. 12).
Territoriale Selbst- und Fremdverhältnisse werden hier nicht als grenzüberschreitende oder
-verbindende Bezüge in den Blick genommen, sondern als Markierung eines Ein- und auch
konstitutiven Ausschlusses.
Methodologisch positioniert diese Perspektive ihren forschenden Beobachtungspunkt in kriti-
scher Distanz zum Geschehen und betont demnach weniger die Verflechtungen, als eher die
Demarkationskraft grenzbezogener Sozialverhältnisse. Zugleich zeichnen sich diese Studien
eher durch einen disziplinären Zugang zum Phänomen Grenze aus, der zwar durch vielfältige
Methoden angegangen wird, sich allerdings hauptsächlich auf Methoden mit einem Makrofo-
kus stützen, wie zum Beispiel repräsentative Befragungen, Makrodaten über sozialstatistische
Kennziffern oder statistische Datenbankenanalysen wie Eurostat oder Eurobarometer. Kritisch
wurde einer solchen Position vorgehalten, dass sie eher an der Statik und weniger an der
Dynamik sowie Prozessualität von Grenzen interessiert ist (vgl. Salter 2012). Als ein zu gro-
ßer Fokus auf die Momentaufnahme ist diese Kritik sicherlich berechtigt, allerdings nehmen
Studien aus dieser methodologischen Position heraus zumindest auf einer diachronen, weniger
auf einer synchronen Ebene den Wandel von Grenzen durchaus in den Blick. Neuere Ansätze
innerhalb der Border Studies (vgl. die folgenden Kapitel) kritisieren bei dieser methodologi-
schen Position die Fixiertheit auf territoriale Grenzdimensionen und essentialistische Raum-
verständnisse im Sinne eines Containerdenkens („territorial trap“, Agnew 1994) oder den
zu starken Fokus auf nationalstaatliche Akteur*innen („methodologischer Nationalismus“,
Wimmer/Glick Schiller 2002).
Über die Grenze sehen
In der Perspektive des Über-die-Grenze-Sehens treten grenzüberschreitende Beziehungen und
Prozesse in den Blick. Grenze erscheint hier vordergründig nicht als Barriere oder Schranke,
sondern als durchlässiges Gebilde, welches Grenzüberschreitungen ermöglicht. Dies kommt
etwa in Beschreibungen der Grenze als „semipermeable Membran“ (Heintel et al. 2018, S. 5)
zum Ausdruck. Betont wird die verbindende und nicht so sehr die trennende Eigenschaft von
Grenzen. Der Unterschied zur Perspektive auf die Grenze macht sich im zugrundeliegenden
Grenzverständnis bemerkbar: Statt von einer Grenze von Nationalstaaten wird hier von einer
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Grenze zwischen Nationalstaaten ausgegangen (vgl. Banse 2004b, S. 19). Als präferierte Phä-
nomenbereiche dienen Mobilitäten in vielfältigen Ausprägungen sowie Kooperationsformen
und Institutionalisierungen, die sich als grenzüberschreitende Bewegungen und Beziehungen
analysieren lassen. Anhand dieser Bewegungen und mehr oder weniger stabilisierten Beziehun-
gen über die Grenze lässt sich zeigen, unter welchen Bedingungen, auf welche Weise und
zu welchem Zweck sie überschritten werden kann. Herausgebildet hat sich vor diesem Hinter-
grund das Forschungsfeld der Cross Border Studies, welches sich für „issues of cross-border
mobility, global institutional restructuring, complex cultural transformations and cross-border
histories“ (Amelina et al. 2012, S. 1) interessiert. Weithin sichtbare Paradigmen stellen die
mehrheitlich migrationszentrierten Transnational Studies (Vertovec 2009; Nieswand 2018) so-
wie das Feld der Cross-Border Cooperation (Medeiros, 2018) dar. Zudem interessieren trans-
lokale Grenzüberschreitungen wie Ideenexporte (Czarniawska/Sevón 2009) und Tourismus
(Wachowiak 2006; Mayer et al. 2019) sowie lokale grenzüberschreitende (Alltags-)Praktiken
wie Schmuggel (Wagner/Łukowski 2010; Bruns/Miggelbrink 2012) oder Grenzpendeln (Wille
2012). Zentraler Bezugspunkt für diese Perspektive ist die Diagnose einer stetig fortschreiten-
den globalisierten und vernetzten Welt.
Methodologisch begründet wird die Perspektive auf Grenzüberschreitungen nicht selten durch
eine Kritik am methodologischen Nationalismus. Dieser beschreibt die analytische Essentia-
lisierung des Nationalstaats als quasinatürliche Einheit, gebunden an eine klare territoriale
Einteilung der Welt entlang nationalstaatlich verfasster Gesellschaften (vgl. Wimmer/Glick
Schiller 2002). Thomas Faist (2012) sieht neben dem methodologischen Nationalismus noch
zwei weitere methodologische Herausforderungen transnationaler Studien: Einerseits weist er
auf die Verschleierung der Pluralität sozialer Zugehörigkeiten zugunsten der Essentialisierung
eines Nationalen (bzw. im Kontext von Migrationsstudien eines Ethnisch-Nationalen) als
prädominante soziale Kategorie hin. Andererseits sensibilisiert er für die Positionalität der
Forschenden, da sowohl wissenschaftliche Konzepte wie auch Forschungsförderungen transna-
tionalen Asymmetrien unterliegen (ebd., S. 52f.). Folglich zeichnet sich diese Perspektive durch
den Versuch aus, eine „container methodology“ (Amelina et al. 2012, S. 4), zu überwinden,
die nicht mehr von klar abgrenzbaren territorialen Einheiten ausgeht. Boris Nieswand (2005,
S. 48) spricht vom „methodologischen Transnationalismus“ und hält fest: „Im Rahmen eines
methodologischen Transnationalismus sollte es nicht darum gehen, die Relevanz von National-
staaten zu verneinen, sondern lediglich ihre Signifikanz in einem größeren Bezugssystem zu
kontextualisieren.“
Als bedeutsame analytische Frage, die beim Blick über die Grenze wichtig wird, lässt sich die-
jenige nach dem Skalenverhältnis grenzüberschreitender Aktivitäten identifizieren. Wie die in
diesem Zusammenhang auftretende konzeptuelle Unterscheidung zwischen kleinem und gro-
ßem Grenzverkehr oder das Konzept des „multi-level cross-border governance“ (Gualini 2003)
zum Ausdruck bringen, rückt der Blick über die Grenze eine Vielzahl von Phänomenen mit
unterschiedlichen Skalenniveaus in den Fokus. Dies betrifft etwa die räumliche Verortung von
Grenzüberschreitungen und deren Reichweite auf der lokalen, europäischen, kontinentalen
oder globalen Ebene, die Differenzierung sozialer Beziehungsformen (zwischen Staaten, Institu-
tionen, Unternehmen, Religionsgemeinschaften, Familien etc.) sowie die temporale Dimension
der Überschreitung im Sinne von Wiederholungen, Rhythmen, Dauer. Zum Ausdruck kommt
hier die grundsätzliche Relationalität und Konnektivität von Grenzen, also die Eigenschaft,
Verbindungen herzustellen (vgl. Karafillidis 2018).
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Eng verknüpft mit der skalaren Verortung grenzüberschreitender Prozesse und Beziehungen
ist die generelle Prozessualität solcher Grenzgänge. Martin van der Velde und Ton van Na-
erssen (2011) skizzieren eine an (Im-)Mobilitäten interessierte Grenzforschung und betonen
am Beispiel von Migrationsbewegungen in die und innerhalb der EU, dass neben den Bewe-
gungsentscheidungen der Menschen und der Beschaffenheit der zu überwindenden Grenzen
vor allem grenzüberschreitende Trajektorien in den Fokus rücken, die die Distanzen zwischen
„place of origin“ und „place of destination“ überbrücken (ebd., S. 221). Ein Beispiel für
lokale grenzüberschreitende Mobilitätsformen, die auch als „short-distance transnationalism“
(Strüver 2005b, S. 339) begriffen werden können, liefert Peter Balogh (2013). Er widmet sich
grenzüberschreitender residentieller Mobilität, die dadurch auftritt, dass Wohnen und Arbei-
ten nicht auf der gleichen Seite der Grenze stattfinden, im Gegensatz etwa zu okkasionellen
Grenzüberschreitungen wie im Tourismus. Dieses Grenzpendeln lässt sich gut innerhalb der
EU beobachten, da offene Grenzen und Arbeitnehmer*innenfreizügigkeit die Bedingungen täg-
lichen Grenzübertritts erleichtern. Methodisch weist Balogh auf die Notwendigkeit hin, nicht
nur die pendelnden Akteur*innen im Blick zu haben, sondern auch die „host community“, „as
it is this group of people in relation to which cross-border residents identify“ (ebd., S: 197). So
zeigt er in seiner Analyse residentieller Mobilität an der deutsch-polnischen Grenze, dass trotz
des täglichen Überschreitens physisch-räumlicher Grenzen die kulturell-mentalen Grenzen im
Sinne einer verbindlichen Identifikation mit der host community nicht dauerhaft überschritten
werden.
Methodologisch bedeutsam wird für die Perspektive über die Grenze auch die Figur des*der
Grenzgänger*in (vgl. Houtum/Eker 2015, S. 42ff.; Schulze Wessel 2017). Als interessantes
empirisches Beispiel können hier Schmuggler*innen gelten, insofern sich an ihren Grenzüber-
schreitungspraktiken Fragen von (Il-)Legalisierung, Infrastrukturen der Grenzüberwindung
und ökonomischen Asymmetrien an Grenzen anschließen. So zeigt Bettina Bruns (2010),
wie die russisch-polnische Grenze Schmuggler*innen als „Ressource“ (ebd.) für ökonomische
Praktiken dient. Methodisch interessant ist diese Studie, weil sie auf der Grundlage intensi-
ver ethnografischer Feldforschung verschiedene Typen von Schmuggler*innen unterscheiden
kann, deren Schmuggelaktivitäten als individuelle und dennoch typische Reaktionen auf ein
strukturelles Armutsproblem gelesen werden können. Auch liefert sie eine Rekonstruktion der
„grenzüberschreitenden Schmuggelinfrastruktur“ (ebd., S. 123ff.), indem sie den Weg vom
Zigarettenkauf in eigens eingerichteten Verkaufsbuden auf russischer Seite über die Nutzung
eines grenzüberschreitenden Linienbusses, „der keinem anderen Zweck als dem Schmuggel
dient“ (ebd., S: 174), bis hin zum Zigarettenverkauf an polnische Großhändler*innen nach-
zeichnet. Die Perspektive über die Grenze fächert sich hier auf, indem sowohl den Grenzüber-
schreitungsbewegungen gefolgt als auch die akteursbezogen unterschiedlichen Realisierungsbe-
dingungen rekonstruiert werden.
Die Frage nach der Grenze selbst wird in diesen Studien mehr oder weniger explizit gestellt
und einbezogen. So zeichnet sich ein Großteil der hier adressierten Studien dadurch aus, die
Grenze selbst aus dem Blick zu verlieren. Paradigmatisch dafür steht das in den 1990er-Jahren
populär gewordene Diktum einer „borderless world“ (Ohmae 1990). Ein kleinerer Teil der
Studien dieser methodologischen Perspektive weist darauf hin, dass alltägliche transmigrato-
rische Praktiken einerseits die Grenze transzendieren, sie andererseits aber auch erfahrbar
machen (z.B. Balogh 2013). Danach geht die Überschreitung mit der Erfahrung von Differen-
zen einher, etwa was den Sprach- und Währungsgebrauch oder die Anpassung des Verhaltens
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an divergierende Straßenverkehrsordnungen angeht. Die Deutung dieser und anderer lokalen
Phänomene verweist auf das Konzept „transnationaler sozialer Räume“ (Pries 1996), ebenso
wie Ansätze im Feld der Cross-Border Cooperation betonen, dass durch grenzüberschreitende
Kooperationen und Regierungsformen „cross-border regions“ (Perkmann 2003) im Sinne poli-
tisch-territorialer und administrativer Einheiten entstehen.
In die Grenze sehen
Die Perspektive des In-die-Grenze-Sehens rückt die Grenze selbst wieder stärker ins Blickfeld,
jedoch nicht als klare Demarkation, sondern als mehrdimensional ausgedehntes Phänomen: als
Grenzraum bzw. Grenzregion (Banse 2004a; Boesen/Schnuer 2018), Kontaktzone (Kleinmann
et al. 2020), Frontier (Turner 2015). Sensibilisiert wird für ein Dazwischen, welches je nach
Deutung die Grenze selbst darstellt oder durch diese produziert wird. Für die Grenzforschung
liegt hier einer ihrer privilegierten Gegenstandsbereiche, insofern sich die klassische raumbe-
zogene Grenzforschung zu einem großen Teil als Grenzraumforschung (Borderland Studies)
begreift (vgl. Wastl-Walter 2011; Wilson/Donnan 2012). James Anderson und Liam O’Dowd
(1999) etwa bestimmen den Begriff der Grenzregion indem sie festhalten, dass „regional unity
may derive from the use of the border to exploit, legally and illegally, funding opportunities
or differentials in wages, prices and institutional norms on either side of the border“ (ebd.,
S. 595).
Insbesondere kultur- und sozialwissenschaftliche Ansätze weisen darauf hin, dass Grenzräu-
me sich neben ihrer territorialen, politisch-administrativen Eigenständigkeit auch durch die
Herausbildung spezifischer Grenzlandidentitäten auszeichnen. Zwei klassische Studien weisen
hier auf divergierende, aber zusammenhängende Fragestellungen hin: Oscar Martinez (1994)
unterscheidet Formen der Grenzlandintegration anhand von grenzüberschreitenden Interaktio-
nen sogenannter „Borderlanders“. Gloria Anzaldúa wiederum zeigt in ihrem über die Grenz-
forschung hinaus berühmt gewordenen Buch „Borderlands/La Frontera“ (Anzaldúa 1987),
inwieweit die Grenze sich in die Subjekte einschreibt und hybride Identitäten hervorbringt.
Auch zeitliche Aspekte finden Beachtung, so etwa in der Beschreibung von Grenzregionen als
Erfahrungs- und Erinnerungsräume (Stokłosa 2019) oder die Identifikation historischer Grenz-
phasen. So unterscheiden Michiel Baud und Willem van Schendel (1997) mit ihrem Konzept
der „life cycles“ idealtypisch fünf historische Etappen einer Grenzregion (infant, adolescent,
adult, declining, defunct), um der Frage nachzugehen, „how borderlands change over time and
to allow for comparative analysis of these changes“ (ebd., S. 225).
Ein grundsätzliches Forschungsinteresse gilt vor diesem Hintergrund der Frage, ob Grenzregio-
nen sich primär über ihre dichotome Struktur im Sinne eines Nachbarschaftsverhältnisses (vgl.
Newman/Paasi 1998) beschreiben lassen oder „dritte Räume“ (Bhabha 1994) darstellen, die
sich maßgeblich über Merkmale definieren, die den Zwischenraum als eigene Ordnung charak-
terisieren. Die sich in diesem Spannungsfeld entfaltende multidimensionale Eigenwirklichkeit,
die beim Blick in die Grenze zutage tritt, wird durch das Aufeinandertreffen von subjektiven
Grenzerfahrungen und grenzüberschreitenden Prozessen z.B. der Regionalisierung oder Euro-
päisierung gestaltet (vgl. Banse 2013). Hinsichtlich des Spannungsfeldes von Grenzwahrneh-
mung und -struktur stehen sich innerhalb der Position des In-die-Grenze-Sehens methodisch
zwei grundsätzliche Strategien gegenüber: Einerseits lässt sich der Versuch ausmachen, per
2.3
Methodologie der Grenzforschung
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Narrativ- und Diskursanalytik die subjektiven Sinnzuschreibungen des Grenzraums nachzu-
zeichnen (z.B. Meinhof/Gałasiński 2005; Doevenspeck 2011). Martin Doevenspeck etwa zeigt,
wie Menschen an der Grenze zwischen Kongo und Ruanda ihre „border-related social world“
(Doevenspeck 2011, S. 129) in Erzählungen hervorbringen und betont in diesem Zusammen-
hang, dass eine Analyse des „border talk“ vor allem Einsichten in „conceptualizations of the
border as expressed in the narratives of borderlanders“ (ebd., S. 130) gewährt. Dementgegen
stehen andererseits historiografische oder quantitative Erhebungen, die auf eine Beschreibung
grenzregionaler Integrationsgrade oder der Grenzregion als eigener historisch gewachsener
Realität abzielen (z.B. Roose 2010).
Nur wenige Studien indes schlagen eine Brücke zwischen beiden Herangehensweisen; hier seien
etwa Christian Banses (2013) Ansatz der „thin description“, James Sidaways (2007) „semio-
tic border analysis“ sowie die Strategie „situativer Transdisziplinarität“ (Wille et al. 2014)
genannt, die auf sehr unterschiedliche Arten auf eine holistische Beschreibung der Grenzland-
realität abzielen. Methodologisch bedeutsam für den analytischen Blick in die Grenze wird
deshalb eine Forschungshaltung, die sowohl für das Fortbestehen von Differenzen innerhalb
der Grenzregion als auch sich etablierende Eigenheiten sensibel ist. Ulrike H. Meinhof und Da-
riusz Galasinski (2005) reflektieren dies im Rahmen ihrer Studie zur „Language of belonging“
an der deutsch-deutschen sowie deutsch-polnischen Grenze und folgen konsequenterweise der
Strategie, zentrale Kategorien der räumlichen, sozialen und temporalen Zurechnung nicht
selbst (etwa im Rahmen klarer Fragen) vorzugeben, sondern Fotografien als Erzählimpulse
zu nutzen, um den idiosynkratischen Erzählungen der Grenzlandbewohner*innen Raum zu
geben. Eine weitere methodologische Entscheidung liegt im Rahmen vieler Grenzraumstudi-
en darin, komparativ vorzugehen und demnach verschiedene Grenzräume vergleichend zu
analysieren. Auf diese Weise werden sowohl Partikularismen spezifischer Grenzverhältnisse
eingefangen als auch bestimmte Grenzlandmotive (Sicherheit, kommunale Kooperationen
etc.) oder umfassendere Prozesse wie Europäisierung oder Globalisierung in ihren jeweils
spezifischen Auswirkungen deutlich. Schließlich rückt auch die Frage in den Fokus, wo die
Grenzen von Grenzregionen liegen, also spezifische Grenzlandphänomene ausbleiben oder
ihre Wirkung verlieren. Die klassische Grenzraumforschung hat nicht nur aus diesem Grund
sogenannte „twin cities“ immer wieder zu ihrem Gegenstand gemacht (vgl. Langenohl 2015;
Joenniemi/Jańczak 2017). Hier lassen sich am ehesten einfache Unterscheidungen zwischen
Grenzraum/-region und Nichtgrenzraum/-region treffen, insofern diese Grenzen hier mit den
Grenzen der Urbanität zusammenfallen.
Wie eine Grenze sehen
Die letzte vorzustellende Perspektive wollen wir als Wie-eine-Grenze- oder auch Von-der-Gren-
ze-aus-Sehen bezeichnen. Sie kommt in Chris Rumfords (2012; 2014) prominenter Formu-
lierung des „seeing like a border“ zum Ausdruck, womit eine methodologische Einstellung
beschrieben wird, die sich dezidiert gegen ein staatszentriertes „seeing like a state“ wendet.
Nicht mehr dem Staat und seinen Akteur*innen obliegt danach die Deutungshoheit über
(und damit der Blick auf) eine territoriale Grenze und deren ordnungspolitische Funktionen.
Vielmehr verlangen moderne Grenzen nach einer multiperspektivischen Grenzforschung, die
der Vielgestaltigkeit der Grenze und ihren praktischen Vollzügen wie auch Sinnzuschreibungen
2.4
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einer Vielzahl von Akteur*innen offen gegenübertritt, denn: „there is no longer a societal
vantage point or privileged political position from which we can reliably know where all bor-
ders are to be found, what forms they take, what purpose they serve and who is involved in
maintaining them“ (Rumford 2014, S. 16f.). Eine solche methodologische Perspektive des Wie-
eine-Grenze-Sehens kommt ebenso zum Ausdruck in Sandro Mezzadras und Brett Neilsons
(2013) einflussreichem Buch Border as method, in dem die Autoren Grenze nicht nur als For-
schungsgegenstand, sondern als „epistemological viewpoint“ (ebd., S. 13) in Szene setzen. Und
sie findet sich wieder in den postkolonialen und insbesondere im Rahmen der kritischen und
kulturwissenschaftlichen Grenzforschung viel beachteten Arbeiten Walter Mignolos (2002;
2012; Mignolo/Tlostanova 2006), in denen eine „border epistemology“ entworfen wird, die
sich in Absatzbewegung von einem „thinking about borders“ als ein „thinking from the
borders“ versteht (ebd., S. 214) und die Grenze als zugleich Zugriffsort und Ausgangspunkt
für ein „theorizing in the borders“ (ebd., S. 219, Herv. i. O.) wählt.
Wie eine Grenze zu sehen, meint dann nicht – wie es etwa in der Perspektive des Auf-die-
Grenze-Sehen angelegt ist – die Grenze als politische, territoriale, soziale Tatsache vorauszu-
setzen, sondern sie im Gegenteil in ihren Bedingungen, Erscheinungsweisen und Effekten zu
problematisieren. Noel Parker und Nick Vaughan-Williams übersetzen dies in die forschungs-
praktische Maxime: „to problematise the border not as taken-for-granted entity, but precisely
as a site of investigation“ (Parker/Vaughan-Williams 2012, S. 728). Eingefordert wird damit
eine Dezentrierung der Grenze, die grundsätzlich für die raumzeitliche Variabilität der Grenze
sensibilisiert (vgl. Brambilla 2015) und dabei Ansätze nahelegt, die ein situatives Verständnis
für lokale und alltägliche Grenzarbeit aufbringen (vgl. Rumford 2013; Jones/Johnson 2016;
Casaglia/Laine 2017). Für einige Autor*innen geht diese Perspektive aus der Diagnose hervor,
wonach sich moderne Grenzen durch eine gesteigerte Komplexität auszeichnen (vgl. Amilhat
Szary/Giraut 2015; Brambilla et al. 2015; Gerst et al. 2018b). Verschiedene Ansätze weisen in
diesem Sinne darauf hin, dass die Grenze selbst als komplexes Zusammenspiel verschiedener
Elemente begriffen werden muss. „[B]orders are increasingly ‚messy‘“ bringt Rumford (2014,
S. 16) diesen Gedanken auf den Punkt. Vor diesem Hintergrund werden nationalstaatliche
Grenzen als multidimensionale „boundary sets“ (Haselsberger 2014), als heterogene „border-
scapes“ (Brambilla 2015), als „Assemblagen“ (Sohn 2016), als „Grenzregime“ (Hess 2018;
Hess/Kasparek 2010), als „Bordertexturen“ (Weier et al. 2018) oder als „soziale Institutionen“
(Cooper/Perkins 2012) beschrieben. Von der Grenze aus zu blicken, meint in diesen Fällen,
eine grenzanalytische Innensicht vorzunehmen, also die Ordnung der Grenze selbst zu ent-
schlüsseln, und zu diesem Zweck die Verbindungs- und Relationierungslogiken aufzudecken,
die Grenzen als Gemengelagen etwa von Praktiken, Diskursen, Objekten, Narrativen, Affek-
ten, Wissensbeständen wirkmächtig und als „Interfaces“ (Cooper/Rumford 2013; Karafillidis
2018) in Erscheinung treten lassen.
Dabei äußert sich der Blick von der Grenze zugleich auch als Außensicht: zum einen als
Kritik an einer „territorialist epistemology“ (Lapid 2001), die Grenzen auf ihre räumliche
Dimension reduziert, zum anderen als Kritik an vermeintlich klaren, durch die Grenze reali-
sierte binäre Ordnungen (wir/die Anderen; hier/dort; Ein-/Ausschluss). Dies impliziert eine
Abkehr von der Vorstellung von der Grenze als line in the sand und sensibilisiert dafür, dass
Grenze nicht mehr nur den Rand eines oder das Dazwischen mehrerer Territorien markiert,
sondern „littered across society“ (Rumford 2014, S. 16) an vielen Orten wie etwa Flughäfen,
Einkaufszentren, Arbeitsagenturen, Geflüchteteneinrichtungen usw. wirkmächtig werden kann
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(vgl. auch Heyman 2004). Dabei öffnet eine Perspektive von der Grenze die Augen für Fragen
der (Un-)Sichtbarkeit von Grenzelementen und -prozessen:
„Questioning the ‚where‘ of the border also involves a focus on the way in which the
very location of borders is constantly dis-placed, negotiated and represented as well as
the plurality of processes that cause its multiplication at different points within a society,
making it visible or invisible depending on the case“ (Brambilla 2015, S. 19).
Werner Schiffauer und Kolleg*innen (2018) weisen schließlich darauf hin, dass der Wechsel
der Perspektive – „soziale Ordnungssysteme nicht mehr von ihren Zentren, sondern von ihren
Grenzen aus in den Blick zu nehmen“ (ebd., S. 5) – auch eine Sensibilität für die Zeitlichkeit
von Grenzen als Schwellenphänomene einfordert.
Im Sinne eines prozessualen Grenzverständnisses treten in der Perspektive des Wie-die-Grenze-
Sehens vielfältige Mobilitäten, Bewegungen und Flows in den Fokus. Dabei steht nicht so sehr
die Frage im Vordergrund, ob diese durch die Grenze verhindert oder begünstigt werden –
wie es in der Perspektive des Über-die-Grenze-Blickens der Fall ist –, sondern inwieweit die
Grenze durch sie konstituiert wird (vgl. auch Schindler in diesem Band). So zeigt Thomas
Nail (2016), dass Grenzen selbst in Bewegung geraten oder von Menschen bewegt werden
können. Ausgehend von der Überlegung, dass Bewegung und nicht Statik der Grundmodus
des Sozialen darstellt, fragt er danach, wie Grenzen Prozesse der Zirkulation generieren. Mit
Nail dahingehend übereinstimmend, dass Grenzen aus dieser Perspektive als Konfliktzonen
begriffen werden müssen, zeigt Sabine Hess (2018), wie Migrationsbewegungen und migranti-
sches Handeln an der Grenze nicht einfach abgewiesen werden, sondern sich das moderne
Grenzregime im ständigen wechselseitigen Bezug auf migrantische Praxis neu konstituiert,
sowie sich zugleich migrantische Praxis fortlaufend an diese Veränderungen anpasst.
Neben einer Sensibilität für komplexe Relationen, raumzeitliche Variationen und bewegungs-
induzierte Grenzkonfigurationen drängen sich schließlich auch machtanalytische Fragen in
den Vordergrund, werden doch bei einem von der Grenze ausgehenden Blick keine fixierten
(staatlichen) Machtkonstellationen (mehr) voraussetzbar, sondern in ihren verzweigten Wirk-
weisen notwendiger Teil einer Grenzanalyse. Anne-Laure Amilhat Szary und Frédéric Giraut
(2015) führen die bisher diskutierten Aspekte hinsichtlich der räumlichen Dislokalisierung
und gleichzeitigen Technologisierung der Grenze im Kontext einer staatlichen Kontrolle von
Flows zusammen und weisen mit ihrem Konzept der borderities – mit Rückgriff auf die
Machtanalytik Foucaults – darauf hin, dass moderne nationalstaatliche Grenzen Ausdruck
eines Sicherheitsdispositivs sind, in dessen Kern eine gouvernementale staatliche Kontrolle
die Formierung politischer Subjektivitäten reguliert und bedingt. Die Autor*innen sprechen
deshalb auch von „mobile borders“ (ebd., S. 13), um die räumliche Instabilität und zugleich
technologisierte Machtapparatur der Grenze zu fassen. Im Rahmen der kritischen Grenz- und
Migrationsregimeanalyse betonen neuere Ansätze dabei die Notwendigkeit, einer Reifikation
der Grenze als staatlicher Machtapparatur ein komplexeres Verständnis des Zusammenhangs
von Grenzen und Macht unter Berücksichtigung migrantischer Handlungsmacht entgegenzu-
setzen (vgl. Hess 2018).
In ihrer pluritopikalischen und plurivokalen Ausrichtung macht die Perspektive von der Gren-
ze aus auf Widersprüchlichkeiten, Paradoxien, Ungleichzeitigkeiten, Inkongruenzen der Grenze
aufmerksam. So wird in den Studien deutlich, dass Grenzen etwa materiell abgebaut, aber
symbolisch als „Phantomgrenze“ (Hirschhausen et al. 2015; siehe auch Hirschhausen in die-
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sem Band) weiterbestehen können, dass gleiche Grenzen von den einen als Schutzwall und
den anderen als unüberwindbare Festung gedeutet werden, dass Prozesse der Entgrenzung
(debordering) stets mit Prozessen der Neubegrenzung (rebordering) einhergehen oder dass alte
Grenzen nicht widerspruchsfrei auf neue Grenzen treffen (vgl. Amilhat Szary/Giraut 2015).
Eine derartige methodologische Position bestimmt nicht im Vorhinein den Beobachtungsfokus,
sondern versucht offen für etwaige Widersprüche und Konflikte zu sein. Eine Möglichkeit,
diese „grenzanalytische Indifferenz“ (Gerst/Krämer 2020, S. 69f.) umzusetzen, liegt darin,
ausgehend von der Grenze relevanten Grenzverläufen zu folgen und dadurch das Verhältnis
von Grenzziehungen und Ordnungsbildungen in den Fokus zu rücken (vgl. Gerst/Krämer
2017; 2019). Unter den Bedingungen komplexer und disperser Grenzen wird zugleich die
Notwendigkeit offenbar, ontologisch fixierende Einhegungen der Grenze zu unterlassen und
sie stattdessen sowohl in ihrer „ontological multidimensionality“ (Brambilla 2015, S. 26) als
auch in ihrem „constant state of becoming“ (Parker/Vaughan-Williams 2012, S. 728) ernst zu
nehmen. Grenzanalytik in dieser Perspektive zielt dann nach Christophe Sohn nicht darauf ab,
die Grenze festzulegen, sondern sie „in relative and provisional terms“ (Sohn 2016, S. 187) zu
begreifen.
Herausforderungen
Der folgende Abschnitt thematisiert die Herausforderungen einer grenzanalytischen Metho-
dologie. Diese resultieren aus dem Umstand, dass sich die Grenzforschung nicht auf eine
methodologische Perspektive zurückführen lässt und stellen sich allen hier vorgestellten For-
schungshaltungen gleichermaßen. Welche Reflexionsbedarfe zieht also die diagnostizierte me-
thodologische Multiperspektivität der Grenzforschung nach sich? Insbesondere vier Herausfor-
derungen lassen sich unserer Meinung nach identifizieren:
Eine erste Herausforderung liegt in der folgenreichen Notwendigkeit begründet, zu entschei-
den, was Grenze letztlich ist und in welcher Form sie in den Blick geraten soll. Dies gilt
sowohl für eine zentrierte Betrachtung ‚der‘ Grenze, ihrer Überschreitung oder ihrer Ausdeh-
nung als auch für eine dezentrierte Grenzanalytik verstreuter Grenzphänomene. So macht
es einen Unterschied, ob Staatsgrenze als überschreitbare Linie am Grenzübergang, als trans-
nationale Pendelroutine, als Thema eines gesellschaftlichen Migrationsdiskurses, als identitäts-
bildende Kategorisierungspraxis in grenzregionalen Kitas oder als Zutrittsverweigerung von
Grenzbeamt*innen am Flughafen perspektiviert wird. Die Analyse von Grenzen verlangt nach
einer kontrollierten Bestimmung dessen, was jeweils als Grenzphänomen vorausgesetzt oder
angenommen wird bzw. entdeckt werden kann. Zugleich hängt die Möglichkeit, Grenzen zu
sehen bzw. analytisch sichtbar zu machen, von der Methodenwahl und generell der metho-
dologischen Einstellung ab: Wie deutlich geworden sein sollte, gehen mit den Perspektiven
des Auf-, Über-, In- und Wie-die-Grenzen-Sehens je eigene Grenzvorstellungen einher. In
der Grenzforschung wurde diese Herausforderung bisher insbesondere als Theorieproblem
adressiert und eine Debatte darüber geführt, ob es eine allgemeine Grenztheorie geben kön-
ne. Während die einen die abstrakte Formulierung zentraler Konzepte und Phänomene vor
allem als Überbrückungs- und Integrationsstrategie für das disziplinär und gegenstandsbezogen
zunehmend zerklüftete Feld der Grenzforschung vorantreiben wollen (z.B. Newman 2003),
mahnen andere Stimmen an, dass jede Grenze einzigartig und eine allgemeine Grenztheorie ein
unrealistisches Ziel sei (z.B. Paasi 2011; Haselsberger 2014). Methodologisch gewendet lautet
die Frage an dieser Stelle dann, was im spezifischen Fall die ‚Grenzhaftigkeit‘ eines grenzanaly-
3.
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tisch untersuchten Phänomens ausmacht – eine Qualität, die als fallspezifisch und wandelbar
verstanden werden muss (vgl. Green 2012; Gerst/Krämer 2019). Die gegenstandssensible und
reflektierte Beschreibung der Grenzhaftigkeit wird so als Gegenstrategie zu zwei methodologi-
schen Abkürzungen verstanden (vgl. Gerst 2020, S. 149): einerseits gegen einen ‚Borderismus‘,
der sämtliche Grenzrealitäten einem vereinfachenden Grenzverständnis unterordnet und dabei
„everything in terms of borders“ (Rumford 2014, S. 13) fasst, andererseits gegen eine Diagno-
se der Grenzenlosigkeit, die im Sinne einer übersteigerten These einer „borderless world“
(Ohmae 1990) blind ist für die effektvollen Grenzrealitäten gegenwärtiger Gesellschaften.
Damit einher geht eine zweite Herausforderung, die sich aus der Notwendigkeit zur gegen-
standsadäquaten Wahl der Methoden empirischer Grenzforschung ergibt. Zwar lässt sich
festhalten, dass verschiedene methodologische Perspektiven Präferenzen in der Methodenwahl
herausgebildet haben, es aber keine ‚Standardmethode‘ für die jeweiligen Perspektiven gibt.
Insofern verschiedene Forschungsmethoden den Blick für verschiedene Facetten der Grenzreali-
tät öffnen und von unterschiedlichen Datentypen eine diversifizierte Erklärungskraft ausgeht,
zieht dies die Notwendigkeit einer fallspezifischen Methodenreflexion nach sich. Etwa lässt
sich fragen, welche Setzungen die Methodenwahl mit sich bringt oder im Sinne eines leiten-
den Erkenntnisinteresses festigt (vgl. auch Meinhof/Gałasiński 2005) – so beispielsweise im
Fall narrationsanalytischer Zugänge, die auf alltagsweltliche Grenzverständnisse from below
fokussieren und sich von Analysen offizieller Grenzdiskurse from above absetzen wollen (vgl.
Prokkola 2009; Doevenspeck 2011). Wiederum von Interesse ist die Frage, welche Feld- und
Datenzugänge bestimmte Methoden erfordern und welchen Hindernissen diese gegenüberste-
hen, etwa wenn Ethnograf*innen Grenzzugänge verweigert werden oder nationale Statistiken
sich als inkompatibel für die Forschungsfragen erweisen. Mit Blick auf die methodologische
Diversifizierung der Grenzforschung kann eine Verschränkung methodologischer Perspektiven
zum Beispiel über eine Triangulation verschiedener Forschungsmethoden wie auch über eine
Konfrontation divergierender Interpretationen im Rahmen einer Methode angegangen werden.
Eine dritte Herausforderung adressiert allgemeiner den Zusammenhang von Disziplinarität
(und damit Diszipliniertheit) und spezifischen Grenzperspektiven. In der inter- und transdis-
ziplinären Grenzforschung bringen verschiedene Disziplinen ihre je eigenen ‚traditionellen‘
Grenzverständnisse und Grenzsensibilitäten mit.1 Methodologisch bedeutsam wird damit der
Umstand, dass disziplinäre Perspektiven von einer impliziten wie expliziten wissenschaftlichen
Arbeitsteilung leben. Durch die je disziplinäre Spezialisierung auf bestimmte Grenzaspekte
und -dimensionen sind sie auf die Forschungsergebnisse der Nachbardisziplinen angewiesen,
untersuchen doch diese ein ‚Anderes‘ der Grenze. Wichtig ist damit die Frage, wie Inter- bzw.
Transdisziplinarität in der Grenzforschung praktisch umsetzbar wird. Unabhängig von der
konkreten Umsetzung innerhalb von Forschungskonstellationen lässt sich wohl sagen, dass
Fragen der Übersetzbarkeit auf mehreren Ebenen im Zentrum einer methodologisch reflektier-
ten Grenzforschung stehen (vgl. auch Trans|Wissen 2020): als Überbrückung der Arbeitstei-
lung in interdisziplinären Forschungsteams (so etwa in Wille et al. 2014), als Übersetzung von
disziplinären Forschungsergebnissen in abstraktere heuristische Interpretationsrahmen (Schif-
1Nicht zufällig stieg mit der zunehmenden Öffnung der Grenzforschung für die Geistes-, Kultur- und Sozialwissen-
schaften auch das theoretisch-konzeptionelle Arsenal an Grenzbegriffen sowie der Drang zur Exploration bisher
vernachlässigter Grenzdimensionen und -aspekte. Beides war im Vergleich mit der heutigen Unüberschaubarkeit
der Grenzforschung bis dahin von der Geografie und den Politikwissenschaften relativ eng gefasst worden (vgl.
Kolossov/Scott 2013).
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fauer et al. 2018) oder als Zusammenführungsleistung einer öffentlichen Wissenschaftskom-
munikation.
Damit wären wir bei einer vierten Herausforderung angelangt, die sich ganz dezidiert aus
dem Rollenverständnis von Grenzforschenden ergibt und darin liegt, einen klaren Umgang mit
Selbstpositionierungen innerhalb des Forschens über Grenzen zu finden. Von Beginn an gehen
die Selbstverortungsangebote in diesem Feld über rein akademische hinaus: Einerseits versteht
sich ein beträchtlicher Teil der Untersuchungen als angewandte Forschung, die beispielsweise
im Bereich der cross-border cooperation in Zusammenarbeit mit Praktiker*innen auf eine Ver-
besserung und Stabilisierung grenzüberschreitender Zusammenarbeit hinarbeitet und demnach
hauptsächlich der Perspektive des Über-die-Grenze-Sehens folgt, andererseits versteht sich ein
ebenso beträchtlicher Teil als kritische Grenzforschung, die einer emanzipatorisch aufkläreri-
scher Grundhaltung folgt und dabei bisweilen auch die Grenze zwischen Wissenschaft und
Aktivismus sowie Wissenschaft und artistischer bzw. künstlerischer Praxis auflöst. Derart ‚nor-
mativen‘ Positionen innerhalb der Grenzforschung stehen häufig eher ‚deskriptive‘ Positionen
unberührt gegenüber, die sich durch ihre Orientierung an wissenschaftsinternen Erkenntnisin-
teressen auszeichnen. Eine Herausforderung besteht darin, eine gemeinsame Sprechgrundlage
für die verschiedenen Akteur*innen innerhalb des Feldes Grenzforschung zu finden, die sich
sowohl als anschlussfähig für verschiedene methodologische Perspektiven als auch divergieren-
de Selbstpositionierungen der Forschenden erweist. Dazu gehören genauso Reflexionen über
angesprochene Adressat*innenkreise wie die Debatte um die Darstellung wissenschaftlicher
Forschungsergebnisse – etwa in multimedialen Repräsentationen in Blogs, Filmen, Ausstellun-
gen. Ebenso zählt hierzu auch die Frage, inwieweit die Grenzforschung sich am tagesaktuellen
Geschehen abarbeitet oder in Distanz zu ihren Gegenständen tritt.
Fazit
Unser Beitrag hat es sich zur Aufgabe gemacht, die diversen methodologischen Orientierungen
im Feld der Grenzforschung zu identifizieren sowie auf ihre Unterschiede und Gemeinsamkei-
ten zu befragen. Wir haben vier verschiedene methodologische Positionen (auf, über, in, wie)
herausgearbeitet und deren Grundlagen vorgestellt. Je nach Position geraten demnach andere
Aspekte von Grenzen in den Blick, werden andere Bedingungen, andere Effekte hervorgehoben
und Grenzen entsprechend anders begründet. Wie eingangs geschildert, kann dieses Unter-
nehmen ebenso als ein alternativer Ordnungsversuch des diversen Felds der Grenzforschung
gelesen werden. Nicht der Versuch einer holistischen Großtheorie von Grenze oder regional-
wissenschaftlicher Einteilungen sind hier ordnungsleitend, sondern die Frage nach dem Wie
der Forschung. Methodologische Ähnlichkeit gruppiert so einzelne, eventuell geografisch weit
entfernte, forschungspraktisch und epistemologisch hingegen naheliegende Forschungen und
bringt somit andere Einzelforschungen miteinander ins Gespräch. Zugleich kann unser Beitrag
als eine Orientierung für die Wahl oder die Verortung eigener Grenzforschungen dienen. Ob
bewusst oder unbewusst, jegliche Forschung folgt einer methodologischen Grundorientierung,
ohne die diese nicht durchführbar wäre. Daran erinnert auch der Sozialwissenschaftler John
Gerring (2012, S. 8), wenn er formuliert:
„While one can ignore methodology, one cannot choose not to have a methodology.
In teaching, in research, and in analyzing the work of colleagues, scholars must separate
the good from the bad, the beautiful from the ugly. In so doing, broader criteria of the
4.
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good, the true, and the beautiful necessarily come into play. Social science is a normative
endeavor.“
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Literaturverzeichnis
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