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journal für lehrerInnenbildung
jlb
no.4
2020
Lehrer*innen −
Fortbildungen
Bibliograe:
Manuela Keller-Schneider, Stephan Hasler,
Dorothee Lauper und Monika Tschopp:
Professionalisierung in
unterschiedlichen Berufsphasen.
Weiterbildungsangebote in der Schweiz.
journal für lehrerInnenbildung, 20 (4), 86-93.
hps://doi.org/10.35468/jlb-04-2020-08
Gesamtausgabe online unter:
hp://www.jlb-journallehrerinnenbildung.net
hps://doi.org/10.35468/jlb-04-2020
ISSN 2629-4982
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Manuela Keller-Schneider,
Stephan Hasler,
Dorothee Lauper und
Monika Tschopp
Professionalisierung in
unterschiedlichen Berufsphasen.
Weiterbildungsangebote
in der Schweiz
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Professionalisierung in unterschiedlichen Berufsphasen
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Weiterbildung als Anforderungen
an Lehrpersonen
Professionalisierungsanforderungen erstrecken sich aufgrund von sich
verändernden gesellschalichen und schulischen Erwartungen an die
Schule und die Lehrpersonen sowie von sich verändernden individu-
ellen Zielen der Lehrpersonen (Herzog, Sandmeier & Terhart, in Vorb.)
über die gesamte Berufsbiograe. Weiterbildung zur Unterstützung
der über die Ausbildung hinausgehenden Professionalisierung ist er-
forderlich, damit Lehrpersonen ihre Professionalität aufgrund der lau-
fend sich verändernden beruichen Anforderungen erhalten und wei-
ter ausdierenzieren (Hericks, Keller-Schneider & Bonnet, 2019). Der
folgende Beitrag zeigt auf, wie sich die Weiterbildung in der Schweiz,
die über Jahrzehnte gewachsen ist und sich laufend ausdierenziert
hat, in berufsbiograsch zeitlicher und aufgabendierenzierend in-
haltlicher Perspekve fassen lässt.
Instuonelle Entwicklung von Weiterbildung
In der Schweiz wurde die Weiterbildung für Lehrpersonen bereits im
Zuge der Gründung von Seminarien zur Ausbildung von Lehrperso-
nen zu Beginn des 19. Jh. mitgedacht, denn die Professionalität von
Lehrpersonen wurde bereits in dieser Zeit themasiert (Bloch Pster,
2007). Im von der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) beaurag-
ten Bericht zur Neukonzeponalisierung der Lehrerinnen- und Leh-
rerbildung wurde diese in vier Phasen gegliedert über die gesamte
Berufstägkeit betrachtet (LEMO, Lehrerbildung von morgen: Müller,
1975). Unterschieden wurde zwischen einer Grundausbildung, einer
Berufseinführung, einer Fortbildung zur Ergänzung und Verefung der
Grundausbildung und einer Weiterbildung zum Erwerb zusätzlicher
Qualikaonen (EDK, 1991). 1998 wurde die Dierenzierung zwischen
Fort- und Weiterbildung aufgehoben, Angebote in dieser Berufsphase
werden seitdem als Weiterbildung bezeichnet.
Im neu gestalteten Berufsaurag (Kull, 2015) erscheint die Weiterbil-
dung als festgelegter Bestandteil der Jahresarbeitszeit und legt indi-
viduelle und schulinterne Weiterbildung als explizit ausgeschilderten
Teil des Berufsaurags fest. Den Pädagogischen Hochschulen wurde
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die Aufgabe der Weiterbildung von Lehrpersonen übertragen, ergän-
zend zu den Aurägen Ausbildung, Forschung und Dienstleitung.
Weiterbildung in unterschiedlichen Berufsphasen
Weiterbildung setzt an der individuellen und kollekven Ebene an und
lässt sich in zeitlicher und inhaltlicher Dimension ausdierenzieren
(siehe Abb. 1). Als schulinterne Weiterbildungen auf kollekver Ebene
werden schulübergreifende Weiterbildungen zur Umsetzung der von
den Volksschulämtern iniierten Reformen angeboten sowie auf die
Einzelschule und ihr Schulprogramm ausgerichtete spezische Ange-
bote. Weiterbildung auf individueller Ebene wird bedarfs- und bedürf-
nisspezisch mit der Schulleitung geplant und vereinbart.
In zeitlicher Dimension schließt an die Grundausbildung die Phase der
Berufseinführung an, die ießend in das breite Weiterbildungsange-
bot übergeht, das mehrheitlich in der mileren Berufsphase genutzt
wird; eine Abschlussphase schließt den Bogen der Berufsarbeit.
In inhaltlicher Dimension lassen sich Angebote der Weiterbildung in
Bereiche des Berufseinsegs und des Berufsabschlusses, sowie der
Verefung im Kernbereich, der Prolbildung in spezischen Berei-
chen, der Aktualisierung für einen Wiedereinseg und der Spezialisie-
rung für spezische Funkonen gliedern. Die Phasen und ihre Ange-
bote lassen sich wie folgt beschreiben.
Abb. 1 Phas
1
Abschluss-
phase
Ausbildung zur
Lehrperson in
zielstufenspezifischen
Studiengängen
Grundausbildung Berufseinstieg Weiterbildung Berufsabschluss
(individuell und institutionell)
Weiterbildung
in der Schuleinheit
Vertiefung mit Fokus
Unterrichten
Lehren und Lernen Profilierung
Spezialisierung
Aktualisierung
für den
Wiedereinstieg
Berufseinstieg
Berufseinführung
en in der Professionalisierung von Lehrpersonen (nach Lauper, Tschopp,
Hasler & Keller-Schneider, 2017)
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Professionalisierung in unterschiedlichen Berufsphasen
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Berufseinseg und Berufseinführung
Der Einseg in die eigenverantwortliche Berufstägkeit stellt aufgrund
der sprungha ansteigenden Komplexität der Dynamik gleichzeig
zu meisternder Aufgaben Herausforderungen an alle Lehrpersonen,
die berufsphasenspezisch konkresierten Entwicklungsaufgaben
anzunehmen und zu bewälgen, um im Beruf anzukommen. Diese
umfassen die Bereiche der identätssenden Rollenndung, der ad-
ressatenbezogenen Vermilung, der anerkennenden Klassenführung,
sowie der mitgestaltenden Kooperaon in und mit der Instuon (Kel-
ler-Schneider, 2020). Trotz der in die Ausbildung integrierten Schul-
praxis mit zunehmend anspruchsvoller gestalteten Aufgaben stellen
sich in der Berufseinsegsphase erneut Anforderungen. Diese können
strukturbedingt im Rahmen einer Ausbildung (in der Schweiz einphasig
mit integrierter Praxis) aufgrund der fehlenden Eigenverantwortung
nicht vorweggenommen werden. Instuonelle Angebote der Berufs-
einführung für Lehrpersonen in der Berufseinsegsphase werden den
Berufseinsteigenden von den Pädagogischen Hochschulen angeboten.
Sie fokussieren auf die berufsphasenspezischen Anforderungen und
die daraus hervorgehenden Anliegen der Lehrpersonen.
Angebote der Berufseinführung mit zunehmend erweiterten Zielen
(Schneuwly, 1996) wurden seit den 1970er Jahren nach kantonalen
Schwerpunktsetzungen entwickelt. Am Anfang stand insbesondere
die Einndung in den Beruf als Einsozialisaon in die lokale Schule
im Vordergrund, ergänzt um schulexterne Beratungs- und Unterstüt-
zungsangebote. Diese eher dezitär ausgerichteten Weiterbildungs-
ansätze wurden um den Schwerpunkt einer berufsphasenspezischen
Weiterbildung ergänzt. Darin zeigt sich, dass die Berufseinsegsphase
als eigene, an die Grundausbildung anschließende berufsbiograsche
Phase mit spezischen Anforderungen und darauf bezogenem Wei-
terbildungsbedarf anerkannt wurde. Seit der Gründung der Pädago-
gischen Hochschulen in der Schweiz (ab 2002) kam die Zielsetzung
hinzu, über die Bearbeitung von subjekv erfahrenen Herausforde-
rungen die Lehrpersonen in ihrer Professionalisierung und damit ihr
über den Berufseinseg hinausgehendes Professionalisierungsbe-
wusstsein zu fördern. Aktuell umfassen diese Angebote eine kollegiale
Begleitung durch Lehrpersonen derselben Schule, reexionsorienere
Super vision sowie an die Erfahrung anknüpfende Weiterbildung (Kel-
ler-Schneider, 2019).
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Weiterbildung
mit unterschiedlichen Fokussierungen
Individuelle Weiterbildungen der mileren Berufsphase umfassen
vielfälge Angebote. Die Lehrperson kann im Kontext ihrer Schule ihre
Weiterbildung und damit auch die Berufsphase und Berufslauahn
dierent gestalten.
• Angebote der Verefung und Erweiterung von auf Unterricht- und
Lehr-/Lernprozesse bezogenen Kompetenzen und Interessen för-
dern die Lehrperson in ihrer Kernaufgabe und erweitern durch Im-
pulse die Palee von Erprobtem und Bewährtem. Diese Angebo-
te umfassen Themen wie schülerorienerte Unterrichtskonzepte,
Beurteilungspraxis, kooperaves Lernen, parzipaves Unterrich-
ten, Beziehungsgestaltung, Zusammenarbeit, Koniktbewälgung,
Kompetenzorienerung im Unterricht, Selbststeuerungsfähigkei-
ten, soziales Lernen, sowie fachliche und fachdidaksch spezi-
zierte Angebote.
• Angebote zur Prolierung ermöglichen, die Kernaufgabe als Lehr-
person durch eine Verefung eines spezischen Bereichs zu erwei-
tern und damit ein individuell geprägtes Prol berufsrelevanter
Kompetenzen zu entwickeln. Über eine Prolbildung ist auch die
Übernahme von auf schulebene relevanten Aufgaben möglich.
Prolbildende Weiterbildungen umfassen Bereiche wie die Weiter-
bildung zur Praxislehrperson, zur Begleitung von Berufseinsteigen-
den, zum IT-Spezialisten bzw. zur IT-Spezialisn, in Theaterpädago-
gik, Schülerparzipaon oder Begabungs- und Begabtenförderung.
• Angebote zur Aktualisierung richten sich an Lehrpersonen, die
nach einigen Jahren des Unterbruchs ihrer Lehrtägkeit einen
Wiedereinseg in den Beruf erwägen oder bereits eingesegen
sind. Themasiert werden insbesondere aktuelle Lehrmiel und
didaksche Konzeponen, sowie Neuerungen im Schulfeld und da-
mit verbundene Veränderungen der Aufgaben und der Rolle einer
Lehrperson.
• Angebote der Spezialisierung umfassen Weiterbildungen, die über
die Kernaufgabe von Lehrpersonen hinausführen und zur Übernah-
me von Spezialaufgaben in einer Schule führen, wie Deutsch als
Zweitsprache (DaZ), schulische Heilpädagogik oder Schulleitung.
Die Weiterbildung zur Schulleitung unterscheidet sich von den an-
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deren Spezialisierungen darin, dass die Schulleitungsarbeit in eine
dem Kollegium übergeordnete Rolle und damit zu einer anderen
Stellung im schulischen Gefüge führt und in der Regel mit einem
Schulwechsel verbunden wird.1
Berufsabschlussphase
Berufsbezogene Weiterbildungen in der Phase des Berufsabschlus-
ses sind erst wenig ausdierenziert, zu berufsübergreifenden Pensi-
onierungsvorbereitungskursen werden Lehrpersonen zusammen mit
kantonal Abgestellten anderer Berufsgruppen rund fünf Jahre vor der
regulären Pensionierung eingeladen.
Auf den Lehrberuf bezogene berufsphasenspezische Weiterbildun-
gen zum Abschluss der beruichen Tägkeit als Lehrpersonen fokus-
sieren insbesondere die individuelle Ebene. Themasiert wird, was
die Lehrperson in der letzten Berufsphase noch umsetzen und er-
reichen oder was sie weitergeben möchte und welche Aufgaben in
dieser Phase nicht mehr übernommen, d. h. anderen überlassen und
zugetraut werden. Über die Weiterbildung hinausgehend ist als Aufga-
be der Schulleitung von Bedeutung, zur Umsetzung dieser Pläne und
Wünsche beizutragen, zu Erhaltendes zu sichern und auch spezische
Erwartungen zu formulieren, denen sich berufsabschließende Lehr-
personen stellen sollen.
Abschluss
Parallel zur Ausdierenzierung von Weiterbildungsmöglichkeiten über
die gesamte Berufslauahn hinweg wurde Weiterbildung als Teil der
Berufsarbeit im Berufsaurag von Lehrpersonen verankert. Damit
umfasst in der Schweiz die von der Profession und ihrem Dachverband
postulierte Weiterbildungspicht (LCH, 2008) einen anerkannten und
verbindlichen Anteil der Berufsarbeit.
1 Da in der Schweiz Anstellungen von Lehrpersonen gegenseig kündbar sind (kei-
ne Verbeamtung), sucht sich eine in die Rolle der Schulleitung wechselnde Lehr-
person in der Regel eine Anstellung an einer anderen Schule.
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Professionalisierung in unterschiedlichen Berufsphasen
jlb no. 4/2020 hps://doi.org/10.35468/jlb-04-2020-08
Manuela Keller-Schneider, Prof. Dr. phil.,
Pädagogische Hochschule Zürich.
Arbeitsschwerpunkte:
Professionsforschung,
insbesondere Berufseinseg,
Team und Schulentwicklung,
selbstreguliertes Lernen
m.keller-schneider@phzh.ch
Stephan Hasler, Berater,
Dozent und Fachbereichsverantwortlicher
Berufseinseg und Berufslauahn, PH Bern.
Arbeitsschwerpunkte:
Personzentrierte Beratung,
Begleitung von Berufseinsteigenden
stephan.hasler@phbern.ch
Dorothee Lauper, lic. phil.,
Pädagogische Hochschule Luzern.
Arbeitsschwerpunkte:
Berufsbiograsche Angebote,
Standortbesmmungen und
Weiterbildungsberatungen für Lehrpersonen
dorothee.lauper@phlu.ch
Monika Tschopp, Leiterin
Ressort Berufsbiographie und Lauahn,
PH Fachhochschule Nordwestschweiz.
Arbeitsschwerpunkte:
Erwachsenenbildung,
Personal- und Organisaonsentwicklung an Schulen,
Kompetenzorienerung und -entwicklung
monika.tschopp@nw.ch